21. Syntax

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IV. Linguistische Gegenstände in ihrer Bedeutung für das Deutsche
1800
1808
Wegener, Heide
2007 Entwicklungen im heutigen Deutsch ! wird Deutsch einfacher? Deutsche Sprache 35:
35!62.
Wegener, Heide
2008 Der Erwerb eines komplexen morphologischen Systems in DaZ ! der Plural deutscher
Substantive. In: Patrick Grommes und Maik Walter (Hg), Fortgeschrittene Lernervarietäten, 93!118. Tübingen: Niemeyer.
Weinrich, Harald
1993 Textgrammatik der deutschen Sprache. Mannheim: Duden.
1809
Heide Wegener, Potsdam (Deutschland)
1801
1802
1803
1804
1805
1806
1807
1810
21. Syntax
1815
1.
2.
3.
4.
5.
1816
1. Einleitung
1811
1812
1813
1814
1817
1818
1819
1820
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1835
1836
Einleitung
Syntaxtheoretische Vielfalt, Sprachtypologie und DaF/DaZ. Zur Forschungslage
Die Syntax der deutschen Gegenwartssprache aus DaF/DaZ-Perspektive
Deutsche Syntax als Lerngegenstand
Literatur in Auswahl
Die Syntax (früher auch «Satzlehre» genannt) befasst sich mit den Regularitäten, die der
Bildung von Sätzen zugrunde liegen. Dabei wird der Begriff Satz einerseits in einem eher
vortheoretischen und nicht ganz präzisen Sinne als eine sprachliche Einheit verstanden,
die (heutzutage) in der Schrift durch so genannte große Satzzeichen ! Punkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen, Semikolon ! abgegrenzt wird (oder werden könnte) und in der
gesprochenen Sprache durch eine spezifische finale Intonation (Dudengrammatik 2009:
105!106) gekennzeichnet ist. Dieser tradierte Satzbegriff bietet nicht zuletzt mit Bezug
auf die gesprochene Sprache erhebliche Abgrenzungsprobleme (s. unter anderen Ehlich
1992). Andererseits wird der Satz einfach als der Gegenstand einer syntaktischen Theorie
verstanden, d. h. als das, was die syntaktische Theorie selber als einen Satz definiert. Die
beiden verschiedenen Satzbegriffe unterscheiden sich allerdings in der Praxis lediglich an
den Rändern; im Kern sind sie weitgehend deckungsgleich im Hinblick darauf, welche
sprachlichen Ausdrücke jeweils als Sätze kategorisiert werden und welche nicht. Von
diesem Kernbereich wird im Folgenden die Rede sein, und zwar eingeschränkt auf die
geschriebene Sprache (für die Grammatik der gesprochenen Sprache s. Dudengrammatik
2009: 1198!1217). So wollen wir davon ausgehen, dass zu einem prototypischen Satz
des Deutschen zumindest ein finites Verb (eine im Hinblick auf Tempus/Modus, Numerus
und Person flektierte Verbalform) gehört.
Die kleinsten Bausteine der Syntax im traditionellen Sinne des Wortes sind morphologische Wörter, d. h. Wortformen, die im Hinblick auf die für die jeweilige Wortart rele-
21. Syntax
217
vanten grammatischen Merkmale (Kasus, Numerus, Tempus, usw.) spezifiziert sind.
Demnach hat die Syntax eine Schnittstelle zur (Flexions-)Morphologie (s. Art. 20), weswegen die Syntax und die Morphologie oft unter der Bezeichnung Morphosyntax zusammenfasst werden. Die Syntax legt fest, wie sich morphologische Wörter zu komplexeren
Kategorien ! syntaktische Phrasen ! zusammenfügen, die wiederum die Bestandteile
des Satzes bilden. Charakteristisch für das Deutsche und viele andere Sprachen ist nun
zum einen, dass Flexionsformen oft morphologisch unterspezifiziert oder mehrdeutig sind.
So kann die Ärztin Nominativ sein wie der Arzt oder Akkusativ wie den Arzt, und bei
der Verbalform tanzt kann es sich um die 3. Pers. Sg. des Präsens Indikativ handeln wie
bei hilft oder um die 2. Pers. Pl. wie bei helft. Zum anderen gibt es meistens auch keine
Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen voll spezifizierten Phrasenkategorien wie «Nominalphrase im Akkusativ» und syntaktischen Funktionen: Nominalphrasen im Akkusativ können zum Beispiel als („direkte“) Objekte von Verben dienen ! aber auch etwa von bestimmten Präpositionen regiert sein (vgl. jemanden kennen und an jemanden denken); und
umgekehrt kann das „direkte“ Objekt bei bestimmten Verben (auch) beispielsweise als
ein mit dass eingeleiteter Satz realisiert werden (Er hat den Vortrag nicht verstanden. vs.
Er hat nicht verstanden, dass ich es ernst meine.). Da Wörter derselben Wortart sich in
Hinblick auf ihre syntaktischen Konstruktionsmöglichkeiten voneinander unterscheiden
können, hat die Syntax somit auch eine Schnittstelle zum Lexikon (Wortschatz).
Syntaktische Regularitäten haben grundsätzlich eine semantische und/oder eine pragmatische Seite, indem die syntaktische Struktur einer komplexen Einheit sich entweder
direkt auf deren Bedeutung auswirkt oder deren Verwendungsmöglichkeiten im (sprachlichen oder nicht sprachlichen) Kontext beeinflusst. So wird mit (1a), wo Arzt als Subjekt
und Patientin als Objekt dient, eine ganz andere Situation beschrieben als mit (1b), wo
es sich umgekehrt verhält (s. 3.2.). Und Sätze, die sich durch Erst- bzw. Zweitstellung
des finiten Verbs unterscheiden (s. 3.1.), haben verschiedene syntaktisch-semantische
Funktionsmöglichkeiten und ein unterschiedliches Sprachhandlungspotential, wie sich
am Beispielpaar (2) veranschaulichen lässt: (2a) muss als eine Folge von zwei selbstständigen Sätzen (Aussagen), (2b) hingegen als ein komplexer Satz (ein Bedingungsgefüge)
verstanden werden.
1837
(1)
a. (Ein) Arzt biss (seine) Patientin ins Ohr.
b. (Eine) Patientin biss (ihren) Arzt ins Ohr.
1867
(2)
a. Sie hat das Buch gekauft, so sollte sie es auch lesen.
b. Hat sie das Buch gekauft, so sollte sie es auch lesen.
1868
Da Sätze letzten Endes nicht in Isolation auftreten, sondern immer in einen bestimmten
sprachlichen Kontext und/oder einen Situationskontext eingebettet sind, müssen schließlich auch Schnittstellen zwischen der Syntax und der Text-/Diskursebene bzw. der pragmatischen Ebene andererseits angenommen werden.
Die semantisch-pragmatischen Aspekte der Syntax sind nicht zuletzt im sprachvergleichenden Zusammenhang und damit auch aus DaF/DaZ-Perspektive von herausragender
Bedeutung, geht es doch letzten Ende darum, wie das, was man in der jeweiligen Primärsprache so oder so ausdrückt, in der fremden Sprache ausdrücken kann oder muss (produktive Perspektive, s. Abschn. 4), bzw. welche Inhalte oder kommunikative Funktionen
mit diesen oder jenen Konstruktionen der fremden Sprache verbunden sind und wie sie
sich in der Hinsicht zu vergleichbaren Strukturen der Primärsprache verhalten (rezeptive
Perspektive, s. Abschn. 4).
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IV. Linguistische Gegenstände in ihrer Bedeutung für das Deutsche
2. Syntaxtheoretische Viel!alt, Sprachtypologie und DaF/DaZ.
Zur Forschungslage
Es ist im Rahmen dieses Artikels unmöglich, der reichhaltigen Literatur zur deutschen
Syntax auch nur annähernd gerecht zu werden. Erwähnt werden sollen lediglich zwei
Umstände, die im gegebenen Zusammenhang von besonderem Interesse sind: die Vielfalt
syntaktischer Theorien und die Fortschritte bei der typologisch-kontrastiven Einordnung
des Deutschen.
Seit Jahrzehnten sind mehrere syntaktische Theorien oder Beschreibungsverfahren
auf dem Markt: sukzessive Versionen der generativen Grammatik, Lexikalische Funktionale Grammatik (LFG), Head-Driven Phrase Structure Grammar (HPSG), Kategorialgrammatik, Konstruktionsgrammatik, Dependenz- und Valenztheorie und anderes mehr.
Sie unterscheiden sich unter Anderem in ihrer Erklärung des Spracherwerbs, in ihren
Universalitäts- und Vollständigkeitsansprüchen, in ihrer Gewichtung der Syntax und,
damit zusammenhängend, in ihrer Darstellung der Interaktion von Syntax und Semantik
und/oder Syntax und Morphologie ! und nicht zuletzt in ihrer Formalisierung bzw.
Formalisierbarkeit. In einschlägigen Einzeluntersuchungen und auch in Einführungen
wie Stechow/Sternefeld (1988), Sternefeld (2006), Heringer (1996) werden z. T. neue und
detaillierte Einsichten in die Syntax des Deutschen und deren Eigenart im Vergleich zu
anderen Sprachen (Abraham 2004, 2005) vermittelt, die im DaF/DaZ-Zusammenhang
durchaus relevant sind. Entsprechendes gilt natürlich auch für die umfassenden und theoretisch expliziten wissenschaftlichen Grammatiken von Heidolph u. a. (1981) und Zifonun u. a. (1997). Der theoretische Überbau über den zu vermittelnden Fakten stellt jedoch weitgehend eine zu hohe Hürde dar, um einen direkten Einsatz solcher Arbeiten
als Lehrwerke oder curriculare Lektüre in DaF/DaZ-Studiengängen sinnvoll erscheinen
zu lassen ! von Lehrwerken für Deutschlernende ganz zu schweigen. Auch weniger
anspruchsvolle Referenzgrammatiken und Standardbeschreibungen der deutschen Grammatik bzw. Syntax wie die Dudengrammatik (2005/09), Eisenberg (1998), Engel (1994,
2004), Eroms (2000), Helbig und Buscha (2001) sind in theoretischer Hinsicht z. T. unterschiedlich orientiert und verwenden teilweise verschiedene Terminologien und Darstellungsverfahren. Dies ist aus der DaF/DaZ-Perspektive kaum eine ideale Lage, und zwar
schon deswegen nicht, weil die Lerner und zum großen Teil auch die angehenden Lehrer
nicht nur eine andere Primärsprache haben, sondern möglicherweise auch in einer anderen Grammatiktradition groß geworden sind. Terminologische Idiosynkrasien und theoretische Auseinandersetzungen, die im Wesentlichen durch die unscharfen Ränder grammatischer Kategorisierungen verursacht sind, sollten deshalb auf ein Minimum reduziert werden.
Vor diesem Hintergrund sind typologisch-kontrastiv orientierte Darstellungen der
deutschen Syntax (Grammatik), wie sie im Rahmen des am Institut für deutsche Sprache
laufenden Forschungsvorhabens Die Grammatik des Deutschen im Europäischen Vergleich
(s. Zifonun 2001a) erarbeitet werden, sehr willkommen. Das Vorhaben basiert auf der
Grundannahme, dass es „universale Übereinstimmung“ gibt „in der Existenz einiger weniger syntaktischer oder auch morphologischer Konstruktionen, die bestimmten notwendigen kommunikativen Grundfunktionen dienen. Als solche werden genannt: die Referenz (als Grundfunktion nominaler Konstruktionen), die Prädikation (als Grundfunktion verbaler Konstruktionen im Satz) und die Attribution (als Grundform adjektivischer
Konstruktionen)“ (Zifonun 2001: 9). Zu jedem Phänomenbereich ist ein interlingualer
21. Syntax
funktionaler (semantisch-pragmatischer) Zugang möglich, wobei als heuristische Basis
„funktionale Domänen“ dienen, die bestimmten formal definierten größeren sprachlichen Objektbereichen zugeordnet werden. Zu solchen Bereichen werden formale Differenzierungen des Deutschen in Beziehung gesetzt. Dieses Verfahren führt zu einer „fortschreitenden kontrastiven Form- und Funktionsdifferenzierung“ (ebd.), bei der invariante Merkmale, die als notwendig relativ zu dem Konstruktionstyp und der Menge der
Vergleichssprachen betrachtet werden können, identifiziert und gegenüber Parametern
der interlingualen Varianz abgesetzt werden (ebd.). Eine solche typologisch-kontrastive
Verortung des Deutschen wäre aus DaF-/DaZ-Sicht auch mit Bezug auf ausgewählte
nicht-europäische Sprachen zu wünschen. Die Vorgehensweise unterscheidet sich von
breiter angelegten typologischen Vorhaben wie das Projekt Typology of Languages in
Europe (EUROTYP; s. Hinweise in Zifonun 2001) ! ohne die sie andererseits kaum
denkbar wäre ! durch den Fokus auf eine Einzelsprache (Deutsch) und die Feinkörnigkeit des Vergleichs und hat zugleich gegenüber der traditionellen Kontrastierung zweier
Einzelsprachen (s. Hinweise in Zifonun 2001) den Vorteil einer breiteren Vergleichsbasis
und einer typologisch fundierten Begrifflichkeit.
3. Die Syntax der deutschen Gegenwartssprache
aus DaF/DaZ-Perspektive
Im Rahmen des im Abschnitt 2 erwähnten EUROTYP-Projekts ist Deutsch als Repräsentant des Standard Average European charakterisiert worden; s. auch Askedal (2000).
Aus Platzgründen konzentriert sich die folgende Synopsis der deutschen Syntax auf Bereiche oder Merkmale, in denen Deutsch von anderen zentralen europäischen Sprachen
abweicht und die erfahrungsgemäß Deutschlernenden aus verschiedenen Ländern Probleme bereiten. Vorab sind als allgemeine morphosyntaktische Stolpersteine nochmals hervorzuheben, dass Deutsch eine teilweise fusionierende und unregelmäßige Flexionsmorphologie mit viel Unterbestimmtheit bzw. vielen Synkretismen besitzt (s. Art. 20) und
dass weitgehend auch keine Eins-zu-Eins-Beziehung besteht zwischen morphologisch
spezifizierter Form und syntaktischer Funktion (s. Abschn. 1).
3.1. Linearisierungsprinzipien und Satztypen
Deutsch ist aus typologischer Sicht durch zwei zentrale wortstellungsbezogene (besser:
linearisierungsbezogene) Eigenschaften gekennzeichnet:
(i) In der „Grundwortstellung“ folgt das Verb oder Verbalglied allen von ihm abhängigen Phrasen (Objekten, Adverbialbestimmungen), einschließlich des Subjekts, nach:
Deutsch als sog. O(bjekt)-V(erb)-Sprache. Die Grundwortstellung manifestiert sich in
dass-Sätzen (5) und anderen als abhängig markierten Sätzen („Nebensätzen“) sowie in
Infinitivkonstruktionen (6); und sie lässt sich an der Stellung des infiniten Vollverbs in
Hauptsätzen mit komplexen Tempusformen o. dgl. beobachten; vgl. (3), (4a,c) Durch
diese Linksdirektionalität unterscheidet sich Deutsch von VO-Sprachen (rechtsdirektionalen Sprachen) wie dem Englischen.
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IV. Linguistische Gegenstände in ihrer Bedeutung für das Deutsche
1966
(3)
a. Sie hat das Buch schon gestern gekauft.
b. Das Buch hat sie schon gestern gekauft.
c. Aus dem Grunde hat sie das Buch schon gestern gekauft.
1967
(4)
a. Hat sie das Buch gekauft?
b. Kauf doch das Buch!
c. Schau dir den Hut an!
1968
(5)
Sie sagt, dass sie das Buch schon gestern gekauft hat.
1969
(6)
Sie hat versprochen, mir das Buch zu kaufen.
1970
(ii) In sog. Hauptsätzen steht das finite Verb (die Personalform des Verbs) jedoch am
Satzanfang, und zwar entweder ganz am Anfang wie in (4) oder an zweiter Stelle wie in
(3): Deutsch als Verbzweit- bzw. V2-Sprache). Die Position vor dem finiten Verb wird in
der deutschen grammatischen Tradition meistens als Vorfeld, heute auch als Topikposition
bezeichnet. Hier kann im Normalfall nur ein Satzglied stehen, sei es das Subjekt (3a),
ein Objekt (3b) oder eine Adverbialbestimmung (3c). Wird ein anderes Satzglied als das
Subjekt dort platziert, so muss das Subjekt dem finiten Verb nachfolgen (3c). Das Deutsche teilt dieses sprachtypologisch eher seltene Merkmal mit dem Niederländischen und
den skandinavischen Sprachen. Englisch hingegen weist wie Französisch die Grundabfolge „Subjekt vor finitem Verb“ auf und erlaubt mehr als ein Satzglied vor dem finiten Verb.
Nach den Positionsmöglichkeiten des finiten Verbs unterscheidet man drei Satztypen,
die heute oft als Verbzweit-, Verberst- und Verbletzt-Sätze bezeichnet werden. Die beiden
ersteren (die Hauptsatztypen) werden primär als syntaktisch selbstständige Sätze verwendet und sind dabei verschiedenen Sprachhandlungstypen zugeordnet: Behauptungen,
Feststellungen und dgl. müssen als Verbzweit-Sätze ausgedrückt werden (3), während
Entscheidungsfragen, Befehle und Aufforderungen typisch als Verberst-Sätze realisiert
werden (4). Verbletzt-Sätze sind demgegenüber im typischen Fall syntaktisch-semantisch
untergeordnet, indem sie als Satzglieder oder Teile von Satzgliedern in komplexe selbstständige Sätze eingebettet sind (5). Es handelt sich jedoch insgesamt um prototypische
Form-Funktion-Zuordnungen, die in unterschiedlicher Weise durchbrochen werden können. So dient der Verberst-Satz in (2b) als untergeordneter Bedingungssatz.
Die Position des finiten Verbs im Hauptsatz steht gewissermaßen im Widerspruch zu
der grundsätzlichen Linksdirektionalität des Deutschen. Das Ergebnis ist die wohlbekannte Verbalklammer: Umfasst das Verbalglied zusätzlich zum finiten Verb auch infinite
Verbalformen oder eine trennbare Partikel, so erscheinen die anderen Satzglieder, wenn
man vom etwaigen Vorfeld absieht, von diesen beiden Teilen des Verbalgliedes „umklammert“; vgl. (3) und (4a, c). Besteht das Verbalglied lediglich aus dem finiten (Voll-)Verb,
so gibt es freilich keine Verbalklammer ! und Deutsch mag sich oberflächlich betrachtet
als eine Verb-Objekt-Sprache manifestieren (4b). In Verbletzt-Sätzen, wo das ganze Verbalglied im Schlussfeld steht, bildet das besondere Einleitewort (z. B. dass), das dieser
Satztyp verlangt, den ersten Teil einer entsprechenden Satzklammer (5). Untergeordnete
Sätze und auch nicht satzförmige Phrasen können oder müssen jedoch u. U. nach rechts
„ausgeklammert“ ! extraponiert ! werden wie die Infinitivkonstruktion (mir das Buch
zu kaufen) relativ zum übergeordneten Satz in (6).
Die Linearisierung innerhalb der Satzklammer, im sog. Mittelfeld, wird durch ein
kompliziertes Zusammenspiel verschiedener Prinzipien ! Form, syntaktisch-semantische
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21. Syntax
Funktion, Eigensemantik (Belebtheit, Bestimmtheit), Informationsstruktur ! reguliert
(Zifonun u. a. 1997, Bd. 2). Hier sei lediglich betont, dass die interne Abfolge der kasusmarkierten nominalen Satzglieder (Subjekt, direktes und indirektes Objekt) variieren
kann ! anders als in Sprachen, die diese primären syntaktischen Funktionen primär
durch die Wortstellung markieren.
Zu einem finiten Verb gehört im Deutschen ! anders als etwa im Italienischen !
ein explizites Subjekt (im Nominativ, wenn (pro)nominal realisiert), nach dem sich die
Personalendung des Verbs in Person und Numerus richtet (Subjekt-Verb-Kongruenz).
Echt subjektlos sind mit wenigen Ausnahmen lediglich (mit werden gebildete) Passivsätze,
die Aktivsätzen ohne Akkusativobjekt entsprechen. Das finite Verb steht dann in der
3. Pers. Sing. (s. 3.2.).
Deutsch erlaubt im Unterschied etwa zum Englischen kein „Präpositionsstranden“
und in der Regel auch keine „lange Bewegung“. Das heißt für Verbzweit-Sätze Folgendes: Man kann eine Präposition und die von ihr regierte Nominalphrase nicht trennen,
indem man letztere ins Vorfeld stellt (topikalisiert) und die Präposition im Satzinnern
bzw. am Satzende belässt (7); und man kann ein Satzglied nicht aus einem untergeordneten Satz über die Satzgrenze hinweg topikalisieren (8). Entsprechende Beschränkungen
gelten für Relativsätze (9).
(7)
(8)
(9)
a. *! Den Stuhl solltest du dich nicht setzen auf _.
b.
Auf den Stuhl solltest du dich nicht setzen. / Du solltest dich nicht auf den
Stuhl setzen.
a. *! Den Stuhl glaube ich nicht, [dass ich mir _ leisten kann].
b.
Ich glaube nicht, [dass ich mir den Stuhl leisten kann]. / Den Stuhl kann ich
mir, glaube ich, nicht leisten.
a. *! Das ist ein Stuhl, den du dich nicht setzen auf _solltest.
b. Das ist ein Stuhl, auf den du dich nicht setzen solltest.
3.2. Der Verbalbereich
Vollverben unterscheiden sich im Hinblick darauf, welche Arten syntaktischer Ergänzungen (nominale, präpositionale, satzförmige, …) sie im Aktiv zu sich nehmen können oder
müssen und wie die entsprechenden Aktanten an dem vom Verb beschriebenen Geschehen beteiligt sind, d. h. welche „semantischen Rollen“ (Agens, d. h. handelnde oder verantwortliche Person, Wahrnehmer, Empfänger, Nutznießer, Patiens …) sie tragen. Diese
Eigenschaft wird of die syntaktisch-semantische Valenz des Verbs genannt. Besonders
wichtig sind aus DaF/DaZ-Sicht der Gebrauch der Kasus (Nominativ, Akkusativ, Dativ,
Genitiv) zur Markierung nominaler Satzglieder und die Zuordnung von semantischen
Rollen zu solchen Satzgliedern. Im Normalfall gelten folgende Regeln: (i) Die Agensrolle ! allgemeiner: die einem Agens ähnlichste Rolle ! fällt dem Subjekt zu, das im
Nominativ steht. (ii) Wenn das Verb sich mit nur einem Kasusobjekt verbindet, handelt
es sich um ein Akkusativobjekt (jemanden lieben). (ii) Nimmt das Verb zwei Kasusobjekte
zu sich, so ist das eine ein Akkusativ-, das andere ein Dativobjekt, und letzteres trägt
die Rolle des Empfängers, Nutznießers o.dgl. (jemandem etwas schenken/erzählen). Es
gibt jedoch auch Verben mit abweichender, mehr oder weniger idiosynkratischer Kasusoder Rollenzuordnung (jemandem gehorchen, jemanden eines Verbrechens bezichtigen, je-
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IV. Linguistische Gegenstände in ihrer Bedeutung für das Deutsche
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manden [einer Prüfung]Dativ unterziehen), deren syntaktisches Verhalten man sich als Lerner dann besonders merken muss. Der Dativ kennt darüber hinaus auch eine freiere
Verwendung zur Bezeichnung des Interessenten, Nutznießers, Urteilenden o. dgl., die sich
in der Praxis allerdings nicht so leicht vom valenzbedingten Dativ abgrenzen lässt (Der
Rock war ihr zu lang. ! Rede mir bitte nicht mehr davon!) Auffällig ist im Vergleich zu
vielen anderen Sprachen der sog. possessive Dativ bzw. Pertinenzdativ (Dem Jungen fielen die Augen langsam zu.).
Die Zuordnung von syntaktischen Funktionen und semantischen Rollen ändert sich
im Passiv, das im Defaultfall mit dem Hilfsverb werden " Partizip Perfekt gebildet wird:
Das Subjekt des Aktivs wird dann zu einer optionalen Präpositionalphrase „heruntergestuft“. Nimmt das Verb im Aktiv ein Akkusativobjekt, so wird dieses zugleich zum Subjekt des Passivs „heraufgestuft“ (10). Gibt es im Aktiv kein Akkusativobjekt, so bleibt
das Passiv subjektlos (11, 12). Neben dem normalen werden-Passiv gibt es andere passivische Konstruktionstypen, bei denen die Zuordnung anders verläuft (Rezipienten- bzw.
bekommen-Passiv) oder zusätzliche Bedeutungsänderungen stattfinden (Zustands- bzw.
sein-Passiv).
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(10) a. Die Mechaniker reparierten schnell den Motor.
b. Der Motor wurde schnell (von den Mechanikern) repariert.
(11)
a. Kann man ihnen nicht helfen?
b. Kann ihnen nicht geholfen werden?
(12) a. Hier meckern alle ständig.
b. Hier wird ständig gemeckert.
2081
Einige wenige Verben ! vor allem sein, werden, bleiben und machen ! verbinden sich
mit Adjektivphrasen. Das Adjektiv bleibt in dieser prädikativischen Funktion undekliniert (Bücher sind teuer. Wir machen das Loch größer.)
Verben werden im Deutschen in den finiten Kategorien Tempus (Präsens/Präteritum),
Modus (Indikativ/Konjunktiv), Person und Numerus (morphologisch) flektiert (s. Art. 20).
Passivformen, Perfekt- und Futurtempora und der sog. Konditional (würde " Infinitiv)
sind keine einfachen Flexionsformen, sondern syntaktische Konstruktionen, die als Minimum aus einer finiten Form eines sog. Hilfsverbs und einer infiniten Form (dem Infinitiv
oder dem Partizip Perfekt des Vollverbs) bestehen. Die Hilfsverben (haben, sein, werden)
sind Teile eines differenzierten Systems „infinitregierender Verben“ (Dudengrammatik
2009: 415!417), zu dem u. a. auch die Modalverben (dürfen, können, mögen, müssen,
sollen, wollen) gehören. Mit Hilfe solcher infinitregierenden Verben können ganze Ketten
von Verben gebildet werden, deren interne Abfolge am Satzende mit gewissen Ausnahmen auch dem Prinzip der Linksdirektionalität (s. 3.1.) gehorcht: Als Hauptregel gilt,
dass ein infinites Verb unmittelbar vor dem regierenden Verb steht (…, dass sie wieder
nichts getan3 haben2 wird1; …, dass die Daten versehentlich gelöscht4 worden3 sein2 sollen1).
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3.3. Der Nominalbereich
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Nominalphrasen ! heute oft Determinativphrasen genannt ! haben ein Substantiv oder
ein Pronomen als lexikalischen Kern (die armen Menschen ! wir Armen) und weisen im
Kontext immer einen bestimmten Kasus (Nominativ, Akkusativ, Dativ oder Genitiv)
21. Syntax
auf, der am lexikalischen Kern (Menschen bzw. wir) und den mit ihm kongruierenden
Bestandteilen der Nominalphrase (die armen bzw. Armen) mehr oder weniger eindeutig
(s. Abschn. 1) markiert wird. Der Kasus wird der Nominalphrase „von außen“ zugewiesen, d. h. er hängt von ihrer syntaktischen Funktion auf: Der Nominativ ist im Wesentlichen dem Subjekt vorbehalten, nominale Ergänzungen von Verben stehen im Akkusativ
oder Dativ, selten im Genitiv (s. 3.2.), Präpositionen regieren vorwiegend den Dativ (mit,
zu, gegenüber, laut…), den Akkusativ (durch, für, …) oder einen von beiden, je nach
dem Zusammenhang (an, auf, …); Genitivrektion ist weitgehend auf neuere, komplexe
Präpositionen beschränkt (anhand, aufgrund, …). In seiner Hauptfunktion markiert der
Genitiv, dass die betreffende Nominalphrase einem anderen Substantiv als Attribut untergeordnet ist; er folgt dabei im Normalfall dem übergeordneten Substantiv unmittelbar
nach (das Haus meiner Großmutter, Einwände des Chefs, die Hälfte seines Vermögens, die
Kunst des Singens). Dabei deckt der nachgestellte Genitiv ein breiteres Funktionsspektrum ab als der vorangestellte Genitiv, der meistens Zugehörigkeit ausdrückt. ! Wir konzentrieren uns im Folgenden auf Nominalphrasen mit substantivischem Kern, die im
Deutschen eine besonders komplizierte Struktur aufweisen können.
Die Substantivphrase wird grundsätzlich durch ein Determinativ (der/die/das, ein/eine/
ein, jeder/jede/jedes, einige, …) eingeleitet, das im Kasus, Numerus und Genus mit dem
Substantiv übereinstimmt (der Mensch, dem Menschen, die Menschen). Anstelle des Determinativs kann allerdings auch ein (vorangestelltes) Genitivattribut ! im Normalfall
der Genitiv eines Eigennamens o. dgl. ! erscheinen (Luthers Bibelübersetzung). Wird
kein anderes Determinativ gewählt, so muss mit gewissen Ausnahmen der bestimmte
Artikel (der/die/das) oder der unbestimmte Artikel (ein/eine/ein) bzw. (im Plural und bei
Stoffnamen) der „Null-Artikel“ verwendet werden. Die Artikelwahl stellt für viele
Deutschlernende ein Problem dar, sei es, weil die Primärsprache (Un-)Bestimmtheit der
Referenz morphosyntaktisch gar nicht markiert oder weil der bestimmte und der unbestimmte Artikel im Deutschen die Definitheitsdimension etwas anders aufteilen als in der
jeweiligen Primärsprache.
Substantive können nach links und nach rechts durch Attribute erweitert werden.
Die pränominale Position ! zwischen Determinativ und Substantiv ! ist adjektivischen
Erweiterungen (einschl. Partizipialattribute) vorbehalten. Das Adjektiv wird in dieser
Funktion dekliniert nach Regeln, die den meisten Lernern recht kompliziert erscheinen
(ein armer Mensch, der arme Mensch, arme Menschen, die armen Menschen, mit großem
Vergnügen, mit dem größten Vergnügen usw.). Insgesamt bilden Determinativ, pränominale Attribute und Substantiv eine durch die Kasus-, Numerus- und Genuskongruenz
markierte Einheit, die manchmal als Substantivrahmen bezeichnet wird. Adjektive und
insbesondere Partizipien lassen sich nun ihrerseits durch abhängige Phrasen unterschiedlicher Art erweitern, und zwar nach links in Übereinstimmung mit der grundlegenden
Linksdirektionalität des Deutschen (sog. erweiterte vorangestellte Adjektiv-/Partizipialattribute). Da sich mit einem Substantiv außerdem mehrere aneinander gereihte oder explizit koordinierte Attribute verbinden lassen, kann der pränominale Bereich stark aufschwellen, so dass das Determinativ (wenn explizit vorhanden) und der substantivische
Kern der Nominalphrase in der Praxis durch umfangreiche und verschachtelte pränominale Attribute weit auseinander gerissen werden (13).
(13) a. (bei) allen sozial lebenden, keine Einzelreviere verteidigenden Säugern
b. gut präparierte und bei Schneemangel künstlich beschneite Pisten
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IV. Linguistische Gegenstände in ihrer Bedeutung für das Deutsche
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Rechts vom Substantiv befinden sich Genitiv- und Präpositionalattribute sowie satzförmige Erweiterungen der Nominalphrase (d. h. vor allem Relativsätze), und zwar in der
angegebenen Reihenfolge, sofern das Substantiv durch verschiedene Attributtypen erweitert wird (14a-b).
Zu einem Substantiv kann es höchstens ein Genitivattribut geben, das ggf. dem Substantiv unmittelbar nachfolgt. Entsprechende Beschränkungen unterliegen Präpositionalattribute nicht, d. h. es können zu ein und demselben Substantiv mehrere nacheinander
folgende Präpositionalattribute gleichen Ranges geben. Da es sich beim postnominalen
Genitivattribut und dem nominalen Teil eines Präpositionalattributs um normale Nominalphrasen handelt, die sich ihrerseits wiederum nach links und rechts ausbauen lassen,
kann auch der postnominale Bereich der Substantivphrase in der Praxis eine strukturell
unübersichtliche Form annehmen (14). ! Anders als Genitiv- und Präpositionalattribute
können satzförmige Attribute durch Ausklammerung von der Bezugsphrase getrennt
werden (15).
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(14) a. der Export [von Gas] [nach Europa] [durch Russland], [der neuerdings stark
kritisiert wurde]
b. der Einspruch [einiger Kandidaten] [während der Prüfung], [das Gespräch verlasse die vorab abgesprochene Linie]
b. der Vergleich [einer Vielfalt [statistischer Daten [zur wirtschaftlichen Lage [in
der Bundesrepublik]]]]
c. vom Rand [des kahlen, durch den beständig wehenden Sandwind abgeschmiergelten Plateaus]
(15) a. Ich möchte hier einige Denkmuster [jener Bewegung [,die den Atomstaat zu
verhindern bezweckt,]] kenntlich machen.
b. Ich möchte hier einige Denkmuster jener Bewegung kenntlich machen, die den
Atomstaat zu verhindern bezweckt.
Relativsätze werden im Allgemeinen mit dem Relativpronomen (der/die/das) eingeleitet,
das im Numerus und Genus mit der Bezugsnominalphrase im übergeordneten Satz kongruiert, während sein Kasus durch seine syntaktische Funktion im Relativsatz bestimmt
wird (15); das Relativpronomen kann auch als Genitivattribut dienen (15c). !
(16) a. der Friede, den wir alle wollen, hat seinen Preis.
b. der Friede, dem wir dienen, hat seinen Preis.
c. Neulich hat es eine Sendung über die Brüder Grimm gegeben, deren Märchen
die ganze Welt liest.
Die Erweiterungsmöglichkeiten der Nominalphrase werden, von Relativsätzen abgesehen, in der gesprochenen Sprache im beschränkten Ausmaß genützt. Vor allem sind
erweiterte vorangestellte Attribute weitgehend auf die Schriftsprache beschränkt und
auch dort teilweise textsortenabhängig. Sie erlauben es, sehr viel Information innerhalb
von Nominalphrasen zu konzentrieren und somit die Informationsdichte der einzelnen
Sätze zu erhöhen. Durch gleichzeitigen Ausbau nach links und nach rechts können jedoch im Endeffekt äußerst komplizierte Nominalstrukturen entstehen, die zu entschlüsseln Lesern ohne hinreichendes grammatisches Wissen Schwierigkeiten bereitet.
21. Syntax
4. Deutsche Syntax als Lerngegenstand
Deutsch scheint als eine relativ schwierige Fremdsprache zu gelten ! sogar bei Lernern,
deren Primärsprache mit dem Deutschen eng verwandt ist. Ein verständlicher Grund ist
die weitgehend fusionierende, teilweise unterbestimmte und unvorhersagbare Flexionsmorphologie (s. Abschn. 1 und Art. 20), einschließlich der schwer durchschaubaren Genuszuordnung. Auf der syntaktischen Ebene stellen die Subjekt-Verb-Kongruenz, die
Verbalvalenz, die Kasusrektion der Präpositionen, die Deklination attributiver Adjektive
und die Bildung der Relativsätze aus produktiver Sicht typische Problembereiche dar. Je
nach den Linearisierungsprinzipien der Primärsprache bildet die Wortstellung auf Satzebene gleichfalls eine Herausforderung. Dies gilt nicht nur für die allgemeine Linksdirektionalität, sondern auch und unter Umständen sogar noch stärker für die Regel, dass
das Subjekt in einem Aussagesatz dem finiten Verb nachfolgen muss, wenn ein vom
Subjekt verschiedenes Satzglied im Aussagesatz topikalisiert wird („Inversion“ nach
Diehl et al. 2000). So begegnen unter Lernen ganz verschiedener Ausgangssprache immer
wieder ungrammatische Konstruktionen wie *gestern, ich kam zu spät, und zwar nicht
unbedingt, weil sie der jeweiligen Primärsprache im Einklang stehen, sondern vielleicht
eher weil sie universellen pragmatischen Gliederungsprinzipien entsprechen (Klein 2003).
Aus rezeptiver Sicht (Heringer 2001) verlangt die Linksdirektionalität von Lernern
mit einer rechtsdirektionalen Primärsprache wie Englisch oder Französisch z. T. eine
Umlegung ihrer Verarbeitungsheuristiken: Während sie in ihrer Muttersprache nach etwaigen topikalisierten Elementen gleich am Anfang des Satzes das Subjekt und das Verbalglied antreffen und auf dieser Grundlage Erwartungen bezüglich der nachfolgenden
nicht verbalen Satzglieder aufstellen können, müssen sie jetzt lernen, aufgrund der zuerst
registrierten nicht verbalen Satzglieder möglichst früh und effizient die Identität des
Verbs vorauszusagen (Hawkins 1994); dabei haben die morphologischen Signale (Kasus,
Subjekt-Verb-Kongruenz usw.) ein besonderes Gewicht ! auch das möglicherweise abweichend von der Muttersprache. Bei Hauptsätzen mit finitem Vollverb ist freilich wiederum eine (Subjekt-)Verb-basierte Heuristik gefragt ! wenn auch mit einem gewissen
Vorbehalt, da die Möglichkeit einer am Satzende erscheinenden Verbalpartikel grundsätzlich offen gehalten werden muss (18).
(17)
Die Angestellten trauten dem neuen Direktor trotz seiner Freundlichkeit von
Anfang an nichts Gutes zu.
So wird man als Leser/Hörer des Deutschen letztlich unter Beachtung der morphologischen ,cues‘ zwischen einer der grundsätzlichen Linksdirektionalität angepassten musterorientierten und einer eher rechtsdirektionalen, aber nicht ganz zuverlässigen, verbgeleiteten Verarbeitungsheuristik wechseln müssen (Fabricius-Hansen 2009). Ähnlich flexible
Techniken sind bei Verarbeitung komplexer, prä- und postnominal stark erweiterter Nominalphrasen erforderlich (s. 3.3.). Hinzu kommt, dass das Vorfeld in Verbzweit-Sätzen
umfangreiche Phrasen, einschließlich untergeordneter Sätze, aufnehmen und das Mittelfeld durch Häufung von Satzgliedern aufschwellen kann ! beides im Einklang mit der
grundlegenden Linksdirektionalität des Deutschen. Voll ausgenützt werden diese verschiedenen Möglichkeiten der Informationsverdichtung vorwiegend in bestimmten Varianten der Gebrauchsprosa, seltener in der Belletristik. Angesichts der Herausforderun-
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IV. Linguistische Gegenstände in ihrer Bedeutung für das Deutsche
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gen, die Texte dieser Art fremdsprachlichern Lerner schon auf Grund der syntaktischen
Struktur bieten, ist die Wichtigkeit einer (auch) rezeptiv ausgerichteten Einführung in
die Syntax des Deutschen zu betonen.
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5. Literatur in Auswahl
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22. Morphologie: Wortbildung
1.
2.
3.
4.
5.
Allgemeine Charakteristika der Wortbildung im Deutschen
Wortbildung beim Substantiv
Wortbildung beim Adjektiv
Wortbildung beim Verb
Literatur in Auswahl
1. Allgemeine Charakteristika der Wortbildung im Deutschen
Der Begriff „Wortbildung“ wird sowohl für den Prozess (eben die Bildung neuer Wörter
nach bestimmten Mustern) als auch für das Ergebnis dieses Prozesses verwendet, das
komplexe, „wort-gebildete“ Wort. In der deutschen Sprache spielt die Wortbildung eine
ganz zentrale Rolle; sie berührt mit ihren Bildungsmustern die Bereiche der Morphologie
wie der Syntax, sie kann verschiedene textuelle Aufgaben übernehmen, und sie ist das
wichtigste Verfahren zur Erweiterung des Wortschatzes. Damit gehört sie auch zum Bereich der Lexikologie. Aus all diesen Gründen sollte die Wortbildung auch im Bereich
der Sprachvermittlung den ihr gebührenden Platz bekommen, sie wird für den Lerner
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