Theoretische Physik II – Quantenmechanik 1 Skriptum zum Gebrauch neben einer Vorlesung Helmut Rumpf Gravitationsphysik, Fakultät für Physik Universität Wien erstellt unter Mitwirkung von Paul Juschitz, Marcus König, Daniel Posch und Jonas Riest Sommersemester 2011 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Stellung der Quantenmechanik innerhalb der Physik . . . . . . . . . . . . 1.2 Quantenmechanik und Erkenntnistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Historische Quantenhypothesen 2.1 Thermische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Fotoeffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Kinematische Eigenschaften des Photons 2.3 Das Bohrsche Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Materiewellen und Schrödingergleichung 3.1 Interferenz und Beugung von Licht . . . . . . . . . 3.1.1 Interferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Welle-Teilchen-Dualismus . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Konsequenzen für die mathematische Beschreibung 3.4 Wellenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Wellenfunktion und Zustand . . . . . . . . . . . . . 3.7 Normierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Dispersion von Wellenpaketen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Der mathematische Formalismus der Quantenmechanik und lische Interpretation 4.1 Übergangsamplitude und Hilbertraum . . . . . . . . . . . 4.2 Obervable und Operatoren im Hilbertraum . . . . . . . . . 4.3 Schwankung und Vertauschungsrelationen von Observablen 4.4 Unitäre Äquivalenz und Dirac-Notation . . . . . . . . . . . 4.5 Zeitentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Eindimensionale Quantensysteme 5.1 Der unendlich tiefe Potentialtopf 5.2 Der endlich tiefe Potentialtopf . . 5.2.1 Gebundene Zustände . . . 5.2.2 Streuzustände . . . . . . . . . . . 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 6 . . . . 7 7 10 11 12 . . . . . . . . . . . 14 14 14 17 19 24 25 27 28 29 30 31 seine physika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 35 37 39 42 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 48 49 50 54 5.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 59 62 64 64 66 67 68 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 70 72 75 79 81 . . . . 85 85 86 88 91 8 Vielteilchensysteme 8.1 Das Pauli-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Das Heliumatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Periodensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Weitere physikalische Konsequenzen des Pauli-Prinzips . . . . . . . . . . 8.5.1 Stimulierte Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Der Grundzustand von N unabhängigen identischen Teilchen . . . 8.5.3 Verhalten von Fermion- und Bosonsystemen bei tiefer Temperatur 8.5.4 Stabilität der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 94 97 98 100 103 103 104 105 106 9 Elemente der Streutheorie 9.1 Streuamplitude und Streuquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Entwicklung nach Partialwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Konsequenzen und Verallgemeinerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 108 109 111 5.4 Der Tunneleffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Endliche rechteckige Potentialschwelle . . . . . . . . . . 5.3.2 Physikalische Beispiele für den Tunneleffekt . . . . . . Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Energiedarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Ortsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Kohärente Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.4 Relevanz für die Quantenfeldtheorie und Quantenoptik 6 Drehimpuls und Spin 6.1 Die Drehimpulsalgebra und ihre Darstellungen . . . . . . . . 6.2 Bahndrehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Spin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Experimenteller Nachweis der Quantelung des Drehimpulses 6.5 Drehimpulsaddition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Sphärische Symmetrie und Coulomb-Wechselwirkung 7.1 Sphärisch symmetrische Potentiale . . . . . . . . . 7.2 Das allgemeine 2-Körper-Problem . . . . . . . . . . 7.3 Das Coulomb-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Spin-Bahn-Wechselwirkung und Hyperfeinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Ein Test der Grundlagen der Quantenmechanik 116 10.1 Verschränkung und die Frage der Vollständigkeit der Quantenmechanik . 116 10.2 Das Bell-Experiment: quantentheoretische Beschreibung . . . . . . . . . . 116 10.3 Das Bellsche Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Abbildungsverzeichnis 122 3 Literaturverzeichnis 124 4 Kapitel 1 Einleitung 1.1 Stellung der Quantenmechanik innerhalb der Physik Vertrautheit mit der Quantenmechanik gehört zum Rüstzeug jedes Physikers, weil ihre Gesetzmäßigkeiten nach heutigem Wissen universell sind: Unsere Welt ist von Grund auf quantenhaft. Zwar spielen sich typische Quanteneffekte auf mikroskopischen Skalen ab, aber ihre Auswirkungen sind auch für den Makrokosmos von größter Bedeutung. Die Stabilität der Materie beruht auf Quantenphysik. Wir würden daher ohne den Quantencharakter der Natur schlicht nicht existieren. Auch wer sich nicht mit atomarer oder subatomarer Physik, wo Quantenphänomene allgegenwärtig sind, beschäftigt, wird zumindest mittelbar mit Quantenphysik in Berührung kommen. Die klassische Physik (alles, was bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bekannt war) wird also letztlich auch zur Erklärung makroskopischer Phänomene nicht ausreichen. Außerdem existieren auch makroskopische Quanteneffekte wie Supraleitung und Laserlicht, die auf der Erde zwar nur künstlich erzeugt werden können, aber auch in der Astrophysik anzutreffen sind. Entscheidend für die Nichtklassizität ist nicht die Größenskala, sondern eine Eigenschaft namens Kohärenz (nur oberflächlich verwandt mit dem gleichnamigen Begriff aus der Optik): Quantenphysikalische Phänomene sind Kohärenzphänomene. Die genaue Bedeutung dieser Aussage wird erst weiter unten erläutert. Eine weitere Disziplin der Physik, die einen universellen Gültigkeitsanspruch stellt, ist die (allgemeine) Relativitätstheorie. Dieser Anspruch gründet sich auf dem universellen Charakter der Gravitation (alles, was Energie-Impuls hat, also die gesamte Materie und alle Felder, gravitiert). Interessanterweise ist die Synthese dieser beiden universellen Theorien - Quantenmechanik und Relativitätstheorie - bis zum heutigen Tage nicht gelungen. Dies mag daran liegen, dass zu sehr Augenmerk darauf gelegt wurde, die Gravitation zu quantisieren. Möglicherweise wird aber eine echte Synthese auch eine Modifikation der Quantenmechanik selbst erfordern, die die letzten 80 Jahre unverändert überdauert hat. Wie jede physikalische Theorie ist daher auch die Quantenmechanik als vorläufig zu betrachten. 5 1.2 Quantenmechanik und Erkenntnistheorie Angeblich versteht kein Mensch Quantenmechanik. In einem gewissen Sinn ist das sicherlich richtig. Es kommt auf die Bedeutung des metaphysischen Begriffs Verstehen“ ” an. Im pragmatischen Sinne der Fähigkeit, ihre Regeln anzuwenden, kann man Quantenmechanik verstehen. Im erkenntnistheoretischen Sinne muss auch ein Physiker die Quantenmechanik nicht verstehen. Überhaupt gehört es nicht zum erklärten Ziel der theoretischen Physik, die Welt zu verstehen. Die Aufgabe der theoretischen Physik ist nur die Erstellung mathematischer Modelle der Natur zum Zwecke der ökonomischen Ordnung experimenteller Daten und der Vorhersage des Ausgangs zukünftiger Experimente. Die Regeln der Quantenmechanik bilden anscheinend (wenn auch nicht beweisbar) ein logisch konsistentes System. Daher lässt sich das Wie“ der Quantenmechanik ” in einer Vorlesung vermitteln, das Warum“ überlassen wir den Philosophen (es mündet ” letztlich in die Grundfrage der Metaphysik: Warum existiert ein Sein und nicht vielmehr nichts?). Übrigens kann man sich an den Formalismus der Quantenmechanik durch eifrige Beschäftigung gewöhnen und durchaus eine gewisse Intuition für die Lösung quantenmechanischer Probleme entwickeln. Die Quantenmechanik ist nicht die einzige und erste kontraintuitive physikalische Theorie, denn die physikalische Intuition ist auch eine Funktion der Zeit. So war die Newtonsche Mechanik zur Zeit Newtons kontraintuitiv: Die Zusammenführung von irdischer und Himmelsmechanik und das Postulat der Natürlichkeit“ der geradlinig gleichförmi” gen Bewegung (im Gegensatz zu den Kreisbewegungen der antiken Astronomie) waren gewaltige Abstraktionsleistungen. Das 3. Axiom Kraft ∝ Beschleunigung“ widerspricht ” der Alltagserfahrung Kraft ∝ Geschwindigkeit“. Auch die von Newton postulierte Fern” wirkung der Gravitation war für viele seiner Zeitgenossen nicht akzeptabel. Die Elektrodynamik führte mit dem Feldbegriff erstmals nicht direkt beobachtbare Elemente der Realität ein. Noch gravierender war die neue Sicht der Zeit in der speziellen Relativitätstheorie: Sie verlor ihre Absolutheit und verschmolz mit dem Raum zu einer Einheit, der Raum-Zeit. In der allgemeinen Relativitätstheorie wird die Raum-Zeit schließlich auch noch mit dem Gravitationsfeld identifiziert. Die von der Quantentheorie eingeleitete Wende ist aber als noch radikaler einzustufen: Sie stellt nämlich die Existenz einer objektiven Realität selbst in Frage. Damit provoziert sie einen dringenderen Erklärungsbedarf als alle anderen Disziplinen der Physik. Diese Vorlesung wird auf erkenntnistheoretische Fragen nicht weiter eingehen. Wir begnügen uns mit den Aspekten der Theorie, die für alle praktischen Zwecke“ ausrei” chen. 6 Kapitel 2 Historische Quantenhypothesen 2.1 Thermische Strahlung Materie bei endlicher Temperatur strahlt wegen der Kopplung von Ladungsträgern an das elektromagnetische Feld. Im einfachsten Fall isotrop (diffus) strahlender Oberflächen1 (ist oft erfüllt, aber nicht z.B. für elektrische Leiter) gilt für beliebige Körper im thermischen Gleichgewicht das Kirchhoff’sche Strahlungsgesetz Eλ = f (λ, T ), Aλ Eλ ... Aλ ... (2.1) (hemisphärisches spektrales) Emissionsvermögen = in den Halbraum ausgestrahlte Leistung/Fläche · Wellenlängenintervall (hemisphärisches spektrales) Absorptionsvermögen = absorbierte Strahlungsleistung/Fläche·Wellellänge ≤ 1 (dimensionslos!) einfallende Strahlungsleistung/Fläche·Wellellänge Im Allgemeinen sind Eλ und Aλ (aber nicht f (λ, T )!) richtungsabhängig und auf den Raumwinkel zu beziehen. Bemerkenswert: f (λ, T ) materialunabhängig! Ein Schwarzer Körper ist definiert durch Aλ = 1 ⇒ Sein Emissionsvermögen Eλ◦ = f (λ, T ) ist maximal. Beste Realisierung im Labor: Beheizter Hohlraum mit kleiner Öffnung, diese verhält sich wie die Oberfläche eines schwarzen Körpers ⇒ thermische Strahlung = Hohlraumstrahlung = Schwarzkörperstrahlung. Sterne sind in 1. Näherung ebenfalls schwarze Körper. 1 d. h. konstante Radianz (Flächenhelligkeit) = projizierte Leistung Fläche·Raumwinkel ⇒ es gilt das Lambert’sche Gesetz: Die von einem Oberflächenelement herrührende Energiestromdichte pro Raumwinkel ist proportional zum Cosinus des Winkels der betrachteten Strahlrichtung mit der Oberflächennormalen 7 Energiedichte der Hohlraumstrahlung: Betr. hohlen Würfel mit Seitenlänge L. Das Stetigkeit ~ B ~ = 0 auf Wand elektromagnetische Feld im Außenraum soll verschwinden ⇒ E, ⇒ stehende Wellen (siehe Abbildung 2.1). Dies sind Beispiele für Hauptmoden. Die Hohlraumstrahlung ist eine Überlagerung von (∞ vielen) Hauptmoden Abbildung 2.1: Stehende Wellen: Überlagerung von links- und rechtslaufender Welle Aus der Randbedingung folgt mit ω = 2πν = c|~k|: ~ ~x) ∝ cos ωt sin k1 x sin k2 y sin k3 z, E(t, ni · λi = L, 2 ni = 1, 2, . . . 2π λi ni oder ki = π L ki = 2 unabhängige Polarisationen ∞ =∆n1 ∆n2 ∆n3 X X z}|{ L 1 = 2( )3 ∆k1 ∆k2 ∆k3 π k ,k ,k n1 ,n2 ,n3 =1 1 2 3 Z Z Z V 8πV 2πν L→∞ 2V 3 2 −→ 3 d k = 2 k dk = 3 ν 2 dν, weil k = π π c c | {z } z}|{ ⇒ Gesamtzahl der Moden = 2 · 1 8 |{z} ·4π R k2 dk, k≡|~k| k1 ,k2 ,k3 ≥0 (Oktant) ⇒ Zahl der Hauptmoden mit Frequenz zwischen ν und ν + dν = g(ν) heißt Zustandsdichte . 8πV c3 ν 2 dν ≡ g(ν)dν; Jede Hauptmode repräsentiert einen Freiheitsgrad des elektromagnetischen Feldes im Hohlraum, da ihre Amplitude jeden Wert haben kann. Zeitabhängigkeit einer Hauptmode ∝ cos(ωt + δ) identisch mit harmonischem Oszillator → Verwenden den Gleichverteilungssatz für den harmonischen Oszillator, der besagt, dass mittlere potentielle Energie = mittlere kinetische Energie = 12 kB T Z Z Energie 1 ∞ ⇒ ≡u= kB T g(ν)dν ≡ uν dν Volumen V 0 8π ⇒ spektrale Energiedichte uν = 3 kB T ν 2 Rayleigh-Jeans-Gesetz (2.2) c Empirisch wurde das Rayleigh-Jeans-Gesetz aber nur für kleine Frequenzen verifiziert. Theoretisch unsinnig, da uν mit ν zunimmt ⇒ u unendlich bei beliebig kleiner Temperatur ( UV-Katastrophe“). ” 8 Empirische Modifikation des Strahlungsgesetzes: aν uν = bν 3 e− T Wiensches Gesetz (2.3) war bis 1899 mit experimentellen Daten vereinbar, dann wurden aber systematische Abweichungen im IR gefunden. 3 bν stimmt hervorra1900/10: ad hoc-Modifikation von Planck (Nobel 1918): uν = aν e T −1 gend mit experimentellen Daten überein. 1900/12: Theoretische Begründung durch eine rein formale Annahme Plancks ( Ich dach” te mir nicht viel dabei“, Akt der Verzweiflung“). ” Annahme: Die idealisierten geladenen Oszillatoren der Hohlraumwände haben nur diskrete mögliche Energien: = nhν, n = 0, 1, 2, . . . h . . . Hilfskonstante“ ” (Planck dachte nicht an neue Physik, sondern an klass. Abstrahlungsmechanismus!) ⇒ mittlere Energie eines Oszillators bei Temperatur T aus Boltzmann-Verteilung: relative Wahrscheinlichkeit des Zustands mit Energie εn z }|ε { P − k nT B n εn e ε̄ = X − εn e kB T | n {z } Normierungsfaktor Z Z≡ ∞ X ∞ X 1 hν wo x = −x 1−e kB T n=0 n=0 ∞ X dZ hνe−x −nx nhνe = hν − = dx (1 − e−x )2 n=0 − kεnT e B = ⇒ ε̄ = e−nx = hν hν = hν −1 e kB T − 1 ex Wegen thermischen Gleichgewichts gilt für Oszillatoren der Strahlung dasselbe wie für die Wandoszillatoren ⇒ ε̄ 8π 2 8π hν 3 ν = u = ν 3 c3 e khν BT − 1 |c{z } Plancksches Strahlungsgesetz (2.4) g(ν) Vergleich mit Experiment → h = 6,626·10−34 Js Plancksches Wirkungsquantum 9 Abbildung 2.2: Schematische Darstellung des Planck’schen Strahlungsspektrums Konsequenzen: hν • Rayleigh-Jeans für hν kB T (⇒ e kB T − 1 ≈ hν kB T ⇒ h kürzt sich heraus!) • Wiensches Verschiebungsgesetz λmax · T = const • Stefan-Boltzmannsches Gesetz: Strahlungsleistung/Fläche der Oberfläche eines schwarzen Körpers: 4 2π 5 kB W = 5,67 · 10−8 2 4 F = σT , wo σ = 3 2 15 h c mK 4 Stefan-Boltzmann-Konstante empirisch gefunden von Josef Stefan 1879 (eine neue Naturkonstante!), theoretisch begründet von Ludwig Boltzmann 1884 (natürlich ohne Zahlenwert für σ). 2.2 Fotoeffekt Genauer: äußerer photoelektischer od. lichtelektrischer Effekt 1839 1886 1897 Becquerel (Vater des Entdeckers der Radioaktivität): Alkali-Metall emittiert negative Ladungen, wenn UV-bestrahlt Hertz und Hallwachs: erste systematische Untersuchungen (daher auch Hallwachs-Effekt“) ” J.J. Thomson (Nobel 1906): Entdeckung des Elektrons (vorhergesagt 1874 von Stoney) 10 1900 1905 Lenard (Nobel 1905): abgelöste Ladungsträger sind Elektronen; kinetische Energie der Elektronen nimmt mit Frequenz des Lichts zu, unabhängig von Intensität; Zahl ∝ Intensität; keine Emission unterhalb einer Schwellenfrequenz. Klassisch unverständlich, weil kein Zusammenhang der Elektronenenergie 1 ~2 ~ 2 ) und Energiestromdichte S ~= cE ~ ×B ~ (E + B mit Energiedichte u = 8π 4π des elektromagnetischen Feldes; Energie einer klassischen Welle hängt von Amplitude ab, nicht Frequenz. Einstein (Nobel 1921): Lichtquantenhypothese: Energie des Lichts ist ge” quantelt“ mit Grundeinheit hν. Lichtquanten = Photonen (Lewis 1926) haben Teilchencharakter (vgl. Newton, scheinbar widerlegt durch Interferenz (Young)). Photon überträgt Energie auf Metallelektron, dieses ist aber gebunden mit Bindungsenergie W = Austrittsarbeit (∼ 2 − 5eV) ⇒ Ekin = 1 m v 2 = hν − W ⇒ Schwellenfrequenz ν0 = Wh für Loslösung eines Elek2 e trons. Falls ν < ν0 : Reflexion oder Streuung des Lichts verbunden mit vorübergehender elektronischer oder thermischer Anregung. 2.2.1 Kinematische Eigenschaften des Photons Spezielle Relativitätstheorie: E = p p2 c2 + m2 c4 ∂E pc2 ! ∂H ⇒v= = =c⇒m=0 ∂p ∂p E hν h E = = p= c c λ Hamiltonsche Bewegungsgleichung : q̇ = ⇒ E = pc ! p~ ∝ ~k ⇒ p~ = ~~k, ~≡ h = 1,0546 · 10−34 Js : Plancksche Konstante 2π Diese Eigenschaften bestätigt durch den Compton-Effekt (1924) = elastische Streuung von Photonen an Elektronen Abbildung 2.3: Elastische Streuung eines Photons an einem Elektron. 11 Energieerhaltung : ~ω + mc2 = ~ω 0 + E Impulserhaltung : ~~k = ~~k 0 + p~ 1 1 (~ω − ~ω 0 + mc2 )2 − ~2 (~k − ~k 0 )2 = 2 E 2 − p~2 = m2 c2 , |~k| ≡ k, ω = ck 2 c c 1 2 ~ (ω − ω 0 )2 = ~2 (k − k 0 )2 = ~2 (k 2 + k 02 − 2kk 0 ), −~2 (~k − ~k 0 )2 = −~2 (k 2 + k 02 − 2kk 0 cos ϑ) c2 2 2 in die linke Seite einsetzen: ⇒ m c2 + 2mc~(k − k 0 ) − 2~2 kk 0 (1 − cos ϑ) = m c2 ~ 0 k kk 0 (1 − cos ϑ) |− {z k} = mc |{z} 2 0 −λ 2π λλλ 0 4π λλ0 ∆λ = λ0 − λ = h (1 − cos ϑ) mc Das gestreute Photon hat größere Wellenlänge wegen Energieabgabe an das Elektron. ~ h heißt Compton-Wellenlänge des Elektrons. ( λ2πC = mc heißt reduzierte ComptonλC ≡ mc Wellenlänge des Elektrons.) Diese Frequenzänderung des Lichts ist aus der Sicht der klassischen Elektrodynamik unverständlich, weil die klassische Streutheorie eine solche nicht zulässt! 2.3 Das Bohrsche Atommodell Spektroskopie (1802 Wollaston, 1813 Fraunhofer): Scharfe Spektrallinien der einfachsten Elemente → jedes (noch hypothetische) Atom hat ein charakteristisches (Emissions= Absorptions-)Spektrum. 1888 Rydberg-Formel für Wasserstoff 1 1 1 =R − , R . . . Rydbergkonstante, λ n2 m2 n = 1 Lyman-Serie 2 Balmer (1885), m = 3: Hα -Linie (rot) 3 Paschen 4 Brackett ··· 12 n, m ∈ N, m > n 1908 1911 1913 Kombinationsprinzip von Ritz: Das Spektrum jedes Elements enthält Frequenzen, die entweder Summe oder Differenz zweier anderer Spektralfrequenzen sind. Erst später: Alle Linien bestimmt durch ein Termschema“, ” jede Frequenz ist Differenz zweier Spektralterme“ ” Rutherford (Nobel 1908): Atomkern (positive Ladung in einem Zentrum konzentriert) → klassisches Atommodell = Sonnensystem im Kleinen. Widerspruch: Elektronen strahlen wegen ihrer Bahnbewegung und verlieren deswegen Energie → stürzen in den Kern. Frequenz der Strahlung = Frequenz der Bahnbewegung oder einer ihrer Harmonischen, nimmt fortwährend zu → kontinuierliches Spektrum Bohr (Nobel 1922): Postuliert zusätzlich zur Lichtquantenhypothese die Quantelung d. Energieniveaus der Atome: ∃ stationäre Zustände (Kreisbahnen - von Sommerfeld verallgemeinert zu Ellipsen) wohldefinierter Energie, in denen das Atom nicht strahlt. Bei Übergängen ( Sprüngen“) zwischen ” solchen Zuständen wird ein Photon emittiert oder absorbiert gemäß hνij = Ei − Ej (Ei > Ej ) QuantitativH sind die stationären Zustände bestimmt durch die Quantelungsregel pdq = nh für die entsprechende klassische Bahn ⇒ der Drehimpuls ist ein ganzzahliges Vielfaches von ~. Diese Bedingung liefert für n = 1 den Bohr-Radius des H-Atoms rB = 1914 ~2 ≈ 0,53 · 10−10 m, m . . . reduzierte Masse ≈ me me2 R 2π 2 me4 rn = n2 rB ⇒ En = −hc 2 , cR = n h3 Korrespondenz-Prinzip: Für große n (r → ∞) wird die Frequenz des Übergangs n → n − 1 gleich der klassischen Umlauffrequenz. → Für große Quantenzahlen gehen die Gesetze der Quantenphysik in die Gesetze der klassischen Physik über. Franck-Hertz-Versuch (Nobel 1925) bestätigt das Bohrsche Modell: Beschuss von Hg-Atomen mit e− . Für E < 4,9eV sind alle Stöße elastisch: die gestreuten e− haben diesselbe Energie wie die einfallenden, wie zu erwarten (da mHg ≈ 400000me ). Bei der Schwellenenergie Es = 4,9eV verlieren die Elektronen praktisch ihre gesamte Energie. Darüber ist der Energieverlust eines Teils d. e− exakt 4,9eV, die restlichen e− verlieren keine Energie. Außerdem emittieren die Atome bei Überschreiten der Schwelle UV-Strahlung mit hν = 4,9eV (eine gut bekannte Spektrallinie). Deutung: Elektronen regen Atome an, diese zerfallen darauf in den Grundzustand. Die ad hoc-Annahmen des Bohrschen Modells sind theoretisch unbefriedigend. Eine befriedigende Herleitung gelang erst 1925/26 mit der Aufstellung der Quantenmechanik durch Schrödinger und Heisenberg. 13 Kapitel 3 Materiewellen und Schrödingergleichung 3.1 Interferenz und Beugung von Licht 3.1.1 Interferenz Betr. monochromatische punktförmige“ (Ausdehnung λ) Strahlungsquelle ( Hertz” ” scher Dipol“) → elektrische Feldstärke ~ r, ϑ) = A(r, ~ ϑ) cos(kr − ωt + δ) E(t, ~ ϑ) = ~a(ϑ) A(r, in Fernzone(r λ) r In Raumbereichen hinreichend kleiner Ausdehnung kann die Amplitude als konstant angesehen werden. ~ hat nur eine relevante Betr. 2 derartige Quellen, die Wellen seien gleich polarisiert ⇒ E Komponente E. In einem fixen Punkt P im Abstand r1 bzw. r2 von den Quellen gilt wegen Linearität der Maxwell-Gleichungen die Überlagerung E = E1 + E2 Ei = Ai cos(kri − ωt + δi ), i = 1, 2, Ai > 0 o.B.d.A. Messbar ist wegen der hohen Frequenz des Lichts nur die Intensität = Zeitmittel des Betrags der Energiestromdichte über Periode T = 2π : ω Z T c ~ c 1 2 2 ~ = ~ ⊥ E, ~ |B| ~ = |E|), ~ I= |E × B| E (da B also I = E = dtE 2 (t) 4π 4π T 0 |{z} = 1 in geeigneten Einheiten 14 Verwende cos2 = 21 , cos α cos β = 12 [cos(α + β) + cos(α − β)] 1 1 ⇒ I = (E1 + E2 )2 = E12 + E22 + 2E1 E2 = A21 + A22 + 2 2 ((( (((( + A1 A2 cos(k(r +(r()(−(2ωt + δ1 + δ2 ) + cos(k(r1 − r2 ) + δ1 − δ2 ) | (((1( 2 {z } ( =0 oder I = I1 + I2 + 2 | p I1 I2 cos(k(r1 − r2 ) + δ1 − δ2 ) {z } Interferenzterm“ ” I weicht ortsabhängig von I1 + I2 ab: p p I1 + I2 − 2 I1 I2 ≤ I ≤ I1 + I2 + 2 I1 I2 k(r1 − r2 ) + δ1 − δ2 = 0, ±2π, . . . : = ±π, ±3π, . . . : konstruktive Interferenz destruktive Interferenz Äquivalente Beschreibung durch komplexe Amplituden: Stelle Feldstärke als Realteil einer komplexen Lösung der Wellengleichung dar → Ẽi = Ãi (~x)e−iωt , Ãi = |Ãi (~x)|eiϕ(~x) 1 ⇒ Ei (i, ~x) = |Ãi (~x)| cos(ϕ(~x) − ωt) (⇒ Ai = |Ãi |) ⇒ I = |Ãi |2 2 1 1 |Ã1 |2 + |Ã2 |2 + 2|Ã1 ||Ã2 | cos(ϕ1 − ϕ2 )) = |Ã1 + Ãn |2 = I I= 2 2 Ei (t, ~x) = Re Ẽi (t, ~x), Verallgemeinerung auf n Quellen derselben Frequenz: Ei = Re(Ãi (~x)e−iωt ) i = 1, . . . , n, Ãi = |Ãi |eiϕi 1 1 X 2 ⇒ I = |Ã1 + · · · + Ãn |2 = | Ẽi | 2 2 Ein stationäres Interferenzmuster setzt voraus, dass die Phasendifferenzen ϕi − ϕj der überlagerten Wellen hinreichend zeitlich konstant sind. Solche Wellen heißen kohärent: Sie haben eine feste Phasenbeziehung untereinander. Praktische Intensitätsmessungen von Licht mitteln über Zeiten T . Gewöhnliches Licht entsteht in einzelnen Emissionsakten von Atomen, die ∼ 10−8 s dauern ⇒ es besteht aus Wellenpaketen“ der ” Länge ∼ 3m, deren Phasenrelationen untereinander zufallsverteilt sind (im Unterschied zu Laserlicht). Daher sind auch der Interferenzfähigkeit von Lichtstrahlen, die aus einer einzigen Quelle gewonnen werden, Grenzen gesetzt: Die maximal zulässige Wegdifferenz ist etwa gleich der Länge eines Wellenzugs = Kohärenzlänge l, τ = cl heißt Kohärenzzeit. 1 τ ist identisch mit ∆ν , wo ∆ν die Linienbreite der Lichtquelle ist (→ Fourieranalyse, 15 die weiter unten diskutiert wird). Bei der Überlagerung von Wellen verschiedener Herkunft hat man es wegen der P langen Mittelungszeit P Peffektiv mit zufallsverteilten relativen Ii , weil die in den Interferenztermen Phasen zu tun → I = 21 | Ãi |2 ≈ 12 |Ãi |2 = auftretenden Phasendifferenzen auf dem Einheitskreis annähernd gleichverteilt sind. Laserlicht hat sehr lange Kohärenzzeiten, Schall- und Radiowellen sind praktisch immer kohärent. Achtung: Zeitmittelung mittels Komplexifizierung funktioniert nur für (fast) monochromatische Wellen (fast) derselben Frequenz. Interferenz: Überlagerung der Wellen von endlich vielen diskreten kohärenten Quellen. Beugung: Überlagerung der Wellen einer kontinuierlichen Verteilung von kohärenten Quellen. Zurück zu unserem Beispiel: |P Qi | |Q1 Q2 | ≡ d, λ ⇒ r1 ≈ r2 ≈ r Abbildung 3.1: Fernfelder zweier gleich starker, phasengleicher, monochromatischer Punktquellen. a0 i(kri −ωt) ω 2π e , k= = , i = 1, 2 r c λ Phasendifferenz ∆ϕ = k(r2 − r1 ) ≈ kd sin ϑ in P: Feldstärken Ẽi (t, r, ϑ) = Gesamtfeldstärke Ẽ(t, r, ϑ) = Ẽ1 + Ẽ2 1 Intensität I = |Ẽ|2 2 ∆ϕ ) (Übungsaufgabe) 2 λ sin ϑ ≈ ϑ ⇒ Winkelabstand zweier Maxima ∆ϑ ≈ , da ∆ϕ = 2π d r konstant ⇒ I(ϑ) = Imax cos2 ( 16 Abbildung 3.2: Interferenzmuster um ϑ = 0. 3.1.2 Beugung Beugung an einem Loch Abbildung 3.3: Beugung an einem Loch Exakte Lösung schwierig. Näherung: Betrachte Schirm mit verschlossenem Loch (Stöpsel): lässt keine Wellen durch ⇒ Wirkung des Schirms = b Quellen auf der rechten Schirmoberfläche, deren Wellen die Welle von Q rechts exakt aufheben ⇒ Gesamtfeld (Loch) rechts = Gesamtfeld (mit Stöpsel) - Gesamtfeld (Stöpsel) = - Gesamtfeld (Stöpsel). Diese Überlegung entspricht dem Huygenschen Prinzip (jeder Punkt einer Welle kann als Zentrum einer Sekundärwelle aufgefasst werden). Gilt exakt nur, wenn Herausnehmen des Stöpsels an der Elektronenverteilung des restlichen Schirms nichts ändert. Änderung vernachlässigbar in genügend großem Abstand in Vorwärtsrichtung (dort sind Randeffekte am geringsten). Stöpsel = b kontinuierlicher Verteilung von Strahlungsquellen, phasengleich bei großem Abstand von Q 17 Beugung am Spalt Bei sehr langem Spalt ist das Problem effektiv 2-dimensional: Genügt Betrachtung eines Querschnitts des Spalts mit Breite D. Gesucht: Feld in einem weit entfernten Punkt P. Näherung: Ersetze Spalt durch Verteilung von n gleichartigen, regelmäßig angeordneten Abbildung 3.4: Diskrete Näherung für Beugung am Spalt Punktquellen (D = (n − 1)δ) E0 [cos(kr1 − ωt) + cos(kr2 − ωt) + . . . + cos(krn − ωt)] r E0 sin n2 ∆ϕ = cos(kr − ωt) r sin ∆ϕ 2 Feld in P: E(t, v, ϑ) = mit ∆ϕ = kδ sin ϑ, r ≈ Abstand von Mitte des Spalts (Übungsaufgabe). n → ∞ (D konstant ⇒ δ → 0), n∆ϕ → kD sin ϑ ≡ φ, ⇒ I(r, ϑ) = sin2 φ2 Imax 2 φ 2 ϑ klein: φ ≈ 2π λ 2λ Dϑ ⇒ I = 0 für ϑ = ± , ± , . . . λ D D ∆ϑ = Dλ Breite d. Hauptmax (definiert durch I ≥ doppelt so breit wie Nebenmaxima. nE0 endlich für n → ∞ 2 2 Imax ). π Hauptmaximum Folgerung: Die Winkeldivergenz eines Strahlenbündels der Breite D ist ≈ sungsvermögen eines Fernrohrs mit Öffnung D ( Beugungsgrenze“)). ” Fernfeld: Fraunhofersche Beugungserscheinungen Nahfeld: Fresnelsche Beugungserscheinungen (hier nicht diskutiert) 18 λ D (≈ Auflö- Abbildung 3.5: Beugungsmuster am Spalt Beugungsmuster zweier Spalte (Breite D > λ, Abstand d > D) Haben gesehen: Für jeden Spalt ist E(t, r, ϑ) ∝ 1r cos(kr − ωt) r ... φ ... sin φ 2 φ 2 Abstand Spalt - Schirm Phasendifferenz der Beiträge von den beiden Rändern des Spalts ⇒ Jeder Spalt liefert Beitrag mit der Phase, die eine Punktquelle (= b enger Spalt) in der Spaltmitte liefern würde, und mit Amplitude ∝ sin φ 2 φ 2 . ⇒ Muster das zweier Punktquellen, moduliert mit Faktor I(ϑ) = I(0) sin φ2 φ 2 !2 cos2 sin φ 2 φ 2 2 : ∆ϕ , ∆ϕ = kd sin ϑ, φ = kD sin ϑ 2 3.2 Welle-Teilchen-Dualismus Bei mikroskopischer Betrachtung setzen sich auch klassische Wellenphänome aus diskreten Einzelereignissen zusammen: Ein Interferenzmuster entsteht durch viele Einzelstreuungen = Absorption und Emission von Photonen durch Atome. Nimmt man statt des reflektierenden Schirms ein Feld von Photonenzählern oder einen beweglichen Photonendetektor, dann ist Intensität ∝ mittlere Zählrate ∝ Ansprechwahrscheinlichkeit eines Detektors am betreffenden Ort. 19 Abbildung 3.6: Beugungsmuster des Doppelspalts Bei hoher zeitlicher Auflösung sind die Einzelereignisse zufallsverteilt: Der genaue Zeitpunkt des nächsten Klicks“ eines Detektors lässt sich nicht vorhersagen (ebensowenig ” wie für den Geigerzähler beim radioaktiven Zerfall), auch wenn die Quelle maximal kohärent ist (Laser). Umgekehrt zeigen materielle elementare“ Teilchen Welleneigenschaften! Ein Beispiel ” dafür liefert das Doppelspalt-Experiment mit Elektronen (Abbildung 3.7). P1 (x) P2 (x) P12 (x) ... ... ... Zählrate eines Detektors in x, wenn nur 1 offen Zählrate eines Detektors in x, wenn nur 2 offen Zählrate eines Detektors in x, wenn 1 und 2 offen Ginge jedes Elektron durch 1 oder 2, wäre P12 = P1 + P2 . Tatsächlich Interferenz ! P(x) verhält sich wie Intensität einer Welle. An manchen Orten wird P durch Schließen eines Lochs verringert, an manchen aber erhöht. Mit klassischer Physik nicht zu erklären! Dasselbe Resultat auch bei kleiner Emissionsrate, so dass jeweils nur ein e− unterwegs: Das Elektron interferiert mit sich selbst“, geht durch ” ” beide Spalte“. Wir bringen nun eine monochromatische Lichtquelle nahe den Spalten ein, um den Ort der Elektronen zu bestimmen: Elektronen streuen Licht → Lichtblitz entweder nahe 1 oder 2. P10 P20 0 P12 ... ... ... Verteilung der e− , die bei 1 gesehen Verteilung der e− , die bei 2 gesehen Verteilung aller Elektronen (bei Licht) 20 Abbildung 3.7: Doppelspalt-Experiment mit Elektronen Abbildung 3.8: Ortsbestimmung der Elektronen mit monochromatischer Lichtquelle nahe den Spalten 21 0 = P10 + P20 → Werden Elektronen beobachtet, ändert sich die Verteilung! P12 Schwache Beleuchtung: Lichtblitze bleiben gleich stark, aber nicht jedem Detektorereignis geht ein Lichtblitz voraus - Streuvorgänge seltener, aber gleich stark. Grund: Intensität des Lichts ∝ Zahl der Photonen, und jedes Photon hat dieselbe Energie. P10 , P20 wie vorhin für die e− , die tatsächlich gesehen wurden. 0 P12 = P10 + P20 + P 00 P 00 ... Verteilung der e− , die nicht gesehen wurden: Interferenzmuster ! Interpretation: Die Wechselwirkung mit Licht stört die Interferenzfähigkeit der e− (wegen Impulsübertrag der Photonen auf die Elektronen) Eγ = hν → stört langwelliges Licht weniger? Bei Erhöhung von λ zunächst dasselbe Phänomen, aber wenn λ > d, wird Lichtblitz so 0 groß, dass Zuordnung der e− zu einem Spalt nicht mehr möglich. Zugleich wird P12 = P12 . Folgerung: Es ist unmöglich, einen Apparat zu bauen, der feststellt, welches Loch das e− passiert, und nicht zugleich das Interferenzmuster zerstört. Dualität: Teilchen- oder Wellencharakter des Elektrons hängt von der Art der Messung ab. Genauer: Weg- und Phaseninformation schließen einander aus. Observable, die nicht gleichzeitig (im Prinzip beliebig genau) bestimmt werden können, heißen komplementär. Komplementäre Observable gehorchen einem Unschärfeprinzip: Bei gleichzeitiger Messung geht die Genauigkeit der einen auf Kosten der anderen. Z.B. Orts- und Impulsmessung eines Elektrons durch Lichtstrahl, der durch Lochblende gebündelt wird (D . λ, damit Lokalisierung besser als durch ungehinderte Beleuchtung, vgl. Abbildung 3.9 sowie das Doppelspaltexperiment für Elektronen mit zusätzlicher Lichtquelle). Je enger die Blende, umso genauer kann die x-Koordinate des e− bestimmt werden, aber umso größer ist auch die Verbreiterung des Lichtstrahls durch Beugung, daher die Unschärfe des Photonen - und schließlich des auf Grund des Impulsübertrags gemessenen Elektronimpulses. Wir haben ∆ϑ ≈ p= h λ ∆ϑ oder D ≈ 1 ⇒λ D · p∆ϑ ≈ h oder ∆x · ∆px ≈ h , D λ (3.1) wo ∆x und ∆px die unvermeidlichen Unschärfen der so gemessenen Ortskoordinate x und 22 Abbildung 3.9: Orts- und Impulsmessung eines Elektrons durch Lichtstrahl, der durch Lochblende gebündelt wird. Impulskomponente px bedeuten. Eine präzise Version dieser Heisenbergschen Unschärferelation wird weiter unten hergeleitet. Eine ähnliche Überlegung wie eben angestellt führt auch auf das Auflösungsvermögen eines Mikroskops. Diese Versuchsanordnung ist daher auch als Heisenberg-Mikroskop“ ” bekannt. Heisenberg meinte, dass die Photonen unkontrolliert px auf das Elektron übertragen und es damit stören. Das könnte den Eindruck erwecken, dass in Wirklichkeit“ ” das Elektron einen scharfen Impuls hat und wir ihn nur nicht genau messen können. Die durch den Formalismus der Quantenmechanik (siehe die Herleitung der HeisenbergRelation weiter unten) nahegelegte Interpretation ist aber, dass unter der gegebenen Messbedingung gar kein scharfer Elektronenimpuls existiert 1 . 1 Allgemein macht die Quantenmechanik keine Aussagen über Systemeigenschaften an sich“, sondern ” schließt immer den Messprozess mit ein: Nur ein beobachtetes Phänomen ist ein Quantenphäno” men“ (Niels Bohr). Noch drastischer formuliert wird die Wirklichkeit erst durch den Messprozess geschaffen. 23 Einige historische Fakten zu diesen Wellenphänomenen: 1923 de Broglie (Nobel 1929): Materiewellen-Hypothese: In Analogie zu den Lichtquanten ist jedem materiellen Teilchen eine Welle zugeordnet, die das Teilchen führt“ (Koexistenz von Teilchen und Welle). Für ein frei” p ~2 es Teilchen mit Impuls p~ und Energie E = 2m gelten die Relationen ~ ~ p~ = ~k, E = ~ω für den Wellenzahlvektor k und die Kreisfrequenz ω der entsprechenden ebenen Welle ⇒λ= 1927 1959 1969 1994 1999 2003 h h =√ |~p| 2mE ( de Broglie-Wellenlänge“), ” E ν= h Davisson und Germer ; G.P. Thomson (Sohn von J.J. Thomson) (Nobel 1937): Nachweis des Wellenaspekts von Elekronen durch Beugung in einem Kristall. Reflexion an Gitterebenen mit Abstand d ⇒ Bragg-Bedingung , (ursprünglich für Röntgenstrahlen) für konstruktive Interferenz: sin ϑ = nλ 2d wobei ϑ = Winkel der Strahlen mit einer Gitterebene. Doppelspaltversuch mit Elektronen Beugung von Neutronen (H. Rauch, Wien) Beugung von He2 (D = 5nm, bisher größtes Molekül) Beugung von C60 (Fullerene, m = 720amu, D = 1nm) (M. Arndt, Wien) Beugung von C60 F48 (m = 1632amu, bisher schwerstes Molekül) 3.3 Konsequenzen für die mathematische Beschreibung Wahrscheinlichkeitsdichte P (x) der Elektronenverteilung am Absorber = b Intensität einer Welle → einfachster Ansatz: P (x) = Absolutquadrat einer komplexwertigen Funktion ψ(x) (kein Zeitmittel: Komplexe Zahlen sind in der Quantenmechanik unverzichtbar.2 ) Allgemein: Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses (hängt von gewissen Parametern wie z.B. x ab) ist bestimmt durch eine komplexe Wahrscheinlichkeitsamplitude ψ: P = |ψ|2 . Kann das Ereignis auf verschiedene, aber nicht durch Messung unterscheidbare Weisen 1 und 2 eintreten, dann ist ψ = ψ1 + ψ2 , ψi . . . Amplitude für i-te Alternative ⇒ P = |ψ1 + ψ2 |2 → Interferenz“ von Wahrscheinlichkeiten, z.B. i ↔ Elektron geht durch Loch ” 2 Auch dem Photon wird eine komplexe Wahrscheinlichkeitsamplitude“ zugeordnet. Das ist kein Wi” derspruch zum reellen Charakter elektromagnetischer Wellen, weil es sich um verschiedene Begriffe handelt. Eine klassische elektromagnetische Welle ist ein Zustand des Systems elektromagnetisches ” Feld“ mit sehr hoher Photonenzahl. 24 i. Wird das Experiment so ausgeführt, dass festgestellt werden kann, welche Alternative eingetreten ist, dann ist P = P1 + P2 ( Dekohärenz“ der Alternativen). ” Fundamentale Rolle der Zufälligkeit: Über ein einzelner Ereignis kann im Allgemeinen keine Vorhersage gemacht werden, nur eine Wahrscheinlichkeit im statistischen Sinn angegeben werden (relative Häufigkeit des Ausgangs einer großen Zahl identisch präparierter Experimente): Die Quantenphysik ist im Gegensatz zur klassischen Physik indeterministisch (aber kausal, wie wir bald sehen werden). (Aus diesem Grund hat z.B. Einstein die QM als unvollständig angesehen ( Gott würfelt nicht“)). Verborgene Parameter“ ” ” wurden bisher erfolglos gesucht und sind auch theoretisch unter gewissen vernünftigen Annahmen ausgeschlossen. Der Zufallscharakter quantenmechanischer Phänomene ist daher irreduzibel. Natürlich sind auch in der klassischen Physik Vorhersagen nur mit Wahrscheinlichkeitscharakter zu machen, weil Anfangsbedingungen unzureichend bekannt sind. Diese Ungenauigkeit kann aber im Prinzip beliebig klein gemacht werden. 3.4 Wellenfunktionen Wahrscheinlichkeitsamplituden, die von Ort und Zeit abhängen, heißen Wellenfunktionen (auch wenn sie nicht einmal formal etwas mit klassischen Wellen zu tun haben). Z.B. ist die Amplitude der Wahrscheinlichkeit P (t, ~x)d3 x für das Ereignis, ein Teilchen √ 3 3 zur Zeit t im Volumen d x um ~x anzutreffen, von der Form ψ(t, ~x) d x (das ist mathematisch wohldefiniert und macht ψ zu einer Halbdichte“). Für ein freies Teilchen mit ” p ~2 wohldefiniertem Impuls p~ (und daher auch wohldefinierter Energie E = 2m ) folgt aus der Komplexwertigkeit und der de Broglie-Hypothese die Form der Wellenfunktion ~ ψp~ (t, ~x) = Aei(k~x−ωt) , ~k = p~ , ω = E . ~ ~ Wegen der Orts-Impuls-Unschärfe kann diese Wellenfunktion kein lokalisiertes Teilchen beschreiben. Tatsächlich ist PR(~x) = |ψ|2 = const und daher der Aufenthaltsort völlig unbestimmt. (Die Bedingung P (~x)d3 x = 1 führt bei unendlichem Volumen auf einen mathematischen Widerspruch, was aber nur an der idealisierten Annahme eines unend” lich scharfen“ Impulswertes für das Teilchen liegt). Ein lokalisiertes Teilchen ist durch eine Wellenfunktion zu beschreiben, die um ein gewisses ~x (zu einem gewissen t) konzentriert ist. Mehr oder weniger konzentrierte Wellenfunktionen nennt man Wellenpakete. (Eine exakte Lokalisierung stellt einen Idealfall dar, der wie ein exakter Impulswert mathematisch problematisch ist.) Wie sieht die allgemeinste Wellenfunktion für ein freies Teilchen aus? Analog zur klassischen Wellentheorie erwarten wir ein Superpositionsprinzip: Die Summe von Wellenfunktionen ist wieder eine mögliche Wellenfunktion. Da 25 wir auf Grund der Unschärferelation neben ~k keine weiteren frei wählbaren Paramter zur Verfügung haben, erwarten wir, dass die ebenen Wellen eine verallgemeinerte (kontinuierliche ) Basis für alle möglichen Wellenfunktionen bilden, d.h. die allgemeine Wellenfunktion ist von der Form Z d3 k ~ i(~k~x−ωt) ψ(t, ~x) = (3.2) 3 ψ̃(k)e (2π) 2 mit einer beliebigen“ komplexen Paramterfunktion ψ̃(~k) und ω = ” Unter gewissen Einschränkungen an die Beliebigkeit gilt Z d3 x ~ ~ ψ̃(k) = x)e−ik~x 3 ψ(0, ~ (2π) 2 ~k2 . 2m (3.3) d.h. ψ̃ ist die Fouriertransformierte von ψ(0, · ) und Gleichung 3.2 ist im Wesentlichen die Fourier-Rücktransformation3 . Eine wichtige Eigenschaft der Fouriertransformation ist Z Z 3 2 d x|f (~x)| = d3 k|f˜(~k|2 , wobei offenbar f als quadratisch integrabel vorausgesetzt ist. Tatsächlich lässt sich die Definition der Fouriertransformation auf den Raum L2 (R3 ) aller quadratisch (Lebesgue-)integrierbaren Funktionen ausdehnen (allerdings gilt dann im Allgemeinen nicht mehr die Integraldarstellung der Gleichung 3.3). Eine weitere physikalisch relevante Eigenschaft der Fouriertranformation ist die klassische Unschärferelation: Sei f eine normierte Funktion auf R, d.h. Z dx|f (x)|2 = 1, und ihre Varianz ∆f definiert durch ∆2f Z = dxx2 |f (x)|2 . Dann gilt 1 2 Diese Ungleichung (und ihre Verallgemeinerung auf beliebig viele Raumdimensionen) wird später bewiesen. Da ∆f ein Maß für die Breite der durch |f |2 beschriebenen Verteilung ist (sofern f um den Ursprung konzentriert ist, für den allgemeinen Fall s. Übungsaufgabe), besagt die Ungleichung folgendes: Je schmäler die Verteilung einer Funktion im Ortsraum ist, umso breiter ist die ihrer Fouriertransformierten im Wellenzahlraum ∆f · ∆f˜ ≥ 3 ψ(t, ~x) ist daher durch ψ(0, ~x) bestimmt. Dies ist ein Ausdruck der Kausalität der Quantenmechanik. 26 u.u. Eine analoge Aussage gilt für den Zeit- und Frequenzbereich. Aus der Gleichung 3.2 gewinnt man für die eindimensionale Version von ψ die Ungleichung 1 (3.4) ∆ψ(0,·) · ∆ψ̃ ≥ . 2 Wegen k = ~p entspricht dies einer exakten Version der bereits erwähnten Heisenbergschen Unschärferelation: Da ∆ψ(0,·) der Unbestimmtheit ∆x des Orts des Wellenpakets ψ(0, x) und ~∆ψ̃ der Unbestimmtheit ∆p seines Impulses entspricht, kann man Gleichung 3.4 auch in der Form ~ ∆x∆p ≥ 2 schreiben Der Zeitpunkt t = 0 ist keine wesentliche Einschränkung, da wir ψ̃ in Gleichung 3.3 auch für jeden anderen Zeitpunkt definieren können. 3.5 Die Schrödingergleichung Wegen der de Broglie-Relationen folgt aus Gleichung 3.2 sofort, dass jede Wellenfunktion ψ(t, ~x) Lösung einer gewissen partiellen Differentialgleichung ist: E= ~2~k 2 p~2 ⇒ ~ω = , 2m 2m daher ! ~2~k 2 ∂ ~2 ~ i(~k~ x−ωt) 0 = ~ω − e = i~ + ∆ ei(k~x−ωt) 2m ∂t 2m Z ∂ ~2 d3 k ~2 ∂ ~ ~ i~ + ∆ ψ(t, ~x) = ∆ ei(k~x−ωt) = 0 ⇒ i~ + 3 ψ̃(k) ∂t 2m ∂t 2m (2π) 2 oder ∂ ~2 ψ(t, ~x) = − ∆ψ(t, ~x) . ∂t 2m Das ist bereits die Schrödingergleichung für ein freies Teilchen. i~ (3.5) Der Differentialoperator auf der rechten Seite entsteht aus der klassischen Hamiltonp ~2 ~ Das legt funktion des freien Teilchens H = 2m durch die Substitution p~ → p~ˆ ≡ ~i ∇. die Verallgemeinerung der Schrödingergleichung auf den Fall eines Teilchens in einem konservativen Kraftfeld, beschrieben durch ein Potential V (~x), nahe: Wir ersetzen die p ~2 ~2 klassische Hamiltonfunktion H = 2m + V (~x) durch den Operator Ĥ = − 2m ∆ + V̂ (~x), wo V̂ (~x) die Multiplikation mit der Funktion V (~x) bedeutet, und erhalten ∂ ~2 i~ ψ(t, ~x) = − (3.6) ∆ + V (~x) ψ(t, ~x) , ∂t 2m 27 die Schrödingergleichung für ein nichtrelativistisches Teilchen in einem äußeren Potential. Allgemeiner lautet die Schrödingergleichung eines Teilchens unter Einfluss äußerer Felder ∂ i~ ψ(t, ~x) = Ĥψ(t, ~x) (3.7) ∂t Der Operator Ĥ kann im Allgemeinen aus der klassischen Hamiltonfunktion H(p, ~x) gemäßdem Rezept Ĥ = H(p̂, ~xˆ) gewonnen werden, wobei x̂i wieder ein Multiplikationsoperator x̂i : ψ(t, ~x) 7→ xi ψ(t, ~x) ist. (Diese Prozedur ist jedoch im Allgemeinen nicht eindeutig, weil es auf die Reihenfolge der Operatoren p̂i und xˆk ankommt.) In jedem Fall ist die Schrödingergleichung eine lineare partielle Differentialgleichung 1. Ordnung in der Zeit (eine sogenannte Evolutionsgleichung), so dass die Kenntnis von ψ(0, ~x) die Lösung ψ(t, ~x) für alle Zeiten t eindeutig bestimmt, wie wir es bereits für das freie Teilchen gesehen haben. Kausalität ist daher ein allgemeiner Zug der Quantenmechanik. Die Schrödingergleichung ist die wichtigste Gleichung der (nichtrelativistischen) Quantenmechanik. Ein großer Teil dieser Vorlesung wird sich mit ihrer Lösung in speziellen Fällen befassen. Es wäre jedoch falsch, die Schrödingergleichung als die Grundgleichung der Quantenmechanik anzusehen. Sie ist im Grunde nur eine Methode, um spezielle quantenmechanische Probleme zu lösen. In allgemeineren Formulierungen der Quantenmechanik spielt sie so wie auch der Begriff der Wellenfunktion keine fundamentale Rolle. Historische Bemerkung: Zur selben Zeit (1925/26) wie Schrödingers Wellenmechanik“ ” entstand Heisenbergs Matrizenmechanik“zur Beschreibung der Atomphysik. Es war ” durchaus überraschend, als sich die beiden Zugänge als äquivalent herausstellten. Aus heutiger Sicht hat aber die Methode Heisenbergs das größere Potenzial zur Verallgemeinerung. Diese Verallgemeinerung wird im nächsten Kapitel beschrieben. 3.6 Wellenfunktion und Zustand Gemäß der Quantenmechanik enthält jede Wellenfunktion die maximale Information über das System (z.B. Teilchen). Diese Information bestimmt den Zustand“ des Sys” tems. Der Begriff des Zustands ist das Analogon des Begriffs der Geschichte eines klassischen Systems. Jede Geschichte ist bereits durch Anfangsdaten festgelegt. Im Fall eines klassischen Teilchens sind das z.B. die 6 Zahlen ~x (t0 ) und ~x˙ (t0 ). Auch ein quantenmechanischer Zustand ist bereits durch das Anfangsdatum ψ (t0 , ~x) der entsprechenden Wellenfunktion festgelegt. Warum benötigt die Festlegung eines quantenmechanischen Zustands eine ganze Funktion, während für einen klassischen Zustand einige Zahlen 28 genügen? Der Grund ist die quantenmechanische Unschärfe. Es besteht enorme Freiheit die Unschärfe zwischen ~x und p~ zu verteilen, und diese Verteilung ist z.B. durch die Funktion ψ (0, ~x) charakterisiert. Diese Freiheit ist nicht zu verwechseln mit der Möglichkeit, Ort und Impuls eines klassischen Teilchens unter Informationsverlust durch eine Wahrscheinlichkeitsdichte P (~x, p~) auf dem klassischen Phasenraum zu beschreiben. Im Gegensatz zu solch einer Verteilung enthält jede Wellenfunktion wie schon festgehalten maximale Information. Zustände maximaler Information heißen auch rein. Die einzigen klassischen reinen Zustände sind die zu jedem Zeitpunkt in einem Punkt des Phasenraums konzentrierten Verteilungen, beschrieben durch die Wahrscheinlichkeitsdichte P (~x, p~) = δ (3) (~x − ~x0 ) δ (3) (~p − p~0 ). Die nicht reinen Zustände der Quantenmechanik heißen gemischt. Ihre mathematische Beschreibung geht jedoch über den Rahmen dieser Vorlesung hinaus. 3.7 Normierung Wie schon bemerkt, beschreibt |ψ (t, ~x)|2 die Dichte der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens. Allerding bekommt man so zunächst nur eine relative Wahrscheinlichkeit. Um die absolute Wahrscheinlichkeit zu erhalten, muss ψ die Normierungsbedingung Z d3 x |ψ (t, ~x)|2 = 1 (3.8) erfüllen. Insbesondere muss ψ (t, ·) ∈ L2 (R3 ) ∀t gelten. Mit ψ ist auch eiα ψ mit einer beliebigen reellen Konstante α eine Lösung der Schrödingergleichung und hat dieselbe Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ|2 . Die Zuordnung Zustand → normierte Wellenfunktion ist daher nur bis auf einen Phasenfaktor eindeutig. Dieser Phasenfaktor hat keine physikalische Bedeutung, wohl aber die relativen Phasen in einer Superposition von Wellenfunktionen. Die Superposition zweier normierter Wellenfunktionen ist i.a. nicht normiert. Um das Superpositionsprinzip beizubehalten, werden wir daher auch weiterhin unnormierte Wellenfunktionen zur Zustandsbeschreibung zulassen. Sie liefern zwar nur relative Wahrscheinlichkeiten, durch diese sind aber die absoluten eindeutig bestimmt (eben durch den Vorgang der Normierung). Ein Zustand entspricht daher mathematisch einer Äquivalenzklasse von Wellenfunktionen ψ mit der Äquivalenzrelation ψ ∼ λψ für beliebiges λ ∈ C, λ 6= 0. Jede Äquivalenzklasse hat einen normierten Repräsentanten, doch wie wir gesehen haben, ist dieser nicht eindeutig. Wir haben bereits gesehen, dass ebene Wellen nicht normierbar sind. Trotzdem sind sie physikalisch sinnvoll, wenn man sie als Grenzfall sehr ausgedehnter, fast monochromati- 29 scher Wellenpakete ansieht, die selbst normierbar sind. Aus diesem Grunde werden wir sie weiterhin zur Beschreibung von idealisierten Teilchen mit exakt definiertem Impuls verwenden. Wird der R3 durch ein endliches Volumen ersetzt, dann werden auch ebene Wellen normierbar und das Problem der scharfen“ Impulse fällt weg. Aus diesem Grund ersetzt ” man den R3 manchmal durch einen Würfel der Kantenlänge L und legt den Wellenfunktionen periodische Randbedingungen auf: ψ (t, 0, y, z) = ψ (t, L, y, z) ψ (t, x, 0, z) = ψ (t, x, L, z) ψ (t, x, y, 0) = ψ (t, x, y, L) 0 ≤ x, y, z ≤ L (3.9) Dies kann man so interpretieren, dass man gegenüberliegende Würfelseiten identifiziert (der Würfel wird so topologisch zum dreidimensionalen Torus T3 ). Die Randbedingungen schränken den Wellenzahlvektor auf die diskreten Werte ~k = 2π (n1 , n2 , n3 ) , L ein und ebene Wellen lassen sich normieren auf ni ∈ N ~ ψ (t, ~x) = L− 2 ei(k~x−ωt) 3 (3.10) (3.11) Diese entsprechen jetzt trotz der Normiertheit Zuständen mit scharfen Impulswerten p~ = ~~k. Für große L liegen die diskreten Impulswerte in sehr engem Abstand und können physikalisch ausreichend durch ein Kontinuum genähert werden. In diesem Grenzfall wird der R3 zur Idealisierung eines sehr großen Würfels, was eine Alternative zur vorhin beschriebenen Idealisierung großer Wellenpakete darstellt. 3.8 Kontinuitätsgleichung R Die Normierungsbedingung d3 x |ψ (t, ~x)|2 = 1 muss aus physikalischen Gründen für alle Zeiten t gelten (zu jeder Zeit t muss das Teilchen irgendwo sein). Ist das mit der Schrödingergleichung vereinbar? Um das einzusehen verwenden wir die allgemeine Schrödingergleichung 4 : i~ψ̇ = Ĥψ 4 Wir notieren die Zeitableitung mit einem Punkt und die Komplex-Konjugation mit einem Stern. 30 2 ~ mit Ĥ = − 2m 4 + V̂ (reell!) ⇒ −i~ψ̇ ∗ = Ĥψ ∗ ∂ (ψ ∗ ψ) = ψ̇ ∗ ψ + ψ ∗ ψ̇ ⇒ ∂t i 1 h =− Ĥψ ∗ ψ − ψ ∗ Ĥψ i~ ~ [(4ψ ∗ ) ψ − ψ ∗ 4ψ] = 2mi i ~ ~ h ~ ∗ ~ = ∇ · ∇ψ ψ − ψ ∗ ∇ψ 2mi Mit den Definitionen ρ (t, ~x) := |ψ (t, ~x)|2 h i ~ − ψ ∇ψ ~ ∗ ~j (t, ~x) := ~ ψ ∗ ∇ψ 2mi (3.12) (3.13) erhalten wir so die Kontinuitätsgleichung: ∂ρ (t, ~x) ~ ~ + ∇ · j (t, ~x) = 0 ∂t (3.14) Da wir bereits wissen, dass ρ die Wahrscheinlichkeistdichte ist, ist ~j als Wahrscheinlichkeitsstromdichte zu interpretieren. Fällt diese im Unendlichen genügend rasch ab, dann folgt aus der Kontinuitätsgleichung über den Satz von Gauss die Erhaltung der Wahrscheinlichkeit (siehe Übungen): R d3 x |ψ (t, ~x)|2 ist unabhängig von t, wenn ψ die Schrödingergleichung löst. 3.9 Dispersion von Wellenpaketen Wir betrachten eine ebene Welle ~ ψ (t, ~x) ∝ ei(k~x−ωt). (3.15) Der Ort konstanter Phase wird beschrieben durch die Gleichung: ~k~x − ωt = k~n~x − ωt = const 31 (3.16) ~ Das ist die Gleichung einer Ebene mit Normalenvektor ~n = kk , die in Normalenrichtung x mit der Geschwindigkeit ~n · d~ = d(~ndt·~x) = ωk wandert. Daher nennt man dt vp := ω k (3.17) die Phasengeschwindigkeit der Welle. Wie schon mehrfach erwähnt sind physikalisch nur Wellenpakete endlicher Ausdehnung zu realisieren. Ein solches hat bekanntlich für ein freies Teilchen die Form (3.2): Z ~ − 32 ψ (t, ~x) = (2π) d3 k ψ̃(~k)ei(k~x−ωt) (3.18) Wir nehmen an, dass ψ̃(~k) um den Wellenzahlvektor ~k0 konzentriert ist (entsprechend einem breiten Wellenpaket im Ortsraum). Dann ist es sinnvoll, die Funktion ω(~k) um diesen Wert ~k0 nach Taylor zu entwickeln (Analytizität vorausgesetzt): ~ k ω + ... (3.19) ω ~k = ω ~k0 + ~k − ~k0 · ∇ ~k=~k0 Z i ~k~x−ω(~k0 )t−(~k−~k0 )· ∇ ~ k ω| t ~ − 32 3 k 0 ⇒ ψ (t, ~x) ≈ (2π) (3.20) d k ψ̃ ~k e ~ k ω | −ω (~k0 )t i ~k0 · ∇ ~ = e| k0 {z Phasenfaktor } (2π) | − 32 Z i ~k·~x−~k· ∇ ~ k ω| t ~ k0 d3 k ψ̃ ~k e {z } ~ k ω| t ψ(0,~ x)− ∇ ~ k0 (3.21) Aus dieser Gleichung schließen wir, dass das Wellenpaket in 1. Näherung unter Beibehaltung seines Profils“ (definiert durch |ψ (0, ~x)|2 ) wandert. Die Geschwindigkeit ” ~ k ω ~k ~vG := ∇ (3.22) heißt Gruppengeschwindigkeit. Hängt ω nur von k = ~k ab, ist dω ~ dω · ∇k k = ~n dk dk dω ⇒ vG ≡ |~vG | = dk ~vG = Eine alternative Herleitung desselben Resultats liefert die Methode der stationären Phase: 32 Das Wellenpaket wird dort konzentriert sein, wo die ebenen Wellen im Fourierintegral konstruktiv interferieren. Dies wird in der Umgebung eines gewissen Punktes ~k0 im k-Raum der Fall sein, in dem die Variation der Phase des Integranden in der Fourierdarstellung verschwindet (entspricht maximaler konstruktiver Interferenz von Wellen mit ~k ≈ ~k0 ). Diese Stationarität der Phase wird durch die Gleichung ~ k ~k~x − ωt + argψ̃ ~k ∇ =0 ~ ~k0 k= ~ k ω t + ∇ ~ k argψ̃ ~k = 0 ⇒ ~x − ∇ ~k0 ~k0 | {z } {z } | −~ x0 ~vG beschrieben. Das Wellenpaket ist daher konzentriert um die klassische Teilchentrajektorie ~x = ~vG t + ~x0 , woraus wieder die Bedeutung von ~vG folgt. Im Gegensatz zur ersten Methode liefert diese auch eine Beziehung zwischen ~k0 und dem Anfangsort ~x0 des Wellenpakets 5 . dω dk = dE dp = p m = v, also die klassische Ge~ schwindigkeit entsprechend dem typischen Impuls p~ = ~k0 des Wellenpakets. Für ein freies Teilchen erhalten wir vG = Ist ω ~k nicht linear, also vp abhängig von ~k, dann breiten sich die ebenen Wellen verschiedener Frequenz, die zu einem Wellenpaket beitragen, mit verschiedenen Geschwindigkeiten aus und das Wellenpaket wird zerfließen“. Diese Erscheinung wird als ” ~ Dispersion bezeichnet und die Gleichung ω = ω k heißt daher auch Dispersionsrelation. Explizit nachrechnen lässt sich die Dispersion am Beispiel eines freien eindimensionalen Gaußschen Wellenpakets, beschrieben durch ψ̃ (k) ∝ e− normierte Wellenfunktion ψ (t, x) ist eine Gaußfunktion mit |ψ (t, x)| = q π − 1 2 1 a2 + ~2 a2 t2 m2 e (k−k0 )2 2a2 (x−vt)2 1 + ~2 a2 t2 a2 m2 . Die entsprechende , so dass sich ihr Zentrum mit der klassischen Teilchengeschwindigkeit v = Die Ortsunschärfe berechnet sich zu r 1 1 ~2 a2 t2 + ∆x (t) = √ m2 2 a2 ~k0 m bewegt. (siehe Übungsaufgabe). Damit ergibt sich die Dispersion wie in Abbildung (3.10) dargestellt. 5 Der Grund ist, dass die Methode der stationären Phase voraussetzt, dass die Amplitude von ψ̃ ~k im Vergleich zu seiner Phase nur wenig variiert. Sie funktioniert daher umso besser, je schmäler das Wellenpaket im Ortsraum ist 33 Abbildung 3.10: Zerfließen eines Gauß’schen Wellenpakets 34 Kapitel 4 Der mathematische Formalismus der Quantenmechanik und seine physikalische Interpretation 4.1 Übergangsamplitude und Hilbertraum Die Diskussion der Ortsbestimmung eines Elektrons in Abschnitt 3.2 zeigt einen in der Quantenmechnaik allgemein gültigen Sachverhalt auf: Jede Messung geht i. a. mit einer unvermeidlichen Stöung des untersuchten Systems einher. Mathematisch bedeutet das, dass eine Messung den quantenmechanischen Zustand i. a. ändert (z.B. zerstört die Ortsbestimmung des Elektrons am Doppelspalt seine Interferenzfähigkeit, d.h. seine Geschichte“ verläuft nach der Messung anders als es ohne Messung der Fall wäre). ” Aus diesem Grunde ist auch die Bestimmung eines unbekannten quantenmechanischen Zustands i. a. nicht möglich: Eine einzelne Messung reicht i. a. nicht und danach ist der Zustand ein anderer. (Der einzige Weg der Zustandsbestimmung wäre, das System wiederholt (i. a. sogar unendlich oft) im selben Zustand zu präparieren und diverse Messungen auszuführen, was meist nicht praktikabel ist.) Was die Quantenmechanik jedoch erlaubt, ist einen Zustand ψ bezüglich eines bekannten Zustands φ zu testen“, ” d. h. die Frage zu stellen, ob φ ein mögliches Resultat einer φ entsprechenden (und, weil φ bekannt, wohldefinierten) Messung an ψ ist 1 . Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antwort auf diese Frage positiv ausfällt, wird als die Wahrscheinlichkeit des Übergangs von ψ in φ, kurz Übergangswahrscheinlichkeit, bezeichnet. Die Berechnung der entsprechenden Wahrscheinlichkeitsamplitude, kurz Übergangsamplitude, lässt sich wie folgt plausibel machen: Je ähnlicher“ φ dem Zustand ψ ist, ” umso größer wird die Übergangswahrscheinlichkeit sein. Das natürliche Maß für die 1 Z. B. testet die Detektion eines Elektrons im Ort ~x dessen Zustand ψ bezüglich des in ~x lokalisierten Zustands φ. 35 Ähnlichkeit oder den Grad der Übereinstimmung zweier normierter Wellenfunktionen φ und ψ ist ihr Überlappungsintegral“ ” Z hψ | φi = d3 x ψ ∗ (t, ~x) φ (t, ~x) Dieses hängt erstens nicht von t ab (da ψ und φ beide die Schrödingergleichung lösen, lässt sich der Beweis der Erhaltung der Wahrscheinlichkeit unmittelbar auf den Beweis der Erhaltung des Überlappunngsintegrals“ verallgemeinern) und hat zweitens folgende ” wichtige Eigenschaft: |hψ | φi| ≤ 1 und |hψ | φi| = 1 nur wenn φ = eiα ψ, d. h. wenn φ den selben Zustand beschreibt wie ψ. Diese Eigenschaft folgt aus der Tatsache, dass hψ | φi ein (sesquilineares) inneres Produkt im ∞-dimensionalen Vektorraum der Lösungen der Schrödingergleichung definiert. Wie aus der linearen Algebra bekannt, erfüllt nämlich jedes innere Produkt die Ungleichung von Cauchy-Schwarz |hψ | φi|2 ≤ hψ | ψihφ | φi und Gleichheit gilt nur wenn φ = λψ. Wir postulieren daher: Die Übergangsamplitude zwischen den Zuständen ψ und φ ist hψ | φi. Man beachte, dass die Übergangswahrscheinlichkeit |hψ | φi|2 symmetrisch in ψ und φ ist und daher auch für den Übergang von φ nach ψ gilt. Wir haben bereits den Raum der normierbaren Lösungen der Schrödingergleichung mit dem Raum L2 (R3 ) identifiziert. In diesem Raum ist wegen der Ungleichung von CauchySchwarz auch das innere Produkt h | i durch das Überlappungsintegral definiert. Dieses innere Produkt definiert auf L2 (R3 ) eine Norm k · k durch kψk2 = hψ | ψi 2 . 2 Genau genommen sind sowohl das innere Produkt als auch die Norm entartet, weil die LesbesgueIntegration L2 -Funktionen f 6= 0 mit kf k = 0 zulässt. Um diese Entartung aufzuheben, sind f und g als äquivalent zu betrachten, wenn kf − gk = 0. Wir müssen daher den Raum L2 als den Raum der Äquivalenzklassen von quadratisch integrierbaren Funktionen definieren. Eine solche Äquivalenzklasse ist immer gemeint, wenn wir von einer L2 -Funktion“ sprechen. ” 36 Der Raum L2 ist unendlich-dimensional, d. h. er hat keine endliche Basis. Um zu einer möglichst einfachen Verallgemeinerung einer endlichen Basis zu kommen, muss man auch unendliche Linearkombinationen zulassen. Eine solche Reihenentwicklung erfordert aber einen Konvergenzbegriff. Ein solcher wird durch die Norm definiert: Eine Funktionenfolge {fn }n∈N konvergiert gegen eine Funktion f oder limn→∞ fn = f genau dann, wenn limn→∞ kfn − f k = 0. Um die Analogie zu endlich dimensionalen Vektorräumen möglichst eng zu halten, ist die Vollständigkeit des Funktionenraums erforderlich. Ein normierter Raum heißt vollständig (Banachraum), wenn jede CauchyFolge (d. h. kfm − fn k beliebig klein für hinreichend große m, n) konvergiert. Diese Eigenschaft ist in L2 tatsächlich erfüllt. L2 ist sogar ein vollständiger Vektorraum mit innerem Produkt (das die Norm definiert). Ein solcher Raum heißt Hilbertraum. Er stellt die einfachste Verallgemeinerung eines endlich-dimensionalen Vektorraums mit innerem Produkt dar und spielt wegen seiner schönen“ mathematischen Eigenschaften ” im mathematischen Formalismus der Quantenmechanik eine zentrale Rolle. Der Hilbertraum L2 (R3 ) ist separabel, d. h. es existiert eine abzählbare Orthonormalbasis {ψn }n∈N , hψm |P ψn i = δmn , derart, dass jedes ψ ∈ L2 durch eine konvergente Reihe der Form ∞ λn = hψn | ψi dargestellt werden kann ψ = n λn ψn mit eindeutigen Koeffizienten PN (was bedeutet, dass limN →∞ kψ − n=1 λn ψn k = 0). Ein separabler Hilbertraum liefert also eine natürliche Darstellung der Zustände eines Systems, weil er gestattet, das Superpositionsprinzip auf abzählbar unendlich viele Vektoren zu erweitern. Allerdings ist, wie wir bereits wissen, diese Darstellung nicht eindeutig. Jedem Zustand entspricht ein sogenannter Strahl ={komplexe Vielfache eines Vektors} im Hilbertraum. Die Gesamtheit dieser Strahlen bildet einen sogenannten projektiven Raum. 4.2 Obervable und Operatoren im Hilbertraum Eine Observable ist eine Systemeigenschaft, die durch Messung bestimmt und durch eine reelle Zahl ausgedrückt werden kann. Zu jeder Observablen gehört insbesondere eine eindeutige Messvorschrift (deren praktische Ausgestaltung im Allgemeinen keineswegs trivial ist). Das Ergebnis der Messung wird vom jeweiligen Zustand des Systems abhängen, aber die Definition der Observablen tut dies nicht. Beispiele für Observablen sind Energie und Impuls. Wie diese quantenmechanisch zu definieren sind, sehen wir am besten an der Bestimmung ihrer Messwerte im Fall eines Zustands, für den diese Messwerte eindeutig ausfallen. Bekanntlich wird ein solcher (idealisierter) Zustand be~ schrieben durch eine ebene Wellenfunktion ψ ∝ ei(k~x−ωt) entsprechend einem scharfen Impulswert p~ = ~~k und Energiewert E = ~ω. Diese 4 Zahlenwerte lassen sich mathe- 37 ~ = p~ψ und Ĥψ = Eψ etnehmen. Sie besagen, dass ψ matisch aus den Gleichungen ~i ∇ψ Eigenfunktion der linearen Operatoren p̂i ≡ ~i ∂x∂ i bzw. Ĥ zu den Eigenwerten pi und E ist. Die Realität dieser Eigenwerte beruht auf der Eigenschaft der Selbstadjungiertheit dieser Operatoren im Hilbertraum L2 (R3 ), die wir gleich näher erläutern. Zuvor verallgemeinern wir den eben festgestellten mathematischen Sachverhalt zu folgendem Postulat 1: Physikalische Observable werden in der Quantenmechanik dargestellt durch selbstadjungierte Operatoren, ihre Eigenwerte sind mögliche Messwerte. In einem endlich-dimensionalen Vektorraum V mit innerem Produkt ist zu jedem linearen Operator (dargestellt durch eine Matrix) A, der adjungierte Operator A† assoziiert durch die Gleichung hφ | Aψi = hA† φ | ψi ∀φ, ψ ∈ V. (4.1) A heißt hermitisch oder selbstadjungiert wenn A = A† . Wie aus der linearen Algebra bekannt, haben hermitische Operatoren reelle Eigenwerte und ein vollständiges Orthonormalsystem von Eigenvektoren (d.h. diese bilden eine Orthonormalbasis). Diese eben gemachten Definitionen lassen sich allerdings nur dann unmodifiziert auf einen ∞-dimensionale Hilbertraum H übertragen, wenn der Operator A auf ganz H definiert ist. Dies ist jedoch nur für beschränkte Operatoren der Fall (für jeden solchen existiert eine Zahl K ≥ 0 mit kAψk ≤ Kkψk ∀ψ ∈ H 3 . Für jeden unbeschränkten Operator gibt es Vektoren ψ ∈ H, für die Aψ nicht existiert. Der Definitionsbereich von A ist also kleiner als H und das macht Probleme mit der Definition (4.1). Die Begriffe hermitisch“ und selbstadjungiert“ sind subtiler und bedeuten auch nicht ” ” dasselbe. Wesentlich für die Quantenmechanik ist die Darstellung von Observablen durch selbstadjungierte Operatoren A für die A = A† mit demselben Definitionsbereich. Im Hilbertraum gilt i. a. auch nicht mehr, dass selbstadjungierte Operatoren ein vollständiges ONS von Eigenvektoren zu reellen Eigenwerten haben. Z. B. sind die vorhin betrachteten ebenen Wellen keine Vektoren im Hilbertraum L2 , weil sie nicht normierbar sind. Die Operatoren p̂i und Ĥ für ein freies Teilchen haben daher gar keine Eigenvektoren und daher auch keine Eigenwerte! Für Operatoren im Hilbertraum ist der Begriff Eigenwert auf den Begriff Spektralwert zu verallgemeinern. Statt diesen Begriff exakt zu definieren, halten wir hier nur fest, dass in einem allgemeineren mathematischen Rahmen (Gelfandsche Raumtripel), der über die Hilbertraumtheorie hinausgeht, sich für die Spektralwerte eines selbstadjungierten Operators (die auch immer reell sind) tatsächlich verallgemeinerte Eigenvektoren (Distributionen) finden lassen. Die Operatoren p̂i , Ĥ bzw. die ebenen Wellen sind ein Beispiel dafür. In diesem Sinne werden wir weiterhin von Eigenwerten und (idealisierten) Eigenzuständen von Observablen sprechen. Die Diskussion des Begriffs der Übergangsamplitude im letzten Abschnitt einschliesslich 3 Beschränktheit ist daher gleichbedeutend mit Stetigkeit. 38 des dort angegebenen Beispiels rechtfertigt das folgende Postulat 2 (Projektionspostulat): Durch Messung der Observablen Ô im Zustand ψ wird dieser in einen Eigenzustand ψλ von Ô zum gemessenen Eigenwert λ übergeführt. Sei Ô eine Observable mit Eigenwerten λn und einem vollständigen ONS {ψn } von Eigenzuständen. Dann folgt aus den Postulaten 1 und 2 und aus der Bedeutung der Übergangswahrscheinlichkeiten das statistische Mittel der Messwerte oder kurz der Erwartungswert der Observablen Ô in einem allgemeinen Zustand ψ: X X |hψ | ψn i|2 λn = hψ | ψn iλn hψn | ψi = hψ | Ô | ψi. (4.2) hÔiψ = n n Hier wurde die Diagonalisierung des Operators Ô verwendet: X Ôψ = λn ψn hψn | ψi, (4.3) n die aus der Vollständigkeit und Orthonormalität des Systems {ψn } folgt. 4.3 Schwankung und Vertauschungsrelationen von Observablen Wenn ψ kein Eigenzustand von Ô ist, dann werden die einzelnen Messwerte von Ô im Zustand ψ um den Erwartungswert streuen. Ein Maß für disese Streuung ist die mittlere quadratische Abweichung einer Serie von Messwerten λ1 , . . . , λn vom Erwartungswert λ (auch Varianz genannt): n 2 1X 2 σ = λi − λ (4.4) n i=1 Die Wurzel daraus, σ, heißt Standardabweichung. Jeder Summand in 4.4 ist ein Messergebnis des Operators (O − hOiψ )2 ≡ O 2 Wir nennen O den mit O und ψ assoziierten Schwankungsoperator (wir schreiben ab jetzt O statt Ô, weil keine Verwechslungsgefahr mit klassischen Observablen besteht). Offenbar gilt (für n → ∞) 2 σ 2 = hO i = hO2 − 2OhOi + hOi2 i = hO2 i − hOi2 =: (∆O)2 39 Die letzte Gleichung definiert die Schwankung oder Unschärfe der Observablen O im Zustand ψ: q ∆ψ O = hO2 iψ − hOi2ψ (4.5) Offenbar verschwindet die Schwankung genau dann, wenn ψ Eigenzustand von O ist (Oψ = λψ ⇒ O2 ψ = λ2 ψ ⇒ hO2 iψ = λ2 = hOi2ψ ). Eine interessante Aussage lässt sich über das Produkt der Unschärfen zweier Operatoren A, B herleiten. Wir haben zu beachten, dass i. a. AB 6= BA ist und definieren den Kommutator zweier Operatoren durch: [A, B] = AB − BA. (4.6) Zum Beispiel ist: ~ ∂ ~ ∂ − xj = i~δjk . i ∂xk i ∂xk Dies sind die sogenannten kanonischen Vertauschungsrelationen. [x̂j , p̂k ] = xj (4.7) Satz (Unschärferelation) Seien A und B Observable. Dann gilt für alle Zustände ∆A∆B ≥ 1 |h[A, B]i| 2 (4.8) Beweis: A B − B A = (A − hAi) (B − hBi) − (B − hBi) (A − hAi) = AB − BA ≡ iC, C selbstadjungiert (da [A, B]† = (AB − BA)† = B † A† − A† B † = BA − AB = − [A, B], ist iC selbstadjungiert). Offenbar gilt 0 ≤ h A − iλB A + iλB i ∀λ ∈ R (weil hψ, O† Oψi = hOψ, Oψi ≥ 0). Betrachten den Fall der Gleichheit: 2 2 0 = λ2 hB i + iλhA B − B Ai + hA i ⇒ λ± = reell z}|{ q 2 2 hCi ± hCi2 − 4hA ihB i 2 2 hB i |{z} reell 40 Wären λ+ ,λ− reell und verschieden, wäre die in λ quadratische Funktion h A − iλB A + iλB i < 0 für gewisse λ (nämlich entweder λ ∈ (λ− , λ+ ) oder λ∈ / (λ− , λ+ )), ein Widerspruch zur Positivität. Also ist λ+ = λ− oder λ+ = λ∗− komplex. 2 2 ⇒ hCi2 − 4hA ihB i ≤ 0 1 2 2 ⇒ hA ihB i ≥ hCi2 , 4 wie zu zeigen war. Zum Beispiel: A = x̂, B = p̂ (1-dimensional) ⇒ [x̂, p̂] = i~ ⇒ ∆x̂∆p̂ ≥ ~ 2 Wir haben damit auch die klassische Unschärferelation bewiesen. Energie-Zeit-Unschärfe Die klassische Unschärferelation betreffend Zeit und Frequenz hat kein direktes Gegenstück in der nichtrelativistischen Quantenmechanik, weil zwar die mit der Frequenz verwandte Energie, nicht jedoch die Zeit eine Observable ist. Die Zeit ist nur ein klassischer Parameter und unterliegt als solcher keiner Unschärfe (fassen wir Zustände als Vektoren auf, die im Hilbertraum wandern, dann entspricht die Multiplikation mit t als Operator im abstrakten Hilbertraum der Multiplikation mit einer Konstanten, d.h. einer Vielfachen der Einheit). In der Praxis haben wir jedoch keinen unmittelbaren Zugriff auf diesen Parameter (der möglicherweise im fundamentalen Sinne gar nicht existiert), sondern messen die Zeit über die Änderung von Observablen, die mehr oder weniger als Uhr“ geeignet sind. Über solche Observable lässt sich in der Quantenmechanik in der ” Tat eine nichttriviale Zeitunschärfe definieren. Dazu betrachten wir die Zeitentwicklung des Erwartungswerts einer Observablen O, der i.a. ein zeitabhängiger Operator im Hilˆ ˆ bertraum entspricht, in hinreichender Allgemeinheit von der Form O = O t,~x,~p , was die unmittelbare Analogie zu klassischen Observablen als Funktionen auf dem Phasenraum herstellt. Wir haben d d hOi = hψ | O | ψi dt dt = hψ̇ | O | ψi + hψ | Ȯ | ψi + hψ | O | ψ̇i Mit ψ̇ = − ~i Hψ folgt d i ∂ hOi = h[H, O]i + h Oi dt ~ ∂t 41 Hängt O nicht explizit von der Zeit ab, dann folgt aus der Unschärferelation ~ d ∆H∆O ≥ hOi 2 dt oder ∆O ~ ≥ . ∆H 2 d hOi dt | {z } ∆t Wir haben ∆t hier als die Unschärfe der mittels O gemessenen Zeit eingeführt. Wird also die Zeit über die Änderung einer Observablen gemessen, erhalten wir in der Tat eine Energie-Zeit-Unschärferelation vom erwarteten Typ, die sogar für alle Observablen gilt. 4.4 Unitäre Äquivalenz und Dirac-Notation Ein Operator U in einem Hilbertraum H heißt unitär, wenn U † = U −1 , d.h. U † U = U U † = 1 (beide Gleichungen sind erforderlich, weil in unendlich vielen Dimensionen ein Linksinverses nicht automatisch auch Rechtsinverses ist). Ein unitärer Operator erhält das innere Produkt : hU φ | U ψi = hU † U φ | ψi = hφ | ψi. Diese Definition lässt sich einfach auf den Fall eines Operators U: H1 → H2 zwischen 2 Hilberträumen verallgemeinern. Offenbar ändert sich nichts an den Vorhersagen der Quantenmechanik, wenn jeder Zustand ψ durch ψ 0 = U ψ und jede Observable O durch O0 = U OU −1 ersetzt wird (es gilt nämlich Oψ = λψ ⇒ O0 ψ 0 = λψ 0 und hψ | O | ψi = hψ 0 | O0 | ψ 0 i). Derselbe physikalische Zustand und dieselbe physikalische Observable können also auf verschiedene, unitär äquivalente“ Weisen dargestellt werden. Zum Beispiel definiert die Fouriertrans” formation einen unitären Operator F : L2 (R3 ) → L2 (R3 ) durch f (~x) → (F f ) ~k ≡ f˜ ~k (die Bezeichnung der Argumente von f und f˜ ist für die hier allein interessierenden Eigenschaften von Funktionen auf dem R3 belanglos). ψ̃ t, ~k (die Fouriertransformierte der Funktion ψ (t, ~x)) ist daher eine äquivalente Darstellung des Zustands, den die Wellenfunktion ψ (t, ~x) im Ortsraum beschreibt. Man nennt φ (t, p~) := ψ̃ t, ~p~ die Wellenfunktion im Impulsraum. 42 Dieselbe Observable wird im Raum der ψ’s und φ’s jeweils verschieden durch einen Operator dargestellt. Man nennt diese Darstellungen die Orts- bzw. Impulsdarstellung. Neben diesen beiden in der Quantenmechanik gebräuchlichsten Darstellungen gibt es aber im Prinzip unendlich viele weitere und ebenfalls unitär äquivalente. Um den Blick auf das Wesentliche zu konzentrieren, ist eine darstellungsunabhängige Notation vortheilhaft. Wir bezeichnen daher mit | ψ (t)i den abstrakten (zeitabhängigen) Zustandsvektor, der konkret z.B. durch die Wellenfunktion ψ (t, ~x) oder φ (t, p~) dargestellt wird. Diese Darstellung entspricht in der linearen Algebra der Darstellung eines abstrakten Vektors durch seine Komponenten in einer Orthonormalbasis. Wenn nur ein einziger Zeitpunkt betrachtet wird, wird das Argument t auch oft weggelassen und einfach | ψi geschrieben (bezeichnet einen allgemeinen momentanen“ Zu” stand). Das innere Produkt hφ | ψi kann auch als die Anwendung eines stetigen linearen Funktionals hφ | : | ψi → hφ | ψi aufgefasst werden 4 . Der Raum aller stetigen linearen Funktionale auf H ist der Dualraum H∗ (er ist selbst ein Hilbertraum, und es gilt H∗∗ = H). Man nennt die Abbildung | φi → hφ | hermitische Konjugation, notiert als hφ |=| φi† . Sie ist konjugiert linear, d.h. hλφ |= λ∗ hφ |. In der linearen Algebra wird hermitische Konjugation oft durch den Übergang vom Spaltenvektor | φi auf den Zeilenvektor hφ | dargestellt, der aus | φi durch Transposition und Komplexkonjugation hervorgeht. Nach Dirac wird ein abstrakter Zustandsvektor | ψi als ket“ und ein ” abstrakter konjugierter Zustandsvektor (Kovektor) als bra“ bezeichnet. Konsequenter” weise notiert man das Matrixelement hφ | Oψi darstellungsunabhängig als hφ | O | ψi. Besonders einfache Observable sind Projektionsoperatoren, kurz Projektoren. Ein 1dimensionaler (orthogonaler) Projektor ist definiert durch die Abbildung Pφ : | ψi → | φihφ | ψi ∀ψ, (4.9) wobei | φi ein normierter Zustandsvektor ist. Das lässt sich kurz notieren als Pφ =| φihφ | (dabei handelt es sich eigentlich um ein Tensorprodukt des Vektors | φi mit seinem hermitisch Konjugierten). Man verifiziert auch in dieser Notation, dass Pφ† = Pφ und Pφ2 = Pφ (weil hφ | φi = 1). Bemerkenswert ist, dass hψ | Pφ | ψi = |hψ | φi|2 die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen | ψi und | φi ist. Pφ ist also genau die Observable, die dem in 4.1 besprochenen Test bezüglich des Zustands φ“ entspricht. Entsprechend den beiden möglichen ” Ausgängen des Tests hat Pφ die Eigenwerte 0 und 1. Jeder selbstadjungierte Operator O mit diskretem Spektrum lässt sich als X O= λn | ψn ihψn | (4.10) n 4 Der Darstellungssatz von Rieß besagt, dass jedes stetige Funktional auf H so dargestellt werden kann. 43 (vgl. Gleichung (4.3)) mit den Eigenwerten λn und orthonormierten Eigenzuständen | ψn i darstellen. Diese aus der linearen Algebra geläufige Diagonalisierung von O ist eine vereinfachte Version des Spektralsatzes der Funktionalanalysis, auf dessen allgemeine Form wir hier nicht eingehen. Die Eigenzustände | ψn i erfüllen wie jedes vollständige ONS die Vollständigkeitsrelation X | ψn ihψn |= I. (4.11) n Die Spektraldarstellung (4.10) eines selbstadjungierten Operators ist die Grundlage des Funktionalkalküls für selbstadjungierte Operatoren: Für jede Funktion f : R → C lässt sich eine entsprechende Operatorfunktion f (O) definieren durch X f (O) = f (λn ) | ψn ihψn | . (4.12) n Während griechische Buchstaben wie φ oder ψ meist einen allgemeinen Zustandsvektor bezeichnen, wird ein gemeinsamer Eigenzustand von Observablen A, B, . . . zu Eigenwerten α, β, . . . oft abstrakt durch | α, β, . . .i notiert. Zum Beispiel steht das Symbol | p~i für den idealisierten Eigenzustand des Impulsoperators p~ˆ, der im Ortsraum durch eine ebene Welle dargestellt wird. Gebräuchlich ist auch die Unterscheidung von Zuständen durch einfache Nummerierung, also die Notation | 1i, | 2i usw. . 4.5 Zeitentwicklung Die abstrakte Version der Schrödingergleichung lautet i~ d | ψ (t)i = H | ψ (t)i. dt (4.13) Unter der Voraussetzung, dass der Hamiltonoperator H nicht von der Zeit abhängt, hat sie die formale Lösung i | ψ (t)i = e ~ Ht | ψ (0)i.5 (4.14) Aus der Selbstadjungiertheit von H folgt formal die Unitarität des Operators U (t) = i e− ~ Ht . Ebenso folgt U (t1 ) U (t2 ) = U (t1 + t2 ), d.h. die Zeitentwicklung wird beschrieben durch eine 1-parametrige Gruppe von unitären Operatoren. Dass diese Folgerungen nicht nur formal gelten, ist die Aussage des Satzes von Stone: Jeder selbstadjungierte Operator A erzeugt eine (stark) stetige 1-parametrige Gruppe von unitären Operatoren U (t) = eiAt , und jede derartige Gruppe lässt sich auf diese Weise durch einen s. 5 Auch ohne Funktionalkalkül ist die Exponentialfunktion eines beliebigen Operators durch die Taylorreihe definiert. 44 a. Operator A darstellen. Man nennt A den erzeugenden Operator der 1-parametrigen Gruppe. Der Hamiltonoperator ist also der erzeugende Operator der Zeitentwicklung in der Quantenmechanik. Eigenzustände von H heißen stationär. Sie haben eine besonders einfache Zeitentwicklung: | ψ (t)i = e−iωt | ψ (0)i mit ω = E~ . Das impliziert die zeitliche Konstanz der Wahrscheinlichkeitsdichte in jeder Darstellung von | ψi durch eine Funktion sowie die zeitliche Konstanz der Erwartungswerte aller nicht explizit zeitabhängigen Observablen. Wir haben bereits bemerkt, dass analog zur klassischen Mechanik in der Quantenmechanik die Geschichte“ eines Systems bereits durch Vorgabe eines Anfangsdatums | ψ (0)i ” für den zeitabhängigen Zustandsvektor | ψ (t)i festgelegt ist. In der Tat kann man die Geschichte eines Systems auch durch einen zeitunabhängigen Zustandsvektor beschreiben und die Zeitentwicklung auf die Observablen überwälzen. Wie das geht, lesen wir aus folgender Darstellung des Erwartungswertes einer Observablen O im Zustand ψ (t)i i i ab. Der mit dem ket | ψ (t)i = e− ~ Ht | ψ (0)i assoziierte bra ist hψ (t) |= hψ (0) | e ~ Ht , daher i i hψ (t) | O | ψ (t)i = hψ (0) | e ~ Ht Oe− ~ Ht | ψ (0)i ≡ hψ | O (t) | ψi. (4.15) Im letzten Schritt haben wir definiert: i i O (t) = e ~ Ht O (0) e− ~ Ht , O (0) ≡ O, (4.16) und das Argument von ψ weggelassen, weil es nicht mehr geändert werden muss: Die durch die Gleichung (4.16) beschriebene Zeitentwicklung von Observablen liefert zusammen mit (4.15) eine zur ursprünglichen völlig äquivalente Beschreibung all dessen, was die Quantenmechanik über ein System aussagen kann. Man nennt die ursprüngliche Beschreibung das Schrödingerbild“ der Quantenmechanik und die eben gewonnene das ” Heisenbergbild“. Auch im Heisenbergbild lässt sich die Zeitentwicklung auf eine Diffe” rentialgleichung zurückführen, nämlich auf eine solche für Observable statt für Zustände. Aus (4.16) folgt i dO (t) = [H, O (t)] . (4.17) dt ~ Diese Heisenbergsche Bewegungsgleichung ist das quantenmechanische Analogon der Bewegungsgleichung der klassischen Hamiltonschen Mechanik dO = {O, H}, dt wo {·, ·} die Poissonklammer bedeutet. Diese Gleichung setzt allerdings voraus, dass O nur von den kanonischen Variablen xi , pj und nicht explizit von der Zeit abhängt. Dieselbe Einschränkung gilt auch für (4.17). Hängt O explizit von der Zeit ab 6 , dann 6 d.h. Ô (t) = F ~qˆ (t) , p~ˆ (t) , t 45 ist die Heisenbergsche Bewegungsgleichung auf dO i ∂O = [H, O] + dt ~ ∂t zu verallgemeinern. Eine wichtige Konsequenz der Heisenbergschen Bewegungsgleichung ist, dass eine Observable, die mit H vertauscht und nicht explizit von der Zeit abhängt, eine Erhaltungsgröße ist. ˆ2 ˆ , erhalten wir wegen Setzen wir in der Heisenberg-Gleichung O = x̂i , H = ~p2m + V ~x der kanonischen Vertauschungsrelationen (Gleichung (4.7)): 1 dx̂i = p̂i dt m dP̂i ∂V =− dt ∂xi 2 d x̂i ∂V ⇒m 2 =− dt ∂xi ~xˆ ~xˆ . Dies ist formal identisch mit der klassischen Bewegungsgleichung. Die triviale Konsequenz für den Erwartungswert dieser Gleichung d2 ∂V ˆ m 2 hx̂i i = − ~x dt ∂xi D E D E ist historisch als Ehrenfest-Theorem bekannt. Man beachte, dass V ~xˆ 6= V ~xˆ , d. h. der Erwartungswert einer Funktion ist i. a. verschieden von der Funktion der Erwartungswerte. Man darf also in der Bewegungsgleichung nicht einfach die klassischen kanonischen Variablen durch ihre Erwartungswerte ersetzen. Die Ausnahmefälle, in denen das möglich ist, werden als semiklassisches Verhalten eines Systems bezeichnet. Natürlich haben auch Schrödinger- und Heisenbergbild klassische Vorgänger: Das Schrödingerbild entspricht der Beschreibung der Systemgeschichte durch einen Punkt, der im Phasenraum wandert, das Heisenbergbild der Darstellung der Geschichte durch einen festen Punkt, während die Funktionen auf dem Phasenraum, die Observable beschreiben, eine zusätzliche Zeitabhängigkeit bekommen (insbesondere ist im letzteren Fall zwischen den Phasenraumkoordinaten (~x0 , p~0 ) des Systems und den Observablen ~x (t), p~ (t) als Funktionen auf dem Phasenraum zu unterscheiden). Trotz der Äquivalenz von Schrödinger- und Heisenbergbild erscheint letzteres natürlicher. Es lässt sich nämlich zu einer rein algebraischen Beschreibung quantenmechanischer Systeme verallgemeinern. Dies geschieht durch die Festlegung der Algebra der ” 46 Observablen“ unter Verwendung von Vertauschungsrelationen. Zustände lassen sich abstrakt als (positiv normierte) lineare Funktionale auf der Observablenalgebra einführen. Die Konstruktion eines Hilbertraums ist sekundär und kommt erst dann zum Zug, wenn man nach einer Darstellung der abstrakten Algebraelemente durch Operatoren sucht. Im Fall eines Punktteilchens ist die Observablenalgebra bereits durch die kanonischen Vertauschungsrelationen [x̂i , p̂j ] = i~δij bestimmt. Der Satz von Stone-von Neumann besagt, dass es bis auf Unitäräquivalenz nur eine Darstellung dieser Vertauschungsrelationen gibt. Es gibt also im Wesentlichen nur eine Hilbertraumdarstellung, z. B. die Ortsdarstellung basierend auf Wellenfunktionen. Dasselbe gilt allgemein für Systeme mit endlich vielen Freiheitsgraden, aber nicht mehr im Fall unendlich vieler Freiheitsgrade. 47 Kapitel 5 Eindimensionale Quantensysteme i Wir interessieren uns vorwiegend für stationäre Lösungen ψ(t, ~x) = e− ~ Et ϕ(~x) der Schrödingergleichung. Offenbar erfüllt eine solche die zeitunabhängige Schrödingergleichung H ϕ(~x) = E ϕ(~x) Als Eigenwert eines selbstadjungierten Operators ist die Energie E reell. Für ein struk~2 ∆ + V ein reeller Operator. turloses Teilchen im äußeren Potential V(~x) ist H = − 2m Daher ist auch die allgemeine Lösung ϕ(~x) der zeitunabh. Schrödingergleichung bis auf einen konstanten Phasenfaktor, den wir ohne physikalische Konsequenzen gleich 1 setzen können, eine reelle Funktion. In diesem Kapitel betrachten wir Teilchen in nur einer Raumdimension mit ~2 d2 H = − 2m + V(x). Ist das Potential symmetrisch, V(x) = V(−x), dann hat die dx2 zeitunabh. Schrödingergleichung eine Basis von Lösungen, die nur aus geraden und ungeraden Funktionen besteht. Das folgt aus der Tatsache, dass der Paritätsoperator P : ϕ(x) 7−→ ϕ(−x) mit H vertauscht. 5.1 Der unendlich tiefe Potentialtopf ( 0 ∀x ∈ [0, L] Sei V(x) = ∞ sonst Klassisch kann sich ein Teilchen nur im Inneren des Topfes“ (0 < x < L) aufhalten. Dort ” ist seine Bewegung kräftefrei, an den Potentialwänden wird es reflektiert.1 Übereinstimmend damit folgt in der Quantenmechanik aus der zeitunabh. Schrödingergleichung das Verschwinden der Wellenfunktion außerhalb des Topfes. Die Ortswellenfunktion ϕ(x) 1 Das ist leicht einzusehen, wenn man die Potentialwände als Grenzfälle solcher mit endlichem Anstieg betrachtet. 48 muss stetig sein, weil andernfalls bereits ihre erste Ableitung singulär wäre und nicht erst die zweite, wie aus der zeitunabh. Schrödingergleichung folgt. Aus den beiden Bemerkungen folgen die Randbedingungen ϕ(0) = ϕ(L) = 0. Diese sind bei der Lösung der zeitunabh. Schrödingergleichung. − ~2 d2 ϕ(x) = E ϕ(x) 2m dx2 √ zu berücksichtigen. Mit k ≡ 2m E ~ f. 0 ≤ x ≤ L (5.1) wird (5.1) zu d2 ϕ(x) = −k 2 ϕ(x) dx2 Die allgemeine Lösung dieser Gleichung, ϕ(x) = a sin kx + b cos kx erfüllt die Rand, n ∈ N. 2 Daher sind nur die diskreten bedingungen nur, wenn b = 0 und k = nπ L Eigenwerte n2 π 2 ~ 2 En = (5.2) 2mL2 möglich, d. h. die Energie ist gequantelt“. Generell ist die Diskretheit des Spektrums ” von H unter Randbedingungen (allgemeiner: Abfallbedingungen) der tiefere Grund der Bohr-Sommerfeldschen Quantenhypothese aus 2.3. Die normierten Wellenfunktionen q 2 sin nπ x, 0 ≤ x ≤ L, bilden gemäß der allgemeinen Theorie eine ONB ϕn (x) = L L 2 für den Raum L ([0, L]). Der Zustand tiefster Energie E heißt Grundzustand, die stationären Zustände mit n > 1 heißen angeregte Zustände. Alle Zustände sind gebunden. Die Wellenfunktionen ϕn mit n ungerade sind symmetrisch bezüglich der Mitte des Topfes, mit n gerade antisymmetrisch. Außerdem hat ϕn n − 1 Nullstellen im Inneren des Topfes. Insbesondere ist die Grundzustandswellenfunktion ϕ1 symmetrisch und hat keine Nullstellen. Wir werden sehen, dass dies ein allgemeiner Sachverhalt ist. 5.2 Der endlich tiefe Potentialtopf ( −V0 Sei V(x) = 0 ∀|x| ≤ L ∀|x| > L Klassische Teilchen mit Energie im Bereich −V0 ≤ E < 0 können den Topf nicht verlassen. Wir erwarten daher in diesem Energiebereich das Auftreten gebundener Zustände in der Quantenmechanik. Klassische Teilchen mit Energie E ≥ 0 sind räumlich nicht eingeschränkt. Die entsprechenden Zustände der Quantenmechanik heißen Streuzustände. Für die Lösung der zeitunabh. Schrödingergleichung teilen wir den eindimensionalen Raum 2 vgl. die Hauptmoden im Hohlraum aus 2.1 49 in 3 Bereiche: I II III x < −L |x| ≤ L x>L 5.2.1 Gebundene Zustände Bereich I (x < −L) Da hier V(x) = 0, gilt die freie Schrödingergleichung − oder, mit κ := 1 ~ √ ~2 d2 ϕ(x) = Eϕ(x) 2m dx2 (5.3) −2mE > 0 (weil E > 0), d2 ϕ(x) = κ2 ϕ(x) 2 dx Diese Gleichung hat die allgemeine Lösung ϕ(x) = Ae−κx + Beκx Falls A 6= 0, wächst ψ für x → −∞ exponentiell und ist daher nicht normierbar. Ein solches ψ kommt auch als Beschreibung eines idealisierten Zustand nicht in Frage, weil es unmöglich ist, durch (kontinuierliche) Superposition solcher Funktionen ein lokalisiertes Wellenpaket zu konstruieren. Die Lösungen mit A 6= 0 sind daher unphysikalisch und wir schließen, dass ϕ(x) = Beκx in I. Bereich II (|x| ≤ L) Hier ist V(x) = −V0 und die zeitunabh. Schrödingergleichung lautet ~2 d2 − V0 ϕ(x) = Eϕ(x) − 2m dx2 p oder, mit q := ~1 2m (E + V0 ) > 0, d2 ϕ(x) = −q 2 ϕ(x) dx2 Die allgemeine Lösung ist ϕ(x) = C sin qx + D cos qx in II. 50 (5.4) Bereich III (x > L) Wegen V(x) = 0 ist die zeitunabh. Schrödingergleichung hier identisch mit (5.3) und hat die allgemeine Lösung ϕ(x) = F e−κx + Geκx Wegen des exponentiellen Anstiegs f. x → ∞ muss G verschwinden und wir haben ϕ(x) = F e−κx in III. Zusammenfassung −κx in I Be ϕ(x) = C sin qx + D cos qx in II −κx Fe in III (5.5) Im Gegensatz zur klassischen Mechanik hat in der Quantenmechanik ein Teilchen mit E < 0 eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit in den klassisch verbotenen Regionen I und III. Die Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ(x)|2 fällt in diesen allerdings exponentiell ab. ~ 1 = 2√−2mE (identifiziert man Dieser Abfall ist charakterisiert durch die Eindringtiefe 2κ 1 diese mit einer Ortsunschärfe ∆x ≈ 2κ , dann hat die entsprechende Impulsunschärfe √ ~ ∆p ≈ 2∆x = −2mE gerade den Wert, den ein klassisches Teilchen braucht, um die Potentialwand zu überwinden). Wie am Beginn des Kapitels erwähnt, folgt aus der Symmetrie des Potentials V(x) die Existenz einer ONB aus geraden und ungeraden Lösungen der zeitunabh. Schrödingergleichung . Diese sind von der Form κx κx I I Be −Be ϕ(+) (x) = D cos qx ϕ(−) (x) = C sin qx (5.6) II II −κx −κx Be III Be III 2 Wegen der endlichen Tiefe des Potentialtopfs weist ddxϕ2 in x = ±L jeweils einen endlichen Sprung auf. ϕ0 ≡ dϕ muss daher stetig sein und natürlich auch ϕ selbst. Außerdem kann dx ϕ in x = ±L nicht verschwinden, (es müsste dann in ganz I und III verschwinden, die Ableitung von sin und cos in einer Nullstelle ist aber 6= 0, ϕ0 wäre daher unstetig). Daher folgt aus der Stetigkeit von ϕ und ϕ0 auch diejenige der logarithmischen Ableitung d ϕ0 (x) ln ϕ(x) = dx ϕ(x) 51 in x = ±L. Für gerade bzw. ungerade Funktionen genügt es offenbar, diese Bedingung in x = L aufzuerlegen. Für die geraden Lösungen erhalten wir so − D q sin qL B κ e−κL =− D cos qL B e−κL ⇒ q tan qL = κ (5.7) und für die ungeraden analog ⇒ q cot qL = −κ (5.8) Jede dieser Gleichungen ist transzendent und nur für diskrete Werte von E zu erfüllen, stellt also eine Quantelungsbedingung“ für E dar. ” Mit den neuen dimensionslosen Variablen z := qL, Lp 2mV0 ~ r κ z0 2 = ⇒ −1 q z z0 := erhalten wir 2mV0 z02 = ~2 L2 und schließlich durch Einsetzen in (5.7) r z0 2 tan z = − 1. z Diese Gleichung wollen wir nun grafisch lösen, z. B. mit der Wahl z0 = 8: κ2 + q 2 = (5.9) Abbildung 5.1: Grafische Lösung der transzendenten Gleichung (5.9) Damit erhalten wir die 3 Lösungen z1 = 0.8 π2 , z3 = 2.6 π2 , z3 = 4.25 π2 und daraus die p Energieeigenwerte En durch zn = qn L = L~ 2m (En + V0 ). Mit zunehmendem L und V0 wächst auch z0 und wir erhalten mehr gebundene Zustände. Für die ungeraden Wellenfunktionen ist laut (5.8) tan z durch − cot z = tan(z − π2 ) zu ersetzen, was einer einfachen Verschiebung nach rechts des Funktionsgraphen in Abb. 5.1 entspricht. Wir geben die entsprechenden Lösungen z2 , z4 , z6 nicht explizit an, kommen aber später auf ihre qualitativen Eigenschaften zurück. 52 Spezialfälle I. Breiter und tiefer Potentialtopf Für z0 1 rücken die Schnittpunkte in Abb. 5.1 immer näher an die Singularitäten der Tangensfunktion in z = (2k + 1) π2 , k = 0, 1, 2, . . . Daher ist z2k+1 ≈ (2k + 1) π 2 ⇒ L2 (2k + 1)2 π 2 2m (E + V ) ≈ 2k+1 0 ~2 4 ⇒ E2k+1 ≈ −V0 + (2k + 1)2 π 2 2m (2L)2 (5.10) Für die ungeraden Lösungen sind die Singularitäten von cot z in z = 2πk, k = 1, 2, . . . maßgeblich, daher sind die entsprechenden Energieeigenwerte E2k ≈ −V0 + (2k)2 π 2 ~2 . 2m(2L)2 Alle Lösungen lassen sich mit der Formel En ≈ −V0 + n2 π 2 ~2 2m(2L)2 (5.11) zusammenfassen, was mit dem Resultat von Gl. (5.2) für den unendlich tiefen Potentialtopf übereinstimmt, wenn wir berücksichtigen, dass jetzt die Energieskala um −V0 verschoben ist und die Breite des Potentialtpfs 2L statt L ist. II. Enger und flacher Potentialtopf Für z0 < π2 gibt es nur einen gebundenen Zustand und dieser ist gerade, s. Abb. 5.2. Der endliche Potentialtopf in einer Raumdimension hat also immer einen gebundenen Zustand. Hingegen ist das in 3 Raumdimensionen nicht der Fall. 3 Wir haben noch die Konstanten Bn , Cn und Dn in den normierten Energieeigenfunkionen ϕn zu bestimmen. Das soll in einer Übungsaufgabe geschehen. Wir geben hier nur 3 Im Fall sphärischer Symmetrie lässt sich das Problem durch Einführen einer Radialkoordinate r zwar auf ein eindimensionales Problem reduzieren, aber im Gegensatz zu x nimmt r nur positive Werte an. Et die 3-dimensionale Schrödingergleichung für die Wellenfunktion ψ(t, r) = e−i ~ u(r) impliziert eine eindimensionale reduzierte“ Wellenfunktion ru(r). Als Lösung kommt nur ru(r) ∝ sin qr in Frage. ” Diese entspricht also formal der Wellenfunktion ϕ(x), lässt sich aber wegen ihres endlichen Anstiegs in r = 0 nur ungerade zu r < 0 fortsetzen. Daher entspricht der Grundzustand des dreidimensionalen Problems dem ersten angeregten Zustand des eindimensionalen Problems. 53 das Resultat an: Bn = Cn = Dn = √ cos q L κn L n κn √1+κn L e für n ungerade √ für n gerade qn L κn √sin eκn L 1+κn L p κn 1+nL Abbildung 5.2: Grafische Lösung für den kleinen Potentialtopf 5.2.2 Streuzustände Lösen Schrödingergleichung für E > 0: 54 (5.12) Bereich I (x < −L, V(x) < 0) d2 ϕ 2mE = − 2 ϕ = −k 2 ϕ, 2 dx ~ hat die allgemeine Lösung −ikx ikx ϕ(x) = Ae | {z } , | {z } + Be einlauf end Bereich II k2 = k= ref lektiert 2mE ~ 1√ 2mE > 0. ~ (|x| ≤ L, V(x) = −V0 ) Die Lösung ist von derselben Form wie die für gebundene Zustände: 1p 2m (E + V0 ) > 0 ϕ(x) = C sin qx + D cos qx, q = ~ Bereich III (5.13) (5.14) (x > L, V(x) = 0) Dieselbe allgemeine Lösung wie in I: ϕ(x) = eikx} |F {z + transmittiert −ikx |Ge{z } (5.15) von rechts einlauf end Wir nehmen an, dass wir nur eine von x = −∞ einlaufende Welle haben und setzen G = 0. Zusammenfassung ikx −ikx Ae + Be ϕ(x) = C sin qx + D cos qx ikx Fe in I in II in III (5.16) Die Stetigkeit von ϕ und ϕ0 in x = −L und x = L liefert die Bedingungen: ϕ(−L) = Ae−ikL + BeikL = −C sin qL + D cos qL 0 −ikL ikL ϕ (−L) = ik(Ae − Be ) = q(C cos qL + D sin qL) ϕ(L) = C sin qL + D cos qL = F eikL ϕ0 (L) = q(C cos qL − D sin qL) = ikF eikL 55 (5.17a) (5.17b) (5.17c) (5.17d) Zusammen mit der Normierungsbedingung sind das 5 Gleichungen für die 5 Konstanten A, B, C, D, F . Zur Lösung verwenden wir zunächst: 1 cos qL ⇒ q k 2 2 sin qL + cos qL C = sin qL + i cos qL F eikL q | {z } (5.17c) · sin qL + (5.17d) · 1 1 sin qL ⇒ q k 2 2 cos qL + sin qL D = cos qL − i sin qL F eikL q | {z } (5.17c) · cos qL − (5.17d) · 1 Die Resultate für C und D setzen wir nun in (5.17a) und (5.17b) ein, um A und B durch F auszudrücken: k (5.17a) ⇒ Ae−ikL + BeikL = (− sin2 qL − 2i sin qL cos qL + cos2 qL)F eikL q k ⇒ Ae−2ikL + B = cos 2qL − i sin 2qL F (5.18a) q (5.17b) ⇒ ik Ae−ikL − BeikL = ik cos2 qL + 2q sin qL cos qL − ik sin2 qL F eikL k q −2ikL sin 2qL + i cos 2qL F (5.18b) ⇒ Ae − B = −i k q Schließlich liefert (5.18a)-(5.18b) 2B = i ⇒ q k − k q sin 2qL · F B q2 − k2 =i sin 2qL F 2qk Letzteres ist das Verhältnis der Amplituden des reflektierten und des transmittierten Anteils der Wellenfunktion. Um die Reflexions- und Transmissionswahrscheinlichkeit eines Teilchens zu erhalten, müssen wir diese Amplituden durch die Amplitude der einlaufenden Welle dividieren und jeweils das Absolutquadrat bilden. Wir verwenden außerdem: 2 2mV0 1 2 2 2 2 q −k = 4 [2m(E + V0 ) − 2mE] = ~ ~2 und 1 (2m)2 E(E + V0 ). 4 ~ Damit erhalten wir für den Reflexionskoeffizienten R(E) der Welle ( = Reflexionswahrscheinlichkeit eines Teilchens) 4q 2 k 2 = 4 R(E) = |B|2 V02 |F |2 2 = sin (2qL) 6= 0. |A|2 4E(E + V0 ) |A|2 56 (5.19) Im Gegensatz zur klassischen Mechanik wird also ein quantenmechanisches Teilchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit > 0 am Potentialtopf reflektiert, auch wenn E > 0. Analog berechnen wir den Transmissionskoeffizienten |F |2 : |A|2 k q −2ikL + sin 2qL F (5.18a) + (5.18b) ⇒ 2Ae = 2 cos 2qL − i q k −1 k2 + q2 F −2ikL cos 2qL − i =e sin 2qL ⇒ A 2kq −1 |F |2 V02 2 sin 2qL ⇒ T (E) = = 1+ |A|2 4E(E + V0 ) Konsistent mit der Wahrscheinlichkeitsinterpretation gilt T (E) = (5.20) (5.21) (5.22) R(E) + T (E) = 1 Die Abhängigkeit des Transmissionskoeffizienten von der Energie ist in Abb. 5.3 dargestellt. Abbildung 5.3: Transparenz des Potentialtopfs Der Potentialtopf wird transparent, T (E) = 1, wenn 2L p sin 2qL = 0 ⇒ 2m(E + V0 ) = nπ, ~ Die entsprechenden Energiewerte En = n2 π 2 ~2 − V0 2m(2L)2 57 n∈N (5.23) markieren die sogenannten Resonanzen des Potentialtopfs. Sie sind identisch mit den erlaubten Energiewerten des unendlichen Potentialtopfs.4 Die Transmissionsminima sind bestimmt durch 2L p π sin 2qL = ±1 ⇒ 2m(E + V0 ) = (2n + 1) . ~ 2 Die Resonanzen sind umso ausgeprägter, d. h. die Minima umso tiefer, je tiefer der Potentialtopf ist. Wir studieren noch den Transmissionskoeffizienten in der Nähe der Resonanzfrequenzen. Dazu betrachten wir wieder die Transmissionsamplitude (5.21) und entwickeln den Nenner in eine Taylorreihe um die Resonanzenergien. In den Resonanzen hat er den Wert k2 + q2 cos 2qL − i sin 2qL = cos nπ = ±1 2qk E=ER Für die Taylorentwicklung benötigen wir noch d k2 + q2 cos 2qL − i sin 2qL = dE 2kq E=ER k 2 + q 2 d(2qL) = −i cos | {znπ} 2kq dE E=ER ±1 2 2 k + q d(2qL) 2 = ±i =: ∓i . 2kq dE Γ E=ER Unter Vernachlässigung höherer Terme der Taylorentwicklung lautet der Nenner also 2 2 Γ ±1 ∓ i (E − ER ) + . . . ≈ ± ∓ i(E − ER ) . Γ Γ 2 2 Verwenden wir nun diesen Nenner zur Berechnung von FA , erhalten wir in der Nähe der Resonanzen 2 T (E) = Γ 4 (E − ER )2 + Γ2 4 (5.24) Das ist die sogenannte Breit-Wigner-Verteilung (auch als Lorentz-Verteilung oder CauchyVerteilung bekannt), die für Resonanzphänomene typisch ist.5 Γ hat die Bedeutung der vollen Breite der Resonanzukurve bei halbem Maximalwert (FWHM = full width at half maximum) wie in Abbildung 5.4 dargestellt. 4 weil die mathematische Bedingung für destruktive Interferenz der an den beiden Potentialwänden reflektierten Teilwellen dieselbe ist. 5 Weitere Beispiele sind die Resonanz des getriebenen harmonischen Oszillators, Resonanzstreuung von elektromagnetischen Wellen und die Erzeugung instabiler Teilchen bei Streuprozessen in der Teilchenphysik. 58 Abbildung 5.4: Die Breit-Wigner-Verteilung τ = Γ~ ist die sogenannte Zerfallszeit der Resonanz, d. h. die charakteristische Zeit des Zerfließens eines Wellenpakets, das das Resonanzphänomen zeigt.6 Eine experimentelle Bestätigung der Transmissionsresonanz ist der Ramsauer-Townsend-Effekt, der bei der Streuung langsamer Elektronen an Edelgasatomen (z. B. Ne, Ar, Xe) beobachtet wird: Der Streuquerschnitt eines Gasatoms für die Elektronen, der klassisch mit steigender Energie monoton fallen sollte 7 , weist tatsächlich bei E ≈ 1eV ein tiefes Minimum auf. 5.3 Der Tunneleffekt 5.3.1 Endliche rechteckige Potentialschwelle ( V0 Sei V (x) = 0 für |x| ≤ L für |x| > L Ein von links einlaufendes Teilchen mit der Energie E > V0 wird klassisch in x = −L reflektiert, quantenmechanisch setzt sich aber die Wellenfunktion wegen der Stetigkeit 6 Ein solches Wellenpaket muss eine Energieunschärfe ∆E ≈ Γ aufweisen: Einerseits soll es möglichst lokalisiert sein, also ∆E möglichst groß, andererseits dürfen nur Energien in einem Band der Breite ≈ Γ um ER beitragen. 7 Schnelle Elektronen werden im Feld innerhalb des Atoms weniger abgelenkt als langsame. 59 im klassisch verbotenen Bereich II exponentiell abfallend fort und verschwindet auch in III nicht, wo sie wieder oszilliert. Das Teilchen überwindet also die Schwelle mit Wahrscheinlichkeit > 0, was als Tunneln“ bezeichnet wird. ” Abbildung 5.5: Potentialschwelle mit tunnelnder“ Wellenfunktion ” Mathematisch gehen die Lösungen der zeitunabhängigen Schrödingergleichung für die Potentialschwelle aus jenen von 5.2.2 durch die Substitution −V0 → +V0 hervor. Wir haben daher für E < V0 Aeikx +Be−ikx I ϕ(x) = (5.25) C̃e−qx +D̃eqx II ikx Fe III mit k = 1√ 2mE > 0 , ~ q= 1p 2m(V0 − E) > 0. ~ Die Lösung geht im Wesentlichen aus jener in 5.2.2 durch analytische Fortsetzung in q → iq hervor. Wir brauchen daher die Koeffizienten nicht erneut zu berechnen 8 , sondern nur jene aus 5.2.2 analytisch fortzusetzen. Insbesondere gewinnen wir die Transmissionsamplitude durch die analytische Fortsetzung sin 2iqL = i sinh 2qL , mit dem Resultat 8 Das soll in einer Übungsaufgabe geschehen. 60 cos 2iqL = cosh 2qL −1 q2 − k2 F −2ikL cos 2qL + i =e sinh 2qL A 2qk Wegen cosh2 x − sinh2 x = 1 folgt daraus der Transmissionskoeffizient " # 2 |F |2 (k 2 + q 2 ) 2 T (E) = = 1+ sinh 2qL 6= 0. |A|2 4k 2 q 2 (5.26) Der Transmissionskoeffizient vereinfacht sich unter der Bedingung qL 1 (breite und/oder tiefe Potentialschwelle): 1 qL 1 ⇒ sinh 2qL ≈ e2qL 2 ⇒T −1 2 (k 2 + q 2 ) e4qL ≈ 1 + 4k 2 q 2 4 {z } | ≈ 16k 2 q 2 −4qL e (k 2 + q 2 )2 1 16E (V0 − E) −4 L √2m(V0 −E) e ~ V02 √ 16E(V0 −E) −4 L 2m(V −E)+ln 0 2 V0 =e ~ = Das Argument des Logarithmus hat einen Wert zwischen 0 und 4. Der Logarithmus ist daher im Vergleich zu −4qL −1 vernachlässigbar, wenn E nicht zu nahe bei 0 oder V0 liegt. Unter dieser Voraussetzung erhalten wir daher T ≈e −4 L ~ √ 2m(V0 −E) . (5.27) Diese Abschätzung lässt sich heuristisch auf den Fall eines allgemeinen Potentialbergs“ ” beschrieben durch eine Funktion V(x) wie in 5.6 verallgemeinern. Wir nähern diese Funktion durch eine Treppenfunktion, verwenden für jede einzelne Stufe (5.27) und erhalten im Limes verschwindender Stufenbreite 2L den Gamow-Faktor T ≈e − ~2 Rx 2 x1 √ dx 61 2m(V(x)−E) . (5.28) Die Integrationsgrenzen x1 und x2 sind durch E bestimmt. Das Integral im Exponenten lässt sich als Z x2 p(x)dx i x1 p schreiben, wobei p(x) = i 2m(V(x) − E) der imaginäre ortsabhängige Impuls eines fiktiven klassischen Teilchens in der verbotenen Zone ist. 9 Abbildung 5.6: Zur Berechnung des Gamow-Faktors im Potential V(x) 5.3.2 Physikalische Beispiele für den Tunneleffekt Tunneln zwischen Leitern Zwei Leiter, die durch eine dünne isolierende Schicht getrennt sind, werden bei Anlegung einer Gleichspannung einen Strom führen, weil Elektronen durch das Hindernis tunneln können. Kondensatoren weisen daher immer ein minimales Leck“ auf. Ersetzt man die ” Leiter durch Supraleiter, fließt der Strom sogar ohne Spannung (Josephson-Effekt). 9 Das Integral ist i mal der zeitunanbhängigen klassischen Wirkung S (Wert des Wirkungsfunktionals berechnet für den fiktiven klassischen Teilchenweg von x1 nach x2 und eine Lösung der HamiltonJacobi-Gleichung). Der Gamow-Faktor folgt daher aus der sogenannten quasiklassischen Näherung i ϕ(x) = e ~ S für die Wellenfunktion. 62 Kalte“ Emission ” Die Bindung von Elektronen in Metallen lässt sich durch ein anziehendes Potential beschreiben. Bei Anlegen eines äußeren Feldes können Elektronen auch ohne Licht- oder Wärmeanregung aus der Metalloberfläche heraustunneln, siehe 5.7. Abbildung 5.7: Kalte Emission von Elektronen α-Zerfall Die Erklärung des Prozesses durch Gamow war historisch die erste Anwendung des Tunneleffekts. In einem Kern sind die Protonen und Neutronen wie in einem Potentialtopf gebunden, weil die Anziehung der starken Wechselwirkung die elektrostatische Abstoßung überwiegt. Die starke Wechselwirkung hat allerdings nur eine Reichweite von r0 ≈ 10−15 m. Außerhalb des Kerns wirkt daher nur das Coulomb-Potential ∝ 1r , siehe Abb. 5.8. Innerhalb eines α-aktiven Kerns können zwei Protonen und zwei Neutronen ein α-Teilchen, d. h. einen 4 He-Kern, bilden. Auf Grund der gewonnenen Bindungsenergie (Massendefekt) und der Energieerhaltung nimmt das α-Teilchen ein höheres Energieniveau im Kern ein, aus dem es durch die Coulomb-Schwelle nach außen tunneln kann. Das in den letzten beiden Beispielen beschriebene Tunneln aus einem anziehenden Potential durch eine klassisch verbotene Zone hindurch wird durch Wellenfunktionen mit komplexer Energie (und daher komplexem asymptotischem Impuls) beschrieben, was zur Folge hat, dass diese zeitlich exponentiell abfallen und räumlich im Unendlichen exponentiell ansteigen. diese Wellenfunktionen fallen daher aus dem üblichen mathematischen Rahmen der Quantenmechanink, sind aber als sogenannte Gamow-Vektoren“ ” in einem entsprechenden Gelfand’schen Raumtripel wohldefiniert. Ihre Existenz ist eng mit dem Phänomen der Resonanzstreuung verknüpft, das in diesen Situationen auftritt (siehe Kapitel 9). 63 Abbildung 5.8: Effektives Potential eines Atomkerns und α-Zerfall 5.4 Der harmonische Oszillator 5.4.1 Energiedarstellung H= 1 1 p2 + mω 2 x2 ≡ p2 + x̄2 2m 2 2m ist klassisch faktorisierbar, da p2 + x̄2 = (x̄ + ip)(x̄ − ip) ⇒ Def: ⇒ ⇒ ⇒ 1 (mωx̂ + ip̂) Vernichtungsoperator“ ” 2mω~ 1 a† := √ (mωx̂ − ip̂) Erzeugungsoperator“ ” 2mω~ r ~ x̂ = (a + a† ) 2mω r mω~ p̂ = −i (a − a† ) 2 [a, a† ] = 1 ~ω † 1 H = (a a + aa† ) = ~ω(a† a + ) 2 2 a := √ 64 (5.29) Def: N := a† a ⇒ [N, a] = −a, N, a† = a† Sei |ni Eigenzustand von N: N|ni = n|ni ⇒Na|ni = (aN − a) |ni = (n − 1)a|ni ⇒ a|ni ∝ |n − 1i Na† |ni = a† N + a† |ni = (n + 1)a† |ni ⇒ a† |ni ∝ |n + 1i N positiv ⇒ ∃|0i mit a|0i = 0 (sonst würde mman durch sukzessives Anwenden von a auf |ni Zustände |mi mit m < 0 erhalten ⇒ Widerspruch zu N ≥ 0). n ⇒ a† |0i ∝ |ni und n = 0, 1, 2, . . . ⇒ hn|aa† |ni = hn|a† a + 1|ni = n + 1 √ (mit einer natürlichen Phasenkonvention) ⇒ a† |ni = n + 1|n + 1i √ hn|a† a|ni = n ⇒ a|ni = n|n − 1i n a† ⇒ |ni = √ |0i n! 1 ⇒ H|ni = ~ω n + |ni ≡ En |ni 2 ⇒ Die Energie ist gequantelt zu En = n + 21 ~ω, der Zustand |ni enthält n Energie” quanten“ ~ω, a vernichtet, a† erzeugt ein Energiequant. Die äquidistanten Eigenwerte bilden eine Energieleiter“, a und a† heißen daher auch ” Leiteroperatoren“, N Besetzungszahloperator. ” Der Grundzustand |0i hat die Nullpunktsenergie“ ” lation für x̂ und p̂: ~ω 2 als Konsequenz der Unschärfere- p̂2 2 2 E0 = h0|H|0i = 0| + mω x̂ |0 2m 1 1 = (∆p)2 + mω 2 (∆x)2 , 2m 2 weil Grundzustand gerade in Orts- und Impulsdarstellung. → Ü : (∆x)n , (∆p)n 65 5.4.2 Ortsdarstellung Grundzustand ϕ0 (x): 0 ~ d 1 mωx + i ϕ0 aϕ0 = √ i dx 2mω~ mω d x+ ϕ0 = 0 ~ dx = ⇒ mω ϕ0 (x) = N0 e− 2~ x r mω 14 ~ , ⇒ ∆x = ⇒ N0 = π~ 2mω ⇒ kϕ0 k = 1 Angeregte Zustände: Mit x0 := q ~ , mω ξ := x 10 x0 2 Gaußfunktion! ist n ξ2 N0 d 1 † n a ϕ0 =√ ξ− e− 2 , ϕn (x) = √ dξ n! 2n n! 1 d 1 x d † weil a = √ mωx − ~ =√ − x0 dx dx 2 x0 2mω~ 1 d ≡ √ ξ− dξ 2 n ξ2 d e− 2 hn := ξ − dξ Hermite-Funktion der Ordnung n offenbar (un)gerade, wenn n (un)gerade: ξ2 hn (ξ) = Hn (ξ)e− 2 Hn . . . 10 Hermite-Polynom n-ter Ordnung Bedeutung von x0 : klassische Maximalauslenkung für Energie E0 : 12 mω 2 x0 2 = 66 ~ω 2 ⇒ x0 2 = ~ mω x2 d d − x2 − e 2 =e 2 −x ist Wegen dx dx n n 2 x2 d 2 d 2 − x2 e x− e− 2 = (−1)n ex e−x und daher n dx dx n 2 n x2 d e−x (Rodrigues-Formel) Hn (x) = (−1) e n dx H0 = 1, H1 = 2x, H2 = 4x2 − 2, H3 = 8x3 − 12x, . . . Z ∞ √ 2 dx Hm (x) Hn (x) e−x = π 2n n! δmn −∞ 5.4.3 Kohärente Zustände Der kohärente Zustand |αi ist definiert durch die Gleichung a|αi = α|αi, α ∈ C. Da a nicht selbstadjungiert ist, sind kohärente Zustände ∀α ∈ C definiert! Insbesondere ist der Grundzustand ein kohärenter Zustand mit α = 0. Ortsdarstellung 1 √ 2 ⇒ x d + x0 x0 dx χα (x) = αχα (x) − χα (x) = Ne x2 + 2x2 0 √ √ 2α xx 0 − = Ne (x− 2 2αx0 ) 2x2 0 Dies ist für reelles α eine Gaußfunktion. Zeitentwicklung im Schrödingerbild Mit Ausnahme von α = 0 sind kohärente Zustände nicht stationär, da [H, a] 6= 0 67 i Ges. : |α, ti = e− ~ Ht |αi i i e|− ~ Ht{zae ~ Ht} |α, ti = α|α, ti ⇒ ≡a(t) ⇒ i i ȧ = − [H, a] = − [~ωa+ a, a] = iωa ~ ~ iωt a(t) = e a ⇒ a|α, ti = e−iωt α|α, ti ⇒ |α, ti = eiϕ |e−iωt αi iω (Für α = 0 wissen wir bereits, dass |0, ti = e− 2 t |0i irrelevante Konstante.) ⇒ ϕ = − ω2 t bis auf eine In der Ortsdarstellung ist also iϕ − iϕ ψα (t, x) = e χe−iωt α (x) = e N(t)e √ 2 ⇒|ψα (t, x)| = − N20 e [x− 2|α| cos (ωt−δ)x0 ] x2 0 2 √ 2αe−iωt x0 (x− ) 2x2 0 2 Hier wurde verwendet, dass |ez |2 = e2Re(z) , und dass N(t)e2|α| mit α = |α|eiδ 2 sin2 (ωt−δ) = N20 sein muss. Bemerkenswert ist, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte eines kohärenten Zustands eine Gaußverteilung konstanter Breite √x02 ist, deren Zentrum die klassische Teilchenbewe√ gung, nämlich eine Schwingung mit Amplitude 2|αx0 |, ausführt. Da der kinetische und der Potentialterm im Hamiltonoperator jeweils quadratisch ist, gilt eine analoge Aussage auch im Impulsraum. Da sowohl im Orts- als auch im Impulsraum die Wahrscheinlichkeitsdichte von |α, ti durch eine Translation aus derjenigen des Grundzustandes hervorgeht, haben ∆x und ∆p für jeden kohärenten Zustand den Wert des Grundzustands und minimieren daher zu allen Zeiten das Unschärfeprodukt ∆x∆p = ~2 . 5.4.4 Relevanz für die Quantenfeldtheorie und Quantenoptik Die Quantenmechanik des harmonischen Oszillators weist prototypisch mathematische Züge auf., die auch in der Quantenfeldtheorie und der Quantenoptikc anzutreffen sind. 68 Ein lineares Feld kann durch die Zerlegung in Hauptmoden (Normalschwingungen) als ein System von unendlich vielen entkoppelten harmonischen Oszillatoren verschiedener Frequenz aufgebaut werden. Die Oszillatorfequenzen sind durch die Wellenzahlen ~k der Hauptmoden bestimmt, die Energiequanten sind also durch ~k zu parametrisieren, was ihnen den Charakter von Teilchen mit Impuls p~ = ~~k gibt. Für die Quantenoptik sind die kohärenten Zustände vorbildlich, ihre Bezeichnung stammt auch daher (obwohl sie auch gut auf das Nichtzerfließen der Wellenpakete passt). Die Einführung der komplexen Amplitude a für den harmonischen Oszillator entspricht der komplexen Feldstärke Ẽ in der Optik. In der Quantentheorie ist die durch a (wie Ẽ) repräsentierte Phaseninformation 11 komplementär zur Teilchenzahl N = a† a (entspricht |Ẽ|2 ), da [N, a] 6= 0. Eigenzustände von a haben maximale Phaseninformation und heißen daher kohärent, während Eigenzustände von N (in der Quantenoptik Zustände mit wohldefinierter Photonenzahl) keine Phaseninformation tragen. Z. B. ist Laserlicht ein kohärenter Zustand und hat daher keine eindeutige Photonenzahl. 11 Die exakte Definition eines Phasenoperators“ ist allerdings problematisch ” 69 Kapitel 6 Drehimpuls und Spin 6.1 Die Drehimpulsalgebra und ihre Darstellungen Analog zur klassischen Mechanik ist der Bahndrehimpuls eines Teilchens in der Quantenmechanik definiert durch die Observable ˆ ˆ ˆ ˆ† † ~ ~ L = ~x × p~ = L , weil (xi pj ) = pj xi = xi pj für i 6= j Die resultierenden Vertauschungsrelaitonen [Li , Lj ] = i ~ ijk Lk ~ ×L ~ = i~L ~ oder L (6.1) entsprechen der Lie-Algebra der Drehgruppe SO(3). In der Quantenmechanik können ~ besitzen, der sich mit L ~ zum Punktteilchen auch einen Eigendrehimpuls oder Spin S Gesamtdrehimpuls J~ des Teilchens addiert: ~ +S ~ J~ = L (6.2) ~ kommutiert mit L ~ und erfüllt die Vertauschungsrelation (6.1), daher erfüllt sie auch J~ S (dasselbe gilt auch für den Drehimpuls eines Systems von mehreren Teilchen). Für die folgenden allgemeinen Überlegungen sind nur die Vertauschungsrelationen (6.1) relevant, nicht der Typ des Drehimpulses. Wir verwenden daher hier das Symbol J~ in diesem allgemeinen Sinn. Aus (6.1) folgt: h i 2 ~ J , Ji = 0 Daher sind z. B. J~2 und J3 gemeinsam diagonalisierbar (sie bilden ein maximales System kommutierender Observablen). Sei |λ, mi ein normierter Eigenvektor, so dass J~2 |λ, mi = ~2 λ|λ, mi, J3 |λ, mi = ~m|λ, mi. 70 Zur Bestimmung der möglichen Werte von λ und m verwenden wir die Operatoren J± + J1 ± iJ2 J~2 = J± J∓ ∓ ~J3 + J3 2 , ⇒ (6.3) [J+ , J] = 2~J3 , [J3 , J± ] = ±~J± . Aus der letzten Relation folgt für beliebiges λ (das wir festhalten und nicht explizit notieren) J3 J+ |mi = (J+ J3 + ~J+ ) |mi = ~(m + 1)J+ |mi, J3 J− |mi = (J− J3 − ~J− ) |mi = ~(m − 1)J− |mi ⇒ J+ |mi ∝ |m + 1i, J− |mi ∝ |m − 1i. J+ bzw. J− erzeugt“ bzw. vernichtet“ also ein Quant ~ der Drehimpulskomponente ” ” J3 . Diese Operatoren werden daher auch als Leiteroperatoren“ bezeichnet (ebenso wie ” die Operatoren a, a† des harmonischen Oszillators). Das Normquadrat der Vektoren J± |mi bestimmt sich mit Hilfe von (6.3) zu Aus J3 2 hλ, m|J∓ J± |λ, mi = ~2 λ ∓ ~2 m − ~2 m2 . √ ≤ J~2 folgt J3 |λ, mi ≤ ~ λ|λ, mi. (6.4) Daraus schließen wir, dass die Eigenwerte von J3 bei festem λ ein Maximum j haben. Offenbar muss dann gelten: J+ |λ, ji = 0 ⇒ kJ+ |λ, jik = 0. Zusammen mit (6.4) impliziert das λ = j(j + 1). (6.5) Wenden wir nun J− wiederholt auf |λ, ji an, so müssen wir nach N Schritten einen Vektor |λ, j 0 i mit J− |λ, j 0 i = 0 erhalten, weil die Eigenwerte von J3 auch ein Minimum haben. Aus kJ− |λ, j 0 ik = 0 und (6.4) folgt λ = j 0 (j 0 − 1). Zusammen mit (6.5) liefert das 2 j 2 + j = j 0 − j 0 oder (j + j 0 ) (j − j 0 + 1) = 0. Als Lösung kommt nur j 0 = −j in Frage. Es ist daher N = 2j und die Eigenwerte von J3 sind ~m mit m = j, j − 1, . . . , −j + 1, −j. Da 2j = N = 0, 1, 2, . . ., ist j entweder ganz- oder halbzahlig. 71 Zusammenfassung Die Eigenwerte von J~2 sind ~2 j(j + 1), j ganz- oder halbzahlig. Der Eigenraum von J~2 zum Eigenwert ~2 j(j + 1) hat die Dimension 2j + 1 und wird aufgespannt von Eigenvektoren von J3 zu den Eigenwerten ~m, m = −j, −j + 1, . . . , j − 1, j. 1 j heißt Drehimpulsquantenzahl, m magnetische Quantenzahl, weil sie oft durch Messung eines magnetischen Moments µ3 ∝ J3 bestimmt wird. 6.2 Bahndrehimpuls ~ 2 = (~x × p~)2 = r2 p~ 2 − (~x · p~)2 L 2 ~2 ~x · p~ L 2 ≡ p~2 − pr 2 ⇒ 2 = p~ − r r Faktorordnung: Ortsdarstellung: nicht selbstadjungiert in [Li , r2 ] = 0 ⇒ ~ ~x ~ ~ ∂ ·∇= ir i ∂r 2 3 3 H = L (R , d x), ? pr = Problem nur in pr in Polarkoordinaten d3 x = r2 sin ϑ dr dϑ dϕ ≡ r2 dΩ, aber in H̃ = L2 (R+ × [−1, 1] × [0, 2π], dr dw dϕ) 3 ψ̃(r, w, ϕ) = rψ (r, arccos w, ϕ) . Offenbar gilt Def. ⇒ |ψ|2 d3 x = |ψ̃|2 dr dw dϕ. ~ ∂ ψ̃ i ∂r ~1 ∂ p̂r ψ = (rψ) . i r ∂r p̂r ψ̃ = Die Ortsdarstellungen in kartesischen und Polarkoordinaten basierend auf H und H̃ sind natürlich unitär äquivalent! Wir bleiben aus Traditionsgründen in H, obwohl für 1 Existieren weitere Observable, die mit J~ 2 und J3 vertauschen, dann sind die Eigenräume von J3 höherdimensional. Aus der Leiterkonstruktion“ folgt aber, dass ihre Dimension immer dieselbe ist. ” Daher ist in diesem Fall der Darstellungsaum eine direkte Summe der eben diskutierten irredu” ziblen“ Darstellungsräume. 72 sphärisch symmetrische Probleme das Rechnen in H̃ einfacher ist. Wir haben 2 2 ∂ 2 ∂ 21 ∂ 2 21 ∂ 1 ∂ 2 p̂r = −~ r r = −~ r = −~ + r ∂r r ∂r r ∂r2 ∂r2 r ∂r | {z } Radialanteil von 4 ⇒ ~ 2 = −r2 ~2 L ∂2 2 ∂ 4− 2 − ∂r r ∂r | {z } 2 = −~ ∂2 1 ∂2 ∂ + + cot ϑ ∂ϑ2 ∂ϑ sin2 ϑ ∂ϕ2 . winkelabh. Anteil d. Laplace−Operators Außerdem ist leicht zu verifizieren, dass L3 = ~ ∂ . i ∂ϕ Somit muss die Darstellung Ylm (ϑ, ϕ) des Zustands |l, mi folgende partielle Differentialgleichungen erfüllen: 1 ∂ ∂ 1 ∂2 sin ϑ + Ylm = −l(l + 1)Ylm , (6.6a) sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ sin2 ϑ ∂ϕ2 ∂ Ylm = imYlm . (6.6b) ∂ϕ Die Stetigkeit der Wellenfunktion in ϕ = 0 erfordert, dass m ganzzahlig ist. Für die Lösung dieser Gleichungen können wir ansetzen: Ylm (ϑ, ϕ) = P (cos ϑ)eimϕ und reduzieren damit das Problem auf die Gleichung d d m2 2 1−w + l(l − 1) − P (w) = 0, dw dw 1 − w2 (6.7) bekannt als die Legendre’sche Differentialgleichung. Falls m = 0, hat sie als nichtsinguläre Lösung das l-te Legendre-Polynom mit der Rodrigues-Darstellung Pl (w) = l 1 dl 2 w − 1 2l l! dwl ⇒ P0 = 1, P1 = w, P2 = 1 3w2 − 1 , . . . 2 Es ist einfach zu verifizieren, dass die allgemeine Legendregleichung (6.7) gelöst wird durch die sogenannte assoziierte Legendre-Funktion 2 Pl m (w) = (−1)m 1 − w2 2 |m| d|m| 2 Pl (w). dw|m| Diese ist die einzige nichtsinguläre Lösung für ganzzahliges l, für nicht ganzzahliges l sind alle Lösungen singulär. 73 Die Normierung von Ylm ist bestimmt durch die Orthogonalitätsrelation der LegendrePolynome Z 1 2 Pk (w) Pl (w) = δkl . 2l + 1 −1 Sie führt auf die Definition der Kugel(flächen)funktionen s Ylm (ϑ, ϕ) = 2l + 1 (l − |m|)! m Pl (cos ϑ)eimϕ 4π (l + |m|)! (6.8) Gemäß der allgemeinen Theorie bilden sie ein vollständiges Orthonormalsystem, d. h. Z dΩ Ylm ∗ (ϑ, ϕ)Yl0 m0 (ϑ, ϕ) = δll0 δmm0 und ∞ X l X l=0 m=−l Ylm (ϑ, ϕ) Ylm (ϑ0 , ϕ0 ) = δ(cos ϑ − cos ϑ0 ) δ(ϕ − ϕ0 ) {z } | 1 δ(ϑ−ϑ0 ) sin ϑ (vgl. Gleichung (4.11), die rechte Seite ist der Integralkern des Einheitsoperators auf dem Raum L2 (S2 , dΩ) wo S2 die zweidimensionale Einheitssphäre bedeutet). Da die Drehimpulsbedingungen (6.6a) und (6.6b) den Radialteil der Bahndrehimpulseigenfunktionen nicht einschränken, haben diese im zeitunabhängigen Fall die allgemeine Form ϕlm (r, ϑ, ϕ) = R(r)Ylm (ϑ, ϕ). Die einfachsten Kugelfunktionen sind: 1 Y00 = √ 4π r 3 Y11 = − sin ϑeiϕ 8π r 3 Y1,0 = cos ϑ 4π r 3 Y−1,1 = sin ϑe−iϕ 8π Die Wahrscheinlichkeitsdichten |Ylm (ϑ, ϕ)|2 ≡ plm auf der Sphäre lassen sich durch folgende Polardiagramme darstellen: 74 Abbildung 6.1: Polarwinkel-Wahrscheinlichkeitsverteilung der einfachsten Bahndrehimpulseigenzustände 6.3 Spin = nichtklassischer Drehimpuls, der sich nicht auf Translationsfreiheitsgrade zurückführen lässt. Beim Eigendrehimpuls eines klassischen Objekts, das notwendigerweise ausgedehnt sein muss, ist letzteres immer der Fall. Daher ist die Interpretaion des Spins als Eigendrehimpuls von begrenzter Gültigkeit. Es ist besser, den Spin als eine innere“ Eigen” ~ beschrieben schaf eines Teilchens anzusehen, die durch eine Observable S wird, die die Drehimpuls-Vertauschungsrelation ~ ×S ~ = i~S ~ S ~ S] ~ = 0 erfüllt und zum Bahndrehimpuls L ~ addiert den gesamten Drehimpuls und [L, ~ +S ~ ergibt. J~ = L Als innerer“ Freiheitsgrad eines Teilchens lässt sich der Spin eines Teilchens losgelöst ” von seinen Translationsfreiheitsgraden beschreiben. Da die Spinquantenzahl s eines Teilchens unveränderlich ist, genügt dafür ein endlich-dimensionaler Hilbertraum Hs . Die Unabhängigkeit von inneren und äußeren Freiheitsgraden kommt mathematisch so zum Ausdruck, dass die volle Zustandsinformation durch einen Vektor im Tensorprodukt H = Hs ⊗ Hext dargestellt wird, wobei Hext der uns schon bekannte Hilbertraum für die Translationsfreiheitsgrade ist, also bis auf Unitäräquivalenz L2 (R3 ). 75 Einschub: Tensorprodukt und direkte Summe Abstrakte Definition des Tensorprodukts T = V ⊗ W zweier Vektorräume V, W : dim T = dim V · dim W, T hat die erzeugende Menge Z = Bildmenge von V × W unter einer bilinaren Abbildung (v, w) → v ⊗ w P ∈ Z. ⇒ Sind {ei }, {fj } Basen in V bzw. W , dann ist {ei ⊗ fj } Basis in T : T 3 t = ij tij ei ⊗ ej , aber ∃ im Allgemeinen keine Vektoren v ∈ V, w ∈ W so dass t = v ⊗ w. Die Menge Z besteht genau aus solchen zerfallenden“ Tensoren. ” Allgemeine Definition für dim V, dim W < ∞ : T = {bilineare Abb. : V ∗ × W ∗ → C} Eine mögliche Darstellung des Tensorprodukts für dim V = m, dim W = n: v1 w1 v1 w2 .. . v1 wn vw v⊗w ∼ = 2. 1 .. v w m 1 . .. vm wn Inneres Produkt: hv1 ⊗ w1 , v2 ⊗ w2 i = hv1 , v2 ihw1 , w2 i Tensorprodukt zweier Abbildungen A ∈ End (V ), B ∈ End (W ): (A ⊗ B) (v ⊗ w) = Av ⊗ Bw Eine mögliche Darstellung ist die Blockmatrix a11 B a12 B . . . a1m B .. .. . . A⊗B ≈ . .. .. . am1 B . . . amm B 76 Def: Direkte Summe zweier Vektorräume V, W : v1 v2 v1 + v2 V ⊕ W = V × W mit + = w1 w2 w1 + w1 ⇒ dim(V ⊕ W ) = dim V + dim W, ei 0 Basis { , }. 0 fj Man schreibt statt wv auch v ⊕ w. 77 Wir beschränken uns in diesem Abschnitt auf den einfachsten nichttrivialen Fall eines Spinsystems, nämlich ein Teilchen mit Spin s = 12 . s ist der Parameter in der Eigenwert~ 2 | i = ~2 s(s + 1)| i, die Zustände mit Spin s charakterisiert. In unserem Fall gleichung S ~ 2 = 3 ~2 I und der Zustandsraum H 1 (2s + 1) = 2-dimensional3 . Wir wählen als ist also S 4 2 Basis die Eigenzustände von S3 , notiert als | ↑i, | ↓i und definiert durch S3 | ↑i = ~ S3 | ↓= − | ↓i. 2 ~ | ↑i, 2 Die Pfeile deuten die beiden möglichen Orientierungen des Spinvektors bezüglich der z-Achse an. Aus den bekannten Relationen r 1 1 1 1 3 S± | , mi = − m(m ± 1) ~ | , m ± 1i, S1 = (S+ + S− ), S2 = (S+ − S− ) 2 4 2 2 2i folgt S1 | ↑i = ~ | ↓i, 2 ~ S2 | ↑i = i | ↓i, 2 S1 | ↓i = ~ | ↑i, 2 ~ S2 | ↓i = −i | ↑i. 2 Stellen wir | ↑i und | ↓i durch die Koordinatenvektoren 1 0 | ↑i = , | ↓i = 0 1 dar, erhalten wir die Matrixdarstellung des Spinvektors ~ = ~ ~σ S 2 mit den 3 Paulimatrizen 0 1 σ1 = , 1 0 σ2 = 0 −i , i 0 σ3 = 1 0 . 0 −1 Ein allgemeiner Spinzustand |i lässt sich wegen k | i k = 1 bis auf einen irrelevanten Phasenfaktor als ϕ ϕ ϑ ϑ |ϕ, ϑi = e−i 2 cos | ↑i + ei 2 sin | ↓i (6.9) 2 2 schreiben. Wie man durch Nachrechnen verifiziert, ist er Eigenzustand des Operators ~ (also die Projektion des Spins entlang der Richtung des Einheitsvektors ~n ) zum ~n · S Eigenwert ~2 , wo ~n = sin ϑ cos ϕ ~e1 + sin ϑ sin ϕ ~e2 + cos ϑ ~e3 . 3 Seine Elemente werden Spinoren genannt. 78 In der oben definierten Standarddarstellung ist ~ cos ϑ sin ϑ e−iϕ ~ ~n · S = 2 sin ϑ eiϕ − cos ϑ Der Übergang von | ↑i zu |ϕ, ϑi stellt eine Rotation dar, die in 3 Dimensionen den Vektor (0, 0, 1) in ~n überführt. Bemerkenswert ist, dass eine volle 3-dimensionale Rotation (ϑ = 2π, ϕ = 0) wegen des Auftretens der halben Paramenterwinkel in (6.9) nicht durch die Identität I2 , sondern durch −I2 dargestellt wird. Erst eine Rotation um 4π wird wieder durch I2 dargestellt. Allgemein entsprechen jeder Rotation im R3 zwei Darstellungen im Spinorraum H 1 . Der Grund ist, dass diese Darstellungen 2-dimensionale 2 unitäre Abbildungen sind. Diese bilden die Gruppe SU (2), welche die Rotationsgruppe zweideutig darstellt (Überlagerungsgruppe). Eine solche Zweideutigkeit weisen alle Systeme mit halbzahligem Drehimpuls j = 12 , 23 , . . . auf. ~ · ~n mit Bemerkenswert ist auch, dass offenbar jeder Spin 12 -Zustand Eigenzustand von S einem gewissen Richtungsvektor ~n ist. Diese Aussage gilt nicht für höhere Drehimpulse! Die vollständige Beschreibung eines Spin 21 -Teilchens einschließlich seiner externen“ ” Freiheitsgrade erfolgt in der Ortsdarstellung durch einen Spinor mit ortsabhängigen Komponenten bzw. eine 2-komponentige Wellenfunktion: Ψ(t, ~x) = ψ+ (t, ~x) | ↑i + ψ− (t, ~x) | ↓i ψ+ (t, ~x) = . ψ− (t, ~x) |ψ± (t, ~x)|2 d3 x ist die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen zum Zeitpunkt t im Volumen d3 x um ~x mit z-Komponente des Spins gleich ± ~2 anzutreffen. 6.4 Experimenteller Nachweis der Quantelung des Drehimpulses Der Spin eines Teilchens wird oft über sein magnetisches Moment gemessen. Gemäß der klassischen Elektrodynamik erzeugt ein Teilchen mit elektrischer Ladung q, das sich gleichförmig mit Geschwindigkeit v auf einer Kreisbahn mit Radius r bewegt, ein magnetisches Dipolmoment der Stärke 1 qv 2 qvr µ = IF = r π= c 2πrc 2c Der Drehimpuls des Teilchens hat den Betrag L = mrv. Daher ist µ= qL ≡ γL. 2mc 79 γ heißt das gyromagnetische Verhältnis. Eine Relation dieses Typs gilt auch in der Quantenmechanik für Elementarteilchen, allerdings weicht γ i. a. vom klassischen Wert ab, was durch γ → gγ beschrieben wird: ~ˆ ~γˆ = gγ S e~ ≡ µB (Bohrg heißt Landé-Faktor, z. B. ist für Elektronen g ≈ 2 ⇒ µ ≡ gγ~s ≈ 2mc sches Magneton). µ ~ kann aber auch für ungeladene Teilchen von 0 verschieden sein. In ~ x) wirkt auf ein ungeladenes Teilchen mit maeinem inhomogenen magnetischen Feld B(~ ~ B(~ ~ x). Im berühmten Versuch von Stern und gnetischem Moment µ ~ die Kraft µ ~ ·∇ Gerlach (1922) durchquert ein Strahl von Silberatomen ein inhomogenes Magnetfeld ~ = (0, 0, Bz (z)) , dBz > 0, siehe Abb. 6.2. B dz Abbildung 6.2: Stern-Gerlach-Experiment Wegen eines ungepaarten Elektrons hat ein Silberatom einen Spin mit s = 12 und daher ein magnetisches Moment. Die Atome im Strahl sind zufallsorientiert. Daher würde man klassisch eine kontinuierliche Auffächerung des Strahls entlang der z-Achse erwarten. Tatsächlich sieht man eine Aufspaltung in zwei scharfe Teilstrahlen entsprechend den beiden quantenmechanischen Einstellmöglichkeiten des magnetischen Moments: µz = gγ~m, m = ± 21 . Mathematische Beschreibung der Bewegung eines ungeladenen Spin 12 -Teilchens mit ~ im äußeren Magnetfeld B(~ ~ x): magnetischem Moment µ ~ = ΓS ~ =∇ ~ µ ~ . Daher ~ = 0 4 ist die Kraft als Gradient darstellbar: µ ~ B Wegen rot B ~ ·∇ ~ ·B lautet der Hamiltonoperator 2 p~ˆ ~ · S. ~ˆ H= − ΓB 2m 4 im Vakuum und bei Abwesenheit elektrischer Felder 80 Die entsprechende Verallgemeinerung der Schrödingergleichungfür die spinorwertige Wellenfunktion ist der einfachste Fall der sogenannten Pauli-Gleichung. Allgemein beschreibt sie ein Spin- 12 -Teilchen der Ladung q im elektrischen Potential φ(~x) und magnetischen ~ x) (B ~ = rot A) ~ durch Vektorpotential A(~ ~ p~ˆ − q A H= 2 2m ~ ·S ~ˆ + qφ − ΓB Die relativistische Verallgemeinerung der Pauli-Gleichung führt auf die Dirac-Gleichung, eine der fundamentalsten Gleichungen der Physik überhaupt. 6.5 Drehimpulsaddition ˆ ˆ Wir betrachten zwei Drehimpuls-Observable J~1 und J~2 , die in verschiedenen Hilbert~ i zweier Teilräumen H1 und H2 wirken. Ein Beispiel sind die Bahndrehimpulse J~i = L 2 3 3 chen (in diesem Fall ist Hi = L (R ), mit den Teilchenorten ~xi ∈ R ), ein weiteres ~ und Spin J~2 = S ~ eines einzigen Teilchens. Der Hilbertraum des Bahndrehimpuls J~1 = L Gesamtsystems ist H = H1 ⊕ H 2 . Der Gesamtdrehimpuls ist definiert durch ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ J~ = J~1 ⊗ I2 + I1 ⊗ J~2 ≡ J~1 + J~2 . Offenbar efüllt auch J~ die Vertauschungsrelationen ˆ ˆ ~ˆ J~ × J~ = i~J, ˆ ˆ weil J~1 und J~2 kommutieren. ˆ 2 ˆ 2 ˆ2 J~1 , J~2 , J~ und Jz kommutieren, bilden sogar ein vollständiges System kommutierender Observablen (d. h. die Basis ihrer gemeinsamen Eigenvektoren = Eigenbasis“ ist ” eindeutig). Seien |j1 , j2 , j, mi die gemeinsamen Basisvektoren5 , d. h. ˆ2 J~i |j1 , j2 , j, mi = ~2 ji (ji + 1)|j1 , j2 , j, mi, ˆ2 J~ |j1 , j2 , j, mi = ~2 j (j + 1) |j1 , j2 , j, mi, Jˆz |j1 , j2 , j, mi = ~m|j1 , j2 , j, mi. 5 Wir schreiben eventuelle weitere Bestimmungsstücke ( Quantenzahlen“), die für die gegenwärtige ” Diskussion irrelevant sind, nicht an. 81 Diese Basiselemente lassen sich nach der natürlichen Basis von H entwickeln, die aus den zerfallenden“ (Produkt-) Zuständen ” |j1 , m1 , j2 , m2 i ≡ |j1 , m1 i ⊗ |j2 , m2 i ˆ2 besteht und bezüglich welcher die Observablen J~i und Jˆiz , i = 1, 2, diagonal sind. 6 ˆ2 Wir betrachten nun den gemeinsamen Eigenraum der beiden Observablen J~i und Jˆiz2 zu den Eigenwerten j1 und j2 . Seine Dimension ist(2j1 + 1) (2j2 + 1). Wir interessieren ˆ2 und für das Spektrum von J~ und Jˆz in diesem Eigenraum. Offenbar muss für die entsprechenden Werte j und m gelten X jm |j1 , j2 , j, mi = Cj1 m1 ,j2 m2 |j1 , m1 ; j2 , m2 i. m1 ,m2 dieser Entwicklung heißen Clebsch-Gordan-Koeffizienten. Die Koeffizienten Cjjm 1 m1 ,j2 m2 Wir berechnen sie hier nur für das einfachste Beispiel, nämlich: Addition zweier Spins s = 1 2 . Der Hilbertraum H 1 ⊗ H 1 hat die zerfallende Basis {| ↑↑i, | ↑↓i, | ↓↑i, | ↓↓i}. Seien 2 2 ˆ ˆ ˆ ~ ~ ~ ~ˆ2 und Ŝz zu S = S1 + S2 derGesamtspinoperator und |S, M i die Eigenzustände von S Eigenwerten ~2 S(S + 1) bzw. ~M . Offenbar ist der größtmögliche Wert von M gleich 12 + 12 = 1. Der entsprechende Eigenzustand ist eindeutig, nämlich | ↑↑i. Desgleichen ist der kleinstmögliche Wert von M gleich − 12 − 12 = −1 und der entsprechende Eigenzustand | ↓↓i. Wir berechnen nun 2 2 ~ˆ2 | ↑↑i = S ~ˆ1 + S ~ˆ2 + ~ˆ · S ~ˆ | ↑↑i S 2S | 1{z }2 S1+ S2− +S1− S2+ +2S1z S2z = Ebenso erhalten wir 6 ~ ~ 3 2 3 2 ~ + ~ +0+0+2· · 4 4 2 2 | ↑↑i = 2~2 | ↑↑i. 2 ~ˆ | ↓↓i = 2~2 | ↓↓i. S Diese Basis ist von der obigen verschieden, weilJˆiz zwar mit Jˆz vertauschen (daher ist m = m1 + m2 ), ˆ2 aber nicht mit J~ = Jˆ1+ Jˆ2− + Jˆ1− Jˆ2+ + Jˆz2 . 82 Daraus folgt 1 1 1 1 | ↑↑i = |s1 = , m1 = ; s2 = , m2 = i 2 2 2 2 1 1 = |s1 = , s2 = ; S = 1, M = 1i 2 2 und 1 1 1 1 | ↓↓i = |s1 = , m1 = − ; s2 = , m2 = − i 2 2 2 2 1 1 = |s1 = , s2 = ; S = 1, M = −1i. 2 2 Den dritten Basiszustand zu S = 1, |S = 1, M = 0i, erhalten wir aus Ŝ− |S = 1, M = 1i = Ŝ1− + Ŝ2− | ↑↑i ∝ | ↓↑i + | ↑↓i, daher nach Nominierung 1 |S = 1, M = 0i = √ (| ↑↓i + | ↓↑i) . 2 H 1 ⊗ H 1 enthält noch einen eindimensionalen Teilraum, der orthogonal auf dem eben 2 2 erhaltenen 3-dimensionalen Teilraum mit S = 1 ist. Er wird offenbar aufgespannt vom Vektor 1 √ (| ↑↓i − h↓↑ |) = |S = 0, M = 0i, 2 wie man leicht verifiziert. Damit haben wir gezeigt, dass H 1 ⊗ H 1 = H1 ⊕ H0 . 2 2 Diese direkte Summenzerlegung lässt sich auf das Tensorprodukt Hj1 ⊗ Hj2 verallgemeinern. Wir wollen hier nicht die Clebsch-Gordan-Koeffizienten bestimmen, sondern nur ˆ das Spektrum von J~2 . Wir beginnen mit der Bemerkung, dass jeder zerfallende Vektor |j1 , m1 ; j2 , m2 i Eigenvektor von Jˆz zum Eigenwert ~m mit m = m1 + m2 ist. Es gibt (bis auf einen Phasenfaktor) nur einen derartigen noermierten Eigenvektor zum maximalen Wert mmax = j1 + j2 , nämlich |j1 , j1 ; j2 , j2 i (weil keine andere Summe ˆ m1 + m2 diesen Wert hat). Dieser Vektor ist auch Eigenzustand von J~2 zum Eigenwert ~2 j(j + 1), j = j1 + j2 , wie man mit Hilfe von ˆ J~2 = Jˆ12 + Jˆ22 + Jˆ1+ Jˆ2− + Jˆ1− Jˆ2+ + 2Jˆ1z Jˆ2z 83 verifiziert. Also gilt: |j = j1 + j2 , m = j1 + j2 i = |m1 = j1 ; m2 = j2 i. Durch sukzessives Anwenden von Jˆ− auf diesen Zustand erhält man die Zustände |j = j1 + j2 , mi zu j1 + j2 > m ≥ −j1 + j2 . Der Eigenraum von Jˆz zu m = j1 + j2 − 1 ist 2dimensional, enthält also einen Zustand orthogonal auf |j = j1 +j2 , m = j1 +j2 −1i. Dass ˆ dieser auch Eigenzustand von J~2 ist, folgt der Eigenräume E(m) von Jˆz aus der Invarianz ˆ ˆ unter J~2 (man betrachte dazu J~2 = 21 Jˆ+ Jˆ− + Jˆ− Jˆ+ + Jˆz2 ). Als Eigenwert kommt nur der dem Parameter j = j1 + j2 − 1 entsprechende in Frage. Setzt man dieses Argument mit kleineren Werten von m fort, kommt man zur Aussage, dass E(m) Eigenzustände ˆ von J~2 mit j = j1 +j2 , j1 +j2 −1, . . . , j(m) enthält. Es sieht so aus, als wäre j(m) = |m|. Das kann aber allgemein nicht stimmen, da die Dimension von E(m) nicht größer als 2jmin + 1, jmin ≡ min (j1 , j2 ), sein kann (es gibt nicht mehr Möglichkeiten, m als Summe von m1 und m2 darzustellen). Daraus ergibt sich, dass diese Konstruktion der Zustände |j, mi bei j = j1 + j2 − jmin = |j1 − j2 | ein Ende hat. Dieses Resultat lässt sich in der Gleichung Hj1 ⊗ Hj2 = Hj1 +j2 ⊕ Hj1 +j2 −1 ⊕ . . . ⊕ H|j1 −j2 | zusammenfassen. Wir verifizieren noch die Übereinstimmung der Dimensionen der beiden Seiten dieser Gleichung: (2j1 + 1) (2j2 + 1) = 2 (j1 + j2 ) + 1 + 2 (j1 + j2 ) − 1 + . . . + 2|j1 − j2 | + 1. 84 Kapitel 7 Sphärische Symmetrie und Coulomb-Wechselwirkung 7.1 Sphärisch symmetrische Potentiale Die klassische Hamiltonfunktion für ein Teilchen im Potential V (r), H= ~2 pr 2 L + + V (r), 2m 2mr2 (7.1) ~ 2 → L2 (Konstante der Bewegung) auf die eindireduziert sich durch die Substitution L mensionale Hamiltonfunktion Hr (r, pr ) = L2 pr 2 + + V (r) , 2m 2mr2 (7.2) die die radiale Bewegung des Teilchens beschreibt. Sie enthält das effektive Potential Vef f (r) = L2 + V (r) , 2mr2 dessen erster Term die Drehimpulsbarriere“ (auch Zentrifugalwall“ genannt) darstellt. ” ” Diese Reduktion auf ein eindimensionales Problem leistet in der Quantenmechanik der Separationsansatz für die Lösung der zeitunabhängigen Schrödingergleichung ϕlm (r, ϑ, ϕ) = Rl (r) Ylm (ϑ, ϕ) . Einsetzen in die Schrödingergleichung mit Ĥ = Quantenversion von (7.1) liefert die radiale Schrödingergleichung mit der Quantenversion Ĥr von Hr 2 ~ d2 2 d l (l + 1) − 2− + + V (r) Rnr l (r) = Enr l Rnr l (r) , 2m dr r dr r2 85 wo die radiale Quantenzahl“ nr die linear unabhängigen Lösungen mit demselben Wert ” von l unterscheiden soll. Im Fall V = 0 (freies Teilchen) kennen wir bereits die Eigenwerte von Ĥ und daher auch die von Ĥr : ~2 k 2 Ekl = , k ∈ R+ , 2m wobei ~k der Betrag des Teilchenimpulses ist 1 Die nichtsinguläre Lösung von 2 l (l + 1) d 2 d 2 − + + k Rkr = 0 dr2 r dr r2 ist die sphärische Besselfunktion (1. Art) jl (kr), die über r π J 1 (%) jl (%) = 2% l+ 2 mit der Besselfunktion (1. Art) Jl+ 1 zusammenhängt. Für l = 0 erhalten wir 2 j0 (%) = 1 sin % % (stehende Kugelwelle; die davon linear unabhängige Lösung %1 cos % ist wegen 4 1r = −4πδ (3) (~x) keine globale Lösung der homogenen Schrödingergleichung, sondern entspricht einer Quelle im Ursprung). Interessant ist das asymptotische Verhalten %l , (2l + 1)!! ≡ (2l + 1) (2l − 1) · · · 3 · 1, %→0 (2l + 1)!! 1 lπ lim jl (%) = sin % − . %→∞ % 2 lim jl (%) = Aus der letzten Gleichung ist ersichtlich, dass die Drehimpulseigenfunktionen für das freie Teilchen nicht normierbar sind, wie zu erwarten war. 7.2 Das allgemeine 2-Körper-Problem Wir betrachten zwei Teilchen mit Massen m1 und m2 an Orten ~x1 und ~x2 , deren Wechselwirkung durch ein Potential V (~x1 , ~x2 ) beschrieben wird. Führen wir den Ort des Schwerpunkts ~ = m1~x1 + m2~x2 X m1 + m2 1 Die Eigenwerte von ~L2 sind im Fall des freien Teilchens also überabzählbar ∞-fach entartet. 86 und den Gesamtimpuls P~ = p~1 + p~2 sowie die Relativkoordinaten ~x = ~x1 − ~x2 und den Relativimpuls m2 p~1 − m1 p~2 m1 + m2 ein, gilt für die klassische Hamiltonfunktion p~ = H= (7.3) p~21 p~2 + 2 + V (~x1 − ~x2 ) = Hcm + Hrel 2m1 2m2 mit P~ 2 , 2M p~2 + V (~x) 2m m1 m2 M = m1 + m2 , m = , m1 + m2 Hcm = Hrel = m heißt reduzierte Masse. Alle diese Gleichungen können unmittelbar in die Quantenmechanik übernommen werden, und aus den klassischen Vertauschungsrelationen für ~xˆA und p~ˆA sowie [x̂Ai , p̂Bj ] = 0 für A 6= B (A = 1, 2) folgt: h i X̂i , P̂j = i~δij , [x̂i , p̂j ] = i~δij , h i h i X̂i , p̂j = 0, x̂i , P̂j = 0 h i ⇒ Ĥcm , Ĥrel = 0. Auch in der Quantenmechanik ist daher die Schwerpunktsbewegung beschrieben durch ~ˆ P~ˆ unabhängig von der Relativbewegung (beschrieben durch ~xˆ, p~ˆ). Ĥ und Ĥrel haben X, gemeinsame (verallgemeinerte) Eigenfunktionen der Form ~ X ~ ~ ~x = eiK· Φ X, ϕ(~x) mit Ĥrel ϕ(~x) = Eϕ(~x) . Die Eigenwerte Etot von Ĥ sind Etot = ~2 ~2 K +E. 2M 87 7.3 Das Coulomb-Problem Die Relativbewegung zweier Punktladungen q1 , q2 wird (in der elektrostatischen Näherung, d. h. unter Vernachlässigung von Strahlungseffekten) beschrieben durch die klassische Hamiltonfunktion p~2 q1 q2 H= + 2m |~x| m2 die reduzierte Masse und p~ = m~x˙ ~x = ~x1 − ~x2 sind die Relativkoordinaten, m = mm11+m 2 der Relativimpuls. Uns interessiert ein System bestehend aus einem Elektron und dem Restatom, also q1 q2 = −e2 (e . . . Elementarladung), m2 m1 = me ≈ m (im SI-System eSI 2 ist e2 durch 4πε zu ersetzen). 0 Mit Hilfe der dimensionslosen Variablen % und ihrer kanonisch konjugierten π, definiert durch ~2 r %+ , π + rB pr , rB ≡ , rB me2 ~2 2rB 2 m = π2 L2 2 + − ~2 ~2 %2 % schreibt sich die radiale Hamiltonfunktion wegen e2 Hr = 2rB e2 2rB als . rB ist der bereits in 2.3 aufgetretene Bohr-Radius und definiert eine natürliche Längenskala für das Problem. Diese klassische Hamiltonfunktion lässt sich bis auf eine Konstante einfach faktorisieren. Wir tun dies gleich für die Quantenversion in der Ortsdarstellung mit den reduzierten“ Wellenfunktionen ul (%) = %Rl (r): ” e2 ĥ, Ĥr = 2rB d2 l (l + 1) 2 1 ĥ = − 2 + − = Al Al † − , 2 d% % % (l + 1)2 d l+1 1 Al = + − d% % l+1 d l+1 1 − . ⇒ Al † = − + d% % l+1 88 Bew.: d2 Al Al = − 2 + d% † l+1 % 0 l+1 1 + − % l+1 2 1 d2 (l + 1)2 − l − 1 2 =− 2 + − + . 2 d% % % (l + 1)2 Aus Al † Al = Al+1 A†l+1 + 1 1 2 − (l + 1) (l + 2)2 d2 1 (l + 2)2 + l + 1 2 − 2+ = − + 2 d% % % (l + 1)2 d2 1 1 1 (l + 2)2 − l − 2 2 = − 2+ − + 2 + 2 − 2 d% % % (l + 2) (l + 1) (l + 2)2 1 † † † † Al ul folgt Al ĥ ul = Al Al Al − (l + 1)2 1 † = Al+1 Al+1 − Al † ul . 2 (l + 2) ! Erfüllt also ul die reduzierte Schrödingergleichung ĥul = εul , dann tut es auch Al † ul , und zwar zum selben Eigenwert ε, aber mit Drehimpuls l0 = l+1. Analoges gilt für Al−1 ul mit l0 = l − 1. Da Z † 0 ≤ hl|Al Al |li = 1 d% ul Al Al † ul = ε + 2, | {z } (l + 1) 1 ĥ+ (l+1)2 gilt ε≥− 1 . (l + 1)2 (7.4) Wir betrachten ab jetzt nur gebundene Zustände, also ε < 0. Dann folgt aus der Form des effektiven Potentials, dass bei fixem ε l ≤ lmax (dieser Maximalwert entspricht einer klassischen Kreisbahn). Offenbar muss gelten A†lmax ulmax = 0 , (7.5) weil sonst durch sukzessives Anwenden der Operatoren Al † bei fixer negativer Energie Zustände mit beliebig großem Drehimpuls erreicht werden können. Aus (7.5) folgt, dass die Ungleichung (7.4) für l = lmax saturiert wird und daher ε=− 1 , n2 n = lmax + 1 89 sein muss. Damit haben wir die Eigenwerte von ĥ und daher auch die Energieeigenwerte bestimmt: 1 me4 1 e2 εn = − 2 ⇒ En = εn = − 2 · 2 . n 2rB 2~ n Der in der letzten Gleichung auftretende Faktor ist im Wesentlichen die uns bereits aus 2.3 bekannte Rydbergkonstante R: EI ≡ me4 = hc · R ≈ 13, 6eV. 2~2 Dieser ist zugleich die Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms, da identisch mit der Bindungsenergie des Grundzustandes (n = 1). Auch die Entartung der Energieeigenwerte folgt aus dem Vorangegangenen: Der Energieeigenraum zur Hauptquantenzahl“ n wir aufgespannt von Zuständen mit Drehim” pulszahlen l = 0, 1, . . . , n − 1. Die Entartung ist daher n−1 X (2l + 1) = (l + 1)2 = n2 l=0 ohne Berücksichtigung des Spins, auf den wir noch zurückkommen. Ausgehend von (7.5) können wir auch die gemeinsamen Energie- und Drehimpulseigenfunktionen bestimmen. Den reduzierten Radialanteil bezeichnen wir jetzt folgerichtig mit unl (%). (7.5) impliziert daher n 1 d − + un,n−1 = 0 d% % n ⇒ % un,n−1 (%) ∝ %n e− n . Durch Anwenden von An−1 auf diese Funktion erhalten wir un,n−2 usw. Da jedes Al eine Differentiation nach % enthält, bekommen wir nach nr -facher Anwendung % un,n−1−nr (%) ∝ %n−nr Lnr (%)e− n oder % nnl (%) ∝ %l+1 Ln−1−l (%)e− n . Die hier auftretenden Polynome vom Grad nr heißen Laguerre-Polynome. Sie haben nr reelle Nullstellen ( Knoten“) zwischen % = 0 und % = ∞, was auch die Bedeutung der ” radialen Quantenzahl nr klärt. Insbesondere ist die normierte radiale Grundzustandswellenfunktion −3/2 R10 = 2e−% rB . 90 7.4 Spin-Bahn-Wechselwirkung und Hyperfeinstruktur Aus den Resultaten über die Drehimpulsaddition in 6.4 folgt, dass es 2 vollständige Systeme von Wellenfunktionen für ein Teilchen mit Spin s in einem sphärisch symmetrischen Potential gibt, nämlich das der ϕnr lml sms = Rnr l Ylml |s, ms i (7.6) und das der ϕnr jmls = Rnr l X jm Y |s, ms i. Clm l , sms lml (7.7) ml +ms =m Wir verwenden hier zur Nummerierung der Energieeigenwerte die Knotenzahl nr , weil diese im Gegensatz zur Hauptquantenzahl n aus 7.3 für eine allgemeine sphärisch symmetrische Wechselwirkung (sogar die im Folgenden betrachtete, nicht durch eine Potentialfunktion V(r) beschreibbare) definiert ist. Die Quantenzahlen j und m beziehen sich ˆ ~ˆ ~ˆ auf den Gesamtdrehimpuls J~ = L + S. In der Atomphysik sind allerdings die Funktionen (7.6) tatsächlich keine Energieeigen~ und S ~ nicht getrennt erhalten sind. Im realen Atom gibt es nämlich nefunktionen, weil L ben der Coulomb-Wechselwirkung noch eine schwächere Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Moment des Elektrons und dem Magnetfeld, das durch seine Bahnbewegung erzeugt wird. Sie wird beschrieben durch einen Zusatzterm zum Hamiltonoperator aus 7.3 der Gestalt ~ˆ · L ~ˆ . Ŵso ∝ S Heuristisch lässt sich dieser Term durch folgendes klassische Argument begründen: Im Ruhsystem des Elektrons wird dieses vom Atomkern bzw. Restatom umkreist. Auf Grund seiner Ladung e erzeugt letzteres am Ort des Elektrons ein Magnetfeld (BiotSavartsches Gesetz) 2 ~ ~ = − 1 e ~v × ~x = eL . B c r3 mcr3 In der letzten Gleichung ist |~v | c vorausgesetzt, was in der Tat für ein äußeres Elektron 2 gut erfüllt ist. Auf Grund der Unschärferelation ist nämlich v ≈ mr~B = e~ = αc mit der dimensionslosen Feinstrukturkonstanten α≡ 1 e2 ≈ . ~c 137 Mit dem magnetischen Spinmoment des Elektrons µ ~s ≈ − 2 e ~ S mc ~ der Bahndrehimpuls des Elektrons −~v ist die Geschwindigkeit des Restatoms relativ zum Elektron, L im Laborsystem. 91 erhalten wir die magnetische potentielle Energie e2 ~ ~ S · L. m2 c2 r3 ~ ≈ −~µs · B Berücksichtigt man, dass das Ruhesystem des Elektrons kein Inertialsystem ist, führt eine relativistisch korrekte Rechnung wegen der sog. Thomas-Präzession auf die Hälfte dieses Werts, also e2 ~ · L. ~ S Wso = 2m2 c2 r3 (Ganz ohne diese klassisch-heuristischen Überlegungen lässt sich das exakte Resultat unmittelbar aus der bereits erwähnten Dirac-Gleichung gewinnen.) Die Quantenversion dieses Audrucks stellen wir in natürlichen atomaren Einheiten, d. h. unter Verwendung des Bohr-Radius rB , der Ionisierungsenergie EI und der Feinstrukturkonstante α, dar: r 3 S ~ˆ · L ~ˆ B . (7.8) Ŵso = α2 EI r̂ ~2 Wegen i i h h i h i h ˆ2 ˆ2 ˆ2 ˆ ~ ~ ~ = Ŵso , Jz = 0, Ŵso , L = Ŵso , S = Ŵso , |{z} J |{z} ~ˆ ~ˆ L ~ˆ 2 +2S· ~ˆ 2 +L S h i Ŵso , L̂z 6= 0, h ˆ ~ˆ2 ~ˆ 2 −L ∝ J~2 −S i Ŵso , Ŝz 6= 0 ist Ŵso nicht diagonal bezüglich der Funktionen in (7.6) (diese sind daher keine Energieeigenfunktionen mehr; allerdings reduziert sich die Nichtdiagonalität auf eine 2×2-Matrix, weil m = ml + ms eine gute“ Quantenzahl ist), aber diagonal bezüglich der Basis (7.7). ” Wegen ~ˆ 2 − S ~ˆ 2 ~ˆ · L ~ˆ = 1 J~ˆ2 − L S 2 ist 2 ~ 3 ˆ ˆ ~ · L|jml, ~ hjml, s = 1/2|S s = 1/2i = j(j + 1) − l(l + 1) − . 2 4 Da (l + 12 )(l + 32 ) − (l − 12 )(l + 21 ) = 2l + 1, liegt der Zustand mit j = l + 12 energetisch 3 um einen Betrag ∆E (nr , l) höher als jener mit j = l − 12 . Da h rr̂B i = O(1), folgt aus (7.8) ∆E 1 ∼ α2 (l + ). EI 2 Diese Energieaufspaltung macht sich als Feinstruktur der Spektren monovalenter Atome (nur ein Zustand größter Hauptquantenzahl besetzt) bemerkbar. Zum Beispiel zeigt die Lyman α-Linie des H-Atomes, die dem Übergang 2p → 1s entspricht, eine Aufspaltung von 10 GHz, weil der 2p 3 -Zustand um diesen Betrag über dem 2p 1 -Zustand 2 2 92 liegt. Ein weiteres berühmtes Beispiel ist die Aufspaltung der Natrium-D-Linie (entsprechend dem Übergang 3p → 3s) in 2 Linien D1,2 mit Wellenlängen λ1 ≈ 589, 6 nm und λ2 ≈ 589, 0 nm. Allerdings wird in komplizierteren Atomen die Feinstruktur durch Vielelektron-Effekte modifiziert, zum Beispiel kommt es im Natrium zu einer Umkehrung des Spin-Bahn-Effekts: E(3d 3 ) > E(3d 5 ). 2 2 Ein von der Feinstruktur unabhängiger Effekt ist die sogenannte Hyperfeinstruktur. Ihre Ursache ist die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten von Atomkern und Elektron. Sie führt zu einem Korrekturterm zum Hamiltonoperator, der im Fall des H-Atoms die Form 8π Ŵ = − µ~ˆe · µ~ˆp δ (3) (~xˆ) 3 hat. Er beschreibt eine Kontaktwechselwirkung zwischen Elektron und Proton, die Singularität in r = 0 rührt von der Näherung des Protons als Punktteilchen. Ŵ kann bei gegebener Ortswellenfunktion ϕ(~x) in erster Näherung auf einen Operator Ĥ1 reduziert werden, der nur auf die Spinvariable wirkt: 3 Z 8π ˆ ˆ ~e · µ ~ p |ϕ(~0)|2 . Ĥ1 = ϕ∗ (~x) Ŵ ϕ(~x) d3 x = − µ 3 Für den Grundzustand des H-Atoms erhält man A ~ˆ ~ˆ A ~ˆ 2 ~ˆ 2 ~ˆ 2 Ĥ1 = 2 S · S = S − Se − Sp , e p ~ 2~2 1 16 me 2 8π ·4· · Γe Γp ~2 ∝ · 2, 79 A= α EI , 3 4π 3 mp Γ = gγ, wegen ge ≈ 2, gp ≈ 2 · 2, 79. Da die Gesamtspinquantenzahl S = 1 oder 0, ist A identisch mit der Energieaufspaltung. Einsetzen der Zahlenwerte ergibt A ≈ 5, 87 · 10−6 eV, ν = A ≈ 1417 MHz, λ = νc ≈ 21 cm. Diese von neutralem Wasserstoff emittierte Strahh lung ist von großer Bedeutung für die Radioastronomie. Für l > 0 gibt es auch noch einen Beitrag von der Wechselwirkung zwischen dem Protonenspin und dem orbitalen ~ ist. magnetischen Moment des Elektrons, das proportional zu L 3 In Ĥ1 wird der Ortsanteil von Ŵ durch seine Projektion auf ϕ ersetzt: Ŵ = ŴS ⊗ δ → Ĥ1 = ŴS ⊗ Pϕ δPϕ , Pϕ δ Pϕ = |ϕi hϕ| δ |ϕi hϕ| = hϕ| δ |ϕi Pϕ 93 Kapitel 8 Vielteilchensysteme 8.1 Das Pauli-Prinzip Betr. zwei Teilchen 1 und 2 mit Zustandsräumen H1 und H2 . Das von ihnen gebildete System wird durch einen Hilbertraum Hges dargestellt. Dieser enthält offenbar Zustände mit der Information Teilchen 1 im Zustand |i1 und Teilchen 2 im Zustand |i2“, no” tiert als |i1 |i2 (=Produktzustand). Aber wegen des Superpositionsprinzips enthält Hges auch Linearkombinationen von Produktzuständen, die keine Produktzustände sind (= verschränkte Zustände). Das entspricht genau der mathematischen Definition des Tensorprodukts aus 6.3. Wir schließen daher, dass Hges = H1 ⊗ H2 und |i1 |i2 =|i1 ⊗ |i2 . Zwei Teilchen im R3 werden also nicht durch zwei Wellenfunktionen im R3 beschrieben, sondern durch eine Wellenfunktion im R6 , weil L2 (R3 ) ⊗ L2 (R3 ) = L2 (R6 ). Ihre Bedeutung: |ψ(t, ~x1 , ~x2 )|2 d3 x1 d3 x2 = Wahrscheinlichkeit, zur Zeit t das Teilchen 1 in d3 x1 um ~x1 und das Teilchen 2 in d3 x2 um ~x2 anzutreffen. Def. Die beiden Teilchen heißen identisch, wenn H1 und H2 physikalisch identisch sind, d. h. ein ausgezeichneter unitärer Isomorphismus H1 → H2 existiert. Zu jedem Zustand von 1, | ψi1 ∈ H1 , gibt es also denselben“ Zustand von 2, | ψi2 ∈ H2 . ” Das macht die Indizes 1, 2 überflüssig und wir können schreiben: Hges = H ⊗ H. Def. Der Austauschoperator P̂ zweier identischer Teilchen ist definiert durch P̂ :| ϕi⊗ | ψi 7→| ψi⊗ | ϕi. Offenbar ist P̂ 2 = I in Hges . Daher hat er die Eigenwerte +1 und −1. Die entsprechenden Eigenräume sind: 94 • Hsymm ... Raum der unter Teilchenaustausch symmetrischen Zustände, aufgespannt von den Zuständen der Form | ϕi | ψi+ | ψi | ϕi • Ha.s. ... Raum der unter Teilchenaustausch antisymmetrischen Zustände, aufgespannt von den Zuständen der Form | ϕi | ψi− | ψi | ϕi Postulat (Pauli-Prinzip): Identische Teilchen sind ununterscheidbar, d. h. werden beschrieben durch Eigenzustände des Austauschoperators, und zwar entweder in Hsymm oder in Ha.s. . Def. Teilchen mit Zustandsraum Hsymm heißen Bosonen, solche mit Zustandsraum Ha.s. Fermionen. Fermionen gehorchen daher einem Ausschließungsprinzip (Pauliverbot): Es ist unmöglich, dass zwei Fermionen denselben 1-Teilchenzustand besetzen. Satz über Spin und Statistik: Teilchen mit ganzzahligem Spin s = 0, 1, ... sind Bosonen, Teilchen mit halbzahligem Spin s = 21 , 23 , ... sind Fermionen. (Nicht elementar beweisbar!) Der Satz gilt in drei Dimensionen. In zwei Dimensionen gibt es neben Bosonen und Fermionen ein Kontinuum von Zwischentypen“ von Teilchen, die Anyonen genannt ” werden. Sie sind physikalisch relevant in Oberflächenschichten, die nur wenige Atome dick sind (fraktionaler Quanten-Hall-Effekt). Da ein antisymmetrisches Tensorprodukt nie zerfällt“, sind identische Fermionen im” mer verschränkt. Hingegen sind identische Bosonen dann nicht verschränkt, wenn sie alle denselben 1-Teilchenzustand besetzen. Seien | φi und | χi zwei orthogonale 1Teilchenzustände. Sie kombinieren im Fall von zwei identischen Bosonen bzw. Fermionen zum 2-Teilchenzustand | Φ± i = √12 (| φi | χi± | χi | φi). Wir wollen den Erwartungswert ihres Abstandquadrats (~xˆ1 − ~xˆ2 )2 berechnen, wo ~xˆ1 ≡ ~xˆ ⊗ I, ~xˆ2 ≡ I ⊗ ~xˆ (vorläufige Def., s. u.), und erhalten hΦ± | (~xˆ1 − ~xˆ2 )2 | Φ± i = hφ | r̂2 | φi + hχ | r̂2 | χi − 2hφ | ~xˆ | φihχ | ~xˆ | χi ∓ 2hφ | ~xˆ | χi2 . 95 Die ersten drei Terme entsprechen dem klassischen“ Erwartungswert, den der nicht ” verschränkte Zustand | φi | χi oder | χi | φi liefern würde. Wir sehen, dass der mittlere Abstand von identischen Bosonen bzw. Fermionen relativ zu diesem klassischen Wert herabgesetzt bzw. vergrößert ist. Auch ohne klassische Wechselwirkung erfahren daher Bosonen bzw. Fermionen eine anziehende bzw. abstoßende Austauschwechselwir” kung“. Observable dürfen als Operatoren aus dem Hilbertraum Hsymm bzw. Ha.s. nicht herausführen bzw. müssen sie mit P̂ vertauschen. Sie müssen daher symmetrisch unter der Vertauschung der beiden Faktoren im Tensorprodukt sein, d. h. Linearkombination von Operatoren der Form  ⊗ B̂ + B̂ ⊗ Â. Der vorhin betrachtete Operator (~xˆ1 − ~xˆ2 )2 hat offenbar diese Eigenschaft. Dennoch sind 1-Teilchen-Observable wohl definiert: Hat  die Eigenwerte λn mit Eigenzuständen | ψn i, dann haben  ⊗ I + I ⊗  und  ⊗  die gemeinsamen Eigenzustände | ψm i | ψn i± | ψn i | ψm i zu Eigenwerten λm + λn bzw. λm λn . Das Projektionspostulat liefert daher diese Eigenzustände und Eigenwerte als Resultat entsprechender Messungen. Aus λm + λn und λm λn können λm und λn bestimmt werden und sind daher messbar“. ” Insbesondere testet der Operator P̂χ ⊗ I + I ⊗ P̂χ , P̂χ ≡| χihχ |, einen 2-Teilchen-Zustand darauf, ob er den 1-Teilchenzustand | χi als Faktor in einem (anti)symmetrischen Produkt enthält. Eigenwert 0, 1 oder 2 bedeutet, dass dies für keinen, einen oder (nur im Fall von Bosonen) beide Faktoren zutrifft. Zusammenfassung: Im Allgemeinen sind wegen der Verschränkung in einem Vielteilchenzustand keine 1-Teilchen-Zustände definiert. 1-Teilchenobservable sind definiert, haben aber als Eigenzustände nur (anti)symmetrisierte Produkte. Verallgemeinerung auf n identische Teilchen In diesem Fall gibt es (einschließlich der Identität) n! Permutationen P̂k , k = 1, ..., n!, der Faktoren des Tensorprodukts, die den Austauschoperator P̂ verallgemeinern. Jede Permutation P̂k hat eine eindeutige Signatur sk = (−1)nk , wo nk = Zahl der 2-Teilchen-Vertauschungen (Transpositionen) P̂ij , als deren Produkt P̂k dargestellt werden kann (diese Faktorisierung von P̂k und auch nk ist nicht eindeutig, wohl aber sk ). Quantenmechanische Ununterscheidbarkeit bedeutet, dass alle n-Teilchen-Zustände Eigenzustände aller P̂k entweder zum Eigenwert +1 (Bosonen) oder sk (Fermionen) sein müssen. Bosonenzustände müssen also total (d.h. unter beliebigen Transpositionen) symmetrisch sein, Fermionzustände total antisymmetrisch. Der physikalische n-Teilchen-Hilbertraum Hsymm bzw. Ha.s. geht aus dem Tensorprodukt H⊗n unter der durch den Operator Ŝ = √1 n! P k P̂k bzw.  = 96 √1 n! P k sk P̂k definierten Projektion hervor. Man beachte, dass H⊗n 6= Hsymm ⊕ Ha.s. , außer n = 2. 8.2 Das Heliumatom Wir vernachlässigen zunächst die Wechselwirkung zwischen den zwei Elektronen. Die niedrigsten 1-Teilchenzustände für die Elektronen sind | n, l, m, ms i =| 1, 0, 0, ms i, | 2, 0, 0, ms i und | 2, 1, ml , ms i. Wir addieren zuerst die zwei Bahndrehimpulse und ~ˆ = L ~ˆ 1 + L ~ˆ 2 , S ~ˆ = S ~ˆ1 + S ~ˆ2 =⇒ J~ˆ = L ~ˆ + S, ~ˆ d.h. konstruieren Eigendie zwei Spins L ~ˆ 2 , L̂z , S ~ˆ2 , Ŝz und daraus solche von J~ˆ2 , Jˆz . (Alternativ könnte man zuerst zustände von L ˆ ~ˆ i + S ~ˆi bilden und Eigenzustände von J~ˆ2 , Jˆiz verwenden und erhält offenbar eine J~i = L i andere Basis.) Bekanntlich ist | n, l, m, +(−) 21 i ∼ =|↑ (↓)iYlm (θ, φ)Rnl (r) und | S = 1, Sz = 1i = |↑i |↑i, 1 | S = 1, Sz = 0i = √ (|↑i |↓i+ |↓i |↑i), 2 | S = 1, Sz = −1i = |↓i |↓i, 1 | S = 0, Sz = 0i = √ (|↑i |↓i− |↓i |↑i). 2 (8.1) (8.2) (8.3) (8.4) Die niedrigsten 2-Teilchenzustände sind die folgenden: 1. Beide Elektronen besetzen den Grundzustand | 1, 0, 0, ms i. Dann ist der Raumanteil für beide Elektronen derselbe und daher der Raumanteil des Tensorprodukts symmetrisch. Also muss der Spinanteil antisymmetrisch sein (sonst wäre das Ausschließungsprinzip verletzt), und nur der (verschränkte) Zustand mit S = 0 kann existieren. Der Grundzustand des He-Atoms ist daher | S = 0, Sz = 0i | 1, 0, 0i | 1, 0, 0i (8.5) und hat offenbar J = Jz = 0 (Singlett-Zustand). 2. Im nächsthöheren Zustand besetzt ein Elektron den Grundzustand | 1, 0, 0, ms i und das andere das nächsthöhere Niveau | 2, 0, 0, ms i. Wegen der linearen Unabhängigkeit der radialen Wellenfunktionen können wir sowohl einen symmetrischen als auch einen antisymmetrischen Raumanteil für den 2-Teilchen-Zustand konstruieren. Jeder gibt L = 0. Wegen des Pauli-Prinzips ist der symmetrische Raumanteil mit dem antisymmetrischen 97 Spin-Zustand zu kombinieren u. u. Im ersten Fall erhalten wir wieder einen SinglettZustand (J = 0), im zweiten ein Triplett (J = 1, Jz = 1, 0, −1). Die bisher vernachlässigte Wechselwirkung zwischen den Elektronen bricht die energetische Entartung zwischen dem Singlett- und Triplettzustand: Wegen der im letzten Abschnitt diskutierten Austauschwechselwirkung sind die beiden Elektronen in einem Triplettzustand weiter voneinander entfernt und erfahren daher weniger Coulombabstoßung. Daher ist die Energie eines Triplettzustands kleiner als die des Singlettzustands. 3. Die Konstuktion weiterer angeregter Zustände ist Gegenstand einer Übungsaufgabe. 8.3 Periodensysteme In einem Atom der Ordnungszahl (=Kernladungszahl) Z wirkt auf ein Elektron neben der Anziehungskraft des Kerns ∝ Ze2 auch die Coulomb-Abstoßung der restlichen Elektronen. Tatsächlich lassen sich diese Beiträge in guter Näherung zu einem 1-TeilchenZentralpotential V (r) zusammenfassen mit lim V (r) = − r→0 e2 Ze2 , lim V (r) = − . r r→∞ r (8.6) Die erste Gleichung gilt, weil das elektrische Feld der Elektronen mit r > r0 in r < r0 annähernd verschwindet, die zweite wegen des annähernden Coulomb-Charakters des Felds der Z − 1 Restelektronen. Da V (r) nicht einfach proportional zu 1r ist, hängen die Energie-Eigenwerte Enl des effektiven 1-Teilchen-Hamiltonoperators auch von der Bahndrehimpulsquantenzahl l ab. Das führt dazu, dass die Hauptquantenzahl n nicht mehr allein maßgeblich für die Aufeinanderfolge der Energieniveaus ist (außer n = 1, 2). Das Spektrum zerfällt in Teilmengen nahe beieinander liegender Energieniveaus, die Schalen genannt werden. Wegen des Ausschließungsprinzips werden die Niveaus bei Erhöhung von Z sukzessive in aufsteigender Reihenfolge besetzt. Eine geschlossene (=voll besetzte) Schale hat L = 0 und S = 0. Wegen der Energielücke zum nächsten freien Niveau sind Atome mit geschlossenen Schalen sehr stabil. Das erklärt die Eigenschaften der Edelgase mit Z = 2, 10, 18, 36, 54, 86, s. Abb. 8.1. Der Drehimpuls, das magnetische Moment, die Stabilität und die Natur der chemischen Bindung eines Atoms werden durch die Elektronen der äußersten Schale bestimmt. Die Elektronenkonfiguration eines Atoms wird durch die Besetzung der 1-Teilchenzustände der äußersten Schale spezifiziert. Z. B. ist die energetisch niedrigste Konfiguration eines Mg-Atoms (Z = 12) (3s)2 . Die Konfigurationen (3s)(3p) und (3p)2 liegen nur wenig höher. 98 Abbildung 8.1: Besetzte 1-Elektron-Energieniveaus eines Atoms mit Ordnungszahl Z Die Quantenzahl j des gesamten 1-Teilchen-Drehimpulses wird meist nicht angegeben, weil die Spin-Bahn-Kopplung klein im Vergleich zur Elektronenabstoßung ist. Aber für schwere Atome und innere Schalen werden die Quantenzahlen (j, l) relevant. Auch die Energieniveaus von Atomkernen weisen eine Schalenstruktur auf, obwohl die starke Wechselwirkung zwischen den Nukleonen sehr kompliziert ist (und insbesondere a priori kein Kraftzentrum auszeichnet). Der Hauptgrund ist wieder das Pauli-Prinzip. Im Fall kurzreichweitiger Wechselwirkungen lässt sich ein realistisches Zentralpotential nach der mittleren Teilchenzahldichte modellieren, die im Fall eines Atomkerns die (empirisch bestimmte) Saxon-Woods-Form w(r) = 1 1+e (8.7) r−R a hat, s. Abb. 8.2. 1 a = 0, 67f m beschreibt die Breite des Abfalls und R = r0 A 3 mit r0 = 1, 2f m (A... Massenzahl = Zahl der Nukleonen) ist der Kernradius. Das effektive Potential für ein Proton hat die Form ~ˆ · S ~ˆ + VCoul , V̂ (r) = −cw(r) − b(r)L r2 c = (−51 + 33 NA−Z )M eV , b(r) = 0, 44c r0 dw . dr 99 (8.8) Abbildung 8.2: Saxon-Woods-Verteilung Wir geben hier nur das wichtigste Resultat an: Abgeschlossene Schalen treten für folgende Werte von Z und der Neutronenzahl N auf: (Z, N ) = (2, 2), (8, 8), (20, 20), (20, 28), (28, 28), (50, 50), (50, 82), (82, 126) Diese Werte beschreiben die stabilsten Atomkerne und werden auch als magische Zah” len“ bezeichnet. Wir schließen diesen Abschnitt mit der Bemerkung, dass ein effektives 1-Teilchen-Zentralpotential natürlich kein vollwertiger Ersatz für 2-Teilchen-Wechselwirkungen ist. Die Näherung funktioniert am besten für Systeme, die ein Teilchen mehr oder weniger als eine volle Schale haben. 8.4 Moleküle Born-Oppenheimer-Näherung: mp >> me =⇒ Kerne viel langsamer als Elektronen. ~ i als klassische Parameter, löse das Problem =⇒ Behandle die Koordinaten der Kerne X ~ 1, X ~ 2 , ...) für Elektronen im statischen Feld der Kerne. Minimierung der Energie E(X bezüglich dieser Parameter gibt deren Gleichgewichtswerte. Kleine Abweichungen der Kerne von ihren Gleichgewichtspositionen führen auf Schwingungen, weil E für die Kerne die Bedeutung eines Potentials hat und in der Nähe des Gleichgewichts harmonische Form hat. Außerdem können die Moleküle zu kollektiven Rotationen (bei konstanten relativen Positionen der Elektronen und Kerne) angeregt werden. Diese beiden Effekte kommen zu den rein elektronischen Anregungen hinzu und führen auf ein reichhaltigeres Energiespektrum als bei Atomen (Bandenstruktur, s.u.). Einfachstes Beispiel: Wasserstoffion H2+ , s. Abb. 8.3: 2 ~ Ĥ = − 2m ∆− e2 ˆ −X ~ 1| |~ x − e2 ˆ −X ~ 2| |~ x + e2 . R 100 Abbildung 8.3: Das H2+ -Molekül Die Schrödingergleichung ist in elliptischen Koordinaten exakt lösbar, aber aus didaktischen Gründen lösen wir sie nur näherungsweise mit Hilfe einer Variationsmethode. Ist R >> rB , ist der Grundzustand zweifach entartet (H-Atom + dissoziiertes Proton): ~ 1 |), φ2 = φ100 (|~x − X ~ 2 |) φ1 = φ100 (|~x − X (8.9) (φ1 ⊥ φ2 nur für R >> rB , φ1 = φ2 für R = 0). Pauli-Prinzip für Protonen: Spinzustand symmetrisch (S=1) =⇒ Ortswellenfunktion φ− antisymmetrisch, Spinzustand antisymmetrisch (S=0) =⇒ Ortswellenfunktion φ+ symmetrisch, φ1 ∓ φ2 . φ∓ = p 2(1 ∓ h1 | 2i) (8.10) Die zu minimierende Energie ist E± (R) = h± | H±i = E100 + e 1 e2 1 e − h2 | | 2i ∓ h1 | | 2i ~ ~ 1| R (1 ± h1 | 2i) (1 ± h1 | 2i) |~x − X1 | |~x − X 2 2 2 h (weil hφ± | − 2m ∆ | φ± i − h1 | 1 ~ 2| |~ x−X | 1i = h2 | 1 ~ 1| |~ x−X | e2 (h1 | |~x−1X~ | | 2(1±h1|2i) 1 2i, h1 | |~x−1X~ | | 2i = h2 1 101 1i + h2 | | 1 ~ 2| |~ x−X 1 ~ 2| |~ x−X | 1i). (8.11) | 2i) = E100 und Offenbar ist limR→0 E± = ∞, limR→∞ E± = E100 . Da h1 | |~x−1X~ | | 2i > 0, ist E+ < E− . Die Funktionen E± (R) sind in der Abb. 8.4 1 dargestellt. Abbildung 8.4: Energie des H2+ -Moleküls für die näherungsweisen Wellenfunktionen φ± als Funktion des Protonenabstands Nur die Funktion φ+ liefert ein Minimum, weil ihre Symmetrie eine Häufung der Elektronendichte zwischen den beiden Kernen erlaubt, die deren Coulomb-Abstoßung abschirmt. Dies wird als kovalente Bindung bezeichnet. Aus der Abbildung geht auch die Existenz von Schwingungsmoden um das Gleichgewicht hervor. Das Rotationsspektrum von Molekülen wird in einer Übungsaufgabe behandelt. Abschätzung der Vibrationsenergie: Emin ist die Energie eines Elektrons, das in eiUnsch.-Rel. Virial ~2 nem Bereich der Ausdehnung ∼ R gebunden ist =⇒ −Emin ∼ Ekin ∼ 2mR 2 ≡ Eel . Von derselben Größenordnung ist der Wert des nähernden Oszillatorpotentials bei einer Auslenkung eines Kerns der Masse M um ∼ R: 1 − Emin ∼ M ω 2 R2 2 r 2 m ~ ⇒ ~ω ∼ ≡ Evib = hν M mR2 (= Energie eines Dipolstrahlungsquants; erfordert ∆n = 1). 102 (8.12) (8.13) Abschätzung der Rotationsenergie: Hauptträgheitsmomente I1 = I2 = I; I3 I ⇒ zu hohe Anregungsenergie, daher effektiv kein Beitrag zu Erot , s. Abb. 8.5: Abbildung 8.5: Hantelmodell eines zweiatomigen Moleküls L2 ~2 l(l + 1) m ~2 = = l(l + 1) I M R2 Mr mR2 m m : . ⇒ Eel : Evib : Erot ∼ |{z} 1 : M |{z} M optisch | {z } ⇒ Erot ∼ IR (8.14) (8.15) Mikrowelle Kombination der drei Typen von Übergängen liefert das Bandenemissionsspektrum von Molekülen (die Feinstruktur rührt von den Rotationsübergängen). 8.5 Weitere physikalische Konsequenzen des Pauli-Prinzips 8.5.1 Stimulierte Emission Seien | φi, | ψi zwei bosonische 1-Teilchen-Zustände. Ihre Übergangswahrscheinlichkeit ist bekanntlich |hφ | ψi|2 . Wir betrachten jetzt den (N + 1)-Teilchenzustand 1 | φ, ψ, . . . , ψ isymm = p · | {z } N + 1 + N (N + 1)|hφ | ψi|2 N (8.16) ·(| φi | ψi · · · | ψi+ | ψi | φi | ψi · · · | ψi + · · · + | ψi · · · | ψi | φi). Ist |hφ | ψi|2 << 1 , N dann folgt 1 |symm hφ, ψ, . . . , ψ | ψ, . . . , ψi|2 ≈ [(N + 1)hφ | ψi]2 = (N + 1)|hφ | ψi|2 . | {z } N +1 N 103 (8.17) (Falls |hφ | ψi|2 >> 1 N : |h | i|2 ≈ 1.) Sind bereits N Bosonen im Endzustand vorhanden, erhöht sich die Übergangswahrscheinlichkeit im Vergleich zur 1-Teilchen-Übergangswahrscheinlichkeit, und zwar um den Faktor N + 1, wenn letztere klein genug ist. In diesem Fall ist sie die Summe aus der Wahrscheinlichkeit für spontanten Übergang, |hφ | ψi|2 , und der Wahrscheinlichkeit für den durch die Anwesenheit von N Bosonen im Zustand | ψi stimulierten Übergang, N |hφ | ψi|2 . Anwendung auf Photonen: Laser-Effekt = stimulierte Emission von Licht: Ein (metastabil) angeregtes Atom emittiert bevorzugt ein Photon in den Quantenzustand, der bereits von weiteren Photonen besetzt ist → Kettenreaktion. 8.5.2 Der Grundzustand von N unabhängigen identischen Teilchen Der Hamiltonoperator eines Systems von unabhängigen = nicht wechselwirkenden (Idealisierung!) Teilchen lautet X ĥ(i) , (8.18) ⇒ Ĥ = ĥ ⊗ I| ⊗ ·{z · · ⊗ }I +I ⊗ ĥ ⊗ I· · · ⊗ I + · · · + I ⊗ · · · ⊗ ĥ ≡ i N −1 ĥ . . . 1-Teilchen-Hamiltonoperator. Seien i die Eigenwerte von ĥ, 1 ≤ 2 . . . ≤ i . . . Abbildung 8.6: Grundzustand eines Systems von N unabhängigen, identischen Teilchen. Links: Bosonen; rechts: Spin- 12 -Teilchen, F ...Fermi-Energie Dann gilt für die Grundzustandsenergie: E0 = PN 1 für Bosonsystem , E0 = N i=1 i für Fermionsystem. 104 Das höchste besetzte 1-Teilchen-Energieniveau eines Fermionsystems im Grundzustand heißt die Fermi-Energie des Systems, vgl. Abb. 8.6. Z. B. Spin- 21 -Teilchen in Würfel mit Seitenlänge L: 3 ~ Eigenzustände von ĥ : φ~k (~x) = L− 2 eik~x , ~k = 2π (n1 , n2 , n3 ) L (ni ∈ Z). Wegen Spin 21 können zwei Teilchen denselben Impuls p~ = ~~k haben. ⇒ Der Maximalwert von |~p| = Fermi-Impuls pF ist bestimmt durch N= X 2. (8.19) p ~(p<pF ) Falls N >> 1, ist P L 3 ) ∼ ( 2π R d3 k (vgl. Abschnitt 2.1) Z L3 L3 p3F 3 d p ⇒N ≈2 = (2π~)3 3π 2 ~3 p<pF | {z } (8.20) 4π 3 p 3 F ⇒ Teilchenzahldichte n = N 1 pF = 2 ( )3 . 3 L 3π ~ (8.21) 8.5.3 Verhalten von Fermion- und Bosonsystemen bei tiefer Temperatur Leitungselektronen im Metall: 2 ~2 (3π 2 n) 3 p2 ∼ 1eV >> kB T ≈ 0, 025 eV bei T = 300K F = F 2 = 2me 2m2e (8.22) ⇒ Leitungselektronen gut beschrieben durch Fermi-Gas bei T = 0. Stabilität von Atomkernen: Neutronen können nicht zerfallen, weil die mit Energieerhaltung verträglichen Protonzustände bereits besetzt sind. Endstadien der Sternentwicklung: Weiße Zwerge und Neutronsysteme stabilisiert durch Fermidruck der Elektronen bzw. Neutronen. 105 Bose-Einstein-Kondensation: Nicht wechselwirkende Bosonen besetzen schon bei endlicher Temperatur T den Grundzustand des sie bindenden Potentials, wenn > n∼ 1 λ3T , λT ≡ √ h 2πmkT (thermische Wellenlänge), z. B. Gase von Alkali-Atomen bei T < 10−6 K (seit 1995), Suprafluidität (He unter 2,17 K), Supraleitung (Bosonen = Cooper-Paare). 8.5.4 Stabilität der Materie Der fermionische Charakter der Grundbausteine der Materie ist wesentlich für deren Stabilität. Was hält die Welt im Innersten zusammen? Natürlich die elektrostatische Anziehung zwischen Elektronen und Atomkernen. Es ist aber keineswegs offensichtlich, warum das funktioniert. Denn schon in der klassischen Physik ist die Stabilität der Materie in zweierlei Hinsicht bedroht: Was hindert sie nämlich daran, auf Grund dieser Anziehung total zu implodieren? Andererseits erscheint wegen der elektrostatischen Abstoßung zwischen den Kernen und zwischen den Elektronen auch das Gegenteil, eine Explosion möglich. In der Newtonschen Mechanik ist beides deswegen ausgeschlossen, weil ungleichnamige Ladungen zur Paarbildung neigen. Diese Paare sind nach außen neutral, und die Materie sollte sich demnach zerstreuen“, wenn wir von der Gravi” tation absehen, die erst bei sehr großen Teilchenzahlen relevant wird. (Aber auch für makroskopische gravitierende Körper wiederholt sich innerhalb gewisser Grenzen dasselbe Spiel, weil gravitativ gebundene Mehrkörpersysteme dazu neigen, sich in Paare und Einzelgänger aufzulösen). Die Zerstreuung der Materie wird durch die Quantenmechanik verhindert. Der Grund ist die Unschärferelation: Sie verhindert, dass sich zu enge Paare bilden, weil bei zu großer Annäherung der Impuls unschärfer wird und die Teilchenenergie daher wieder zunimmt. Es lässt sich also nicht genügend Bindungsenergie gewinnen, um die restlichen Teilchen eines gebundenen Systems zu entfernen. Umso weniger kommt es zu einer Explosion. Die Möglichkeit der Implosion erfordert eine genauere Diskussion. Betrachten wir zunächst den Fall eines insgesamt neutralen Systems von N geladenen Bosonen. Nehmen sie ein Volumen der linearen Ausdehnung R ein, ist zwar der mittlere Teilchenabstand r = 1 V 31 ) ∼ RN − 3 , aber jedes Teilchen hat das ganze Volumen zur Verfügung (sie können (N sogar alle im selben Zustand sein). Die kinetische Energie auf Grund der Impulsunschärfe 1 ∼ R~ ist daher Ekin ∝ RN2 ∼ Nr23 . Die elekrostatische Energie ist Epot ∝ − Nr . Die Summe 2 der beiden ist minimal für r ∼ N − 3 . D. h. mit zunehmender Teilchenzahl schrumpft das System, was offenbar für N → ∞ zur Katastrophe führt. 106 Ersetzen wir aber die Bosonen durch Fermionen, bekommen wir ein ganz anderes Verhalten: Die Wellenfunktionen von Fermionen überlappen sich wegen des Pauliverbots nicht, daher ist die Impulsunschärfe ∼ ~r und Ekin ∝ rN2 . Das Minimum der Gesamtenergie stellt sich daher bei einem mittleren Abstand r ∼ rB ein, der von N nicht abhängt: Die Materie ist stabil. 107 Kapitel 9 Elemente der Streutheorie 9.1 Streuamplitude und Streuquerschnitt Wir betrachten die Streuung eines Teilchens durch ein Zentralpotential endlicher Reichweite. Als Beschreibung dieses Vorgangs setzen wir eine stationäre Wellenfunktion ϕ(r, ϑ) an, die asymptotisch die Überlagerung einer entlang der z-Achse einfallenden, ebenen Welle und einer auslaufenden Kugelwelle ist (s. Abb. 9.1): r→∞ ikz ϕ(r, ϑ) −→ A(e 1√ eikr fk (ϑ)), k ≡ 2mE. + r ~ (9.1) Abbildung 9.1: Streuzentrum mit einfallender ebener Welle und auslaufender Kugelwelle fk heißt Streuamplitude. Wegen der Axialsymmetrie des Problems tritt der Azimuthwinkel ϕ nicht auf. Wegen der Erhaltung der Wahrscheinlichkeit muss eine Kugelwelle Amplitude ∝ 1r haben. Offenbar erfüllt ϕ mit beliebigem fk (ϑ) asymptotisch bis zur Ordnung 1r die Helmholtz-Gleichung. Die Wahrscheinlichkeitsstromdichte der einfallenden Welle ist v|A|2 (mit der klassischen 108 2 ), diejenige der Kugelwelle in Richtung ϑ ist v |A| |fk (ϑ)|2 . Teilchengeschwindigkeit v = ~k m r2 Multipliziert man letztere mit r2 , erhält man den Strom pro Raumwinkel. Bekanntlich definiert der Quotient aus diesem und der einfallenden Stromdichte den klassischen differentiellen Wirkungsquerschnitt, wenn man Wahrscheinlichkeit“ durch klassische ” ” Teilchenzahl“ ersetzt. Daher ist der quantenmechanische differentielle Wirkungsquerschnitt dσ = |fk (ϑ)|2 . dΩ (9.2) (Wir haben hier den Interferenzterm in der Stromdichte, der sich aus den beiden Anteilen in Gleichung 9.1 ergibt, nicht berücksichtigt. Er ist in der Praxis irrelevant, weil die ebene Welle die Idealisierung eines kollimierten einfallenden Strahls ist, der für Messungen abseits der z-Achse vernachlässigt werden kann.) Bemerkung: Für ein freies Teilchen hatten wir eine Kugelwelle der Form, wie sie in Gl. 9.1 auftritt, wegen der Singularität in r = 0 als Lösung ausgeschlossen. Aus diesem Grund kann fk nur für ein nichttriviales Potential ungleich 0 sein. Wir werden im nächsten Abschnitt verifizieren, dass es i. A. tatsächlich eine Lösung mit dem asymptotischen Verhalten 9.1 gibt. 9.2 Entwicklung nach Partialwellen Separiert man die zeitunabhängige Schrödingergleichung mit Zentralpotential in Polarkoordinaten, findet man für jeden Wert der Energie bzw. des Impulsbetrags ~k und der Drehimpulsquantenzahl l nur eine linear unabhängige Lösung, die im Ursprung regulär ist. Im Fall endlicher Reichweite (V (r) fällt im Unendlichen rascher ab als 1r ) hat der Radialanteil dieser Lösung das asymptotische Verhalten r→∞ Rl (r) −→ Ãl (cos δl jl (kr) − sin δl nl (kr)). (9.3) jl (kr) ist die uns bereits aus Kap. 7.1 bekannte sphärische Besselfunktion (1. Art). Die sphärische Neumannfunktion (Besselfunktion 2. Art) nl ist eine weitere linear unabhängige Lösung der freien radialen Schrödingergleichung, die allerdings in r = 0 singulär ist. Diese Funktionen haben das folgende asymptotische Verhalten: 109 (2l − 1)!! %l %→0 , nl (ρ) −→ − (2l + 1)!! %l+1 (9.4) 1 lπ 1 lπ %→∞ sin(% − ), nl (ρ) −→ − cos(% − ). % 2 % 2 (9.5) %→0 jl (ρ) −→ %→∞ jl (ρ) −→ Wir zeigen mit Hilfe der beiden letzten Relationen, dass ϕ(r, ϑ) in der Tat nach den axialsymmetrischen Lösungen Rl (r)Yl0 (ϑ) entwickelt werden kann, und bestimmen die Entwicklungskoeffizienten. Offenbar gilt: r→∞ Rl (r) −→ lπ Ãl sin(kr − + δl ). kr 2 (9.6) δl ist also die Phasenverschiebung der l-ten Partialwelle relativ zum potentialfreien Fall und heißt daher Streuphase. Die δl enthalten die gesamte Information über den Streuprozess. Wegen Yl0 = q 2l+1 Pl (cos ϑ) 4π können wir die Rayleigh-Formel ikr cos ϑ e ∞ X = (2l + 1)il jl (kr)Pl (cos ϑ) (9.7) l=0 verwenden. Setzen wir dies in Gl. 9.1 mit A = 1 ein und entwickeln ϕ(r, ϑ) formal nach den Rl (r)Yl0 (ϑ) (mit unbestimmten Koeffizienten Al ), erhalten wir: ∞ X l=0 (2l + 1)il lπ eikr 1 sin(kr − )Pl (cos ϑ) + fk (ϑ) = kr 2 r ∞ X l Al lπ (2l + 1)i sin(kr − + δl )Pl (cos ϑ). kr 2 l=0 (9.8) Wir drücken nun die Sinusfunktionen durch Exponentialfunktionen aus und setzen die Koeffizienten von eikr bzw. e−ikr auf den beiden Seiten dieser Gleichung gleich: 110 ikr e : 2ikfk (ϑ) + ∞ X lπ (2l + 1)il e−i 2 Pl (cos ϑ) = l=0 ∞ X lπ (2l + 1)il Al ei(δl − 2 ) Pl (cos ϑ) (9.9) l=0 e −ikr : ∞ X lπ (2l + 1)il ei 2 Pl (cos ϑ) = l=0 ∞ X (9.10) l (2l + 1)i Al e −i(δl − lπ ) 2 Pl (cos ϑ). l=0 Da dies für alle ϑ gelten muss und die Legendre-Polynome ein Orthogonalsystem bilden, folgt aus der letzten Gleichung: Al = eiδl . (9.11) Setzen wir dies in Gl. 9.9 ein, bekommen wir: fk (ϑ) = ∞ 1 X (2l + 1)(e2iδl − 1)Pl (cos ϑ) = 2ik l=0 √ X ∞ √ π −i 2l + 1(e2iδl − 1)Yl0 (ϑ), k l=0 (9.12) lπ da il = ei 2 . 9.3 Konsequenzen und Verallgemeinerungen Aus dem differentiellen Wirkungsquerschnitt ∞ dσ π X√ = |fk (ϑ)|2 = 2 | 2l + 1(e2iδl − 1)Yl0 |2 dΩ k l=0 111 (9.13) erhalten wir den totalen Streuquerschnitt Z σ= dσ dΩ = 2π dΩ Zπ |fk (ϑ)|2 sin ϑ dϑ = 0 ∞ 4π X (2l + 1) sin2 δl k 2 l=0 (9.14) wegen der Orthonormalität der Yl0 . Vergleich mit Gl. 9.12 gibt σ= 4π Im fk (0), k (9.15) d. h. die Abschwächung1 des transmittierten Strahls, die durch Im fk (0) gemessen wird, ist proportional zum totalen Streuquerschnitt. Dies ist der einfachste Fall des sog. optischen Theorems, das nicht nur in der Streutheorie gilt. Der klassische minimale Abstand von der z-Achse für ein Teilchen mit Bahndrehimpuls ~l und Impuls ~k ist l/k. Verschwindet das Potential für r > a, dann wird ein klassisches Teilchen mit l > ka nicht abgelenkt. Ähnliches gilt auch in der Quantenmechanik: Das erste und größte Maximum von jl (kr) liegt ungefähr in r = kl . Falls l > ka, liegt es dort, wo das Potential verschwindet. Daher bricht die Reihe in Gl. 9.12 effektiv bei l ∼ ka ab: Für r < a << kl ist Rl (r) sehr klein und die l-te Partialwelle wird daher kaum vom Potential beeinflusst. Daher ist auch die Phasenverschiebung δl sehr klein. Beispiel: Streuung an einer harten Kugel mit Radius a, siehe Abb. 9.2: Rl (ka) = 0 =⇒ tan δl = jl (ka) nl (ka) −(ka)2l+1 =⇒ lim tan δl = ka→0 (2l + 1)[(2l − 1)!!]2 (9.16) =⇒ Für ka → 0 verschwinden alle Partialwellenbeiträge zu fk außer jener mit l = 0 (wegen des Vorfaktors k1 in fk ), tan δ0 ≈ −ka ≈ sin δ0 =⇒ 1 dσ ≈ a2 , σ ≈ 4πa2 . dΩ (9.17) Da durch Streuung Teilchen aus dem einfallenden Strahl entfernt werden, muss seine Intensität hinter dem Streuzentrum kleiner sein als davor. Dies kann nur durch Interferenz geschehen, die durch den Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude zustandekommt. 112 Abbildung 9.2: Potential einer harten Kugel Die Streuung erfolgt also sphärisch symmetrisch und der totale Querschnitt ist 4-mal der geometrische Querschnitt = klassische Streuquerschnitt der Kugel. Dieses Resultat gilt auch in der Optik und ist charakteristisch für langwellige Streuung. Im Hochenergielimes wird σ ≈ 2πa2 und nicht wie vielleicht zu erwarten πa2 . Die in diesem Beispiel evidente Unabhängigkeit der langwelligen Streuung von der Teilchenenergie und dem Beobachtungswinkel gilt für fast alle Potentiale endlicher Reichweite. Im Normalfall ist as = − lim fk (ϑ, ϕ) k→0 (9.18) eine reelle Konstante, die als Streulänge bezeichnet wird. Der Wirkungsquerschnitt ist in diesem Grenzfall σ = 4πa2s . In Ausnahmefällen kann aber ein δl nahe bei π2 liegen, was den Beitrag dieser Partialwelle zum Wirkungsquerschnitt maximiert. Man sagt dann, dass sie in Resonanz mit dem streuenden Potential ist. Wenn ein bindendes Potential einen gebundenen Zustand mit (negativer) Energie nahe 0 hat, weist die Streuung von Teilchen kleiner (positiver) Energie eine Resonanz beim Wert l des gebundenen Zustands auf. Potentiale, die fast“ gebundene Zustände positiver Energie haben, die aber wegen ” des Tunneleffekts nicht stationär sind, wie das effektive Potential für den α-Zerfall (siehe Kap. 5.3), weisen scharfe Resonanzmaxima auf, die mit diesen virtuellen Energieeigenwerten korrespondieren. Der physikalische Grund für alle Streuresonanzen ist, dass ein einfallendes Teilchen, das fast die richtige Energie hat, um vom Potential gebunden zu werden, in diesem eine höhere Aufenthaltswahrscheinlichkeit hat, was eine große Ver” zerrung“ der Wellenfunktion und daher auch einen großen Streueffekt produziert. Positive Potentiale erzeugen negative Streuphasen δl , d. h. die radiale Wellenfunktion wird im Vergleich zur freien Lösung hinausgestoßen“. Umgekehrt bewirken negative, ” 113 also anziehende Potentiale negative δl , ziehen“ also Wellenfunktionen hinein“. Das ist ” ” auch der tiefere Grund für den Ramsauer-Townsend-Effekt (siehe Kap. 5.2.2), bei dem ka klein genug ist, um δl ≈ 0 für alle l > 0 zu machen, die Anziehung aber so groß, dass δ0 = π. Daher gibt es keine Streuung. Eine Sonderstellung nimmt das Coulomb-Potential ein, weil für dieses im asymptotischen Verhalten 9.1 von ϕ(r, ϑ) die Funktion eikr durch ei(kr−c ln r) zu ersetzen ist, wobei c=m q 1 q2 q1 q2 = . 2 ~k ~v (9.19) Wegen der logarithmischen Korrektur der Phase können die Streuphasen nicht auf die Standardweise definiert werden. Dennoch ist eine exakte Lösung des Streuproblems in Polarkoordinaten möglich. Sie würde aber den Rahmen dieser Vorlesung sprengen. Die Streuamplitude lässt sich nicht nur auf nicht sphärisch symmetrische Potentiale verallgemeinern, sondern auch auf Wechselwirkungen, die gar nicht durch ein Potential beschrieben werden können. Ein Beispiel ist inelastische Streuung, die manchmal näherungsweise mit Hilfe eines komplexen Potentials beschrieben werden kann. Die Asymptotenbedingung 9.1 verallgemeinert sich für ein unsymmetrisches Potential und ohne Auszeichnung der z-Achse mit A = 1 zu 1 r→∞ ~ ϕ~k (~x) −→ eik~x + f (~k, ~kr )eikr . r (9.20) f (~k, ~kr ) ist die Amplitude für die Streuung eines Teilchens mit Anfangsimpuls ~~k, das den Endimpuls ~~kr bekommt, wobei ~kr denselben Betrag k wie ~k hat, aber die Richtung von ~x. Diese zeitunabhängige Beschreibung mit Hilfe einer stationären Wellenfunktion ist offenbar in einem zeitabhängigen Potential nicht mehr möglich. Aber auch in einem statischen Potential ist die zeitabhängige Schrödingergleichung heranzuziehen, wenn man die Streuung eines räumlich konzentrierten Wellenpakets beschreiben will. Die natürliche Verallgemeinerung der Streuamplituden f (~k, ~k 0 ) auf diese allgemeinen Situationen leistet die Streumatrix, auch S-Matrix genannt. Sie ist folgendermaßen definiert: Wir nehmen an, dass das Potential V in der fernen Vergangenheit oder Zukunft nicht wirksam ist, sodass in der Schrödingergleichung der Hamiltonoperator H für t < −T1 und t > T2 durch den freien Hamiltonoperator H0 ersetzt werden kann (T1 , T2 sind große, aber endliche Zeiten). Das kann sein, weil V zu endlichen Zeiten ein- und ausgeschalten wird oder weil die Anfangs- und Endzustände aus Wellenpaketen bestehen, die außer Reichweite des Potentials liegen. 114 Seien ψα0 (t, ~x) ein vollständiges System von Lösungen der freien Schrödingergleichung. Zu jedem ψα0 (t, ~x) gibt es eine Lösung ψα− (t, ~x) bzw. ψα+ (t, ~x) der vollen Schrödingergleichung, die für t < −T1 bzw. t > T2 mit ψα0 übereinstimmt. Dann ist hβ | S | αi := hψβ+ | ψα− i (9.21) die Amplitude dafür, dass zu späten Zeiten der freie Teilchenzustand | βi in dem Zustand enthalten ist, der aus dem anfänglichen freien Teilchenzustand | αi hervorgegangen ist 2 . Diese Amplitude definiert ein Element der S-Matrix. Unter der Annahme der asym” ptotischen Vollständigkeit“ der Lösungen ψα− bzw. ψα+ ist die S-Matrix unitär. Aus der freien bzw. vollen Schrödingergleichung für ψα0 bzw. ψα+,− folgt über den Satz von Gauß (vgl. die in Kap.3.8 diskutierte Erhaltung des inneren Produkts bzw. die entsprechende Übungsaufgabe) i hβ | S | αi = hβ | αi − ~ Z Z dt R ∗ d3 x ψβ0 (t, ~x) V (t, ~x) ψα+ (t, ~x). (9.22) R3 In der sog. Bornschen Näherung wird im Integral ψα+ durch ψα0 ersetzt. Für ein statisches Potential gibt die Zeitintegration ein divergentes Resultat. Der physikalische Grund ist, dass die Übergangsrate eine endliche Konstante ist. Man kann zeigen, dass in der Bornschen Näherung die Streuamplitude durch f (~k, ~k 0 ) = Z ~ ~0 ei(k−k )·~x V (~x) d3 x, (9.23) also im Wesentlichen durch die Fouriertransformierte des Potentials, gegeben ist. Dies herzuleiten ist Aufgabe der zeitabhängigen Störungstheorie, auf die in dieser Vorlesung nicht eingegangen wird. 2 | αi und | βi werden durch die freie Wellenfunktion ψα0 bzw. ψβ0 beschrieben. 115 Kapitel 10 Ein Test der Grundlagen der Quantenmechanik 10.1 Verschränkung und die Frage der Vollständigkeit der Quantenmechanik Verschränkung impliziert Korrelation: Misst man in einem verschränkten Zustand zwei 1Teilchen-Observable, so sind die Messresultate korreliert, auch wenn die Messvorschriften zwei verschiedene Orte beinhalten. 1935 Einstein, Podolski, Rosen ( EPR-Paradoxon“): Separiert man ein verschränktes ” ” Paar und führt an jedem Teilchen kausal getrennt eine Messung aus, dann sind die Resultate korreliert.“ Wie kann das sein, wenn diese Resultate erst durch den Messprozess zustande kommen und zufällig sind? Das wirft die Frage auf: Sind Teilcheneigenschaften schon vor der Messung festgelegt, d. h. ist die Quantentheorie unvollständig und ergibt sich ihr probabilistischer Charakter aus der Unkenntnis verborgener Parameter“ ” in einer deterministischen Theorie? 1964 Theorem von J. S. Bell: Kriterium, das die Quantenmechanik von einer lokal ” realistischen“ Theorie unterscheidet 10.2 Das Bell-Experiment: quantentheoretische Beschreibung Eine Quelle emittiert zwei Photonen in entgegengesetzte Richtungen. Zwei Beobachter, A(lice) und B(ob), erhalten jeweils ein Photon und messen seine Polarisation entlang 116 der Richtung α bzw. β 1 . Der Zwei-Photonen-Zustand sei S 1 1 H ⊗ H 3| ψi = √ (| Hi | V i− | V i | Hi) √ (| Ai | Bi− | Bi | Ai). 2 2 (10.1) | Hi, | V i . . . Polarisationszustände, ONB in Hpol ∼ = C2 | Ai, | Bi . . . beschreiben räumliche Ausbreitung zu A, B, ONB in Hraum ∼ = C2 H = Hpol ⊗ Hraum Die beiden Messungen werden durch folgende 1-Teilchen-Observable beschrieben: R̂αA = R̂α P̂A ⊗ I + I ⊗ R̂α P̂A R̂βB = R̂β P̂B ⊗ I + I ⊗ R̂β P̂B (10.2) (10.3) R̂α =| +αih+α | − | −αih−α | | +αi = cos α | Hi + sin α | V i | −αi = − sin α | Hi + cos α | V i P̂A =| AihA | (10.4) (10.5) (10.6) (10.7) (R̂β , P̂B analog). Die Operatoren R̂αA und R̂βB kommutieren und haben die gemeinsamen Eigenzustände 1 | rαA , rβB i = √ (| ±αi | ±βi | Ai | Bi + (1 ↔ 2)) 2 (10.8) zu den Eigenwerten rαA = ±1, rβB = ±1. (1 ↔ 2) bedeutet den Austausch der 1Teilchen-Zustände im Tensorprodukt. Wegen | Hi | V i− | V i | Hi =| +αi | −αi− | −αi | +αi (10.9) hat Ψ die Darstellung 1 D. h. A misst, ob ihr Photon von einem um den Winkel α zur Horizontalen verdrehten Polarisator durchgelassen wird oder nicht. Diese beiden Alternativen werden durch die Polarisationszustände | +αi und | −αi beschrieben. 117 1 Ψ = [(| +αi | −αi− | −αi | +αi) | Ai | Bi + (1 ↔ 2)]. 2 (10.10) Gemäß dem Projektionspostulat wird Ψ daher durch Messung von R̂αA auf einen der Zustände 1 (| +αi | −αi | Ai | Bi + (1 ↔ 2)) 2 (10.11) reduziert. Dieser Zustand ist natürlich auch verschränkt. Die Behauptung, dass die Messung einer 1-Teilchen-Observablen die Verschränkung zerstört“, ist also falsch. Dieser ” Eindruck wird nur erweckt, wenn – wie in den meisten Lehrbüchern – die Zustände | Ai,| Bi unterdrückt werden. Damit unterdrückt man auch die Symmetrisierung in Gl. 10.10 und folglich die in Gl. 10.11 . Richtig ist aber: Misst A den Wert +1, dann ist der Zustand für B effektiv auf | −αi reduziert, d. h. seine Messung gibt dasselbe Resultat wie die Messung von R̂β im 1-Teilchen-Zustand | −αi. Das Wort dann“ bedeutet hier i. ” A. nicht kausale Abfolge, was das EPR-Paradoxon ausmacht. Für jedes emittierte Photonenpaar gibt es vier mögliche Messergebnisse entsprechend den Eigenwerten rαA = ±1, rβB = ±1 von R̂αA bzw. R̂βB . Die Wahrscheinlichkeit für eines dieser Resultate ist P (rαA , rβB ) = |hΨ | rαA , rβB i|2 . (10.12) Man verifiziert leicht 1 P (+1, +1) = P (−1, −1) = [1 − cos 2(α − β)] 4 1 P (+1, −1) = P (−1, +1) = [1 + cos 2(α − β)]. 4 (10.13) (10.14) Insbesondere ist im Fall α = β deterministisch rαA = −rβB . Da hR̂αA iΨ = hR̂βB iΨ = 0, sind für jeden Beobachter beide Messwerte gleich wahrscheinlich, egal wie der andere seine Polarisatorrichtung wählt. Wenn sie aber ihre Resultate vergleichen, stellen sie gemäß Gl. 10.14 Korrelationen fest, d. h. die gemeinsame Wahrscheinlichkeit für ihre vier Messergebnisse hängt von der Wahl beider Polarisatorrichtungen (tatsächlich nur von ihrem relativen Winkel α − β) ab. Diese Korrelationen sind natürlich unabhängig vom räumlichen Abstand zwischen A und B oder vom zeitlichen Abstand oder auch nur der zeitlichen Reihenfolge ihrer Messungen! Quantitativ wird die Stärke der Korrelation durch den Korrelationskoeffizienten 118 E(α, β) = P (rαA = rβB ) − P (rαA 6= rβB ) = rαA rβB = hR̂αA R̂βB i2 (10.15) beschrieben, der Werte zwischen +1 und −1 annehmen kann. Der Wert +1 bedeutet perfekte Korrelation (beide Messungen liefern immer dasselbe Resultat), −1 Antikorrelation (die gemessenen Polarisationen sind immer entgegengesetzt). Aus den Wahrscheinlichkeiten in Gl. 10.14 folgt E(α, β) = − cos 2(α − β). (10.16) 10.3 Das Bellsche Theorem Das Auftreten von Korrelationen E(α, β) 6= 0 im besprochenen Experiment ist an sich nicht überraschend. Schließlich haben die registrierten Photonen einen gemeinsamen Ursprung in der Quelle, die den sehr speziellen Zustand Ψ produziert. Dennoch vermeinten historisch manche Physiker darin einen Hinweis auf die Unvollständigkeit der Quantenmechanik zu erblicken, weil sie einen klaren Mechanismus vermissten, der die Korrelationen erzeugt, und daher nach klassischen Erklärungen suchten. Dafür kamen in Frage: 1. Korrelation durch Kommunikation; das ist aber ausgeschlossen, weil Information höchstens mit Lichtgeschwindigkeit übertragen werden kann. 2. Korrelation durch pre-established agreement“ (Vorbestimmung der Messwerte), d. h. ” die Photonen könnten, weil sie von derselben Quelle stammen, korrelierte Information darüber mit sich führen, was jedes bei jeder möglichen Messung tun würde. Nehmen wir also an, jedes Photon trägt eine Liste aller möglichen Messresultate in der Form λA = {· · · , rαA , rα0 A , rα00 A , · · · } bzw. λB = {· · · , rβB , rβ 0 B , rβ 00 B , · · · } (10.17) (10.18) mit definitiven Einträgen. Solche Listen werden als (lokale) verborgene Parameter bezeichnet. 2 Da [R̂αA , R̂βB ] = 0, sind rαA rβB die Eigenwerte von R̂αA R̂βB . 119 Es war das Verdienst von J. S. Bell zu zeigen, dass auch dieser Mechanismus ausgeschlossen ist. Wir leiten hier eine dem Bellschen Theorem gleichwertige Aussage, nämlich die CHSH-Ungleichung (Clauser, Horne, Shimony, Holt 1969) her. Dazu erweitern wir das Experiment aus Kap. 10.2 dahingehend, dass A und B jeweils zwischen zwei Zustandsbasen α und α0 bzw. β und β 0 wählen können. Gibt es eine verborgene Variable λ = {λA , λB } mit λA = {rαA , rα0 A } λB = {rβB , rβ 0 B }, (10.19) (10.20) dann können wir folgenden Ausdruck bilden: S(λ) = (rαA + rα0 A )rβB + (rαA − rα0 A )rβ 0 B }. (10.21) Man verifiziert leicht, dass S(λ) nur die Werte +2 und −2 annehmen kann (für beliebige λ). Tatsächlich kann S(λ) nicht in einem einzigen Experiment bestimmt werden, weil jedes Photon nur einer einzigen Polarisationsmessung unterzogen werden kann. A und B können das Experiment aber mit vielen Photonenpaaren wiederholen und dabei zwischen α und α0 bzw. β und β 0 hin- und herwechseln. Offenbar erfüllt der Mittelwert S̄ 3 die Bellsche Ungleichung (CHSH) |S̄| ≤ 2. (10.22) Der Vergleich mit der Vorhersage der Quantenmechanik, nämlich dem Erwartungswert hŜi = E(α, β) + E(α0 , β) + E(α, β 0 ) − E(α0 , β 0 ) (10.23) zeigt, dass (lokale) verborgene Variablen die quantenmechanischen Korrelationen nicht erklären können: Wählt man z. B. α = 0, α0 = π4 , β = π8 und β 0 = − π8 , folgt aus Gl. 10.16 √ 1 1 1 1 hŜi = − √ − √ − √ − √ = −2 2, 2 2 2 2 3 Wir lassen zu, dass λ nicht von Experiment zu Experiment gleich bleibt. 120 (10.24) d. h. in der Quantenmechanik ist die Bellsche Ungleichung verletzt. Diese Verletzung wurde 1981/82 von A. Aspect experimentell bestätigt. Allerdings wurden die beiden Schlupflöcher“ Lokalität und Detektion noch nicht in einem einzigen Experiment ge” schlossen. Zusammenfassung: Das Bemerkenswerte an den Korrelationen in Gl. 10.16 ist nicht ihre vermeintliche Nichtlokalität“ (eine solche ist schon klassisch zu erwarten), sondern ” ihre Nichtklassizität. Durch ihre experimentelle Bestätigung konnte eine sogenannte lo” kale realistische“ Erklärung der Quantenmechanik durch verborgene Parameter ausgeschlossen werden. Folgerung: Die Messresultate sind echte Zufallszahlen (wenn man sie zu binären Strings zusammenfasst, indem man −1 durch 0 ersetzt): Wären sie es nicht, könnte sie ein Algorithmus generieren, d. h. man könnte eine Liste erstellen; genau das schließt die Bellsche Ungleichung aus. Diese Zufallszahlen sind auch geheim (kein Dritter kann sie kennen, weil das wieder die Existenz einer Liste bedeuten würde). Mit Hilfe der Bellschen Ungleichung kann man auch die Echtheit (oder Privatheit“) ” eines Zufallsgenerators ( black box“) testen (dazu braucht man allerdings zwei solche ” Systeme, die auf zwei verschiedene Weisen gemessen werden können und binäre Resultate liefern). Mit diesen Bemerkungen haben wir einen ersten Schritt in die Quanteninformationstheorie gemacht, die heute schon praktische Anwendungen hat und auch die Möglichkeit eines Quantencomputers“ eröffnet, der statt mit Bits mit Qbits“ (Zuständen im ” ” zweidimensionalen Hilbertraum C2 ) operiert. 121 Abbildungsverzeichnis 2.1 2.2 2.3 Stehende Wellen: Überlagerung von links- und rechtslaufender Welle . . . Schematische Darstellung des Planck’schen Strahlungsspektrums . . . . . Elastische Streuung eines Photons an einem Elektron. . . . . . . . . . . . 8 10 11 Fernfelder zweier Punktquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interferenzmuster um ϑ = 0. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beugung an einem Loch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beugung an einem Spalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beugungsmuster am Spalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beugungsmuster des Doppelspalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelspalt-Experiment mit Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsbestimmung der Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orts- und Impulsmessung eines Elektrons durch Lichtstrahl, der durch Lochblende gebündelt wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Zerfließen eines Gauß’schen Wellenpakets . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 17 17 18 19 20 21 21 23 34 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 Grafische Lösung der transzendenten Gleichung (5.9) . Grafische Lösung für den kleinen Potentialtopf . . . . . Transparenz des Potentialtopfs . . . . . . . . . . . . . . Die Breit-Wigner-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . Potentialschwelle mit tunnelnder“ Wellenfunktion . . ” Zur Berechnung des Gamow-Faktors im Potential V(x) Kalte Emission von Elektronen . . . . . . . . . . . . . Effektives Potential eines Atomkerns und α-Zerfall . . . . . . . . . . . 52 54 57 59 60 62 63 64 6.1 Polarwinkel-Wahrscheinlichkeitsverteilung der einfachsten Bahndrehimpulseigenzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stern-Gerlach-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 80 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 6.2 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besetzte 1-Elektron-Energieniveaus eines Atoms mit Ordnungszahl Z . . Saxon-Woods-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das H2+ -Molekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energie des H2+ -Moleküls für die näherungsweisen Wellenfunktionen φ± als Funktion des Protonenabstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hantelmodell eines zweiatomigen Moleküls . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 99 100 101 102 103 8.6 Grundzustand eines Systems von N unabhängigen, identischen Teilchen. Links: Bosonen; rechts: Spin- 12 -Teilchen, F ...Fermi-Energie . . . . . . . . 104 9.1 9.2 Streuzentrum mit einfallender ebener Welle und auslaufender Kugelwelle 108 Potential einer harten Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 123 Literaturverzeichnis [1] Jean-Louis Basdevant, Jean Dalibard. Quantum Mechanics. Springer, Berlin, 2005. [2] Albert Messiah. Quantenmechanik, Band 1. De Gruyter, 1991. [3] Albert Messiah. Quantenmechanik, Band 2. De Gruyter, 1990. [4] Thorsten Fließbach. Quantenmechanik: Lehrbuch zur Theoretischen Physik III. Spektrum Akademischer Verlag, 2008. [5] Lew D. Landau, Eewgeni M. Lifschitz. 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