Diu Vallende Suht (Henrietta Horn) Viel Tanz mit

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Rezensionen
Diu Vallende Suht (Henrietta Horn)
NRZ
9. Juni 1998
Viel Tanz mit kurzen Taktzeiten
NRW Kultur auf dem Kennedyplatz
Von MARTlNA SCHÜRMANN
Wenn andere darüber diskutieren, wieviel Kultur man sich noch leisten kann, dann will sich
zumindest der Kulturrat NRW eines nicht mehr leisten: introvertierte Eigenbrödlerei. Und so
verläßt man dieser Tage landesweit die etablierten Kulturstätten und demonstriert auf
öffentlichen Plätzen künstlerische Vielfalt. Auch auf dem Kennedyplatz, wo der „NRW-TanzTag“ am Freitag, 12. Juni, von 15 bis etwa 18 Uhr erstmals über die Bühne geht. Das formulierte
Ziel heißt dort in erster Linie Breitenwirkung, und deshalb will man „alles zeigen, was springt“.
Dazu gehört der Fachbereich Tanz der Musikhochschule Köln ebenso wie der Break-DanceNachwuchs aus Duisburg, da gibt’s Bewegungstheater, Indische Klänge und FolkwangFlamenco sowieso. Klingt populär, soll populär sein. Das zehntätige NRW-Spektakel beinhalte
keine „Qualitätsdiskussion“, man wolle Vielfalt zeigen, versichert NRW Kulturrats-Vorsitzender
Hans Georg Bögner. Und verweist auf Strukturdaten, die 700 Tänzer, aber auch 400
Ballettschulen mit 280 000 Schülern auflisten. Das alles sei Tanz in NRW, den
man den Passanten en passant auf dem Kennedyplatz zeigen möchte. Mehr als ein zehnMinuten- Häppchen ist die Uraufführung von Henrietta Horns „Diu Vallende Suht“ am Freitag
um 20 Uhr im Choreographischen Zentrum. Der Titel ist mittelhochdeutsch, bedeutet Fallsucht,
Veitstanz genannt. Der „Tanzwut“ beispielsweise nach Pest und Krieg, geht die FolkwangChoreographin nach.
WAZ
9. Juni 1998
Liebkosungen auf dem Kennedyplatz
NRW Kultur präsentiert die Vielfalt der Szene
MANFRED KRAUSE
Das Land NRW blickt auf die Tanzstadt Essen. Eine Open-Air-Veranstaltung am Freitag, 12.
Juni, auf dem Kennedyplatz vereint Profis und Amateure der verschiedenen Institutionen bei
Tanz-Nonstop von 15 Uhr bis 17.30 Uhr.
Das ganze Potential vom künstlerischen Tanz bis zu den Darbietungen ambitionierter Laien wird
bei diesen Landes-Tanztag präsentiert. Bei dem ebenso bunten wie unterhaltsamen Programm
bietet die Rheinische Musikschule Köln Modern Dance als Ausschnitte aus der gymnasialen
Ballettausbildung.
Die Sporthochschule Köln ist mit ihrem Fachbereich Elementarer Tanz vertreten. - „Gestreifte
Herkunft: http://www.pact-zollverein.de
Choreographisches Zentrum NRW / Tanzlandschaft Ruhr, Bullmannaue 20, 45327 Essen
Tel: +49 (0)201 289 47 00, [email protected]
Füße“ heißt die Choreographie des Tanztheaters der Landesarbeitsgemeinschaft Tanz, auf die
das Stück „Und wenn’s ein Tisch ist...“ folgt. An den jeweils zehnminütigen Auftritten beteiligen
sich auch das
Flamenco-Tanzensemble der Folkwang-Hochschule sowie der Studiengang Tanz mit
„Liebkosungen“. Eine Choreographie von Vera Sander tanzen Studenten der Kölner Hochschule
für Musik. Einblicke in den indischen und den klassischen Tanz gewähren Madhavi Mandira und
die Royal Acedemy of Dancing. Jochen Ulrichs Euregio-Tanz-Forum reist mit „Quartette“ an.
Der Steptanz „Satanzbraten“ und die „Break-Attack-Show“ bilden den Abschluß des
Nachmittags den die Aktion NRW Kultur organisiert hat.
Im Choreographischen Zentrum schließt sich um 20 Uhr die Premiere von Henrietta Horns „Diu
Vallende Suht“ (Fallsucht) als starker Beitrag zum internationalen Tanzfestival NRW an. Die
bekannte Essener Choreographin, die zu großen Hoffnungen Anlaß gibt, setzt sich in diesem
Stück mit dem Veitstanz auseinander, der im Mittelalter vor allem in Rheinland verbreitet war.
Diese „Tanzwut“ rankt sich um Krankheiten, die mit Zuckungen und Schüttellähmungen
verbunden sind. Henrietta Horn sieht darin Rituale, die Befreiungschlägen nach Kriegen und
Epidemien ähneln.
NRZ
16. Juni 1998
Ekstatische Tanzwut mit Fratzen
Tanzfestival: Henrietta Horn auf den Spuren mittelalterlicher „Fallsucht“
DAGMAR SCHENK-GÜLLICH
Der Titel als Inhaltsangabe: „Diu Vallende Suht“, die „Fallsucht“, der „Veitstanz“, hat FolkwangNachwuchschoreografin Henrietta Horn ihr ungewöhnliches Tanzwerke überschrieben, das im
Rahmen des Internationalen Tanzfestivals NRW Uraufführung feierte.
Ein Stück Tanzgeschichte hat sie aufgegriffen, - den Veitstanz, der im 14., 15. Jahrhundert quer
durch die Lande zu Zeiten von Pestepidemien aufflackerte und die Menschen massenweise
ansteckte. In ekstatischer Tanzwut wälzten sich rasend Tanzende durch die Ortschaften.
Die Choreografin hat es sich nicht leicht gemacht und noch weniger dem Zuschauer; Henrietta
Horns Werk beginnt, indem drei Tänzer, zwei Frauen und ein Mann, Grimassen ziehen. Sie
stecken in
mittelalterlichen Kostümen (Sigrid Lachnitt und Anne Bentgens), und die Erinnerung an die
fratzenhaften Steinplastiken romanischer Kirchenkapitelle ist sofort geweckt, zumal
mittelalterliche
Musik unterlegt ist. Bald beginnt die Parade der spastischen Verrenkungen, der unwillkürlichen,
arythmischen Zuckungen fast aller Körperteile.
Das ganze Arsenal zuckend bizarrer Bewegungsmöglichkeiten wird hier über den Zuschauer
ausgegossen. Eine gewaltige Leistung der Tänzer, - Henrietta t Horn, Ardan Hussain und Soo Jin
Yim Heil absolvierten diese Tour des Force mit Bravour. Henrietta Horn interessiert die Wucht
des Ausdrucks, die Kraft, die die Menschen zum Rasen gebracht hat. Eine Gelegenheit für die
Choreografin, ein Feuerwerk an ungewöhnlichen Bewegungsmustern loszulassen, - ohne jede
Kompromißbereitschaft an die Akzeptanz des Publikums. Begeisterten Beifall gab’s trotzdem
im Choreographischen Zentrum.
Herkunft: http://www.pact-zollverein.de
Choreographisches Zentrum NRW / Tanzlandschaft Ruhr, Bullmannaue 20, 45327 Essen
Tel: +49 (0)201 289 47 00, [email protected]
WAZ
17. Juni 1998
Tanzwut gipfelt in heftigem Zucken
Henrietta Horn choreographiert den Wahnsinn
JUSS
Im Mittelalter verwirrte das Phänomen des Veitstanzs die Menschen. Diese Tanzwut - war sie
Krankheit oder Schwachsinn? Heute ist die Reaktion darauf nicht anders: In der Choreographie
„Diu Vallende Suht“ stieß sie auf gemischte Gefühle.
Folkwang-Absolventin Henrietta Horn setzte dem Publikum im fast ausverkauften
Choreographischen Zentrum im Rahmen des Tanzfestivals NRW ein Stück vor, das zwischen
unbeherrschtem Kichern, Abscheu und Bewunderung hin- und herriß.
Eine Erkrankung des Zentralnervensystems als Thema einer Choreographie - da ist der Grad
schmal zwischen Kunst und moralischem Tabu. Doch Horn setzte die Kraft, die von dieser
Krankheit ausgeht und die Körper in ekstatischen Zuckungen schüttelt, so ausdrucksstark in
Szene, daß der mittelalterliche Zweifel wieder erwachte: Ist es nicht doch eher Besessenheit
von Musik als Krankheit? Denn es war die rhythmische Flötenmusik, die Horn und ihre
Mittänzer Ardan Hussain und Soo-Jin Yim Heil zu willenlosen Marionetten werden ließ. Mit
hängenden Schultern tanzten sie über die Bühne, drei Schritte vor, einen zurück. Ohne Sinn,
ohne Ziel, aber mit schier unglaublicher körperlicher Anstrengung.
Die grotesk unkoordiniert-ausfahrenden Bewegungen, in denen sich doch System finden ließ:
Sie brachten die drei an den Rand der Erschöpfung. Dazu die zwischen den beiden Frauen und
demMann: Wer ist wem zugetan, wer steht wem bei? Am Ende verdeckten alle drei das Gesicht
mit den Händen - Zeichen der Kapitulation. Dem Publikum ging es nicht anders: Kapitulation vor
der Frage Schwachsinn oder nicht - sehenswert war es allemal.
Herkunft: http://www.pact-zollverein.de
Choreographisches Zentrum NRW / Tanzlandschaft Ruhr, Bullmannaue 20, 45327 Essen
Tel: +49 (0)201 289 47 00, [email protected]
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