Leitfaden Astronomische Navigation

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Leitfaden
Astronomische Navigation
Navigation ohne GPS & Co
(nach dem Leitfaden und mit Erlaubnis des Kpt. Ludwig Vellguth)
für die Teilnehmer an unseren Navigationskursen
1
Inhaltsverzeichnis
Trigonometrische Funktionen
Die Bestimmung des ungefähren Schiffsorts, Besteckrechnung, Koppelkurs
Koordinatensysteme
Das Erdsystem
Das Horizontsystem
Das Himmelsäquatorsystem
Die Bewegung der Gestirne am Himmelsgewölbe
Folgerungen aus der Erdbewegung, Zeitbegriffe, Zeitrechnungen
Chronometer und Uhren an Bord
Der Sextant
Die Beschickung der Höhenbeobachtung
Stundenwinkel und Abweichung
Die Mittagsbreite
Die Berechnung des Nautisch-sphärischen Grunddreiecks
Die Höhengleiche
Die Höhenformel
Die Azimutformel
Die Berechnung der Höhe und des Azimuts
Die Berechnung des Schiffsorts aus Höhenstandlinien
Das Mittagsbesteck
Fehlergleichungen
Die Amplitude, Zeit des wahren Sonnen - Auf- und Untergangs,
Die Nordsternbreite
Das Logarithmische Verfahren (sem-Formel) nach Nautischen Tafeln
Verfahren nach H.O.Pub.No. 249
Das griechische Alphabet
α Alpha
η Eta
β Beta
θ Theta
γ Gamma
ι Jota
δ Delta
κ Kappa
ε Epsilon
λ Lambda
ζ Zeta
µ Mü
ν Nü
ξ Xi
ο Omnikron
π Pi
ρ Rho
σ Sigma
Einige Daten von allgemeiner Bedeutung:
Der Erdradius am Äquator
Die halbe Erdachse
Der mittlere Erdradius
Der mittlere Erdumfang
Die mittlere Entfernung zum Mond
Die mittlere Entfernung zur Sonne
Der mittlere Monddurchmesser
Seite
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74
79
τ Tau
υ Ypsilon
φ Phi
χ Chi
ψ Psi
ω Omega
=
=
=
=
6378 km
6357 km
6370 km
40 000 km = 21 600 sm (360° * 60 = 21 600 Bogenminuten
a’ 1852 m auf dem Erdumfang)
= 384 452 km
= 150 000 000 km
= 3476 km
Die Geschwindigkeit de Lichts
= 300 000 km/sec
1 Lichtjahr = die in einem Jahr vom Licht zurückgelegte Strecke = 9,463 Billionen km
Beispiele:
Der Fixstern SIRIUS im Sternbild „Großer Hund“ ist 9 Lichtjahre von der Erde entfernt; er ist zugleich der hellste Fixstern am nördlichen Sternhimmel.
Der Stern DENEB im Sternbild des „Schwan“ ist 1600 Lichtjahre von der Erde entfernt. Seine Leuchtkraft ist
die 100 000-fache unserer Sonne.
2
Darum geht’s:
auf hoher See ohne Landsicht möglichst den richtigen Kurs zu fahren, um wie gewünscht zum Ziel zu gelangen.
Zu diesem Zweck wird möglichst oft eine astronomische Ortsbestimmung durchgeführt, um einen sogenannten
„beobachteten Ort“ Ob zu erhalten (auch „wahrer“ Ort Ow). Traditionellerweise macht man das für jeden Mittag.
Die versegelte Distanz in 24 Stunden nennt man ein „Etmal“.
Ob 12:00 Uhr
Beobachteter Ort
BV
Besteckversetzung
(Richtung und Größe)
Ok 12:00 Uhr
Koppelort (heute)
(wenn Kurs und Distanz stimmen,
dann müssten wir hier sein)
Der Unterschied zwischen Ok und Ob ist die sog. BesteckVersetzung BV. D.h. in der gekoppelten Zeit (hier 24 Stunden (= Etmal)) hat uns „etwas“ vom Ok zu Ob versetzt.
Das kann eine (unbekannte) Meeresströmung und/oder
Windabdrift und/oder ein Kompaß- oder Loggefehler
sein.
In Zukunft werden wir aufgrund der beobachteten
BV unseren Kurs entsprechend korrigieren
(Stromdreieck). Und morgen Mittag machen
wir wieder dasselbe.
Wenn die BV allerdings durch einen
unsystematischen Fehler zustande
kommt (z.B. durch einen unkonzentrierten Steuermann), dann
wird das nicht klappen.
Koppelkurs (Kartenkurs und Distanz)
Abfahrtsort (gestern)
O1 12:00 Uhr
3
Prinzip der astronomischen Ortsbestimmung
Alle Gestirne haben zu jeder Zeit ihre Repräsentanz auf der Oberfläche der Erdkugel: ihren sogenannten Bildpunkt (BP = Schnittpunkt der Verbindungslinie Erdmittelpunkt – Gestirn). Wenn ein Beobachter auf dem Bildpunkt eines Gestirns steht, dann hat er den Stern genau über sich (im „Zenit“), d.h. in einem Höhenwinkel von
90° (gemessen z.B. mit einem Sextanten). Je weiter sich der Beobachter von dem Bildpunkt entfernt, desto
kleiner wird der Höhenwinkel, unter dem das Gestirn erscheint. Aus der terrestrischen Navigation kennen wir die
Abstandsbestimmung durch Höhenwinkelmessung: die gewonnene Standlinie ist ein Kreis um das Objekt (z.B.
einen Leuchtturm, dessen Höhe wir kennen). Ganz entsprechend erhalten wir in der astronomischen Navigation
durch die Höhenwinkelmessung als Standlinie einen Kreisbogen – um den Bildpunkt des Gestirns, die sog. „Höhengleiche“. Den Abstand zum Bildpunkt, also den Kreisradius, können wir berechnen. Die Koordinaten des
Bildpunktes entnehmen wir für die sekundengenaue Zeit dem sog. „Nautischen Jahrbuch“.
Die Messung zweier Gestirne würde somit – in der Theorie – zu zwei Höhen-Standlinien und im Schnittpunkt
der beiden zum beobachteten Ort führen.
Es ist unmittelbar einsehbar, dass diese Auswertung in der Praxis nicht möglich ist, da wir es mit Kreisradien
von vielen tausend Seemeilen zu tun haben.
Deshalb wird in der Praxis das Verfahren der Höhendifferenz (Δh) - Messung angewandt:
Wir berechnen für den gekoppelten Ort (Ok), in welcher Höhe (hr) wir das Gestirn messen müssten (wenn wir
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wirklich auf diesem Ort wären). Wenn die gemessene Höhe am Sextanten (hb) größer ist (Δh positiv), befindet
sich der Standort näher zum Gestirn hin, ist der gemessene Winkel kleiner (Δh negativ), befindet sich der Standort weiter vom Gestirn weg.
Außerdem ist direkt ersichtlich, dass die Höhengleiche (wie in der Zeichnung angedeutet) innerhalb einer gewissen Distanz nahezu eine Gerade ist (insbesondere bei großen Radien). Diese Gerade steht als Tangente senkrecht
auf dem Radius = Verbindungslinie: Schiffsort - Bildpunkt des Gestirns. Dies ist die rechtweisende Peilung des
Gestirns, genannt Azimut. Auch das Azimut können wir für den Koppelort Ok berechnen. Es ist wichtig zu verstehen, dass das Azimut relativ unempfindlich gegenüber Koppelfehlern ist, d.h. auch wenn wir uns etliche Seemeilen vom richtigen Ort entfernt vermuten, haben wir doch in etwa das richtige Azimut!
Und damit ist die Lage unserer Standlinie (des Ausschnitts aus der errechneten bzw. beobachteten Höhengleiche
= angenäherte Gerade) bestimmt, nämlich senkrecht zum (errechneten) Azimutstrahl.
In der navigatorischen Praxis besteht die astronomische Standortbestimmung aus Berechnungen (bzw. Tabellenablesungen), Höhenmessungen mit dem Sextanten und zeichnerischer Lösung.
Für das Verständnis der Berechnungen sind einige Kenntnisse der Winkelfunktionen (Sinus, Kosinus etc.) hilfreich.
5
Es werden entweder 2 oder mehr Gestirne zur gleichen Zeit oder ein oder mehrere Gestirne mit dazwischenliegender Versegelung beobachtet.
Dann werden für die sekundengenauen Beobachtungszeiten die erwarteten (berechneten) Höhen mit dazugehörigem Azimut bestimmt – direkt berechnet mit Taschenrechner, nachgeschlagen und berechnet mit Hilfe der Nautischen Tafeln (Semiversus-Verfahren) oder nachgeschlagen in den Tafelwerken H.O.Pub. 249.
Diese berechneten Höhen werden mit den am Sextanten beobachteten („wahren“) Höhen verglichen und ergeben
die beobachteten Δh, die an den jeweiligen Azimutstrahlen abgetragen werden und damit die beobachteten
Standlinien ergeben.
Zeichnerische Lösung:
Die Geschwindigkeit, mit der ein Bildpunkt über die Erdoberfläche wandert, kann sehr groß sein, maximal ca.
1.666 km/h auf dem Äquator (die Erde - Umfang 40.000 km - dreht sich in 24 Stunden einmal um sich selbst),
das ist immerhin fast ein halber km in der Sekunde. Daraus ergibt sich die Forderung nach genaugehenden
Chronometern und einem Verständnis der verschiedenen Zeitberechnungen.
6
Trigonometrische Winkelfunktionen
Winkelfunktionen sind unbenannte Zahlen, die einem Winkel im rechtwinkligen Dreieck in bestimmter Weise
zugeordnet sind. In Abhängigkeit von der Größe des Winkels findet man ihre Werte entweder durch direkte,
mehr oder weniger genaue zeichnerische Bestimmung (Messung) oder aber üblicherweise in Zahlen ausgedrückt
in Tafelwerten (Nautische Tafeln u.a.), auf bestimmten Rechenschiebern sowie auf wissenschaftlichen Taschenrechnern und anderen elektronischen Rechengeräten.
Diese Werte resultieren aus den Verhältnisgleichungen:
sinus (sin) α
Gegenkathete
= ---------------Hypotenuse
a
= --d
cosinus (cos) α
Ankathete
= --------------Hypotenuse
b
= --d
tangens (tan) α
Gegenkathete
= ---------------Ankathete
a
= --b
cotangens (cot) α
Ankathete
= ---------------Gegenkathete
b
= --a
secans (sec) α
Hypotenuse
= ---------------Ankathete
d
= --b
cosecans (cosec) α
Hypotenuse
= ---------------Gegenkathete
d
= --a
α
Diese aufgezeigten Beziehungen kann man am ehesten veranschaulichen und verdeutlichen an den
Winkelfunktionen im Einheitskreis (Abb. 2)
360°
0°
Der Radius dieses Kreises erhält den Wert „1“.
Der Kreis wird durch eine senkrechte Achse „y“ und eine waagerechte Achse „x“ in 4 Quadranten geteilt. Die Zählung erfolgt
– entgegen der sonst in der Mathematik üblichen – von 0° in
Punkt A im Uhrzeigersinn über B, C und D bis 360° wieder in
A. Das entspricht der gewohnten Zählung in der Kompassrose.
Ferner enthält der obere Teil der y-Achse MA und der rechte
Teil der x-Achse MB ein positives, MC und MD ein negatives
Vorzeichen.
90°
180°
Man entnimmt der Zeichnung (Hypotenuse = 1 !):
xα =
sin α
yα =
cos α
cot α
tan α
7
Es ist:
Der Sinus des Winkels α das Verhältnis der Sinuslinie zum Radius des Kreises.
Der Cosinus des Winkels α das Verhältnis der Cosinuslinie zum Radius.
Der Tangens des Winkels α das Verhältnis der Tangenslinie zum Radius, wobei die Tangenslinie der Tangentenabschnitt zwischen „A“ und dem Schnittpunkt der Verlängerung des freien Schenkels des Winkels α ist.
Der Cotangens des Winkels α das Verhältnis der Cotangenslinie zum Radius, wobei die Cotangenslinie der Cotangentenabschnitt zwischen „B“ und dem Schnittpunkt mit der Verlängerung des freien Schenkels des Winkels
α ist.
Der Secans und der Cosecans der jeweils reziproke Wert con Cosinus und Sinus des Winkels α.
Zugleich gilt (wenn α ein spitzer Winkel ist):
für den I. und II. Quadranten:
Sin α = cos (90° - α) und cos α = sin (90° - α)
Sin α = sin (180° - α) und -cos α = cos (180° - α)
für den III. und IV. Quadranten:
-sin α = sin (180° + α) und -cos α = cos (180° + α)
-sin α = sin (360° - α) und cos α = cos (360° - α)
für alle Quadranten:
sin α
cos α
1
tan α = -----cot α = -----sec α = -----cos α
sin α
cos α
1
cosec α = ------ ,
sin α
wobei sich die Vorzeichen aus denen der Quotienten ergeben.
1 – cos α
Schließlich ist semiversus (sem) α = ----------2
8
Für das Taschenrechnerverfahren sind nachstehend die Vorzeichen der hier angewandten Funktionen sin, cos,
tan in den 4 Quadranten dargestellt.
Für die Eingabe gilt:
Die Eingabe eines Winkels kann jeweils vollkreisig erfolgen. Der Rechner zeigt bei Anforderung der dazugehörigen Winkelfunktionen das Vorzeichen des Quadranten an.
Bei der Wiedergabe von der Funktion zum dazugehörigen Winkel wird vom Rechner angezeigt:
± sin α in arc →
± spitzer Winkel
cos α in arc →
spitzer Winkel
- cos α in arc →
stumpfer Winkel < 180°
tan α in arc →
spitzer Winkel
- tan α in arc →
spitzer Winkel
weiterführend:
siehe auch: http://www.mathe-online.at/mathint/wfun/i.html#sincos
siehe auch: Taylor-Reihe
Die trigonometrischen Funktionen im schiefwinkligen Dreieck
Man betrachtet neben dem Dreieck, das durch die Seiten a, b, c gebildet und schiefwinklig ist, das Dreieck, welches durch die Seiten h, c1 und b, und das, welches durch die Seiten h, c2 und a gebildet wird.
Durch Fällen der Höhe h auf die Hypotenuse wurde das schiefwinklige Dreieck in zwei rechtwinklige Dreiecke
zerlegt. Auf diese beiden rechtwinkligen Dreiecke können alle bisher aufgeführten Funktionen angewendet werden. Jedoch wirkt hierbei störend, das c in zwei Teile zerlegt wurde und die zusätzliche Größe h eingeführt wurde. Dies gilt es zu beseitigen. Man bemüht sich also h, c1 und c2 durch Umschreiben herauszumanipulieren.
Nach Pythagoras gilt:
a2 = h2 + c12, wobei
h2 durch b2 – c22 ersetzt werden kann und
c12 durch (c – c2)2 (minus, wenn α spitz, plus wenn α stumpf)
γ
Durch Einsetzen dieser Ersatzwerte erhält man nun:
a2 = b2 – c22 + (c2 – 2cc2 + c22) = b2 + c2 – 2cc2
b
a
nun ist aber c2 = b * cos α
h
daher gilt der Cosinussatz:
a2 = b2 + c2 – 2bc * cos α
b2 = c2 + a2 – 2ca * cos β
c2 = a2 + b2 – 2ab * cos γ
α
β
c2
Ähnlich läßt sich der Sinussatz nachweisen:
a : b : c = sin α : sin β : sin γ
C
c1
Letzlich gibt es eine ganze Folge von Sätzen und Regeln, die jedoch hier nicht benötigt werden.
9
Die trigonometrischen Funktionen im sphärischen Dreieck
Ein sphärisches Dreieck ist eine Figur auf einer Kugeloberfläche von beliebigem Radius, bei der die 3 Punkte
durch Großkreise verbunden sind.
Großkreise sind Kreise auf einer Kugeloberfläche, deren Mittelpunkt mit dem Kugelmittelpunkt zusammenfällt
oder – anders ausgedrückt – deren Ebene durch den Kugelmittelpunkt geht.
Die kürzeste Verbindung zweier Punkte auf einer Kugeloberfläche ist der durch sie hindurchgelegte Großkreis.
Zur Berechnung der Seiten und Winkel eines sphärischen Dreiecks aus drei bereits bekannten Größen dienen für
unsere Zwecke folgende aus der Trigonometrie – besonders auf das Bogenmaß – umgestellte Sätze und Regeln:
Der Sinussatz:
sin α : sin β : sin γ = sin a : sin b : sin c
oder anders formuliert:
sin α
sin β
sin γ
------ = ------ = -----sin a
sin b
sin c
Der Cosinussatz:
cos a = cos b * cos c + sin b * sin c * cos α
oder
cos b = cos c * cos a + sin c * sin a * cos β
oder
cos c = cos a * cos b + sin a * sin b * cos γ
Grenzwerte im sphärischen Dreieck:
Winkelgröße
≤ 180°
Winkelsumme α + β + γ ≤ 540°
Seitensumme
a + b + c ≤ 360°
10
Die Bestimmung des ungefähren Schiffsorts
Man kann einen ungefähren Schiffsort erkoppeln. Dieser Koppelort ist die Grundlage für vorzunehmende astronomische Beobachtungen und Berechnungen, durch letztere wird der Koppelort auf einen wahren Ort verbessert.
Die astronomische Navigation läuft also auf eine Art Vergleichsrechnung mit dem Koppelort hinaus. Er darf
daher nicht allzu sehr vom wahren Ort abweichen, da sonst leicht Verfälschungen in den Resultaten auftreten
können.
Größte Sorgfalt ist also geboten, um den Unterschied zwischen Koppelort und wahrem Ort (man nennt das die
„Besteckversetzung“) möglichst gering zu halten. Erreicht wird dies auf hoher See, wo die Möglichkeiten der
terrestrischen Navigation nicht gegeben sind, indem man den fortlaufend zurückgelegten Weg, bestimmt durch
den Kartenkurs (KK oder auch KüG (Kurs über Grund)) und die Distanz unter Berücksichtigung verfälschender
Einflüsse rechnerisch, zeichnerisch oder beides kombiniert, ermittelt.
Kurs und Distanz, in den Berechnungen als Polarkoordinaten bezeichnet:
Der vollkreisige KK (Kartenkurs), in unseren Berechnungen „α“ genannt, wird als bekannt und so richtig wie
möglich berechnet vorausgesetzt.
Die Distanz „d“ ist das Produkt aus Fahrt „F“ und Zeit.
Sie kann mit dem Taschenrechner leicht berechnet werden.
Beispiel:
Ein Schiff läuft 3h 28m lang 9 kn, welche Distanz ist durchlaufen?
Für die Berechnung müssen die Minuten in (Dezimal-) Stunden umgewandelt werden:
28 Minuten = 28/60 Stunden = 0,46666…. Stunden
Die durchlaufene Distanz ist also 3,4666 * 9 = 31,2 sm
Diese etwas umständliche Berechnung ist mit der Hexagesimal-Umwandlungstaste °’ ’’ des Taschenrechners
ein Leichtes.
Übung im Detail
Eingabe:
Anzeige:
3
3
°’ ’’
3
28
28
°’ ’’
*
3,466666…
9
9
=
31,2
Anderes Beispiel für die Umwandlungstaste:
54h 41m 34s (Stunden, Minuten, Sekunden) sind 54,69277778 Stunden (dezimal)
Eingabe:
Anzeige:
54
54
°’ ’’
54
41
41
°’ ’’
54,68333333
34
34
°’ ’’
54,69277778
Umgekehrt ist es genauso leicht möglich, Dezimalstunden oder –Grad (z.B.) zurückzuwandeln (INV-Taste)
Beispiel:
+ 54,6744 >> Wie lautet die geographische Breite in Grad, Minuten und Sekunden?
Eingabe:
54,6744
INV
°’ ’’
Anzeige:
54,6744
54,6744
54° 40° 27,84
Lies:
54 Grad 40 Minuten 27,84 Sekunden
bzw.: 54° 40’ 27,8’’
wegen des positiven Vorzeichens ist es eine Nordbreite: 54° 40’ 27,8’’ N
Üblicherweise werden die Sekunden in Dezimalminuten
umgewandelt, das ist leicht im Kopf zu machen, also:
54° 40,5’ N
=========
Kurs und Distanz erzeugen gegenüber dem Abfahrtsort Unterschiede in Nord- oder Süd- bzw. Ost- oder WestRichtung. Wir sprechen vom
Breiten- und Längenunterschied:
Bewegt man sich - z.B. mit einem Schiff – auf der Erdoberfläche, so verändert man seine geographische Breite
(φ) oder Länge (λ) oder meist beides.
Die Breitenänderung nennt man den Breitenunterschied „b“ in Richtung N oder S,
die Längenänderung nennt man den Längenunterschied „l“ in Richtung E oder W.
Beide werden in Graden und Bogenminuten angegeben; addiert man unter Berücksichtigung der Richtungszeichen zu φ und λ des Abfahrtsortes (φ1 und λ1) b und l, erhält man φ und λ des erreichten Ortes (φ2 und λ2).
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Zwei Beispiele:
φ1 = 41° 46’ N λ1 = 22° 08’ W
b = 1° 32’ N l =
56’ E
φ2 = 43° 18’ N λ2 = 21° 12’ W
========================
φ1 = 00° 32’ N λ1 = 47° 51’ W
b = 01° 56’ S
l = 02° 11’ W
φ2 = 01° 24’ S λ2 = 50° 02’ W
========================
Wenn man sich darüber klar ist, daß Nord und Ost positive, Süd und West negative Vorzeichen haben, und kurz
darüber nachdenkt, was beim Queren des Äquators bzw. des Null-Meridians oder der Datumsgrenze mit den
Vorzeichen passiert, dürfte das Rechnen mit Breiten- und Längeunterschied kein Problem sein.
Für Formalisten: Sind φ1 und b bzw. λ1 und l gleichnamig, d.h. haben sie das gleiche Nachzeichen (N/N oder
W/W), so werden sie miteinander addiert, sind sie ungleichnamig, d.h. haben sie unterschiedliche Nachzeichen
(N/S bzw. S/N oder E/W bzw. W/E), wird b und l von φ1 und λ1 subtrahiert. Nur beim Überschreiten des Äquators, wie im rechten Beispiel, wird der kleinere Wert vom größeren subtrahiert und erhält das Nachzeichen des
größeren Wertes; und beim Überschreiten des 180. Längengrades (Datumsgrenze) wird wie gewohnt addiert bei
gleichnamigen Werten und das 180° überschreitende Ergebnis von 360° subtrahiert unter gleichzeitiger Änderung des Nachzeichens.
Beispiel:
φ1 = 23° 07’ S λ1 = 179° 48’ W
b =
24’ S l =
23’ W
φ2 = 23° 31’ S
- 180° 11’ W (das gibt es ja nicht)
========== also + 360°
.
λ2 = 179° 49’ E
=============
In den Beispielen wird davon ausgegangen, daß b und l bekannt sind. Sie ergeben sich aus Kurs und Distanz.
Bewegen wir uns z.B. mit 5 kn Fahrt 2 Stunden lang genau nach Norden (Süden), so haben wir die Distanz 10
sm auf einem Meridian, d.h. auf einem (halben) Großkreis (1’ = 1 sm) zurückgelegt; der Breitenunterschied b ist
also 10’ N (S). So weit, so einfach.
Bewegen wir uns mit 5 kn Fahrt 2 Stunden lang genau nach Osten (Westen), so haben wir die Distanz 10 sm auf
einem Breitenparallel, d.h. auf einem Kleinkreis (1’ < 1 sm) zurückgelegt; der Längenunterschied l ist also ???
Zunächst einmal nennen wir die 10 sm in östliche/westliche Richtung Abweitung. Danach fragen wir uns, wie
wir aus einer bekannten Abweitung a auf einem gegebenen Breitenparallel den dazugehörigen Längenunterschied l berechnen können.
12
Abweitung:
In den Berechnungen werden Breitenunterschied b und
Abweitung a rechtwinklige Koordinaten genannt.
Weiter oben wurde die Seemeile schon definiert als eine
Bogenminute auf einem Großkreis auf der Erdkugel. Da alle
Meridiane (halbe) Großkreise sind, ergibt sich, daß beim
Breitenunterschied Bogenminuten = Seemeilen sind.
Das heißt: bei einem Breitenunterschied (z.B.) b = 1° 12’ N ist
sofort klar, dass die Zielbreite 72 sm nördlich der Startbreite
liegt.
Während auf dem Äquator, der annähernd auch ein Großkreis
ist, ein Längenunterschied von z.B. 2° 12’ W (= 132’ W)
identisch mit der Abweitung (132 sm W) ist, werden die
parallel zum Äquator gelegenen Kleinkreise zu den Polen hin
immer kleiner, das heißt die Abweitung a in sm ist
zahlenmäßig immer kleiner als der Längenunterschied l in
Minuten.
In der Zeichnung rechts blicken wir von oben auf die
Erdkugel und betrachten die Strecken, die bei ein und
demselben Längenunterschied (hier l = 30°) auf dem
Äquator bzw. auf einem Breitenparallel (hier 50° N,
könnte auch Süd sein) liegen. Es ist unmittelbar
ersichtlich, daß die zurückgelegte Strecke a (in WestOst-Richtung) auf dem Äquator erheblich größer ist als
auf dem Breitenparallel.
Beispiel:
Wenn ein Schiff in Äquatornähe vom 40. bis zum 70.
Längengrad fährt, dann hat es 30 * 60 = 1800 sm in
Ost-West-Richtung zurückgelegt.
Wenn ein Schiff auf der Breite 50° N vom 40. bis zum
70. Längengrad fährt, dann hat es nur 1157 sm in OstWest-Richtung zurückgelegt.
Frage:
Wie hängen Längenunterschied und Abweitung in Abhängigkeit von der geographischen Breite zusammen?
Es geht darum, herauszufinden, um wie viel kleiner eine Bogenminute auf einem Breitenparallel gegenüber einer
Bogenminute auf dem Äquator (≅ Großkreis) ist.
Definition:
Breitenkreise oder Breitenparallele sind Nebenkreise, deren Ebenen senkrecht zur Erdachse stehen. Der längste von ihnen – der Äquator – wird zum Ausgang der Zählung gemacht, indem jedem Breitenkreis eine Gradzahl
zugeordnet wird, die dem Winkel (φ) am Erdmittelpunkt zwischen dem Äquator und dem betreffenden Breitenkreis entspricht. Diese Gradzahlen erhalten auf der Nordhalbkugel das Nachzeichen „Nord“, auf der Südhalbkugel das Nachzeichen „Süd“.
Betrachtet man die nebenstehende Zeichnung unter Berücksichtigung
des unter „Trigonometrische Winkelfunktionen“ gelernten, so ergibt
sich anschaulich, daß der Radius des Breitenparallels um den Faktor cos φ kleiner als der Erdradius ist. Alle Merkmale eines Kreises werden durch seinen Radius als die einzige Veränderliche
bestimmt. Also ist eine Bogenminute auf dem Breitenparallel
40° um den Faktor cos 40° kleiner als eine Bogenminute auf
dem Äquator (Großkreis).
Cos 40° = 0,766 d.h. eine Bogenminute auf dem Breitenparallel 40° ist also 0,766 sm lang.
Allgemein:
a = l * cos φ
l = a / cos φ
13
Wir greifen das Beispiel von der letzten Seite Mitte noch einmal auf:
Wenn ein Schiff auf der Breite 50° N vom 40. bis zum 70. Längengrad fährt, dann hat es……
l = 30° = 1800’
a = 1800’ * cos 50° = 1800’ * 0,642787609 = 1157 sm
…… nur 1157 sm in Ost-West-Richtung zurückgelegt.
Merke: Vor der Umwandlung von l in a muß l in Minuten umgerechnet werden
Nach der Umwandlung von a in l liegt l in Minuten vor (ggf. in Grad und Minuten umwandeln)
Übrigens ist die Längenumwandlung zumindest bei kleineren Distanzen auch zeichnerisch möglich (wenn der
Taschenrechner nicht mehr will…):
Beispiel für die Abweitung a = 83 sm auf der geogr. Breite φ = 34° 35’ N:
In einem Eckpunkt der Strecke a trägt man den Winkel 34° 35’ an,
im anderen Eckpunkt errichtet man eine Senkrechte auf a. Diese
Senkrechte begrenzt den freien Schenkel des Winkels φ.
Seine Länge, im gleichen Maßstab wie a gemessen,
ergibt den Zahlenwert für l = 101’ = 1° 41’
Mittelbreite:
Bei den Formeln zur Umwandlung von Abweitung in Längenunterschied und umgekehrt spielt die Breite (φ),
wie erkennbar war, eine entscheidende Rolle. Sobald nämlich ein Schiff Fahrt macht, entsteht logischerweise
zwischen dem Abfahrtsort O1 und dem Ankunftsort O2 sowohl ein Breitenunterschied b wie auch ein Längenunterschied l, es sei denn, das Schiff steuert einen reinen Nord-, Ost-, Süd- oder Westkurs, auf dem lediglich
eine der Koordinaten sich ändert. Die Frage ist nun, welche Breite der Längenumwandlung zugrunde gelegt
werden soll. Es kann weder φ1 noch φ2 sein; man wählt – wie beim Herausgreifen der Distanz aus der Seekarte –
die Mittelbreite φm, die man durch Addition des halben Breitenunterschiedes zu dem kleineren Wert der beiden
Breitenangaben erhält.
Dieses φ m ist der Wert für
die nun endgültigen
Formeln der Längenumwandlung:
a = l * cos φm
l = a / cos φm
In Äquatornähe, d.h. bis
zu 5° N bzw. 5° S, ist in
der seemännischen Praxis
eine Umwandlung von a
und l wegen zu geringer
Größenunterschiede nicht
üblich, da man a (1 sm)
gleich l (1 Äquatorminute)
setzen kann.
14
Koordinatentransformation, rechnerisches Koppeln:
Nun sind alle Teile für die Koppelnavigation zusammen:
• Kenne ich Distanz und Kurs, also die Polarkoordinaten d und α, so kann ich b und a, die rechtwinkligen Koordinaten, berechnen und (nach der Längenumwandlung) damit den Zielort bestimmen.
• Kenne ich andererseits a und b, so kann ich d und α berechnen
Rechnerisch bestehen zwischen den o.a. Größen folgende Beziehungen:
b = d * cos α
a = d * sin α
d = √ b2 + a 2
a
tan α = --b
Glücklicherweise erspart uns der Rechner diese umständliche Formelrechnerei (macht sie automatisch im Hintergrund) und präsentiert uns ein einfaches Verfahren zur Lösung der Aufgaben:
Koordinatentransformation mit Taschenrechner CASIO 3600 P und 180 P (Bedienung bei anderen Rechnern
anders):
Sind d und α gegeben, so bedienen wir uns der Taste P→R (Polar- in rechtwinklige Koordinaten),
um b und a zu erhalten (1. Aufgabe)
Sind b und a gegeben, so bedienen wir uns der Taste R→P (rechtwinklige- in Polarkoordinaten),
um d und α zu erhalten (2. Aufgabe)
Bei der Eingabe ist sorgfältig zu bedenken:
• d ist immer positiv
• α ist vollkreisig – von 0° bis 360° - einzugeben
• b und a sind immer in dieser Reihenfolge einzugeben (andernfalls wird statt α der Komplementärwinkel angezeigt). Größte Aufmerksamkeit ist der Bedienung der Vorzeichenumkehrtaste +/- bei negativen
Werten zu widmen.
• Positiv sind alle Werte auf der y-Achse im Nordhalbraum und alle Werte auf der x-Achse im Osthalbraum
• Negativ sind alle Werte auf der y-Achse im Südhalbraum und alle Werte auf der x-Achse im Westhalbraum unseres Koordinatensystems
Die Anzeige im Rechner:
Der Kurswinkel als Ergebnis wird halbkreisig angezeigt, im Osthalbraum halbkreisig und positiv von 0° bis
180°, im Westhalbraum von 360° bis 180° links herum halbkreisig und negativ, hierbei ist zu der negativen Anzeige 360° zu addieren, um den gewohnten, vollkreisigen Kurs zu bekommen.
Technische Durchführung:
1. Aufgabe:
Gegeben: d = 74 sm, α = 305°
gesucht sind b und a
Eingabe:
Anzeige:
Erläuterung:
74
74
d
Ergebnis:
Breitenunterschied b = 42,4’ Nord
2. Aufgabe:
Gegeben: b = 108 sm Nord, a = 251 sm West
gesucht sind d und α
INV
INV
P→R
Eingabe:
Anzeige:
Erläuterung
108
108
b (N)
R→P
Ergebnis:
Distanz d = 273,2 sm
305
=
305
42,4
α (KK) b (N)
251
251
INV
(Registeraustausch)
X↔Y
-60,6
a (W)
Abweitung a = 60,6 sm West
+/-251
a (W)
=
273,2
d
INV
(Registeraustausch)
X↔Y
-66,7
α (halbkreisig)
Kurs α = 293,3° (360° - 66,7°)
15
Besteckrechnung:
Erste Aufgabe:
Gegeben: Abfahrtsort φ1 = 39° 32,0’ N, λ1 = 23° 14’ W, α = 309°, Fahrt 13 kn, Zeit 7h 23min
Gesucht: zunächst Distanz d, dann b und a, daraus l, schließlich erreichter Ort
Lösung:
φ1 = 39° 32,0’ N
b = 1° 00,4’ N
φ2 = 40° 32,4’ N
============
λ1 = 23° 14,0’ W
l = 1° 37,4’ W
λ2 = 24° 51,4’ W
============
φ1 = 39° 32,0’ N
b/2 =
30,2’ N
φm = 40° 02,2’ N
Nebenrechnung: a = 74,6 sm W
l = 97,4’ West
( l = a / cos φm )
Schritt für Schritt auf dem Rechner:
Eingabe:
Anzeige:
Erläuterung:
7
°’ ’’
23
°’ ’’
*
13
=
INV
7
23
7,383…
13
95,9833…..
Stunden Minuten Dez.Stunden Knoten Distanz
P→R
309
309
Kurs
=
INV
60,4
b (N)
X↔Y
- 74,6
a (W)
Wenn ich die Mittelbreite φm = + 40° 02,2’ schon kenne (im Kopf oder vorher ausgerechnet), kann ich mit dem
letzten Wert im Rechner (a = -74,6) ohne abzusetzen weiterrechnen:
Eingabe:
./.
40 °’ ’’ 2,2
°’ ’’
cos
=
./.
60
=
INV °’ ’’
Anzeige:
- 74,6 40
2,2
40,03.. 0,7656.. - 97,4357..
- 1,623..
-1° 37,4’
Erläuterung:
a durch cos φm teilen
l in Minuten
l in Dez.Grad…. in Grad
Die Systematik der Rechnerbedienung bleibt dem einzelnen überlassen. Sinnvoll ist es natürlich, möglichst doppelte Eingaben zu vermeiden, d.h. am besten mit den Ergebnissen jeweils immer weiter rechnen.
Zweite Aufgabe:
Gegeben:
Abfahrtsort (55° 17,0’ N λ1 = 10° 22,0’ W)
Gesucht:
b, l, φm, a, Distanz d, Kartenkurs α
Lösung:
φ2 = 51° 53,0’ N λ2 = 18° 12,0’ W
-φ1 = 55° 17,0’ N -λ1 = 10° 22,0’ W
b = - 3° 24,0’ S l = - 7° 50,0’ W
============= ============
oder b = - 204,0’ S und l = - 470’ (W)
Zielort (51° 53,0’ N
Nebenrechnung: φ1 = 55° 17,0’ N
+ b/2 = - 1° 42,0’ S
φm = 53° 35,0’ N
λ2 = 18° 12,0’)
l = - 470’ (W)
a = - 279 sm (W)
( a = l * cos φm )
Mit der Koordinatentransformation R→P finden wir aus b (in Minuten = sm!) und a nun d und α:
Eingabe:
Anzeige:
Erläuterung:
204
204
+/- INV R→P
-204
b (S)
279 +/279 -279
a (W)
=
345,6
d
INV X↔Y
+ 360
-126,174
360
α (halbkreisig)
=
233,826
α (KK)
Ergebnis: Distanz = 345,6 sm, Kartenkurs = 234°
16
Koppeln in der Praxis
An Bord wird im Logbuch jede Änderung des Kurses und/oder der Geschwindigkeit eingetragen. Auf die Umwandlung des Kompasskurses mit den Beschickungen für Ablenkung, Missweisung, Wind und Strom wollen wir
hier verzichten und davon ausgehen, dass wir den KüG (Kurs über Grund = Kartenkurs = KK) und die FüG
(Fahrt über Grund) möglichst exakt ermittelt haben. Dann könnte das vereinfachte Schema für ein Logbuch etwa
so aussehen:
Datum
Uhrzeit
KüG
FüG
Distanz d
Aufgabe:
Eine Motoryacht steht am 30.05.1979 um 12-00 MGZ auf ϕ 1 = 58°46’N, λ1 = 10°32’E.
Im Logbuch (das noch zwei weitere Spalten für die zu ermittelnden Teilergebnisse für b und a enthält) werden
folgende Eintragungen gemacht:
Datum
30.05.
31.05.
Uhrzeit
12-00
14-30
16-50
20-00
23-30
03-30
08-00
12-00
KüG
215°
215°
240°
270°
290°
290°
315°
FüG
12 kn
15 kn
15 kn
15 kn
15 kn
12 kn
12 kn
d
b
a
Aus diesen Daten werden die Distanzen und die Breitenunterschiede und Abweitungen für die Teilstrecken berechnet.
Datum
30.05.
31.05.
Uhrzeit
12-00
14-30
16-50
20-00
23-30
03-30
08-00
12-00
KüG
215°
215°
240°
270°
290°
290°
315°
FüG
12 kn
15 kn
15 kn
15 kn
15 kn
12 kn
12 kn
d
30,0 sm
35,0 sm
47,5 sm
52,5 sm
60,0 sm
54,0 sm
48,0 sm
b
-24,5
-28,7
-23,8
0
+ 20,5
+ 18,5
+ 33,9
a
-17,2
-20,1
-41,1
-52,5
-56,4
-50,7
-33,9
Gesamt:
- 4,1
- 271,9
Alle Teilstrecken zusammen haben also dazu geführt, dass wir jetzt 4,1 sm südlich und 271,9 sm westlich vom
Abfahrtsort stehen.
Wir verfahren in der Schlussrechnung so, als hätten wir nur diesen Gesamtkurs und diese Gesamtdistanz gesteuert:
Aus b und a ergibt sich mit der Koordinatentransformation (P > R):
Gesamtdistanz = 272 sm
Gesamtkurs
= 269°
Schlussrechnung:
ϕm = ϕ1 + b/2
ϕ1 = 58°46,0’ N
b/2 = - 2,0’ (S)
ϕm = 58°44,0’ N
l = a / cos ϕm
l = - 271,9 / cos 58°44,0’ = - 523,9 (W)
ϕ1 = 58°46,0’N
λ1 = 10°32,0’E
b =
- 4,1’S
l = - 8°43,9’W
ϕ2 = 58°41,9’N
λ2 = 1°48,1’E
===============================
Am Mittag des 31.05. steht die Motoryacht also auf O2 58°41,9’N, 1°48,1’E
17
Zeichnerische Lösungen
Es liegt auf der Hand, dass man in Küstennähe auf das Rechnen des Koppelkurses verzichtet und dass man die
gesteuerten Kurse und Distanzen unmittelbar in die Seekarte einträgt und sie mit den gemachten terrestrischen
Beobachtungen vergleicht, womit man zugleich ein gutes Bild von der Situation erhält. Die rechnerische Schiffsortbestimmung wird nur dann angewandt, wenn man im freien Ozean nur Seekarten kleinen Maßstabes zur Verfügung hat. Zeichnerisches Koppeln ist auch möglich auf jeglichem Gitterpapier, womit gleichzeitig die zeichnerische Umwandlung von Längenunterschied in Abweitung erfolgen kann.
Weit verbreitet ist seit Jahren aber auch das zeichnerische Koppeln auf sog. Plottingsheets im Zusammenhang
mit den H.O.Tafeln 249. Plottingsheets sind nichts weiter als Mercatorkarten-Leerdrucke, die jeweils von 4° zu
4° Breite hergestellt werden. Während die Breite festliegt und bezeichnet ist, werden bei den Längengraden die
Bezeichnungen weggelassen, so dass es dem Nautiker selbst überlassen bleibt, die für ihn relevanten Bezeichnungen einzutragen.
18
Koordinatensysteme
Das Erdsystem
„Wir lagen südlich von Grönland,
was keiner so richtig schön fand“
Die geographische Breite ϕ eines Ortes ist der Winkel gemessen am Erdmittelpunkt - zwischen der Äquatorebene
und der Ebene des Breitenparallels des Ortes.
Die geographische Länge λ eines Ortes ist der sphärische
Winkel – gemessen am Nordpol – zwischen dem Meridian
von Greenwich und dem Ortsmeridian
Versuch einer Entwicklung der Koordinatensysteme in einfachen Worten:
Die Erde dreht sich wie ein Kreisel um ihre Achse.
Das führt dazu, dass die Erdachse (mehr oder
weniger) stabil in immer die gleiche Richtung zeigt.
Der eigentlich recht beträchtliche Durchmesser ihrer
Umlaufbahn um die Sonne (ca. 150 Mio km, s.o.)
schrumpft im kosmischen Maßstab gegen Null.
Und so ergibt sich das für unsere astronomischen
Zwecke so überaus praktische geozentrische Weltbild
mit der Erde im Zentrum, inmitten einer riesigen
Himmelskugel (an der die unzähligen Sterne „fixiert“
sind).
Die Erdachse wird unendlich verlängert zur
Weltachse (mit den Himmelspolen PN und PS), der
Äquator wird – wie beim Pizza-Bäcker - unendlich
vergrößert zum Himmelsäquator.
19
Stellen wir uns im folgenden vor, die Erde wäre eine Kugel aus Glas und im Erdmittelpunkt wäre eine sehr starke Glühbirne; dann könnten wir – nachdem wir die Drehung der Himmelskugel für einen Moment angehalten
haben - die Meridiane und Breitenparallele an die Himmelskugel projizieren und hätten nun am Himmelsgewölbe ein ganz und gar dem Erdsystem entsprechendes Koordinatensystem zur Ortsbestimmung der Sterne
(danach dreht sich die Himmelskugel wieder weiter…).
Die „Himmels-Breitenparallele“ nennen wir Abweichungsparallele, gekennzeichnet durch die Abweichung oder
Deklination δ.
Die „Himmels-Meridiane“ nennen wir Stundenkreise (hierin kommt die Bewegung der Himmelskugel zum Ausdruck), gekennzeichnet durch den Sternwinkel β. Der Sternwinkel eines Gestirns ist der Winkel zwischen dem
„Null-Stundenkreis“ (= Stundenkreis des Frühlingspunktes oder Widderpunktes , Erklärung später) und dem
Stundenkreis des Gestirns.
Das Himmelsäquatorsystem
Der Bildpunkt (BP) eines Gestirns ist der Punkt, an
dem die Verbindungslinie vom Gestirn zum
Erdmittelpunkt die Erdoberfläche durchstößt.
Die Himmelskoordinaten des Gestirns entsprechen
den Erdkoordinaten seines Bildpunktes.
Wer einen Stern in seinem Zenit sieht, steht auf dem
Bildpunkt des Gestirns.
Das Erdsystem und das Himmelsäquatorsystem existieren unabhängig von einem Beobachter.
20
Zum Beobachter gehört das Horizontsystem:
Ein Spezialfall:
Befindet sich ein Beobachter auf dem Nordpol, so hat er genau über sich („im Zenit“) den Himmelspol Nord.
Die Achse, die von seinen Füßen durch die Schädeldecke nach oben zum Himmelspol Nord (und nach unten
durch den Erdmittelpunkt und den Südpol zum Himmelspol Süd) geht, heißt das Lot. In diesem Spezialfall ist
das Lot identisch mit der Weltachse. Der Punkt, wo das Lot das Himmelsgewölbe oben über dem Beobachter
durchbricht, heißt Zenit (in diesem Fall identisch mit dem Himmelspol Nord), das Gegenstück unter ihm am
Himmelsgewölbe (natürlich prinzipiell nie sichtbar!) heißt Nadir (in diesem Fall identisch mit dem Himmelspol
Süd). Senkrecht zum Lot (also horizontal) verläuft die Ebene des wahren Horizonts durch den Erdmittelpunkt.
In diesem Spezialfall sind wahrer Horizont und der Himmelsäquator identisch.
Auch das Horizontsystem hat – ganz entsprechend den bisher besprochenen Systemen – seine „HorizontBreitenparallele“ und seine „Horizont-Meridiane“, hier heißen sie Höhenparallele (gekennzeichnet durch die
Höhe h) und Vertikalkreise (gekennzeichnet durch das Azimut Az). Auch durch diese Koordinaten ist der Ort
eines Gestirns bestimmt.
Steht der Beobachter weiterhin auf dem Nordpol (oder Südpol), dann fallen die Höhenparallele und die Vertikalkreise mit den Abweichungsparallelen und den Stundenkreisen des Himmelsäquatorsystems zusammen.
Das Horizontsystem
Die Höhe h ist der Winkel zwischen dem wahren Horizont und der Höhenparallele des beobachteten Gestirns,
gemessen am Erdmittelpunkt (natürlich messen wir die Gestirns-Höhen von der Erdoberfläche aus, der Unterschied zum richtigen Winkel ist gering und wird bei erdnahen Himmelskörpern entsprechend korrigiert > Horizontalparallaxe).
Das Azimut Az ist die rechtweisende Peilung des Gestirns bzw. seines Bildpunktes (also der Winkel zwischen
dem Ortsmeridian des Beobachters und dem Peilstrahl zum Bildpunkt bzw. der Winkel, gemessen am Zenit,
zwischen dem Himmelsmeridian (= Projektion des Ortsmeridians an die Himmelskugel) und dem Vertikalkreis
des Gestirns).
Für den Beobachter auf dem Nordpol ist die Höhe aller Gestirne (über dem wahren Horizont) identisch mit ihrer
Deklination / Abweichung.
Hilfreich ist folgende Überlegung:
Wir stellen uns vor, dass der Beobachter einen Regenschirm über sich aufgespannt hat: dann zielt die Spitze zum
Zenit, der Stiel ist das Lot und die Regenschirmrippen sind die Vertikalkreise. Auf dem Pol ist noch volle Übereinstimmung mit dem Himmelsäquatorsystem, doch sobald der Beobachter den Pol verlässt, nimmt er seinen
Regenschirm mit, und wenig später laufen die (gedachten) Kreise an der Himmelskugel auseinander und es wird
das nautisch-sphärische Dreieck aufgespannt (Himmelspol – Zenit – Stern, s. nächste Seite).
21
Die 3 Koordinatensysteme im Zusammenhang:
Die drei Seiten des nautisch-sphärischen Dreiecks sind:
Pol-Zenit-Distanz:
90° - Breite
Pol-Distanz:
90° ± Deklination
Zenit-Distanz:
90° - Höhe
22
Nach diesem Überblick jetzt das Ganze noch einmal im Detail:
Das Erdsystem:
Für nautische Zwecke ist es ausreichend, die Erde entgegen ihrer wirklichen Gestalt als vollkommene Kugel
anzusehen. Für alle folgenden Betrachtungen gilt deshalb diese Annahme, falls nicht ausdrücklich etwas anderes
gesagt ist.
Um jeden Punkt auf der Erdoberfläche eindeutig bezeichnen zu können, legt man auf ihr ein Koordinatensystem
fest. Ausgangspunkte sind die geographischen Pole, also der Nord- und der Südpol.
Der Äquator ist dann definiert als jene Kreislinie, die in jedem Punkt gleich weit von beiden Polen entfernt ist.
Er ist ein Großkreis, weil seine Ebene durch den Erdmittelpunkt geht.
Gedachte, parallel zum Äquator laufende Kreise, deren Umfang mit zunehmenden Abstand von ihm natürlich
immer geringer wird, bezeichnet man als Breitenkreise oder –parallele. Diese Breitenkreise bilden eine Koordinate. Der längste von ihnen, nämlich der Äquator, wird zum Ausgang einer Zählung gemacht, indem jedem
Breitenkreis eine Gradzahl zugeordnet wird, die dem Winkel am Erdmittelpunkt zwischen dem Äquator und dem
betreffenden Breitenkreis entspricht. Zur Vermeidung einer Zweideutigkeit erhält dieser Zahlwert das Nachzeichen Nord (N), wenn der Breitenkreis vom Äquator aus auf der durch den Nordpol charakterisierten Halbkugel
liegt; im entgegengesetzten Fall erhält er das Nachzeichen Süd (S). Ein solcher Breitenwert wird gekennzeichnet
durch den griechischen Buchstaben ϕ (Abb. 1).
Nun denke man sich weitere Großkreise durch die beiden Pole gelegt; sie sind alle gleich lang und schneiden die
Breitenkreise immer senkrecht. Längskreise oder Meridiane sind deren Halbkreise von Pol zu Pol; sie sind die
zweite Koordinate. Willkürlich hat man den durch die Greenwicher Sternwarte verlaufenden Längenkreis zum
Ausgang ihrer Zählung gemacht, indem man jedem Längenkreis eine Gradzahl zuordnet, die dem Winkel an
einem der beiden Pole zwischen dem Greenwicher Meridian und dem betreffenden Längenkreis entspricht. Man
nimmt den kleineren von zwei Winkeln, der damit 180° nicht überschreiten kann. Auch hier erhält er zur Vermeidung einer Zweideutigkeit das Nachzeichen Ost (E von engl. East, weil O mit Null verwechselt werden
könnte!) oder das Vorzeichen +, wenn der Längenkreis auf der östlichen Halbkugel liegt; im anderen Falle erhält
er die Zeichen West (W oder -). Der Längenwert wird gekennzeichnet durch den griechischen Buchstaben λ
(Abb. 1).
Die Meridiane, also Halbkreise, sind sämtlich gleich lang, nämlich rund 20.000 km. Der Äquator, ein Vollkreis,
ist etwa doppelt so lang (infolge der Abplattung der Erde etwa 70 km länger). Alle Breitenkreise sind kürzer als
der Äquator; der 60°-Breitenkreis ist z.B. nur noch halb so lang, während der 90°-Breitenkreis keine Längenausdehnung mehr hat. Es gilt: der Erdumfang auf der Breite ϕ ist gleich Äquatorumfang mal cosinus ϕ.
Der Erdumfang in der Ebene eines Meridians ist demnach rund 40.000 km lang. Dieser Umfang ist wie jeder
Kreisumfang in 360° eingeteilt, jedes Grad wieder in 60 Bogenminuten (’). In der Praxis ist die Länge einer
Bogenminute auf einem Meridian das Maß einer Seemeile (sm); sie ist 1852 m lang.
Nach dem Gesagten ist klar, dass die Länge einer Bogenminute auf einem Breitenkreis im allgemeinen kürzer als
eine Seemeile sein muß, bei gleicher Anzahl von Bogenminuten. Lediglich auf dem Äquator und auf Breiten bis
etwa 4° ist die Länge einer Bogenminute auch nahezu gleich einer Seemeile.
Das Horizontsystem
Für die Fragen der astronomischen Navigation ist es zweckmäßig, sich entgegen der Wirklichkeit alle Gestirne
gleich weit (sehr weit) entfernt vorzustellen. Diese Vorstellung beeinträchtigt im allgemeinen nicht die Richtigkeit der zu beschreibenden Überlegungen und Rechnungen. In dieser gedachten, großen Entfernung stellt man
sich deshalb konzentrisch um die Erde ein kugelförmiges Himmelsgewölbe vor. Es ist zweckmäßig, sich an
diesem Himmelsgewölbe ebenfalls Koordinatensysteme zu schaffen, um die Lage der Gestirne angeben zu können. Ein solches System ist das Horizontsystem (Abb. 2).
Im augenblicklichen Standort des Beobachters bestimmt das Lot über ihm den Zenit, unter ihm den Nadir. Durch
seinen Standort verläuft senkrecht zum Lot (also horizontal) in Augeshöhe die Ebene des scheinbaren Horizontes
und parallel zu diesem durch den Erdmittelpunkt die Ebene des wahren Horizontes. Diese Ebenen scheiden das
Himmelsgewölbe im scheinbaren bzw. wahren Horizont. Auf dem Horizont liegen, durch die Himmelsrichtungen auf der Erde festgelegt, z.B. der Nord-, der Ost- der Süd- und der Westpunkt. Am Himmelsgewölbe verlaufen parallel zu ihm die Höhenparallele, so genannt, weil alle auf dem gleichen Höhenparallel stehenden Sterne für unseren Beobachter unter der gleichen Höhe h erscheinen. Diese Höhe h ist genau genommen der Winkel
zwischen dem wahren Horizont und dem Höhenparallel im Erdmittelpunkt (Abb. 2). Damit ist ein Höhenparallel
bezeichnet. Höhen unter dem Horizont interessieren nicht, weil Gestirne unter dem Horizont nicht sichtbar und
damit für unsere Aufgaben nicht brauchbar sind.
Senkrecht zu den Höhenparallelen verlaufen als Großhalbkreise durch Zenit und Nadir die Vertikalkreise. Der
auf dem Horizont durch den Nord- und Südpunkt gehende Vollkreis wird der Himmelsmeridian genannt, der
23
durch den Ost- und Westpunkt hindurchgehende der 1. Vertikal. Der Winkel am Zenit zwischen dem Himmelsmeridian und dem Vertikalkreis eines Gestirns wird dessen Azimut (Az) genannt; damit ist der betreffende Vertikalkreis gekennzeichnet. Das Azimut zählt in Graden von 0° (Nordrichtung) über 90° (Ostrichtung), 180° (Südrichtung), 270° (Westrichtung) bis 360° (wieder Nordrichtung); es ist nichts anderes als die rechtweisende Richtung (Peilung) des betreffenden Gestirns.
Im Horizontsystem, das abhängig vom jeweiligen Standort des Beobachters ist, ist demnach die Lage eines Gestirns am Himmelsgewölbe bestimmt durch sein Höhenparallel, gekennzeichnet durch die Höhe h, und durch
seinen Vertikalkreis, gekennzeichnet durch das Azimut. Höhe und Azimut ermöglichen eine eindeutige Bestimmung der Lage eines Gestirns am Himmelsgewölbe. Diese Koordinaten ändern sich, sobald der Beobachter
seinen Standort ändert.
Man benutzt aus Gründen der Zweckmäßigkeit neben dem Begriff der Höhe h noch den der Zenitdistanz z. Beide hängen nach folgender Definition zusammen:
h + z = 90° oder 90° - h = z oder 90° - z = h
Das Himmelsäquatorsystem
Während das Horizontsystem ein vom jeweiligen Standort des Beobachters abhängiges ist, ist das Himmelsäquatorsystem (Abb. 3) am Himmelsgewölbe fixiert und nimmt an dessen scheinbarer täglichen Bewegung teil. Es ist
also nicht bestimmt vom Beobachter bzw. dessen jeweiligen Standort.
Man denke sich die Erdpole und den Erdäquator vom Erdmittelpunkt aus an das Himmelsgewölbe projiziert;
deren Abbild sind dann die Himmelspole und der Himmelsäquator. Man spricht vom nördlichen und vom südlichen Himmelspol PN und PS oder nennt den für den Beobachter über dem Horizont liegenden den oberen Pol,
den unter dem Horizont liegenden den unteren Pol P. Parallel zum Himmelsäquator verlaufen die Abweichungsoder Deklinationsparallelen bzw. –kreise. Ihre Zählung entspricht der Breite im Erdsystem vollkommen. Die
Abweichung oder Deklination wird durch den griechischen Buchstaben δ (Delta für Deklination) gekennzeichenet.
Senkrecht zu den Abweichungsparallelen verlaufen von Himmelspol zu Himmelspol die Stundenkreise. Einen
von ihnen, der durch den Frühlingspunkt oder Widderpunkt hindurchgeht – über die Lage dieses Punktes am
Himmelsgewölbe wird noch zu sprechen sein -, hat man zum Ausgang ihrer Zählung genommen, entsprechend
etwa dem Meridian von Greenwich im Erdsystem. Diese Zählung erfolgt im Sinne der täglichen scheinbaren
Bewegung des Himmelsgewölbes, d.h. vom nördlichen Himmelspol aus gesehen im Uhrzeigersinn, indem man
den Winkel am Pol zwischen dem Stundenkreis des Frühlingspunktes und dem des Gestirns in Graden von 0° bis
360° angibt (also etwas anders als die Längenzählung im Erdsystem!). Diesen Winkel nennt man den Sternwinkel und kennzeichnet ihn durch den griechischen Buchstaben β.
(Daneben gibt es eine andere, seit alters her gebrauchte Zählung nach der Beziehung α = 360° - β. Man nennt α
die „Gerade Aufsteigung“ oder „Rektaszension“).
In dem Äquatorsystem kann also jeder Punkt am Himmelsgewölbe eindeutig bezeichnet werden durch die Abweichung oder Deklination δ und durch den Sternwinkel β. Diese Koordinaten ändern sich im Gegensatz zu
denen im Horizontsystem nicht, wenn der Standort des Beobachters sich ändert. Sie nehmen teil an der täglichen
Drehung des Himmelsgewölbes.
Zusammenfassende Betrachtung der Koordinatensysteme:
Für einen beliebigen Standort auf der Erde zeigen sich bestimmte Zusammenhänge zwischen dem Horizont- und
dem Äquatorsystem:
Beide Systeme sind gegeneinander um den Winkel 90°-ϕ, dem Breitenkomplement, geneigt. Außerdem verläuft
der im Horizontsystem definierte Himmelsmeridian durch beide Himmelspole; er fällt demnach mit irgendeinem
Stundenkreis zusammen und gehört also auch dem Äquatorsystem an!
In beiden Systemen wird der Himmelsmeridian gemäß ihren Koordinaten in jeweils zwei Halbmeridiane unterteilt. Im Horizontsystem in den Nordmeridian (derjenige Halbmeridian, der vom Zenit durch den nördlichen
Himmelspol zum Nadir geht) und in den Südmeridian (der vom Zenit durch den südlichen Himmelspol zum
Nadir geht). Im Himmelsäquatorsystem unterteilt sich der Himmelsmeridian in die beiden Halbmeridiane:
Oberer Meridian (verläuft vom nördlichen Himmelspol durch den Zenit zum südlichem Himmelspol) und
Unterer Meridian (verläuft vom nördlichen Himmelspol durch den Nadir zum südlichen Himmelspol).
24
Zusammenstellung der sich entsprechenden Größen im
Erdsystem
Himmelsäquatorsystem
Horizontsystem
Erdachse
Nord- und Südpol
Äquator
Breitenparallele
Breite ϕ
Längenkreise / Meridiane
Meridian von Greenwich
Länge λ
Weltachse
nördl.und südl. Himmelspol
Himmelsäquator
Abweichungsparallele
Abweichung / Deklination δ
Stundenkreise
Stundenkreis des Frühlingspunktes
Sternwinkel β
Das Lot
Zenit und Nadir
wahrer Horizont
Höhenparallele
Höhe h
Vertikalkreise
Himmelsmeridian
Azimut Az
Abb. 1: Das Erdsystem
Grundkreise:
Erdäquator, Meridian von Greenwich
Koordinaten:
Breite ϕ, Länge λ
Abb. 2: Das Horizontsystem
Grundkreise:
Wahrer Horizont, Himmelsmeridian
Koordinaten:
Höhe h, Azimut Az
Abb. 3 Das Himmelsäquatorsystem
Grundkreise:
Himmelsäquator, Stundenkreis des Frühlingspunktes
Koordinaten:
Abweichung δ, Sternwinkel β
25
Grundbegriffe der Koordinatensysteme
(zum Nachschlagen gedacht, spez. für die Prüfung!)
Horizontsystem:
Wahrer Horizont ist der größte Kreis auf der Himmelskugel, dessen Ebene senkrecht zum Lot steht. Zenit und
Nadir sind die Schnittpunkte mit der Himmelskugel.
Nord-, Ost-, Süd- und Westpunkt sind die auf dem Horizont liegenden Punkte, die durch die Himmelsrichtungen
auf der Erde festgelegt sind.
Himmelsmeridian ist derjenige senkrecht auf dem Horizont stehende Großkreis, dessen Ebene sowohl durch den
Zenit als auch durch den Nord- und Südpunkt geht, zwangsläufig daher auch durch die Himmelspole. Somit
gehört er auch dem Äquatorsystem an und fällt dort mit irgendeinem Stundenkreis zusammen.
Nordmeridian ist der halbe Himmelsmeridian vom Zenit zum Nadir durch den Nordpunkt.
Südmeridian ist der halbe Himmelsmeridian von Zenit zum Nadir durch den Südpunkt.
Vertikalkreise sind größte Kreise, die durch Zenit und Nadir gehen; also ist auch der Himmelsmeridian ein Vertikalkreis.
I. Vertikalkreis ist der Vertikalkreis, dessen Ebene senkrecht zur Ebene des Himmelsmeridians steht; er schneidet den Horizont also im Ostpunkt.
Höhenparallele sind Nebenkreise, deren Ebenen senkrecht zum Lot stehen.
Scheinbarer Horizont ist ein Nebenkreis, der die durch das Auge des Beobachters senkrecht zum Lot begrenzte
Ebene begrenzt.
Kimm ist die Grenzlinie zwischen Wasser und Luft, die der Beobachter sieht.
Kimmtiefe ist der Winkel zwischen den Linien: [Auge – Kimm] und [Auge - scheinbarer Horizont]. Ihre Größe
ist abhängig von der Augeshöhe (Ah) und vom Temperaturunterschied zwischen Luft und Wasser.
Wahre Höhe (h) eines Gestirns ist der Bogen eines Vertikals vom wahren Horizont bis zum Höhenparallel des
Gestirns.
Scheinbare Höhe eines Gestirns ist der Winkel zwischen den Linien: [Auge - scheinbarer Ort des Gestirns] und
[Auge - scheinbarer Horizont].
Kimmabstand ist der Winkel zwischen den Linien: [Auge – Kimm] und [Auge – scheinbarer Ort des Gestirns].
Höhe über dem scheinbaren Horizont ist der Bogen eines Vertikals vom scheinbaren Horizont bis zum Höhenparallel des Gestirns.
Zenitdistanz (z) ist der Bogen eines Vertikals von Zenit bis zum wahren Ort des Gestirns.
Azimut ist der sphärische Winkel am Zenit zwischen dem Himmelsmeridian und dem Vertikalkreis des Gestirns.
Dieser Winkel entspricht der rechtweisenden Peilung zum Gestirn.
Amplitude ist der Bogen des wahren Horizonts zwischen Ostpunkt und dem Gestirnsmittelpunkt beim wahren
Aufgang (Morgenweite) oder zwischen dem Westpunkt und dem Gestirnsmittelpunkt beim wahren Untergang
(Abendweite). In der nautischen Praxis versteht man unter Amplitude auch das Azimut beim wahren Auf- und
Untergang.
Wahrer Halbmesser eines Gestirns ist der Winkel zwischen den Linien: [Erdmittelpunkt – Gestirnsmittelpunkt]
und [Erdmittelpunkt – wahrer Gestirnsrand].
Horizontalparallaxe ist der Winkel, unter dem vom Gestirn aus der Äquatorhalbmesser der Erde erscheint. Ihre
Größe ist abhängig von der Entfernung des Gestirns.
Höhenparallaxe ist der Winkel zwischen den Linien: [Gestirn – Auge] und [Gestirn – Erdmittelpunkt].
Strahlenbrechung oder Refraktion ist der Winkel zwischen den Linien: [Auge – scheinbarer Ort des Gestirns]
und [Auge – wahrer Ort des Gestirns]. Ihre Größe ist abhängig von der Höhe des Gestirns und von der Beschaffenheit der Atmosphäre (Luftdruck/Temperatur)
26
Erdsystem:
Erdachse ist die Achse, um die sich die Erde dreht.
Nord- und Südpol sind die Punkte auf der Erdoberfläche, an denen die Erdachse diese durchstößt.
Äquator ist die Kreislinie, die in jedem Punkt gleich weit von den beiden Polen entfernt ist. Er ist ein Großkreis,
weil seine Ebene durch den Erdmittelpunkt geht.
Längenkreise (oder Meridiane) sind jeweils Hälften von Großkreisen, die durch die Pole gelegt sind, also Halbkreise von Pol zu Pol. Der Längenkreis von Greenwich ist (willkürlich) zum Ausgangspunkt einer Zählung von
180° nach West und 180° nach Ost als Winkel am Pol gemacht. Die Bezeichnung eines Längenkreises muss
daher immer unter dem Wert von 180° liegen und den Zusatz West oder Ost erhalten.
Breitenkreise oder Breitenparallele sind Nebenkreise, deren Ebenen senkrecht zur Erdachse stehen. Der längste
von ihnen – der Äquator – wird zum Ausgang der Zählung gemacht, indem jedem Breitenparallel eine Gradzahl
zugeordnet wird, die dem Winkel am Erdmittelpunkt zwischen dem Äquator und dem betreffenden Breitenkreis
entspricht. Diese Gradzahlen erhalten auf der Nordhalbkugel das Nachzeichen „Nord“, auf der Südhalbkugel das
Nachzeichen „Süd“.
Der Erdumfang in der Ebene eines Längenkreises oder des Äquators ist ungefähr 40.000 km lang (eine geringe
Abplattung an den Polen kann in der nautischen Praxis vernachlässigt werden). Dieser Umfang ist wie jeder
Kreis in 360° eingeteilt, jeder Grad in 60 Bogenminuten und jede Bogenminute in 60 Bogensekunden. In der
Praxis wird eine Bogenminute auf einem Längenkreis oder auf dem Äquator gleich dem Maß einer Seemeile
gesetzt, sie ist 1852 m lang. Im Erdsystem ist es also möglich, Bogenmaß in Entfernung umzusetzen.
Der Bildpunkt eines Gestirns ist der Punkt auf der Erdoberfläche, der durch die Verbindung des Mittelpunktes
der Erde mit dem Mittelpunkt des Gestirns entsteht.
Himmelsäquatorsystem:
Weltachse ist die verlängerte Erdachse, um die sich die Himmelskugel scheinbar dreht.
Himmelspole sind Endpunkte der Weltachse.
Himmelsäquator ist der größte Kreis der Himmelskugel, dessen Ebene senkrecht zur Weltachse steht.
Stundenkreise sind größte Kreise, die durch die Himmelspole gehen.
Himmelsmeridian ist derjenige senkrecht auf dem Himmelsäquator stehende Großkreis, dessen Ebene sowohl
durch den Himmelsnordpol und den Himmelssüdpol als auch durch den Zenit, den Nadir und den Nord- und
Südpunkt des Horizontsystems geht. Er gehört somit sowohl dem Äquator- als auch dem Horizontsystem an.
Oberer Meridian ist der halbe Himmelsmeridian, der vom Himmelsnordpol ausgehend durch den Zenit zum
Himmelssüdpol verläuft.
Unterer Meridian ist der halbe Himmelsmeridian, der vom Himmelsnordpol durch den Nadir zum Himmelssüdpol verläuft.
Ekliptik ist die scheinbare jährliche Bahn der wahren Sonne am Himmelsgewölbe.
Tierkreis nennt man die Sternbilder, in denen die Ekliptik verläuft: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische.
Sonnenwendpunkte/Solstitialpunkte sind die Punkte der Ekliptik, in denen die Sonne ihre größte Abweichung
hat (21.06. = Wendekreis des Krebses, 22.12. = Wendekreis des Steinbocks).
Tag- und Nachtgleichenpunkte oder Äquinoktialpunkte sind die Schnittpunkte der Ekliptik mit dem Himmelsäquator (21.03. = Frühlings- oder Widderpunkt, 23.09. = Herbst- oder Waagepunkt).
Frühlingspunkt oder Widderpunkt ist der Punkt der Ekliptik, in dem die Sonne ca. am 21.03. steht, wenn ihre
Abweichung nämlich gerade 0° ist. Er steht nicht mehr im Sternbild des Widders, sondern im Sternbild der
Fische, da er eine langsame, rückläufige Bewegung – von Ost nach West – hat.
Greenwicher Stundenwinkel eines Gestirns ist der sphärische Winkel am Pol zwischen dem Greenwicher Meridian und dem Stundenwinkel des Gestirns. Er zählt von Greenwich aus nach Westen von 0° bis 360°. Man erhält
den Greenwicher Stundenwinkel eines Fixsterns durch Addition des Sternwinkels zum Greenwicher Stundenwinkel des Frühlingspunktes.
Ortsstundenwinkel ist der sphärische Winkel am Pol zwischen dem oberen Meridian und dem Stundenwinkel
des Gestirns. Man erhält ihn durch Addition der geographischen Länge zum Greenwicher Stundenwinkel (Ostlänge +, Westlänge -). Er wird vom oberen Meridian nach Westen von 0° bis 360° gezählt. Sein Zeichen in den
Rechnungen ist = t. t zwischen 0° und 180° heißt tw, t zwischen 180° und 360° heißt tö. Letzteren zieht man von
360° ab. Winkel, die größer als 360° sind, werden um 360° verringert.
27
Sternwinkel (β) ist der Winkel zwischen dem Stundenkreis des Frühlingspunktes () und dem Stundenkreis des
Gestirns. Er zählt vom Stundenkreis des Frühlingspunktes aus nach Westen von 0° bis 360°.
Gerade Aufsteigung (α) oder Rektaszension (engl. „Right Ascension“) ist der sphärische Winkel am Pol zwischen dem Stundenkreis des Frühlingspunktes und dem Stundenkreis des Sterns. Sie wird gezählt von West nach
Ost, also im entgegengesetzten Sinne der scheinbaren Drehung der Himmelskugel. Die Ergänzung zu ihr ist der
Sternenwinkel. Bei den astronomischen Rechnungen der Nautik wird die gerade Aufsteigung kaum mehr angewandt. Allenfalls basieren einige Sternenfinder auf ihr.
Abweichungsparallele sind Nebenkreise, deren Ebenen senkrecht zur Weltachse stehen. Bei der scheinbaren
täglichen Drehung der Himmelskugel beschreibt jedes Gestirn, das seine Abweichung nicht ändert, seinen Abweichungsparallel. Der Teil eines Abweichungsparalleles, der über dem wahren Horizont liegt, heißt „Tagbogen“, der unter dem wahren Horizont „Nachtbogen“.
Abweichung oder Deklination (δ) ist der Bogen eines Stundenkreises vom Himmelsäquator bis zum Abweichungsparallel des Gestirns.
Poldistanz (p) ist der Bogen eines Stundenkreises vom Pol zum Gestirn.
Polhöhe (ϕ) ist der Bogen des Meridians vom wahren Horizont bis zum oberen Pol. Sie ist gleich der Breite des
Beobachtungsortes.
Breitenkomplement (b = 90° - ϕ) ist der Bogen des Meridians vom Zenit bis zum Pol.
Kulmination nennt man den Durchgang eines Gestirns durch den (Orts-)Meridian (Meridianpassage). Den
Durchgang durch den oberen Meridian nennt man die „obere Kulmination“, den Durchgang durch den unteren
Meridian die „untere Kulmination“
Mittlere Sonne ist eine gedachte Sonne, die sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit auf dem Äquator im rechtläufigen Sinne bewegt, und zwar so schnell, dass sie zu einem ganzen Umlauf dieselbe Zeit braucht wie die
wahre Sonne, nämlich ein Jahr.
Wahrer Sonnentag ist die Zeit von einer unteren Kulmination der wahren Sonne bis zum nächstfolgenden. Er ist
verschieden lang, im Winter am längsten (!).
Mittlerer Sonnentag ist die Zeit von einer unteren Kulmination der mittleren Sonne bis zur nächstfolgenden.
Zeitgleichung (e) ist der Unterschied zwischen der wahren und der mittleren Zeit, oder: der sphärische Winkel
am Pol zwischen dem Stundenkreis der wahren und dem Stundenkreis der mittleren Sonne.
Sterntag ist der Zeitraum von einer unteren Kulmination des Frühlingspunktes bis zur nächstfolgenden, also die
Zeit einer einmaligen Umdrehung der Erde um ihre Achse (24h Sternzeit = 23h 56m 04,1s mittlerer Sonnenzeit).
Mondtag ist die Zeit von einer unteren Kulmination des Mondes bis zur nächstfolgenden. Er ist im Mittel 50
Minuten länger als ein Sonnentag.
28
Die Bewegung der Gestirne am Himmelsgewölbe
Dieses Thema ist ein Bücher füllender, wissenschaftlicher Stoff. Es soll uns daher genügen, das für den Nautiker
Wesentliche herauszuziehen.
Man unterscheidet im Grundsatz:
Die Eigenbewegung der Gestirne, die sich in einer Änderung ihrer Koordinaten ausdrückt, also in der Abweichung (δ) und dem Sternwinkel (β),
Die tägliche, scheinbare Bewegung mit dem ganzen Himmelsgewölbe, die sich aufgrund der Rotation der Erde
dem Betrachter auf der Erde täglich darbietet.
Beginnen wir mit der Eigenbewegung der Gestirne. Sie ist bei allen Fixsternen nachweisbar, wegen des großen
Abstands von der Erde jedoch ohne weiteres nicht wahrnehmbar. Begnügen wir uns mit dieser Feststellung,
besonders, wenn man weiß, dass die jährliche Änderung wesentlich unter 1’ liegt, und dass das Nautische Jahrbuch stets den richtigen Wert vermittelt.
Deutlicher tritt die Erscheinung der Eigenbewegung bei der Sonne, den Planeten, am allerdeutlichsten aber beim
Mond hervor:
Innerhalb eines Jahres umkreist die Erde einmal die Sonne. Ihre Umlaufbahn ist eine Ellipse, in deren einem
Brennpunkt, also nicht im Mittelpunkt, die Sonne steht. Die Erde ihrerseits hat durch ihre Rotation oder auch
Kreiselbewegung nach den Kreiselgesetzen ihre Achse so stabilisiert, dass sie mit einem Winkel von 23,5° aus
der Ebene der Ellipse in den Weltall hinein zum Polarstern zeigt. Diese Lage behält sie im Wesentlichen bei.
Wenn man der Erdbahn in der Abbildung folgt, wird man feststellen, dass die Sonne im Sommer mehr Fläche
von der Nordhalbkugel bescheint als im Winter, und dass im Winter das umgekehrte Verhältnis eintritt. Im Frühling und im Herbst fallen die Sonnenstrahlen parallel zur Äquatorebene ein und auf beiden Halbkugeln (nördlich
und südlich) werden gleiche Flächen angestrahlt. Die hieraus resultierenden Folgeerscheinungen auf der Erde,
wie Winter, Frühling, Sommer, Herbst, lange Tage/kurze Nächte und umgekehrt usw. sind bekannt.
Von der Erde aus gesehen fühlen wir uns als
im Mittelpunkt des
Geschehens stehend.
Wir sehen die Sonne
um uns kreisen. Wir
sprechen nun nicht
mehr von der Erdbahn,
sondern von der Sonnenbahn, die sich rund
um die Himmelskugel
zieht, gleichfalls gegen
die Äquatorebene um
23,5° geneigt. Man
nennt diese scheinbare
Sonnenbahn:
die Ekliptik.
Die Schnittpunkte mit dem Äquator sind die Tag- und Nachtgleichen oder Äquinoktialpunkte (sie werden etwa
um den 21. März und den 22. September von der Sonne passiert).Um den 21. Juni steht die Sonne im nördlichs-
29
ten Punkt der Ekliptik (Sommer-Sonnenwende), und um den 22. Dezember im südlichsten Punkt (WinterSonnenwende).
Während ihres Jahreslaufs durchläuft die Sonne die in den Abbildungen eingezeichneten Sternbilder, die man
den Tierkreis nennt. Um 150 vor Chr. fielen sie mit den nach ihnen bezeichneten Sternbildern zusammen. Heute
weichen sie um etwa 30° von ihnen ab, so dass das Zeichen des Widders () mit dem Sternbild der Fische
zusammenfällt. Auch der Frühlingspunkt, den man immer noch Widderpunkt nennt, liegt heute im Sternbild der
Fische.
Auf ihre Bahn – der Ekliptik – wandert die Sonne am
Himmelsgewölbe täglich um etwa 1° links herum.
Das sind ca. 360° im Jahr (woher auch das Maß „Jahr“
stammt).
30
Planeten: Obwohl es etwas kompliziert ist und ihre Bewegungen am Himmelsgewölbe schwer verständlich erscheinen (s. Epizyklen), wenn wir ihnen über einige Zeit mit den Augen folgen, können wir uns hier mit nur
wenigen Bemerkungen begnügen:
Kopernikus hat um 1500 die Achsendrehung der Erde von West nach Ost nachgewiesen.
Kepler stellte 1619 u.a. folgende Gesetze auf:
- die Planeten bewegen sich in Ellipsen, in deren Brennpunkt die Sonne steht
- der Leitstrahl eines Planeten (Verbindungslinie Sonne – Planet) beschreibt in der gleichen Zeit gleiche Flächen.
1685 begründete Newton das Gravitationsgesetz:
Alle Körper ziehen sich im Verhältnis ihrer
Massen und im umgekehrten quadratischen
Verhältnis ihrer Entfernungen an. Das erklärt die
unterschiedliche Geschwindigkeit der Planeten
einschließlich der Erde auf ihrer Bahn um die
Sonne. Denn, wenn die Sonne nicht im
Mittelpunkt, sondern außerhalb von diesem,
nämlich in einem der Brennpunkte steht, werden
die während des Umlaufs entstehenden
Entfernungsunterschiede noch unterstützt und
damit ändert sich die jeweilige Geschwindigkeit
während des Umlaufs. Bei der Erde wirkt sich die
sogenannte Sonnennähe im Winter (Ende
Dezember) aus, dann ist die Erdgeschwindigkeit
am größten. Sie liegt dann über dem Mittelwert
von 30 km/sek.
Mond: Er umkreist die Erde nun tatsächlich. Er macht dadurch 3 Arten der Bewegung:
a) die Bewegung um die eigene Achse, b) die um die Erde und c) die mit der Erde zusammen um die Sonne.
Seine Bewegungen sind im wahrsten Sinne augenscheinlich. Das kann man am besten beobachten, wenn der
Vollmond in der Nähe eines hellen Sternes steht. Wenn man nach Ablauf von 2 Stunden seine Stellung zu dem
hellen Stern vergleicht, stellt man fest, dass sie sich im gegenläufigen Sinne um etwa 2 Monddurchmesser verändert hat. Seine Bahn weicht von der Ekliptik nur um etwa 5° ab. In einem Jahr vollzieht der Mond seine Umlaufbahn, die ebenfalls eine Ellipse ist, zwölf mal, woher natürlich der Name „Monat“ kommt.
31
An der täglichen scheinbaren Bewegung nehmen alle Gestirne in gleicher Weise teil. Infolge der Drehung der
Erde um ihre Achse, die mit der Weltachse zusammenfällt, bewegen sich alle Gestirne auf Laufkreisen. Laufkreis und Abweichungsparallel eines Gestirns fallen zusammen, wenn sich dessen Deklination δ nicht ändert.
Zur Veranschaulichung kann man das für einen Zeitraum von 24 Stunden, in dem jedes Gestirn den Laufkreis
einmal durchläuft, schon annehmen, wobei wir allerdings den Mond draußen vor lassen.
Betrachten wir jetzt die nebenstehende Abbildung, eine sog.
Meridian-Schnittfigur (Schnitt durch
das Himmelsgewölbe in der Ebene
des Himmelsmeridians, die Laufbahnen der Gestirne werden auf diese
Ebene projiziert):
Wir sehen, dass es Gestirne gibt,
deren Laufkreis den Horizont
schneidet, logischerweise zweimal,
da das Gestirn auf- und untergeht.
Bei anderen Gestirnen liegt der
Laufkreis immer oberhalb, bei
anderen wieder unterhalb des Horizonts. Solche Gestirne gehen entweder nie unter oder sie gehen nie
auf. Die ersten heißen Zirkumpolarsterne (in unseren Breiten gehören
z.B. die des großen Bären dazu).
Bei den Gestirnen, die sowohl aufwie auch untergehen, nennt man den
Teil des Laufkreises oberhalb des
Horizonts den Tagbogen, den unterhalb des Horizonts den Nachtbogen.
Uns können nur Gestirne interessieren, die einen Tagbogen durchlaufen oder überhaupt nicht untergehen, weil wir die anderen gar nicht sehen können.
Aus der Abbildung lässt sich ablesen:
Für einen Beobachtungsort auf der Breite ϕ = 54°30’ N (Leuchtturm Kiel) sind in die Meridian-Schnittfigur die
tägliche scheinbare Bewegung der Gestirne 1 bis 6 am Himmelsgewölbe unter der Annahme, dass sich ihre Abweichung δ nicht ändert, eingezeichnet.
Der Laufkreis des Gestirns 4 deckt sich mit dem Himmelsäquator, da sein δ = 0° ist.
Die Abweichung δ der Gestirne 1 bis 3 ist gleichnamig mit der Beobachterbreite ϕ, nämlich „Nord“.
Die Abweichung δ der Gestirne 5 und 6 haben das Nachzeichen „Süd“ und sind damit ungleichnamig mit der
Breite des Beobachtungsortes.
Wir sehen:
•
•
•
•
•
•
•
Ein Gestirn, dessen Abweichung (δ) größer als das Breitenkomplement (90° - ϕ) des Beobachtungsortes, aber ungleichnamig dieser Breite (ϕ) ist, ist an diesem Ort nie sichtbar.
Bei allen anderen Gestirnen mit ungleichnamigem δ ist der Nachtbogen länger als der Tagbogen.
Fällt der Laufkreis eines Gestirns mit dem Himmelsäquator zusammen (δ = 0°), sind dessen Tag- und
Nachtbogen für jeden Ort beliebiger Breite gleich lang (z.B. die Sonne bei Frühlings- und Herbstbeginn
= Tag- und Nachtgleiche)
Bei Gestirnen mit gleichnamiger Deklination ist der Tagbogen stets länger als der Nachtbogen.
Gestirne mit gleichnamiger Deklination nennt man „zirkumpolar“, wenn ihr δ größer als das Breitenkomplement (90° - ϕ) ist; sie haben keinen Nachtbogen.
Für einen Beobachter auf dem Äquator haben alle Gestirne – unabhängig von ihrem δ - gleichlange
Tag- und Nachtbögen.
An den Polen gibt es nur Zirkumpolarsterne; es sind alle, deren δ gleichnamig mit dem Pol ist.
32
Übertragen wir diese Behauptungen auf die Breite unseres Beobachtungsortes ϕ = 54°30’ N, so erkennen wir,
welches δ eines Gestirns dafür maßgeblich ist, ob wir es dort jemals werden beobachten können:
-
Alle Gestirne mit einem δ von (90° - ϕ) = 35°30’ S und größer werden niemals sichtbar
-
Alle Gestirne mit einem δ zwischen 35°30’ S und 35°30’ N gehen im Verlauf von 24 Stunden auf und
unter auch dann, wenn wir sie möglicherweise wegen der Tageshelligkeit nicht sehen.
Alle Gestirne mit einem δ von 35°30’ N und nördlicher beobachten wir als Zirkumpolarsterne.
-
Es ist uns durch das Beispiel der Sonne geläufig, dass sich durch die tägliche scheinbare Bewegung der Himmelskörper die Höhe und das Azimut (so nennt man die rechtweisende Richtung zum Gestirn) laufend ändern.
Die Höhe kann sich sichtbar nicht mehr als um 90° ändern, in den allermeisten Fällen ist der Betrag kleiner.
Die Änderung des Azimuts innerhalb von 24 Stunden ist unübersichtlicher: Sonne, Planeten und Mond sind, wie
wir gesehen haben, ganz oder annähernd mit ihrem δ an die Ekliptik gebunden. Ihr Wert überschreitet daher 24°
Breite weder nach Norden noch nach Süden. So können wir für unsere Breiten als gegeben ansehen, dass sich ihr
Azimut täglich um 360°, stündlich etwa um 15° ändert. Für den größten Teil der Fixsterne können wir dasselbe
voraussetzen. Für einen kleinen Teil kann dieser Betrag jedoch erheblich kleiner sein. Es handelt sich um die
Fixsterne, deren δ gleichnamig mit der Breite ϕ ist, deren Abweichung aber größer als diese Breite ist. Aus der
Meridianschnittfigur ist zu entnehmen, dass der Laufkreis 1 eines angenommenen Gestirns in seiner Zirkumpolarbewegung den Himmelsmeridian immer nur polwärts und in unserem Fall nördlich vom Zenit passieren kann.
Ein Azimut südlich der Ost – West – Linie ist ihm daher verschlossen. Je näher ein solcher Stern am Pol steht,
umso begrenzter wird seine Azimutänderung (Beispiel: Nordstern mit Az zwischen 359° und 1°).
Folgerungen aus der Erdbewegung
Die Zeit
Wahre Zeit, mittlere Zeit, Zeitgleichung
Ausgang aller Zeitberechnung und –betrachtung ist der Sonnen-Tag, d.h. der Zeitraum zwischen zwei aufeinanderfolgenden unteren oder oberen Kulminationen an ein und demselben Ort. Man kann auch sagen: ein Tag ist
die Umdrehung der Erde um ihre Achse. Wir beobachten z.B. die Kulmination der Sonne an einem bestimmten
Tag. Wenn sie am nächsten Tag den Himmelsmeridian wieder passiert, ist ein Tag um.
Würden wir dieselbe Beobachtung mit einem hellen Fixstern anstellen, bekämen wir eine um vier Minuten kleinere Zeiteinheit heraus. Das ist genau die Zeit, die die Sonne braucht, um in bereits bekannter Weise ihren Weg
am Himmelsgewölbe von täglich einem Grad im gegenläufigen Sinne zurückzulegen. In 360 Tagen hätte die
Sonne also das gesamte Himmelsgewölbe durchlaufen, stände wieder an ihrem alten Platz, und das Jahr wäre
um. Genauer, kann man sagen, dauert dieser Weg ein paar Tage länger, nämlich rund 365 Tage, während alle
Fixsterne im gleichen Zeitraum die Erde 366 mal scheinbar umkreist haben. So gibt es auch eine Erklärung dafür, warum wir zu unterschiedlichen Jahreszeiten auch unterschiedliche Sternbilder sehen, und dass ≈365 Sonnentage gleich ≈ 366 Sternentage sind.
Nicht so wichtig, aber lehrreich:
Unser „Bürgerliches Jahr“ basiert auf dem tropischen Jahr (griechisch: tropicos = Wendepunkt). Das ist die Zeit, die zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen der Sonne durch den Frühlingspunkt verfließt. Sie beträgt ≈ 365 Tage, 5
Stunden, 49 Minuten, also 5h 49m mehr als ein Jahr lang sein sollte. Nach vier Jahren würde dieser Überschuss sich auf 23h
16m aufsummiert haben. So führte man in jedem vierten Jahr das Schaltjahr mit 366 Tagen ein, aber man hätte dann immer
noch 44m bzw. in einem Jahr 11m zuviel. Das macht alle 100 Jahre 18h und alle 400 Jahre 72h = 3 Tage aus. Darum lässt man
im Laufe von 400 Jahren immer 3 Schaltjahre ausfallen und nimmt dafür die Säkulare, deren Hunderter nicht durch 4 teilbar
sind. Keine Schaltjahre sind dann 1500, 1700, 1800, 1900; Schaltjahre dagegen sind 1600, 2000, 2400 etc.
Gleichmäßig unterteilen wir unseren Sonnentag nun in 24 Stunden, jede Stunde in 60 Minuten und jede Minute
in 60 Sekunden, wobei es sich hier um ein Zeitmaß handelt im Gegensatz zum Bogenmaß. Kontrollierten wir
nun mit einer ganz regelmäßig gehenden Uhr alle Sonnentage eines Jahres, würden wir feststellen, dass sie nicht
gleich lang wären! Die Abweichungen von einem Jahresmittelwert betragen bis zu 30 Sekunden. Die Ursache
hierfür ist im wesentlichen die unterschiedliche Geschwindigkeit der Erde auf ihrer Bahn um die Sonne, über die
bereits gesprochen wurde. Mit diesen Ungenauigkeiten kann sich die Welt unter keinen Umständen abfinden.
Man ersetzt die „wahre Sonne“ durch die virtuelle „mittlere Sonne“, die sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit auf dem Äquator in rechtläufigem Sinne bewegt, und zwar so schnell, dass sie zu einem ganzen Umlauf
dieselbe Zeit braucht wie die „wahre Sonne“, nämlich ein Jahr. Man muss sich das so vorstellen, dass man beide
Sonnen an ein und demselben Ort starten lässt. Der Unterschied beider Sonnen ist dann = Null.
33
Wenn beide Sonnen, die wahre mit einigen Unregelmäßigkeiten, die mittlere mit größter Gleichförmigkeit, wieder an der gleichen Stelle stehen, ist das Jahr um.
Von dieser mittleren Sonne erhalten wir nun den Jahresmittelwert einer Sonnen-Tageslänge, kurz Tag genannt,
in beschriebener Weise geteilt und daraus das feste Maß für die Stunde, Minute und Sekunde abgeleitet.
Rechnet man nun durchgehend mit solchen Tageslängen, so kann sich der Kulminationszeitpunkt der („wahren“) Sonne am gleichen Ort von Tag zu Tag verspäten oder auch verfrühen. Man spricht von „mittlerer Zeit“,
wenn man diese durchgehende Zählung anwendet. Lässt man den Tag dagegen mit der tatsächlichen unteren
Kulmination der Sonne beginnen und rechnet dann in gewohnter Weise weiter, spricht man von „wahrer Zeit“.
Im bürgerlichen Leben wird die zuletzt genannte Zeitrechnung nicht benutzt. Den Zeitangaben nach beiden
Möglichkeiten ist aber gemeinsam, dass die Benennung eines Zeitpunktes gleichbedeutend ist mit dem Zeitraum,
der etwa seit Tagesbeginn verflossen ist.
Daher ist einzusehen, dass mehrmals im Jahr – genau gesagt viermal – die mittlere Zeit und die wahre Zeit übereinstimmen müssen. Das ist immer Mitte April, Mitte Juni, um die Monatswende August/September und Ende
Dezember eines jeden Jahres der Fall. Dazwischen ergibt sich durch fortlaufende Summierung der unterschiedlichen Tageslängen ein mehr oder weniger großer Zeitunterschied zwischen wahrer und mittlerer Zeit, der bis zu
16 Minuten betragen kann. Diesen Unterschiedsbetrag nennt man die „Zeitgleichung“. Über ihren täglichen
Wert, der mit einem + oder – Zeichen versehen ist, gibt das „Nautische Jahrbuch“ Auskunft. Das Vorzeichen ist
dabei so gewählt, dass die Rechenregel gilt: Die wahre Zeit erhält man aus der mittleren Zeit durch algebraische
Addition (d.h. unter Berücksichtigung des Vorzeichens) der Zeitgleichung.
Ortszeit, Zonenzeit, Datumsgrenze
Wir fassen noch mal zusammen: Wenn an meinem Ort (z.B. Berlin) die Sonne kulminiert, also ihren höchsten
Stand – genau im Süden! – erreicht, dann ist es Mittag, also 12-00 Uhr Wahre Ortszeit (WOZ). Eine Uhr kann
die Unregelmäßigkeiten der „wahren Sonne“ nicht mitmachen und zeigt daher die „mittlere Zeit“ (MOZ) an,
also entweder etwas früher oder später – der Unterschied ist die Zeitgleichung. Diese Uhr würde also die Kulmination der (virtuellen) „mittleren Sonne“ an meinem Ort (!) um 12-00 Uhr MOZ anzeigen (und natürlich für alle
Orte mit der gleichen Länge). Eine Stunde später ist es dann 13-00 Uhr MOZ, die „mittlere Sonne“ ist inzwischen 15° weiter gewandert. Wenn ich mich um 13-00 Uhr mit meinem Freund in St. Peter-Ording (liegt ca. 4°
westlich von Berlin) verabredet habe, was zeigt dann seine MOZ – Uhr an? (ca. 12-44 MOZ) Haben wir uns zu
meiner oder seiner Zeit verabredet? Wir sehen: bei Verabredungen, Terminen, Fahrplänen usw. wird es kompliziert. Das ist der Grund, warum man Zeitzonen eingeführt hat. Innerhalb einer Zeitzone gilt für alle Zeitzonenbewohner die gleiche Zonenzeit ZZ, sie richtet sich nach der Zeitzonenmitte. Eine Zeitzone ist 15° breit. Es gibt
also auf der Erde 24 Zeitzonen. Am bekanntesten ist sicherlich unsere europäische Zeitzone, die mitteleuropäische Zeitzone MEZ. Die Mitte dieser Zeitzone ist der Meridian 15° E, die Westgrenze ist 7,5° E, die Ostgrenze
22,5° E. Auf hoher See ist das wirklich so wie in der Theorie. Über Land werden allerdings die nationalen Ländergrenzen berücksichtigt.
Eine besondere Bedeutung für die Astronomie hat die mittlere Zeit des Greenwicher Meridians, auch Nullmeridian genannt, die als Weltzeit bezeichnet wird (MGZ oder UT1 oder UTC / Mittlere Greenwich Zeit oder Universal Time 1 oder Universal Time Coordinated). Sie wird benutzt, um die astronomischen Positionen der Gestirne im System des Himmelsäquators in einer für die ganze Erde einheitlichen Zeitskala in Tabellen, z.B. im
Nautischen Jahrbuch, festzulegen.
Der Zeitunterschied zweier Orte ist gleich ihrem in Zeitmaß ausgedrückten Längenunterschied in Zeit (λ i.Zt.)
Da auch die Zählung der geographischen Länge beim Erdmeridian von Greenwich beginnt, ist die Umrechnung
der mittleren Ortszeit in UT1 und umgekehrt sehr einfach. Sie erfolgt nach den Gleichungen:
MOZ - λ i.Zt.
MOZ + λ i.Zt.
UTC + λ i.Zt.
UTC - λ i.Zt.
=
=
=
=
UTC bei östlicher Länge
UTC bei westlicher Länge
MOZ bei östlicher Länge
MOZ bei westlicher Länge
Der Unterschied zwischen der MOZ eines beliebigen Ortes und UTC heißt Zeitunterschied ZU.
Wie ermittelt man ZU, also λ i.Zt. ?
Da die Erde sich in 24 Stunden einmal um sich selbst dreht, gilt:
360° = 24 h
15° = 1 h
15’ = 4 min
1’ = 4 s
Beispiel:
Für die Länge λ = 30° W (oder E) gilt ist der Zeitunterschied ZU = 2 Stunden, also Länge geteilt durch 15.
Für die Länge λ = 56°23,8’ E (oder W) ist ZU = λ / 15 (Taschenrechner mit INV °’ ’’ ) = 3h45m35s
34
Zeitzonen der Erde
Man macht sich leicht klar, dass die Zonenzeit in
Zonen östlicher Länge der MGZ gegenüber
voraus, in Zonen westlicher Länge dagegen
zurück ist.
In der 180°- Zeitzone gibt es eine Besonderheit:
Im Bereich von 180° bis 172,5° E ist das Datum
um einen Tag weiter als im Bereich von 172,5°
W bis 180°. Der 180. Längengrad ist die sog.
feste Datumsgrenze.
Die zweite Datumsgrenze ist die westliche
Begrenzung jener Zeitzone, deren Zonenzeit
gerade die erste Tagesstunde durchläuft, also die
Zone der unteren Kulmination der Sonne. Sie
läuft in 24 Sprüngen von je 15° Länge um die
Erde und heißt springende Datumsgrenze.
Zur Verdeutlichung: Als erste feiern die
Bewohner in der 180° - Zeitzone Silvester, dann
zieht die springende Datumsgrenze sozusagen
den neuen Tag Zone für Zone aus der festen Datumsgrenze heraus, bis (für eine halbe Stunde) auf der ganzen
Erde der 1. Januar ist. Und schon beginnt am 180. Längengrad der neue Tag, der 2. Januar!
35
Wenn man von einer Zeitzone in die andere fährt, stellt man die Uhrzeit um (eine Stunde vor, wenn man nach
Osten, eine Stunde zurück, wenn man nach Westen fährt). An Bord eines Schiffes ist es bequem, das mittags
oder um Mitternacht zu tun. Ähnlich geht man vor, wenn man die Datumsgrenze auf 180° Länge überschreitet.
Dabei wird nicht die Uhrzeit, sondern das Datum „verstellt“. Nimmt man, wie es zweckmäßig ist, den Datumswechsel um Mitternacht vor, so hat bei Überfahrt von Ostlänge auf Westlänge der folgende Tag noch einmal das
Datum des gerade abgelaufenen; bei entgegengesetzter Fahrtrichtung ist dagegen im Datum ein Tag zu überspringen. Es gilt folgende Merkregel:
Von Ost nach West
halt’s Datum fest,
von West nach Ost
laß’ Datum los!
(Dabei darf man nicht vergessen, dass bei Ost und West immer Ostlänge und Westlänge gemeint ist; denn wenn
etwa ein Ostkurs oder Westkurs gerechnet wird, wird’s genau umgekehrt).
Kulminationszeit der Sonne
Es soll noch eine besondere Zeitrechnung beschrieben werden, die in der Nautik einige Bedeutung hat: Die Berechnung des Zeitpunktes der Kulmination der Sonne für einen beliebigen Ort. Im Nautischen Jahrbuch ist unter
der Bezeichnung „T“ für jeden Tag der Zeitpunkt der oberen Kulmination der Sonne in MGZ auf Minuten genau
angegeben. Solche „T“-Werte gibt es außer für die Sonne auch für den Mond, die Planenten Venus, Mars, Jupiter, Saturn und den Frühlingspunkt; für diese Objekte ist das nun folgende Rechenverfahren aber nicht ohne
weiteres anwendbar. Die Berechnung ihrer Kulminationszeitpunkte ist weniger wichtig und wird deshalb hier
nicht behandelt.
Der T-Wert der Sonne liegt (natürlich) immer in der Nähe von 12 Uhr, und es ist leicht einzusehen dass der
Unterschied zwischen beiden nichts anderes als die Zeitgleichung ist! Deren Wert ändert sich im Laufe von 24
Stunden nur geringfügig um Sekunden.
Beispiel:
Wir befinden uns auf der Länge 48°17’ W. Das Nautische Jahrbuch liefert uns für diesen Tag ein T = 12-14.
Frage: Wann (nach ZZ, denn das zeigt ja unsere Borduhr an) kulminiert bei uns die Sonne?
An diesem Tag verspätet sich die „wahre Sonne“ also gegenüber der „mittleren Sonne“ um 14 Minuten.
Wären wir genau auf 45° W, also auf der Zeitzonen-Mitte, dann würde unsere Borduhr zum Zeitpunkt der Kulmination – also mittags – 12-14 anzeigen (MOZ der Zeitzonenmitte = ZZ).
Da wo wir sind, also auf 48°17’ W, kommt die Sonne erst etwas später an, nämlich (λ i.Zt. = 3°17’ / 15) 13 Minuten später.
Ergebnis: Auf unserem Ort kulminiert die Sonne um 12-27 ZZ (Borduhr).
In der Praxis hält man sich nicht lange mit
solchen komplizierten Überlegungen auf,
sondern verfährt nach einem immer gleichen
Rechenschema, indem man sich – ganz
schematisch – immer auf die MGZ von
Greenwich bezieht:
T = MOZ = 12-14
- λ i.Zt. = + 3-13
MGZ = 15-27
ZU = - 3-00
ZZ = 12-27
===============
Wenn bei uns um 12-27 ZZ die Sonne
kulminiert, ist es in Greenwich 15-27 MGZ
(mit dieser Zeit gehen wir in die Nautischen
Tafeln, um die Deklination der Sonne zu
finden).
36
Abkürzungen für Zeitbegriffe:
WOZ
MOZ
UT1
MGZ
ZZ
e
λ i.Zt.
ZU
=
=
=
=
=
=
=
=
MOZ + e
WOZ - e
MOZ - λ i.Zt.
MGZ + λ i.Zt.
MGZ + ZU
ZZ – ZU
wahre Ortszeit
mittlere Ortszeit
Universal Time 1 bzw. Weltzeit 1 =
mittlere Greenwichzeit
Zonenzeit
Zeitgleichung
Länge in Zeit
Zeitunterschied zwischen MGZ und ZZ
=
=
=
=
=
=
WOZ
MOZ
MGZ
MOZ
ZZ
MGZ
Zitat aus N.J. 1983:
Im Gegensatz zur UT1 geben die Zeitsignale UTC (Universal Time Coordinated = Koordinierte Weltzeit).
Die mit Atomuhren erzeugte, sehr gleichförmige UTC wächst gegenwärtig schneller als die wegen der veränderlichen Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde ungleichförmige UT1. Durch Einfügen von Schaltsekunden in die Skala der UTC wird jedoch dafür gesorgt, dass die
Zeitsignale auf keinen Fall mehr als 0,9 s von der UT1 abweichen. Für Anwender, die UT1 auf 0,1 s genau gebrauchen, wird mit den Zeitsignalen in kodierter Form die Beschickung DUT1 = UT1 – UTC bekanntgegeben (s. NF Bd. 1 oder Jachtfunkdienst)
Noch mal zur Wiederholung:
Berechnung von Länge in Zeit und umgekehrt:
Für einen vollen Umlauf um die Erde – also für 360° - benötigt die Sonne, wie wir wissen, 24 Stunden. Demnach durchläuft sie
in einer Stunde 360° : 24 = 15 Längengrade
in einer Minute 15° : 60 = 15 Längenminuten
in einer Sekunde 15’ : 60 = 15 Längensekunden
Und sie durchläuft
einen Längengrad in 1h : 15 = 4 Zeitminuten
eine Längenminute in 4m : 60 = 4 Zeitsekunden
Mit Hilfe dieser Überlegungen wird
a) der Zeitunterschied zwischen 2 bestimmten Längen und
b) der Längenunterschied aufgrund eines bestimmten Zeitwertes errechnet.
λ i.Zt. erhält das Vorzeichen +, wenn vom Rechenort nach Osten gezählt wird (östliche Uhren gehen vor)
λ i.Zt. erhält das Vorzeichen - , wenn vom Rechenort nach Westen gezählt wird (westliche Uhren gehen nach)
Beispiel zu a)
Auf 62°37’30’’ W kulminierte die Sonne um
MOZ = 11-56-10. Wie groß ist und welches Vorzeichen hat λ i.Zt. ?
Rechenregel:
Längengrade
62° : 15 = 4h
Rest
2° * 4 =
8m
Längenminuten 37’ : 15 =
2m
Rest
7’ * 4 =
28s
Längensekunden 30’’ : 15 =
2s
h
m
- λ i.Zt.
= - 4 10 30s
Beispiel zu b)
6 Stunden 33 Minuten und 18 Sekunden sind in Länge
zu verwandeln.
Rechenregel:
Stunden
Zeitminuten
Rest
Zeitsekunden
Rest
06h * 15
33m : 4
01m * 15
18s : 4
02s * 15
Länge
= 90°
=
8°
=
15’
=
4’
=
30’’
= 98°19’30’’
Die Umwandlung kann auch mit geeigneten Tafeln durchgeführt werden, z.B. N.T. „Tafel zur Berechnung der
Höhe“; einfacher und übersichtlicher geht es mit der Tafel aus H.O.249: „Conversion Arc to Time“.
Mit dem Taschenrechner ist’s ganz simpel: einfach mit der Hexagesimalumwandlungstaste arbeiten und mit 15
multiplizieren oder dividieren.
37
Chronometer und Uhren an Bord
Allgemeines:
Nach allem, was wir bisher über die Zeit gehört haben, verstehen wir sicher, dass jedes Schiff, welches auf astronomische Navigation angewiesen ist oder sie anwenden will, über einen sehr genau gehenden Zeitmesser verfügen muß. Er soll möglichst unempfindlich gegen die ständigen Schiffsbewegungen und auch gegen größere
Temperaturunterschiede sein. Es dürfte einleuchten, dass es schwerlich Uhren gibt, die diese Bedingungen in
vollem Umfange erfüllen. Deshalb beschränken wir uns bewusst auf solche Zeitmesser, deren Anzeige durch
kleine Fehlerrechnungen berichtigt werden können. Uhren, deren Fehler unberechenbar sind, sind für unsere
Zwecke unbrauchbar, insbesondere solche, deren Lauf sich unregelmäßig ändert, wie ungleichmäßiger und unsteter Vorauslauf oder entsprechendes Zurückbleiben.
Gute Zeitmesser dagegen sind solche Uhren, die in ihrem Lauf größtmögliche Regelmäßigkeit aufweisen, d.h.
solche, die innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden fortlaufend einen gleichbleibenden Betrag von wenigen
Sekunden gewinnen oder verlieren.
In der kommerziellen Schiffahrt sind die Schiffe mit „Chronometern“ ausgerüstet. Die sind von der Seeberufsgenossenschaft (SBG) vorgeschriebene Zeitmessinstrumente, die vom Deutschen Hydrographischen Institut
(DHI, heute BSH) geprüft sein müssen. Die entsprechende Bestimmung in den Unfallverhütungsvorschriften der
SBG für Schiffe lautet wörtlich:
(1)
Schiffschronometer sind vor der ersten Ingebrauchnahme durch das Deutsche Hydrographische Institut zu prüfen. Die Seeberufsgenossenschaft kann eine wiederholte Prüfung verlangen. Die Prüfbescheinigung ist an Bord aufzubewahren.
(2)
Mindestens alle 3 Jahre sowie außerdem nach jeder größeren Havarie sind die Chronometer einer Reinigung und Überholung sowie einer kurzen Gang- und Standbestimmung durch einen vom Deutschen Hydrographischen Institut anerkannten Chronometermacher zu unterziehen. Der hierüber erteilte Begleitschein ist an Bord aufzubewahren.
Die Sportschiffahrt ist zwar nicht an die Unfallverhütungsvorschriften der SBG gebunden, gleichwohl wollen
wir uns im Rahmen der Möglichkeiten an sie halten und sinngemäß auch auf etwaigen Einsatz anwenden. Der
Einfachheit halber werden wir im weiteren auch dann den Ausdruck „Chronometer“ verwenden, wenn es sich
um etwaige Ersatzinstrumente handelt, die für astronomische Beobachtungen allein vorgesehen sind, im Gegensatz zu anderen an Bord befindlichen Uhren.
Zeitanzeige der Chronometer und Uhren:
Die Bezugszeit für jede astronomische Beobachtung ist ausschließlich die „mittlere Greenwichzeit“ (MGZ); sie
ist gleichzeitig die MOZ des nullten Längenkreises, der bekanntlich durch die Sternwarte von Greenwich verläuft. Dieser Längenkreis ist uns, seitdem wir die Umwandlung von „λ in Zeit“ kennen, als Ausgangsmeridian
für diese Rechnung bekannt. Unser Chronometer an Bord zeigt, wo wir uns auch immer befinden, stets die MGZ
an, von den berechenbaren kleinen Anzeigefehlern abgesehen.
Für den Ablauf des Schiffsbetriebes dagegen hat man als weiteren Zeitmesser die Borduhr. Sie zeigt die Bordzeit
an, diese ist auf See die jeweilige Zonenzeit ZZ der Zone, in der sich das Schiff gerade befindet, und im Hafen
die gesetzliche Zeit des betreffenden Landes. Während der Reise wird die Zonenzeit beim Eintritt in die nächste
Zeitzone oder zu einem vom Schiffsführer zu bestimmenden Zeitpunkt – beispielsweise um Mitternacht – um
eine Stunde geshiftet.
An die Borduhr braucht man nicht so hohe Anforderungen zu stellen wie an ein Chronometer. Da beide sich
immer nur um volle Stundenbeträge unterscheiden, können die entspr. Minuten und Sekunden vom exakteren
Chronometer abgelesen werden.
Kleiner Tipp: Man beschrifte das Ziffernblatt des Chronometers mit „MGZ“ und das der Borduhr mit „BdZt“.
Beschaffenheit und Behandlung des Schiffs-Chronometers:
Das Chronometer ist eine tragbare Präzisionsuhr mit besonderen Attributen:
- der besonderen Hemmungskonstruktion, die ein gleichmäßiges Ablaufen des Chronometers sichert,
- der bimetallischen Nickelstahlunruh, die den Einfluss von Temperaturänderungen möglichst gering hält,
- der kardanischen Aufhängung, welche die Einwirkung der Schiffsbewegungen in gewissem Umfange mindert.
Außerdem sind Unruhe, Spirale und Zugfeder aus unmagnetisierbarem Metall hergestellt, um den Einfluss
schädlicher Magnetfelder zu verhindern.
Das Chronometer ist in einem tragbaren Kasten kardanisch aufgehängt und dieser wiederum möglichst mittschiffs, wo die Schiffsbewegungen und Maschinenschwingungen am geringsten sind, in einem eigens für die
Unterbringung des Chronometers mit Kasten eingebautem Spind untergebracht. Das Chronometer ist von oben
durch eine Glasscheibe einzusehen. Es muß ortsfest bleiben und darf auch zum Beobachten nicht aus dem Spind
herausgenommen werden. Magnete und größere Eisenteile sind aus der Umgebung des Chronometers fernzuhalten. Jeden zweiten Tag soll es regelmäßig und zur gleichen Zeit von ein- und derselben Person aufgezogen
38
werden. Bleibt das Chronometer stehen, ist, wenn keine besondere Stellmöglichkeit vorhanden ist, mit dem
Wieder-in-Gang-setzen zu warten, bis die angezeigte MGZ wieder erreicht ist. Man gibt dann, nach Aufzug des
Werks natürlich, dem ganzen Kasten eine leichte horizontale Drehung, damit die Unruhe wieder schwingt. Sollten zwingende Gründe vorhanden sein, das Chronometer doch zu stellen, dann darf das nur am Minutenzeiger
und nur rechts herum geschehen.
Beim unumgänglichen Transport wird zuvor die kardanische Aufhängung arretiert und der Kasten in waagerechter Lage vorsichtig am Tragriemen befördert. Dabei ist er vor Regen und Nässe zu schützen. Im Auto nehme
man den Chronometerkasten auf den Schoß, um Pendel- und Drehbewegungen sowie hartes Aufsetzen zu vermeiden.
Wichtig: Bei allen Zeitmessern, die der astronomischen Navigation dienen, sind jegliche Eingriffe und selbstständige Reparaturen zu vermeiden.
In der Sportschiffahrt werden kaum die Voraussetzungen gegeben sein, alle oben genannten Forderungen zu
erfüllen. Besonders auch ist es die Raumfrage, die den Sportsegler dazu veranlasst, sich nach etwa gleichwertigem Ersatz umzusehen, der für den Gebrauch an Bord einer seegehenden Yacht geeigneter und gleichzeitig aber
auch sicher ist.
Möglichkeiten des Ersatzes für das Schiffs-Chronometer:
Zunächst muß sichergestellt sein, dass ausreichende Möglichkeiten zum Zeitvergleich mit Funk-Zeit-Signalen
nach dem „Nautischen Funkdienst“ gegeben sind, d.h. es muß ein technisch zuverlässiger Funkempfänger an
Bord sein zum Empfang dieser Funksignale auch unter erschwerten Bedingungen.
Außerdem muß jeder Zeitmesser an Bord vor seinem Einsatz für die geplante Seereise über einen längeren Zeitraum hinweg auf seine Präzision und seinen gleichmäßigen Lauf überprüft werden, damit Fehler beseitigt oder
Ersatz beschafft werden können.
Als Ersatz für den Schiffschronometer bietet sich vor allem heute die Quarzuhr an. Dies ist eine Uhr, in der ein
Quarzkristall elektrische Schwingungskreise mit sehr großer Genauigkeit steuert. Sie arbeitet mit Monozellen
und braucht daher nicht aufgezogen werden. Eine kardanische Aufhängung ist nicht nötig; die Uhr kann fest an
einem trockenen Platz etwa am Mittelschott angebracht werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Uhr sich
beim Ablesen in Augeshöhe befindet und die Blickrichtung senkrecht zur Ebene des Ziffernblatts möglich ist,
um eine fehlerfreie Ablesung zu ermöglichen. Bei der Beschaffung ist auf Qualität zu achten, Uhren mit korrosionsanfälligen Teilen kommen nicht in Frage. Am besten lässt man sich von einem Chronometermacher beraten.
Vor der Reise empfiehlt sich das Einsetzen frischer und geprüfter Monozellen. In Folie eingeschweißter Ersatz
sollte mitgeführt werden.
Wenn das Chronometer vom Beobachterort nicht direkt eingesehen werden kann und eine Hilfsperson nicht zur
Verfügung steht, kann eine Stoppuhr als Hilfsmittel verwendet werden; diese wird mit der Beobachtung in Gang
gesetzt und die abgelaufenen Sekunden danach von der vergleichsweise abgelesenen Chronometerzeit abgezogen - am besten zur vollen Minute (am Chronometer).
Berichtigung der Chronometeranzeige:
1.
„Stand“ des Chronometers ist der Unterschied der Anzeige gegenüber der MGZ. Es gilt die Regel:
Ein gegenüber der MGZ nachgehendes Chronometer hat einen Stand mit positivem Vorzeichen
Ein gegenüber der MGZ vorgehendes Chronometer hat einen Stand mit negativem Vorzeichen
Man rechnet: MGZ – Chr. = Stand
2 Beispiele:
MGZ = 12-00-00
MGZ = 12-00-00
- Chr. = 11-58-13
- Chr. = 12-13-56
Stand = + 01-47
Stand = - 13-56
2.
„Gang“ nennt man den Unterschied zweier um 24 Stunden auseinanderliegender Stände eines Chronometers. Auch bei sehr guten Chronometern ändert sich der Stand laufend, wenn auch beständig und geringfügig um wenige Sekunden.
Regel: Wenn das Chronometer gewinnt, erhält der Gang ein negatives Vorzeichen,
wenn das Chronometer verliert, erhält der Gang ein positives Vorzeichen.
Um den Gang mit größtmöglicher Genauigkeit festzustellen, ist es zweckmäßig, zwei um mehrere Tage auseinanderliegende Stände heranzuziehen, um deren Differenz durch die Anzahl dieser Tage zu dividieren. Das Ergebnis ist dann der gesuchte Gang.
Beispiele und Muster:
1)
Beim Zeitzeichen am 12.09.1978 MGZ 18-00-00 zeigte das Chronometer = 18-00-58
2)
Beim Zeitzeichen am 28.09.1978 MGZ 18-00-00 zeigte das Chronometer = 17-59-17
Fragen:
a) welches ist der (tägliche) Gang?
b) wie wird der Stand am 02.10.1978 um MGZ 02-00-00 sein?
39
Zu a)
12.09.78 MGZ = 18-00-00
- Chr. = 18-00-58
Stand 1 = - 00-58
28.09.78 MGZ = 18-00-00
- Chr. = 17-59-17
Stand 2 = + 00-43
Unterschied in 16 Tagen: Stand 2 – Stand 1:
Stand 2
- Stand 1
Verlust
= + 00-43
= + 00-58
= + 01-41 = 101 Sekunden
In 16 Tagen verliert das Chronometer 101 Sekunden, an einem Tag also 101/16 = 6,3s
Gesuchter Gang: + 6,3s
Formel:
Gang =
Stand 2 - Stand 1
---------------------Tag 2 - Tag 1
Zu b)
Tag 2: 02.10.78 MGZ 02-00-00
Tag 1: 28.09.78 MGZ 18-00-00
Unterschied = 3,3 Tage !
28.09.78 MGZ 18-00-00 Stand
= + 00-00-43
Standänderung in 3,3 Tagen = 3,3 * 6,3
= + 00-00-21
Stand am 02.10.78
MGZ 02-00-00
= + 00-01-04
Folgerungen:
Ist der Gang des Chronometers bekannt, kann man im Ausnahmefall auch ohne Zeitvergleich jederzeit den Stand
bestimmen, wenn man ihn irgendwann in letzter Zeit einmal gekannt hat. Das setzt allerdings voraus, dass sich
der Gang über längere Zeit nicht geändert hat, wobei wir wieder bei der geforderten guten Qualität des Chronometers angelangt sind.
Jetzt wissen wir auch, dass es zwingend notwendig ist, den Gang des Chronometers zu kennen. Diese Kenntnis
erreichen wir durch regelmäßige, mindestens tägliche Zeitvergleiche zwischen Funk-Zeit-Signalen (s. Naut.
Funkdienst) und dem Chronometer. Hierüber ist entweder im Logbuch oder in einem Extraheft Nachweis zu
führen, die sog. Chronometerkontrolle, unter der auch alle bedeutsamen Feststellungen über den Gang zu erfassen sind. Nur diese schriftlich festgehaltene Kontrolle macht es bei Ausfällen von Sendern oder Empfängern
bzw. mangelhaften Empfangsverhältnissen u.ä. möglich, über einen gewissen Zeitraum hinweg den Stand des
Chronometers einigermaßen sicher zu bestimmen.
40
Der Sextant
Der Sextant ist ein sogenanntes Spiegelinstrument, mit dem man mit großer Genauigkeit Winkel, unter dem
einem Beobachter zwei Objekte in der Natur erscheinen, messen kann. Man benutzt ihn vornehmlich dazu, den
Höhenwinkel eines Gestirns über der Kimm – das ist die sichtbare Grenzlinie zwischen der Wasseroberfläche
und der Luft in der Ferne – zu bestimmen.
Die einzelnen Teile des Sextanten und der Strahlengang des Lichts im Instrument werden folgendermaßen benannt:
- der Instrumentenkörper: er trägt in starrer Verbindung den Gradbogen (auch Limbus genannt); fest mit
ihm verbunden sind der kleine Spiegel, auch Horizontspiegel genannt, und der Fernrohrträger mit dem
Fernrohr (der Horizontspiegel ist auf dem Instrumentenkörper justierbar, insofern ist es keine starre Verbindung). Der Instrumentenkörper ist ferner versehen mit einem Handgriff und den Halterungen für die
Blendgläser, die in den Strahlengang eingeschwenkt werden können. Um den Mittelpunkt des Gradbogens ist auf dem Instrumentenkörper der Zeigerarm (Alhidade) drehbar angebracht. Mit diesem fest verbunden sind der ebenfalls justierbare große Spiegel (Indexspiegel) und der Zeiger (Index), der mit einer
Trommel als Nonius zusammenwirkt, damit man das Winkelmaß mindestens auf Bogenminuten genau
ablesen kann. (Die Bezeichnungen „kleiner“ und „großer Spiegel“ sind zwar immer noch im Sprachgebrauch, jedoch tragen sie bei einigermaßen modernen Spiegelinstrumenten ihre Namen zu Unrecht: der
Horizontspiegel ist fast ausnahmslos größer als der Indexspiegel).
41
-
der Strahlengang im Instrument ist in der u.a. Abbildung eingezeichnet. Einmal wird der vom Gestirn
kommende Lichtstrahl am Indexspiegel reflektiert und durch dessen entsprechende Einstellung am Zeigerarm auf den Horizontspiegel gelenkt, dort erneut reflektiert und immer genau in das Fernrohr geleitet.
- der Horizontspiegel trägt seine Bezeichnung aber
nur mit halber Berechtigung; er ist nämlich in
seiner linken, vom Instrumentenkörper abgewandten Hälfte gar kein Spiegel, sondern lichtdurchlässig. Durch diese Hälfte kann nun ein
zweiter Lichtstrahl, von der Kimm herkommend,
direkt ins Fernrohr gelangen. Durch die zur Einstellung des Indexspiegels nötige Drehung des
Zeigerarms wird die Messung vorgenommen: die
Zeigerstellung gegenüber dem Gradbogen gibt den
gemessenen Winkel an. Es sei der Vollständigkeit
halber erwähnt, dass zur Messung eines bestimmten Winkels der Zeigerarm nur um die Hälfte
dieses Winkelwerts von der Nullstellung
fortbewegt werden muß. Das hat seine Ursache in
der Reflexion des vom Gestirn kommenden Lichtstrahls Am drehbaren Indexspiegel. Am Gradbogen wird gegenüber dem Zeiger trotzdem der
gemessene Gradwert abgelesen, da man ihn entsprechend beschriftet hat.
- die Ablesevorrichtung: Nach Ausrasten einer mit
der Trommel fest verbundenen Schnecke aus dem am
Instrumentenkörper befindlichen Zahnsegment kann
man den Zeigerarm frei um seinen Drehpunkt
bewegen. Nach der Grobeinstellung des zu
messenden Winkels lässt man die Schnecke einrasten
und nimmt die Feinmessung vor. Jede Umdrehung
der Trommel und damit der Schnecke bewegt den
Zeigerarm um einen halben Grad und verändert
damit die Messung um den doppelten Betrag, also
um einen Grad. Zur Ablesung der gemessenen
Gradzahl dient eine Marke des Zeigerarms gegenüber
dem Gradbogen. Eine Marke gegenüber der
Trommel, die in 60 Bogenminuten eingeteilt ist,
erlaubt eine Ablesung auf mindestens eine halbe
Minute. Man nennt den Hauptteil des Gradbogens links von seiner Nullmarke den „Hauptbogen“; er umfasst einen Messbereich von
mindestens 90° (meistens bis 120° und noch weiter). Rechts von der Nullmarke liegt der „Vorbogen“, der
einen Messbereich von nur wenigen Graden hat.
Der Name „Sextant“ geht auf den Messbereich des Instruments zurück. Bei ihm umfasst der Gradbogen nämlich
den sechsten Teil eines Kreises, der 60° beträgt. Man kann also wegen der Verdoppelung Winkel bis zu 120°
messen. Instrumente, deren Messbereich nur 90° beträgt, weil ihr Gradbogen sich nur über 45° erstreckt, nennt
man „Oktanten“; sie werden vereinzelt – heute wieder – für die Sportschiffahrt in robuster Bauweise hergestellt.
Zur Messung einer Gestirnshöhe stellt man den Zeigerarm auf 0° ein und sucht das Gestirn am Himmel auf. Man
sieht durch das Fernrohr doppelt, nämlich direkt und gespiegelt. Nun neigt man das Instrument unter steter Beobachtung des gespiegelten Bildes des Gestirns gegen den Horizont oder
besser die Kimm, wobei man den Zeigerarm nach vorn schieben muß, um
das Spiegelbild nicht aus dem Gesichtsfeld zu verlieren. Schließlich
erblickt man im linken Teil des Gesichtsfeldes direkt die Kimm, während
in der rechten Hälfte das Gestirnsbild sichtbar ist. Jetzt lässt man die
bisher ausgerastet gebliebene Schnecke einrasten und geht zur Feinmessung über, indem man durch Verdrehen der Trommel das Gestirn mit der
Kimm in Deckung bringt. Dabei pendelt man mit dem Sextanten um
dessen Fernrohrachse ein wenig hin und her, um wirklich den senkrechten Winkelabstand, der der kleinste ist, zu messen. Die nebenstehende
Abbildung zeigt den Blick durch das Sextantenfernrohr bei diesem
Arbeitsvorgang.
42
Dann liest man ab. Um auch in der Dämmerung ablesen zu können, sind manche Sextanten mit einer Beleuchtungseinrichtung am Zeiger versehen. Das erspart dem Beobachter das Hineintreten in helleres Licht und das
danach erneute Eingewöhnen an den Dämmerungszustand. Damit wird Zeit gespart, und der Zeitraum zwischen
den einzelnen Beobachtungen verkürzt sich wesentlich.
Welche Fehler können nun bei solchen Messungen auftreten?
1. Beide Spiegel des Instruments stehen in Nullstellung des Zeigerarms nicht parallel; damit werden alle
Messungen um den gleichen Betrag falsch angegeben. Indexfehler!
2. Der Indexspiegel steht nicht senkrecht auf der Instrumentenebene.
3. Der Horizontspiegel steht nicht senkrecht.
4. Die Fernrohrachse steht nicht parallel zum Instrumentenkörper.
5. Blend- und Spiegelgläser sind nicht planparallel.
6. Die Einteilung des Gradbogens oder der Trommel ist nicht genau.
7. Der Drehpunkt des Zeigerarms fällt nicht mit dem Mittelpunkt des Gradbogens zusammen (Exzentrizitätsfehler)
Diese Fehler können, wenigstens teilweise, vom Benutzer festgestellt und korrigiert werden.
Zu 1.
Der Indexfehler bzw. sein Korrekturwert, die Indexberichtigung Ib ist
täglich mindestens einmal zu ermitteln. Das geschieht, indem man ein
mindestens eine Seemeile entferntes Objekt (z.B. die Kimm) im Fernrohr
mit sich selbst zur Deckung bringt und die Einstellung abliest. Die
Ablesung bei einem fehlerfreien Instrument muß 0°00’ ergeben, eine
Abweichung davon ist die gesuchte Indexberichtigung. Sie erhält bei
Ablesung auf dem Vorbogen (Ablesung zu klein) das Vorzeichen +, auf
dem Hauptbogen (Ablesung zu groß) das Vorzeichen - . Kleine Indexfehler
berücksichtigt man durch Anbringen der entsprechenden Berichtigung an
die Ablesung, größere kann man am Instrument korrigieren. Dazu stellt man
den Zeigerarm genau auf 0 und verdreht durch eine Justierschraube den
Horizontspiegel, bis das direkte und das gespiegelte Bild eines entfernten
Objekts zur Deckung kommen. Vorher müssen allerdings die nachfolgend
beschriebenen Korrekturen durchgeführt sein.
Zu 2.
Blickt man bei Mittelstellung des Zeigerarms in der Instrumentenebene „von oben“ am Indexspiegel
entlang auf den Anfang des Gradbogens, so sieht man im Spiegel sein Ende. Das direkte und das Spiegelbild müssen ineinander übergehen, andernfalls kippt man den Spiegel mittels einer Justierschraube,
bis diese Bedingung erfüllt ist.
Zu 3. Nach dieser Justierung betrachtet man bei Nullstellung des Zeigerarms ein weit entferntes Objekt, am
besten geeignet sind ein Stern oder die Sonne. Verändert man nun ein wenig die Einstellung des Zeigerarms nach beiden Seiten, sollen das direkte und das gespiegelte Bild genau durcheinander wandern. Dabei müssen sie einmal genau zur Deckung kommen. Wandern sie dagegen aneinander vorbei, so kippt
man den Horizontspiegel, bis auch diese Bedingung erfüllt ist.
Zu 4-7: Diese Fehler kann der Benutzer im allgemeinen nicht feststellen; man überlasse das den Fachleuten z.B.
der Herstellerfirmen. Größere Fehler nach 5. und 6. machen ein Instrument praktisch unbrauchbar. Vom
Hersteller oder vom DHI (BSH) geprüfte Instrumente erhalten ein Attest, das Auskunft über seine Güte
gibt.
Wir wollen diese Betrachtungen mit einigen Hinweisen für die Behandlung und den Gebrauch des Sextanten
abschließen. Zunächst soll man immer daran denken, dass er ein Präzisions-Meßinstrument ist. Er ist vor Feuchtigkeit und andauernder Sonnenbestrahlung zu schützen, weil darunter die Mechanik und die Optik leiden. Es ist
zweckmäßig, von Zeit zu Zeit die Metallteile mit säurefreiem Öl dünn einzufetten. Das Instrument darf nur am
Griff oder direkt am Instrumentenkörper angefasst werden. Nach Gebrauch ist es in seinem Kasten zu verstauen.
Vorher sind die Blendgläser einzuschwenken. Wenn in der Handhabung irgendetwas schwergängig ist, versuche
man nichts mit Gewalt.
Und zum Schluß noch ein guter Ratschlag: Wer tatsächlich Beobachtungen mit dem Sextanten durchführen will,
nutze jede Gelegenheit, sich mit der Handhabung vertraut zu machen, insbesondere an Bord unter erschwerten
Wetterbedingungen. Auch hier gilt: Übung macht den Meister!
43
Die Beschickung der Höhenbeobachtung
Zunächst gilt es, jede Messung mit dem Sextanten durch Anbringung der Indexberichtigung Ib fehlerfrei zu
machen. Der so gemessene und berichtigte Höhenwinkel über dem sichtbaren Horizont, der Kimm, wird
„Kimmabstand“ (KA) genannt. Für die nautisch-astronomische Rechnung interessiert aber nicht dieser Wert,
sondern der Höhenwinkel h eines Gestirns über dem wahren Horizont, kurz Höhe genannt. Der gemessene
Kimmabstand KA und die Höhe h unterscheiden sich um
1. die Kimmtiefe:
der sichtbare Horizont, die Kimm, ist nicht gleichbedeutend mit dem bereits
definierten scheinbaren Horizont. Die Kimmtiefe ist abhängig
von der Augeshöhe des Beobachters über der
gekrümmten Erdoberfläche und wird außerdem
beeinflusst von den meteorologischen Eigenschaften
der untersten Luftschichten und deren Untergrund
(Wasseroberfläche). Wie die Abbildung deutlich
macht, muß die Kimmtiefe vom Kimmabstand
abgezogen werden, um zur Höhe h zu gelangen.
2. die Strahlenbrechung oder Refraktion:
Infolge der mit der Entfernung von der Erdoberfläche abnehmenden Dichte der Luft erfolgt eine Brechung der
von den Gestirnen herkommenden Lichtstrahlen zum Lot hin. Der gemessene
Kimmabstand wird gegenüber dem tatsächlichen Höhenwinkel dadurch
vergrößert (Abbildung). Die Strahlenbrechung ist eine optische Erscheinung, beschrieben durch die Snellius’schen Brechungsgesetze, wonach
ein Lichtstrahl beim nicht senkrechten Übergang von einem optisch
dünneren in ein optisch dichteres Medium seine Richtung zur
Senkrechten hin ändert. Die Größe der Richtungsänderung
ist abhängig vom Winkel zwischen Lichtstrahl und Senkrechten. Zur Verdeutlichung sind in der Abbildung abweichend von den tasächlichen Verhältnissen einer
kontinuierlichen Dichteänderung Schichten gleicher
Dichte angegeben.Die Strahlenbrechung ist abhängig
von dem Höhenwinkel des Gestirns und von dem
augenblicklichen meteorologischen Zustand der
Lufthülle. Sie entfällt bei im Zenit stehenden Gestirnen, während sie bei solchen in Horizontnähe ein
Maximum erreicht (etwa 35’). Sie muß ebenfalls von dem gemessenen Kimmabstand abgezogen werden.
3. die Parallaxe oder der Verschub
Man versteht darunter den Winkel, unter dem von dem beobachteten Gestirn aus der Abstand Beobachtungsstandort-Erdmittelpunkt erscheinen würde. Um den gleichen Wert unterscheiden sich die Richtungen vom Beo
bachtungsstandort über dem scheinbaren Horizont und vom Erdmittelpunkt über dem wahren Horizont zum
Gestirn hin. Wie in der Abbildung zu erkennen ist, ist die Parallaxe für ein Gestirn im Zenit immer Null,
44
während sie für ein im Horizont stehendes Gestirn ein Maximum
annimmt.
Diesen Wert nennt man Horizontalparallaxe oder –verschub HP,
ihre Größe hängt ausschließlich von der Entfernung des
betreffenden Gestirns von der Erde ab. So kommt es, dass in
diesem Rahmen eine Parallaxe lediglich bei Mond- und
allenfalls bei Planetenbeobachtungen berücksichtigt werden
muß, nicht aber bei Beobachtungen der Sonne und der Fixsterne.
4. den Halbmesser des beobachteten Gestirns:
Die im Nautischen Jahrbuch angegebenen Himmelskoordinaten der Gestirne und damit die noch zu beschreibenden Rechnungen beziehen sich immer auf den
Gestirnsmittelpunkt, während man aus praktischen Gründen bei Beobachtungen von Sonne und Mond den Kimmabstand ihrer Ränder misst. Planeten und Fixsterne
erscheinen auch bei starker Vergrößerung des Beobachtungsinstruments noch punktförmig, so dass bei ihnen
eine entsprechende Korrektur nicht nötig ist. Bei Sonne
und Mond, deren im Laufe eines Jahres bzw. eines
Monats periodisch sich ändernder Abstand von der Erde
den sichtbaren Durchmesser geringfügig beeinflusst
(nicht allerdings, wie es scheint, zwischen Auf- und
Untergang und ihrer höchsten Stellung am Himmelsgewölbe!) muß eine Korrektur für den Halbmesserwert
von rund 15’ (bei beiden zufällig etwa gleich) angebracht
werden.
Diese 4 Korrekturen, die an den Kimmabstand angebracht werden sind in den Nautischen Tafeln NT 20-23 (1315) in jeweils einer Berichtigung zusammengefasst, so dass es nicht nötig ist, jeden Faktor einzeln zu berechnen.
Das ist eine sehr große Hilfe bei unseren Berechnungen. Man nennt diese eine zusammengefasste Berichtigung
die „Gesamtbeschickung“.
Durchführung der Geschamtbeschickung
Den Vorausberechnungen zur Gesamtbeschickung in den Nautischen Tafeln liegen normale meteorologische
Verhältnisse zugrunde. Bei extremen Abweichungen sind Zusatzbeschickungen möglich. Zum Gebrauch der
Tafeln wird auf die entsprechenden Erläuterungen hingewiesen.
Wenden wir uns jetzt der Praxis zu:
Es ist üblich, die Gestirne, die wir
beobachten wollen, in unserem Schema
mit Symbolen zu versehen:
hb ist die nach der Beschickung erhaltene wahre Höhe über dem wahren Horizont, wobei der Index „b“ auf das
Wort „Beobachtung“ hinweisen soll.
Einige Beispiele:
1. Aus 7 m Augeshöhe (Ah) wurde ein Fixstern (61 = Antares) beobachtet. Am Sextanten las man 35°22,5’ ab,
die Indexberichtigung (Ib) betrug + 1,5’.
2. Aus 16 m Augeshöhe wurde am 13.02.1972 der Planet Venus beobachtet. Am Sextant las man 46°16,0’ ab,
die Ib betrug + 1,5’. Aus dem Nautischen Jahrbuch entnimmt man für diesen Tag für die Venus eine Horizontalparallaxe (HP) von 0,1’.
3. Aus 12 m Augeshöhe wurde eine Fixstern (16 = Aldebaran) beobachtet. Am Sextanten las man 52°33,5’ ab,
die Ib betrug – 3,5’.
4. Aus 3 m Augeshöhe wurde am 27.07.1972 der Planet Mars beobachtet. Am Sextant las man 25°17,0’ ab, die
Ib betrug – 4,0’. Aus dem Nautischen Jahrbuch entnimmt man für diesen Tag für den Mars eine Horizontalparallaxe (HP) von 0,2’.
45
1)
* (61)
+ Ib
KA
GB
hb
= 35°22,5’
= + 1,5’
= 35°24,0’
=
- 6,0’
= 35°18,0’
Ausriß: Gesamtbeschickung für den Kimmanstand eines Fixsterns
oder Planeten
Fixsterne
Interpolation (Ah zwischen 6 und 8, Kimmabstand
zwischen 35 und 40):
- 5,7
- 6,4
- 5,5
- 6,2
>> 6,0
2)
Venus
Ib
KA
GB
hb
= 46°16,0’
= + 1,5’
= 46°17,5’
= - 7,9’
= 46°09,6’
Interpolation (Ah 16, KA zwischen 45 und 50,
Zusatzbeschickung für Planeten):
- 8,1
- 7,9
+ 0,1 Zusatzbeschickung >> - 7,9
3)
* (16)
Ib
KA
GB
hb
= 52°33,5’
=
- 3,5’
= 52°30,0’
=
- 7,0
= 52°23,0’
Interpolation (Ah 12, KA zwischen 50 und 55):
- 7,0
- 6,9
>> - 7,0
4)
Mars
Ib
KA
GB
hb
= 25°17,0’
= - 4,0’
= 25°13,0’
=
- 5,0’
= 25°08,0’
Planeten
HP
Interpolation (Ah zwischen 2 und 4, KA zwischen 24
und 26, Zusatzbeschickung für Planeten):
- 4,7
- 5,8
- 4,5
- 5,6
+ 0,2 Zusatzbeschickung >> - 5,0
5.
6.
7.
8.
Sonnenoberrand = 12°34,5’ am 16.03.1957,
Sonnenunterrand = 34°12,5’ am 12.07.1972,
Sonnenunterrand = 52°26,0’ im Januar,
Sonnenoberrand = 28°30,5’ im April,
Ib = - 3,0’,
Ib = + 2,0’,
Ib = 0’
Ib = + 3,5’,
Ah = 8 m
Ah = 12 m
Ah = 18 m
Ah = 2 m
46
5)
 Obrd. =
Ib
=
KA
=
GB
=
hb
=
Ausriß: Gesamtbeschickung für den KA des Sonnenunterrandes
12°34,5’
- 3,5’
12°31,0’
- 25,3’
12°05,7’
Interpolation (KA zwischen 12 und 13, Ah 8 m,
Zusatzbeschickung für den Sonnenoberrand)
+ 6,6
+ 7,0
-32,1 Zusatzbeschickung für den Sonnenoberrand im
März
6)

Ib
KA
GB
hb
= 34°12,5’
= + 2,0’
= 34°14,5’
= + 8,4’
= 34°22,9’
Interpolation (KA zwischen 30 und 35, Ah = 12 m,
Zusatzbeschickung für den Sonnenunterrand im Juli):
+ 8,3
+ 8,6
- 0,2 Zusatzbeschickung für den Sonnenunterrand im
Juli.
7)

Ib
KA
GB
hb
= 52°26,0’
=
0,0’
= 52°26,0’
= + 8,0’
= 52°34,0’
Interpolation (KA zwischen 50 und 55, Ah = 18 m,
Zusatzbeschickung für den Sonnenunterrd. im Januar):
+ 7,7
+ 7,8
+ 0,3 Zusatzbeschickung für den Sonnunterrand im
Januar.
8)
 Obrd. =
Ib
=
KA
=
GB
=
hb
=
28°30,5’
+ 3,5’
28°34,0’
- 20,2’
28°13,8’
Interpolation (KA zwischen 28 und 30, Ah = 2 m,
Zusatzbeschickung für den Sonnenoberrand im April):
+ 11,8
+ 11,9
-32,0 Zusatzbeschickung für den Sonnenoberrand im April.
9. Aus einer Augeshöhe von 9 m wird am 30.04.1957 gegen 07-00 MGZ der Unterrand des Mondes beobachtet.
Am Sextanten liest man 35°22,0’ ab, die Ib beträgt + 4,5’. Aus dem Nautischen Jahrbuch entnimmt man für
diesen Tag durch Interpolation zwischen 04 MGZ und 12 MGZ eine HP von 56,6’
10. Mondoberrand = 18°16,5’ am 14.06.1973 gegen 20-00 MGZ, Ib = + 4,0’, HP = 54,0’, Ah = 10 m
47
9)

Ib
KA
GB
hb
Ausriß: Gesamtbeschickung für KA des Mondunterrandes
= 35°22,0’
=
+ 4,5’
= 35°26,5’
= + 54,9’
= 36°21,4’
Interpolation (KA zwischen 35 und
36, HP zwischen 56,5 und 57):
+ 54,7 + 55,3
+ 54,2 + 54,8
>> + 54,6
+ 0,3 für 9 m Ah
10)
 Obrd. = 18°16,5’
Ib
=
+ 4,0’
KA
= 18°20,5’
GB
= + 28,1’
hb
= 18°48,6’
Interpolation (KA zwischen 18 und
19, HP 54, Ah = 10 m ):
+ 57,5
+ 57,4
>> + 57,5
+ 0,0 für 10 m Ah
- 29,4 Monddurchmesser
Die Genauigkeit der Höhenbeobachtung:
Fehlerhaft beobachtete Höhen können verursacht sein durch unrichtiges Beobachten, Ablesen oder Beschicken.
Ein fehlerfreies Instrument (bzw. überprüfte Indexberichtigung), Übung und Sorgfalt helfen diese Fehler weitgehend vermeiden. Anders sieht es dagegen mit den naturgegebenen Unsicherheiten aus. Zunächst spielt auf See
bei Beobachtungen über dem natürlichen Horizont die Deutlichkeit der Kimm eine wesentliche Rolle, d.h. der
trennenden Linie zwischen Wasser und Luft. Am besten beobachtet man mit möglichst großer Augeshöhe, um
eine scharfe, nicht vom Seegang gewellte Kimm zu haben. Das ist aber nur bei klarem Wetter möglich. Bei diesigem Wetter und dünner, niedriger Nebelschicht, die durchaus eine Sonnenbeobachtung zulässt, beobachte man
48
lieber aus niedriger Ah, weil damit der Abstand der Kimm kleiner und den tatsächlichen Verhältnissen angepasst
wird.
Durch Blendwirkung unter der Sonne kann die Deutlichkeit der Kimm sehr gestört sein, so dass selbst die Benutzung der Blendgläser des Sextanten nicht hilft. Man kann bei größeren Höhen (über 60°) ggf. über der Gegenkimm beobachten, sofern der Messbereich des benutzten Instruments es zulässt.
Nachts ist ein Ausmachen der Kimm auch bei Mondschein mit erforderlicher Genauigkeit nie möglich. Man
kann deshalb Fixsterne und Planeten nur in der Morgen- und Abenddämmerung beobachten, sofern man nicht
ein Beobachtungsinstrument mit künstlichem Instrument zur Hand hat (nur die Venus lässt sich in bestimmter
Stellung zur Sonne auch am Tage beobachten).
Die Kimmtiefe, die von der Ah abhängig ist, wird in der Gb berichtigt, wie wir gesehen haben. Abnorme meteorologische Verhältnisse, wie sie z.B. bei starkem Temperaturgegensatz Luft/Untergrund vorliegen, heben die
Kimm scheinbar an. Es ist auch bei Zusatzbeschickungen, die man den NT ebenso wie die Gb entnehmen kann,
nicht sicher möglich, dadurch hervorgerufene Fehler auszuschalten. Man merke sich, dass in einem solchen Falle
die gemessenen Höhen zu klein werden.
Zu Refraktionserscheinungen, die von den in der Gb berücksichtigten abweichen, führen entsprechend abnorme
Verhältnisse in den höheren Luftschichten. Die schon erwähnten Zusatzbeschickungen liefern auch für diese
Fälle nur eine recht fragwürdige Korrektur. Am ehesten zeigen sie noch, in welcher Richtung in Abhängigkeit
von Luftdruck und Temperatur eine fehlerhafte Beeinflussung der beobachteten Höhe erfolgt sein kann. Solche
Unsicherheiten kann man klein halten, wenn es möglich ist, Gestirne mit größerer Höhe – folglich kleinerer
Refraktion – auszuwählen.
Mit zufälligen Beobachtungsfehlern ist fast jede Messung behaftet. Ihre Größe hängt wesentlich von der Übung
des Beobachters ab. Auch bei ausgezeichneter Kimm werden selbst geübte Beobachter Fehler von einer Minute
kaum unterschreiten können. Bei etwas schlechteren Beobachtungsverhältnissen erreichen sie schnell bis zu 3
Minuten. Ungeübte müssen mit größeren Fehlern rechnen. Diese zufälligen Fehler lassen sich aber weitgehend
ausschalten, indem man möglichst schnell hintereinander mehrere Kimmabstände des gleichen Gestirns, die sich
natürlich laufend ändern, misst und daraus ebenso wie aus den dazugehörigen Beobachtungszeiten Mittelwerte
bildet. Dabei können offensichtliche Fehlbeobachtungen („Ausreißer“) erkannt und eliminiert werden. Es ist
ohne weiteres ersichtlich, dass dieses Verfahren um den Kulminationszeitpunkt nicht angewendet werden kann.
Zu den zufälligen Beobachtungsfehlern gehören auch: die irrtümliche Ablesung am Chronometer (meist 1s, 5s
oder 10s bzw. 1m) wie am Sextanten (meist 10’ oder auch 1°) und das Vertauschen der Zahlenreihenfolge beim
Aufschreiben.
Zur Kontrolle der eigenen Beobachtungskunst sollte man, wenn möglich, astronomische Beobachtungen auch
gerade dann auswerten, wenn durch andere Methoden der Ortsbestimmung dessen Überprüfung möglich ist.
Man sollte überhaupt jede Gelegenheit nutzen, sich in der Fertigkeit des Beobachtens wie auch des Auswertens
zu üben, damit die Fehler klein sind, wenn es darauf ankommt.
Unter einigermaßen normalen Verhältnissen, und damit hat man es im allgemeinen zu tun, können alle aufgezeigten Fehlerquellen die Brauchbarkeit der Verfahren zur astronomischen Ortsbestimmung in den noch aufzuzeigenden Grenzen nicht in Frage stellen. Man unterlasse es aber nie, bei etwa auftretenden Unstimmigkeiten
diesen nachzuspüren, bevor man ihre Ursachen au abnorme Verhältnisse abschiebt.
49
Stundenwinkel und Abweichung
Zunächst einmal ist es wünschenswert, dass wir uns einige Bezeichnungen und Abkürzungen einprägen, die im
Zusammenhang mit der Ermittlung des Stundenwinkels benötigt werden und immer wieder auftauchen. Es sind
hier gleichzeitig die entsprechenden Benennungen in englischer Sprache aufgeführt, falls später einmal mit der
H.O. 249 und einem englischsprachigen Almanach anstatt des Nautischen Jahrbuchs gearbeitet werden sollte.
Unsere weiter unten stehenden Ausführungen bereiten uns auf das Rechnen nach der Semiversusformel oder mit
dem Taschenrechner vor.
Deutsch
Englisch
Bedeutung
Grw. Stw.
GHA
Greenwicher Stundenwinkel / Greenwich-Hour-Angle für das betreffende Gestirn
bzw. den Frühlingspunkt für die volle Stunde MGZ aus der entsprechenden Tagesseite des Nautischen Jahrbuchs (N.J.) oder des Almanach.
Zuw.
Incr.
Zuwachs / Increment des Grw. Stw. / GHA für die Minuten und Sekunden aus den
Schalttafeln des N.J.
Verb.
Corr.
Verbesserung / Correction des Zuwachses infolge ungleichförmiger Bewegungen des
betreffenden Gestirns…. Mit Hilfe von….
Unt.
Diff.
Unterschied / difference, der beim Greenwicher Stundenwinkel angegeben ist und
auf der Schalttafelseite für die Minuten herausgenommen wird. Dies ist nur beim
Mond und den Planeten nötig.
β
SHA
Sternwinkel / Star-Hour-Angle wird nur bei Fixsternen angewendet und wird zum
Grw. Stw. des Frühlingspunktes addiert (findet keine Anwendung bei H.O.249 Volume 1)
Grw. t
GHA
Der auf die Beobachtungszeit (Stunde, Minute, Sekunde) MGZ verbesserte Grw.
Stw. für das beobachtete Gestirn.
λ
λ
Geographische Länge des Ortes, für den der Ortsstundednwinkel des beobachteten
Gestirns errechnet werden soll.
T
tö
tw
LHA
EHA
LHA
Ortsstundenwinkel des beobachteten Gestirns in 360° - Zählung
(360° - t, wenn t > 180°) Ortsstundenwinkel in 180° - Zählung
(tw = t, wenn t < 180°) Ortsstundenwinkel in 180°
Wie bereits bekannt, ist durch den Stundenkreis eines Gestirns eine seiner beiden Koordinaten im Äquatorsystem
festgelegt: sein Sternwinkel β. Es ist der Winkel zwischen dem Stundenkreis des Frühlingspunktes  und eben
dem des Gestirns. Nun gehört der Himmelsmeridian auch dem Äquatorsystem an, und deshalb schließen der
obere Meridian und der Stundenkreis eines Gestirns
ebenfalls einen Winkel ein, den wir seinen „Ortsstundenwinkel“ nennen. Er heißt Ortsstundenwinkel,
weil seine Größe durch den Himmelsmeridian und
davon abhängig von der Länge des betreffenden Ortes bestimmt wird. Die Benennung Stundenwinkel
erklärt sich aus der Tatsache, dass seine Größe bei
der Sonne ein genaues Maß für die Zeit ist, die noch
zu deren Kulmination vergeht bzw. seit der Kulmination vergangen ist.
Der Stundenwinkel zählt vom oberen Meridian
ausgehend, hat den oberen Pol als Scheitelpunkt
und ist, wie gesagt, von der geographischen Länge
des Beobachtungsorts abhängig. Man kann das auch
so ausdrücken: Für Orte gleicher Länge hat das gleiche
Gestirn den gleichen Ortsstundenwinkel, für Orte
unterschiedlicher Länge hat das gleiche Gestirn im
gleichen Augenblick unterschiedliche Ortstunden
winkel!
Den Ortstundenwinkel eines Gestirns, der auf die Länge von Greenwich bezogen ist, nennt man dessen „Greenwicher Stundenwinkel“. Dieser und ein Ortsstundenwinkel desselben Gestirns hängen zum gleichen Zeitpunkt
50
auf sehr einfache Weise zusammen: sie unterscheiden sich um die geographische Länge λ des betreffenden Ortes. Es gilt offensichtlich die Beziehung:
Grw. t + λ = t
Wobei λ bei Ostlänge mit einem + Zeichen, bei
Westlänge mit einem – Zeichen einzusetzen ist.
Das Nautische Jahrbuch enthält in Abhängigkeit von
der MGZ den Greenwicher Stundenwinkel nur für
die Sonne, den Mond und die vier Planeten Venus,
Mars, Jupiter und Saturn.
Für die Berechnung des Ortstundenwinkel der
Fixsterne ist der Greenwicher Stundenwinkel des
Frühlingspunktes angegeben, ebenso wie die
Sternwinkel β für 80 der hellsten Fixsterne. Es ist
leicht einzusehen, dass sich der Ortsstundenwinkel
des Frühlingspunktes und der eines Fixsterns in
jedem Ort zum gleichen Zeitpunkt um dessen
Sternwinkel β unterscheiden. Das gilt also auch für
ihre Greenwicher Stundenwinkel und in
Abhängigkeit von der geographischen Länge ihre
Ortstundenwinkel, so dass man folgende Beziehung ablesen und formulieren kann:
(t + β) – λ = t
Der Ortstundenwinkel t zählt immer
vollkreisig von 0° bis 360° vom oberen
Meridian aus. Man beginnt die Zählung im
(Orts-) Himmelsmeridian.
Während der Ortsmeridian in Richtung des
Gestirns in der Kulmination der eine
Schenkel des Ortsstundenwinkels mit dem
Wert 0 ist, wandert der Stundenkreis mit
dem Gestirn um das Himmelszelt herum,
wobei der Himmelspol der Scheitelpunkt
von „t“ ist.
Man kann „t“ auch halbkreisig ausdrücken,
indem wir feststellen, dass alle Werte von
„t“ zwischen 0° und 180° immer im
Westhalbraum und die zwischen 180° und
360° immer im Osthalbraum liegen
müssen. „t“ im Westhalbraum nennen wir
tw (= t), er wird vom oberen Meridian aus
in den Westhalbraum hinein gezählt.
„t“ im Osthalbraum nennen wir tö oder tE (= 360° - t), er wird vom oberen Meridian in den Osthalbraum hinein
gezählt.
Ergibt sich „t“ zu 0° oder 180°, so steht das Gestirn gerade in der oberen bzw. unteren Kulmination.
3 Beispiele (alle Zeiten in MGZ, Auszüge aus N.J. nächste Seiten):
 am 09.03.73
Rigel (17) am 09.03.73
 am 09.03.73
15-33-26 auf λ
= 24°43’E
23-33-37 auf λ
= 78°41,8’E
15-32-19 auf λ
= 109°13.2’W
Grw. Stw. 15h
Zuw. f. 33m26s
= 42°21,2’
= 8°21,5’
Grw. Stw. 23h
Zuw. f. 33m37s
β (17)
= 152°29,2’
= 8°25,6’
= 281°41,0’
Grw. Stw. 15h
Zuw. f. 32m19s
Verb.
= 346°47,9’ Unt = 6,3’
= 7°42,7’
=
3,4’
Grw. t
λ E (+)
= 50°42,7’
= 24°43,0’
Grw. t
λ E (+)
= 434°10,2’
= 78°41,8’
Grw. t.
λ W (-)
= 354°34,0’
= - 109°13,2’
t = 75°25,7’
=========
t
= 512°52,0’
- 360°
t = 245°20,8’
=============
t = 152°52,0’
===========
51
52
53
Auszug aus dem Nautischen Jahrbuch:
Für die 3 Beispiele von Seite 49 berechnen wir nun das δ:
 am 09.03.73
Rigel (17) am 09.03.73
 am 09.03.73
15-33-26
15-32-19
δ 15h
23-33-37
= 4°23,3’ S Unt. = 1,0
= - 0,5’ N
δ
Verb.
δ
= 4°22,8’ S
δ
= 8°14,0´ S (konst.)
= 8° 14.0’ S
δ 15h
Verb.
= 22° 29,8’ N Unt. = 8,2
= + 4,4’ N
δ
= 22°34,2’ N
54
Die Mittagsbreite
Wir beginnen unsere nautisch-astronomischen Berechnungen mit einem Sonderfall, bei dem das Gestirn im
Himmelsmeridian - also mit Zenit und Himmelspol auf einem Kreisbogen – steht. In dieser Stellung kulminiert
es, d.h. es erreicht seinen höchsten Stand im Verlaufe eines Tages (wir sprechen von der oberen Kulmination).
Lediglich der Mond muss hier ausgenommen werden, da er wegen seiner raschen Deklinationsänderung möglicherweise seinen höchsten Stand außerhalb
des Meridians erreicht. Ohnehin ist es fast
ausnahmslos die Sonne, die wir in der
Kulmination beobachten, und da diese immer
mittags stattfindet, sprechen wir auch von der
„Mittagsbreite“. Das Azimut ist bei diesem
Ereignis logischerweise 0° bzw. 180°, und die
zum Azimut rechtwinklig – also in Ost-WestRichtung – verlaufende Standlinie muss ein in
Graden und Minuten auszudrückender Breitenparallel sein. Da der Stundenkreis des
Gestirns und der Meridian sich miteinander
decken und es keinen Winkel zwischen beiden
gibt, sprechen wir bei der Kulminations- bzw.
Meridianhöhe von h0 und bei dem zugehörigen
Komplementbogen, der Kulminations/Meridian-Zenitdistanz, von z0.
Zwischen der Meridian-Zenitdistanz z0, der
geographischen Breite φ und der Abweichung
des Gestirns δ besteht eine Beziehung, die wir
der nebenstehenden Zeichnung entnehmen:
φ0 = z0 + δ
oder
z0 = φ0 - δ
Auf diese einfache Formel gründet sich das Rechenverfahren für die Mittagsbreite.
Vorbereitung der Beobachtung:
In der Praxis errechnet man sich zur Vorbereitung der Beobachtung die voraussichtliche Kulminationszeit. Dieses Verfahren kennen wir schon: „Kulminationszeit der Sonne“ (S. 36)
Durchführung der Beobachtung:
Kurze Zeit vor dem berechneten Kulminationszeitpunkt beginnt man mit dem Beobachten; da die Sonne noch
steigt, muss man am Sextanten laufend die Höhe nachstellen. Wen man merkt, dass die Höhe sich nicht mehr
ändert und schließlich sogar wieder geringer wird, stellt man das Instrument nicht mehr nach. Auf diese Weise
misst man die größte von der Sonne erreichte Höhe, eben den gesuchten Kulminations-Kimmabstand (nach
Berücksichtigung der Indexberichtigung „Ib“)
Rechenverfahren:
die am Sextanten abgelesene Höhe „ha“ wird durch Anbringen von Index- und Gesamtberichtigung zur
wahren Meridianhöhe „h0“ beschickt.
h0 wird der Name „N“ oder „S“ hinzugefügt, je nachdem, ob die Beobachtung über dem Horizont im
Nord- oder im Südmeridian erfolgte.
die Meridianzenitdistanz z0 wird gebildet (z0 = 90° - h0) und mit dem entgegengesetzten Namen bezeichnet (also „N“ bei der Beobachtung über dem Südhorizont und „S“ bei der Beobachtung über dem
Nordhorizont)
z0 wird nun auch noch mit dem N oder S entsprechenden Vorzeichen versehen (also plus bei z0N und
minus bei z0S)
der Rechnung „Kulminationszeit der Sonne“ entnimmt man die MGZ der Kulminationszeit am Schiffsort und bestimmt mit ihr aus dem Nautischen Jahrbuch die Abweichung „δ“.
die gesuchte wahre Breite ist dann unter Berücksichtigung und Anwendung der Vorzeichen aller drei
Größen - φ, δ und z0 - die algebraische Summe aus z0 und δ.
55
Beispiel:
Am 09.03.1973 beobachtete man im Mittelmeer auf 10°30’ E gegen 11-29 MGZ die Sonne im Südmeridian in
der oberen Kulmination:
 = 47°08,5’, Ib = - 1,2’, Ah = 12 m
Rechnung:
 = 47°08,5’
Ib =
- 1,2’
KA = 47°07,3’
Gb =
+ 9,1’
h0 = 47°16,4’ S (im Südmeridian)
z0 = 42°43,6’ N (entg. Name von h0)
δ berechnen wie gelernt
δ = - 4°26,7’ S
φw = 38°16,9’ N
=============
Vorausberechnung:
Bei vorauskoppelbarem Schiffsort ist es möglich, die zu erwartende Kulminationshöhe bzw. deren Sextantenablesung vorauszuberechnen. Der Vergleich dieses vorher errechneten Wertes mit dem der später während der
Kulmination gemessenen tatsächlichen Höhe führt zur unmittelbaren Feststellung des Breitenunterschiedes zwischen gegißter und tatsächlicher Breite (φ) und damit zur wahren Breite (φ w) nach algebraischer Addition von
φ an die gegißte Breite φg. Zu vermerken wäre noch, dass φ = h ist. Denn da, wie oben beschrieben, das
Azimut bei der Beobachtung in Nord/Süd-Richtung oder umgekehrt verläuft, liegt die Standlinie stets in Ost/
West-Richtung und bildet damit ein Breitenparallel.
Beispiel für die Vorausberechnung:
Für den voraussichtlichen Zeitpunkt der Kulmination am 09.03.1973 um 12-13 MGZ hat man seinen Schiffsort
nach 62°12’ N und 000°27,8’ E gekoppelt. Ah = 10m, Ib = + 3,0’. Welcher Kimmabstand ist zu erwarten? (Da
bei der folgenden Rechnung in entgegengesetzter Richtung gerechnet wird, müssen die Berichtigungen auch mit
entgegengesetzten Vorzeichen angebracht werden!)
Kulm φg = + 62°12,0’ N
-δ
= - 4°26,3’ S
z0
= + 66°38,3’ N
h0
= 23°21,7’ S (im Südmeridian)
- Gb
=
(+) 8,3’
Kar
= 23°13,4’
- Ib
=
(+) 3,0’
r
= 23°16,4’ (zu erwartende, berechnete Sextantenablesung)
a
= 23°18,7’ (tatsächlich abgelesen = ha, größer > Standort also Sonnen-näher, weiter südlich)
φ
=
- 2,3’S (Differenz)
φg
= 62°12,0’ N
φw
= 62°09,7’ N
==================
56
Die Berechnung des Nautisch-Sphärischen Dreiecks
Das nautisch-sphärische Dreieck:
Die Abbildungen zeigen noch einmal die Koordinatensysteme, mit deren Hilfe der Ort eines jeden Gestirns festgelegt werden kann. Es sind alle Größen eingetragen, die entweder messbar, berechenbar oder im Nautischen
Jahrbuch angegeben sind! Die Punkte Zenit Ze, der obere Pol PN (für einen Beobachter auf Nordbreite) und das
Gestirn G bilden die Eckpunkte des Dreiecks.
Die drei Seiten unseres nautisch-sphärischen
Dreiecks sind:
- Das Höhenkomplement = Zenitdistanz
- Das Breitenkomplement = Pol-Zenit-Distanz
- Das Abweichungskomplement = Poldistanz
Seine drei Winkel sind:
- Das Azimut = rechtw. Peilung des Gestirns
- Der (Orts-) Stundenwinkel = t (Ost oder West)
- Der parallaktische Winkel bei G (interessiert
uns nicht)
Von diesen sechs Bestimmungsstücken des Dreiecks sind für die nautischen Berechnungen als bekannt anzusehen:
- die gegißte Breite φg des der Rechnung zugrunde liegenden ungefähren Schiffsorts und damit auch das Breitenkomplement 90° - φ
- die Abweichung δ, nach der Beobachtungszeit dem Nautischen Jahrbuch zu entnehmen, und damit deren
Komplement 90° - δ
- der Stundenwinkel t, nach der Beobachtungszeit und der Länge des gegißten Schiffsorts nach den Angaben
des Nautischen Jahrbuchs zu berechnen.
Nach den Regeln der sphärischen Trigonometrie (s.o.) muß es demnach möglich sein, die übrigen Stücke des
Dreiecks zu berechnen; von ihnen benötigen wir die Zenitdistanz z bzw. die Höhe h und das Azimut Az des
Gestirns. Vorweg sei bemerkt, dass die errechnete Höhe ebenso wie das berechnete Azimut für den der Rechnung zugrundeliegenden (Koppel-) Ort zum Zeitpunkt der Beobachtung gilt. Die tatsächlich beobachtete Höhe
spielt für die Rechnung keine Rolle!
Die Höhengleiche
In jedem Augenblick steht jedes Gestirn senkrecht über einem Ort der Erde, also dessen Zenit. Diesen Erdort
nennt man den Bildpunkt des betr. Gestirns. Stellt man sich die Erdkugel und das Himmelsgewölbe als konzentrische Kugeln vor, wie wir dies ja tun, so schneidet die Verbindungslinie eines Gestirns mit dem Erdmittelpunkt
die Erdoberfläche in eben jenem Bildpunkt. Offensichtlich ist dann dessen geographische Breite φ = der Abweichung δ und seine geographische Länge λ = „Grw. t.“ des betreffenden Gestirns incl. Vorzeichen.
So ist ohne weiteres einzusehen, dass nach obiger Definition jeder Erdort eines Beobachters der Bildpunkt seines
Zenits ist, die Erdpole Bildpunkte der Himmelspole usw. Demnach kann man dem nautisch-sphärischen Dreieck
am Himmelsgewölbe ein entsprechendes sphärisches Dreieck auf der Erdoberfläche zuordnen, dessen Seiten
57
und Winkel im Winkelmaß gleich
den entsprechenden im erstgenannten
sind. Da ferner die Dreiecksseiten
Großkreise und eine Bogenminute
auf einem solchen eine Seemeile
lang ist, muß gelten:
1. der Abstand in Seemeilen vom
Beobachtungsort zum
Gestirnsbildpunkt ist gleich der
Zenitdistanz des beobachteten
Gestirns in Bogenminuten.
2. die Großkreisrichtung vom
Beobachtungsort zum
Gestirnsbildpunkt ist gleich dem
Azimut des Gestirns!
Daraus lässt sich umgekehrt folgern:
Alle Orte auf der Erdoberfläche, in
denen im gleichen Augenblick
dasselbe Gestirn mit gleicher Höhe,
also auch gleicher Zenitdistanz
beobachtet wird, müssen demnach
auf einem Kreis liegen, dessen
sphärischer Mittelpunkt der
Gestirnsbildpunkt und dessen
sphärischer Radius dessen
Zenitdistanz ist. Diesen Kreis nennt
man die Höhengleiche.
Es bestimmt also die beobachtete Höhe die zugehörige Höhengleiche. Auf ihr muß der Beobachter stehen, sie ist
daher eine Standlinie für den Schiffsort.
Und da auch auf einer Kugeloberfläche der sphärische Radius eines Kreises senkrecht auf seinem Umfang steht,
verläuft die Höhengleiche senkrecht zum Azimutstrahl.
Schließlich kann man aus dem
Gesagten – wie auch aus bloßer
Anschauung – folgern:
Bewegt man sich von der
Höhengleiche ohne Zeitverlust zum
Gestirnsbildpunkt oder auch, wie man
sagt, zum Gestirn hin, wird die Höhe
größer; bewegt man sich weg, wird sie
kleiner. Die Höhenänderung beträgt
jeweils eine Bogenminute pro Seemeile
Abstand von der Höhengleiche.
Anders formuliert:
Im gleichen Augenblick erscheint
dasselbe Gestirn für einen Beobachter
innerhalb der Höhengleiche unter einer
größeren, außerhalb der Höhengleiche
unter einer kleineren Höhe als für den
Beobachter auf der Höhengleiche.
58
Die Höhenformel
In den Fällen, in denen das beobachtete Gestirn nicht im Meridian steht, ist für den angenommenen Ort und für
die Beobachtungszeit seine Höhe hr (errechnete Höhe) und sein Azimut zu berechnen. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren, vornehmlich und herkömmlich solche mit Hilfe von Tafelwerken. So war in der deutschen Seeschiffahrt die Höhenberechnung mit Hilfe der „Semiversus-Formel“ und den „Nautischen Tafeln“ (Fulst) die
gebräuchliche. Mehr und mehr setzen sich in den letzten Jahrzehnten ausländische Tafelwerke durch, die dem
Beobachter schon einen großen Teil der Rechenarbeit vorweggenommen haben, wie z.B. das amerikanische
Tafelwerk H.O. 249. Diese Tafeln sind jedoch sehr umfänglich und nicht in allen Teilen zeitlos gültig. Am
Schluß dieses Leitfadens sind Rechenbeispiele nach H.O. 249 durchgeführt.
Der Leitfaden behandelt überwiegend das Verfahren mit dem Taschenrechner, das sich auf die einfache Umschreibung des Cosinussatzes stützt. Von dieser Taschenrechnerformel ist im weiteren Verlauf die Semiversusformel abgeleitet, um dem Beobachter nach Fulst’s „Nautischen Tafeln“ den Weg zu zeigen.
Wir betrachten zunächst das „Nautisch-Sphärische-Grunddreieck“ (s.o.), es enthält die Größen:
Breitenkomplement 90° - φ, Abweichungskomplement 90° - δ, Ortstundenwinkel „t“, Zenitdistanz z = 90° - h
und das Azimut Az.
Bei angenommenem Ort und bekannter Zeit sind uns davon die drei ersten bekannt; also müssen wir nach den
Gesetzen der sphärischen Trigonometrie die beiden anderen berechnen können. Dazu wenden wir den Cosinussatz an:
cos z = cos(90°-φ) * cos(90° - δ) + sin(90° - φ) * sin(90° - δ) * cos t.
Da aber nach den trig. Grundregeln cos(90° - α) = sin α und sin(90° - α) = cos α ist, kann man die Gleichung
unschreiben:
cos z = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t
Und schließlich für den Taschenrechner als Standardformel:
sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t
Rechenbeispiele:
Es sei: φ = 54°30’ N, δ = 14°37,5’ N, t = 44°18,5’ (Benutzung der Konstantenspeicher empfohlen!)
sin h = sin 54°30’ * sin 14°37,5’ + cos 54°30’ * cos 14°37,5’ * cos 44°18,5’
sin h = 0,81411… * 0,25249…. + 0,58077…. * 0,96759…. * 0,715591….
(Der Taschenrechner weiß die Regel „Punktrechnung vor Strichrechnung“ automatisch)
sin h = 0,60763914
…. und mit INV sin:
h = 37,4°
=======
Es sei: φ = 24°30’ N, δ = 14°37,5’ S, t = 44°18,5’
sin h = sin 24°30’ * sin -14°37,5’ + cos 24°30’ * cos -14°37,5’ * cos 44°18,5’
sin h = 0,41469… * -(0,25249…) + 0,90996.... * 0,96759….. * 0,715591….
sin h = 0,525355495
h = 31,7°
=======
Es sei: φ = 24°30’ S, δ = 14°37,5’ S, t = 325°44,6’
sin h = sin -24°30’ * sin -14°37,5’ + cos -24°30’ * cos -14°37,5’ * cos 325°44,6’
sin h = 0,832442728
h = 56,4°
=======
59
Die Azimutformel
Aus dem nautisch-sphärischen Dreieck kann man mit Hilfe des Cosinussatzes auch folgende Beziehung ablesen:
sin δ = sin φ * sin h + cos φ * cos h * cos Az,
die man umformt in
(1)
(Höhen-Zeit-Azimut für den Taschenrechner)
(2)
Man könnte in diese Gleichung den vorher berechneten
Wert für die Höhe einsetzen. Das ist unüblich, würde einen
Fehler perpetuieren, außerdem ist der Cosinus nicht eindeutig. Es wird weiter umgeformt. Man dividiert durch
sin Az und erhält:
(3)
Nach dem Sinussatz gilt im nautisch-sphärischen
Dreieck aber auch
oder, da doch sin z = sin(90° - h) = cos h und sin(90° - δ) = cos δ, cos h * sin Az = sin t * cos δ;
und für den Taschenrechner setzen wir danach die allerdings nur bedingt anwendbare Formel für das
¼-kreisige Azimut ein:
(4)
(5)
(6)
Nach Formel (5) ersetzen wir in (3) cos h * sin Az und erhalten:
(7)
Schließlich gilt nach dem Cosinussatz im nautisch-sphärischen Dreieck, wie im vorherigen Kapitel gesehen:
sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t (Höhenformel)
(8)
Danach wird in (7) ersetzt:
(9)
Da grundsätzlich, ohne dass wir jetzt den Beweis antreten, sin + cos = 1 bzw. 1 – sin = cos ist, kann für (9)
auch geschrieben werden:
(10)
oder in anderer Reihenfolge der einzelnen Faktoren getrennt:
(11)
Da nun sin δ/cos δ = tan δ ist, formen wir zunächst um und kürzen:
um dann für den Taschenrechner die
Standardformel zu erhalten:
(12)
60
Die Berechnung der Höhe und des Azimuts
mit dem Taschenrechner
Grundregeln für beide Berechnungen:
Für die Berechnung der Höhe „h“ und des Azimuts „Az“ benötigt man die Größen des nautisch-sphärischen
Grunddreiecks bzw. deren Komplemente:
die geographische Breite φg des Beobachters, die sich aus dem Koppelort ergibt,
die Abweichung δ des Gestirns,
den Ortsstundenwinkel t des Gestirns.
Für den Rechenvorgang gelten folgende Regeln:
Nördliche Breiten und Abweichungen sowie östliche Längen sind positiv.
Südliche Breiten und Abweichungen sowie westliche Längen sind negativ.
Der Ortsstundenwinkel zählt immer vom oberen Meridian aus, entweder halbkreisig nach West (tw) bzw.
nach Ost (tE) oder vollkreisig in 360°-Zählung. Die Eingabe in den Taschenrechner erfolgt von Fall zu Fall
halb- oder vollkreisig.
Die Höhe „h“ ist logischerweise immer positiv.
Das Azimut:
viertelkreisig ist ein spitzer Winkel, er zählt jeweils vom Nord- bzw. Südmeridian nach Ost bzw. West
halbkreisig zählt es vom Nordmeridian aus 180° über Ost bzw. West nach Süd
vollkreisig in 360°-Zählung im Sinne der Kompassrose ist es das rechtweisende Azimut
Die Berechnung der Höhe „h“:
Sie wird berechnet nach der vom Cosinussatz abgewandelten Formel
sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t
unter Beachtung der Vorzeichen bei φ und δ (siehe Übungen auf Seite ??).
Die Berechnung des Azimuts:
Für die Berechnung des Azimuts stehen die Formeln (2), (6) und (12) zur Verfügung. Wir beschränken auf die
Anwendung der Formel (12):
Sie ist die Formel, die sich für alle in Frage kommenden
Fälle anbietet. Gleichzeitig kann man mit ihr das
vollkreisige Azimut auf direktem Wege über die
Koordinatentransformation berechnen.
Unsere Betrachtung geht wieder zurück zu den Winkelfunktionen (siehe Seite 5) und den Überlegungen zur
Koordinatentransformation (siehe Seite 12), wir betrachten die Formel: tan α = a/b (bzw. allg. x/y), der wir
alsdann die Formel (12) gleichsetzen, und zwar den Wert von t gleich dem gedachten a- und das Ergebnis des
Nenners gleich dem gedachten b- Wert.
Koordinatentransformation: R > P. Das Resultat für
„d“ ignorieren wir, obwohl es im Verlauf der
Rechnung anfällt; unser Interesse richtet sich allein
auf den Winkelwert (entspr. Kartenkurs), der uns zum vollkreisigen Azimut führt. Allerdings ist noch ein Kunstgriff vorzunehmen, damit das Azimut auch kompassgerecht am Rechner angezeigt wird. Da nämlich das Azimut
bekanntlich der 360°-Zählung der Kompassrose entspricht, beginnt die Zählung von
t bei der Kulmination im Südmeridian bei 180° am Kompaß rechts herum und
bei der Kulmination im Nordmeridian bei 000° am Kompaß links herum.
Das hat zur Folge, dass sin t in allen Quadranten der Kompassrose das entgegengesetzte Vorzeichen vom Azimut hat. Dem muß abgeholfen werden: durch Eingabe des Zählers „sin t“ mit entgegengesetztem Vorzeichen
(Vorzeichen-Umkehrtaste bedienen) in den Rechner wird dieser Missstand behoben; das Azimut wird dann zunächst halbkreisig folgendermaßen richtig angezeigt:
Ist der am Rechner angezeigte Wert für das Azimut positiv, so ist es das vollkreisige Azimut,
ist der am Rechner angezeigte Wert für das Azimut negativ, so ist es nach Addition von 360° das vollkreisige
Azimut.
Beispiel:
Anzeige: „123“ diese Anzeige ist das vollkreisige Azimut 123°
Anzeige: „-123“ da Anzeige negativ, 360 dazuaddieren > Ergebnis: vollkreisiges Azimut = 237°
61
Beispiel einer Berechnung von Stundenwinkel „t“, Höhe „h“ und Azimut „Az“
mit Taschenrechner (z.B. Casio 3600 P)
Auszüge aus NJ siehe Seiten ??
Aufgabe: Am 11.6.1973 befand man sich gegen 04-03 ZZ auf φg = 47°05’N und λg = 35°55’W.
Man beobachtete bei einer Augeshöhe „Ah“ von 8 m und einer Indexberichtigung „Ib“ von –1,8’ den
Stern Atair (71).
Fragen:
1. Welches war die wahre beobachtete Höhe „hb“ ?
2. Wie groß ist der Ortsstundenwinkel „t“ des Sterns ?
3. Welches ist die für den Loggeort berechnete Höhe „h“ und welches Azimut hatte der Stern bei der
Beobachtung ?
4. Wie groß ist das h ?
1. Atair (71)
ha = 49°10,0’ δ = 8°47,8’N
Ib = - 1,8’
KA = 49°08,2’
Gb = - 5,9’
hb = 49°02,3’
β = 62°37,2’
Chronometer Ablesung = 05-59-51
Stand
= + 03-03
MGZ
= 06-02-54
2.  GHA 06h MGZ
Zuwachs f. 02m54s
β
λ
= 349°26,3’
=
43,6’
= 62°37,2’
= - 35°55,0’ (W)
= 376°52,3’
_____- 360°_______
t = 16°52,1’
3.
Berechnung von h:
sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t
sin h = 0,73.. * 0,15.. + 0,68.. * 0,98.. * 0,95..
sin h = 0,755967408
hr = 49°06,6’
Berechnung des Azimuts:
Nenner: 0,15.. * 0,68.. – 0,73.. * 0,95.. = - 0,59546148
INV R > P
Zähler: - 0,29017333
= 0,6624… (interessiert nicht)
INV X<>Y
- 154,019641
+ 360
= 205,9803589
Az = 206°
4. Schlussrechnung:
hr = 49°06,6’
hb = 49°02,3’
h = - 04,3’ (weg)
Auf der nächsten Seite die Berechnung auf dem Taschenrechner Schritt für Schritt.
62
Schritt für Schritt auf dem Rechner:
Eingabe
Anzeige
349 °’ ’’ 26,3 °’ ’’
349,4383333
+ 0 °’ ’’ 43,6 °’ ’’
+ 62 °’ ’’ 37,2 °’ ’’
- 35 °’ ’’ 55 °’ ’’
- 360
=
Kin 3
0,726666666
62,62
- 35,91666667
47 °’ ’’ 5 °’ ’’ Kin 1
8 °’ ’’ 47,8 °’ ’’ Kin 2
47,08333333
8,796666667
Kout 1 sin
*
Kout 2 sin
+
Kout 1 cos
*
Kout 2 cos
*
Kout 3 cos
=
INV sin
INV °’ ’’
0,732344854
Erläuterung
Ortstundenwinkel
 GHA für 06h MGZ aus NJ, im weiteren entweder einfache
Addition oder unabhängigen Speicher M benutzen
Zuwachs aus NJ
Addition des Sternwinkel β
Subtr. der West-Länge (bzw. Addition mit „min“ –Vorzeichen)
360° abziehen, weil Zwischenwert > 360
t vollkreisig dezimal (auf Wunsch mit INV °’ ’’ in ° anzeigen)
t in den Konstantenspeicher 3
Koppelbreite und Deklination in die Konstantenspeicher
φg in Konstantenspeicher 1
δ in Konstantenspeicher 2
Berechnung von h (sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t)
sin von φ
0,152957089
sin von δ
0,680933928
cos von φ
0,988232831
cos von δ
0,956974105
0,755967408
49,10997176
49°06,6’
Kout 2 tan
*
Kout 1 cos
Kout 1 sin
*
Kout 3 cos
=
INV R>P
Kout 3 +/- sin
=
INV X<>Y
+ 360 =
0,154778393
cos von t
sin von hr
hr dezimal
hr
Berechnung von Az
tan von δ
0,680933928
cos von φ
0,732344854
sin von φ
0,956974105
- 0,59546148
cos von t
Resultat des Nenners
Koordinatentransformation Rechtwinklig zu Polar
sin von –t
wird nicht benötigt
Registeraustausch > gesuchter Winkel, da negativ > + 360!
vollkreisiges Azimut = 206°
16,86833333
16,86833333
- 0,29017333
0,662400891
-154,019641
205,9803589
Zur Vereinfachung der Berechnungen ist es sinnvoll (und in der Prüfung auch erlaubt!), sich ein Rechenschema
zu erstellen. Auf der folgenden Seite ist dazu ein Vorschlag.
63
Rechenschema für Taschenrechnerverfahren (z.B. Casio 3600 P)
Höhen-Standlinien-Berechnungen
Kopiervorlage Formblatt
Datum/Bordzeit
φk
Breite des Koppelsorts
λk
Länge des Koppelorts
Ah
Augeshöhe
Gestirn
HP:
aus NJ, bei Fixstern Nr., Mond & Planet HP
ha
Sextantenablesung
+ Ib
Indexberichtigung
KA
Kimmabstand
+ Gb
Gesamtberichtigung (aus NJ)
hb
Beobachtete („wahre“) Höhe
Chr.
Abgelesene Zeit an der Beobachtungsuhr
+ Stand
Berichtigung der Uhrzeit (aus Zeitvergleich)
MGZ
Mittlere Greenwich Zeit
h
δ für
Unt.:
+ Verb.
aus NJ Tagesseite (volle Stunde)
aus NJ Schalttafel (für Fixsterne nicht nötig)
δ
Deklination zur Beobachtungszeit
Grw. Stw. für
h
+ Zuw.
m
für
Unt.:
s
aus NJ Tagesseite (volle Stunde)
aus NJ Schalttafel
+ Verb. bzw. β
aus NJ Schalttafel (Verb. bei Mond, Planet)
Grw. Stw.
Grw. Stw. zur Beobachtungszeit
+λ
gegißte Länge (Vorzeichen beachten!)
t
Ortstundenwinkel des Gestirns
sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t
Formel zur Berechnung der Höhe
φ (K in 1)
δ (K in 2)
Die zur Berechnung erforderlichen 3 Größen
t (K in 3)
hb
beobachtete Höhe
- hr
Ergebnis aus der Berechnung der Formel
h
Höhendifferenz (Vorzeichen (weg/hin)) !
Formel zur Berechnung des Azimuts
mit Koordinatentransformation
Abgelesener Wert
ggf. + 360
(bei negativem abgelesenen Wert)
Azimut (vollkreisig)
Die Bestimmung des Schiffsorts aus Höhen-Standlinien
64
Die Ermittlung einer Höhengleiche unmittelbar aus der Beobachtung eines Gestirns, der Berechnung seines
Grw. t und seiner Abweichung führt zwar theoretisch zu einer Standlinie, jedoch lediglich aufgrund dieser Größen lässt sie sich nicht ohne weiteres mit der notwendigen Genauigkeit in der Seekarte oder dem Plottingsheet
darstellen. Deshalb zeichnet man sie auf dem Umweg über den gegißten Schiffsort, den wir ja auch dem beschriebenen Rechnungen zugrunde legten. Dies Verfahren wird hier nun beschrieben.
Die für den gegißten Schiffsort berechnete Höhe eines Gestirns hr gilt für alle Orte, die mit dem gegißten auf der
der Rechnung entsprechenden Höhengleiche liegen. In der näheren Umgebung des gegißten Schiffsorts kann
man nun unter gewissen Voraussetzungen, von denen wir noch hören werden, einen kleinen Ausschnitt dieser
kreisbogenförmigen Höhengleiche in der ebenen Karte oder auf Zeichenpapier (Plottingsheet bzw. kariertes
Papier) als Gerade annehmen. Diese Gerade verläuft dann senkrecht zum Azimutstrahl durch den gegißten Ort.
Falls beobachtete und berechnete Höhe verschieden sind, entspricht der Beobachtung eine andere Höhengeiche,
diese verläuft parallel zu der aus der Rechnung folgenden und zwar im Abstand des Unterschieds zwischen der
berechneten und der beobachteten Höhe (h).
Im Koppelort Ok (dasselbe wie gegißter Ort Og)
wird in der Richtung des Azimuts der Azimutstrahl
gezeichnet und senkrecht dazu durch den Ort die
berechnete Höhengleiche (das machen wir nur jetzt
zur Verdeutlichung des Sachverhalts, später lassen
wir diese berechnete Höhengleiche weg). (Hätte man
der Rechnung Breite und Länge irgendeines anderen
Ortes auf dieser Höhengleiche zugrunde gelegt, wäre
die gleiche berechnete Höhe herausgekommen.)
Nun wird der Höhenunterschied h definiert als hb –
hr mit entsprechendem Vorzeichen (positiv = zum
Gestirn hin, negativ = vom Gestirn weg). Diese
Größe benutzen wir zum Zeichnen der der
Beobachtung entsprechenden Höhenstandlinie, die
als Parallele zu der bereits gezeichneten
offensichtlich ebenfalls als Senkrechte zum
Azimutstrahl darzustellen ist, und zwar in einem
Punkt auf ihm,
den wir ihren Leitpunkt nennen wollen. Nach dem
im vorigen Abschnitt Gesagten ist dieser Leitpunkt
auf dem Azimutstrahl von gegißten Ort ebenso weit
in sm entfernt wie h in Bogenminuten groß ist. Bei
positivem h liegt er zum Gestirn hin, bei negativem h vom Gestirn weg und bei h = 0 deckt er
sich mit dem Ok, was aber nicht bedeuten muß, dass
der gegißte auch gleichzeitig der wahre Ort wäre,
allenfalls, dass beide Orte auf der gleichen Standlinie
liegen müssen.
Wie wir aus der terrestrischen Navigation ja schon
wissen, liefert eine Standlinie noch keinen Schiffsort;
dazu braucht man mindestens zwei Standlinien. Es ist
also erforderlich, zur Ortsbestimmung mindestens
zwei Beobachtungen durchzuführen. Zur sicheren
Festlegung dieses Ortes sollte man bei der Auswahl
der Gestirne berücksichtigen, daß deren Azimut
einen Richtungsunterschied von mindestens 30° und
höchstens 150° aufweist, weil sich dann auch die Standlinien unter dem gleichen Winkel schneiden (optimal:
90°). Andernfalls würde sich dieser Schnittpunkt schon bei geringfügigen Ungenauigkeiten im h, die sich nie
ausschließen lassen, sehr stark verschieben. Noch besser ist, falls möglich, drei bis fünf Beobachtungen auf diese
Weise auszuwerten. Der Schnittpunkt dieser Standlinien, oder, wie es der Ungenauigkeiten wegen immer vorkommt, der Mittelpunkt des der Schnittfigur einzuschreibenden Kreises ist dann der gesuchte Ort.
Die tatsächliche Bestimmung des beobachteten Schiffsorts aus Höhenstandlinien wird in obenstehender Figur
erläutert. Es ist hierbei nicht nötig und auch nicht üblich, die Höhengleichen der errechneten Höhen (hr) einzuzeichnen.
Ort aus mehreren Höhen mit Versegelung
65
Werden zwei oder mehr Beobachtungen nicht gleichzeitig gemacht, z.B. zwei Beobachtungen der Sonne in 2 – 3
Stunden Abstand (damit sich das Azimut ausreichend, d.h. mindestens um 30° ändert), verfährt man in der Bestimmung des Ob ähnlich. Man rechnet für die erste Beobachtung mit den Koordinaten des ersten Beobachtungsortes, koppelt von dort so sorgfältig wie möglich zum zweiten Beobachtungsort und berechnet mit dessen Koordinaten die zweite. Für jede Beobachtung erhält man ein h mit einem dazugehörigen Azimut. Mit diesen
Werten bestimmt man für den zweiten gegißten Ort den entsprechenden beobachteten, als ob beide Beobachtungen gleichzeitig gemacht worden wären (d.h. wir haben die 1. Standlinie „versegelt“, ganz entsprechend den
Versegelungspeilungen in der terrestrischen Navigation). Koppelfehler verfälschen das Ergebnis geringfügig.
Auf alle Fälle ist die 2. Standlinie frei von Koppelfehlern. Erfahrungsgemäß rechnet man mit Fehlern von
5 -10% der zwischen den Beobachtungen versegelten Distanz. Aus dem Gesagten folgt, dass die zeichnerische
Lösung der Höhen-Versegelungspeilung genau die gleiche ist wie die eben auf der vorherigen Seite behandelte.
Besteckversetzung:
Den Unterschied zwischen gekoppeltem Besteck (Ok) und der astronomischen Beobachtung (Ob) nennt man die
Besteckversetzung BV, wobei die Ursache, die zu der BV geführt haben könnte, im allgemeinen keine Rolle
spielt. Die BV wird durch Angaben von Richtung und Entfernung vom Ok zum Ob ausgedrückt. Sie kann entweder direkt der Zeichnung entnommen oder nach dem Verfahren der Besteckrechnung II ermittelt werden.
Beispiel 1:
Auf φg = 35°32’N, λg = 42°56’W hat man aus Beobachtungen von Jupiter und zweier Fixsterne beobachtet:
Jupiter: h = + 1,6’, Az = 141° Sirius: h = - 4,5’, Az = 213° Algol: h = -4,2’, Az = 248°
Welcher Ob und welche BV wird daraus ermittelt?
Es wird wie nebenstehend gezeichnet. Aus der
Zeichnung entnimmt man für den Ob ein b = 2,0’N
und ein a = 4,2 sm E gegenüber dem Ok
Hiermit ist zu rechnen:
φg = 35°32’N
b =
2’N
φb = 35°34’N = beobachtete („wahre“) Breite
Als φm erhält man 35°33’, womit die gefundene
Abweitung in Längenunterschied umgewandelt wird:
l = 4,2 / cos 35°33’ = 5’ E (abgerundet)
Also ergibt sich für die beobachtete Länge:
λg = 42°56’W
l =
5’E
λb = 42°51’W = beobachtete (“wahre”) Länge
Die Besteckversetzung entnimmt man entweder direkt der Zeichnung:
BV = 63° / 4,7 sm (je nach Genauigkeit der Zeichnung)
oder mit der Polarkoordinatentransformation R > P (b = + 2 sm, a = + 4,2 sm):
BV = 64,5° / 4,652 sm
Beispiel 2:
An einem Koppelort φg = 47°39’N, λg = 26°02’W hatte man aus einer Beobachtung der Sonne errechnet:
h1 = - 3,2’, Az1 = 165°. Nach 2 Stunden und 55 Minuten erfolgt eine zweite Beobachtung der Sonne; in
diesem Augenblick hat man den Koppelort φg2 = 47°26,6’N, λg2 = 26°38,3’W erreicht. Die neue Rechnung
ergibt: h2 = + 2,4’, Az2 = 207°.
Welcher Ob und welche BV ergibt sich daraus?
66
Beide Standlinien werden an den Ok der 2. Beobachtung angetragen; für den Ob ergibt sich
gegenüber dem Ok ein
= 1,2’ N und ein a = 7,7 sm W. Damit
berechnet man zunächst die Breite:
φg = 47°26,6’N
=
1,2’N
= 47°27,8’N = beobachtete („wahre“) Breite
Aus φm = 47°27’ und dem gefundenen
= 7,7 sm W erhält man ein l = 11,4’ W, mit dem
man die wahre Länge bestimmt:
λg = 26°38,3’W
=
11,4’W
= 26°49,7’W = beobachtete (“wahre”) Länge
b
b
φb
a
l
λb
Der so bestimmte Ort ist natürlich der Ob zum Zeitpunkt der zweiten Beobachtung.
Aus der Zeichnung findet man die BV:
BV = 280° / 7,8 sm
Bei diesem Beispiel einer versegelten ersten Standlinie ist es zweckmäßig, alle Rechnungen zunächst auf Zehntel
Minuten durchzuführen; erst das Endergebnis wird wieder auf ganze Minuten abgerundet.
Das Mittagsbesteck
(Ort aus versegelter Vormittags-Sonnenhöhe und Mittagsbreite)
In dem folgenden Beispiel wird ein Mittagsbesteck gerechnet, wie es in der Berufsschiffahrt üblich ist. Man
errechnet jeweils von Mittag zu Mittag die abgelaufene Gesamtdistanz, den Gesamtkurs, die Durchschnittsfahrt,
die sich aus der neuen Mittagsposition ergeben, und legt die Besteckversetzung BV fest, d.h. den Unterschied
zwischen erkoppeltem und wahrem Ort in Distanz und Richtung. Alle diese Daten werden im Schiffstagebuch
festgehalten, um den Nachweis über sorgfältige Navigation und den Verlauf der Reise zu erbringen. In der
Sportschiffahrt kann das Ermitteln des Schiffsorts ohne Versegelung von Standlinien vorteilhafter sein wegen
der geringeren Kursbeständigkeit kleiner Schiffe. Sternbeobachtungen in der Dämmerung bieten sich hierfür an.
Man stand am 14.08.1973 um 12-00 ZZ auf 28°55’N 27°08,5’W.
Fahrt = 16,5 kn, Kartenkurs = 249°, Ib = -6,5’, Ah = 3,5 m, Stand = - 23s
Am nächsten Vormittag beobachtete man gegen 10-18 Bordzeit die Sonne (Unterrand) mit 58°48,5’ am Sextanten. Zur Kulmination der Sonne maß man die Sonnenhöhe am Sextanten mit 77°20,0’ (Unterrand)
Formblatt auf der nächsten Seite.
67
Mittagsbesteck
Formblatt Taschenrechnerverfahren
Bdzt. = ZZ
14.08.73
12-00
15.08.73
10-18
K
F
d
249°
16,5 kn
368 sm
249°
16,5 kn
(28 sm)
12-00
249°
16,5 kn
396 sm
Kulm. 12-21
249°
16,5 kn
(5,6 sm)
Datum/Bordzeit
15.08.73 / 10-18
φk
26°44’ N
λk
33°37’ W
Ah
3,5 m
Gestirn
Sonnenunterrand
ha
+ Ib
58°48,5’
- 6,5’
KA
58°42,0’
+ Gb
+ 12,0’
hb
58°54,0’
Chr.
+ Stand
12-17-43
- 0-23
MGZ
δ für 12
+ Verb.
gekoppelte Breite
φ1 = 28°55,0’ N
b
= 2°11,0’ S
φ2 = 26°44,0’ N
b
=
10,0’ S
φk = 26°34,0’ N
b
=
2,0’ S
φkulm = 26°32,0’ N
12-17-20
h
14°00,8’
- 0,3’
δ
14°00,5’
Grw. Stw. für 12h
+ Zuw. für 17m 20s
358°53,5’
4°20,0’
+ Verb. bzw. β
Unt.: 0,8
-
Grw. Stw.
363°13,5’
+λ
- 33°37,0’
t
329°36,5’
sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t
φ (K in 1)
26°44’ N
δ (K in 2)
14°00,5’ S
t (K in 3)
329°36,5’
hb
58°54,0’
- hr
58°54,6’
h
Abgelesener Wert
Mittelbreite
φm
a
φm
a
= 27°50’
= 343,5 sm
= 26°39’
= 26,2 sm
gekoppelte Länge
λ1
l
λ1
l
= 27°08,5’ W
= 6°28,5’ W
= 33°37,0’ W
=
29,3’ W
λk = 34°06,3’ W
Kulminationszeit
T
= 12-04
- λ i.Zt. = + 2-17
MGZ = 14-21
ZU
= - 2-00
ZZ
= 12-21
Mittagsbreite:
ha
= 77°20,0’
Ib
= - 6,5’
KA
= 77°13,5’
Gb
= + 12,5’
h0
= 77°26,0’ (S)
z0
= 12°34,0’ (N)
δ
= 13°59,0’ (N)
φb
= 26°33,0’ N
Kulm. φk
= 26°32,0’ N
φ = + 01,0’ N
12h φk = 26°34,0’ N
12h φb = 26°35,0’ N
Kulm.- Deklination
δ f. 14h = 13°59,3’ N
Unt.: 0,8’
Verb.
δKulm.
=
0,3’ S
= 13°59,0’ N
Zeichnung (unten):
BV = 325° / 1,2 sm
a = 0,7 sm W
l =
0,8’ W
λk = 34°06,3’ W
λb = 34°07,1’ W
Eintragung ins Logbuch:
Verl. Ort am 14.08.73, 12-00 φ = 28°55,0’N λ = 27°08,5’W
Err. Ort am 15.08.73, 12-00 φ = 26°35,0’N λ = 34°07,1’W
φm = 27°45’ a = 370,4 sm
b = 2°20,0’S l = 6°58,6’W
Mit Koordinatentransformation R > P:
Gesamtdistanz = 396 sm
Gesamtkurs = 249,3°
Durchschnittsfahrt = 16,5 kn
- 0,6’ (weg)
108,08
ggf. + 360
Azimut (vollkreisig) 108°
68
Mittagsbesteck
Kopiervorlage Formblatt Taschenrechnerverfahren
Bdzt. = ZZ
K
F
d
Datum/Bordzeit
φk
λk
Ah
Gestirn
ha
+ Ib
KA
+ Gb
hb
Chr.
+ Stand
MGZ
δ für 12h
+ Verb.
δ
Grw. Stw. für 12h
+ Zuw. für 17m 20s
+ Verb. bzw. β
Grw. Stw.
+λ
t
sin h = sin φ * sin δ + cos φ * cos δ * cos t
φ (K in 1)
gekoppelte Breite
Mittelbreite
gekoppelte Länge
Kulminationszeit
T
= ______
- λ i.Zt. = ______
MGZ = ______
ZU
= ______
ZZ
= ______
Mittagsbreite:
ha
=__________
Ib
=__________
KA
=__________
Gb
=__________
h0
=__________
z0
=__________
δ
=__________
φb
=__________
Kulm. φk
=__________
φ =__________
12h φk =__________
12h φb =__________
Eintragung ins Logbuch:
Verl. Ort am
φ=
Err. Ort am
φ=
φm =
a=
b=
Mit Koordinatentransformation R > P:
Gesamtdistanz =
Gesamtkurs =
Durchschnittsfahrt =
Kulm.- Deklination
δ f.
h =__________
Unt.: ___
Verb.
δKulm.
=__________
= __________
Zeichnung (unten):
BV =___________
a =___________
l =___________
λk =___________
λb =___________
λ=
λ =___________
l =
δ (K in 2)
t (K in 3)
hb
- hr
h
Abgelesener Wert
ggf. + 360
Azimut (vollkreisig)
69
Fehlergleichungen
Hat man nur eine einzige Standlinie zur Ortsbestimmung zur Verfügung, und ist auch hier mit möglichen Fehlern zu rechnen, so ist es möglich, Fehler oder Veränderungen in der einen Größe durch ihr Verhältnis zu den
übrigen Größen rechnerisch oder zeichnerisch zu bestimmen. Der Vorteil der rechnerischen Lösung liegt darin,
dass alle Ergebnisse in Bogenminuten angezeigt werden, während bei der zeichnerischen Lösung alle Längenwerte umzuwandeln sind.
Wichtig! Die Eingabe der Formelwerte in den Rechner hat stets über die °’ ’’ – Taste zu erfolgen. Beispielsweise wird ein λ von 7 Bogenminuten in folgender Reihenfolge eingegeben: 0 °’ ’’ 7 °’ ’’ . Vorzeichen beachten!
Fall 1:
Die Änderung der Höhe eines Gestirns in einer Zeitminute interessiert vorwiegend bei vorbereiteten und vorausberechneten Höhenwerten, falls aus irgendwelchen Gründen die Beobachtung nicht genau zu dem vorgesehenen
Zeitpunkt erfolgte. Die Formel lautet:
h = 15 * sin Az * cos φ
Fall 2:
Es sei zu errechnen, um wie viel Bogenminuten bei fehlerfreien Werten von φ, h und Az die beobachtete Länge
von λg abweicht. Formel:
λ = h / sin Az * cos φ
In Anlehnung an diese Formel kann man eine ähnliche aufstellen, um eine Korrektur von λ anhand eines bekannten Fehlers in h durchzuführen. Formel:
Verb. λ = (Finh) / sin Az * cos φ
Fall 3:
Man kann „hr“ auch aufgrund von Fehlern in der Chronometerzeit korrigieren. Beispiel: Auf 11° Breite wird
eine Beobachtung mit – wie man nachträglich feststellte - einem Zeitfehler von 48s gemacht. Das Azimut beträgt 102°. Durchführung:
Nach Verwandlung von 48s in Bogenminuten = 12’ (1 Stunde = 15° usw.) lautet die zu verwendende Formel
daraufhin:
(Finh) = 12’ * cos φ * sin Az also 12’ * 0,39 * 0,37 = 11,5’
Kleine Zahlenwerte in der Breite sowie Azimute in der Nähe des 1 . Vertikals bewirken eine rasche Höhenänderung. Diese wird umso langsamer, je größer der Zahlenwert für die Breite ist, und je näher das Azimut an den
Meridian heranrückt.
Fall 4:
Es sei errechnen, um wie viel Bogenminuten eine Längenbestimmung fehlerhaft wird, wenn die zugrunde gelegte Breite (φg) um einen bekannten Betrag von Bogenminuten falsch ist. Die Formel lautet:
Verb. λ = (Finφ) / cos φ * tan Az
Verb. λ wird nun zu λ addiert, wobei auf die Vorzeichen zu achten ist.
Fall 5:
Hier geht es darum, um wie viel Bogenminuten eine Breitenbestimmung verbessert werden muß, wenn die
zugrunde gelegte Länge (λg) um einen bekannten Betrag in Bogenminuten falsch ist. Die Formel lautet:
Verb. φ = (Finλ) * tan Az * cos φ
Und mit gleichem Ziel
Fall 6:
wenn die zugrunde gelegte Höhe um einen bekannten Betrag in Bogenminuten falsch ist. Diese Formel lautet:
Verb. φ = (Finh) / cos φ
In den beiden letzten Fällen, Fall 5 und 6, wird in gleichem Sinne weiter gerechnet wie oben beschrieben, indem
man Verb. φ algebraisch φ zuaddiert und dadurch φ1 erhält.
70
Die Amplitude
Betrachtet man einmal wieder die Azimut-Formel (1):
sin δ = sin φ * sin h + cos φ * cos h * cos Az,
erkennt man, dass sie für den Fall h = 0 sehr einfach wird:
nämlich sin h ist dann = 0 und cos h = 1.
Dadurch vereinfacht sich die Formel zu
sin δ = cos φ * cos Az. Umgesetzt erhält man:
cos Az = sin δ / cos φ
(sin δ / cos φ) arc cos = Az (halbkreisig)
Astronomisch gesehen bedeutet h = 0, das Gestirn geht
auf oder unter. Dieses Ereignis kann man aber genau
genommen nur bei der Sonne beobachten. Wegen der
gerade in Horizontnähe großen Refraktion ist die Sonne
noch vollständig zu sehen, wenn h = 0 ist, ihr Unterrand
ist sogar noch um 2/3 ihres Durchmessers von der Kimm
entfernt.
Das Azimut in diesem Augenblick ist abhängig von der
Breite des Beobachtungsortes und der Abweichung der
Sonne, wie man es an der oben angezeigten Formel ablesen kann. Seine Berechnung kann entweder mit den
NT 34 vorgenommen werden oder man löst die Formel mit dem Taschenrechner auf. Das von ihm angezeigte
Resultat zählt halbkreisig von Nord aus beim Aufgang nach rechts über Ost und beim Untergang nach links über
West. Man benutzt diese so einfach zu bestimmende rechtweisende Richtung gerne zu Kompasskontrolle.
(Schema: Beim Aufgang: Amplitude = Az halbkrsg., beim Untergang: Amplitude = 360° - Az halbkrsg.)
Die Zeit des wahren Sonnen-Auf-/Unterganges
Besteht Interesse, die Zeit des wahren Sonnen-Auf- oder –unterganges vorausschauend zu erfahren, so ist zunächst der halbe Tagbogen zu berechnen. Er stellt die Zeitspanne „t“ zwischen der Kulminationszeit (T) und der
Auf- bzw. Untergangszeit der Sonne dar. Diese ist ebenso wie die Amplitude abhängig von der Breite des Beobachtungsortes und der Abweichung der Sonne.
Man errechnet diese entweder nach der NT 33 oder mit dem Taschenrechner nach der Formel:
-tan φ * tan δ = cos t
abgeleitet aus der Azimutformel (2).
Da das Ergebnis im Bogenmaß angezeigt wird, ist es, um das Zeitmaß zu erhalten, durch 15 zu dividieren und
dann in sexagesimaler Schreibweise abzulesen. Entsprechend rechnet man:
(-tan φ * tan δ) arc cos : 15 = t im Zeitmaß
t wird an die Kulminationszeit der Sonne in ZZ, die wie bei der Mittagsbreite gerechnet wird, algebraisch angebracht – beim Untergang addiert, beim Aufgang von ihr subtrahiert – um die Auf-/ Untergangszeiten in ZZ zu
erhalten.
71
Unterschied zwischen dem sichtbaren und dem wahren Auf-/Untergang der Sonne
Will man schließlich noch den Zeitpunkt des sichtbaren (scheinbaren) Auf-/ Untergangs der Sonne wissen, verfährt man zur Ermittlung des erweiterten Tagbogens folgendermaßen:
T ist der Tagbogen, mit dem im vorangegangenem Abschnitt der wahre Sonnen- Auf-/Untergang errechnet wurde. Bei dieser Berechnung war die Höhe der Sonne logischerweise gleich Null.
Da in Horizontnähe eine relativ große Strahlenbrechung stattfindet, steht die Sonne, wenn sie optisch bereits
bzw. noch wahrnehmbar ist, unter dem Horizont. Für diesen sichtbaren Sonnen – Auf-/Untergang wird nun ein
erweiterter Tagbogen errechnet, mit dem sich eine Zeit ermitteln lässt, zu welcher der Oberrand der Sonne beim
Aufgang gerade sichtbar über der Kimm aufsteigt und beim Untergang gerade sichtbar unter der Kimm verschwindet. Diesen erweiterten Tagbogen nennen wir „ts“. Er bezieht sich auf eine Stellung der Sonne, in der sich
ihr Mittelpunkt 51’ und ihr Oberrand 35’ unterhalb des Horizonts noch oder schon befinden, hervorgerufen
durch die relativ große Strahlenbrechung in Horizontnähe. Dieser konstante negative Wert von h = -51’ ist noch
um den Betrag der Kimmtiefe in Bogenminuten zu erweitern, der wiederum von der jeweiligen Augeshöhe Ah
abhängig ist.
Zu offiziellen Anlässen – wie Flaggenparade u.ä. – rechnet man weltweit mit 8 m Ah. Mit dieser Augeshöhe ist
auch NT 36 errechnet.
Die Formel für den erweiterten Tagbogen lautet nun in Anlehnung an die Azimutformel (2):
(Vorzeichen von „h“ beachten, z.B. bei Ah = 8 m ist h = - 56’ – auch hier: in Grad und Minuten eingeben!)
Wurde ts errechnet, bringt man ihn algebraisch an T an, wie im vorherigen Abschnitt beschrieben.
72
Die Nordsternbreite
Ein weiteres Verfahren, die Breite φ zu bestimmen, folgt aus der Beobachtung des Nord- oder Polarsterns. Er
steht in der Nähe des nördlichen Himmelspols, seine Abweichung beträgt etwa 90°.
Nun ist, wie wir sahen, die Polhöhe gleich der geographischen Breite des Beobachtungsortes, deshalb entspricht
die Höhe des Nordsterns mit einer Genauigkeit von einem Grad der Breite des Standortes. Ganz ähnlich verhält
es sich mit dem Azimut. Es ist im Mittel 0°, kann aber in Äquatornähe bis 1°, auf 60° Nordbreite bis 2°, am
Nordpol schließlich bis 180° davon abweichen. In nicht zu hohen Breiten kann man demnach mit Hilfe des
Nordsterns die Nordrichtung ungefähr festlegen.
Natürlich lässt sich aus der Beobachtung des Nordsterns in der üblichen Weise eine Standlinie konstruieren.
Aber auch ohne diese Formeln kann man durch einfache Rechnung die tatsächliche Breite und das genaue Azimut bestimmen. Dazu enthält das Nautische Jahrbuch jährlich sich geringfügig ändernde Korrekturgrößen, 1., 2.
und 3. Berichtigung genannt, die man entsprechenden Tabellen mit Hilfe des Ortsstundenwinkels des Frühlingspunktes, der gegißten Breite (≈ Nordsternhöhe) und des Datums entnimmt. Mit diesen Größen beschickt man die
tatsächlich gemessene Höhe auf die Polhöhe und bekommt damit den Wert der wahren Breite.
Man findet die Berichtigungen im Jahrbuch in Tafeln, die unter der Überschrift „Nordstern“ zusammengefasst
sind. Ihr Gebrauch ist aus der Anordnung ersichtlich; auch liefern die Erklärungen des Jahrbuchs entsprechende
Hinweise. Wir wollen uns merken, dass von den drei angegebenen Berichtigungen im allgemeinen die erste
bereits genügt. Erst bei sehr hohen Ansprüchen an die Genauigkeit wird man alle drei berücksichtigen müssen.
Man kann mit Hilfe einer besonderen Tafel in Abhängigkeit vom Ortsstundenwinkel des Frühlingspunktes, den
man ja schon für die Entnahme der Berichtigungen gebraucht, auch das Azimut des Nordsterns bestimmen und
außerdem, etwa zur Sicherstellung rechtzeitiger Beobachtung in der Abenddämmerung, für einen angenommenen Schiffsort die zu erwartende Höhe des Gestirns auf einige Minuten genau herausnehmen.
Beispiel:
Vor der nordnorwegischen Küste auf ϕg = 68°09,5’N λg = 13°12,9’E beobachtet man am 9. März 1973 um
16-32-39 MEZ den Nordstern:
* = 69°04’, Ib = - 1,2’, Ah = 11 m Auf welcher Breite steht man?
Zunächst wird in üblicher Weise der Ortstundenwinkel des Frühlingspunktes berechnet:
Chr.
Stand
MGZ
= 15-23-12
= + 09-27
= 15-32-39
GHA  15h
= 32°09,5’
Zuw. f. 32m 39s = 08°11,1’
GHA 
= 40°20,6’
λ
= + 13°12,9’
t
= 53°33,5’
ϕb
ϕk
Δϕ
ha
Ib
KA
Gb
hb
I. Ber.
II. Ber.
III. Ber.
ϕb
=
=
=
=
=
=
=
=
=
69°04,0’
- 1,2’
69°02,8’
- 06,3’
68°56,5’
- 47,9’
0,0’
+ 0,6’
68°09,2’ N
= 68°09,2’ N
= 68°09,5’ N
= - 0,3’ S
Dieses Verfahren kann selbstverständlich nur auf Nordbreite angewandt werden, da ja nur dort der nördliche
Himmelspol mit dem benachbarten Nordstern zu sehen ist. In der Nähe des südlichen Himmelspols steht kein
auffallender Fixstern.
73
Die logarithmische Methode
Rechnen mit dekadischen Logarithmen (auch Brigg’sche Logarithmen, nach Briggs um 1600)
Multiplizieren, Dividieren, Potenzieren und Wurzelziehen sind rechnerische Operationen, die meist schwieriger
durchzuführen sind als Addieren und Subtrahieren, besonders dann, wenn es sich um mehrstellige Zahlen handelt. Ein vordringlicher Bedarf an solchen Operationen entstand im 16. Jahrhundert durch die Entwicklung der
Seefahrt, hervorgerufen durch die Vervollkommnung der astronomischen Beobachtungen und Berechnungen. Im
Zusammenhang mit ihnen entstand auch an der Wende zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert die logarithmische
Rechenmethode – die Logarithmenrechnung.
Der Wert des Logarithmenrechnens besteht darin, dass man die Multiplikation und Division von Zahlen auf eine
Addition oder eine Subtraktion zurückführen kann, also auf Operationen, die weniger kompliziert sind. Auch das
Potenzieren, das Wurzelziehen und vor allem im nautisch-astronomischen Bereich die Durchführung trigonometrischer Rechnungen lassen sich durch das Logarithmieren beträchtlich vereinfachen.
Logarithmen:
Man kann 2*2*2 auch 2³ und 10*10 auch 10² schreiben. Im Ausdruck 2³ nennt man „³“ den Exponenten oder die
Hochzahl der Basis oder Grundzahl oder des Numerus „2“; entsprechend ist im Ausdruck 10² jetzt „²“ der Exponent, „10“ die Basis.
Der Exponent gibt also an, wie oft die Basis mit sich selbst multipliziert werden soll. Den mathematischen Ausdruck, bestehend aus einer Basis und einem Exponenten, nennt man eine Potenz.
Da nun z.B. 2² * 24 = 4 * 16 = 64 = 26 oder 3³ : 3² = 27 : 9 = 3 = 31 oder
10³ * 105 = 1000 * 100 000 = 100 000 000 = 108 ist, leuchtet folgende Regel ein:
Potenzen der gleichen Basis werden multipliziert, indem man die Basis mit der Summe der Exponenten potenziert; sie werden dividiert, indem man die Basis mit der Differenz der Exponenten potenziert.
Also: ax * ay = ax+y und ax : ay = ax-y
Wenn man nun: x = 0 und y = 1 setzt, kann man folgern: a0 : a1 = a0-1 = a-1 und,
da man sinnvollerweise a0 = 1 für jeden Wert von a festgesetzt hat: 1 : a1 = a-1
Es werden jetzt Potenzen mit der Basis 10 betrachtet:
Es ist: 100 = 1, 101 = 10, 10² = 100 ………………. 106 = 1 000 000 usw.
Nach dem Gesagten muß man wohl z.B. die Zahl „2“ durch eine Potenz 10x und etwa die Zahl „63“ durch
eine Potenz 10y ausdrücken können, wobei nach der obigen Aufstellung x zwischen 0 und 1, y zwischen 1 und 2
liegen müssen. Man muß dann schreiben können:
2 * 63 = 10x * 10y = 10x+y, wenn nun x+y = z gesetzt wird, dann ist 10z = 126, da ja ebenfalls 2 * 63 = 126 ist
(trivial!).
Entsprechend nennen wir jetzt:
x = lg 2 (lg 2 bedeutet Logarithmus von 2)
y = lg 63
z = lg 126. Das kann man auch so formulieren:
Der Logarithmus einer Zahl ist der Exponent einer Zehnerpotenz (Basis 10), deren Wert eben diese Zahl ergibt.
Die Logarithmen sind in Tabellen (siehe N.T.: „Logarithmen der Zahlen“) in Abhängigkeit von ihren Zahlen
fünfstellig angegeben, was für unsere Zwecke eine sehr hohe Rechengenauigkeit erlaubt.
Nach diesen Tabellen oder auch Tafeln kann man unser Beispiel
2 * 63 = 126 auch anders rechnen:
lg 2 + lg 63 = lg 126, da ja x + y = z war.
Aus der Multiplikationsaufgabe zweier Zahlen ist damit eine Additionsaufgabe ihrer Logarithmen geworden! In
unserem Beispiel ist damit noch nicht viel gewonnen; es ist aber etwas anderes, wenn man komplizierte Multiplikationen vornehmen muß, wie es uns nicht erspart bleiben wird.
So wie die Multiplikation lässt sich auch u.a. die Division und die Potenzrechnung logarithmisch einfacher
durchführen bzw. berechnen.
Fassen wir diese Rechenregeln einmal zusammen:
Regel 1: der Logarithmus eines Produkts ist gleich der Summe der Logarithmen der Faktoren.
Man setze also a * b = c und rechne lg a + lg b = lg c
Regel 2: der Logarithmus eines Quotienten ist gleich dem Logarithmus des Dividenden weniger dem des Divisors.
Man setze also a : b = d und rechne lg a – lg b = lg d
74
Regel 3: der Logarithmus einer Potenz ist gleich dem Produkt aus dem Exponenten dieser Potenz und dem Logarithmus der Basis.
Man setze also an = e und rechne n * lg a = lg e
Beispiel:
Setze a = 1,71; n = x; 2 = 125; dann ist
x * lg 1,71 = lg 125 und x = lg 125 / lg 1,71
Rechnung:
lg 125
= 2,09691
lg = 10,32158 -10 (um 10 erhöht, um subtrahieren zu können)
lg 1/1,71 = 0,23300
lg = 9,36735 -10
lg = 0,95423
x ≈ 9 (genau 8,9997)
Regel 4: der Logarithmus einer Wurzel ist gleich dem Quotienten aus dem Logarithmus des Radikanten und dem
Exponenten der Wurzel.
Man setze also
und rechne
Und weiter (lg a) : n = lg f
Rechnung:
lg = 8,50106 - 10 (:3
lg = 28,50106 - 30 (:3 mit 20 erweitert
lg = 9,50035 - 10
f = 0,3165
Warnung für diese Regeln: der Logarithmus einer Summe ist nicht gleich der Summe der Logarithmen! Man
darf statt lg (a + b) nicht lg a + lg b schreiben. Dies ist ein häufig begangener Fehler!
Es scheint nun, als ob man ein sehr umfangreiches Tafelwerk zur Verfügung haben müsste, wollte man von allen
(positiven) Zahlen die Logarithmen tabelliert wissen (für negative Zahlen gibt es keine Logarithmen). Der Aufwand ist jedoch geringer und das Tabellieren einfacher, als es zunächst scheint.
Wir betrachten wieder die oben niedergeschriebenen Potenzen mit der Basis 10:
Der Logarithmus von 10 ist offensichtlich 1, denn 101 ist 10. Kenne ich nun den Logarithmus irgendeiner Zahl,
ist mir damit auch der Logarithmus ihres 10-, 100- oder auch etwa 10 000-fachen Wertes bekannt: er muß um 1,
2 oder 4 größer sein als der ursprüngliche! Außerdem müssen nach dem Gesagten die Logarithmen der Zahlen
zwischen 1 und 10 zwischen 0 und 1 liegen.
Nachdem wir das noch einmal anhand der aufgestellten Werte der Zehnerpotenzen überprüft haben, erkennen
wir die Richtigkeit nachstehender Aufstellung als Beispiel:
lg 3,5
= 0,54407
lg 35
= 1,54407
lg 35 000 = 4,54407
lg 0,35
= 9,54407 (-10)
lg 0,0035 = 7,54407 (-10)
Allen diesen Logarithmen ist, jedenfalls bei bestimmter zweckmäßiger Schreibweise, die Ziffernfolge 54407
gemeinsam: sie heißt die „Mantisse“ des Logarithmus. Diese Mantissen sind in Abhängigkeit von der Ziffernfolge der Grundzahl tabelliert.
Die Zahl vor dem Komma des Logarithmus und in den letzten beiden Fällen unseres Beispiels die angehängte
„-10“ heißen Kennziffer des Logarithmus. Sie ist abhängig vom Stellenwert der Grundzahl und muß vom Rechnenden selbst bestimmt werden. Dafür gilt folgende Regel:
Ist die Grundzahl größer als 1 oder gleich 1, so ist die Kennziffer um eins kleiner als die Anzahl der
Stellen links vom Komma.
Ist die Grundzahl kleiner als 1, erhält man die Kennziffer, indem man die Anzahl der links stehenden
Nullen – die Null vor dem Komma mitgezählt – von 10 subtrahiert und zum Schluß –10 anhängt
Beispiel: lg 0,0000035 = 4,54407 -10
(Wird eine Grundzahl unter 1 - wie in dem Beispiel eben - der Logarithmus mit dem Taschenrechner ermittelt,
so erscheint auf der Anzeige der negative Logarithmus
–5,45593.
Hier ist die 10 zu addieren
+1
.
und an die Anzeige
4,54407 -10 anzuhängen.
75
Will man im umgekehrten Sinne aus einem Logarithmus die dazugehörige Grundzahl bestimmen, so liefert die
Logarithmentafel aus der Mantisse deren Ziffernfolge! Den Stellenwert muß man sich in Umkehrung der zuvor
genannten Regeln selbst bestimmen:
lg x = 5,54407 also ist x = 350 000 und lg y = 8,54407 -10 also ist y = 0,035.
Diese Betrachtungen wollen wir mit einigen Hinweisen abschließen:
Da es keine Logarithmen für negative Grundzahlen gibt, rechnet man hier wie mit positiven Zahlen und berücksichtigt das negative Vorzeichen am Schluß der durchgeführten Rechnung.
In den Nautischen Tafeln sind die „Logarithmen der trigonometrischen Funktionen“ in gesonderten Tafeln erfasst. Das Besondere an ihnen ist, dass hier die Kennziffer bereits jeweils mit enthalten und der Rechnende von
der Ermittlung des Stellenwertes entlastet ist. Bei den Logarithmen von Sinus- und Cosinuswerten muß - gedanklich – immer „–10“ angehängt werden, da deren Numeri den Wert 1 ja nicht übersteigen. Überhaupt lässt
man dann, wenn Verwechslungen ausgeschlossen sind, aus Gründen der Bequemlichkeit oder zwecks Vereinfachung das angehängte „-10“ einfach weg.
Nehmen wir nach den Nautischen Tafeln gleich einmal eine Überprüfung der vorangegangenen Ausführung vor:
„Logarithmen der Zahlen“:
Aus
a = 67,823
folgt
b = 7839,5
c = 3,7982
d = 0,012569
e = 1,6796236
lg a = 1,83138 Aus
lg b = 3,89429
lg c = 0,57957
lg d = 8,09930 -10
lg e = 0,22521
„Logarithmen der trigonometrischen Funktionen“:
Aus
α = 16°17,6’ folgt
lg cos α = 9,98220 -10
δ = 77°53,6’
lg sin δ = 9,99023 -10
lg f = 6,23798 folgt
lg g = 2,46827
lg h = 0,63281
lg i = 8,69966 -10
lg j = 3,45454 -10
f = 1 729 657
g = 293,95
h = 4,29348
i = 0,05008
j = 0,0000002848
lg cos β = 9,66666 -10
lg sin ϕ = 8,93521 -10
folgt
β = 62°20,7’
ϕ = 4°56,5’
Ableitung der Formeln für die Berechnung der Höhe mit den „Nautischen Tafeln“
In Fortsetzung der Ableitung der „Höhenformel“ knüpfen wir an die Formel (3)
sin h = sin ϕ * sin δ + cos ϕ * cos δ * cos t an, es wird weiter abgeleitet:
(3)
Aus der trigonometrischen Formelsammlung (vom Anfang dieses Leitfadens) kennen wir
sem α = (1 – cos α) / 2 und daher ist auch cos α = 1 – 2 sem α
(4)
Ersetzt man auf diese Weise in der Formel (2)
cos z = sin ϕ * sin δ + cos ϕ * cos δ * cos t das „cos t“, so erhält man
cos z = sin ϕ * sin δ + cos ϕ * cos δ * (1 – 2 * sem t) oder
cos z = sin ϕ * sin δ + cos ϕ * cos δ - 2 cos ϕ * cos δ * sem t
(5)
Nun gilt ganz allgemein, ohne dass wir es hier beweisen wollen
cos (α - β) = cos α * cos β + sin α * sin β und danach wäre
(6)
cos ϕ * cos δ + sin ϕ * sin δ = cos (ϕ - δ) = cos z0
(7)
Damit kann man (5) umschreiben in
cos z = cos z0 – 2 cos ϕ *cos δ * sem t
cos z und cos z0 werden nun nach (4) ersetzt:
1 – sem z = 1 – 2 sem z0 – 2 cos ϕ * cos δ * sem t
(9)
worin sich die 1 der einen gegen die 1 der anderen Seite aufhebt. Dividiert man den Rest durch (-2), so erhält
man: sem z = sem z0 + cos ϕ * cosδ * sem t
(10)
Nun hat man festgesetzt, ohne dass es eine tiefere Bedeutung hätte:
cos ϕ * cos δ * sem t soll sein = sem y Dies in (10) eingesetzt ergibt die endgültige Formel:
(11)
sem z = sem z0 + sem y
(12)
wobei zu vermerken ist, daß in dieser Rechnung „z0“ lediglich der unbekannte Unterschied zwischen den absoluten Werten von ϕ und δ ist, deren Zahlenwerte bei gleichnamigen Zeichen subtrahiert und bei ungleichnamigen addiert werden.
76
An den nachstehenden Rechen-Beispielen erkennen wir auch das Rechenschema:
Die 3 Größen ϕ, δ und t seien vorher bereits – wie bisher – bestimmt worden. Die fünfstelligen Logarithmen
sind der „Tafel zur Berechnung der Höhe“ (N.T. 17). Ist t > 90°, so ist sein lg sem t der besonderen Tafel „Logarithmen der Semiversus stumpfer Winkel“ (N.T. 18) zu entnehmen.
ϕ = 48°32,0’ N
δ = 16°43,4’ N
t = 38°27,6’ W
y
y >>>
z0 = 31°48,6’
zr
zr = 44°35,2’
hr = 45°24,8’
1
lg cos = 9,82098
lg cos = 9,98123
lg sem = 9,03535
lg sem = 8,83756
sem = 0,06880
sem = 0,07510
sem = 0,14390
<<<
<<<
ϕ = 33°16,0’ N
δ = 13°56,7’ S
t = 43°16,3’ E
y
y >>>
z0 = 47°12,7’
zr
zr = 62°41,9’
hr = 27°18,1’
2
lg cos = 9,92227
lg cos = 9,98701
lg sem = 9,13336
lg sem = 9,04264
sem = 0,11031
sem = 0,16036
sem = 0,27067
<<<
<<<
Die Summen müssten eigentlich 28,…-30 bzw. 29,….-30 heißen, da ja den Tafelwerten für lg cos ϕ, lg cos δ
und lg sem t jeweils -10 angehängt werden müsste; da man aber z.B. 28,…..-30 auch 8,…..-10 schreiben kann,
vermindert man eben die Kennziffer vor und hinter dem Komma jeweils um 20 und lässt den dann noch nötigen
Anhang –10 wieder weg. Da Verwechslungen ausgeschlossen sind, verfährt man bei der Berechnung der Höhe
immer so!
Ableitung der „Azimutformel“ für die Berechnung des Azimuts mir den „Nautischen Tafeln“
Wir schließen an die bereits bekannte Formel (12) an
Hieraus wird abgeleitet:
und
formen wir weiter um
(13)
Multipliziert man die letzte Gleichung mit
so erhält man:
cot Az * sec ϕ = - tan ϕ * cot t + tan δ * cosec t , da
und stellt die Summanden der rechten Seite um,
Die Formel (14) liegt den „ABC-Tafeln“ (NT 19) zugrunde. Denn, wenn man setzt
- tan ϕ * cot t = A, tan δ * cosec t = B und cot Az * sec ϕ = C, gilt daher offensichtlich
(14)
A+B=C
Bezüglich der Anwendung der ABC-Tafeln (NT 19) wird auf die Erläuterungen in den NT verwiesen.
77
Beispiel für eine Höhenberechnung nach der sem-Formel
Datum/Bordzeit
20.11.73 / 06-23
φk
47°55’ N
Breite des Koppelsorts
λk
25°50’ W
Länge des Koppelorts
Ah
12 m
Augeshöhe
Gestirn
Saturn
ha
31°06,3’
Sextantenablesung
+ Ib
-4,6’
Indexberichtigung
KA
31°01,7’
+ Gb
HP: 0,0
aus NJ, bei Fixstern Nr., Mond & Planet HP
Kimmabstand
+ 7,8’
Gesamtberichtigung (aus NJ)
hb
31°09,5’
Beobachtete („wahre“) Höhe
Chr.
08-33-28
Abgelesene Zeit an der Beobachtungsuhr
+ Stand
+ 04
MGZ
δ für
08-33-28
h
Mittlere Greenwich Zeit
22°18,1’
+ Verb.
Unt.: 0,0
-
δ
h
m
für 33 28
85°11,1’
s
+ Verb. bzw. β
Deklination zur Beobachtungszeit
Unt.: 2,6’
8°22,0’
+ 1,4’
Grw. Stw.
aus NJ Tagesseite
aus NJ Schalttafel (für Fixsterne nicht nötig)
22°18,1’
Grw. Stw. für 08
+ Zuw.
Berichtigung der Uhrzeit (aus Zeitvergleich)
93°34,5’
aus NJ Tagesseite (volle Stunde)
aus NJ Schalttafel
aus NJ Schalttafel (Verb. bei Mond, Planet)
Grw. Stw. zur Beobachtungszeit
+λ
- 25°50,0’
gegißte Länge (Vorzeichen beachten!)
t
67°44,5’
Ortstundenwinkel des Gestirns
lg sem t
67°44,5’
9,49221
lg cos φ
N 47°55’
9,82621
lg cos δ
N 22°18,1’
9,96624
aus N.T. zur Berechnung der Höhe
lg sem y
9,28466
Summe der 3 Vorzeilen
>>> sem y
0,19260
aus Vorzeile mit Hilfe N.T.
+ sem z0
25°36,9’
0,04914
aus N.T.
zr / sem zr
58°54,1’
0,24174
Summe beider Vorzeilen
hr
31°05,9’
Komplement zu zr
hb
31°09,5’
s.o.
Δh
+ 3,6’ (hin)
A
- 0,46
B
+ 0,46
C
0,00
Az
N 90° W
Azimut (vollkreisig)
270°
Algebraische Differenz beider Vorzeilen
Aus N.T. mit ϕ bzw. δ und t
Algebraische Summe beider Vorzeilen
Aus N.T. mit C und ϕ
Vollkreisige Umwandlung der Vorzeile
78
Einiges über das Verfahren nach H.O.Pub.No.249
Begriffe und Abkürzungen:
H.O.Pub.No.249
= Hydrophic Office Publication No. 249
same name
= gleichnamig
contrary name
= ungleichnamig
GHA
= Greenwich-Hour-Angle
LHA
= Local-Hour-Angle (t)
Hc
= computed altitude
Z
= halbkreisiges Azimut
Zn
= (vollkreisiges) Azimut
D.R. position
= Dead reckoning (estimated) = gegißt Og
latitude
=
ϕg
longitude
=
λg
Bλ
Bezugs-Länge (das ist die um Minutenbeträge berichtigte λg, die zum vollen Gradwert von t führt. Die Berichtigung übersteigt nicht 30’)
Bϕ
Bezugsbreite (das ist die vollgradige Breite, die die nächstgelegende zu ϕg ist. Der
Unterschied übersteigt nicht 30’
B.O.
Bezugsort, der sich aus Bϕ und Bλ ergibt. Er stellt den Mittelpunkt der Höhengleiche
dar, der bei den bisherigen Rechenmethoden Og war.
Zum Thema:
Dies Methode lässt sich, nachdem man die vorangegangenen Verfahren kennt und damit ein gut fundiertes Wissen über die Zusammenhänge und Vorgänge in der astronomischen Navigation verfügt, leicht selbst erlernen.
Wir wollen hier auf die Anschaffung des 3-bändigen Tafelwerks und der dann auch nötigen Plottingsheets verzichten.
So sollen diese Ausführungen, die sich auf bereits vorhandene Kenntnisse und Hilfsmittel stützen, auch nicht
mehr als eine kleine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache sein, wenn die H.O.249 einmal zur Hand genommen wird, um mit ihr aktiv zu arbeiten. Die englische Gebrauchsanweisung, die den Tafeln voransteht, ist
zum Teil schwer verständlich, weil sie sich mehr auf die Belange der Luftfahrt bezieht.
Das Tafelwerk besteht aus drei Bänden (Volumes). Davon besteht Volume 1 aus Tafeln zum Beobachten von
Fixsternen in der Dämmerung mit jeweils vorausberechneter Höhe und Azimut für jeden der aufgeführten sieben
Sterne. Dieser Band liefert eine beachtlich vereinfachte Methode und dient zugleich als Sternfinder.
Apropos Vereinfachung: keine Rechenmethode nimmt es uns bis heute ab, zuvor die drei Konstruktionsteile des
nautisch-sphärischen Grunddreiecks zu erkoppeln, den nautischen Jahrbüchern und Almanacs zu entnehmen und
insbesondere den Ortsstundenwinkel des betreffenden Gestirns oder den des Frühlingspunktes zu berechnen.
Daher kann man die H.O.249 auch erst dann benutzen, wenn diese Arbeit getan ist, und ϕ, δ und t hinreichend
bekannt sind.
Wir wollen uns zunächst mit Volume 2 und 3 befassen, wobei wir feststellen, dass Volume 3 nir die Fortsetzung
von Volume 2 ist. Vol. 2 bietet den Breitenbereich von 0° - 39° Nord oder Süd und Vol. 3 den von 40° - 89°
Breite für Gestirne mit einer Deklination von 0° - 29°, worunter Sonne, Mond und die Planeten, soweit sie in den
Jahrbüchern aufgenommen sind, fallen.
Im einzelnen ist zu ϕ, δ und t folgendes zu bemerken:
Breite ϕ: In den Tafeln sind als Bezugsbreiten nur volle Breitengrade aufgeführt, um den Umfang der Tafeln
gering zu halten. Für jeden vollen Breitengrad gibt es mehrere Seiten, für unsere Breiten sind es jeweils acht, die
umfangreichste Seitenzahl.
Abweichung δ: Sie ist in den Tafeln als Eingang in der oberen und unteren Horizontalspalte von Grad zu Grad
aufgeführt – und zwar auf zwei Seiten, eine vom Abweichungsparallel 0° - 14°, die zweite Seite von 15° - 29°.
Das wiederholt sich 2, 3 oder 4-mal innerhalb des Querschnitts jeder Breite (4, 6 oder 8 Seiten).
Stundenwinkel t (LHA) sind in den vertikalen Eingangsspalten enthalten. Sie sind von Grad zu Grad (ab 70°
Breite und höher von 2 zu 2 Grad) aufgeführt. In der linken Vertikaleingangsspalte finden wir die LHA von 0° 180°, soweit sie die Möglichkeit zur Messung positiver Höhen geben, und zwar, in der Reihenfolge von oben
nach unten, wenn ϕ und δ gleichnamig (same name), und von unten nach oben, wenn ϕ und δ ungleichnamig
(contrary name) sind. Entsprechend sind in der rechten vertikalen Eingangsspalte dien LHA von 180° - 360°
(oder geringer), jedoch in umgekehrter Reihenfolge wie links aufgeführt. In jedem Falle findet man aber in der
linken Spalte die tw, in der rechten die tö.
79
Die Berechnung von t (LHA) erfolgt bis zu Grw. t in der gewohnten Weise. Um einen vollen Grad als t zu erhalten (denn nur mit ihm können wir in der Tafel Eingang finden), ist es notwendig, bei der Addition von
Grw. t und λg letztere in das sogenannte Bλ zu verändern.
2 Beispiele zum Verständnis:
Sonne am 09.03.1973
14-33-26 MGZ auf
λ = 32°36’ E
Mond am 13.02.1972
17-32-19 MGZ auf
λ = 109°13,2’ W
Grw.Stw.f.15h
Zuw.f. 33m 26s
Grw. t
Bλ !!! (E)
t (LHA)
= 42°22,3’
= + 8°21,5’
= 50°43,8’
= +32°16,2’ !!!
= 83°00,0’
Grw.Stw.f.17h
Zuw.f. 32m 19s
Verb.
Grw. t
= 88°25,1’
= + 7°42,7’
= +
5,0’
= 96°12,8’
+ 360°00,0’
456°12,8’
=- 109°12,8’
= 347°00,0’
Bλ !!! (W)
t (LHA)
Im ersten Beispiel gehen wir mit dem LHA = 83° in die linke Vertikalspalte, im zweiten Fall mit LHA = 347° in
die rechte Spalte.
Wir können also bisher feststellen: Mit dem Eingang eines vollen Grades von δ in die Horizontalspalte und dem
Eingang eines vollen Grades von LHA in die Vertikalspalte erhalten wir, welche Tafel wir immer aufschlagen,
im Schnittpunkt beider Spalten ein Hc, ein Z und zwischen beiden noch einen Betrag d (difference), deren Vorzeichen sorgfältig zu beachten sind. Wir kommen darauf zurück.
Da wir nun schon am λg manipuliert haben, um Bλ zu bekommen, ist es, da ϕ in den Tafeln auch nur in vollen
Graden aufzufinden ist, nicht zu umgehen, einen solchen vollen Breitengrad als Bϕ anzuerkennen. Wir bestimmen die ϕg am nächsten gelegene volle Breite zu unseren Bϕ. Logischerweise darf sie auch 30’nicht überschreiten. Die Bϕ steht in großer Beschriftung rechts oberhalb und neben der Tafel.
Wir haben jetzt einen Bezugsort (B.O.). Dieser wird – genau wie der Og – auf dem Plottingsheet (oder Rechenpapier) eingetragen. Von ihm, dem B.O., den wir nun als den Mittelpunkt der Höhengleiche anzusehen haben,
tragen wir das jeweilige Azimut ab, das sich aus der Tafel ergibt, und die Standlinie im Abstand des Δh vom
B.O. aus. Damit wird aber auch klar, dass eine Bλ und damit ein B.O. nur für eine einzige Höhenmessung gelten
kann, da bei jeder weiteren Beobachtung sich Bλ gleichzeitig mit Grw. t ändern muß. Dagegen wird sich in den
meisten Fällen dann, wenn mehrere Höhenmessungen kurz aufeinander gemacht werden, Bϕ kaum zu ändern
brauchen.
Einer Größe gilt noch unsere Aufmerksamkeit:
Die Deklination δ: Wir sind mit dem vollen Gradwert zwar in die Tafeln eingegangen und haben dabei den
Minutenwert noch nicht berücksichtigt. Hier kommen wir ohne eine Hilfstafel nicht weiter. Es ist die Tafel 5, die
als lose Beilage (Lesezeichen) stets zur Hand ist, aber im hinteren Teil des Bandes auch noch in der Tafelreihenfolge miteingebunden ist. Die Kopfleiste dieser Tafel enthält die Werte d, die, wie oben erwähnt, zusammen mit
Hc und Z beim Aufsuchen dieser Größen mit anfallen. Die Vertikal-Eingangsleiste enthält die noch nicht berücksichtigten Minuten von δ. Im Schnittpunkt beider Eingänge der Tafel finden wir nun den Berichtigungswert,
der an Hc mit dem vorgeschriebenen Vorzeichen angebracht werden muß, um die uns bereits bekannte Größe hr
zu erhalten.
Z = halbkreisiges Azimut braucht nicht weiter berichtigt zu werden. Es ist aber in das vollkreisige Azimut nach
den Regeln, die für Nordbreite links über der Tafel und für die Südbreite links unter ihr ihren Platz haben, umzuwandeln.
Beispiel: Auf ϕ = 54°43’ N, λ = 43°19’ W wird die Sonne ( = 31°33,0’, Ah = 10 m, Ib = + 5’) beobachtet;
dem nautischen Jahrbuch haben wir ein δ von 17°34’ N entnommen und ein Grw. t = 343°06’ errechnet.
Die Bezugsbreite ist 55°. Reihenfolge der Arbeitsgänge:
Aufschlagen der Tafeln 55° mit der Überschrift „Declination same name“
Errechnen von Bλ
Grw. t = 343°06’
Bλ
= 43°06’ (W)
t (LHA) = 300°
80
-
-
Aufsuchen in der Horizontaleingangsspalte δ = 17°
Aufsuchen in der Vertikaleingangsspalte rechts LHA = 300°
Entnahme im Schnittpunkt der Werte: Hc = 30°55’, d = + 49, Z = 105°
Aufsuchen in Tafel 5: Horizontaleingangsspalte d = 49 und in der Vertikaleingangsspalte 34’
Entnahme im Schnittpunkt 28’ und unter Berücksichtigung des vorgeschriebenen Vorzeichens + 28’
Berichtigung von Hc = 30°55’
nach Tafel 5 um
+ 28’
hr = 31°23’
Umwandlung von Z (halbkreisiges Azimut) = 105° in Zn (vollkreisiges Azimut) = 105° nach Regel
links oben über der Tafel: „LHA greater than 180°…….. Zn = Z“
Berechnung von hb nach dem erlernten Verfahren:

Ib
KA
Gb
hb
hr
Δh
-
= 31°33,0’
= + 5,0’
= 31°38,0’
= + 9,0’
= 31°47,0’
= 31°23,0’
= + 24,0’
Einzeichnen des B.O. in das Plottingsheet Bϕ = 55° N, Bλ = 43°06’ W
Eintragen des Azimut 105° von B.O. aus
Eintragen der Standlinie im Abstand von 24’ vom B.O. zum Gestirn hin; Standlinie so zeichnen, dass
sie die mit dem Og zusammen eingetragene Kurslinie schneidet.
Schlussbemerkung: Außer der Tafel 5 können alle weiteren Tafeln in den Volumes 2 und 3 unberücksichtigt
bleiben, da sie entweder für Flugzeuge mit extrem großen Höhen und Geschwindigkeiten bestimmt sind, oder
weil sie mit der Beobachtungsmethode in keinem direkten Zusammenhang stehen. Die Berichtigungswerte entnimmt man, wie gewohnt, den Nautischen Tafeln. Von Interesse ist noch die Tafel der H.O.249 Vol.2 und 3
„Conversion of Arc to Time“, Werte der restlichen Tafeln entnehmen wir, soweit erforderlich, dem N.J. bzw.
den N.T.
H.O.Pub.No.249 Vol. 1 – Selected Stars
Diese Tafeln enthalten die Höhenwerte auf die Minute und das vollkreisige Azimut (Zn) aug volle Grade gerechnet von jeweils sieben Sternen für sämtliche Breiten (volle Grade) und für alle volle Stundenwinkel des
Frühlingspunktes.
Die Tafeln sind für etwa 5 Jahre gültig, dann erscheint eine Neuauflage, die im Gegensatz zu Vo. 2 und 3, stets
neu zu beschaffen ist.
Einrichtung und Eingangsspalten:
Breite: die tabulierten Werte sind für volle Grade von 89° Nord bis 89° Süd gerechnet. Von 69° Nord bis 69°
Süd sind alle Daten für einen Bezugs-Breitengrad auf zwei sich gegenüberliegenden Seiten aufgeführt; von 70°
zu den Polen hin auf nur einer Seite, da nur jeder zweite Stw. des Frühlingspunktes tabuliert ist.
Der Ortsstundenwinkel (LHA) des Frühlingspunktes bildet mit seinen vollen Werten den vertikalen Eingang in
die Tafeln. Auf jeder Doppelseite beginnt er mit 0° links oben und endet mit 359° rechts unten auf der gegenüberliegenden Seite.
Ausgewählte Sterne (Selected Stars): Für jeweils sieben Sterne finden wir für alle Eingänge von t und für
jede Breite die Werte Hc und Zn vor. Die Zusammensetzung der Sterne bleibt für 15 aufeinanderfolgende Eingänge mit t unverändert (das sind für Breiten höher als 70° 30 Stundenwinkel und auf niedrigeren Breiten 15
Stundenwinkel des ).
Von den sieben Sternen einer solchen Serie sind drei mit einem auf der Spitze stehenden Quadrat (diamond
symbol ) markiert. Sie zu einer Ortsbestimmung zusammengefasst ergeben ideale Werte für einen Ort aus drei
Höhen.
Alles in allem hat man hier nur 41 Sterne benutzt; sie sind auf Seite VI in einer Liste zusammengefasst. Von
diesen 41 Sternen sind 19 Sterne erster Größe ausgewählt und immer in großen Buchstaben geschrieben, während die restlichen in normaler Schreibweise erscheinen.
Arbeitsweise:
Die Vorbereitungsmöglichkeiten für die Beobachtungen sollten voll genutzt werden. Sie sollten rechtzeitig getroffen werden und bestehen darin, den Og und den t für den Zeitpunkt der vorgesehenen Dämmerungszeit
81
voraus zu berechnen bzw. zu zeichnen (Plottingsheet). Damit kann Bϕ ermittelt werden, und nach Aufsuchen
des errechneten t erhält man unmittelbar eine Übersicht über die sieben für die Dämmerungsbeobachtung zur
Verfügung stehenden Sterne einschließlich ihrer Hc und Zn. Von diesen Sternen wählt der Beobachter unter
Berücksichtigung der zu erwartenden Bedingungen (Beleuchtung, dunkler/heller Horizont, Wolkenbildung)
diejenigen aus, die am geeignetsten erscheinen. Auch sollte die Auswahl so getroffen werden, dass die Azimute
mindestens 30° auseinander liegen (idealer Wert 90°), um gute Schnittpunkte der Standlinien zu erhalten.
Da bereits Hc und Zn des zur Beobachtung heranstehenden Sterns durch die Tafel bekannt sind, wird es dem
Beobachter leicht gemacht, ihn durch vorherige Einstellung der im Kopf grob berichtigten Hc am Sextanten über
den Kompaß (Zn) gepeilt in Kimmnähe auszumachen, meist schon, bevor man ihn in der Abenddämmerung mit
bloßem Auge am Himmel erkennen kann. In der Morgendämmerung ist das Beobachten ohnehin leichter, da
man mit dem ganzen Sternhimmel in die Dämmerung hinein geht.
Beispiel: Am 16.08.1978 auf ϕg = 37°10’N, λg = 00°02’W, gegen 19-35 MGZ soll ein Sternort beobachtet
und errechnet werden.
Vorbereitung:
MGZ = 19-35-00
 Grw. Stw. f. 19h
= 249°48,8’
Zuw. f. 35m
= + 8°46,4’
 Grw. t
= 258°35,2’
λg (W)
= - 0°02,0’
t
= 258°33,2’ ≈ 259°
Es zeigt sich für Bϕ 37° N und t 259°, dass folgende Sterne zur Beobachtung zur Verfügung stehten:
DENEB 61° ALTAIR 119° Nunki 156° ANTARES 192° ARCTURUS 259° Alkaid 305° Kochab 346°
Alle Sterne haben günstige Beobachtungshöhen zwischen 22° und 51°. Da t sich innerhalb von 4 Minuten um
ca. 1° ändert, findet innerhalb der nächsten 40 Minuten nach der Tafel bis zum Erreichen von t = 269° keine
Änderung in der Zusammensetzung der Sternenauswahl statt; außerdem lässt sich ablesen, daßm die Auswahl
bereits seit 20 Minuten besteht, so dass man die Chance hat, auch schon vor 19-35 MGZ die eine oder andere
Beobachtung zu machen. In ungünstigeren Fälle muß man sich mit der nächstfolgenden Zusammensetzung der
Auswahl vertraut machen und sich die Sterne merken, die ausgetauscht werden.
Arbeitsgang:
Zur Beobachtung wurden ausgewählt: Altair, Antares, Arcturus. Ah = 8 m, Ib = -4’, Stand – 03m52s
Altair
Antares
Arcturus
Chr. = 19-38-02
Chr. = 19-39-23
Chr. = 19-40-22
Std.
Std.
Std.
=
- 3-52
=
- 3-52
=
- 3-52
MGZ = 19-34-10
MGZ = 19-35-21
MGZ = 19-36-30
Ha = 44°47,5’
ha = 25°43,5’
Ha = 47°05,0’
Ib =
Ib =
Ib =
- 4,0’
- 4,0’
- 4,0’
KA = 44°43,5’
KA = 25°39,5’
KA = 47°01,0’
Gb =
Gb =
Gb =
hb
- 6,0’
= 44°37,5’
hb
- 6,0’
= 25°32,0’
- 6,0’
hb = 46°55,0’
Grw. Stw. f. 19h = 249°48,8’
Grw. Stw. f. 19h = 249°48,8’
Grw. Stw. f. 19h = 249°48,8’
Zuw. f. 34m 10s
=
Zuw. f. 34m 10s
=
Zuw. f. 34m 10s
=
 Grw. t
= 258°22,5’
 Grw. t
= 258°22,5’
 Grw. t
= 258°22,5’
Bλ (W)
= - 0°22,5’
Bλ (E)
= + 0°19,5’
Bλ (E)
= + 0°02,2’
t
= 258°
t
= 259°
t
= 259°
Bϕ
= 37° Nord
Bϕ
= 37° Nord
Bϕ
= 37° Nord
8°33,7’
Hc = 44°33,0’
Hc = 25°37,0’
hb = 44°37,5’
Δh =
+ 4,5’
8°33,7’
Hc = 46°48,0’
hb = 25°32,0’
Zn = 118°
Δh =
- 5,0’
8°33,7’
hb = 46°55,0’
Zn = 192°
Δh =
+ 7,0’
Zn = 259°
82
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