Substitutionsreaktionen bei Übergangsmetallkomplexen • • • • • Man teilt die Metallionen nach der Geschwindigkeit, mit der koordiniertes Wasser ausgetauscht wird, in vier Gruppen ein: Gruppe I: Geschwindigkeitskonstanten (erster Ordnung) sehr groß (108 - 109 s-1), diffusionskontrollierte Reaktionen! Aquakomplexe z.B. von Li+, Na+, K+, Rb+, Cs+, Ca2+, Sr2+, Ba2+ (kleine Ladung, großer Radius, typischer Wert für q2/r =10-27 C2/m) Keine Ligandenfeld-Stabilisierungsenergie, Liganden durch Ionen-Dipol Wechselwirkungen festgehalten. Gruppe II: Geschwindigkeitskonstanten zwischen 105 und 108 s-1. Typischer Wert für q2/r =3x10-27 C2/m. Ligandenfeld-Stabilisierungsenergien klein. Aquakomplexe von Mg2+, zweiwertigen Übergangsmetall-Kationen, und dreiwertigen Lanthanoid-Kationen. Gruppe III: Geschwindigkeitskonstanten zwischen 1 und 104 s-1. Werte für q2/r >3x10-27 C2/m. Aquakomplexe von Be2+, Al3+, und von manchen der dreiwertigen Übergangsmetall-Kationen. Ligandenfeld-Stabilisierungsenergien größer als bei Gruppe II. Gruppe IV: Geschwindigkeitskonstanten zwischen 10-1 und 10-9 s-1. Inerte Komplexe! Die Ionen haben die gleiche Größe wie bei Gruppe III, besitzen aber eine sehr große Ligandenfeld-Stabilisierungsenergie. Beispiele: Cr3+ (d3), Ru3+ (d5, low spin), Pt2+ (d8, low spin). Co3+ (d6, low spin) (Mit Ozon oder elektrochemisch aus Co2+ Salzen herstellbar) würde zu Gruppe IV gehören, ist aber ein so starkes Oxidationsmittel, dass es in saurer Lösung den H2O Liganden zu O2 oxidiert Wie ist die Struktur des ÜZ? • Um die unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten des Austauschs der H2O Liganden verstehen zu können, ist eine Abschätzung der Freien Aktivierungsenthalpie ΔG* nötig • Das ist nur möglich, wenn die Größe der LFSE des Übergangszustandes berechnet werden kann! • dazu muss es Informationen über die Struktur des Übergangszustandes geben! Nucleophile Substitution bei Übergangsmetallkomplexen Substitution=Ersatz eines Liganden aus der Koordinationsschale durch einen anderen aus ihrer Umgebung. Die Koordinationszahl ist vor und nach der Reaktion gleich, ändert sich nur kurzzeitig während der Reaktion. Molekularität der nucleophilen Substitution: Man spricht von SN1 (monomolekularen) und SN2 (bimolekularen) Reaktionen. Die Molekularität kann definiert werden in Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf der Bindungsbildung und Bindungsspaltung bei der Substitution. Bindungsbildung und –Spaltung können synchron oder asynchron verlaufen • Ein synchroner Prozess verläuft in einem Schritt und weist einen ÜZ, aber keine Zwischenverbindung auf. • • Der ÜZ bestimmt die energetischen Verhältnisse (Reaktionsgeschwindigkeit) und den stereochemischen Verlauf der Reaktion Beim asynchronen Prozess gibt es zwei Möglichkeiten: • • a) zuerst Bindungsspaltung, dann Bindungsbildung b) zuerst Bindungsbildung, dann Bindungsspaltung • In beiden Fällen a) und b) tritt eine Zwischenverbindung auf! • Wenn die Bindungsspaltung zuerst erfolgt, hat die Zwischenverbindung eine niedrigere Koordinationszahl, der Vorgang wird als dissoziativ bezeichnet • Wenn die Bindungsbildung zuerst erfolgt, hat die Zwischenverbindung eine höhere Koordinationszahl , der Prozess wird als assoziativ bezeichnet Definition nach Langford und Gray • D= dissoziativer Prozess • A= assoziativer Prozess asynchron • I=synchroner Prozess (interchange) Id Ia intimate = engerer Mechanismus • Id = (dissoziativ) im ÜZ tritt die eintretende Gruppe nicht direkt mit dem Reaktionszentrum in Wechselwirkung • Ia=(assoziativ) im ÜZ erfolgt Bindungsbildung zwischen der eintretenden Gruppe und dem Reaktionszentrum • Das Übergangsmetallatom oder –Ion mit seiner inneren und äußeren Koordinationssphäre: • Die Liganden der inneren Koordinationssphäre sind jeweils durch ein gemeinsames Elektronenpaar koordinativ gebunden • Die äußere Koordinationssphäre besteht aus potentielle Liganden, die nur durch Dipol-Wechselwirkungen oder Ionen-Dipol Wechselwirkungen schwach festgehalten werden • Metall – Ligand Abstand rM-L • Wir betrachten den Augenblick, wenn der eintretende Ligand E (entering) und der austretende Ligand D (departing) den genau gleichen Abstand R vom Metallatom M haben R= rM-D=rM-E Wenn sich E in der äußeren Koordinationssphäre befindet und D in der inneren Koordinationssphäre, dann ist rM E 2 rM D Der Zusammenhang zwischen der kinetischen Reaktionsordnung und dem Reaktionsmechanismus ist oft dadurch verkompliziert, dass das Lösungsmittel selbst als Nucleophil wirkt. enormer Konzentrationsvorteil gegenüber anderen nucleophilen Liganden in Lösung! Ln MD E Ln ME D Reaktion 1 Oft misst man, so glaubt man, die Reaktionsgeschwindigkeit von Reaktion 1. Statt dessen misst man die RG von Reaktion 2: Ln MD H 2O Ln M H 2O D Ln M H 2O E Ln ME H 2O Reaktion 2 pseudo-1.Ordnung langsamer als Reaktion 3 Reaktion 3 Anation (=Umkehrung der Solvolyse) Folge von Hydrolyse und Anation CoNH NO 2 3 5 3 CoNH H O 3 3 5 2 H 2O CoNH 3 5 H 2O NO3 3 SCN CoNH 3 5 NCS H 2O 2 Ligandensubstitution in oktaedrischen Komplexen • Kinetische Studien an oktaedrischen Komplexen in saurer wässriger Lösung zeigen in den meisten Fällen ein Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung und keinen Einfluss des eintretenden Liganden auf die Reaktionsgeschwindigkeit • Weist dies auf einen dissoziativen Mechanismus hin? Ligandensubstitution in oktaedrischen Komplexen: 7 Beweise für den dissoziativen Mechanismus: 1. Sterische und elektronische Gründe 2. Einfluss der eintretenden Gruppe auf die Reaktionsgeschwindigkeit (gering!) 3. Einfluss der austretenden Gruppe auf die Reaktionsgeschwindigkeit (groß!) 4. Zusammenhang zwischen Gleichgewichtskonstante und Geschwindigkeitskonstante 5. Einfluss der Ladung des Komplexes 6. Größe der Liganden 7. Aktivierungsparameter Sterische Gründe • „Sterische Absättigung“ bei Koordinationszahl Z=6 • Z>6 benötigt eine erhöhte Aktivierungsenergie, dies führt zu einer nicht konkurrenzfähigen langsamen Reaktionsgeschwindigkeit im Falle eines Reaktionswegs über einen siebenfach koordinierten ÜZ • Für Co3+ Komplexe gilt speziell, dass wenn 6 Liganden 6 Elektronenpaare beisteuern, gerade 18 Valenzelektronen vorhanden sind • • Ein weiterer Ligand in einem ÜZ mit erhöhter Koordinationszahl würde eine sehr ungünstige elektronische Energie für sein Elektronenpaar vorfinden, siehe oktaedrische Molekülorbitale aus: William W. Porterfield, Inorganic Chemistry, San Diego, 1993 Geringer Einfluss der eintretenden Gruppe E auf die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante • Zu erwarten, wenn die Dissoziation der geschwindigkeitsbestimmende Schritt des Mechanismus ist. • Beispiel: Die Geschwindigkeitskonstanten der Reaktionen von [Co(NH3)5(H2O)]3+ mit Cl-, Br-, NCS-, N3-, NO3-, H2PO4-, NH3 liegen alle sehr nahe beisammen mit k=1.3x10-6 bis k=2.5x10-6 s-1 (25°C) . • Wäre der Prozess assoziativ, dann müssten die Bindungseigenschaften des hereinkommenden Liganden sehr stark die Geschwindigkeitskonstante beeinflussen! Großer Einfluss der austretenden Gruppe D auf die Geschwindigkeitskonstante • Dann zu erwarten, wenn der Bruch der M-D Bindung der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist. • Kinetische Daten für die saure Hydrolyse von [Co(NH3)5X]2+ zeigen, dass die Geschwindigkeitskonstanten für verschiedene Liganden X über 8 Größenordnungen variieren! Hydrogenoxalat Trifluormethansulfonat (Triflat) aus: William W. Porterfield, Inorganic Chemistry, San Diego, 1993 Zusammenhang zwischen Gleichgewichtskonstante und Geschwindigkeitskonstante • saure Hydrolyse von [Co(NH3)5X]2+ • ln k1 aufgetragen gegen ln K für verschiedene Liganden X ergibt eine Gerade, mit dem Anstieg 1.03 • d.h. G 0 und G haben fast den gleichen Wert! aus: William W. Porterfield, Inorganic Chemistry, San Diego, 1993 aus: William W. Porterfield, Inorganic Chemistry, San Diego, 1993 • ÜZ ähnlich dem Reaktionsprodukt! • D.h. beide haben ähnliche Energie und Struktur • Der ÜZ muss also eine Konfiguration des Systems sein, bei der sich das X- Ion bereits vom Co3+ abgetrennt hat • Dissoziativer Mechanismus • Der Unterschied zwischen ÜZ und Produkt ist nur, dass das H2O Molekül noch in der äußeren Koordinationssphäre liegt Elektrische Ladung des Komplexes • Wenn ein Anion von einem positiv geladenen Komplex abdissoziiert, und die Dissoziation der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist (dissoziativer Mechanismus) so sinkt die Reaktionsgeschwindigkeit mit steigender positiver Ladung des Komplexes. (Wäre der Mechanismus assoziativ, so würde der Komplex mit höherer positiver Ladung den eintretenden Liganden z.B. das polare H2O Molekül oder einen negativ geladenen Liganden, verstärkt anziehen, und die Reaktion würde mit steigender positiver Ladung des Komplexes schneller werden .) aus: William W. Porterfield, Inorganic Chemistry, San Diego, 1993 Größe des Liganden • Beispiel: methyl-substituierte Ethylendiamin Liganden • Da Methylgruppen nur einen sehr geringen induktiven Effekt (Alkylgruppen sind elektronenschiebend, + I- Effekt) haben, ist der elektronische Unterschied zwischen diesen Liganden gering • Ihre Größe steigt jedoch stark mit steigender Anzahl der Methylgruppen • Größeres Ligandenvolumen macht es leichter, eine abdissoziierende Gruppe hinauszudrängen Steigende Reaktionsgeschwindigkeit mit steigendem Liganden-Volumen weist auf einen dissoziativen Mechanismus hin • • Wäre der Mechanismus assoziativ, so würde steigendes Ligandenvolumen die Reaktion verlangsamen aus: William W. Porterfield, Inorganic Chemistry, San Diego, 1993 Aktivierungsparameter S und V • Sind bei Ligandensubstitution an oktaedrischen Komplexen meist positiv • Dies weist auf einen dissoziativen Mechanismus hin! Co3+ und die meisten anderen okteadrischen Komplexe tauschen ihre Liganden mit einem dissoziativen Mechanismus aus Ausnahmen: Die Wasser-Austauschreaktionen von Cr(H2O)63+ und von Fe(H2O)63+ zeigen ein negatives V (Ia Mechanismus) Weitere Ausnahme: Großes Zentralmetall RhNH H O 3 3 5 2 X RhNH3 5 X H 2O 2 Die RG hängt davon ab, ob X Chlorid oder Bromid ist (mit Bromid doppelt so schnell) assoziativer Mechanismus