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Jahrbuch 2008/2009 | Khusniyarov, Marat; W eyhermüller, Thomas; Bill, Eckhard; W ieghardt, Karl | Die
Elektronenstruktur „einfacher“ Eisenkomplexe: Ein sehr komplexes Problem
Die Elektronenstruktur „einfacher“ Eisenkomplexe: Ein sehr
komplexes Problem
The electron structure of "simple" iron complexes: a very complex
problem
Khusniyarov, Marat; W eyhermüller, Thomas; Bill, Eckhard; W ieghardt, Karl
Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion, Mülheim an der Ruhr
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
W ir stellen ein relativ einfaches
anorganisches
System aus
zw ei ko-kristallisierenden synthetischen
Eisenkomplexen vor, das bemerkensw ert komplizierte Elektronenstrukturen aufw eist. Grund ist die große Zahl
von möglichen Redoxzuständen für die Eisenzentren w ie auch die redoxaktiven Liganden. Erstmals w ird bei
diesem Material auch ein äußerst komplexer reversibler Phasenübergang bei 235 K beobachtet. W ir
demonstrieren an diesem Modell, w ie man die komplexen Vorgänge, die in ähnlicher Weise durchaus in
biologischen Systemen auftreten können, mit komplementären experimentellen Techniken aufklären kann.
Summary
We present a relatively simple inorganic system of tw o co-crystallized synthetic iron complexes w ith
remarkably complex electronic structures, ow ing to the large number of possible redox states at the metal
centers as w ell as at the redox-active ligands. For the first time an unprecedented complex reversible phase
transition at 235 K is observed. W ith this model the exploration of complex processes, w hich may happen in
similar w ays in biological systems, is demonstrated by combined experimental techniques.
In der Biochemie w erden oxidative Reaktionen häufig von Metalloproteinen katalysiert. Klassische Beispiele
solcher Enzyme mit Übergangsmetall-Ionen sind die Häm-Peroxidasen oder die P-450-Entgiftungsenzyme der
Leber. Diese haben als w ichtigste Gruppe im aktiven Zentrum einen Porphyrin-Eisenkomplex. Insbesondere für
die
Peroxidasen
konnte
man
schon
vor langem zeigen, dass
der „heißeste“
Zw ischenzustand
im
Reaktionszyklus ein hochvalenter Zustand ist, bei dem das Eisen zu Eisen(IV) oxidiert ist und zusätzlich auch
das Porphyrin ein Oxidationsäquivalent trägt – also ein Radikal ist.
Mittlerw eile kennt man eine ganze Reihe von Metallo-Enzymen mit redoxaktiven Liganden, sow ie Enzyme, die
w ährend des Katalysezyklus organische Radikale in gew isser Entfernung vom aktiven Zentrum bilden, w ie z.B.
Ribonukleotid-Reduktase, Photosystem II in grünen Pflanzen, Galaktose Oxidase, Prostaglandin H Synthase
oder Amin-Oxidase. Motiviert von der faszinierenden Chemie dieser Systeme w urden die grundlegenden
Eigenschaften von Übergangsmetall-Komplexen mit redoxaktiven Liganden und koordinierten Radikalen
untersucht, mit Schw erpunkt auf synthetischen anorganischen Systemen mit relativ kleinen Liganden, die
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leichter als Porphyrine oder Aminosäuren herzustellen und zu studieren sind. Diese Systeme erlauben
systematische Studien an Serien von Komplexen mit verschiedenen Metallionen, variabler Anzahl von
Valenzelektronen und unterschiedlichen Liganden.
Besonders „w ürzige“ Eigenschaften offenbarten in diesem Zusammenhang zw ei relativ ungew öhnliche
synthetische Eisenkomplexe mit den redox-aktiven α-Diimin-Liganden „dad“ (dad = 2,6-iPr2 -C 6 H3 -N=C (Me)C(Me)=N-2,6-iPr2 -C 6 H3 ) und „pda“ (pda = tetrakis-(3-methylphenyl)-N,N,N′,N′-2,5-phenylendiamin), w eil sie
sich als Paradebeispiele für ein zunächst einfach aussehendes, aber in W irklichkeit ziemlich komplexes System
herausstellten. Die beiden ionischen Komplexe kristallisieren zusammen als ein Kation-Anion-Paar, w ie in
Abbildung 1 gezeigt. Es sind das sechsfach koordinierte Kation (positiv geladene) K = [(dad)3 Fe]n+ und das
vierfach koordinierte Anion (negativ geladene) A = [(pda)2 Fe]n- . Weitere Gegenionen sind nicht vorhanden,
w ie man aus der Kristallstruktur erkennen kann. Die Struktur von K ist nahezu oktaedrisch, w ährend die
Symmetrie von A zw ischen Tetraeder und einer planaren Ligandenanordnung liegt. Der Aufbau der Liganden
ist in Abbildung 2 gezeigt.
Mole k ülstruk ture n de s Di-Anions A = [(pda ) 2Fe ] 2- und de s DiKa tions K = [(da d) 3Fe ] 2+ , ge m e sse n be i 120 K. Die Ellipse n
ze ige n die Ve rte ilung de r Atom positione n a ufgrund
the rm ische r Schwingunge n be i 30% e ine r
W a hrsche inlichk e itsgre nze .
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Da s s K tatsächlich ein Kation ist, und A ein Anion, kann man zw ar nicht unmittelbar den Strukturen der
Moleküle ansehen, es ergibt sich aber aus einer nachfolgend gezeigten sorgfältigen Bew ertung der metrischen
Details der Ligandenabmessungen, der Bestimmung der elektronischen Strukturen mithilfe von Messungen der
magnetischen Suszeptibilität und der Mößbauerspektren. Aber nicht einmal w enn man die Ladungen der
Moleküle w üsste, könnte man in diesem Fall daraus deren elektronische Struktur ableiten – w eil eben nicht nur
die zentralen Metallionen, sondern auch die Liganden verschiedene Redoxzustände haben können. Damit
ergeben sich von vornherein außerordentlich viele Möglichkeiten, w ie eine gew isse (unbekannte) Zahl von
Valenzelektronen sich über das Dimer verteilt: Beide Eisen (in A und K) könnten sow ohl zw eiw ertig als auch
dreiw ertig sein, und jeder der fünf Liganden könnte prinzipiell in drei Redoxstufen vorkommen.
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Struk turform e l de r α-Diim in-Liga nde n (da d) und (pda ), die
be ide prinzipie ll in dre i ve rschie de ne n O x ida tionsstufe n
vork om m e n k önne n. Die obe re R e ihe ze igt De ta ils de r
m e trische n Abm e ssunge n, wie m a n sie typische rwe ise in de n
dre i O x ida tionsstufe n de r Diim ine finde t. Die Muste r de r
Bindungslä nge n im „N-C -C -N“-R ück gra t e ntspre che n
be m e rk e nswe rt gut de n Le wis-Form e ln de r Liga nde n:
Einfa chbindunge n lie fe rn re la tiv la nge Atom a bstä nde und
Doppe lbindunge n k urze . Da he r k a nn m a n a us ge na ue n
Absta ndm e ssunge n de n O x ida tionszusta nd de r
Liga nde nm ole k üle be stim m e n.
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Was man aus Strukturdaten lesen kann
Molekül A: Die Feinheiten der Molekülstruktur des quasi-tetraedrischen Anions A in Abbildung 1, wie man
sie aus Röntgenbeugungsexperimenten mit guten Einkristallen bekommt, lassen klar erkennen, dass die
beiden (pda)-Liganden sehr ähnliche und typische Verteilungen der Atomabstände in ihrem N-C-C-N-„
Rückgrat“ haben. Sie zeigen jeweils eine kurze C=C- und zwei lange N-C-Bindungen, ganz so wie in
Abbildung 2 für den voll reduzierten Zustand (pda2-) skizziert. Deshalb kann man postulieren, dass die
beiden Liganden in A formal jeweils elektrisch zweifach negativ geladen sind und geschlossene Schalen
ohne Radikalcharakter haben.
Andererseits sind die Bindungen des Eisens zu den vier Stickstoffatomen der (pda 2- )-Liganden bemerkensw ert
lang, gemessen an den Fe-N-Abständen bekannter Komplexe. Das ist typisch für zw eiw ertiges Eisen in der
elektronischen high-spin Konfiguration mit formaler Ladung (+2), kurz als Fe(II) high-spin bezeichnet. (Generell
gilt, je mehr Valenzelektronen ein Übergangsmetallion hat, umso größer sind w egen der Elektron-ElektronAbstoßung sein Ionenradius und seine Bindungsabstände; außerdem korrelieren high-spin-Zustände mit
längere Abständen als low-spin-Zustände). Eisen(II) high-spin hat sechs Elektronen in den fünf Orbitalen
seiner 3d-Valenzschale, von denen also zw ei ein Orbital doppelt besetzen müssen und somit ihre Spins
gepaart haben. Die anderen vier Elektronen sind ungepaart und liefern den Spin SFe = 2.
Damit können w ir aufgrund der Strukturdetails den Komplex A als Di-Anion mit der Formel [(pda 2- )2 Fe(II)]2bezeichnen. Magnetisch gesehen, müsste die Verbindung also ein Quintett mit Spin S A = 2 sein, der
vollständig vom Eisen herrührt.
Molekül K: Die (dad)-Liganden des oktaedrischen Kations K dagegen zeigen alle drei die gleiche lange C-CBindung und zw ei kurze N=C-Bindungen, die typisch sind für den neutralen Zustand (dad 0 ). Da das
Gesamtsystem aus K und A neutral ist, muss K also ein Di-Kation mit der Gesamtladung (+2) sein, w omit für
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das Eisenion in K also nur die Oxidationszahl (+2) bleibt, d.h. w iederum Eisen(II). Die entsprechende Formel
is t K = [(dad 0 )3 Fe(II)]2+. Die Länge der Eisenbindungen zu den sechs Stickstoffatomen der Liganden in K ist
allerdings so kurz, dass eigentlich nur low-spin Eisen(II) in Frage kommt. In dieser Konfiguration hat das
Eisenion alle sechs Valenzelektronen spin-gepaart in den drei energetisch niedrigsten Orbitalen sitzen, w as
Spin Null für das Eisen ergibt, SFe = 0. Das Molekül K muss also insgesamt diamagnetisch sein, SK = 0.
Dies ist nun schon eine sehr detaillierte Beschreibung der Elektronenstruktur der beiden Komplexe, aber ist sie
auch
richtig?
Überprüfen kann man solche Modelle z.B. sehr gut anhand ihrer Vorhersagen für die
magnetischen Eigenschaften der Substanzen.
Magnetismus stützt die Interpretation
Eine Messung der magnetischen Suszeptibilität einer Pulverprobe des Kation-Anion-Paares A+K unterstützt
ganz klar die aus der Struktur abgeleiteten Vermutungen über die Elektronenstruktur der beiden Komplexe.
W ie man in Abbildung 3 sieht, zeigt die Verbindung ein nahezu konstantes effektives magnetisches Moment
von etw a 4,9 μ B im Temperaturintervall von 30 K bis 235 K. Der Wert dieses Plateaus entspricht genau dem
erw arteten „Spin-only“ Wert für S = 2: μ e ff = g[S(S+1)]1/2 mit g = 2. Somit stimmt der tatsächliche Spin des
Systems mit dem im Modell vorhergesagten überein: SA = 2 und SK = 0.
Te m pe ra tura bhä ngigk e it de s e ffe k tive n m a gne tische n
Mom e nte s von A + K. Da s e inge se tzte Bild offe nba rt e ine
Hyste re se de s Sprungs in de r Me ssung be i zyk lische r
Ve rä nde rung de r Te m pe ra tur im Be re ich von 235 K.
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Den Abfall von μ e ff (T) unterhalb von 30 K kann man auch sehr gut verstehen: Der Spin-Grundzustand von
Fe(II), der ja den Spin SA = 2 des Systems bestimmt, hat eine Feinstruktur aufgrund von Spin-Bahnkopplung,
eine sogenannte Nullfeldaufspaltung. Aus dem Temperaturintervall, in dem sich dies ausw irkt (hier bis ca. 30
K), kann man deren Größe bestimmen. Die genaue Simulation liefert einen Nullfeldaufspaltungsparameter D =
4,5 cm-1 , w as w iederum sehr typisch ist für Fe(II) high-spin in quasi-tetraedrischer Koordination. Im Detail
kann man aus dem W ert w eitere Schlüsse über die Stärke der Liganden ableiten.
Die Magnetmessung unterstützt also alle bisherigen Interpretationen, allerdings findet sich in diesem Modell
absolut keine Erklärung für den Sprung von μ e ff (T) bei 235 K. Man ist versucht, die kleine abrupte Änderung
zunächst für einen Apparatefehler zu halten. In der Tat verbirgt sich dahinter aber eine ganz außerordentliche
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und grundlegende Umordnung der elektronischen Strukturen des Anion-Kation-Paares A und K. Dies kann man
allerdings erst aus den Mößbauerspektren der Verbindung sehen.
Mößbauerspektren enthüllen Details über Eisen
Mößbauerspektroskopie mit 57 Fe, das zu 2,2 % natürlich in jeder Eisenverbindung vorhanden ist, ist eine
mikroskopische Technik, die den Atomkern als chemische „Sonde“ nutzt. Man misst die Absorption von γStrahlung und erhält aus den Übergängen der Atomkerne, d. h. den Banden der Mößbauerspektren, die Stärke
der sogenannten Hyperfein-Kopplung mit der Elektronenschale des Atoms. Diese erlaubt Aussagen über den
Zustand des Eisens unter dem Ligandenfeldeinfluss seiner unmittelbaren Nachbar-Atome. Für feste Proben
ohne angelegtes Magnetfeld erw artet man im Mößbauerspektren ein Liniendublett für jeden unabhängigen
Eisenplatz – verschiedene Spezies in einer Probe liefern entsprechende Überlagerungen solcher Dubletts. Ein
entsprechendes Muster erkennt man klar in Abbildung 4 (unten).
Die Subspektren der Komplexe A und K sind in Abbildung 4 zur besseren Orientierung blau und rot farblich
gekennzeichnet.
Chemische
Informationen
erhält
man
aus
der
Quadrupolaufspaltung
und
der
Isomerieverschiebung der Spektren, das sind die Linienaufspaltung der Dubletts und die Verschiebung der
Schw erpunkte der Spektren gegen den Energie-Nullpunkt. (Die Energieachse von Mößbauerspektren w ird
w egen
der
angew endeten
Energiemodulation
durch
Doppler-Effekt
aufgrund
der
Bew egung
der
Strahlungsquelle in Geschw indigkeiten von mm s -1 angegeben).
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Mößba ue rspe k tre n e ine r P ulve rprobe von A + K ge m e sse n be i
80 K (unte n) und 260 K (obe n, A ’ und K’). Die grün
m a rk ie rte n Subspe k tre n sind e in Abba uproduk t de r se hr
e m pfindliche n P robe .
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Die große Quadrupolaufspaltung, die man für das Di-Anion A bei 80 K findet (Abb. 4 unten, blau) belegt in
Verbindung mit der hohen Isomerieverschiebung ganz eindeutig den zw eiw ertigen Zustand des Eisens in der
high-spin-Konfiguration mit Spin SFe = 2. Andererseits sind die niedrige Quadrupolaufspaltung und die niedrige
Isomerieverschiebung des Di-Kations K typisch für Eisen(II) low-spin (rot gezeichnet). Vollends gestützt
w erden
kann
diese
Interpretation
letztlich
durch
quantenchemische
Rechnungen,
die
erst
die
Zusammenhänge zw ischen Molekülstruktur, Natur der Liganden und die Herkunft der gemessenen Parameter
im Detail quantitativ erklären.
Die Mößbauer-Isomerieverschiebungen und Quadrupolaufspaltungen, gemessen bei 80 K, bestätigen also das
obige Modell für die Elektronenanordnung in der Verbindung A + K für den Zustand bei tiefen Temperaturen
unterhalb 235 K. Bei Betrachtung der Spektren bei 260 K (Abb. 4, oben) ergibt sich aber ein völlig anderes Bild
für beide Eisenzentren: Das (rote) Kation K’ zeigt nun eine deutlich größere Isomerieverschiebung als zuvor,
w ährend das (blaue) Subspektren des Anions A’ eine deutlich kleinere Isomerieverschiebung aufw eist, die
jetzt sogar geringer ist als die des (roten) Subspektrums von K’. Ähnlich gegenläufig haben sich auch die
Quadrupolaufspaltungen entw ickelt. Damit muss beim Übergang der magnetischen Suszeptibilität bei 235 K
eine größere Umordnung der Elektronenstrukturen von A und K stattgefunden haben. Im Detail ergibt sich aus
den Daten für den Experten, dass das high-spin-Eisen(II) des Anions offenbar oxidiert w urde zu Fe(III) im
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relativ ungew öhnlichen intermediären Spinzustand SFe = 3/2, w ährend das Eisen des Kations anscheinend nur
seinen Spinzustand von low-spin zu high-spin geändert hat.
Es muss also beim „Übergang“ des Systems jew eils ein Elektron vom Di-Anion A zum Di-Kation K übertragen
w orden sein, sodass oberhalb von 235 K beide nur noch einfach geladen sind. Wo aber ist das reduzierende
Elektron auf dem Kation K’ geblieben, w enn das Mößbauerspektrum zeigt, dass es nicht beim Eisen
angekommen ist? Es kann nur einen der Liganden reduziert haben. Tatsächlich kann man dies auch in einer
entsprechenden, bei Raumtemperatur gemessenen Kristallstruktur erkennen: Einer der (dad)-Liganden zeigt
das Atom-Abstandsmuster für (dad 1- ). Er ist also zum Radikal gew orden, hat einen Spin SR a d = 1/2, und ist
negativ geladen (Abb. 5).
Sche m a tische Da rste llung de r e le k tronische n Struk tur de r
Kom ple x e s A und K unte rha lb und obe rha lb 235 K.
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Überprüfen lässt sich dieser Schluss w iederum mit der Magnetmessung. Der Gesamt-Spinzustand der beiden
Moleküle oberhalb 235 K muss sich nun zusammensetzen aus dem Beitrag SA = 3/2 von intermediate-spin
Eisen(III) in A’ und dem der beiden antiferromagnetisch gekoppelten Spins des Eisens und des einen
radikalischen Liganden in K’. Für letzteres erhält man, mit SFe = 2 und SR a d = 1/2, w iederum ein Quartett SK =
3/2. Die Summe der beiden effektiven Momente für die Beiträge von zw eimal S=3/2, μ e ff = 2 1/2 x μ e ff (S = 3/2)
= 5,47 μ B, liefert ziemlich exakt den beobachteten W ert.
Somit verbirgt sich hinter dem kleinen Sprung im effektiven magnetischen Moment eine große Änderung von
zw ei Molekülen, die in diesem Fall die Kombination eines Elektrontransfers mit zw ei Spinübergängen ist.
Damit stellt sich natürlich die Frage, w as eine solche spontane Änderung antreibt? Spinübergänge und
Spingleichgew ichte sind seit langem für Eisenverbindungen bekannt und w erden bis heute systematisch
untersucht, unter anderem w egen ihres möglichen Potenzials als molekulare Schalter. Völlig ungew öhnlich ist
hier die
Tatsache, dass das Anion A
von high-spin
bei tiefen
Temperaturen
zu low-spin bei hohen
Temperaturen schaltet – sonst ist dies immer umgekehrt, w ie auch hier für das Eisen in K. Getrieben w ird der
Übergang üblicherw eise im W esentlichem von der Zunahme der Entropie im high-spin-Zustand.
Anderseits sind Elektrontransfer-Vorgänge zw ischen Molekülen die Grundlage von allen Redoxvorgängen.
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Besonders in der Biochemie können Elektronen über erhebliche Strecken (mehrere Nanometer) übertragen
w erden. Die Richtung des Transfers w ird dabei vom Redoxpotenzial bestimmt. Was macht aber diesen
Vorgang bei A + K ↔ A’ + K’ reversibel temperaturabhängig? Man kann sich natürlich vorstellen, dass sich das
Redoxpotenzial zw ischen A und K mit der Temperatur ändert und der folgende spontane Elektronentransfer
die Spinänderungen und die damit einhergehenden Strukturänderungen nach sich zieht. Umgekehrt könnte
der
„Spin-Crossover“
auch
zuerst
stattfinden
und
die
resultierenden
Strukturänderungen
den
Elektronentransfer auslösen.
Einen besonderen Hinw eis liefert uns hierzu die Beobachtung einer Hysterese in der Magnetisierungsmessung
(Abb. 3, eingesetztes Bild). Bei zyklischen Temperaturänderungen über die Übergangstemperatur hinw eg folgt
die Kurve beim Anstieg offenbar nicht den gleichen Werten w ie beim Abstieg. Hysteresen solcher Art rühren
von kollektiven Phänomenen her, bei denen ganze Domänen von Teilchen gleichzeitig von einem Zustand in
den anderen schalten. Dazu muss es ein „Signal“ geben, das sich von Teilchen zu Teilchen mitteilt. Bei
strukturellen Phasenübergängen oder auch Spinübergängen sind das z.B. geometrische Änderungen an der
Molekülstruktur, w ie z.B. Volumen pro Teilchen. Kollektive Redoxvorgänge sind dagegen zumindest bisher nicht
bekannt.
W ir können deshalb annehmen, dass im vorliegenden Fall der konzertierte Spinübergang an den zw ei
Eisenzentren und der Elektronenübertragung zw ischen dem Anion A und dem Kation K initiiert w ird vom
„regulären“ Spinübergang des Eisens im Kation K, SFe ,A = 0 ↔ SFe ,A = 2, so w ie er in vielen anderen
Eisenverbindungen auch schon beobachtet w urde. Der damit verbundenen Strukturänderung folgt dann der
Elektronenübertrag von Eisen(II) high-spin in A zu einem Ligandenradikal in K, w obei das Eisenion in A zu
Eisen(III) oxidiert w ird. Damit verbunden ist dann offenbar der „umgekehrte“ Spinübergang des Eisen(III) von
high-spin zu intermediate-spin.
Zusammenfassend w urde mit diesen Untersuchungen demonstriert, dass ein relativ einfaches System aus
zw ei Molekülen w ie dem Anion-Kation-Paar A + K in einem kristallinen anorganischen Festkörper eine
bemerkensw ert komplizierte Elektronenstruktur haben kann, deren grundlegende Bestimmung erhebliche
Ansprüche an die experimentellen und theoretischen Methoden stellt. Grund ist die Zahl der möglichen
Redoxzentren an den Übergangsmetallionen und den Liganden, w ie sie prinzipiell auch in natürlichen
Enzymsystemen vorkommen können. Unser einfaches Modell zeigt zudem eine äußerst komplexe reversible
Zustandsänderung, die aus zw ei konzertierten Spinübergängen und einer Elektronenübertragung besteht.
Aufklären kann man die Vorgänge in beachtlichem Detail, w enn man mehrere, sich gegenseitig ergänzende
experimentelle Methoden einsetzen kann. Solche grundlegenden Forschungsarbeiten profitieren deshalb in
ganz
besonderer
bioanorganische
Weise
Chemie
von
als
den
Möglichkeiten
interdisziplinäres
eines
Max-Planck-Instituts,
Forschungsgebiet
bearbeitet
wo
w ird.
insbesondere
Nur
durch
die
enge
w echselseitige Zusammenarbeit von synthetischen Chemikern, spektroskopisch orientierten Physikern und
letzten Endes auch theoretischen Chemikern kann man komplexe anorganische Systeme w ie das hier
vorgestellte finden und verstehen.
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