Quantenmechanik - staff.uni

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Vorlesung Quantenmechanik (I)
Version vom SS 2012∗
Universität Mainz
Institut für Physik, FB 08
Theorie der kondensierten Materie
Prof. Dr. Friederike Schmid†
Inhalt: Einleitung: Experimentelle Hinweise auf die Quantenmechanik
Wellenmechanik
Grundkonzepte
Lösungen der Schrödingergleichung
Zweikörperproblem und Wasserstoffatom
Allgemeine Formulierung der Quantenmechanik
Der mathematische Rahmen der Quantenmechanik
Elementare Prinzipien der Quantenmechanik
Anwendung: Der harmonische Oszillator
Symmetrien
Identische Teilchen
Quantenmechanik des Drehimpulses
Allgemeiner Drehimpuls, Spin, Addition von Drehimpulsen
Anwendungsbeispiel: H2 -Molekül und Austauschwechselwirkung
Näherungsverfahren
Variationsverfahren
Stationäre und zeitabhängige Störungsrechnung
Die Pfadintegralformulierung der Quantenmechanik
Pfadintegral, Propagator und Eichinvarianz
Anwendung: Der Aharonov-Bohm Effekt
Verschränkte Zustände
Das EPR-Paradox und die Bellsche Ungleichung
Praktische Anwendung: Quanteninformatik
∗
†
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Staudingerweg 9, 03-534, Tel. 06131/3920365, <[email protected]>
Einige empfohlene Bücher
• F. Schwabl: Quantenmechanik. (Springer) (viele Beispiele)
• J. J. Sakurai: Modern Quantum Mechanics. (Addison Wesley) (ausführlich, modern)
• L. Ballentine: Quantum Mechanics - A Modern Development. (World
Scientific) (originell)
• C. Cohen-Tannoudji, B. Diu, F. Laloe: Quantenmechanik Bd. 1 und 2.
(de Gruyter) (ausführlich, klassisch)
• A. Messiah: Quantenmechanik Bd. 1 und 2. (de Gruyter)
• L. D. Landau, E. M. Lifshitz: Quantenmechanik. (Vieweg)
• E. Fick: Einführung in die Grundlagen der Quantenmechanik. (AulaVerlag)
• W. Greiner: Quantenmechanik Bd. 1. (Harri Deutsch)
• W. Nolting Quantenmechanik Bd. 1 und 2. (Vieweg) (viele Aufgaben)
• H. Haken, H. C. Wolf, Atom- und Quantenphysik. (Springer) (gute Einführung)
• John von Neumann, Mathematical Foundations of Quantum Mechanics
(Klassiker)
• J. Audretsch Verschränkte Systeme: Die Quantenphysik auf neuen Wegen.
(Wiley) (aktuelle Themen zu Grundlagen der Quantenmechanik)
• J. Audretsch Verschränkte Welt. (Wiley) (populärwissenschaftlich)
c Copyright 2003 Friederike Schmid
Die Verteilung dieses Dokuments in elektronischer oder gedruckter Form
ist gestattet, solange sein Inhalt einschließlich Autoren- und Copyright-Angabe
unverändert bleibt und die Verteilung kostenlos erfolgt, abgesehen von einer
Gebühr für den Datenträger, den Kopiervorgang usw.
Das im Original handschriftlich vorliegende Skript entspricht dem Tafelbild
bei der Vorlesung. Es wurde 1:1 mit LATEX umgesetzt‡ .
‡
von Christhard Schmid, <[email protected]>, als Gratulation zum Karl Peter
Grotemeyer-Preis 2003 der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft (http://www.unibielefeld.de/ugb/Foerderung/GrotemeyerPreis.html), der im Zusammenhang mit dieser Vorlesung verliehen wurde
Inhaltsverzeichnis
1 Experimentelle Hinweise
1.1 Historische“ Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . .
”
1.1.1 Hinweise auf diskrete Strukturen in Atomen . . . .
1.1.2 Hinweise darauf, dass Licht aus Teilchen besteht .
1.1.3 Hinweise darauf, dass Materie Wellencharakter hat
1.2 Modernere“ Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . .
”
1.2.1 Zum Wellencharakter der Materie . . . . . . . . .
1.2.2 Zum Teilchencharakter des Lichts . . . . . . . . . .
1.3 Wissensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Wellenmechanik
2.1 Grundkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 De Broglie-Wellen ( freie Teilchen“) . . . . . . . . . . .
”
2.1.2 Mathematischer Einschub . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.3 Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.4 Interpretation von Materiewellen . . . . . . . . . . . . .
2.1.5 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Lösungen der Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Die stationäre (zeitunabhängige) Schrödingergleichung .
2.2.2 Lösungen der stationären Schrödingergleichung in einer
Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Zweikörperproblem und Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Reduktion auf Einteilchenproblem . . . . . . . . . . . .
2.3.2 Reduktion auf eindimensionales Problem . . . . . . . . .
2.3.3 Einschub: Eigenfunktionen des Bahndrehimpulses . . . .
2.3.4 Coulombpotential und Wasserstoffatom . . . . . . . . .
2.4 Wissensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 Allgemeine Formulierung
3.1 Der mathematische Rahmen der Quantenmechanik . . . .
3.1.1 Der Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.2 Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.3 Das Eigenwertproblem linearer Operatoren . . . .
3.2 Elementare Prinzipien der Quantenmechanik . . . . . . .
3.2.1
Postulate“ der Quantenmechanik . . . . . . . . .
”
3.2.2 Dynamische Entwicklung abgeschlossener Systeme
i
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ii
INHALTSVERZEICHNIS
3.3
3.4
3.5
3.6
3.2.3 Offene Systeme und Messprozess . . . . . . . . . . . . . .
Anwendung: Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Berechnung der (Energie-)Eigenwerte von H . . . . . . . .
3.3.2 Energieeigenvektoren in Ortsdarstellung (Schrödingerbild)
3.3.3 Operatoren im Heisenbergbild . . . . . . . . . . . . . . . .
Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.1 Allgemeine Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.2 Homogenität von Raum und Zeit . . . . . . . . . . . . . .
3.4.3 Vorläufige Zusammenfassung und Verallgemeinerung: Symmetrien und Erhaltungsgrößen . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.4 Invarianz unter speziellen Galilei-Transformationen . . . .
3.4.5 Diskrete Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Identische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.1 Ununterscheidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5.2 Symmetrisierungspostulat . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wissensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
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72
74
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75
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92
4 Quantenmechanik des Drehimpulses
95
4.1 Wiederholung: Bahndrehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4.1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4.1.2 Eigenwerte und Eigenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . 95
4.1.3 Darstellung in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . 96
4.2 Allgemeiner Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
4.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
4.2.2 Eigenwerte und Eigenvektoren . . . . . . . . . . . . . . . 97
4.3 Der Spin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4.3.1 Experimenteller Hinweis: Der Stern-Gerlach-Versuch . . . 99
4.3.2 Beschreibung von Teilchen mit Spin . . . . . . . . . . . . 99
4.3.3 Nichtrelativistischer Spin im elektromagnetischen Feld Pauligleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
4.3.4 Wirkung von Drehungen auf Spinzustände . . . . . . . . . 102
4.3.5 Drehgruppe und spezielle unitäre Gruppe . . . . . . . . . 104
4.4 Addition von Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.4.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.4.2 Additionstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.4.3 Lösung des Problems: Clebsch-Gordan-Koeffizienten . . . 106
4.4.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
4.5 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.5.1 Helium-Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.5.2 Wasserstoffmolekül und Austauschwechselwirkung in HeitlerLondon-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5 Näherungsverfahren
5.1 Variationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Stationäre Störungsrechnung . . . . . . . . . .
5.2.1 Nichtentarteter Fall: Eigenwert En0 nicht
5.2.2 Entarteter Fall . . . . . . . . . . . . . .
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entartet
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113
113
114
116
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INHALTSVERZEICHNIS
5.3
iii
5.2.3 Quasientarteter Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.4 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zeitabhängige Störungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 Wechselwirkungsbild (vergl. 3.2.2.4 S.65) . . . . . . . . .
5.3.2 Dyson-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.3 Anwendung: Störungstheorie erster Ordnung . . . . . .
5.3.4 Beispiel: Wechselwirkung mit klassischem elektromagnetischem Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.5 Störungstheorie zweiter Ordnung: Lebensdauer und Linienbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 Pfadintegralformulierung
6.1 Pfadintegral und Propagator . . . . . . . . . . . . .
6.2 Eichinvarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Allgemeine Eichtransformationen . . . . . . .
6.2.2 Eichinvarianz und elektromagnetische Felder
6.3 Anwendung: Der Aharonov-Bohm Effekt . . . . . . .
7 Verschränkte Zustände
7.1 Das EPR-Paradox und die Bellsche Ungleichung
7.1.1 EPR-Paradox . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.2 Bellsche Ungleichung (1964) . . . . . . . .
7.1.3 Bohmsche Mechanik . . . . . . . . . . . .
7.2 Anwendung: Quanteninformatik . . . . . . . . . .
7.2.1 Quanteninformation . . . . . . . . . . . .
7.2.2 Quantenkryptographie . . . . . . . . . . .
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. 143
iv
INHALTSVERZEICHNIS
0
INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel 1
Einleitung: Experimentelle
Hinweise auf die
Quantentheorie
c Copyright 2012 Friederike Schmid1
1.1
Historische“ Experimente
”
( historisch“: Aus der Zeit, in der die Quantentheorie entwickelt wurde)
”
1.1.1
Hinweise auf diskrete Strukturen in Atomen
a) Atomspektren (19. Jahrhundert, Kirchhoff und Bunsen)
Jedes Element hat ein charakteristisches Emissionsspektrum.
Es werden bestimmte Frequenzlinien emittiert
(großes Rätsel der Jahrhundertwende)
b) Hohlraumstrahlung und Plancksches Strahlungsgesetz (1900)
(Schwarzkörperstrahlung)
Hohlraum:
Klassisch erwartete Strahlungsintensität
(RayleighJeans): dI ∝ ν 2 dν
Tatsächlich: Abknicken
bei hohen Frequenzen
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Mainz, SS 2012.
Letzte Änderung der PDF-Datei am 09.06.12.
1
2
KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE
Erklärung durch Plancksche Hypothese:
• Licht wird in Quanten der Energie E = h · ν emittiert und absorbiert.
h = Plancksche Konstante: h = 6.6 · 10−34 Js
• Zwischen Strahlung und Hohlraum besteht thermisches Gleichgewicht.
; Plancksche Strahlungsformel: dI ∝
ν3
dν
ehν −1
c) Franck-Hertz-Versuch (1914)
Nachweis stationärer Atomzustände. Interpretation:
• Bereich (I): Je höher die Spannung, desto mehr Elektronen gewinnen genug kinetische Energie, dass sie die Anode erreichen
können und nicht am Gatter abgefangen werden.
; Verluste durch elastische Stöße.
• Bereich (II): Einige Elektronen können einen Teil der Energie ein festgelegtes Quantum - in inelastischem Stoß an Hg-Atome
abgeben. Verbleibende kinetische Energie so klein, dass sie abgefangen werden.
; Verluste durch einen inelastischen Stoß.
• Bereich (III): Verluste durch zwei inelastische Stöße.
• etc.
Folgerung: Atome nehmen Energie inelastisch nur in festen Quanten
auf.
d) Stern-Gerlach-Versuch (1921)
Silberatomstrahl
teilt sich im inhomogenen Magnetfeld
auf.
Richtungs”
quantelung“
des
magnetischen Moments.
(Kommt
in Kapitel 4 S.95
nochmal)
1.1.
HISTORISCHE“ EXPERIMENTE
”
1.1.2
3
Hinweise darauf, dass Licht aus Teilchen besteht
a) Photoeffekt (Hallwachs 1900, Erklärung nach Einstein 1905)
Beobachtungen (Hallwachs)
• Falls Elektroskop positiv geladen ; Licht bewirkt nichts
• Falls Elektroskop negativ geladen:
– sichtbares Licht, egal wie intensiv, bewirkt nichts
– UV-Licht auf Eisenplatte bewirkt nichts
– Aber: Bereits schwacher UV-Strahl auf Zink entlädt Elektroskop
Interpretation (Einstein)
• Licht besteht aus Quanten der Energie E = h · ν (Photonen)
• Lichtphotonen treten einzeln mit Elektronen in Wechselwirkung
• Zum Freisetzen eines Elektrons ist Austrittsenergie Vc notwendig. Falls Energie des Lichtquants ausreicht, das Elektron freizusetzen (E > Vc ), entweicht es (das ist der Fall bei UV-Licht
auf Zink). Andernfalls bleibt das Elektron gebunden (und die
Energie wird anderweitig dissipiert).
b) Compton-Effekt (1923)
Licht ändert Frequenz bei der Streuung an Elektronen.
Streuprozeß mit Energie- und
Impulserhaltung
Energie des Photons: E = h · ν
Impuls des Photons: p = h/λ
; Damit kann Compton-Effekt quantitativ verstanden werden.
NB: Nach der speziellen Relativitätstheorie müssen Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit masselos sein. Das sollte natürlich auch für Photonen
zutreffen.
; Viererimpuls ( Ec , p~) hat Norm Null: p2 − ( Ec )2 = 0
2
√
2
2
; p2 = Ec2 = (hν)
= λh2
c2
4
KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE
Fazit aus 1.1.2 S.3:
Lichtwellen, bzw. allgemeine elektromagnetische Wellen verhalten sich unter bestimmten Umständen so, als bestünden sie aus Teilchen. Andererseits sind es natürlich auch Wellen (d.h., sie zeigen Interferenzen etc.)
Bemerkung: Streng genommen ist weder der Photoeffekt noch der ComptonEffekt wirklich ein Beweis“ für den Teilchencharakter des Lichts. Beide
”
können auch innerhalb einer (Quanten-)Theorie erklärt werden, in der
elektromagnetische Wellen noch als reine Welle behandelt werden. Dennoch gehören diese Versuche hierher, weil sie für die Entwicklung der
Quantentheorie sehr wichtig waren.
1.1.3
Hinweise darauf, dass Materie Wellencharakter hat
Zunächst: von de Broglie 1924 postuliert (in seiner Doktorarbeit!).
Beziehungen E = h · ν und p = h/λ sollen für alle Teilchen gelten.
Experimentelle Hinweise:
a) Davisson-Germer (1927)
Bragg-Streuung“
”
von Elektronen an
einem Nickel-Kristall
b) Thomson (1927)
Debye-Scherrer-Ringe“ von Elektronen hinter einer Metallfolie
”
; Interferenzen bei Streuung von Elektronen an periodischen Strukturen
(Kristallen).
Fazit von 1.1.2 S.3, 1.1.3 S.4: Welle-Teilchen-Dualismus“
”
Je nach Experiment haben Materie oder Licht entweder Teilchen- oder
Wellencharakter.
Nutzen dieser Betrachtungsweise:
Erklärt Experimente, löst Probleme der Atomspektren (siehe Kapitel 2 S.9)
Nachteil: Interpretation/Deutung bis heute umstritten.
Man stößt auf Widersprüche, die nur schwer (oder gar nicht) aufgelöst
werden können (siehe z.B. Kapitel 3 S.47).
1.2.
MODERNERE“ EXPERIMENTE
”
1.2
5
Modernere“ Experimente
”
Zahlreich, hier nur ausgewählte Beispiele
1.2.1
Zum Wellencharakter der Materie
Interferenz von Fullerenen (Arndt, Nain, ... Zeilinger 1999)
Vorbemerkung: Doppelspaltversuch mit Elektronen
Frage: Könnte man denselben Versuch mit Fußbällen machen?
Fußball → Impuls p = h/λ groß → Wellenlänge λ klein
Interferenzmuster wird sehr
viel feiner als Fußball sein
; praktisch vermutlich nicht zu sehen
Nun zu Zeilingers Experiment (1999)
nicht gerade Fußbälle, aber C60 -Moleküle
- 60 Kohlenstoffatome, Durchmesser 1 nm
- 174 interne Schwingungs- und Rotationsmoden
- Masse nicht eindeutig (Kohlenstoffisotope)
Aufbau:
Entscheidend: Kollimatoren ; Strahl hat Divergenz von 10 µrad
Zahlenvergleich: C60 (1 nm): Schlitzgröße(50 nm) =
b Fußball : Tor.
Auf dieser Skala wäre Abstand Quelle-Detektor =
b Abstand
Erde-Mond.
6
KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE
Ergebnis: Interferenzmuster (a: Mit Gitter, b: Ohne Gitter)
Späteres Experiment (selbe Gruppe, 2001)
Streuung von C60 an stehenden Lichtwellen
; Interferenzbilder
1.2.
MODERNERE“ EXPERIMENTE
”
1.2.2
7
Zum Teilchencharakter des Lichts
Photonen-Korrelations-Experimente
Aufbau (Hanbury, Brown, Twiss 1956)
Korrelator misst die Anzahl
n(τ ) der Photonen, die im Abstand τ in Detektoren registriert werden.
Beobachtungen
• Stellares Licht (auch sonst häufig)
Photon bunching“: Photonen korreliert,
”
treffen häufig zusammen ein.
Erklärung: Bose-Einstein-Statistik (siehe Kapitel 3 S.47)
Aber: Klassische“ Erklärung wäre auch möglich (fluktuierendes
”
elektromagnetisches Feld)
• Fluoreszenz einfacher Atome (auch künstlicher Atome“: Quanten”
dots)
Photon antibunching“
”
(Kimble, Dagenais, Mandel 1977)
kann klassisch nicht erklärt werden
; gilt endlich als Nachweis der Teilchennatur des Lichts.
Erklärung im Photonenbild ganz einfach:
Atom =
b Zwei-Niveau-System
Fluoreszenz → angeregtes Atom geht von Energie E1 zu E0
über, emittiert dabei ein Photon.
Nachdem das geschehen ist, kann nicht sofort ein zweites emittiert werden.
8
KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE
1.3
Wissensfragen
1. Erläutern Sie ein Experiment, daß auf den Teilchencharakter von Licht
hindeutet.
2. Erläutern Sie ein Experiment, daß auf den Wellencharakter von Materie
hindeutet.
3. Was ist ein Photon? Welche Energie und welchen Impuls hat ein Photon?
4. Welche Bedeutung hat die Plancksche Konstante und wie groß ist sie?
Kapitel 2
Wellenmechanik
c Copyright 2012 Friederike Schmid1
2.1
Grundkonzepte
Allgemeine Vorbemerkungen
Experimente legen nahe:
(i) Licht (klassische Welle) hat Teilchencharakter
(ii) Materie (klassische Teilchen) hat Wellencharakter
In diesem Kapitel wird Aspekt (ii) behandelt
; historischer (klassischer) Zugang zur Quantenmechanik
- Daran kann man die wichtigsten Konzepte der Quantenphysik erarbeiten
- Man kann schon sehr viel ausrechnen
- Vergleichsweise anschaulich
In Kapitel 3 S.47: Verallgemeinerung der Konzepte aus Kapitel 2 S.9, wodurch
Quantentheorie zu einer sehr mächtigen und vielseitigen Theorie wird.
Spätere Kapitel: Anwendungen
Aspekt (ii) (Teilchencharakter des Lichts) wird in dieser Vorlesung nicht mehr
behandelt: Gegenstand der Quantenoptik.
Problem: Photonenzahl nicht erhalten ; brauche eine Beschreibung, die
Teilchenerzeugung und Teilchenvernichtung zuläßt
; das leistet erst die Quantenfeldtheorie, ist hier noch nicht vorgesehen.
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Mainz, SS 2012.
Letzte Änderung der PDF-Datei am 09.06.12.
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10
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
Weitere Einschränkungen in diesem Kapitel:
• Betrachte im allgemeinen nur ein Teilchen
; 1-3 dimensionale Welle, je nach Raumdimension
Mehrere Teilchen können zwar auch innerhalb der Wellenmechanik
behandelt werden, soll aber trotzdem erst in Kapitel 3 S.47 geschehen
(Ausnahme: Kapitel 2.3 S.38 → Zweikörperproblem)
• Nichtrelativistisch
(Relativistisch → siehe Quantenmechanik II)
Fragen:
- Beschreibung der Wellen? Entwicklungsgesetze?
(→ Schrödingergleichung)
- Interpretation der Wellen?
(→ Wahrscheinlichkeitsinterpretation“)
”
2.1.1
De Broglie-Wellen ( freie Teilchen“)
”
2.1.1.1
Einstein-de Broglie-Relationen und ebene Wellen
Ansatz von de Broglie:
Materieteilchen lassen sich als Welle beschreiben
Für freie Materieteilchen gelten dieselben Relationen wie für Licht:
E = h · ν und p = h/λ
mit h = 6.6 · 10−34 Js
In Zukunft andere Schreibweise: Statt ν (Frequenz) und λ (Wellenlänge) benutze ω = 2πν ( Winkelgeschwindigkeit“ des Phasenwinkels) und Wel”
lenvektor ~k: zeigt in Richtung p~, Betrag |~k| = 2π/λ
⇒ E = ~ω und p~ = ~~k mit ~ = h = 1.05 · 10−34 Js
2π
Zusammenhang zwischen ω und k folgt aus E = p2 /2m
~k 2
⇒ ω(~k) =
2m
p
(Alternativ kann man auch E = m2 c4 + p2 c2 ≈ mc2 + p2 /2m zugrunde
legen. Zusatzterm mc2 stört nicht weiter.)
Folgerung: Ein Teilchen mit Impuls p~ und Energie E hat die Wellenfunktion
~
i
ψ(~r, t) = N ei(k~r−ωt) = N e ~ (~p~r−Et)
; Gleichung für eine ebene Welle
NB: Unendlich ausgedehnt, keine räumliche Beschränkung!
2.1. GRUNDKONZEPTE
2.1.1.2
11
Superpositionsprinzip und Wellenpakete
Eine Theorie, in der alle Teilchenwellen unendlich ausgedehnt sind, kann offenbar die Realität nicht befriedigend beschreiben.
Deshalb nächster Schritt: Wellenfunktion kann auch eine beliebige Überlagerung (lineare Kombination) ebener Wellen sein ; Superpositionsprinzip
⇒ Allgemeine Form einer Wellenfunktion
Z
ψ(~r, t) =
~
d~k ei(k~r−ωt) f (~k) =
Z
1
√
d
2π~
| {z }
i
d~
p e ~ (~p~r−Et) ψ̃0 (~
p)
Vorfaktor
d: Raumdimension
Vorfaktor: hier zunächst willkürlich. Motivation wird später ersichtlich.
Dabei gilt nach wie vor ω = ω(~k) = ~k 2 /2m bzw. E = E(p) = p2 /2m.
Vorteil: Eine solche Wellenfunktion kann räumlich lokalisiert sein.
(Man spricht dann von einem Wellenpaket.)
”
Nachteil: Impuls p bzw. Energie E nicht mehr eindeutig bestimmt.
→ Unschärferelation: Ort und Impuls können nicht gleichzeitig scharf
definiert sein! (mehr dazu in 2.1.5 S.26)
Deutung des Wellenpakets (Max Born):
ψ=
b Führungsfeld“, bestimmt Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ|2
”
|ψ(~r, t)|2 d~r gibt Wahrscheinlichkeit an, das Teilchen zur Zeit t innerhalb
eines infinitesimalen Volumens d~r um ~r zu finden.
(; Wahrscheinlichkeit,
es in makroskopischem Volumen V zu finden:
R
2
PV = d~r |ψ(~r, t)| )
V
2.1.1.3
Normierung von de Broglie-Wellen
R
Wahrscheinlichkeitsdeutung ; ψ normiert:
d~r |ψ(~r, t)|2 = 1
ganzer Raum
Problem: Beinhaltet natürlich
R
d~r |ψ|2 < ∞ (ψ quadratisch integrierbar).
i
Das ist aber bei ebenen Wellen, ψ = N e ~ (~p~r−Et) , nicht erfüllt.
; Ebene Wellen nicht normierbar;
trotzdem würden wir sie gern behalten.
12
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
Abhilfemöglichkeiten:
(i) Praktische Variante: Boxnormierung
Funktionen sind nur innerhalb eines sehr großen, aber
endlichen Volumens V definiert, z.B. Würfel mit Kantenlänge L und periodischen Randbedingungen (d.h.
gegenüberliegende Seiten werden miteinander identifiziert).
i
Dann ist Normierung kein Problem: ψ = √1V e ~ (~p~r−Et)
Aber: Nicht mehr alle Impulse möglich, sondern nur
noch die, deren Komponenten px , py , pz ganzzahlige
Vielfache von ~ 2π
L sind. Wenn L sehr groß ist, macht
das nichts.
NB: Wem periodische Randbedingungen zu unrealistisch sind, der kann
auch andere wählen ; kaum Unterschied, da der Einfluss des Randes
auf Verteilungsdichte der erlaubten Impulse p~ im Bereich großer |~
p|
sehr gering ist.
(ii) Formalere Variante: Normierung auf δ-Funktion
(Kurze Einführung in δ-Funktion siehe Kapitel 2.1.2 S.15)
Z
i
Normiere ψp~ = N e ~ (~p~r−Et) so, dass
d~r ψp~∗ (~r, t)ψp~0 (~r, t) = δ(~
p − p~0 )
; N =√
2.1.1.4
1
d
(d=Raumdimension)
(siehe dazu 2.1.2.1 S.15, Ende)
2π~
Zeitliche Entwicklung von de Broglie Wellenpaketen
Der Einfachheit halber in einer Dimension
Betrachte Wellenpaket, das zur Zeit t = 0 räumlich lokalisiert ist.
Wellenvektor k ≈ k0 → Impuls p ≈ p0 = ~k0
Zur Zeit t = 0: ψ(x, t = 0) =
R
dk eikx f (k)
; spätere Entwicklung: ψ(x, t) =
Was bedeutet das konkret?
Z
dk ei(kx−ω(k)t) f (k) mit ω(k) =
~k2
2m
2.1. GRUNDKONZEPTE
13
(i) Phasengeschwindigkeit (Geschwindigkeit der Wellenberge“)
”
Punkte gleicher Phase ; (kx − ω(k)t) ≡ const ; dx/dt = ω/k.
⇒ Phasengeschwindigkeit vph = ω/k ≈ ~k0 /2m = p0 /2m
; unterscheidet sich immer um Faktor 1/2 vom klassischen Wert p0 /m
; zunächst irritierend, denn klassische Mechanik sollte ja in bestimmten
Grenzfällen richtig sein.
Aber: Phasengeschwindigkeit ist für die Geschwindigkeit des Wellenpakets
de facto nicht maßgeblich. Was zählt, ist die Geschwindigkeit der
Einhüllenden = Gruppengeschwindigkeit.
(ii) Gruppengeschwindigkeit vg (Geschwindigkeit der Einhüllenden)
R
Analysiere genauer ψ(x, t) = dk ei(kx−ω(k)t) f (k):
Verteilung f (k) stark gepeakt bei k = k0
; k ≈ k0 im relevanten Bereich
→ Entwickle ω(k) ≈ ω(k0 ) + dω
dk |k0 (k − k0 ) + ...
0 )t)
⇒ ψ(x, t) = e|i(k0 x−ω(k
{z
}
Ebene Welle
mir E(x, t) ≈
R
dξ
Z
dω
dk ei(k−k0 )(x− dk |k0 t)+... f (k)
|
{z
}
Einhüllende E(x,t)
|
t)
iξ(x− dω
dk k0 f (k0 + ξ) =: Ẽ(x
e
−
dω
dk |k0 t)
⇒ Einhüllende hängt vor allem von (x − dω
dk |k0 t) ab
; bewegt sich mit Geschwindigkeit vg = dω
dk |k0 fort.
dω
~k0
p0
|k =
=
dk 0
m
m
Paßt zur klassischen Geschwindigkeit
⇒ Gruppengeschwindigkeit vg =
(iii) Zeitliche Entwicklung der Form der Einhüllenden
Wird von höheren Termen in der Entwicklung ω(k) bestimmt:
1 d2 ω
2
ω(k) ≈ ω(k0 ) + dω
dk |k0 (k − k0 ) + 2 dk2 |k0 (k − k0 ) + ...
2
2
~
Falls sie nicht verschwinden ( ddkω2 6= 0 etc.; Hier ddkω2 = m
6= 0)
; Einhüllende verbreitert sich, Wellenpaket zerfließt
(Beweis: Übungsaufgabe)
14
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.1.1.5
Beispiel: Gaußsches Wellenpaket in einer Dimension
(k−k0 )2
Verteilung der Wellenvektoren: f (k) = C exp − 2(∆k)2
→ Gaußsche Verteilung mit Breite ∆k
R
⇒ ψ(x, t = 0) =
ξ=
eikx
dk f (k)
(k−k0 )
∆k
=
C ∆k
τ =ξ+ix∆k
=
R
=C
dξ e−ξ
R
dk e
2 /2
ikx−
(k−k0 )2
2(∆k)2
0)
eix(ξ∆k+k
Z
2 /2
C ∆k eik0 x e(−ix∆k)
2
dτ e−τ /2
{z
}
|
√
= C ∆k
√
2π
eik0 x
e
2π
−x2 / 2 2
(∆k)
; Wellenpaket zur Zeit t=0: Einhüllende hat Gaußsche Form
mit Breite ∆x = 1/∆k (; ∆x · ∆k = 1)
Zeitliche Entwicklung:
(1)
ψ(x, t) =
R
(2)
z}|{
z}|{
dk f (k) ei(kx− ω(k) t)
(2)
(2)
z
}|
{
Trick: ω(k) − ω(k0 ) =
z
~
2
2m (k
−
k02 )
}|
{
~
~
2
=
(k − k0 ) + k0 (k − k0 )
2m
|m{z }
vg
(1)
(2)
z }| { z }| {
(2)
(1)
(2)
z}|{ R
(k−k0 )2
z}|{
z}|{
~
2t
−
−i
/
(k−k
)
0
2
i(k
x−
ω(k
)
t)
i(k−k
)(x−
vg t)
2m
0
0
dk |e 2(∆k) {z
= C e 0
}e
2
e−ξ /2
q
1
i~
Setze ξ = (k − k0 ) (∆k)2 + m t
q
1
i~
R
+m
t
2 /2 i(x−vg t)ξ/
1
i(k
x−ω(k
)t)
−ξ
(∆k)2
0
0
q
=Ce
dξ e
e
1
i~
+m
t
(∆k)2
√
R
2
2
−ξ
/2
ibξ
−b
/2
dξe
e = 2πe
(b ∈ C)
√
=C
⇒
|ψ(x, t)|2
−(x−vg t)2 /2(
2π
q
1
i~
+m
t
(∆k)2
=
|C|2 q
ei(k0 x−ω(k0 )t) e
−
2π
2 t2
m2
1 4 ~
( ∆k
) +
e
1
i~
+m
t)
(∆k)2
2 2
(x−vg t)2
[ 1 2 + ~ t2 (∆k)2 ]−1
2
(∆k)
m
Gaußkurve mit Zentrum vg t und Breite ∆x(t) =
q
1
(∆k)2
; Verbreiterung des Wellenpakets gemäß
∆x(t)2 = ∆x(0)2 +
1
~2 t2
∆x(0)2 m2
+
~2 t2
(∆k)2
m2
2.1. GRUNDKONZEPTE
2.1.2
15
Mathematischer Einschub
Zur δ-Funktion und zur Fouriertransformation
(siehe dazu auch Cohen-Tannoudji, Bd. 2, Anhang)
2.1.2.1
Die Diracsche δ-Funktion
Zunächst in einer Dimension
(a) Formale Definition: δ definiert eine Abbildung
C∞ −→ R
Z
f (x) 7−→
dx f (x) δ(x − x0 ) := f (x0 )
vom Raum C : w∞ der ∞ oft differenzierbaren Funktionen auf R nach R.
(b) Anschauliche Vorstellung:
Eine bei xR= 0 sehr scharf gepeakte Funktion mit dx δ(x) = 1, δ(x) = 0 für
|x| 0. Peak muss schmäler sein als jede
charakteristische Längenskala der Funktion f(x), auf die die δ-Funktion angewendet
werden soll.
(c) Darstellung als Grenzwert glatter Funktionen:
q
2
x
1 1 − 22
e
2π
→0
2
1
lim (sinaxax)
2
π a→∞
1
lim sinxax (oszilliert
π a→∞
(i)
δ(x) = lim
(ii)
δ(x) =
(iii)
δ(x) =
außerhalb x = 0 so schnell, dass
Beiträge zu Integralen wegfallen)
(d) Darstellung als Integral
1
δ(x) =
2π
Z∞
dk eikx
−∞
(e) Rechenregeln (ohne Beweis)
δ(x) = 0 für x 6= 0
x · δ(x) = 0
δ(−x) = δ(x)
(→ δ(x) ist eine gerade Funktion)
δ(x − y) · f (x) = δ(x − y) · f (y)


1 x > 0
Rx
dy δ(y) = Θ(x) = 21 x = 0

−∞

0 x<0
δ(ax) =
1
|a| δ(x)
(Stufenfunktion)
16
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
δ(ϕ(x)) =
1
|ϕ0 (xi )| δ(x
P
Nullstellen
xi vonϕ(x)
− xi )
Ableitungen:
R 0
δ (x − x0 )f (x) dx = −f 0 (x0 )
δ 0 (x) = −δ 0 (−x)
(ungerade Funktion)
R (n)
δ (x − x0 )f (x) dx = (−1)n f (n) (x0 )
(f) Verallgemeinerung auf d = 3 Dimensionen
δ(~r − r~0 ) = δ(x − x0 ) · δ(y − y0 ) · δ(z − z0 )
1
δ(~r) = ( )d
2π
Z
~
dd k eik~r
(Analog geht natürlich Verallgemeinerung auf beliebige Dimensionen)
Bemerkung: Damit ist die δ-Funktions-Normierung der ebenen de Brogliei
(~
p~
r−Et)
1
~
(Kapitel 2.1.1.3 S.11) klar:
de
2π~ Z
R
i
i ~0
√
1
~0
d~
r ψp~∗ (~
r, t)ψp~0 (~
r, t) =
d~
r e ~ (p −~p)~r ·e− ~ (E(~p)−E(p ))t = δ(~
p − p~0 )
(2π~)d
{z
}
|
Wellen ψp~ (~r, t) =
√
δ(~
p−p~0 )
2.1.2.2
Fouriertransformation
Wieder zunächst in einer Dimension
(a) Definition
Gegeben sei eine Funktion f(x): R → C
Die Fouriertransformierte von f ist, falls sie existiert, definiert durch
Z
1
f˜(k) := √
dx e−ikx f (x)
2π
Für Umkehrung gilt:
1
⇔ f (x) = √
2π
Z
dk eikx f˜(k)
R
R
0
(NB: Einsetzen → f (x) = √1
dk eikx √1
dx0 e−ikx f (x0 )
2π
2π
Z
R
0
√
1
= dx0 f (x0 )
dkeik(x−x ) = f (x)
)
2π
|
{z
}
δ(x−x0 )
2.1. GRUNDKONZEPTE
17
Bedingungen für Existenz der Fouriertransformierten
(hinreichend, aber nicht notwendig)
- Dirichletsche Bedingungen: f(x) stückweise stetig,
hat in jedem endlichen Intervall höchstens endlich viele endliche
Sprungstellen, an denen rechtsseitiger und linksseitiger Limes
existiert.
R
- f(x) absolut integrierbar, dx|f (x)| < ∞
(b) Eigenschaften
(i) Linearität:
h(x) = af (x) + bg(x) ⇔ h̃(k) = af˜(k) + bg̃(k)
(ii) Translation:
h(x) = f (x − a)
⇔ h̃(k) = e−ika f˜(k)
(iii) Produkt:
h(x) = f (x · a)
⇔ h̃(k) =
dn
dxn f (x)
(iv) Ableitungen: h(x) =
1 ˜ k
|a| f ( a )
⇔ h̃(k) = (ik)n f˜(k)
dn ˜
⇔ h̃(k) = in dk
n f (k)
h(x) = xn f (x)
⇔ f˜∗ (k) = f˜(−k)
(v) Symmetrien: f (x) reellwertig
f (x) rein imaginär
⇔ f˜∗ (k) = −f˜(−k)
Z
Z
2
(vi) Parsevalsche Gleichung:
dx|f (x)| = dk|f˜(k)|2
Z
bzw. verallgemeinerte Version:
(Beweis:
=
R
R
dk · f˜∗ (k) · g̃(k) =
dxf ∗ (x)
R
R
1
dk · √
2π
|
1
dx0 g(x0 )
2π
|
Z
Z
dxf ∗ (x)g(x) =
Z
dk f˜∗ (k)g̃(k)
1
dx e+ikx f ∗ (x) · √
2π
{z
} |
Z
f˜∗ (k)
0
dkeik(x−x ) =
{z
}
R
g̃(k)
√
dxf ∗ (x)g(x)
)
δ(x−x0 )
(vii) Faltungssatz:
(Beweis: Übungsaufgabe)
Z
h(x) =
0
dx0 e−ikx g(x0 )
{z
}
dyf (y)g(x − y) ⇔ h̃(k) =
√
2π f˜(k)g̃(k)
(c) Verallgemeinerung auf d Dimensionen
1
f˜(~k) = √ d
2π
Z
d~r e
−i~k~
r
f (~r) ⇔ f (~r) = √
Z
1
2π
d
~
d~k eik~r f˜(~k)
18
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
(d) Fouriertransformierte in der Quantenmechanik
In der Quantenmechanik wird mittels Fouriertransformation zwischen
Ort ~r und Impuls p~ hin- und hergeschaltet.
Die Transformation wird hier üblicherweise so definiert:
Z
Z
i
1
1
~~
r
− ~i p
ψ̃(~
p) = √
ψ(~r) ⇔ ψ(~r) = √
p)
d~r e
d~
p e ~ p~~r ψ̃(~
d
d
2π~
2π~
√ d
(Beachte den Faktor 1/ ~ wegen
i
p
~~
r)
~
Es gelten die gleichen Rechenregeln wie oben, insbesondere die Parsevalsche Gleichung:
Z
Z
∗
d~r ψ (~r) ψ(~r) = d~
p ψ̃ ∗ (~
p) ψ̃(~
p)
√
√
(Man kann es so auffassen, dass ~r/ ~ und p~/ ~ ineinander transformiert
werden. Damit kann man alle Regeln aus (b) übernehmen.)
(e) Beispiele für Fouriertransformationen
f (x) = e−x
(i) Gaußverteilung
denn f˜(k) =
(b)
=
√1
2π
∞
R
dx e−ikx e−x
2
−∞
2 2
√1 e−k a /2
2π
2 /2a2
2 2
⇔ f˜(k) = a · e−k a /2
∞
R
2 2
/2a2 (a)
= √1 e−k a /2
2π
−∞
∞+ika
R
dy e−y
−∞+ika
2
2
dx e−(x+ika)
2 2
/2a2 (c)
= √1 e−k a /2
2π
Z∞
/2a2
dy e−y
2
/2a2
√
−∞
|
{z
√
}
2πa
wobei:
(ika)2
(a) −ikx − x2 /a2 = − 2a12 (x + ika)2 + 2a2
(Quadratische Ergänzung)
(b) Variablensubstitution: y = x + ika
(c) Verschiebung des Integrationswegs auf reelle Achse:
1
(ii) Lorentzverteilung f (x) = 2
⇔ f˜(k) =
x + a2
denn f˜(k) =
√1
2π
∞
R
−∞
√
= − 2πi
(b)
√
= − 2πi
(a)
1
√1
dx e−ikx x2 +a
2 = −
2π
P
Eingeschlossene
Pole z0
lim
z→(−i|a|)
H
r
π 1 −k|a|
e
2 |a|
(a reell)
1
dz e−ikz z2 +a
2
(c) √
1
1
−ikz
Res(e−ikz z2 +a
, −i|a|)
2 , z0 ) = − 2πiRes(e
z 2 +a2
√
1
e−ikz z2 +a
2 (z + i|a|) = − 2πi
e−ikz
lim
z→(−i|a|) z−i|a|
√
wobei:
(a) Schließen des Integrationswegs (Unterer Halbkreis
liefert keinen Beitrag,
denn z → x − i∞ ⇒ e−ikz → e−∞ = 0))
(b) Residuensatz
(c) 1/(z 2 + a2 ) hat zwei einfache Pole bei z0 = ±i|a|, davon ist nur −i|a| im Integrationsweg eingeschlossen (d.h. in der unteren Halbebene).
2.1. GRUNDKONZEPTE
2.1.3
19
Die Schrödingergleichung
Ziel: Verallgemeinerung der Beschreibung von Wellenfunktionen für freie Teilchen auf Teilchen in beliebigem Potential V (x).
Naiver“ Versuch:
”
Ausgehend von Einstein de Broglie Beziehungen E = ~ω und p = ~k
p2
und dem klassischen Zusammenhang E = 2m
+ V (x) einfach k und p
p
ortsabhängig zu machen: p(x) = 2m(E − V (x)).
Verallgemeinerung der de Broglie-Welle wäre also:
e
i
(px−Et)
~
→e
Rx
i
(
~
x0
dy p(y)−Et)
; Essenz der sogenannten WKB“-Näherung (Wentzel, Brillouin, Kra”
mer)
Problem damit:
Funktioniert nur, solange p(x) auf deutlich größeren Längenskala variiert
p
2π~ p0 (x)
als Wellenlänge λ = 2π
k = p , ( p(x) k = ~ )
⇒ Taugt nicht als allgemeine Theorie
(aber recht erfolgreich für spezielle Probleme, z.B. Tunneleffekt)
Zugang hier:
Bestimme Bewegungsgleichung für freie Teilchen.
Suche nach geeigneter Verallgemeinerung dieser Bewegungsgleichung
2.1.3.1
Schrödingergleichung für freie Teilchen (de Broglie-Wellenpakete)
Gesucht: Differentialgleichung für ψ(~r, t) mit allgemeiner Lösung
ψ(~r, t) = √
Z
1
d
i
p2
d~
p e ~ (~p~r− 2m t) ψ̃0 (~
p)
(∗)
2π~
Bedingung: Es soll das Superpositionsprinzip gelten
(Eine Linearkombination von Lösungen ist selber eine Lösung)
⇒ Differentialgleichung muss linear und homogen sein.
Lösung: Einfacher im Impulsraum“ zu finden
”
i p2
Die Fouriertransformierte von ψ(~r, t) ist: ψ̃(~
p, t) = ψ̃0 (~
p)e− ~ 2m t
; Einfache Exponentialfunktion, ; Lösung der Gleichung:
p2
∂
p, t) = − ~i 2m
ψ̃(~
p, t)
∂t ψ̃(~
Etwas umgestellt:
i~
∂
p2
ψ̃(~
p, t) =
ψ̃(~
p, t)
∂t
2m
(∗∗)
20
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
√
√
Rücktransformation in den Ortsraum“ (~
p/ ~ ↔ ~r/ ~)
”
∂
∂
Linke Seite von (∗∗): i~ ∂t
ψ̃(~
p, t) → i~ ∂t
ψ(~r, t)
Rechte Seite von (∗∗):
p2
p, t)
2m ψ̃(~
2
~
→ − 2m
∆ψ(~r, t)
2
d√
ψ(x, t)
(Beweis in 1 Dimension: ( √p )2 ψ̃(p, t) → (−i)2
~
d(x/ ~)2
2
√
d
2
2
also p ψ̃(p, t) → −~ dx2 ψ(x, t)
P
p, t)
Beweis in 3 Dimensionen: p
~2 ψ̃(~
p, t) = 3α=1 p2α ψ̃(~
P
2
√
3
d
r, t) = −~2 ∆ψ(~
r, t)
)
→ −~2 α=1 d~r2 ψ(~
α
∂
~2
ψ(~r, t) = −
∆ψ(~r, t)
∂t
2m
(Setze Lösung (∗) ein → passt!)
⇒ Freie Schrödingergleichung:
2.1.3.2
i~
Verallgemeinerung für Teilchen im äußeren Potential V (~r)
2
p
∂
Vergleiche i~ ∂t
ψ̃(~
p, t) = 2m
ψ̃(~
p, t) = Ekin ψ̃(~
p, t) mit der freien Schrödinger~2
∂
gleichung i~ ∂t ψ(~r, t) = − 2m ∆ψ(~r, t)
;
2
− ~ ∆ “ steht für Ekin“ (kinetische Energie)
”
” 2m
Verallgemeinerung: Ekin → Ekin + V (~r)
; Vollständige Schrödingergleichung
mit Ĥ = −
i~
∂
ψ(~r, t) = Ĥψ(~r, t)
∂t
~2
∆ + V (~r) : Hamiltonoperator“
”
2m
Eigenschaften dieser Differentialgleichung
• linear und homogen
⇒ Superpositionsprinzip gilt nach wie vor. Wenn ψ1 und ψ2 die
Schrödingergleichung lösen, dann auch αψ1 +βψ2
(α, β ∈ C)
• Erster Ordnung in der Zeit t
⇒ ψ(~r, t0 ) zu gegebener Zeit t0 charakterisiert vollständig die Wellenfunktion ψ(~r, t) zu allen Zeiten.
(vgl. klassische Mechanik: Bewegungsgleichungen zweiter Ordnung
in t → Vollständige Charakterisierung erfordert Angabe von Ort
und Impuls.)
2.1. GRUNDKONZEPTE
2.1.4
21
Interpretation von Materiewellen
2.1.4.1
Wahrscheinlichkeitsdichten
(a) Materiewellen in Ortsdarstellung (siehe 2.1.1.2 S.11)
|ψ(~r, t)|2 = Wahrscheinlichkeitsdichte dafür, dass das Teilchen zur Zeit
t am Ort ~r vorgefunden wird.
R
Normierung: d~r|ψ(~r, t)|2 = 1
(Schwierigkeiten damit nur bei ebenen Wellen, siehe 2.1.1.3 S.11)
(b) Materiewellen in Impulsdarstellung
Impulsdarstellung: ψ(~r, t) wird zerlegt gemäß
R
i
ψ(~r, t) = √ 1 d d~
p e ~ p~~r ψ̃(~
p, t)
2π~
; ψ̃(~
p, t) ist Anteil“ des Impulses p~ am Wellenpaket.
”
Legt analoge Wahrscheinlichkeitsdeutung wie bei (a) nahe:
|ψ̃(~
p, t)|2 = Wahrscheinlichkeitsdichte im Raum der Impulse p~ dafür, dass
das Teilchen zur Zeit t bei einer Impulsmessung mit dem Impuls p~
vorgefunden wird.
Normierung
stimmt automatisch,
da (Parsevalsche Gleichung)
R
R
∗
2
∗
2
d~
p|ψ̃ (~
p, t)| = d~r|ψ (~r)| (= 1)
2.1.4.2
Wahrscheinlichkeitsstrom und Kontinuitätsgleichung
Erinnerung an Kontinuitätsgleichung allgemein: Gegeben sei eine beliebige
Dichtefunktion ρ(~r, t), z.B. Teilchendichte. Es gelte lokale Teilchenzahlerhaltung, d.h. Teilchen können sich nur stetig fortbewegen (über Flüsse).
∂
~ (~r, t)
Dann folgt daraus, dass eine Gleichung der Form ∂t
ρ(~r, t) = −∇~
gelten muss (Kontinuitätsgleichung). ~ ist der Strom.
Hier Wahrscheinlichkeitsdichte
|ψ(~r, t)|2 . Gesamtwahrscheinlichkeit natürlich
R
2
erhalten ( d~r|ψ(~r, t)| = 1). Frage: Gilt das auch lokal?
∂
~ (~r, t)
; Suche Kontinuitätsgleichung für |ψ|2 :
|ψ(~r, t)|2 = −∇~
∂t
Rechnung
∂
|ψ|2
∂t
=
∂
(ψ ∗ ψ)
∂t
∂
∂ ∗
= ψ ∗ ∂t
ψ + ψ ∂t
ψ
2
∂
~
Schrödingergleichung: i~ ∂t
ψ = − 2m
∆ψ + V ψ
∂
~
V
∂ ∗
~
ψ = − 2mi
∆ψ + i~
ψ; ∂t
ψ = 2mi
∆ψ ∗ −
⇒ ∂t
~
∗
∗
= − 2mi (ψ ∆ψ − ψ∆ψ )
V ∗
ψ
i~
~ ∗ ∇ψ
~ − ψ ∇ψ
~ ∗ ) = (∇ψ
~ ∗ )(∇ψ)
~
~
~ ∗ ) − ψ∆ψ ∗
∇(ψ
+ ψ ∗ ∆ψ − (∇ψ)(
∇ψ
~
~
~ − ψ ∇ψ
~ ∗ )} := −∇~
~
= −∇{
(ψ ∗ ∇ψ
2mi
⇒ Wahrscheinlichkeitsstrom: ~ =
~
~ − ψ ∇ψ
~ ∗)
(ψ ∗ ∇ψ
2mi
~ mit dem
Bemerkung: Wir werden in Kürze sehen, dass der Operator ~/i∇
Impuls p~ gleichgesetzt werden kann. Dann folgt mit ~v = p~/m das intuitive
Ergebnis ~j ∼ ψ ∗~v ψ.
22
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.1.4.3
Erwartungswerte
(a) Fragestellung
Wahrscheinlichkeitsinterpretation:
Physikalische Größen (Ort, Impuls, ...) nicht mehr scharf definiert, aber
man kann immerhin noch ihren Erwartungswert angeben: Statistischer
Mittelwert des Messergebnisses nach unendlich vielen Wiederholungen
desselben Experiments.
• Rein ortsabhängige Größen
f (~r) (z.B. V (~r))
R
; klar: hf (~r)i = d~rf (~r)|ψ(~r, t)|2
• Rein impulsabhängige Größen
f (~
p) (z.B. Ekin = p2 /2m))
R
; auch klar: hf (~
p)i = d~
pf (~
p)|ψ̃(~
p, t)|2
Aber: Was ist mit Größen, die von Ort und Impuls abhängen?
~ = ~r × p~)
(z.B. Drehimpuls L
; Brauche Verfahren, das mir erlaubt, Erwartungswerte vom Impuls p~ oder
von abgeleiteten Größen f (~
p) auch in Ortsdarstellung, aus ψ(~r, t) auszurechnen - bzw. umgekehrt, Erwartungswerte des Ortes ~r und abgeleiteter
Größen f (~r) aus ψ̃(~
p, t).
; Diskutiere zunächst das erste Problem (Berechnung von hpi und hf (p)i aus
ψ(x, t) für den Fall eines eindimensionalen Systems.
(b) Berechnung des Erwartungswerts hpi des Impulses
(eindimensional)
R
hpi = dp p |ψ̃(p, t)|2
R
R
R 0 − i px0
i
1
1
= dp p √2π~
dx e ~ px ψ ∗ (x, t) √2π~
dx e ~ ψ(x0 , t)
Z
R
R
i
1
0
= dx ψ ∗ (x, t) dx0 ψ(x0 , t)
dp p e ~ p(x−x )
| {z }
2π~
− ~i
|
1
d
− ~i dx
0
2π~
|
i
0
d
e ~ p(x−x )
dx0
}
Z{z
i
0)
p(x−x
dp e ~
{z
}
0
δ(x −x)
R
R 0
~ d
∗
0
0
= R dx ψ (x, t) dx ψ(x , t) (− i ) dx0 δ(x − x)
d
= dx ψ ∗ (x, t) ~i dx
ψ(x, t)
; hpi =
Z
∗
dp ψ̃ (p, t) p ψ̃(p, t) =
Z
dx ψ ∗ (x, t)
~ d
ψ(x, t)
i dx
Struktur ähnlich in Orts- und Impulsdarstellung, p ersetzt durch
~ d
i dx
2.1. GRUNDKONZEPTE
23
(c) Berechnung des Erwartungswerts hf (p)i von Funktionen des
Impulses
• Betrachte Taylor-Reihe
von f (p): f (p) =
P∞
k
; hf (p)i = k=0 fk hp i
P∞
k=0 fk p
k
• Berechnung
von hpk i kann analog wie Roben durchgeführt werden.
R
d k
hpk i = dp ψ̃ ∗ (p, t) pk ψ̃(p, t) = . . . = dx ψ ∗ (x, t) ( ~i dx
) ψ(x, t)
(Details der Rechnung: Übungsaufgabe)
d k
; Hier wird pk ersetzt durch ( ~i dx
)
• Beides zusammengenommen, erhält man
Z
Z
~ d
∗
hf (p)i = dp ψ̃ (p, t) f (p) ψ̃(p, t) = dx ψ ∗ (x, t) f (
) ψ(x, t)
i dx
d
wobei f ( ~i dx
) ein Operator ist, formal definiert durch Potenzreihe
∞
f(
X
~ d
~ d k
)=
fk (
)
i dx
i dx
k=0
1 dk
mit fk = k!
f (τ )|τ =0 (Taylorentwicklung)
dτ k
2
p
d
~2 d2
⇒ f ( ~i dx
) = − 2m
X)
(z.B. f (p) = 2m
dx2
Beachte: Funktion f kann zusätzlich noch von x abhängen.
(d) Fazit:
In Ortsdarstellung (eindimensional) errechnet man Erwartungswert von FunkZ
~ d
tionen f (x, p) durch
hf (x, p)i = dx ψ ∗ (x, t) f (x,
) ψ(x, t)
i dx
d
; Impuls p wird formal durch Operator ( ~i dx
) ersetzt: p ↔
~ d
i dx
Für die Impulsdarstellung kann man ähnliche Überlegungen anstellen. Man
Z
Z
~ d
∗
erhält: hxi = dx ψ (x, t) x ψ(x, t) = . . . = dp ψ̃ ∗ (p, t) (−
) ψ̃(p, t)
i dp
Z
hf (x, p)i =
dp ψ̃ ∗ (p, t) f (−
~ d
, p) ψ̃(p, t)
i dp
d
; Ort x wird formal durch Operator (− ~i dp
) ersetzt: x ↔ −
~ d
i dp
d
d
Achtung: Übersetzung“ f (x, p) → Operator f (x, ~i dx
) bzw. f (− ~i dp
, p) nicht
”
immer eindeutig, da Reihenfolge von x“ und p“ wichtig wird. (Zum
”
”
Beispiel ist hxpi =
6 hpxi, siehe Beispiel (iii).)
24
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
(e) Verallgemeinerung auf drei Dimensionen
Ersetzungsvorschrift
in Ortsdarstellung:
in Impulsdarstellung:
~
p~ ↔ ~i ∇
~ p~
~r ↔ − ~i ∇
~ p~ = ( ∂ , ∂ , ∂ )
mit ∇
∂px ∂py ∂pz
⇒ Erwartungswert für Funktionen f (~r, p~)
R
~ ψ(~r, t)
in Ortsdarstellung:
hf (~r, p~)i = d~r ψ ∗ (~r, t) f (~r, ~i ∇)
R
~ p~ , p~) ψ̃(~
in Impulsdarstellung: hf (~r, p~)i = d~
p ψ̃ ∗ (~
p, t) f (− ~i ∇
p, t)
(f ) Beispiele
(i) Gesamtenergie bzw. Hamiltonfunktion H (~r, p~) =
p
~2
2m
+ V (~r)
~ 2 = −~2 ∆
In Ortsdarstellung ist p~2 ↔ ( ~i ∇)
R
R
~2
⇒ hH i = d~r ψ ∗ (~r, t) [− 2m
∆ + V (~r)] ψ(~r, t) =: d~r ψ ∗ (~r, t) Ĥ ψ(~r, t)
mit Ĥ =
p~2
~2
+V =−
∆+V
2m
2m
= Hamiltonoperator (vgl. 2.1.3.2 S.20)
~ = ~r × p~
(ii) Drehimpuls (Bahndrehimpuls) L


∂
∂
− z ∂y
y ∂z
∂
∂ 
~ = ~
In Ortsdarstellung ist ~r × p~ → ~i (~r × ∇)
i z ∂x − x ∂z 
∂
∂
x ∂y
− y ∂x
R
~ ψ(~r, t)
~ = d~r ψ ∗ (~r, t) ~ [~r × ∇]
⇒ hLi
i
R
∂
∂
∗
z.B. hLx i = d~r ψ (~r, t) ~i (y ∂z
− z ∂y
) ψ(~r, t)
Beh. ~
~ p~ ]
p×∇
i [~
∂
~
(da: (∇p~ ×~
p)i ψ̃ = ijk ∂p pk ψ̃ = ijk (∂pk /∂pj ) ψ̃+ijk pk (∂/∂pj )ψ̃) = −ijk pj (∂/∂pk )ψ̃))
j
| {z }
~ p~ ) × p~ =
In Impulsdarstellung ist ~r × p~ → (− ~i ∇
δjk
|
~ =
⇒ hLi
R
{z
=0
}
~ p~ ] ψ̃(~
d~
p ψ̃ ∗ (~
p, t) ~i [~
p×∇
p, t)
~ =
Bemerkung: Dasselbe würde man erhalten, wenn man den Ausdruck L
−~
p×~r übersetzen würde. Hier spielt die Reihenfolge von ~r und p~ keine
Rolle. Im allgemeinen ist das jedoch schon der Fall (siehe (iii)).
(iii) Funktion f (x, p) = 12 (xp + px) (in eindimensionalem System)
Klassisch sind xp, px und f (x, p) = 21 (xp + px) gleich.
In der Quantenmechanik muss allerdings unterschieden werden:
R
d
hxpi
= R dx ψ ∗ (x, t) x ~i dx
ψ(x, t)
~ d
∗
hpxi
= R dx ψ (x, t) i dx x ψ(x,Rt)
Produktregel!
~
d
∗
∗
= dxψ (x, t) i ψ(x, t) + dx ψ (x, t) x ~i dx
ψ(x, t)
~
= i + hxpi
~
hf (x, p)i = 12 ( hxpi + hpxi ) = 2i
+ hxpi
2.1. GRUNDKONZEPTE
2.1.4.4
25
Physikalische Observable und Operatoren
Physikalische Observablen: Größen, die im Prinzip gemessen werden können.
Klassisch: im Allgemeinen Funktionen O(~r, p~, t) (z.B. Energie, Drehimpuls)
Quantenmechanisch: motiviert durch 3)
; Observablen werden Operatoren Ô zugeordnet,
so dass der Erwartungswert einer Messung der Observablen gegeben ist
Z
durch: hOi = d~r ψ ∗ (~r, t) Ô ψ(~r, t)
(Beispiele: p
~ˆ = ~i ∇, ~
rˆ = ~
r)
Als Eigenschaften solcher Operatoren fordern wir:
(I) Linearität: Ô(αψ1 (~r, t) + βψ2 (~r, t)) = αÔψ1 (~r, t) + β Ôψ2 (~r, t) für
~ und abgeleitete Operatoren f (~
α, β ∈ C
(check: Für ~
rˆ, p
~ˆ = ~i ∇
rˆ, p
~ˆ) erfüllt.)
(II) Erwartungswerte sollen reell sein:
R
R
R
d~
rψ ∗ (~
r, t)[Ôψ(~
r, t)] = [ d~
rψ ∗ (~
r, t)Ôψ(~
r, t)]∗ = d~
r[Ôψ(~
r, t)]∗ ψ(~
r, t)
De facto fordern wir noch stärker:
Für quadratintegrable Funktionen ϕ, ψ soll gelten:
Z
Z
∗
d~rϕ (~r, t)[Ôψ(~r, t)] = d~r[Ôϕ(~r, t)]∗ ψ(~r, t)
(?)
; Operator Ô “hermitesch“.
NB: Strenggenommen reicht Hermizität nicht aus, man muß fordern, dass der Operator “selbstadjungiert” ist. Dies beinhaltet
zusätzlich zur Hermizität noch eine subtile Forderung an den
Definitionsbereich von Ô. Mehr dazu siehe Kapitel 3.1 S.47.
√
( Beispiele: Für ~
rˆ, ~
rˆ2 ,. . . klarerweise erfüllt
R
R
R
R
~ ∗ ψ = − ~ d~
~
~ ∗ ψ = − ~ d~
~ ∗ ψ) + d~
r (∇ϕ)
r ∇(ϕ
r ϕ∗ ( ~i ∇ψ)
Für p
~: d~
r ( ~i ∇ϕ)
i
i
|
{z
}
√
=0 (Gauß)
(Gaußscher Satz2 :
R
V
~ ∗ ψ) =
d~
r ∇(ϕ
R
∂V
d~
σ (ϕ∗ ψ) = 0,
wenn Oberfläche ∂V im Unendlichen,
denn ϕ, ψ quadratintegrabel → schnell abfallend.)
ˆ=p
ˆ† R
R
R
R
p
~
~
2
2
ˆ
ˆ
Für p
~ : d~
r (p
~ ϕ)∗ ψ = d~
r (p
~ˆ(p
~ˆϕ))∗ ψ =
d~
r (p
~ˆϕ)∗ (p
~ˆψ) = d~
r ϕ∗ (p
~ˆ2 ψ)
√
etc.)
Bemerkung: Operatoren können im allgemeinen nicht vertauscht werden.
Definiere Kommutator: [Â, B̂] := ÂB̂ − B̂ Â
Im Allgemeinen ist [Â, B̂] 6= 0
Prominentes Beispiel: [x̂, p̂] = i~
( [x̂, p̂]ϕ(x, t) = [x,
2
~ d
]ϕ(x, t)
i dx
= (x ~i
d
dx
−
~ d
x)ϕ(x, t)
i dx
= i~ϕ(x, t) für alle ϕ )
R
Der Gaußsche Satz kann auch für skalare Funktionen f (~
r) angewendet werden: V d~
r ∇ f (~
r) =
σ f (~
r). Um das zu sehen,R stellt man zuerst
∂V d~
R den verallgemeinerten Gaußschen Satz für Matrixwertige Funktionen M (~
r) auf: V d~
r∇ M (~
r) = ∂V d~
σ M (~
r). mit ∇M = ∂i Mij , d~
σ M = dσi Oij . (folgt
aus Anwendung dese Gaußschen Satzes auf die Spaltenvektoren m
~ i = (M1i , M2i , M3i )). Dann setzt
man M = f 1.
R
26
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.1.5
Folgerungen
2.1.5.1
Symmetrie von Orts- und Impulsdarstellung und Bra-Ket
Schreibweise
Beschreibung eines Teilchens → verschiedene Möglichkeiten
(i) Ortsdarstellung:
Wellenfunktion ψ(~r, t)
Physikalische Meßgrößen: Operatoren Ô (~r)
damit werden
Erwartungswerte berechnet gemäß
R
hOi = d~r ψ ∗ (~r, t) Ô (~r) ψ(~r, t)
(~
r)
∂
z.B. x̂(~r) = x, p̂x = ~i ∂x
(ii) Impulsdarstellung:
Fouriertransformierte ψ̃(~
p, t)
Physikalische Meßgrößen: Wieder Operatoren Ô (~p)
Erwartungswerte
werden berechnet gemäß
R
hOi = d~
p ψ̃ ∗ (~
p, t) Ô (~p) ψ̃(~
p, t)
(~
p)
~ ∂
(~
p
)
z.B. x̂ = − i ∂px , p̂x = px
ψ(~r, t) und ψ̃(~
p, t) beschreiben ein- und dasselbe Teilchen. Operatoren Ô (~r)
(~
p
)
und Ô sehen verschieden aus, aber physikalischer Gehalt ist gleich.
; beschreiben dieselbe physikalische Observable, liefern dieselben Erwartungswerte
⇒ Orts- und Impulsdarstellung völlig äquivalent.
Motiviert Einführung einer Notation, die diese Äquivalenz sichtbar macht, also
von der konkreten Darstellung “abstrahiert“.
; Diracsche Bra- Ket- Schreibweise
• ψ(~r, t) bzw. ψ̃(~
p, t) → |ψi: Zustandsvektor“
”
Bra Ket
Z
Z
z}|{ z}|{
Parseval
∗
• Def. hϕ | ψi := d~r ϕ (~r, t) ψ(~r, t) =
d~
p ϕ̃∗ (~
p, t) ψ̃(~
p, t)
(Parsevalsche Gleichung siehe 2.1.2.2 S.16b)
|ψi quadratintegrabel ⇒ hψ|ψi < ∞
|ψi normiert ⇒ hψ|ψi = 1
hϕ|cψi = hc∗ ϕ|ψi = chϕ|ψi für c ∈ C
hψ|ϕi = hϕ|ψi∗
• Observablen =
b Operatoren Ô mit hϕ|Ôψi = hÔϕ|ψi ≡ hϕ|Ô|ψi
; Erwartungswerte hÔi = hψ|Ô|ψi
(|ψi normiert
2.1. GRUNDKONZEPTE
27
• Um Verknüpfung mit bestimmten Darstellungen herzustellen, führt
p0 | ein: Dirac-Vektoren“,
man spezielle Bras h~r0 |,h~
”
so dass gilt: ψ(~r0 , t) = h~r0 |ψi ; ψ̃(~
p0 , t) = h~
p0 |ψi
(
δ(~r − ~r0 )
in Ortsdarstellung
i
; h~r0 | =
p
~
~
r
1
0
~
in Impulsdarstellung
√
de
2π~
( 1
~0 ~
r
− ~i p
in Ortsdarstellung
√
de
2π~
; h~
p0 | =
δ(~
p − p~0 )
in Impulsdarstellung
(R
√
d~rδ(~r − ~r0 )ψ(~r, t))
= ψ(~r0 , t)
R
√
i
check: h~r0 |ψi =
d~
p √ 1 d e ~ p~~r0 ψ̃(~
p, t) = ψ(~r0 , t)
2π~
Dirac-Vektoren sind nicht quadratintegrabel und damit auch nicht
auf 1 normierbar. Stattdessen Normierung auf δ-Funktion gemäß
2.1.1.2 S.11
h~r0 |~r1 i = δ(~r0 − ~r1 )
2.1.5.2
;
h~
p0 |~
p1 i = δ(~
p0 − p~1 )
Unschärferelation und Kommutatoren
Wir hatten schon gesehen, dass Ort und Impuls nicht gleichzeitig scharf definiert sein können → Orts-Impuls-Unschärfe. Nun: Quantifizierung und
Verallgemeinerung.
Seien zwei Observablen A, B mit Operatoren Â, B̂
⇒ Erwartungswerte hAi, hBi
Streuung ( Unschärfe“) ∆A2 := h(A − hAi)2 i, ∆B 2 := h(B − hBi)2 i
”
Dann gilt: ∆A2 · ∆B 2 ≥ |h
1
[A, B]i|2
2i
([A, B] = AB − BA)
; Observablen können nicht gleichzeitig scharf bestimmt sein, wenn ihre Operatoren nicht vertauschen.
(Beweis: Einfachkeitshalber: Definiere a = A − hAi, b = B − hBi ⇒ ∆A2 = ha2 i, ∆B 2 = hb2 i
• Zeige: ha2 ihb2 i ≥ hψ|abψihψ|baψi
(Spezialfall einer Cauchy-Schwarzschen Ungleichung, siehe Kapitel 3 S.47)
hbψ|aψi
hbψ|aψi∗
Dazu: Zerlege |aψi = |bψi hbψ|bψi + |ϕi; haψ| = hbψ| hbψ|bψi + hϕ|
hbψ|aψi
⇒ hbψ|ϕi = hbψ|aψi − hbψ|bψi hbψ|bψi = 0; hϕ|bψi = hbψ|ϕi∗ = 0
|hbψ|aψi|2
+ hϕ|ϕi
hbψ|bψi2
|hbψ|aψi|2 = hψ|abψihψ|baψi
⇒ ha2 i = hψ|a2 |ψi = haψ|aψi = hbψ|bψi
⇒ ha2 ihb2 i = |hbψ|aψi|2 + hϕ|ϕihb2 i ≥
| {z }
√
≥0
1
• Zerlege ab = S + iC, ba = S − iC mit S = 21 (ab + ba), C = 2i
(ab − ba)
⇒ S Für beliebige quadratintegrable ψ, ϕ gilt:
1
1
hSϕ|ψi = 2 (habϕ|ψi + hbaϕ|ψi) = 2 (hϕ|baψi + hϕ|abψi) = hϕ|Sψi
hCϕ|ψi = −1
(habϕ|ψi − hbaϕ|ψi) = −1
(hϕ|baψi − hϕ|abψi) = hϕ|Cψi
2i
2i
⇒ S und C selbstadjungiert:
⇒ S und C haben reelle Erwartungswerte (vgl. 2.1.4.4 S.25 )
⇒ hψ|abψihψ|baψi = hψ|S + iCψihψ|S − iCψi = (hSi + ihCi)(hSi − ihCi) = hSi2 + hCi2 ≥ hCi2
1
1
• Zusammen: ha2 ihb2 i ≥ hCi2 = |h 2i
[a, b]i|2 = |h 2i
[A, B]i|2
√
)
28
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
Anwendungen: Unschärferelationen
(a) Orts-Impuls-Unschärfe: Â = x̂, B̂ = p̂
1
[x̂, p̂] = i~ (vgl. 2.1.4.4 S.25) ⇒ h 2i
[x̂, p̂]i =
~ˆ = ~rˆ × p~ˆ
(b) Drehimpulskomponenten: L
Allgemein gilt: [L̂j , L̂k ] = i~jkl L̂l
also z.B. [L̂x , L̂y ] = i~L̂z
⇒ ∆x ∆p ≥
~
2
~
2
(Übungsaufgabe)
~
⇒ ∆Lx ∆Ly ≥ |hLz i| usw.
2
(c) Energie-Zeit-Unschärfe ?
Kann so nicht hergeleitet werden, denn die Zeit t ist eigentlich kein
Operator, sondern nimmt eine Sonderrolle ein. Trotzdem gibt es eine
Unschärferelation für Energie und Zeit. ; Siehe nächster Abschnitt!
2.1.5.3
Ehrenfest-Theorem und Energie-Zeit-Unschärfe
• Ehrenfest-Theorem (vorab)
beschreibt zeitliche Entwicklung von Erwartungswerten:
d
∂A
i
hAi = h
i + h [H, A]i
dt
∂t
~
Rechnung:
d
hAi
dt
∂
∂
∂
= hψ| ∂t
A|ψi + (h ∂t
ψ|A|ψi + hψ|A| ∂t
ψi)
1
∂
1
∂
ψi = i~
|Hψi, h ∂t
ψ| = − i~
hHψ|
Schrödingergleichung: | ∂t
1
∂A
= hψ| ∂t |ψi + i~ (−hψ|HA|ψi + hψ|AH|ψi)
1
= hψ| ∂A
|ψi + hψ| i~
[A, H]|ψi
∂t
=
d
hψ|A|ψi
dt
d
NB: Vergleiche klassische Mechanik: dt
A = ∂A
∂t − {H, A}
; Formaler Zusammenhang zwischen Poissonklammer {•, •}
und Kommutator [•, •].
• Energie-Zeit-Unschärfe
Frage: Was bedeutet Zeitunschärfe ∆t“?
”
Interpretation: Betrachte Messreihe an beliebiger Observablen A, die
nicht explizit zeitabhängig ; Erwartungswert hAi, Unschärfe ∆A.
Dann gibt es charakteristische Zeitskala τA , auf der sich hAi sicht”
bar“ (um mehr als ∆A) verändern kann.
; Zeitunschärfe“ bzgl. Observablen A: τA = | d∆A
hAi|
”
dt
Mit dem Ehrenfest-Theorem und der Unschärferelation gilt:
d
| dt
hAi|
Ehrenfest
=
|h ~i [H, A]i|
2.1.4.2 S.21
≤
2
~
∆A ∆H ⇒ τA ≥
~ 1
2 ∆H
⇒ τA · ∆H ≥
2
~
~
für alle charakteristischen Zeitskalen τA
2
Identifiziere τA ≥ ∆t, ∆H = ∆E → ∆E · ∆t ≥
~
2
∆A
∆A ∆H
=
2.1. GRUNDKONZEPTE
2.1.5.4
29
Korrespondenzprinzip
Formale Übersetzungsregel“ für die Konstruktion eines Operators aus der
”
entsprechenden klassischen“ Größe:
”
~r → ~rˆ = ~r
~
p~ → p~ˆ = ~i ∇
∂
E → Ê = i~ ∂t
Letzteres steht im Zusammenhang mit der Schrödingergleichung:
p
~2
∂
~2
E = 2m
+ V = H (~r, p) → Êψ = Ĥψ ⇔ i~ ∂t
ψ = (− 2m
∆ + V )ψ
Aber: Übersetzung ist unter Umständen nicht eindeutig, da
Reihenfolge der Operatoren in der Quantenmechanik wichtig.
Zusatzforderungen:
Operator selbstadjungiert (reicht oft schon).
Zusammenhang zwischen klassischer Poissonklammer und Kommutator
{A, B} = C → [Â, B̂] = i~Ĉ (siehe 2.1.5.3 S.28, Ehrenfest-Theorem)
Bemerkung: Auf makroskopischer Skala (Grenzwert ~ → 0) muss klassische
nichtrelativistische Mechanik wiederhergestellt sein.
2.1.5.5
Spezielle Operatoren & Kommutatoren
Observable“
”
Allgemeiner
Ausdruck
~rˆ
p~ˆ
~ˆ = ~rˆ × p~ˆ
L
Ort
Impuls
Drehimpuls
Hamilton-Op.
Wahrscheinlichkeits-
Dichten (*)
Wahrscheinlichkeits-
Strom (**)
Energie
Zeit
p
~ˆ2
2m
OrtsDarstellung
~r
ImpulsDarstellung
~ p~
−~∇
i
~~
r
i ∇~
p~
~
~ ~r )
r×∇
i (~
2
~
− 2m
∆ + V (~r)
Ĥ =
+ V (~r)
Ŵ (~r0 ) = |~r0 ih~r0 |
δ(~r − ~r0 )
Ŵ (~
p0 ) = |~
p0 ih~
p0 |
kompliziert
1
ˆ
~ ~r
r − ~r0 ) ~i ∇
~(~r0 ) =
2m (δ(~
~
1
~ ~r δ(~r − ~r0 ))
r0 )p~ˆ + p~ˆŴ (~r0 )) + i ∇
2m (Ŵ (~
~ ∂
Ê = − i ∂t
kein Operator: Sonderrolle
(*) Wahrscheinlichkeitsdichten - vgl. 2.1.4.1 S.21
hψ|Ŵ (~r0 )|ψi = hψ|~r0 ih~r0 |ψi =
hψ|Ŵ (~
p0 )|ψi = hψ|~
p0 ih~
p0 |ψi
=
~ p~ )
∇
~ p~ )
+ V (− ~ ∇
~
p×
i (~
p
~2
2m
i
kompliziert
δ(~
p − p~0 )
kompliziert
|ψ(~r0 , t)|2
|ψ(~
p0 , t)|2
(**) Wahrscheinlichkeitsstrom - vgl. 2.1.4.2 S.21
1
hψ|~ˆ(~r0 )|ψi = 2m
(hψ|~r0 ih~r0 |~
p|ψi + hψ|~
p|~r0 ih~r0 |ψi)
∗
~
~
~ ∗ (~r0 , t))
=
(ψ (~r0 , t)∇ψ(~r0 , t) − ψ(~r0 , t)∇ψ
2mi
Spezielle Kommutatoren: [p̂j , r̂k ] = ~i δjk ; [p̂j , p̂k ] = 0; [r̂j , r̂k ] = 0;
~ˆ 2 , L̂j ] = 0
[L̂j , L̂k ] = − ~ jkl L̂l ; [L
(Übungsaufgaben)
i
30
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.2
Lösungen der Schrödingergleichung
2.2.1
Die stationäre (zeitunabhängige) Schrödingergleichung
Erinnerung: Schrödingergleichung lautet i~
mit Ĥ =
p
~ˆ2
2m
+V
:
∂
ψ = Ĥψ
∂t
Hamiltonoperator
Nun sei Ĥ nicht explizit zeitabhängig (d.h. V unabhängig von t, V (~r))
Dann kann man einen Separationsansatz machen:
ψ = ϕ(~r) · χ(t)
⇒
→
(Separation der Variablen)
∂
i~ ∂t
(ϕ(~r) · χ(t)) = Ĥ(ϕ(~r) · χ(t))
∂
ϕ(~r) · i~ ∂t
χ(t) = χ(t) · Ĥϕ(~r)
∂
Ĥϕ(~r)
∂t χ(t)
⇒ i~
χ(t)
| {z }
hängt nur von t
ab, nicht von ~
r
=
ϕ(~r)
| {z }
=
hängt nur von ~
r
ab, nicht von t
| Teile durch ϕ(~r) · χ(t)
≡E
const
| {z }
darf daher
weder von ~
r
noch von t
abhängen
⇒ Man erhält zwei Gleichungen, die simultan erfüllt sein müssen:
∂
(i) i~ ∂t
χE (t) = EχE (t)
i
; Lösung lautet: χE (t) = const · e− ~ Et
(ii) ĤϕE (~r) = EϕE (~r) : zeitunabhängige Schrödingergleichung
; kann gelöst werden für bestimmte (nicht unbedingt für alle!) Werte von E
Für die allgemeine Lösung der Schrödingergleichung folgt:
Z
X
i
ψ(~r, t) =
dE“ cE ϕE (~r) · e− ~ Et Notation RΣ dE“ cE · ϕE (~r)e− ~i Et steht für
”
”
|
{z
}
{z
} Lösung für ein E Überlagerung aller möglichen Eigenfunktio|
Überlagerung von
Lösungen für
verschiedene E
nen mit Amplitude cE .
Struktur der zeitunabhängigen Schrödingergleichung:
Eigenwertgleichung:
Ĥ
ϕ (~r)
| E{z }
=
Eigenfunktion
|
E
ϕE (~r)
|{z}
Eigenwert
{z
}
zum Operator Ĥ
Das Spektrum“ der Eigenwerte E, für die eine Lösung existiert,
”
kann diskret sein (nur einzelne Werte möglich), kontinuierlich (Intervall von Werten) oder auch gemischt.
(Falls Spektrum kontinuierliche Anteile hat, sind allerdings
die zugehörigen Eigenfunktionen nicht mehr normierbar, ähnlich ebenen Wellen. Siehe dazu Kapitel 3.1.3.2 S.55)
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG
31
Interpretation: (Vorweggenommen von Kapitel 3.2 S.56)
Eigenwerte E sind die einzig möglichen Messwerte bei einer Energiemessung
|cE |2 gibt die Wahrscheinlichkeit an, einen bestimmten Energieeigenwert E zu messen.
(Zur Konsistenz mit der bisherigen Wahrscheinlichkeitsdeutung
siehe Kapitel 3 S.47)
2.2.2
Lösungen der stationären Schrödingergleichung in einer
Dimension
2.2.2.1
Freies Teilchen
Potential: V (x) ≡ 0, Ĥ =
Schrödingergleichung:
p̂2
2m
2
2
~ d
) ϕE (x) = E ϕE (x)
(− 2m
dx2
2 2
λ
Lösung: ϕE (x) = N e±λx mit − ~2m
= E ⇒ ~λ =
√
−2mE
• E > 0: λ = ik imaginär → ebene de Broglie-Wellen
• E < 0: λ reell: ϕE (x) ∝ e±λx divergiert bei x → +∞ oder x → −∞
;verboten! Lösungen mit E < 0 existieren nicht.
Diskussion:
(i) Beispiel für ein rein kontinuierliches Spektrum
Lösungen existieren für alle E ≥ 0
p2
(vgl. klassisch: E = 2m
≥ 0 : passt!)
(ii) ϕE ist nicht quadratintegrabel, aber beschränkt (|ϕ| < ∞)
; Boxnormierung oder Normierung auf δ-Funktion möglich (2.1.1.3 S.11)
Deutung: Freies Teilchen, Wellenpaket zerfließt
; Stationäre Lösung kann nicht lokalisiert sein
(vgl. klassisch: In unendlich langer Zeit bewegt sich Teilchen beliebig
weit weg.)
Formaler: Kontinuierliches Spektrum ↔ Eigenfunktionen sind nicht normierbar
(iii) Eigenwerte E sind zweifach entartet
Unabhängige Lösungen ϕE (x) ∝ e±λx
(=
b rechtslaufende und linkslaufende Welle)
Hintergrund: V (x) und damit Ĥ sind symmetrisch bzgl. Vertauschung
x ↔ −x
; mit ϕ(x) ist auch ϕ(−x) Eigenfunktion.
32
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.2.2.2
Teilchen im unendlich hohen Potentialtopf
(
0 : |x| < a2
Potential: V (x) =
∞ : |x| > a2
Schrödingergleichung:
~2 d2
2m dx2
ϕ(x) = (V − E) ϕ(x)
Lösung:
• Paritätsüberlegungen
Symmetrie bzgl. Vertauschung x ↔ −x
; Mit ϕE (x) ist auch ϕE (−x) Eigenfunktion zum Eigenwert E
; Eigenfunktionen können zerlegt werden in gerade“ und unge”
”
rade“ Anteile: ϕ(x) = ϕg (x) + ϕu (x)
ϕ (x) = 21 (ϕ(x) + ϕ(−x)) = ϕg (−x)
mit g
ϕu (x) = 21 (ϕ(x) − ϕ(−x)) = −ϕu (−x)
sind selbst wieder
Eigenfunktionen
zu E
; Lösungen können sortiert werden nach gerade / ungerade
• Form der Lösung innerhalb und außerhalb des Topfes
2
(|x|> a2 )
Innen :
2
~ d
+ E) ϕ(x) = V ϕ(x)
( 2m
dx2
Außen :
<∞
Aber: V → ∞ ⇒ ϕ(x) = 0 überall
Schrödingergleichung entspricht der für freie Teilchen
(|x|< a2 )
mit √
ϕg (x) ∝ 12 (eikx + e−ikx ) = cos kx
ϕu (x) ∝ 12 (eikx − e−ikx ) ∝ sin kx
~k = 2mE
1 κx
−κx
mit √
) = cosh κx
ϕ (x) ∝ 2 (e + e
E<0: g
ϕu (x) ∝ 12 (eκx − e−κx ) = sinh κx
~κ = −2mE
Die tatsächlich erlaubten Lösungen ergeben sich aus den
Anschlussbedingungen bei |x| = a2
E>0:
• Anschlussbedingung bei |x| =
a
2
Argument: Erwartungswert der kinetischen Energie sollte beschränkt
sein
⇒ Dann muss ϕ(x) stetig sein.
(
hp2 i =
R
dx ψ ∗ (x, t) p̂2 ψ(x, t) =
R
dx (p̂ϕ)∗ (p̂ϕ) = ~2
R
dx | dϕ
|2 < ∞
dx
Falls ϕ Sprünge macht, z.B. Sprung um ∆ϕ bei x ≈ a/2
R
→ dϕ
≈ ∆ϕ δ(x − a2 ) + · · · → hp2 i = ~2 dx δ(x − a2 )2 ∆ϕ2 + · · ·
dx
→ hp2 i = ~2 ∆ϕ2 δ(0) + · · · → ∞ Widerspruch!
)
Bemerkung: Ganz koscher ist dieses Argument nicht. (Strenggenommen muss nur der Erwartungswert der Gesamtenergie endlich
sein.) Es zeigt sich aber: Löst man das Problem zunächst für
endlich hohen Potentialtopf (Beispiel 3) und bildet dann Grenzwert zum unendlich hohen Topf, so bleiben genau die Lösungen
ϕ, die stetig sind!
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG
33
• Konkret ergibt sich Anschlussbedingung: ϕ(±a/2) = 0
!
E > 0 : ϕg (x) = N cos(kx) mit cos( ka
2 )=0
ka
; geht nur für 2 = (m + 21 )π (m ∈ Z) → k = πa (2m + 1)
!
ϕu (x) = N sin(kx) mit sin( ka
2 )=0
; geht nur für ka
=
mπ
(m
∈ Z) → k =qπa 2m
2
Normierungsfaktor in beiden Fällen: N = a2
a
(wegen: N
−2
⇒N
−2
=
R2
−a
2
=
1
2
a
dx cos2 (kx) =
dx sin2 (kx) für ak = nπ
−a
2
a
R2
R2
(n ∈ Z)
a
dx(cos2 (kx) + sin2 (kx)) =
−a
2
1
2
R2
dx =
−a
2
a
2
)
!
E < 0 : ϕg (x) = N cosh(κx) mit cosh( κa
2 )=0
; geht nicht
!
ϕu (x) = N sinh(κx) mit sinh( κa
2 )=0
; geht nicht für κ 6= 0, a 6= 0
⇒ Lösungen mit E < 0 existieren nicht!
Zusammenfassend:
2 2
2
2
k
~
= 2m
· πa2 n2
Mögliche Energieeigenwerte sind: En = ~2m
wobei n eine ganze Zahl sein muss (oBdA positiv)
q
Falls n gerade: Eigenfunktion ungerade ϕn (x) = a2 sin(πn xa )
q
Falls n ungerade: Eigenfunktion gerade ϕn (x) = a2 cos(πn xa )
Diskussion:
(i) Beispiel für ein diskretes Spektrum
(ii) ϕn problemlos normierbar, lokalisiert im Potentialtopf |x| <
(vgl. klassisch: Teilchen kann nicht entweichen)
a
2
(iii) Energieeigenwerte nicht entartet
Es gilt zwar wieder: Schrödingergleichung symmetrisch bezüglich
Vertauschung x ↔ −x
Aber: Eigenfunktionen zu gegebenem Eigenwert En haben definierte Parität:
ϕE (x) = ±ϕE (−x)
; ϕE (x) und ϕE (−x) sind nicht unabhängig!
34
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.2.2.3
Teilchen im endlich hohen Potentialtopf
(
V0 : |x| ≤ a2 (V0 < 0)
Potential: V (x) =
0:
|x| > a2
Schrödingergleichung:
~2 d2
2m dx2
ϕ(x) = (V − E) ϕ(x)
Lösung:
• Paritätsüberlegungen wie bei 2)
Schrödingergleichung wieder symmetrisch bzgl. x ↔ −x
; Sortiere Lösungen nach geraden/ungeraden Funktionen ϕg (x), ϕu (x)
• Form der Lösung innerhalb und außerhalb des Topfes
Außen rechts: x > a2
√
E > 0 : ϕg,u (x) = Aeikx+ Be−ikx mit ~k = 2mE
√
κx
−κx mit ~κ =
E < 0 : ϕg,u (x) = Ae
+
Be
−2mE
| {z }
verboten,
da divergent
bei x→∞
Außen links: x < − a2
Dieselbe Lösung gespiegelt: ϕg (x) = ϕg (−x), ϕu (x) = −ϕu (−x)
Innen: |x| <
a
2
p
ϕg (x) = α cos qx
mit ~q = 2m(E − V0 )
ϕu (x) = α sin qx
p
ϕ (x) = α cosh θx
E < V0 : g
mit ~θ = −2m(E − V0 )
ϕu (x) = α sinh θx
E > V0 :
• Anschlussbedingungen:
~2 d2
Schrödingergleichung 2m
ϕ(x) = (V − E) ϕ(x) < ∞
dx2
d2
d
⇒ dx2 ϕ(x) < ∞ ⇒ dx ϕ stetig und ϕ stetig !
• Konkret: Bedingung ϕ(x), ϕ0 (x) stetig bei x = a2 (Stetigkeit bei − a2 folgt daraus)
p
√
(~θ = 2m(V0 − E); ~κ = −2mE)
E < V0 :
− κa
2
ϕg stetig → α cosh θa
−1
2 = Be
⇒ 1θ coth θa
− κa
2 = κ <0
2
ϕ0g stetig → αθ sinh θa
=
−Bκe
2
; nicht möglich, da coth y > 0 für y > 0
Analog folgt auch: Ungerade Lösungen ϕu nicht möglich
⇒ Lösungen mit E < V0 existieren nicht.
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG
35
p
√
(~q = 2m(E − V0 ); ~κ = −2mE)
V0 < E < 0:
− κa
2
ϕg stetig → α cos qa
1
2 = Be
⇒ 1q cot qa
− κa
2 = κ
2
=
−Bκe
ϕ0g stetig → −αq sin qa
2
= arccot κq + mπ = mπ + π2 − arctan κq
− κa
2
stetig → α sin qa
2 = Be
⇒ 1q tan qa
− κa
2
2
stetig → αq cos qa
=
−Bκe
2
q
geht nur für qa
=
−
arctan
+
mπ
2
k
; geht nur für
ϕu
ϕ0u
;
qa
2
(m ∈ Z)
= − κ1
(m ∈ Z)
2
~2 qn
⇒ Zusammengenommen: Diskrete Energieeigenwerte En = 2m + V0
(n ∈ N)
mit Quantisierungsbedingung qn a + 2 arctan κqnn = nπ
q
n
n ungerade → Eigenfunktion ϕn gerade
(κn = qn E−E
)
n −V0
n gerade → Eigenfunktion ϕn ungerade
p
√
E > 0:
(~q = 2m(E − V0 ); ~k = 2mE)
ika
Immer möglich
− ika
2 + Be
2
ϕg stetig → α cos qa
2 = Ae
) (bei vorgegebeika
ika
− 2
2 − Be
ϕ0 stetig → qα sin qa
)
2 = ik(Ae
nem B lösbare
g
ika
ika
qa
−
ϕu stetig → α sin 2 = Ae 2 + Be 2
Gleichungen
ika
− ika
2 − Be
2 )
ϕ0u stetig → qα cos qa
=
ik(Ae
für A, α)
2
⇒ Zu jedem Wert E > 0 existiert gerade und ungerade Eigenfunktion
Diskussion:
(i) Spektrum hat diskreten und kontinuierlichen Anteil
- diskrete Eigenwerte: V0 < E < 0
- kontinuierliche Eigenwerte: E > 0
(ii) Eigenfunktionen
- zu diskreten Eigenwerten → lokalisiert und quadratintegrabel
- zu kontinuierlichen Eigenwerten → delokalisiert, nicht quadratintegrabel. Eigenfunktionen außerhalb des Topfes wie freie Teilchen
(iii) Entartung der Energieeigenwerte
- gebundene Zustände: nicht entartet, da definierte Parität
- freie Zustände: zweifach entartet, da zu jeder Parität (gerade /
ungerade) eine eigene Lösung existiert.
(iv) Deutung des Falles E > 0
Streuung freier Teilchen an einem Potentialtopf. Dieses Szenario soll im nächsten Abschnitt genauer untersucht werden.
36
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.2.2.4
Streuung am Kastenpotential
(
V0 : |x| ≤ a2
Potential: V (x) =
0:
|x| > a2
→ Wie groß sind die
Amplituden R und S?
Frage: Wie wird ein freies Teilchen (Energie E > 0) daran gestreut?
Gesucht also:
|Transmittierter Strom|
|jtrans |
2
|Einfallender Strom| = |jein | = |S|
d
d ∗
~
∗
ikx
ikx
(Letzteres wegen  = 2mi (ϕ dx ϕ − ϕ dx ϕ ) mit ϕein = e , ϕtrans = Se )
Transmissionskoeffizient T =
|Reflektierter Strom|
|Einfallender Strom|
= Re−ikx ).
Reflexionskoeffizient
(Analog mit ϕrefl
=
|jrefl |
|jein |
= |R|2
Bemerkung: Es muss gelten: jein = jtrans + jrefl ⇔ |R|2 + |S|2 = 1
(Denn: Bei x → −∞ gilt mit ϕ(x) = eikx + Re−ikx : (−∞) = (1 − |R|2 )~k/m.
Wegen Erhaltung des Wahrscheinlichkeitsstroms gilt in stationären Situationen
(−∞) = (∞) = |S|2 ~k/m ⇒ |R|2 + |S|2 + 1.)
√
(E > 0, ~k =
Lösung:
E > V0 : im Prinzip selbe Situation wie in 3)
~q =
2mE )
p
2m(E − V0 )
Form der Lösung: ϕ(x) = ϕg (x) + ϕu (x) mit
; ϕu (x) = αu sin qx
|x| < a2 : ϕg (x) = αg cos qx
x > a2 : ϕg (x) = Ag eikx + Bg e−ikx ; ϕu (x) = Au eikx + Bu e−ikx
x < − a2 : ϕg (x) = Ag e−ikx + Bg eikx ; ϕu (x) = −Au e−ikx − Bu eikx
Hier: Teilchen läuft von links ein, also:
x > a2 : ϕ(x) = ϕg + ϕu = Seikx ⇒ S = Ag + Au , Bg + Bu = 0
x < − a2 : ϕ(x) = eikx + Re−ikx
⇒ R = Ag − Au , Bg − Bu = 1
1
⇒ Bg = −Bu = 2 ; Ag und Au legen R und S fest.
Anschlussbedingungen wie bei 3): ϕg,u (x) und ϕ0g,u (x) stetig
−eika/2
αg
1
cos qa
1 −ika/2
2
gerader Anteil ϕg → q
= 2e
ika/2
A
−1
i k sin qa
−e
g
2
sin qa
−eika/2
αu
1 −ika/2 −1
2
= 2e
ungerader A. ϕu →
Au
1
−i kq cos qa
−eika/2
2
Auswertung: Nach Matrixinversion erhält man:
αg =
αu =
cos
sin
e−ika/2
qa
−i kq sin
2
−e−ika/2
qa
+i kq cos
2
qa
2
qa
2
⇒ S = Ag + Au =
; Ag =
qa
+i kq sin qa
2
2
qa
−i kq sin qa
2
2
sin qa
−i kq cos
2
sin qa
+i kq cos
2
1 cos
2 cos
; Au = − 12
e−ika
qa
2
qa
2
e−ika
e−ika
1
cos(qa) + 2i
sin(qa)( kq + kq )
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG
37
sin(qa)( kq − kq )
e−ika
R = Ag − Au =
1
2i cos(qa) + 2i
sin(qa)( kq + kq )
0 < E < V0 : (setzt V0 > 0 voraus)
Vorheriges Ergebnis kann übernommen werden, mit der einzigen
p
Änderung, dass q imaginär wird: q = iθ mit ~θ = 2m(V0 − E)
⇒S=
e−ika
cosh(θa) + 2i sinh(θa)( kθ − kθ )
sinh(θa)( kθ + kθ )
i e−ika
2
cosh(θa) + 2i sinh(θa)( kθ + kθ )
Zusammenfassend:
R=
• Transmissionskoeffizient T
1 k
q
E > V0 : T = 1/[1 + ( − )2 sin2 (qa)]
4 q
k
1 k
θ
E < V0 : T = 1/[1 + ( + )2 sinh2 (θa)]
4 θ k
• Reflexionskoeffizient: |R|2 = 1 − |S|2
(check durch Einsetzen)
Diskussion:
(i) E < V0 : Tunneleffekt
Transmission, wo sie klassisch verboten wäre
Für dicke Tunnelbarrieren
gilt asymptotisch:
√
− ~2 2m(V (x)−E)a
−2θa
T ∝e
=e
; Motiviert WKB-Näherung für beliebige Potentialbarrieren:
Rb √
2
−~
dx
2m(V (x)−E)
T ∼ e−2θa = e a
(vgl. Bemerkung am Anfang von 2.1.3 S.19)
kann verwendet werden, wenn V (x) hinreichend langsam variiert
und wenn Transmission T sehr klein ist.
(ii) E > V0 : Resonanzen
Klassisch wäre T = 1 (Teilchen wird immer transmittiert)
Hier:
T = 1 nur für sin(qa) = 0
; wenn ϕ gerade in den Topf passt“
”
Sonst ist T < 1
T besonders klein, wenn E klein und (E − V0 ) groß (↔
; Reflexion am Potentialtopf
⇒ T zeigt charakteristische Oszillationen:
q
k
groß)
38
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
2.3
Zweikörperproblem und Wasserstoffatom
Betrachte nun System von zwei Teilchen, Massen m1 , m2 , Potential V (~r1 , ~r2 )
Symmetrien:
Translationsinvarianz → V = V (~r1 − ~r2 )
Isotropie des Raumes → V = V (|~r1 − ~r2 |)
Speziell Wasserstoffatom: Coulombpotential V = −e2 /r
Vorüberlegung: Erinnerung an klassische Mechanik
Vorgehen damals in drei Schritten:
(i) Reduktion auf Einteilchenproblem
Ausnutzen der Translationsinvarianz ↔ Impulserhaltung
→ Schwerpunkt- und Relativkoordinaten
Schwerpunkt: allgemein lösbar für gegebenen Gesamtimpuls P~
Relativkoordinaten → äquivalentes Problem:
m2
Ein Teilchen mit reduzierter Masse µ = mm11+m
2
im Zentralpotential V (r)
(ii) Reduktion auf eindimensionales Problem
Ausnutzen der Isotropie ↔ Drehimpulserhaltung
→ Winkel- und Radialkoordinaten
Winkelkoordinaten: allgemein lösbar für gegebenen Drehimpuls l
Radialkoordinaten → äquivalentes Problem:
Ein Teilchen in einer Dimension
l2
im effektiven Potential Veff (r) = V (r) + 2µr
(iii) Lösung für ein konkretes Potential
Speziell V (r) ∝ − 1r : Kepler-Problem
Hier nun in der Quantenmechanik: Folge im wesentlichen demselben Programm
2.3.1
Reduktion auf Einteilchenproblem
Ausgangspunkt: Zwei Teilchen m1 , m2
Hamiltonoperator: Ĥ =
p̂21
2m1
+
p̂22
2m2
+ V (~r1 , ~r2 )
wirkt auf Zweiteilchenwellenfunktion ϕ(~r1 , ~r2 )
~ r = ~ ( ∂ , ∂ , ∂ ) , p~2 = ~ ∇
~
(~
p1 = ~i ∇
1
i ∂x1 ∂y1 ∂z1
i r2 )
Schrödingergleichung: Ĥϕ = Eϕ
(NB: Vorgriff → Vielteilchensysteme hatten wir noch nicht. Verallgemeinerung
aber für den Fall unterscheidbarer Teilchen (Proton/Elektron unterscheidbar) ziemlich offensichtlich.)
Translationsinvarianz: V = V (~r1 − ~r2 )
2.3. ZWEIKÖRPERPROBLEM UND WASSERSTOFFATOM
39
→ legt Übergang zu Schwerpunkt- und Relativkoordinaten nahe
analog Mechanik:
~ =
R
m1 ~
r1 +m2 ~
r2
m1 +m2
;
~r = r~2 − r~1
⇒ Zugehörige Impulse sind:
ˆ
~ ~ = p~ˆ1 + p~ˆ2
P~ := ~i ∇
R
;
~ ~r =
p~ˆ := ~i ∇
m1 p
~ˆ2 −m2 p
~ˆ1
m1 +m2
~ r1 , ~
(check: Für ϕ(~
r1 , ~
r2 ) = ϕ(~
r(~
r1 , ~
r2 ), R(~
r2 )) gilt:
∂ϕ
~ ∂ϕ
(p̂1x + p̂2x )ϕ = i ( ∂x + ∂x )
1
2
~
~
r
∂R
∂R
r
~ ~r ϕ) ∂~
~ ~ ϕ)
~ ~ ϕ)
~ ~r ϕ) ∂~
= ~i (∇
+(∇
+(∇
+ (∇
R
R
∂x1
∂x1
∂x2
∂x2
| {z }
| {z }
| {z }
| {z }

 

 
 
−1
1
1
1

 
 
 
m
m
1
2
 0 
0
 
 

 

m1 +m2 0
m1 +m2 0
0
0
0
0
 
1
~ ~ ϕ) 0 = ~ ∂ϕ = P̂x ϕ
= ~i (∇
R
i ∂Rx
0
∂ϕ
∂ϕ
m1
m2
2
1
( m +m p̂2x − m +m p̂1x )ϕ = ~i ( m m
− mm
)
1
2
1
2
1 +m2 ∂x2
1 +m2 ∂x1
~
~
∂
R
∂R
∂~
r
r
1
2
~ ~ ϕ)
~ ~ ϕ)
~ ~r ϕ)
~ ~r ϕ) ∂~
+(∇
+(∇
= ~i m m
(∇
−mm
(∇
R
R
1 +m2
1 +m2
∂x2
∂x2
∂x1
∂x1
| {z }
| {z }
| {z }
| {z }
 
 
 
 
1
1
1
1
 


 
m2
m1

0

0
 
−0
 
m1 +m2  
m1 +m2 0
0
0
0
0
 
1
~ ~r ϕ) 0 = ~ ∂ϕ = p̂x ϕ
= ~i (∇
i ∂rx
0
√
Analoges gilt auch für Komponenten y, z
)
Für den Hamiltonoperator folgt:
Ĥ =
ˆ
P~ 2
p~ˆ2
+
+ V (~r)
2M
2µ
mit
M = m1 + m2
,
µ=
m1 m2
m1 + m2
(check (Einsetzen):
→
P2
2M
+
p2
2µ
=
2
1 (p1 +p2 )
2 m1 +m2
+
1 m1 +m2 (m1 p2 −m2 p1 ) 2
( m +m
)
2 m1 m2
1
2
= ··· =
p2
1
2m1
+
p2
2
2m2
√
)
; Ergebnis analog zu dem der klassischen Mechanik
⇒ Stationäre Schrödingergleichung
ˆ2
~
p
~ˆ2
P
~ = Eϕ(~r, R)
~
Ĥϕ = 2M
+ 2µ
+ V (~r) ϕ(~r, R)
~ = χ(R)
~ · ϕ̃(~r)
Lösungsansatz: Separationsansatz ähnlich 2.2.1 S.30: ϕ(~r, R)
ˆ2 ~
1 ˆ2
1 ~
[ 2µ
p~ + V (~r)]ϕ̃(~r)
2M P χ(R)
→ Ĥϕ
=
E
=
+
ϕ
|{z}
~
ϕ̃(~r)
χ(R)
Kon{z
}
|
{z
} |
stante
muss unabhängig
~ sein
von R
→const.≡ER
muss unabhängig
von ~
r sein
→const.≡Ẽ
→ Man erhält wieder einen Satz von zwei Gleichungen
40
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
(a) Schwerpunktgleichung
~ˆ 2
P
~
2M χ(R)
~
= ER χ(R)
→ entspricht Gleichung für freies Teilchen der Masse M (Gesamtmasse)
ˆ
(P~ Gesamtimpuls)
(b) Relativgleichung
[
p~ˆ2
+ V (~r)]ϕ̃(~r) = Ẽ ϕ̃(~r)
2µ
→ entspricht Gleichung für ein Teilchen der reduzierten Masse µ im
Potential V (~r)
→ Problem reduziert sich auf effektives Einteilchenproblem (b)
2.3.2
Reduktion auf eindimensionales Problem
Ausgangspunkt: Ein Teilchen der Masse µ im Potential V
Isotropie des Raums: V = V (r)
(Zentralpotential)
→ legt Übergang
zu
nahe:
 
 Polarkoordinaten

x
sin ϑ cos ϕ
~r = y  =: r  sin ϑ sin ϕ 
z
cos ϑ
−L̂2z /~2
z}|{
1 ∂ 2∂
1
∂
∂
1
∂2
∆= 2 r
+ r12 (
sin ϑ
+
)
sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ sin2 ϑ ∂ϕ2
|r ∂r{z ∂r}
|
{z
}
=:∆r
~ˆ 2 /~2 : Übungsaufgabe
−L
⇒ Stationäre Schrödingergleichung
h
~2
Ĥ ϕ̃(r, ϑ, ϕ) = − 2µ
∆r + V (r) +
ˆ
1 ~
L2
2µr2
i
ϕ̃(r, ϑ, ϕ) = Ẽ ϕ̃(r, ϑ, ϕ)
Lösungsansatz wieder Separationsansatz: ϕ̃(r, ϑ, ϕ) = U (r) · Y (ϑ, ϕ)
2
⇒
Ẽ
|{z}
=
Ĥ ϕ̃
ϕ̃
=
~
[− 2µ
∆r +V (r)]U (r)
U (r)
+
1
2µr2
Konstante
→ (a) Winkelgleichung:
~ˆ 2 Y (ϑ,ϕ)
L
Y (ϑ,ϕ)
| {z }
muss unabhängig
von ϑ,ϕ sein
→const.≡~2 λ
~ˆ 2 Y (ϑ, ϕ) = ~2 λ Y (ϑ, ϕ)
L
~ˆ 2
; Eigenwertgleichung zu L
mit Randbedingung: Y eindeutig ↔ Y (ϑ, ϕ + 2π) = Y (ϑ, ϕ)
Lösung im nächsten Abschnitt (2.3.3 S.41)
Ergebnis:
• Eigenwerte ~2 λ = ~2 l(l + 1) mit l ∈ N0 (natürliche Zahl)
• Eigenfunktionen: Ylm (ϑ, ϕ): Kugelfunktionen
h
i
2 l(l+1)
~2
→ (b) Radialgleichung für festes l: − 2µ
∆r + V (r) + ~ 2µr
Ul (r) = ẼUl (r)
2
2.3. ZWEIKÖRPERPROBLEM UND WASSERSTOFFATOM
41
Vereinfachung: Substituiere Ul (r) = ul (r)/r
d 2 d ul
d2
r dr ( r ) = · · · = 1r dr
∆r Ul (r) = 1r dr
2 ul (r)
⇒
−
~2 d2
~2 l(l + 1) +
V
(r)
+
ul (r) = Ẽ ul (r)
2µ dr2
2µr2
=
b Gleichung für Teilchen in einer Dimension (r)
2 l(l+1)
im effektiven Potential Veff (r) = V (r) + ~ 2µr
2
2.3.3
Einschub: Eigenfunktionen des Bahndrehimpulses
Gesucht:
(motiviert durch 2.3.2 S.40)
~ˆ 2 Y (ϑ, ϕ) = ~2 λ Y (ϑ, ϕ)
Funktionen Y (ϑ, ϕ) mit L
wobei Operatoren zum Drehimpuls in Polarkoordinaten gegeben sind durch
~ˆ 2 =
L
∂
1
∂
2
2
2 (−~ sin ϑ ∂ϑ sin ϑ ∂ϑ + L̂z )
sin ϑ
Ansatz: Wieder Separationsansatz
2
⇒
~ λ
|{z}
=
−~2
1
∂
sin ϑ ∂ϑ
mit
L̂z =
~ ∂
i ∂ϕ
(Übungsaufgabe )
Y (ϑ, ϕ) = θ(ϑ) · φ(ϕ)
∂
sin ϑ ∂ϑ
θ(ϑ)
θ(ϑ)
+
L̂2z φ(ϕ)
φ(ϕ)
1
sin2 ϑ
Konstante
| {z }
muss unabhängig von ϕ sein
→const.=:~2 m2
2
d
2 2
→ (a) Gleichung für φ(ϕ): L̂2z φ = −~2 dϕ
2 φ = ~ m φ(ϕ)
mit Randbedingung: φ(ϕ + 2π) = φ(ϕ)
; φm ∼ eimϕ
, m muss ganze Zahl sein.
⇒ φm ist Eigenfunktion zu L̂z : L̂z φm = ~m φm
→ (b) Gleichung für θ(ϑ) bei gegebenem m
∂
∂
−~2 ( sin1 ϑ ∂ϑ
sin ϑ ∂ϑ
−
m2
)
sin2 ϑ
θ(ϑ) = ~2 λ θ(ϑ)
√
√
d
d
Substituiere z = cos ϑ → sin ϑ = 1 − z 2 , dϑ
= 1 − z 2 dz
⇒
d
d
m2 (1 − z 2 )
+λ−
θ(z) = 0
dz
dz
1 − z2
Legendresche
Differentialgleichung
Lösung der Legendreschen Differentialgleichung
Zunächst m 6= 0 (obdA m > 0)
• Analyse des asymptotischen Verhaltens: Singularität bei z → ±1
m2
m2
z → ±1 : Term 1−z
(1 − z 2 ) ≈ 2(1 ∓ z)
2 ≈ 2(1∓z) dominiert;
m2
2(1∓z) ]θ(z) ≈ 0
2
d
d
⇒ [(1 ∓ z) dz
(1 ∓ z) dz
− m4 ]θ(z) ≈ 0
d
d
Substituiere y = ln(1∓z) ⇒ dy
= (1∓z) dz
m
Lösung: θ ∼ e 2 y = (1 ∓ z)m/2
d
d
; [ dz
2(1 ∓ z) dz
−
2
2
d
m
⇒ [ dy
2 − 4 ]θ(z) ≈ 0
42
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
• Motiviert Ansatz:
θ(z) = (1 − z)m/2 (1 + z)m/2 pm (z) = (1 − z 2 )m/2 pm (z)
Einsetzen:
(1 − z 2 )p00m − 2(m + 1)zp0m (z) + (λ − m(m + 1))pm (z) = 0 (∗)
• Trick: Diese Gleichung ableiten und sortieren
00
0
→ (1 − z 2 )p000
m − 2(m + 2)zpm (z) + (λ − (m + 1)(m + 2))pm (z) = 0
0
Vergleich mit (∗): pm+1 (z) = pm (z),
dm
also pm (z) = p0m−1 (z) = · · · = dz
m p0 (z)
⇒ Problem zurückgeführt auf m = 0
d
dz (1
[
Nun also m = 0:
d
− z 2 ) dz
+ λ ] θ(z) = 0
• Keine Singularitäten → mache Potenzreihenansatz θ(z) =
∞
P
al z
l=0
P
P
+ λ] al z l =
al [l(l − 1)z l−2 − l(l + 1)z l + λz l ]
Einsetzen:
l
d
d
[ dz
(1 − z 2 ) dz
l
l
P l
=
z {al+2 (l + 1)(l + 2) − al l(l + 1) + al λ} ≡ 0 für alle z ∈ [−1 : 1]
l
⇒ Koeffizienten {· · · } = 0 ⇒ al+2 =
l(l + 1) − λ
al
(l + 1)(l + 2)
• Möglichkeiten
al
- Reihe bricht nicht ab → Konvergenzradius lim | al+1
|=1
l→∞
Für große l (l2 > λ) gilt:
Alle geraden/ungeraden al haben dasselbe Vorzeichen
→ Reihe divergiert bei z → 1 oder z → −1 Widerspruch!
- Also muss Reihe abbrechen (Polynom)
⇒λ = l(l + 1)
für ein l ≥ 0 ungerade
gerade
k
→ ak = 0 für
l
gerade
ungerade
⇒ Man erhält die sogenannten Legendre-Polynome Pl (z)
z.B. P0 = 1, P1 = z, P2 = 12 (3z 2 − 1)
(Normierung: Pl (1) = 1)
Zusammenfassend
~ˆ 2 und L̂z sind die Kugelflächenfunktionen“
Die Eigenfunktionen zu L
”
dm
Ylm (ϑ, ϕ) = Nlm eimϕ (−1)m sinm ϑ
Pl (cos ϑ) (m > 0)
(d cos ϑ)m
∗
und Yl−m (ϑ, ϕ) = (−1)m Ylm
(ϑ, ϕ)
((−1)m : Konvention)
DerR Normierungsfaktor N ist so gewählt, dass
sin ϑ dϑ dϕ|Ylm (ϑ, ϕ)|2 = 1
Pl (cos ϑ) ist das Legendre-Polynom l-ten Grades
(NB: Daraus folgt, dass |m| < l sein muss!)
Es gilt:
~ˆ 2 Ylm = ~2 l(l + 1) Ylm
L
mit l ∈ N0 und m ∈ [−l, −l+1, · · · , l−1, l]
L̂z Ylm = ~m Ylm
2.3. ZWEIKÖRPERPROBLEM UND WASSERSTOFFATOM
43
Wichtigste Eigenschaft der Legendre-Polynome
R1
2
Orthogonal: dz Pl (z) Pl0 (z) = 2l+1
δll0
−1
Wichtigste Eigenschaft der Kugelfunktionen
R2π
Rπ
∗ (ϑ, ϕ) Y 0 0 (ϑ, ϕ) = δ 0 δ
Orthonormal: dϕ sin ϑdϑ Ylm
lm
ll mm0
0
Vollständig:
∞ P
∞
P
l=0 m=0
0
∗ (ϑ, ϕ) Y (ϑ0 , ϕ0 ) = δ(ϕ−ϕ0 )δ(cos ϑ−cos ϑ0 )
Ylm
lm
(ohne Beweis: Wird sich in Kapitel 3 S.47 automatisch ergeben)
Konkret:
Y00 =
q
1
4π
Y10 =
q
3
4π
q
Y11 = −
cos ϑ
3
8π
sin ϑ eiϕ
Y21
Y22
2.3.4
q
5
2
16π (3 cos ϑ − 1)
q
15
= − 8π
sin ϑ cos ϑ eiϕ
q
15
= 32π
sin2 ϑ e2iϕ
Y20 =
Coulombpotential und Wasserstoffatom
2
Löse nun Radialgleichung aus 2.3.2 S.40 mit dem Potential V (r) = − er
−
~2 d2
~2 l(l + 1) e2 +
−
ul (r) = E ul (r)
2µ dr2
2µr2
r
E ≥ 0: Streuzustände
sollen hier nicht behandelt werde.
Nur so viel: Zu jedem E ≥ 0 existiert eine Lösung.
E < 0: Gebundene Zustände
Lösungsweg ähnlich dem bei der Legendreschen Differentialgleichung
q
q
8µ|E|
µc2
e2
• Reskalierung: Definiere % :=
r , ν = ~c 2|E|
~2
2
l(l+1)
1
d
ν
1
) d%
−
→ (− 4|E|
−
+
(check: Einsetzen)
2
%
4 ul (%) = 0
%2
• Analyse des asymptotischen Verhaltens
% → 0: Term ( l(l+1)
) dominiert
%2
2
d
l+1
⇒ %2 d%
2 ul (%) ≈ l(l + 1)ul (%) ⇒ ul ∼ %
% → ∞: Term (− 14 ) dominiert
d2
1
−%/2
⇒ %2 d%
2 ul (%) ≈ 4 ul (%) ⇒ ul ∼ e
(e+%/2 verboten)
• Motiviert Ansatz: ul (%) = %l+1 e−%/2 p(%)
Einsetzen: % p00 (%) + (2l + 2 − %) p0 (%) + (ν − l + 1) p(%) = 0
∞
P
Potenzreihenansatz für p: p(%) =
ak %k
k=0
Einsetzen, Koeffizientenvergleich → ak+1 =
k+l+1−ν
(k+1)(k+2l+2) ak
44
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
• Möglichkeiten:
ak
|→∞
- Reihe bricht nicht ab → Konvergenzradius lim | ak+1
k→∞
Bei k → ∞ gilt ak /ak−1 → 1/k.
1
; asymptotisch Exponentialfunktion: ak ∼ k!
, p(ρ) ∼ eρ
; ul (ρ) würde wie exp(ρ/2) divergieren: Verboten!
- Also bricht Reihe ab (Polynom)
⇒ k + l + 1 = ν für ein k
; geht nur, wenn ν = n (natürliche Zahl) und n > l
⇒ Man erhält die
zugeordneten Laguerre-Polynome“ pnl (%) ∝ L2l
n+l (%)
”
(Grad: n − l − 1; z.B. p10 ∼ 1, p21 ∼ 1, p20 ∼ 1 − %/2)
Fazit und Rückrechnung:
2
Gebundene Zustände (E < 0) im Coulombpotential V (r) = − er
→ Energieeigenwerte:
e2 2 µc2
En = −
~c 2n2
(aus n =
e2
~c
q
mc2
2|E| )
ϕnlm (r, ϑ, ϕ) = Nnlm %l e−%/2 L2l+1
n+l (%) Ylm (ϑ, ϕ)
r
8µ|En |
mit % =
r
~2
und Quantenzahlen“ n ∈ N
”
l ∈ N0 , l ≤ n − 1
m ∈ Z, |m| ≤ l
Eigenfunktionen:
Bemerkungen:
Energieeigenwerte sind entartet bzgl. l und m.
n−1
l
P P
Entartungsgrad: Jeder Eigenwert kommt
1 = n2 mal vor.
l=0 m=−l
Entartung bzgl. m ↔ Isotropie des Raums
(m ist Quantenzahl zu L̂z ,
aber nichts zeichnet L̂z vor L̂x , L̂y aus.)
Entartung bzgl. l: Eigenheit des Coulombpotentials, also in gewisser
Weise zufällig“
”
2.4. WISSENSFRAGEN
2.4
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
45
Wissensfragen
Wie lauten die Einstein-de Broglie Beziehungen für Materie?
Was besagt das Superpositionsprinzip?
Wie lautet die Gleichung für eine ebene de Broglie-Welle?
Wie lautet die allgemeine Gleichung für ein Wellenpaket?
Wie werden Wellenpakete normiert? Warum?
Wie werden ebene Wellen normiert?
Was ist der Unterschied zwischen der Phasen- und der Gruppengeschwindigkeit eines Wellenpaketes?
Wie entwickelt sich ein Wellenpaket zeitlich?
Erklären Sie die Bornsche Wahrscheinlichkeitsdeutung von Materiewellen.
Wie lautet die Schrödingergleichung für freie Teilchen und bei Anwesenheit eines Potentials ?
Was versteht man in der Quantenmechanik unter Orts- und Impulsdarstellung? Wie hängen die beiden Darstellungen miteinander zusammen?
Was ist die quantenmechanische Interpretation von ψ(~r, t) und ψ̃(~
p, t)?
Was versteht man unter Wahrscheinlichkeitsstrom?
Wie lautet die Kontinuitätsgleichung für die Wahrscheinlichkeitsdichte?
Interpretieren Sie die einzelnen Terme.
Wie berechnet man in Ortsdarstellung den Erwartungswert des Ortes /
Impulses eines Teilchens?
Wie berechnet man in Impulsdarstellung den Erwartungswert des Ortes
/ Impulses eines Teilchens?
Wie berechnet man den Erwartungswert einer beliebigen physikalischen
Observablen?
Wie hängen physikalische Observablen mit Operatoren zusammen?
Welche Eigenschaften muss ein Operator erfüllen, der eine physikalische
Observable beschreibt?
Wie lautet das Korrespondenzprinzip?
Wie lauten in Ortsdarstellung die Operatoren für den Ort, den Impuls,
den Drehimpuls, die Energie?
Was ist der Hamiltonoperator und welche Funktion hat er?
Was ist ein Kommutator?
Welchen Wert hat der Kommutator [x̂, p̂]?
Wie lauten in Ortsdarstellung die Operatoren für Ort ~rˆ, Impuls p~ˆ, Dre~ˆ Energie Ê? Welche Form hat der Hamiltonoperator Ĥ ?
himpuls L,
Formulieren Sie die Unschärferelation für Ort und Impuls.
Formulieren Sie die Unschärferelation für Energie und Zeit.
Nennen Sie weitere Unschärferelationen.
Nach welcher einfachen Gleichung können Sie die rechte Seite in der
Unschärferelation
“∆A ∆B ≥ ? ” für zwei Observablen A und B berechnen?
46
KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
34. Wann kann man zwei Größen gleichzeitig scharf messen?
35. Wie lautet das Ehrenfestsche Theorem? Interpretieren Sie die einzelnen
Terme.
36. Welchen Wert haben die Kommutatoren [p̂j , r̂k ], [r̂j , r̂k ], [p̂j , p̂k ] für Ortsbzw. Impulskomponenten r̂j und p̂j ?
37. Welchen Wert haben die Kommutatoren [L̂j , L̂k ] für Drehimpulskomponenten L̂j ?
~ˆ 2 , L̂j ]?
Was ist [L
38. Was versteht man unter einer Eigenwertgleichung?
39. Wie lautet die stationäre Schrödingergleichung?
40. Wie hängt die stationäre Schrödingergleichung mit der allgemeinen (zeitabhängigen) Schrödingergleichung zusammen? Wann kann man die stationäre
Schrödingergleichung benutzen?
41. Wie setzt man aus den Lösungen der stationären Schrödingergleichung die
allgemeinste Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung zusammen?
42. Wie kann man von dieser allgemeinen Lösung die Wahrscheinlichkeit ablesen, zur Zeit t eine bestimmte Energie E zu messen?
43. Woraus ergeben sich die möglichen Messwerte für die Energie in einem
System?
44. Wann spricht man bei einem quantenmechanischen System von einem diskreten Energiespektrum? von einem kontinuierlichen Energiespektrum?
Nennen Sie jeweils ein Beispiel.
45. Wann erwartet man ein gemischtes Spektrum? Welches ist physikalisch
der Unterschied zwischen Zuständen im diskreten und im kontinuierlichen
Teil des Spektrums?
46. Wie sind Transmissions- und Reflexionskoeffizienten definiert? Welche
physikalische Information vermitteln sie?
47. Erklären Sie den Tunneleffekt.
48. Warum kann man die “WKB”-Näherung im Fall von Tunnelbarrieren
verwenden? Warum nicht für allgemeine Probleme?
49. Was für weitere typisch quantenmechanische Effekte können bei Streuung
an einem eindimensionalen Potential eintreten?
50. Wie lassen sich Resonanzen anschaulich verstehen?
51. Welche Symmetriebedingungen müssen erfüllt sein, damit man ein Zweikörperproblem auf ein Einteilchenproblem reduzieren kann?
~ˆ 2 und Lˆz (Bahndrehim52. Welches sind die Eigenwerte der Operatoren L
puls)? Welches sind die zugehörigen Eigenfunktionen?
53. Was versteht man unter Quantenzahlen? Welche Quantenzahlen haben
Eigenfunktionen des Drehimpulses?
54. Welche Quantenzahlen haben Energie-Eigenzustände im Wasserstoffatom?
Welche Bedeutung haben sie?
55. Wann spricht man davon, daß ein Energieeigenwert entartet ist?
56. Diskutieren Sie die Entartung der Eigenzustände im Wasserstoffatom.
Kapitel 3
Allgemeine Formulierung der
Quantenmechanik
c Copyright 2012 Friederike Schmid1
In Kapitel 2 S.9: Wellenmechanik
; Wellenfunktionen, Wahrscheinlichkeitsdichten, Operatoren
Darstellungen im Orts- und Impulsraum
Aber: Physikalische Eigenschaften unabhängig von der Darstellung
Jetzt: Systematisierung der Theorie, allgemeiner Formalismus
Dieses Kapitel soll die Grundlage dessen enthalten, was heute moderne Quantentheorie ausmacht.
3.1
Der mathematische Rahmen der Quantenmechanik
Zunächst kurzer Abriss der mathematischen Strukturen, in denen die Quantenmechanik formuliert wird. (Erinnerung an LA und MMP)
3.1.1
3.1.1.1
Der Hilbertraum
Lineare Vektorräume
Ein linearer Vektorraum V über einem Körper K (z.B. R oder C) ist
• eine Menge V von Vektoren |ψi
• eine Addition“ in V :
”
V ×V
−→ V
(|ψi, |ϕi) 7−→ |ψi + |ϕi
• und eine Multiplikation“: K × V
”
(λ, |ψi)
1
−→ V
7−→ λ|ψi
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Mainz, SS 2012.
Letzte Änderung der PDF-Datei am 09.06.12.
47
48
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
so dass gilt
1. λ1 , λ2 ∈ K,
|ψ1 i, |ψ2 i ∈ V
⇒
λ1 |ψ1 i + λ2 |ψ2 i ∈ V
2. Distributivgesetze: λ(|ψ1 i + |ψ2 i) = λ|ψ1 i + λ|ψ2 i
(λ1 + λ2 )|ψi = λ1 |ψi + λ2 |ψi
3. Assoziativgesetz:
λ(µ|ψi)
= (λµ)|ψi
Beispiele:
• Rn oder Cn
• Quadratintegrable (nicht normierte) Funktionen ψ(~r): L2
• Glatte Funktionen auf einer Kugeloberfläche f (ϑ, ϕ)
Innerhalb eines Vektorraums definiert man
Mehrere Vektoren |ψi i heißen linear unabhängig,
Lineare Unabhängigkeit:
P
λi |ψi i = 0 folgt λi = 0
∀i
wenn aus
i
Basis: Ein Satz von linear unabhängigen Vektoren |bi i, diePV erzeugen,
d.h. jedes |ψi ∈ V kann als Linearkombination |ψi = i ci |bi i dargestellt werden.
Es gilt der Basis-Existenzsatz:
Jeder Vektorraum hat eine Basis.
Die Anzahl der Basisvektoren ist eindeutig (; Dimension von V ).
(Beweis über Zornsches Lemma)
3.1.1.2
Unitäre Vektorräume
Ein unitärer Vektorraum ist ein Vektorraum über C mit einem Skalarprodukt:
V ×V
−→ C
(|ϕi, |ψi) 7−→ hϕ|ψi
mit den folgenden Eigenschaften:
• linear: hϕ|λ1 ψ1 + λ2 ψ2 i = λ1 hϕ|ψ1 i + λ2 hϕ|ψ2 i
• hermitesch: hϕ|ψi = hψ|ϕi∗
(N.B. ⇒ hϕ|ϕi reell)
• positiv definit: hϕ|ϕi ≥ 0
Beispiele:
• Cn mit h~a|~bi = ~a∗~b =
P
α
a∗α bα
• Quadratintegrable Funktionen: L2 : hϕ|ψi =
• Funktionen auf Kugeloberfläche: hf1 |f2 i =
Rπ
0
R
d~r ϕ∗ (~r) ψ(~r)
sin ϑ dϑ
R2π
0
dϕ f1∗ (ϑ, ϕ)f2∗ (ϑ, ϕ)
3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 49
Damit kann man definieren:
p
Norm: kϕk = hϕ|ϕi
Abstand, Metrik: d(ϕ, ψ) = k|ϕi − |ψik
Orthogonalität: |ϕi und |ψi sind orthogonal, wenn hϕ|ψi = 0
Winkel: cos ](|ϕi, |ψi) =
hϕ|ψi
kϕk·kψk
Orthonormalbasis: Eine Basis von auf 1 normierten Vektoren, die orthogonal aufeinander stehen.
Es gilt: Jeder unitäre Vektorraum von endlicher oder abzählbar unendlicher
Dimension hat eine Orthonormalbasis.
(Beweis: Konstruktion mit Gram-Schmidtschem Orthonormalisierungsverfahren)
Weiterhin gelten:
• Cauchy-Schwarzsche Ungleichung |hϕ|ψi| ≤ kϕk · kψk
• Dreiecksungleichung: kϕ + ψk ≤ kϕk + kψk
(Beweis nicht schwer, ähnlich 2.1.5.2 S.27 - evtl. Übungen)
3.1.1.3
Hilbertraum
Ein Hilbertraum ist ein unitärer Vektorraum, der vollständig ist: Der Grenzwert jeder Cauchyfolge liegt im Hilbertraum.
Dabei heißt Cauchyfolge eine Folge |ψm i mit
∀ > 0 ∃ n0 : d(|ψm i, |ψn i) < ∀n, m > n0
Der Hilbertraum ist der Raum, in dem die Quantenmechanik formuliert wird.
Konkret ist der Ausgangspunkt der Raum L2 der quadratintegrablen Funktionen (; Wellenfunktionen“ ψ(~r))
”
Aus praktischen Gründen: Erweiterung um Dirac“-Vektoren
”
i
(z.B. h~r0 | = δ(~r − ~r0 ), h~
p0 | = √ 1 d e ~ p~0~r in Ortsdarstellung)
2π~
; Laß für Dirac-Vektoren Forderung nach Normierbarkeit fallen. Fordere
stattdessen, dass Skalarprodukt mit gewöhnlichem“ Vektor existiert.
”
Normierung:
Gewöhnliche“ Vektoren normiert, wenn hψ|ψi = 1
”
Dirac“-Vektoren normiert, wenn hdk |dk0 i = δ(k − k 0 )
”
(k: kontinuierlicher Index)
Bemerkung: Dirac-Vektoren sind physikalisch nicht wirklich notwendig, da
• nie ein unendlicher Raum zur Verfügung steht
• alle experimentellen Messungen (Ort, Impuls) mit einem Fehler behaftet sind.
50
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Z.B. könnte man definieren: |x0 i =
√1
x0 +/2
R
δ(x − x0 ) dx0
x0 −/2
Der Dirac-Vektor |x0 i entspricht dem idealisierten Grenzwert → 0,
vereinfacht die Notation.
3.1.1.4
Darstellungen und Basistransformation
Gegeben sei eine orthonormale Basis {|bi i}
Ein Vektor |ψi wird in dieser Basis dargestellt als
P
P
P
|ψi =
ci |bi i mit ci = hbi |ψi.
(check: hbj |ψi = i ci hbj |bi i = i ci δji )
i
• Beispiele
Rn : neue Koordinaten, selber Vektor
Funktionen: Ortsdarstellung h~r|ψi = ψ(~r); Impulsdarstellung h~
p|ψi =
ψ̃(~
p)
• Zerlegung der Eins
P
Wegen
|ψi
=
i |bi ihbi |ψi für alle Vektoren |ψi gilt formal:
P
i |bi ihbi | = 1̂ = I (Einheitsoperator) → ”Vollständigkeitsrelation“
Z.B. Funktionen
Ylm bilden Basis
P ∗ auf Kugel0 →0 Kugelfunktionen
0
mit
Ylm (ϑ, ϕ)Ylm (ϑ , ϕ ) = δ(ϕ − ϕ )δ(cos ϑ − cos ϑ0 )
l,m
N.B. Einen Ausdruck der Form |ψihϕ| nennt man auch dyadisches Pro”
dukt“. Er liefert einen
in V (vgl.nächstes Kapitel).
 Operator


a1
a1 b∗1 . . . a1 b∗n

 
.. 
..
z.B. Cn : |~aih~b| =  ...  b∗1 . . . b∗n =  ...
.
. 
∗
an
an b1 . . . an b∗n
3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 51
• Wechsel der Darstellung, Basistransformation
Neue Orthonormalbasis {|b0i i}
– Darstellung der neuen Basis in der alten:
X
P
|b0j i =
|bi ihbi | b0j i = Uij |b0i i mit Uij = hbi |b0j i: Transformationsmatrix
i
| i {z
Es gilt:
=1̂
U U ∗T
(check:
}
;
= 1̂
[U U ∗T ]
ik
=
P
j
U −1 = U ∗T : U ist eine unitäre Matrix.
∗
Uij Ukj
= hbi
X
|b0j ihb0j | bk i = hbi |bk i = δik = 1̂)
√
j
|
{z
}
=1̂
– Transformation der Koeffizienten: |ψi =
P
P
ci = hbi |ψi = hbi |b0j ihb0j |ψi = Uij c0j
j
j
P
P ∗
c0i = hb0i |ψi = hb0i |bj ihbj |ψi = Uji
cj
j
P
ci |bi i =
i
P
i
c0i |b0i i
j
Beispiel: Übergang Ortsraum → Impulsraum in einer Dimension
i
1
e ~ px
Transformationsmatrix: hx|pi = √2π~
(=
b Dirac-Vektor |pi in Ortsdarstellung)
Z
R
⇒ hx|ψi = hx dp|pihp| ψi = dphx|pihp|ψi =
| {z }
√1
2π~
R
i
dp e ~ px hp|ψi
=1
; Fouriertransformation!
3.1.1.5
Produkt von Hilberträumen
Problem: Komplexere Systeme, zum Beispiel
• Zwei-Teilchen-System, jedes Teilchen i wird durch Vektoren (Wellenfunktionen) im Hilbertraum Vi beschrieben.
• Zusätzliche Freiheitsgrade (Spin, ...)
N
⇒ Bildung eines Produktraums V1 V2 (Tensorprodukt):
Enthält Elemente |ψi |χi mit |ψi ∈ V1 und |χi ∈ V2 und sämtliche Linearkombinationen aus solchen Elementen.
Es gilt
• (a|ψ1 i + b|ψ2 i) · (c|χ1 i + d|χ2 i)
= a c |ψ1 i|χ1 i + b c |ψ2 i|χ1 i + a d |ψ1 i|χ2 i + b d |ψ2 i|χ2 i
• Skalarprodukt: hχ1 |hψ1 |1|ψ2 i|χ2 i = hχ1 |χ2 i · hψ1 |ψ2 i
N
• Dimension des Produktraums: dim(V1 V2 ) = dim(V1 ) · dim(V2 )
52
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
3.1.2
Lineare Operatoren
3.1.2.1
Allgemeine Aussagen
(∗) Operatoren: (von jetzt an vereinfachte Symbolik A, B, ... statt Â, B̂...)
Transformationen A:
V −→ V
|ψi 7−→ A |ψi
(∗) Produkt von Operatoren: A1 A2 |ψi = A1 (A2 |ψi)
(∗) Lineare Operatoren: Operatoren L mit der Eigenschaft
L |λ1 ψ1 i + λ2 ψ2 i = λ1 L|ψ1 i + λ2 L|ψ2 i
(∗) Summe linearer Operatoren:
(λ1 L1 + λ2 L2 )|ψi = λ1 L1 |ψi + λ2 L2 |ψi
(λi ∈ C)
(∗) Darstellung linearer Operatoren in einer Basis {|bi i}:
P
ci |bi i (=
b Darstellung von |ψi)
Gegeben sei |ψi =
P i0
(=
b Darstellung von L|ψi)
und L|ψi = ci |bi i
i
P
Dann gilt c0i =
Lij cj mit Lij = hbi |L|bj i
j
(Check: L|ψi =
P
cj L|bj i =
j
P
cj
X
j
|bi ihbi | L|bj i =
i
i
|
PX
{z
=1
}
cj Lij |bi i
√
j
| {z }
=c0i
; Darstellung von L ist eine Matrix
Falls Basis abzählbar: Zeilen und Spalten (evtl. unendlich viele)
Falls Basis überabzählbar (; Dirac-Vektoren)
; lineare Operatoren in der jeweiligen Darstellung, z.B. Integraloder Differentialoperator
P
(∗) Spur eines Operators: Sp(L) = i hbi |L|bi i
NB: Hängt nicht von der Wahl der Basis ab (Übungsaufgabe)
Eigenschaften:
=1
Sp(AB) = Sp(BA)
zX }| {
P
(= hbj |A
|bi ihbi | B|bj i)
j
i
Sp(A + B) = Sp(A) + Sp(B)
Falls Basis kontinuierlich: {|bλ i} → Sp(L) =
R
dλhbλ |L|bλ i
)
3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 53
(∗) Vertauschbarkeit und Kommutatoren
Operatoren dürfen im Allgemeinen nicht vertauscht werden.
Kommutator
[A, B] = AB − BA
definiert “Multiplikation“ im Raum der Operatoren mit den Eigenschaften:
- distributiv: [A1 + A2 , B] = [A1 , B] + [A2 , B]
[A, B1 + B2 ] = [A, B1 ] + [A, B2 ]
- antikommutativ: [A, B] = −[B, A]
- Jacobi-Identität: [A, [B, C]] + [B, [C, A]] + [C, [A, B]] = 0
(NB: nicht assoziativ: [A, [B, C]] 6= [[A, B], C] im Allgemeinen)
; Diese Eigenschaften definieren eine Lie Algebra über C
(vgl. Analogie zum Kreuzprodukt ~a × ~b in Cn )
Antikommutator
[A, B]+ = AB + BA
(kommutative und assoziative Multiplikation → assoziative Algebra)
(∗) Operatorfunktionen
- Definition über Taylorentwicklung: f (L) =
k
k fk L
P
mit fk = Koeffizienten der Taylorreihe von f (x) um x = 0.
- Ableitung einer Funktion F (L1 , . . . , Lk ):
∂F
∂Li
= lim 1 (F (L1 , . . . , Li + 1̂, . . . , Lk ) − F (L1 , . . . , Li , . . . , Lk ))
→0
; Produktregel, Kettenregel etc. gelten nach wie vor, wenn man
Nichtvertauschbarkeit richtig berücksichtigt.
3.1.2.2
Spezielle Operatoren
(∗) Einsoperator: 1̂|ψi = |ψi für alle |ψi
P
(Zerlegung: 1̂ = k |bk ihbk |)
(∗) Inverser Operator L−1 zu linearem Operator L:
L−1 mit L−1 L = 1̂ also L−1 L|ψi = |ψi für alle |ψi
(⇒ LL−1 = 1̂)
(∗) Adjungierter Operator L† zu linearem Operator L:
L† mit hL† ϕ|ψi = hϕ|Lψi für alle |ψi, |ϕi im Def.bereich von L, L† .
Dabei ist der Definitionsbereich von L beliebig, der von L† “maximal”, d.h. er enthält alle |ϕi, für die hL† ϕ|ψi = hϕ|Lψi erfüllt ist.
Es gilt: (L† )† = L auf dem Definitionsbereich von L; (AB)† = B † A†
(∗) Hermitescher Operator:
Operator H, für den gilt: hϕ|Hψi = hHϕψi
54
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
(∗) Selbstadjungierter Operator:
Hermitescher Operator mit zusätzlicher Bedingung:
H und H † haben dieselben Definitionsbereiche
⇒ H = H†
∗ =H )
(für Matrixdarstellungen gilt: Hik
ki
Es gilt: Wenn H, K selbstadjungiert, dann sind auch
HK + KH und i[H, K] selbstadjungiert.
(Übungsaufgabe)
(∗) Positiv definiter selbstadjungierter Operator: hψ|H|ψi > 0 für alle |ψi
(∗) Unitärer Operator: U −1 = U †
Unitäre Operatoren sind normerhaltend: kU ψk2 = hψ|U † U |ψi = hψ|ψi
(∗) Projektionsoperatoren: Selbstadjungierte Operatoren mit P 2 = P
Beispiele:
• |ei Einheitsvektor (d.h. he|ei = 1)
⇒ Pe = |eihe| projiziert Vektoren auf |ei
• {|ek i} orthonormale
Vektoren
P
⇒ P = k |ek ihek | projiziert auf den Unterraum von V , der von
{|ek i} aufgespannt wird.
3.1.3
3.1.3.1
Das Eigenwertproblem linearer Operatoren
Eigenwertgleichung eines linearen Operators L
Struktur:
L |vλ i =
λ
|{z}
|vλ i
|{z}
(λ ∈ C)
Eigenwert Eigenvektor
Gesamtheit aller Eigenwerte: Spektrum des Operators
- im eigentlichen Hilbertraum: Diskret (abzählbar)
- mit Dirac-Vektoren: Auch kontinuierliches Spektrum möglich.
Beachte: Eigenwerte sind natürlich unabhängig von der Darstellung.
Beispiele:
• Eigenwerte von Matrizen im Cn
• (Diskrete) Eigenwerte des Drehimpulsoperators im Raum der Funktionen auf einer Kugeloberfläche: |lmi=Y
b lm (ϑ, ϕ)
– Lz |lmi = ~m|lmi
~ 2 |lmi = ~2 l(l + 1)|lmi
– L
• Eigenwerte des Hamiltonoperators in der Wellenmechanik
– gebundene Zustände: diskretes Spektrum
– freie Zustände: kontinuierliches Spektrum
3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 55
3.1.3.2
Eigenwerte von hermiteschen Operatoren
(∗) reell
(Beweis: Spezialfall s.u.)
(∗) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal
(Aus hvλ |Hvλ0 i = hHvλ |vλ0 i (H hermitesch) und H|vλ0 i = λ0 |vλ0 i bzw.
hHvλ | = λ∗ hvλ | (Eigenwertgleichung) folgt:
λ0 hvλ |vλ0 i = λ∗ hvλ |vλ0 i
⇒ Spezialfall λ = λ0 : λ = λ∗
Eigenwerte reell
⇒ Fall λ∗ ≡ λ 6= λ0 : hvλ |vλ0 i = 0
√
Eigenvektoren orthogonal
√
)
(∗) Entartung eines Eigenwerts: Dimension des zugehörigen Eigenvektorraums
(∗) Folgerung: In einem echten Hilbertraum müssen Eigenwerte diskret sein
(kontinuierliche Eigenwerte ↔ Eigenvektoren sind Dirac-Vektoren)
3.1.3.3
Eigenwerte selbstadjungierter Operatoren
Für selbstadjungierte Operatoren L gilt, dass die Eigenvektoren den Hilbertraum erzeugen (Saloppe Version des “Spektraltheorems“)
(∗) L-Darstellung oder Spektraldarstellung eines selbstadj. Operators L:
• Falls Eigenwerte von L nicht entartet sind, bilden die normierten
Eigenvektoren eine Orthonormalbasis {|bl i}
• Falls L entartete Eigenwerte l hat, wählt man zu jedem Eigenvektorraum eine Orthonormalbasis {|bl,ν i}. Die Basisvektoren zu verschiedenen l stehen sowieso senkrecht aufeinander.
→ Man erhält eine orthogonale Basis für den ganzen Raum.
• Konkret: Spektraldarstellung von L:
L=
X X
l
|bl,ν ihbl,ν |
l
ν
NB: Für Operatorfunktionen f (L) gilt dann:
X
X
f (L) =
f (l)
|bl,ν ihbl,ν |
l
ν
(∗) Speziell: Eigenwerte und Eigenvektoren von Projektionsoperatoren:
P = P 2 ⇒ P |vλ i = λ|vλ i = P 2 |vλ i = λP |vλ i = λ2 |vλ i
⇒Eigenwerte sind λ = 0 oder λ = 1
λ = 1: Eigenvektorraum =
b Projektionsebene
λ = 0: Eigenvektorraum steht senkrecht auf Projektionsebene
56
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
3.1.3.4
Eigenwertproblem von vertauschbaren selbstadjungierten Operatoren
Gegeben zwei selbstadjungierte Operatoren L, M
Falls l Eigenwert von L und [L, M ] = 0 gilt: Mit |vl i ist auch M |vl i Eigenvektor
von L zum Eigenwert l.
√
( M L|vl i = lM |vl i = LM |vl i
)
Folgerung: Man kann immer eine Basis finden mit Basisvektoren, die sowohl
Eigenvektoren von L als auch von M sind.
(- Falls l nicht entartet: M |vl i ∝ |vl i → |vl i automatisch Eigenvektor
- Falls l entartet: M |vl i liegt im Eigenraum von l.
Betrachte Darstellung von M in diesem Eigenraum:
Mνν 0 = hblν |M |blν 0 i; Mνν 0 = Mν∗0 ν ist selbstadjungiert
; Mνν 0 kann diagonalisiert werden.)
3.1.3.5
Vollständiger Satz kommutierender Observablen (VSKO)
Ein Satz von selbstadjungierten Operatoren {A, B, . . .}, die paarweise kommutieren und deren gemeinsames Basissystem eindeutig bestimmt ist.
~ 2 , Lz }
(Beispiel: Teilchen im Coulombpotential: {H, L
(Kapitel 2.3.4 S.43)
Gebundene Zustände: Quantenzahlen (n, l, m) bestimmen eindeutig ein
System von Basisvektoren für quadratintegrable Funktionen.
Freie Zustände: Fügen Dirac-Vektoren hinzu.)
3.2
Elementare Prinzipien der Quantenmechanik
Wir sind nun in der Lage, innerhalb des mathematischen Rahmens von 3.1 S.47
die Quantenmechanik auf einem abstrakten Niveau neu zu formulieren.
3.2.1
3.2.1.1
Postulate“ der Quantenmechanik
”
Die Postulate
(vgl. Ballentine)
I: Ein quantenmechanisches System wird durch Zustandsvektoren in einem unitären Vektorraum (Hilbertraum + Diracvectoren) dargestellt.
Diese enthalten die maximal mögliche Information über ein System. Es
gilt das Superpositionsprinzip: Zustandsvektoren können linear überlagert werden zu einem neuen Zustandsvektor.
Zuordnung: ”Reiner Zustand” ' Schar von parallelen Vektoren λ|ψi.
Üblicherweise wird stellvertretend der normierte Vektor
genannt (hψ|ψi = 1) → bis auf Phasenfaktor bestimmt.
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
57
II: Jeder dynamischen Variable (messbare Größe) ist ein selbstadjungierter Operator (eine Observable) zugeordnet. Der Zustandsraum wird
von den Eigenvektoren eines vollständigen Satzes kommutierender Observablen aufgespannt.
(d.h. es gibt keine “überflüssigen“ Freiheitsgrade)
III: Die einzig möglichen Werte (Meßwerte) einer dynamischen Variable
sind die Eigenwerte der zugeordneten Observable.
IV: Ein konkreter Zustand wird durch einen statistischen Operator“ %
”
beschrieben. Der Erwartungswert einer Observablen O bei einer Messung
ist gegeben durch
hOi = Sp(%O)
Es muss gelten: - % ist selbstadjungiert
- % ist positiv semidefinit (hψ|%|ψi ≥ 0 für alle |ψi)
- Sp(%) = 1
Zwei Zustände sind identisch, wenn sie durch denselben statistischen
Operator beschrieben werden (d.h., alle Erwartungswerte physikalisch
messbarer Größen sind identisch)
(NB: O selbstadjungiert
mit (reellen)
P
P Eigenwerten λi und Eigenvektoren |vi i
⇒ Sp(%O) = i hvi |%O|vi i = i λi hvi |%|vi i automatisch reell!)
Speziell:
• Reiner“ Zustand:
”
⇒ hOi = hψ|O|ψi
% = |ψihψ|
(check: hOi = Sp(%O) =
P
(|ψi normiert)
hbk |ψihψ|O|bk i = hψ|O
X
k
√
|bk ihbk | ψi
)
k
|
{z
=1
}
; man erhält das Ergebnis der Wellenmechanik für einen Zustand
mit vorgegebener Wellenfunktion ψ
Kennzeichen reiner Zustände: %2 = % (d.h., % ist Projektionsoperator)
% ↔ |ψi: % enthält maximal mögliche Information über ein System.
Möglich aber auch:
P
P
• Gemischter“ Zustand: % = pi |ϕi ihϕi | mit pi ≥ 0,
pi = 1
”
i
i
(|ϕi i normiert (hϕi |ϕi i = 1), aber nicht notwendig orthogonal)
P
⇒ hOi =
pi hϕi |O|ϕi i
i
X
P P
P
(check: (hOi = Sp(%O) =
pi hbk |ϕi ihϕi |O|bk i =
pi hϕi |O
|bk ihbk | ϕi i
i
k
i
k
|
{z
=1
}
√
)
58
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
; entspricht in der Wellenmechanik dem Erwartungswert eines
Ensembles von Wellenfunktionen ϕi , die mit Wahrscheinlichkeit
pi vorliegen.
(check Postulat IV für gemischten Zustand:
√
% selbstadjungiert: Summe von Projektionsoperatoren
P
P
% positiv semidefinit: hψ|%|ψi =
pi hψ|ϕi ihϕi |ψi =
pi |hψ|ϕi i|2 ≥ 0 ∀|ψi
i
i
X
P P
P
P
√
Sp(%) =
pi hbk |ϕi ihϕi |bk i =
|bk ihbk | ϕi i =
pi = 1
)
pi hϕi |
i
i
k
3.2.1.2
i
k
|
√
{z
}
=1
Unmittelbare Folgerungen aus den Postulaten
(a) Wahrscheinlichkeit Wλ ,
bei Messung einer Größe O einen konkreten Eigenwert λ zu messen
• Zunächst unter vereinfachten Annahmen: Spektrum diskret (λl ) und
Eigenwerte nicht entartet
Allgemeiner Fall
P
Wλl = hδO,λl i = Sp(% δO,λl ) = hbm |% δO,λl |bm i
m
Wähle als Basis |bm i Eigenvektoren von δ
δml
z }| {
P
= hbm |%|bm i δλm ,λl = hbl |%|bl i
m
Speziell: Reiner Zustand
P
cm |bm i mit cm = hbm |ψi
% = |ψihψ|, |ψi =
m
⇒ Wλl = hbl |ψihψ|bl i = |hbl |ψi|2 = |cl |2
; Wahrscheinlichkeitsinterpretation für Entwicklungskoeffizienten
cm eines Zustandsvektors |ψi in der Spektraldarstellung einer Observablen O: |cm |2 = Wahrscheinlichkeit, zugehörigen
Eigenwert λm in einem reinen Zustand % = |ψihψ| zu messen.
• Verallgemeinerungen:
– Eigenwerte λl entartet → Eigenvektoren |blν i
(ν=Entartungsindex)
P
Allgemeiner Fall: Wλl = hblν |%|blν i
Pν
Reiner Fall:
Wλl = |hψ|blν i|2
ν
– Spektrum kontinuierlich → Eigenvektoren |bν (λ)i
(ν=Entartungsindex)
Spur wird ausgewertet gemäß
PR
Sp(% A) =
dλ hbν (λ)|% A|bν (λ)i
ν
P
; Allgemeiner Fall: W (λ) = hδ(O−λ)i = . . . = hbν (λ)|%|bν (λ)i
ν
P
Reiner Fall:
W (λ) = |hψ|bν (λ)i|2
ν
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
59
; Ausdrücke dieselben wie im Fall des diskreten Spektrums,
allerdings ist W (λ) hier eine Verteilungsdichte:
W (λ)dλ entspricht der Wahrscheinlichkeit, einen Messwert
im Intervall [λ, λ + dλ] zu messen.
(b) Unschärferelation
(vgl. Kapitel 2.1.5 S.26)
∆A · ∆B ≥ 12 |hi[A, B]i|
Zwei Größen können nur dann gleichzeitig scharf messbar sein, wenn sie
vertauschbar sind.
(Beweis:
• Definiere a = A − hAi, b = B − hBi ⇒ ∆A2 = ha2 i, ∆B 2 = hb2 i, [A, B] = [a, b]
Es gilt: i[A, B] = i[a, b] ist selbstadjungiert
(da (i[A,√B])†
= −i(AB − BA)† = −i(B † A† − A† B † ) = i(AB − BA) = i[A, B]
)
• Definiere d := a + iλb (nicht hermitesch) → d† = a − iλb
und D(λ) := Sp(d† %d)P
P
⇒ D(λ) = Sp(d† %d) = hbk |d† %d|bk i = hdbk |%|dbk i ≥ 0
k
k
⇒ D(λ) = Sp(%dd† ) = Sp(%(a + iλb)(a − iλb)) = Sp(%(a2 + λ2 b2 − iλ[a, b]))
= ha2 i + λ2 hb2 i − λhi[a, b]i
(reell, da i[a, b] hermitesch!)
• Wähle speziell λ =
⇒
ha2 i
−
2
1 hi[a,b]i
4
hb2 i
hi[a,b]i
2hb2 i
(minimiert übrigens D(λ))
√
≥ 0 ⇒ ha2 ihb2 i ≥ 14 hi[a, b]i2
)
NB: Beweis gilt natürlich auch für reine Zustände
; Alternativer Beweis zu dem von 2.1.5 S.26
3.2.2
Dynamische Entwicklung abgeschlossener Systeme
Abgeschlossenes System: Keine Wechselwirkung mit der Außenwelt
Beschreibung in Kapitel 2 S.9 → im wesentlichen Schrödingergleichung
Hier: - Herleitung der Form der dynamischen Gleichungen aus allgemeinen
Prinzipien
- Rekapitulation der Schrödingergleichung ( Schrödingerbild“)
”
- Einführung alternativer, äquivalenter Beschreibungen, in denen sich
statt bzw. außer Zustandsvektoren auch Operatoren dynamisch
entwickeln ( Heisenbergbild“ und Wechselwirkungsbild“)
”
”
3.2.2.1
Der Zeitentwicklungsoperator
Betrachte zeitliche Entwicklung von reinen Zuständen: Repräsentiert durch
Zustandsvektor |ψ(t)i; Statistischer Operator: ρ(t) = |ψ(t)ihψ(t)|.
zur Zeit t0 :
|ψ(t0 )i
bzw. ρ(t0 ) = |ψ(t)ihψ(t)|.
zur Zeit t > t0 : |ψ(t)i =: U (t, t0 )|ψ(t0 )i
bzw. ρ(t) = U (t, t0 )ρ(t0 )U † (t, t0 )
– definiert Zeitentwicklungsoperator U
60
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Forderungen an U
(i) stetig, speziell lim U (t, t0 ) = 1̂
t→t0
(; lim |ψ(t)i = |ψ(t0 )i)
t→t0
⇒ |ψi soll sich stetig, nicht sprunghaft entwickeln
(ii) unitär: U U † = 1̂ (; normierte Zustandsvektoren bleiben normiert)
Folgt aus Wahrscheinlichkeitserhaltung in reinen Zuständen.
Sei %(t0 ) = |ψ0P
ihψ0 | (hψ0 |ψ0 i = 1) %(t) = U (t, t0 )|ψ0 ihψ0 |U † (t, t0 )
; Sp(%(t)) = hbk |U |ψ0 ihψ0 |U † |bk i = hψ0 |U † U |ψ0 i = 1
k
Gilt für alle normierten |ψ0 i, also auch für Eigenvektoren von U † U
√
⇒ U U † = 1̂
(iii) zusammensetzbar: U (t, t0 ) = U (t, t1 )U (t1 , t0 ) für t ≥ t1 ≥ t0
Folgerung:
• Infinitesimaler Zeitschritt dt
; U (t0 +dt, t0 ) = 1̂+(t0 , dt) mit = −i Ω(t0 ) dt, Ω(t0 ) hermitesch
– muss mit dt gegen Null gehen wegen (i)
– muss linear in dt sein wegen (iii)
(
U (t0 + dt1 + dt2 , t0 ) = U (t0 + dt1 + dt2 , t0 + dt1 )U (t0 + dt1 , t0 )
⇒ 1̂ + (t0 , dt1 + dt2 ) = (1̂ + (t0 + dt1 , dt2 ))(1̂ + (t0 , dt1 ))
⇒ (t0 , dt1 + dt2 ) ≈ (t0 + dt1 , dt2 ) + (t0 , dt1 ) ≈ (t0 , dt2 ) + (t0 , dt1 )
√
)
– i muss hermitesch sein wegen (ii)
(
1̂ = U (t0 + dt, t0 )† U (t0 + dt, t0 ) = (1̂ + )† (1̂ + ) = 1̂ + † + + o(2 )
| {z }
⇒ + † = 0 ⇒ = −† ⇒ (i) = (i)†
√
o(dt2 )
)
• Endlicher Zeitschritt
Setzt sich aus vielen infinitesimalen Intervallen zusammen
Rekursiv“: U (t + dt, t0 ) = U (t + dt, t)U (t, t0 ) = (1̂ − i Ω dt)U (t, t0 )
”
⇒ U (t + dt, t0 ) − U (t, t0 ) = −i Ω dtU (t, t0 )
∂
U (t, t0 ) = Ω U (t, t0 )
∂t
Falls Ω nicht zeitabhängig ist
→ Formale Lösung möglich: U (t, t0 ) = e−iΩ(t−t0 )
Allgemein: schwieriger (Reihe, siehe z.B. Kapitel 5.3 S.123)
⇒ i
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
3.2.2.2
61
Schrödingerbild
Schrödingerbild → der Zugang, den wir aus der Wellenmechanik kennen. Wurde bis jetzt implizit immer verwendet.
Kennzeichen:
Operatoren O für Observablen im allgemeinen zeitunabhängig, es sei
denn, es gibt explizite Zeitabhängigkeit (z.B. Potential V (t))
Zustandsvektoren |ψ(t)i verändern sich in der Zeit
Dann ist: Ω = H/~ mit H: Hamiltonoperator
(dies definiert H)
Es folgt für die dynamische Entwicklung . . .
• des Zeitentwicklungsoperators U (t, t0 ):
i~
∂
U (t, t0 ) = H U (t, t0 )
∂t
i
Falls H nicht explizit zeitabhängig: U (t, t0 ) = e− ~ H(t−t0 )
• von reinen Zuständen bzw. den zugehörigen Zustandsvektoren:
mit |ψ(t)i = U (t, t0 )|ψ(t0 )i folgt:
i~
∂
|ψ(t)i = H |ψ(t)i : Schrödingergleichung
∂t
• von Operatoren zu Observablen:
dO
∂O
=
dt
∂t
• des statistischen Operators %:
P
Für allgemeine gemischte Zustände ρ = i pi |φi ihφi | gilt:
P
ρ(t) = i pi |φi (t)ihφi (t)| = sumi pi U (t, t0 )|φi (t0 )ihφi (t0 )|U † (t, t0 ) = U (t, t0 )ρ(t0 )U † (t, t0 )
→ %(t) = U (t, t0 ) %(t0 ) U † (t, t0 )
∂
∂
∂
% = (i~ ∂t
U ) %(t0 ) U † − U %(t0 ) (i~ ∂t
U )†
Zugehörige Differentialgleichung: i~ ∂t
= H U %(t0 ) U † − U %(t0 ) U † H
|
{z
} |
{z
}
%(t)
→ i~
%(t)
∂
% = [H, %] : von-Neumann-Gleichung
∂t
• von Erwartungswerten:
d
i
∂A
hAi = h [H, A]i + h
i : Ehrenfest-Gleichung
dt
~
∂t
62
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
(
=
d
Sp(%A) = Sp( d%
A) +
dt
dt
Sp( ~i %HA) − Sp( ~i %AH)
Sp(% dA
) = Sp( ~i [H, A]A) + h ∂A
i
dt
∂t
+ h ∂A
i = Sp( ~i %[H, A]) + h ∂A
i = h ~i [H, A]i + h ∂A
i
∂t
∂t
∂t
√
)
Konkret: Berechnung von Zeitentwicklungsoperatoren im Schrödingerbild
; sinnvollerweise in H-Darstellung (Energiedarstellung):
H|ϕn i = En |ϕn i (' stationäre Schrödingergleichung)
i
Falls H zeitunabhängig: U (t, t0 ) = e− ~ H(t−t0 )
P
P
i
|ϕn ihϕn | e− ~ En (t−t0 )
U (t, t0 ) =
|ϕn i hϕn |U |ϕm i hϕm | =
| {z }
n
n,m
i
δnm e− ~ En (t−t0 )
|ψ(t)i = U (t, t0 )|ψ(t0 )i =
P
i
|ϕn ihϕn |ψ(t0 )i e− ~ En (t−t0 )
n
Falls H explizit zeitabhängig: schwieriger (z.B. Dyson-Reihe, Kapitel
5.3 S.123)
Beispiel: Zeitentwicklungsoperator für freies Teilchen in einer Dimension
H=
p2
2m
p2
i
→ U (t, t0 ) = e− ~ (t−t0 ) 2m =
R
p2
i
dp |pihp|e− ~ (t−t0 ) 2m
(∗)
in Ortsdarstellung:
hx|U (t, t0 )|x0 i =: G(x, t; x0 , t0 ) → Propagator“
”
R
ψ(x, t) =Rhx|ψ(t)i = hx|U (t, t0 )|ψ(t0 )i = dx0 hx|U (t, t0 )|x0 ihx0 |ψ(t0 )i
= dx0 G(x, t; x0 , t0 )ψ(x0 , t0 )
q
(x−x0 )2
− ~i m
m
2 (t−t0 )
; G(x, t; x0 , t0 ) = 2πi~(t−t
0) e
(Rechnung: hx|U (t, t0 )|x0 i =
R
dp
i
e− ~ (t−t
hp|x0 i
| {z }
hx|pi
| {z }
0
2
p
) 2m
i xp
− i x0 p
√1
√1
e~
e ~
2π~
2π~
i
0
i
0
p2
dp e ~ p(x−x ) e− ~ (t−t ) 2m
quadratische Ergänzung
0
(x−x0 )2 ∞
(t−t0 )
R
−i m
−i
(p−m( x−x0 ))2
1
t−t
= 2π~
dp e ~ 2m
e ~ 2 (t−t0 )
=
1
2π~
R
−∞
Gaußsches Integral
=
3.2.2.3
q
(x−x0 )2
−i m
m
e ~ 2 (t−t0 )
2πi~(t−t0 )
√
)
Heisenbergbild
Alternative, äquivalente Beschreibung zum Schrödingerbild
Idee: Zustandsvektoren |ψi ändern sich im Grunde nicht, werden nur gedreht.
Was sich ändert, sind Erwartungswerte von Observablen
; Es wäre in manchen Situationen transparenter, eine Beschreibung zu haben,
in denen Zustandsvektoren zeitunabhängig und Observablen zeitabhängig
sind.
→ Heisenbergbild“
”
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
63
∗ Entwicklung des Heisenbergbilds aus dem Schrödingerbild
(i) Schrödingerbild, übliche Darstellungen
(Index S bedeutet Schrödinger)
Zustandsvektoren: |ψS (t)i = US (t, 0) |ψS (0)i zeitabhängig
Observablen: OS
im allgemeinen zeitunabhängig
Statistischer Operator: %S (t) = US %S (0) US† zeitabhängig
Üblicherweise wählt man Darstellungen, in denen Basis |bn i zeitunabhängig ist.
; Zustandsvektoren: hbn |ψS (t)i → zeitabhängige Koeffizienten
Observablen: hbn |OS |bm i → zeitunabhängige Matrixelemente
(ii) Schrödingerbild mit mitbewegten Basisvektoren
Im Prinzip kann Basis auch mitbewegt werden: |b̃n (t)i = US (t, 0) |bn i
; In solchen Darstellungen gilt:
Zustandsvektoren: hb̃n (t)|ψS (t)i = hbn |US† US |ψS (0)i = hbn |ψS (0)i
→ zeitunabhängige Koeffizienten
Observablen: hb̃n (t)|OS |b̃m (t)i
→ i.a. zeitabhängige Matrixelemente
NB: Koeffizienten der Zustandsvektoren in solchen Darstellungen
sind zwar zeitunabhängig, aber für |ψS (t)i selber gilt nach wie
vor (i)
(immer noch Schrödingerbild)
(iii) Heisenbergbild
(Index H bedeutet Heisenberg)
Darstellungen von Zustandsvektoren und Observablen haben die
gleichen Eigenschaften wie in (ii), aber in fester Basis |bn i
→ Passe Zustandsvektoren |ψi und Observable O an:
hb̃n (t)|ψS (t)i = hbn |US† (t, 0)|ψS (t)i = hbn |ψS (0)i =: hbn |ψH i
hb̃n (t)|OS |b̃m (t)i = hbn |US† OS US |bm i =: hbn |OH |bm i
; neue Zustandsvektoren, Observablen,
neuer statistischer Operator
Zustandsvektoren: |ψH i = US† (t, 0) |ψS (t)i = |ψS (0)i
zeitunabhängig
i.a. zeitabhängig
Observablen: OH (t) = US† (t, 0) OS US (t, 0)
Stat. Op.: %H = US† (t, 0) %S (t) US (t, 0) = %S (0) zeitunabhängig
(Beweis von %H = %S (0) ergibt sich aus der Forderung hOi = Sp(%S OS ) = Sp(%H OH ):
⇒ Sp(%S OS ) = Sp(%H US† OS US ) = Sp(US %H US† OS ) für alle Observablen OS
→ US %H US† = %S (t) ⇒ %H = US† %S (t)US
Weiterhin gilt: %S (t) = US %H US† ⇒ %H = %S (0)
√
)
64
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
∗ Charakterisierung des Heisenbergbilds
• Beschreibung völlig kompatibel mit den Postulaten aus 3.2.1 S.56
1. |ψH i sind Zustandsvektoren im Hilbertraum
2. OH = US† OS US selbstadjungiert, falls OS selbstadjungiert
3. Eigenwerte von OH und OS sind identisch
(Eigenvektor |vS i geht über in |vH i = U † |vS i)
4. Statistischer Operator %H so konstruiert, dass hOi = Sp(%H OH ) =
Sp(%S OS )
• Beschreibung auch kompatibel mit 3.2.2.1 S.59,
wenn man trivial setzt: Ω = 0 ⇒ UH (t, 0) ≡ 1̂
• Es folgt für die dynamische Entwicklung . . .
- des Zeitentwicklungsoperators:
d
dt UH
(UH ≡ 1̂)
=0
d
dt |ψH i
=0
- von Zustandsvektoren:
- von Operatoren zu Observablen:
i~
d
∂O
OH = [OH , HH ] + i~(
)H : Heisenberg-Gleichung
dt
∂t
†
mit ( ∂O
∂t )H := US (t, 0)
∂OS
∂t
US (t, 0)
∂
(Beweis: OH (t) = US† OS US und i~ ∂t
US = HS US wobei US = US (t, 0):
d
d
d
d
OH = −(i~ dt
US )† OS US + US† OS (i~ dt
US ) + US† (i~ dt
OS )US
⇒ i~ dt
d
= −(HS US )† OS US + US† OS HS US + i~ US† ( dt
OS )US
= −US† HS US US† OS US + US† OS US US† HS US + i~ ( ∂O
)
∂t H
| {z }
| {z }
1̂
1̂
= −HH OH + OH HH + i~ ( ∂O
)
∂t H
d
statistischen Operators: dt %H = 0
√
)
- des
- von Erwartungswerten: Ehrenfest-Gleichung wie gehabt
Ergibt sich hier direkt aus der Heisenberg-Gleichung
• Bemerkungen
i
- Falls HS zeitunabhängig ist ↔ US (t, 0) = e− ~ HS t
i
i
folgt: HH = e ~ HS t HS e− ~ HS t = HS ≡ H (auch zeitunabhängig)
i
i
und OH = e ~ Ht OS e− ~ Ht
für allgemeine Observable
- Beispiel: Freies Teilchen in einer Dimension
2
i pS
p2
2
i pS
S
; HH = HS = H; pH = e ~ 2m t pS e− ~ 2m t = pS
HS = 2m
⇒ rH (t) = rS + pmS t
d
(i~ dt
rH = [rH , H] = U † [rS ,
p2
S
]U
2m
H
= i~ pm
⇒ rH (t) − rH (0) =
pH
m
t=
pS
m
t
√
)
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
3.2.2.4
65
Wechselwirkungsbild
Noch eine weitere, äquivalente Beschreibung
Mittelding zwischen Schrödingerbild und Heisenbergbild
- nützlich für bestimmte Anwendungen (siehe Kapitel 5 S.113)
z.B. Wasserstoff im elektromagnetischen Strahlungsfeld, Strahlungsübergänge
→ Wähle ein Bild, in dem Zustandsvektoren zu festen Energieniveaus
fest.
Unter Strahlung variieren Zustandsvektoren langsam ' Übergänge zwischen Niveaus
Zerlege: HS = H0 + H 0 (t)
so, dass H0 zeitunabhängig ist
i
Definiere: |ψW (t)i = e ~ H0 t |ψS (t)i
i
i
OW (t) = e ~ H0 t OS e− ~ H0 t
i
i
Daraus ergibt sich analog zum Heisenbergbild: %W (t) = e ~ H0 t %S e− ~ H0 t
i
i
0 (t) = e ~ H0 t H 0 (t) e− ~ H0 t
⇒ Dynamische Gleichungen: mit HW
d
0 |ψ (t)i
i~ dt |ψW (t)i = HW
W
d
i~ dt OW (t) = [OW , H0 ] + i~ ( dO
dt )W
d
0
i~ dt %W (t) = [HW , %W ]
i
i
Zeitentwicklungsoperator: UW (t, 0) = e ~ H0 t US (t, 0) e− ~ H0 t
3.2.3
Offene Systeme und Messprozess
In Kapitel 3.2.2 S.59: Störungsfreie Zeitentwicklung in abgeschlossenem System
Messung: Ankopplung an Außenwelt“ notwendig, kann nicht störungsfrei von”
statten gehen
3.2.3.1
Einfache Beispiele von Messungen
(i) Ortsmessung“
”
Falls Elektron nicht absorbiert wurde,
(feststellbar / ↔ messbar)
ist es durch den Spalt getreten
→ Ort bestimmt mit Unschärfe ∆z
→ Impulsunschärfe ∆pz (Richtung)
66
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
(ii) Impulsmessung“ (Analysator)
”
Braggstreuung: Durch Interferenz wird eine Frequenz herausgefiltert
→ Monochromatisierter“
”
Strahl, Ort weniger scharf
als vorher. Grund“: Ein”
dringtiefe in den Kristall
unbekannt
⇒ (i) und (ii) sind Beispiele für eine Messung“, aber auch für die Präparation
”
eines Systems → Messung beeinflusst gemessenes Objekt.
Zusammenhang mit Unschärferelation: Man kann zwei inkompatible Observablen nicht gleichzeitig scharf messen, nur hintereinander. Mit der zweiten
Messung erübrigt sich der Messwert aus der ersten Messung.
(iii) Weiteres Beispiel: Doppelspaltversuch
“ Unschärfe“ hier: Man
kann nicht gleichzeitig wissen, durch welchen Spalt
das Elektron gelaufen ist,
und Interferenzmuster erhalten.
Versuch, eine Information über den Weg des Elektrons zu erhalten
(nach
FeynLichtquelle. Licht wird an Elektronen
man, lectures
gestreut. So könnte man evtl. Trajekin physics)
torien der Elektronen verfolgen.
Aber:
Streuprozess stört Elektronen, zerstört Kohärenz → keine Interferenz
Abhilfeversuche:
- Schwächeres Licht → nur noch wenige Streuprozesse (wenig Photonen)
; nur noch wenige Elektronen an Streuprozessen beteiligt
; Gestreute Elektronen liefern inkohärentes Muster
Ungestreute Elektronen liefern Interferenzmuster
(über diese liegt aber keine “Welcher Weg“-Information vor)
- Licht größerer Wellenlänge
; Einzelne Streuprozesse beeinflussen Elektronen weniger
; irgendwann ist Störung so klein, dass Interferenzmuster wieder
auftaucht
Aber: Die Wellenlänge ist dann so groß, dass man zwischen den
beiden Spalten nicht mehr unterscheiden kann.
Frage: Was geschieht nun allgemein bei einer Messung?
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
67
3.2.3.2
Kopenhagener Interpretation“ und Reduktionspostulat
”
(stammt aus der Gruppe um Niels Bohr, findet sich in den meisten Quantenmechanikbüchern)
(zu den Postulaten aus 3.2.1 S.56)
Zusätzliches Postulat:
Nach einer Messung befindet sich das System in einem dem Mes”
sergebnis entsprechenden Eigenzustand.“
%initial
−→
%final = |vn ihvn |
Messung einer Observablen Ô
Ergebnis: Eigenwert λn ,
zugehöriger Eigenvektor |vn i
Im Fall eines von Anfang an reinen Zustands %i = |ψihψ| → %f = |vn ihvn |
entspricht dies einer Zeitentwicklung“ |ψi → |vn i
”
Neue Dynamik, im Lauf derer der Zustandsvektor |ψi auf den Eigenvektorraum von λn projiziert wird: |ψi → |vn ihvn |ψi
Reduktion“ des Zustands (daher Reduktionspostulat) bzw. Kollaps“
”
”
Probleme mit dem Reduktionspostulat
• Zwei verschiedene Dynamiken
Schrödingergleichung: reversibel, unitäre Zeitentwicklung
Messung; Kollaps: irreversibel, nicht unitär
; passt nicht zusammen, in sich inkonsistent
• Wenn schon zwei Dynamiken, dann muss man fragen:
- Wann genau setzt Reduktion ein?
- Was ist eine Messung?
(z.B. Doppelspaltversuch: Ab wann wird Interferenzmuster zerstört?
Muss ich (Beobachter) wissen, wo Elektron durchgegangen ist?
Was ist, wenn ich eine Messung mache, aber nicht hinschaue?
Was ist, wenn ich prinzipiell gar nicht hinschauen kann?)
Berühmtes Gedankenexperiment: Schrödingers Katze
Setup: - Radioaktives Atom |1i, zerfällt zu |0i, emittiert dabei Photon
- Photon wird detektiert, das legt einen Schalter“ um
”
- Der Schalter öffnet einen Behälter mit Gift
- Die Katze frisst das Gift und stirbt
Betrachtet man das Atom alleine (reiner Zustand), würde man sagen:
Nach einer Halbwertszeit wird es durch Zustandsvektor √12 (|1i + |0i)
beschrieben.
Betrachtet man den ganzen Setup, kommt man auf
√1 (|1, · · · , Katze lebendigi + |0, · · · , Katze toti)
2
; Was bedeutet das? Wie kann eine Katze tot und lebendig sein?
bzw. Wann entscheidet sich, ob sie tot oder lebendig ist?
Erst wenn ich hinschaue?
68
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Häufiges Argument: Messung und Kollaps finden da statt, wo ein makroskopisches Messgerät an ein mikroskopisches Quantenobjekt (Elektron, Atom)
gekoppelt wird.
Mikroskopisches System → quantenmechanische Beschreibung
Makroskopisches System → klassische Beschreibung
An der Schnittstelle findet angeblich Kollaps statt
Aber: Nanotechnologie → Messgeräte (Sensoren) werden immer kleiner.
Tieftemperaturphysik → Quantenobjekte werden immer ausgedehnter
Übergang mikroskopisch/makroskopisch ist fließend
Die strenge Unterscheidung makroskopisch/klassisch und mikroskopisch/quantal
lässt sich heute nicht mehr ohne weiteres aufrechterhalten.
3.2.3.3
Statistische Interpretation und Dekohärenz
Ausweg aus den in 3.2.3.2 S.67 angesprochenen Problemen
Statistischer Ansatz: Diskutiere von vornherein nicht Einzelsysteme, sondern
statistisches Ensemble, beschrieben durch Operator %
→ selbst reiner Fall“ % = |ψihψ| entspricht dann einem Ensemble iden”
tisch präparierter Systeme
Dieser Ansatz räumt die grundlegendsten Probleme zwar nicht aus (siehe dazu (4)), aber er umgeht sie und ermöglicht das aufstellen eines in sich
konsistenten Formalismus.
Wichtig ist dabei: Konsequente Berücksichtigung dessen, dass man offene Systeme immer gemeinsam mit der Umwelt betrachten muss.
(a) Beispiel: Noch einmal Doppelspalt
(Gedankenexperiment, Scully, 1991)
Kavität wird so eingestellt, dass
das Atom genau abgeregt wird
und Photon in der Kavität bleibt
; Information über den Weg des Atoms ist im System gespeichert, aber
dem Beobachter ( mir“) nicht zugänglich
”
; Wie wirkt sich das auf Interferenzen aus?
• Referenzsystem ohne Kavitäten:
Zustandsvektor |ψi zerlegt in Anteile |ψ1 i (vom oberen Spalt) und
|ψ2 i (vom unteren Spalt).
⇒ |ψi ∝ |ψ1 i + |ψ2 i,
% = |ψihψ| ∝ (|ψ1 ihψ1 | + |ψ2 ihψ2 | + |ψ1 ihψ2 | + |ψ2 ihψ1 | )
|
{z
}
Kreuzterme → Interferenzen
(Interferenzmuster: Anzahl n(z0 ) der Atome bei z0 gegeben durch:
n(z0 ) ∝ hz0 |%|z0 i ∝ (|hz0 |ψ1 i|2 + |hz0 |ψ2 i|2 + hz0 |ψ1 ihψ2 |z0 i + hz0 |ψ2 ihψ1 |z0 i)
|
{z
}
= |ψ1 (z0 )|2 + |ψ2 (z0 )|2 + 2<(ψ1∗ (z0 )ψ2 (z0 ))
|
{z
}
oszilliert→Interferenzen
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
69
• Füge Kavitäten hinzu:
Kavitäten ↔ Beschreibung durch Zustandsvektoren


|0i
|1i


|2i
kein Photon
Photon in 1
Photon in 2
Kein Überlapp, also hi|ji = 0
Gekoppeltes System:
vor dem Spaltdurchgang: |ψi|0i = N ( |ψ1 i|0i + |ψ2 i|0i )
nach dem Durchgang: √12 ( |ψ1 i|1i + |ψ2 i|2i )
→ % = 12 ( |ψ1 i|1i + |ψ2 i|2i )( h1|hψ1 | + h2|hψ2 | )
Nun interessieren hauptsächlich Erwartungswerte von Größen, die
nur von Atompositionen abhängen (z.B. Interferenzmuster)
→ Über den Freiheitsgrad der Kavität kann Spur vorab gebildet
werden
→ trunkierter“ Dichteoperator
” trunk
P
%
=
hi|%|ii = h0|%|0i + h1|%|1i + h2|%|2i
| {z } | {z }
| {z }
i=0,1,2
0
1
|ψ1 ihψ1 |
2
1
|ψ2 ihψ2 |
2
= 21 ( |ψ1 ihψ1 | + |ψ2 ihψ2 | )
; Interferenzterme sind verschwunden!
(Interferenzmuster n(z0 ) ∝ hz0 |%|z0 i = hz0 |%trunk |z0 i =
1
(|ψ1 (z0 )|2
2
+ |ψ2 (z0 )|2 )
; kein oszillierender Beitrag mehr!)
• Weitergehende Gedankenexperimente:
Kopple Kavitäten
; hi|ji = 0 stimmt nicht mehr genau
aneinander, so dass
; Interferenzen erscheinen wieder
Photonenaustausch
Aber: Weginformation geht gleichmöglich wird
zeitig auch verloren.
(b) Verallgemeinerung dieser Gedankengänge
Untersuche einen Prozess, in dem an einem quantenmechanischen Objekt
eine Observable O gemessen wird.
Betrachte das gekoppelte System
I: gemessenes Objekt
II: Messgerät
System I: Observable hat Eigenwerte λn , Eigenvektoren |vn i
System II: Observable gekoppelt an Zeiger“, Zeigeroperator
Z
”
|z0 i → neutraler Zeigerstand
Eigenvektoren:
hzi |zj i = 0
|zn i → zeigt Messwert λn an
Dynamik während einer Messung
vorher: Zeigerstand neutral → |z0 i
nachher: Systeme I und II so gekoppelt, dass |vn i|z0 i übergeht in
|vn i|zn i
Ein solcher Übergang kann konsistent mit Schrödinger-Dynamik
sein
(kein Informationsverlust ↔ reversibel. Wie die Dynamik konkret aussieht, muss von Fall zu Fall extra untersucht werden.)
70
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
; Auswirkungen auf den statistischen Operator des Systems:
P
vorher: % =
%nm |z0 i|vn ihvm |hz0 |
(allgemeinster Ansatz)
n,m
P
nachher: % =
%nm |zn i|vn ihvm |hzm |
n,m
→ Information (%nm ) bleibt vollständig erhalten ⇒ reversibel
Betrachte nun den Fall, dass das Objekt I und das Messgerät II im weiteren Verlauf nicht mehr miteinander verquickt sind.
; Es interessiert nur noch das System I, Spurbildung über das System II kann vorab durchgeführt werden.
P
⇒ Trunkierter Operator: %trunk = hzl |%|zl i,
l
enthält alle Information über das System I (d.h. alle Erwartungswerte, die nur von I abhängen, können damit berechnet werden).
Dynamische Entwicklung des trunkierten Operators bei der Messung:
P
P
%nm hzl |z0 i |vn ihvm | hz0 |zl i =
vorher: %trunk =
% |v ihv |
| {z }
| {z } n,m nm n m
n,m,l
δl0
nachher:
%trunk
=
δ0l
P
%nm hzl |zn i |vn ihvm | hzm |zl i =
| {z }
| {z }
n,m,l
δln
P
%nn |vn ihvn |
n
δml
⇒ Nicht-Diagonalterme verschwinden, inkohärente Überlagerung
von Eigenvektoren |vn i: Dekohärenz
⇒ Reduktion des statistischen Operators %trunk reproduziert, diesmal
aber völlig kompatibel mit der Schrödinger-Dynamik.
Bemerkung: Zeitentwicklung des totalen Dichteoperators % ist unitär.
Zeitentwicklung des trunkierten Operators %trunk muss nicht unitär
sein.
(%trunk erleidet Informationsverlust bei Messung - Nebendiagonalterme %nm - Information kann nur zusammen mit System II (Messgerät)
wiederbeschafft werden.)
3.2.3.4
Diskussion
(sehr unvollständig)
• Der Effekt der Dekohärenz spielt bei Messungen offenbar eine wichtige
Rolle. Er macht deutlich, worauf es bei einer Messung ankommt:
– Offenes Quantensystem (Wechselwirkung mit Umgebung ↔ Messgerät)
– Umgebung muss zwischen den Eigenvektoren der gemessenen Observable unterscheiden können (d.h. Zeigerzustandsvektoren orthogonal)
• Mit dem statistischen Zugang aus (3) lässt sich eine konsistente Theorie
formulieren, die ohne zwei verschiedene Dynamiken auskommt.
Aber man bezahlt einen Preis → man betrachtet nur noch Ensembles,
nicht mehr einzelne, individuelle Systeme.
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK
71
• Fragt man sich, was in einem konkreten, einzelnen System (unserer Welt)
passiert, dann sind alle Interpretationsprobleme wieder da.
; Führe noch dritte Ebene ein: III: Beobachter (nach John von Neumann: Mathematical foundations of Quantum Mechanics“)
”
Gekoppelte Zustandsvektoren sind nun |System Ii|Messgerät IIi|Beobachter IIIi
z.B. Gesamtvektor zu Schrödingers Katze“:
”
√1 ( |1i|Katze lebti|Ich sehe lebende Katzei
2
+|0i|Katze toti|Ich sehe tote Katzei )
; Wie kommt man von da zu einem eindeutigen Ergebnis?
Optionen:
(i) Kollaps (nun doch wieder) zu einem der beiden Möglichkeiten
(ii) Alle Möglichkeiten bleiben erhalten, also auch alle Beobachterzustände → Everettsche Vielweltentheorie ( meine“ Welt be”
stimmt sich daraus, was ich gesehen habe)
(iii) Alternativen?
72
3.3
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Anwendung: Der harmonische Oszillator
Wichtigstes Modellsystem der Quantenmechanik
Grundbaustein“ der Quantenfeldtheorie
”
→ soll deshalb in diesem Kapitel über Grundlagen der Q.M. behandelt werden
System: Hamiltonoperator H =
p2
+ 1 mω 2 x2
2m 2
(eindimensional)
Vorbemerkungen:
• Heisenbergbild vs. Schrödingerbild
- [xS , pS ] = i~ ⇒ [xH , pH ] = i~
(denn: [xH , pH ]
√
)
= US† xS US US† pS US − US† pS US US† xS US = US† [xS , pS ]US = US† i~US = i~
- Funktionale Form des Hamiltonoperators gleich:
p2S
p2H
+ 12 mω 2 x2S = 2m
+ 12 mω 2 x2H
(Übungsaufgabe)
H = 2m
• Wir hätten den harmonischen Oszillator auch in der Wellenmechanik
schon lösen können, das ist nur aus Zeitgründen nicht geschehen.
Vorgehen: Ähnlich dem, das beim Wasserstoffatom verwendet wurde:
- zeitunabhängige Schrödingergleichung Hϕ = Eϕ
(erwarte diskretes Spektrum, da alle Zustände gebunden)
- Analyse des asymptotischen Verhaltens
|x|→∞
1
2 2
→ ϕ(x) −→ e− 2~ mω x
- Potenzreihenansatz für den Rest
→ Eigenfunktionen ϕn ∝ e
1
− 2~
mω 2 x2
r
mω
x)
Hn (
~
|
{z
}
Hermite“-Polynome
”
Energieeigenwerte En = (n + 12 )~ω
• Hier: alternativer Lösungsweg - algebraisches“ Verfahren
”
Führt Methode ein, die in der Quantenmechanik immer wieder verwendet wird.
3.3.1
Berechnung der (Energie-)Eigenwerte von H
q
√
1
? Vorab: Reskalierung x = mω
x̃, p = mω p̃
→ [x̃, p̃] = i~ (unabhängig vom Bild)
H = ω2 (p̃2 + x̃2 ) = ω2 ((x̃ − ip̃)(x̃ + ip̃) + ~)
? Leiteroperatoren
Definiere:
√1 (x̃ + ip̃)
2~
a† = √12~ (x̃ − ip̃)
a=
(nicht hermitesch)
und N = a† a (hermitesch) ⇒ H = ~ω(N + 21 )
3.3. ANWENDUNG: DER HARMONISCHE OSZILLATOR
73
Eigenschaften:
1
1
(i) [a, a† ] = 1
( 2~
[x̃ + ip̃, x̃ − ip̃] = 2~
([p̃, x̃] − [x̃, p̃]) = 1 )
(ii) N ist positiv
( hψ|a† a|ψi = ka|ψik2 ≥ 0 für alle |ψi )
; Alle Eigenwerte von N sind positiv
(iii) [N, a] = −a
( [N, a] = a† aa − aa† a = [a† , a]a = −a )
†
†
[N, a ] = a
( etc. )
Folgerungen:
• Falls |λi Eigenvektor zu N ist mit Eigenwert λ, dann ist
√
→
a|λi Eigenvektor zu λ − 1: a|λi = √λ|λ − 1i
und a† |λi Eigenvektor zu λ + 1: a† |λi = λ + 1|λ + 1i
(denn: N a|λi = aN |λi − a|λi = (λ − 1)a|λi
Normierung: ka|λik2 = hλ|a+ a|λi = λhλ|λi = λ
√
)
• Eigenwerte von N müssen natürliche Zahlen sein
√
Folgt aus a|λi = λ|λ − 1i und der Positivität von N .
Wäre λ = m − ε nicht natürlich (m natürlich, 0 < ε < 1)
p
; am |λi =
λ(λ − 1) · · · (λ − m + 1)|λ − mi hätte negativen Eigenwert Widerspruch
Einzige Möglichkeit: λ = m ⇒ am |mi = m!|0i, am+1 |mi = 0: Abbruch
• Eigenvektoren: |0i, |1i, |2i, · · · , |mi
mit |mi = √1m! (a† )m |0i
(wg. a† |mi =
√
m + 1|m + 1i)
? Folgerungen für den harmonischen Oszillator: H = ~ω(N + 12 )
- Eigenvektoren von H ≡ Eigenvektoren von N : |mi
- Eigenwerte von H: En = ~ω(n + 12 )
Speziell Grundzustand: E0 = 12 ~ω
? Interpretation
Energie des Oszillators verteilt sich auf n Energiequanten
- Operator a vernichtet ein Energiequant
Vernichtungs- oder Absteigeoperator
- Operator a† erzeugt ein Energiequant
Erzeugungs- oder Aufsteigeoperator
- Operator N zählt Quanten
Anzahloperator
N |ni = n|ni
? Anwendungen: Überall
Festkörperphysik, Kristallgitterschwingungen → Phononen
(multidimensionaler harmonischer Oszillator)
Festkörperphysik, Anregungen von Elektronen auf höhere Niveaus
→ Quasiteilchen“
”
Quantenfeldtheorie → Erzeugung und Vernichtung von Teilchen
74
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
3.3.2
Energieeigenvektoren in Ortsdarstellung (Schrödingerbild)
? Grundzustand |0i
hx|0i = u0 (x)
Es gilt a|0i = 0
R
⇒ hx|a|0i = dx0 hx|a|x0 ihx0 |0i = 0
√
√
i
~
d
p|x0 i = mωxδ(x − x0 ) + √mω
δ(x − x0 )
mit hx|a|x0 i = hx| mωx + √mω
dx
R
√
√
~
d
~
d
⇒ dx0 ( mωxδ(x − x0 ) + √mω
δ(x − x0 ))u0 (x0 ) = ( mωx + √mω
)u0 (x) = 0
dx
dx
⇒
du0
dx
= − mω
x u0 ⇒
~
du0
x dx ⇒ ln u0 = const −
= − mω
~ | {z }
u0
| {z }
1 dx2
mω 2
x
2~
2
d(ln u0 )
2
; u0 (x) = N · exp(− mω
2~ x )
? Angeregte Zustände |ni
hx|ni = un (x)
Ergeben sich aus: |ni = √1n! (a† )n |0i
√
~
d n
⇒ un (x) ∝ ( mωx − √mω
dx ) u0 (x)
Führt nach einigen Umformungen zu
q
2
mω
; un (x) ∝ exp(− mω
x
)
·
H
(
n
2~
~ x)
Mit Hn (y): Hermite-Polynome
- Speziell: H0 (y) = 1, H1 (y) = 2y, H2 (y) = 4y 2 − 2
- Rekursionsformeln: Hn0 (y) = 2nHn−1 (y)
Hn+1 (y) − 2yHn (y) + 2nHn−1 (y) = 0
- Definierende Differentialgleichung: Hn00 (y) − 2yHn0 (y) + 2nHn (y) = 0
3.3.3
Operatoren im Heisenbergbild
? Leiteroperatoren
d
Bewegungsgleichungen: i~ dt
aH (t) = [aH , H] = −~ωaH
d †
i~ dt
aH (t) = [a†H , H] = ~ωa†H
; Lösung: aH (t) = a0 · e−iωt
a†H (t) = a†0 · eiωt
? Rückschluss auf xH (t) und pH (t)
q
q
†
~
xH (t) = 2mω
(a†H (t) + aH (t)); pH (t) = i mω~
2 (aH (t) − aH (t))
q
q
†
~
x0 := 2mω
(a†0 + a0 );
p0 := i mω~
2 (a0 − a0 )
q
~
1
; xH (t) = 2mω
(a†0 e−iωt + a0 eiωt ) = x0 cos(ωt) + mω
p0 sin(ωt)
q
† −iωt
pH (t) = i mω~
− a0 eiωt ) = p0 cos(ωt) − mωx0 sin(ωt)
2 (a0 e
(kann auch direkt bewiesen werden, Übungsaufgabe)
3.4. SYMMETRIEN
3.4
75
Symmetrien
Klassische Mechanik: Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungsgrößen (↔ Noether-Theorem)
In diesem Kapitel wollen wir die analogen Zusammenhänge in der Quantenmechanik diskutieren.
Symmetrien spielen für die Entwicklung und Struktur von (quantenmechanischen und klassischen) Theorien eine zentrale Rolle.
3.4.1
Allgemeine Vorüberlegungen
3.4.1.1
Erinnerung an klassische Mechanik
(kurze Erinnerung für die, die eine solche Vorlesung gehört haben. Die anderen
können diesen Abschnitt überspringen bzw. weghören“.)
”
Ausgangspunkt: Lagrange-Formalismus L (q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n , t)
(mit qi : generalisierte Koordinaten)
∗ Homogenität der Zeit
L unabhängig von der Zeit t ⇒ ∂L
∂t = 0
P ∂L
Dann ist H = −L + q̇j ∂ q̇j eine Erhaltungsgröße (Hamiltonfunktion)
j
NB: H hat in der klassischen Mechanik eine ähnliche Bedeutung wie
der Hamiltonoperator in der Quantenmechanik, da es die konkrete
Dynamik eines Systems definiert. Für beliebige dynamische Größen
f gilt klassisch
df
dt
= {f, H } +
∂f
∂t
(vgl. Heisenberg-Gleichung
( {. . . ,. . . } = Poissonklammer)
dO
dt
=
1
i~ [O, H]
+
∂O
∂t
)
∗ Weitere Symmetrien: Noether-Theorem
Existiert eine kontinuierliche Symmetrie, d.h. ist
L (q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n , t) invariant unter einer Transf. qj → q̃j (a),
wobei a ein kontinuierlicher Parameter, q̃j (a) stetig, q̃j (0) = qj ,
P ∂L dq̃j (a)
dann ist I =
∂ q̇j ( da )a=0 eine Erhaltungsgröße. (E. Noether 1918)
j
Ist L (q1 · · · qn , q̇1 · · · q̇n , t) quasi-invariant unter qj → q̃j (a), d.h.
d
L (q̃1 · · · q̃n , q̃˙1 · · · q̃˙n , t) = L (q1 · · · qn , q̇1 · · · q̇n , t)+ dt
F (q1 · · · qn , t; a),
d
( dt
F ändert als totale Zeitableitung nichts an Bewegungsgleichungen)
P ∂L dq̃j (a)
∂F
dann ist I =
∂ q̇j ( da )a=0 − ( ∂a )a=0 eine Erhaltungsgröße.
j
(Erweitertes Noether-Theorem)
⇒ Homogenität des Raums
L (~ri , ~r˙i , t) invariant unter Translation ~ri → ~r˜i = ~ri − ~a
(bzw. in Komponenten rjβ → r̃jβ = rjβ − aβ )
76
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
⇒ Erhaltungsgröße: Iα =
P
P ∂L dr̃jβ
(
) = − pjα = −Pα
α
j
jβ ∂ ṙjβ | da
| {z } {z }
−δαβ
pjβ
P
bzw. vektoriell I~ = − p~j = −P~
j
; Gesamtimpuls P~ bleibt erhalten.
⇒ Isotropie des Raums
L (~ri , ~r˙i , t) invariant unter Drehung ~ri → ~r˜i = D(−~
ϕ)~ri
wobei D(~
ϕ): Drehung um Winkel |~
ϕ|, Drehachse ~eϕ = ϕ
~ /|~
ϕ|
Das Noether-Theorem braucht nur die Ableitung nach ϕ, daher
genügt es, infinitesimale Drehwinkel d~
ϕ zu betrachten:


1
−dϕ3 dϕ2
1
−dϕ1  = 1̂ − d~
Es gilt: D(−d~
ϕ) =  dϕ3
ϕ×
−dϕ2 dϕ1
1
bzw. ~ri → ~r˜i = D(−d~
ϕ)~ri = ~ri − d~
ϕ × ~ri
P
bzw. in Komponenten rjβ → r̃jβ = rjβ − εβγδ dϕγ rjδ
γδ
⇒ Erhaltungsgröße:
P
P ∂L
P
dr̃jβ
εαβγ rjβ pjγ
(
pjβ εβαδ rjδ = −
Iα =
) =−
α
jβγ
jβ ∂ ṙjβ | dϕ
jβδ
| {z } P {z }
pjβ −
εβαδ rjδ
δ
P
~
bzw. vektoriell I~ = − (~rj × p~j ) = −L
j
~ bleibt erhalten.
; Gesamtdrehimpuls L
⇒ Galilei-Invarianz
L (~ri , ~r˙i , t) quasi-invariant unter ~ri → ~ri − ~v t
P
P
~
⇒ Erhaltungsgröße: I = p~j t + mj ~rj = −P~ t + M R
j
j
~
(P~ =Gesamtimpuls, M =Gesamtmasse, R=Schwerpunkt)
~
~ 0 + P~ · t
; Schwerpunktssatz: R(t)
=R
M
3.4.1.2
Begriffsklärung: Symmetrie“ und Erhaltungsgröße“ in der
”
”
Quantenmechanik
• Erhaltungsgröße:
Observable O, für die in allen Zuständen % gilt:
Wegen
d
dt hOi
d
dt hOi
=0
1
∂O
= h i~
[O, H]i + h ∂O
∂t i folgt daraus: [O, H] + i~ ∂t = 0
Folgerungen für nicht explizit zeitabhängige Observablen O
- Dann ist auch hf (O)i = const für alle Funktionen f
- Insbesondere ist P (λ) = hδ(λ − O)i = const
(Verteilung für Messwert λ)
( ∂O
∂t = 0):
3.4. SYMMETRIEN
77
Bemerkung: Beachte Unterschied zu stationärem Zustand
- Falls statistischer Operator % = f (H) nur von H abhängt
Schrödingerbild d%
−→
dt
1
d
d
= i~
[H, %] = 0 ⇒ dt
hOi = dt
Sp(%O) = 0
für alle nicht explizit zeitabhängigen Observablen O
⇒ alle“ dynamischen Variablen sind in diesem Zustand kon”
stant
- Dagegen Erhaltungsgröße: konstant für alle Zustände %
• Symmetrie
Unitäre Operation |ψi → |ψ̃i = S|ψi, die die Dynamik des Systems
unverändert lässt: Im Schrödingerbild wird die Dynamik für |ψi, |ψ̃i
von demselben Hamiltonoperator bestimmt
∂
→ i~ ∂t
|ψi = H|ψi
∂
∂
∂
∂S
i~ ∂t |ψ̃i = i~ ∂t
S|ψi = Si~ ∂t
|ψi + i~( ∂S
∂t )|ψi = S H |ψi + i~( ∂t )|ψi
!
= H|ψ̃i = H S |ψi für alle |ψi
⇒ [S, H] + i~ ∂S
∂t = 0
(NB: Gleichung ähnlich wie oben die für Erhaltungsgrößen. Dennoch ist
S keine Erhaltungsgröße, da keine Observable!)
Bemerkung: Gleichartige Symmetrieoperationen können im Allgemeinen
zu einer mathematischen Gruppe zusammengefasst werden.
(kontinuierliche Gruppen z.B. Translationen, Drehungen,
diskrete Gruppe z.B. Spiegelungen (plus Identität))
Im Folgenden werden Darstellungen dieser Gruppen eine Rolle spielen:
Abbildung S → L(S) auf die linearen Operatoren L eines Vektorraums, die die Verknüpfung erhält: S1 S2 = S ⇒ L(S1 )L(S2 ) = L(S).
3.4.2
3.4.2.1
Homogenität von Raum und Zeit
Homogenität der Zeit
Symmetrieoperation (vgl. 3.2.2 S.59):
Verschiebung um Zeitspanne τ mittels Zeitentwicklungsoperator:
Schrödingerbild: |ψ(t)i → |ψ(t + τ )i = U (t + τ, t)|ψ(t)i.
Dynamik wird beschrieben durch Hamiltonoperator H
∂
i~ ∂t
U (t, t0 ) = H U (t, t0 )
Homogenität der Zeit → kein Zeitpunkt ausgezeichnet (U (t + τ, t) = U (τ ) ∀t)
; H nicht explizit zeitabhängig, ∂H
U (τ ) = exp(− ~i Hτ )
∂t = 0,
d
Dann folgt (Ehrenfest): dt
hHi = h ~i [H, H]i + h ∂H
∂t i = 0
⇒ H ist Erhaltungsgröße
78
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
3.4.2.2
Homogenität des Raumes
Symmetrieoperation: Verschiebung des Zustandsvektors um Ortsvektor ~a
Beispiel: Ein Teilchen in Ortsdarstellung: ψ(~r) → ψ̃(~r) = ψ(~r − ~a)
Koordinatenfrei (auch viele Teilchen möglich): |ψi → |ψ̃i = T (~a)|ψi
mit T (~a) Translationsoperator
∗ Allgemeine Form des Translationsoperators
Eigenschaften:
(i) stetig und lim T (~a) = 1̂
|~a|→0
(ii) unitär (laut Voraussetzung)
(iii) zusammensetzbar: T (~a1 )T (~a2 ) = T (~a1 + ~a2 )
; selbe Eigenschaften wie Zeitentwicklungsoperator (3.2.2.1 S.59)
Form von T (~a) kann völlig analog hergeleitet werden
~ d~a,
⇒ • Infinitesimale Translation um d~a: T (d~a) = 1̂ − iK
~
wobei K hermitesch ist.
• Endliche Translation:
~a N
T (~a) = lim (T ( N
) ) = lim ((1̂ −
N →∞
N →∞
~a N
iK~
N ) )
~
= e−iK~a
∗ Erhaltungsgröße
Falls System translationsinvariant, folgt wegen
∂T
∂t
=0
!
~
[H, e−iK~a ] =
~ =0
[H, T (~a)] =
0 für alle ~a ⇒ [H, K]
~ ist eine Erhaltungsgröße!
⇒K
~ hermitesch → potentielle Observable)
(K
~
∗ Kommutatorrelationen für K
• [T (~a), T (~a0 )] = 0 ⇒ [Kα , Kβ ] = 0
• Betrachte Darstellung von T (~a) im Einteilchen-Hilbertraum. Für Diracvektoren |~r0 i gilt
~r T (~a) |~r0 i = ~r |~r0 + ~ai = (~r0 + ~a) |~r0 + ~ai
T (~a) ~r |~r0 i = T (~a) ~r0 |~r0 i = ~r0 T (~a) |~r0 i = ~r0 |~r0 + ~ai
(NB: ~
r ist ein Operator, ~
r0 ist eine Zahl)
?
→ [~r, T (~a)] |~r0 i = ~a |~r0 + ~ai → [~r, T (~a)]
= ~aT (~a)
Daraus folgt für infinitesimale Translationen d~a:
[rβ , 1̂ − iKα daα ] = daα ⇒ [rβ , Kα ] = i δαβ
Gilt für den Einteilchen-Hilbertraum. Gilt damit auch allgemein,
denn Kommutatorrelationen sind in allen Darstellungen gleich.
3.4. SYMMETRIEN
79
~
∗ Konkrete Identifizierung von K
• Einteilchensystem
~ = p~ (~
Kommutatorrelation [rβ , Kα ] = iδαβ legt nahe: K
~ p Impuls)
Nachweis in Ortsdarstellung, zunächst in 1 Dimension:
P (−a)n dn
i
d
−a dx
ψ(x) = e− ~ a·p ψ(x)
ψ̃(x) = ψ(x − a) =
n! dxn ψ(x) = e
n
in 3 Dimensionen: P
i
~ n
~
(−~a∇)
ψ̃(~r) = ψ(~r − ~a) =
ψ(~r) = e−~a∇ ψ(~r) = e− ~ ~a·~p ψ(~r)
n!
n
i
; Der Translationsoperator ist gegeben durch T (~a) = e− ~ ~a·~p
→ Impuls p~ erzeugt“ Translationen!
”
p, H] = 0
Bei Homogenität des Raums gilt: [~
; Impuls ist dann eine Erhaltungsgröße
• Allgemein (z.B. Vielteilchensystem)
~
Gesamtimpuls“
Definiere P~ = K~:
”
~
; Gesamtimpuls P ist definiert als die Größe, die bei der Homogenität des Raumes erhalten ist.
(analog Mechanik)
3.4.2.3
Isotropie des Raumes
Symmetrieoperation: Drehung des Zustandsvektors um Winkel ϕ
~
Ortsdarstellung (ein Teilchen, keine inneren Freiheitsgrade):
ψ(~r) → ψ̃(~r) = ψ(D(−~
ϕ)~r)
Koordinatenfrei (viele Teilchen und/oder innere Freiheitsgrade möglich):
|ψi → |ψ̃i = R(~
ϕ)|ψi mit R(~a) Rotationsoperator
∗ Allgemeine Form des Rotationsoperators
Eigenschaften wieder:
(i) stetig und lim R(~
ϕ) = 1̂
|~
ϕ|→0
(ii) unitär
(iii) im allgemeinen nicht zusammensetzbar, aber:
- infinitesimale Drehungen zusammensetzbar
R(~
ϕ1 ε)R(~
ϕ2 ε) = R((~
ϕ1 + ϕ
~ 2 )ε) + o(ε2 )
- Drehungen um dieselbe Achse zusammensetzbar
R(ϕ1~n)R(ϕ2~n) = R((ϕ1 + ϕ2 )~n)
(iiia)
(iiib)
; Es können dieselben Überlegungen wie oben ((2) bzw. 3.2.2.1 S.59)
angestellt werden, legen die Form von R(~
ϕ) fest.
⇒ • Infinitesimale Rotation um d~
ϕ:
R(d~
ϕ) = 1̂ − ~i J~ d~
ϕ, wobei J~ hermitesch ist.
((i),(ii),(iiia))
• Endliche Rotation um ϕ
~:
R(~
ϕ) =
ϕ
~ N
lim (R( N
) )
N →∞
= lim ((1̂ −
N →∞
((iiib))
~ N
i J~ϕ
~ N ) )
− ~i J~ϕ
~
=e
80
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
∗ Erhaltungsgröße
− ~i J~ϕ
~
∂R
∂t
=0
~ =0
] = 0 für alle ϕ
~ ⇒ [H, J]
Falls System rotationsinvariant, folgt wegen
!
[H, R(~
ϕ)] = [H, e
⇒ J~ ist eine Erhaltungsgröße!
∗ Kommutatorrelationen für J~
~0 )] 6= 0 i.allg.)
Ergeben sich aus Kommutatorrelationen für R ([R(~
ϕ), R(ϕ
Betrachte Darstellung der Rotationsoperatoren im R3 (Drehgruppe).
Konkret 
infinitesimale Drehungen
  ε um die x-, y- oder z-Achse

1
0
0
1
0
0
−ε  ;
Dx (ε) = 0 cos ε − sin ε ≈ 0 1 − ε2 /2
0 sin ε cos ε
0
ε
1 − ε2 /2




1 − ε2 /2 0
ε
1 − ε2 /2
−ε
0
 ; Dz (ε) ≈ 
0
1
0
ε
1 − ε2 /2 0
Dy (ε) ≈ 
−ε
0 1 − ε2 /2
0
0
1


0 −ε2 0
0
0 = Dz (ε2 )
⇒ [Dx , Dy ] = Dx Dy − Dy Dx = . . . = ε2
0
0
0
- Übertragung auf Rotationsoperatoren: [R(~ex ε), R(~ey ε)] = R(~ez ε2 ) − 1̂
- Einsetzen R(~eα ε) = 1̂ − ~i Jα ε −
⇒ [(1̂ − ~i Jx ε −
= 1̂ − iJ~z ε − 1̂
(Jx ε)2
), (1̂
2~2
(Jα ε)2
2~2
− ~i Jy ε −
+ o(ε3 )
(Jy ε)2
)]
2~2
= − ~12 ε2 [Jx , Jy ]
⇒ [Jx , Jy ] = i~Jz
Analog zeigt man: [Jy , Jz ] = i~Jx ; [Jz , Jx ] = i~Jx ,
also: [Jα , Jβ ] = i~ εαβγ Jγ
(Summenkonvention!)
∗ Identifizierung von J~
• Einteilchensystem ohne innere Freiheitsgrade:
Ortsdarstellung: ψ̃(~r) = ψ(D(−~
ϕ)~r)
infinitesimale Drehung um d~
ϕ : D(−d~
ϕ) ~r ≈ ~r − d~
ϕ × ~r
~
⇒ ψ̃(~r) ≈ ψ(~r − d~
ϕ × ~r) ≈ (1̂ − (d~
ϕ × ~r)∇)ψ(~
r)
!
~ r)
~
= (1̂ − d~
ϕ(~r × ∇)ψ(~
r) = R(d~
ϕ)ψ(~r) = (1̂ − i d~
ϕ J)ψ(~
~
~ = ~r × p~
⇒ J~ = ~i [~r × ∇]
:
Bahndrehimpuls
• Allgemein: In Systemen mit inneren Freiheitsgraden kann J~ noch
andere Beiträge haben
→ Verallgemeinerter Drehimpuls (siehe Kapitel 4 S.95)
3.4. SYMMETRIEN
3.4.3
81
Vorläufige Zusammenfassung und Verallgemeinerung: Symmetrien und Erhaltungsgrößen
Fazit von 3.4.2 S.77 (und 3.2.2 S.59)
Bisher betrachtete Symmetrietransformationen:
i
Zeittranslation: |ψi → e− ~ Ht |ψi
Ortstranslation: |ψi → e
Drehung:
|ψi → e
~a
− ~i P~
− ~i J~ϕ
~
(Schrödingerbild)
(falls H nicht explizit zeitabhängig)
|ψi
|ψi
H, P~ und J~ heißen Generatoren der entsprechenden Symmetrietransformation. In Systemen mit dieser Symmetrie sind sie Erhaltungsgrößen.
Verallgemeinerung
Gegeben sei eine stetige, kontinuierliche Gruppe von unitären Symmetrietransformationen, die die Identität 1̂ enthält.
P
→ Elemente lassen sich schreiben als S = exp(− ~i k Zk αk )
mit hermiteschen Generatoren Zk
und kontinuierlichen, reellen Parametern αk (αk=0 eingeschlossen)
In Systemen, die invariant sind gegen diese Symmetrietransformationen,
αk →0
k
gilt: [S, H] + i~ ∂S
⇒
[Zk , H] + i~ ∂Z
∂t = 0 ∀S
∂t = 0
→ Die Generatoren Zk sind Erhaltungsgrößen!
Folgerung: Symmetrien und Entartung
Symmetrietransformationen S seien nicht explizit zeitabhängig: ∂S
∂t = 0
; Falls |En i Eigenvektor zu H, so auch S|En i mit demselben Eigenwert
√
( wegen: HS|En i = SH|En i = SEn |En i = En S|En i
)
Wenn S|En i und |En i linear abhängig sind, ist En entartet.
; Generatoren Zk können zwischen entarteten Zustandsvektoren unterscheiden (z.B. als Observablen in einem VSKO)
Bemerkung:
Eine Symmetriegruppe, wie sie oben besprochen wurde (stetig, kontinuierlich), nennt man auch Lie-Gruppe
Die Generatoren Zk der Gruppe bilden eine Lie-Algebra:
Der Kommutator [Zk , Zj ] definiert Multiplikation mit Eigenschaften
(i) [Zk , Zj ] = i Ckjl Zl
(abgeschlossen)
(ii) [Zk , Zl ] = −[Zj , Zk ]
(antisymmetrisch)
(iii) [αZi + βZj , Zk ] = α[Zi , Zk ] + β[Zj , Zk ]
für α, β ∈ C
[Zi , αZj + βZk ] = α[Zi , Zj ] + β[Zi , Zk ]
(bilinear)
(iv) Jakobi-Identität
[Zi , [Zj , Zk ]] + [Zj , [Zk , Zi ]] + [Zk , [Zi , Zj ]] = 0
Die Lie-Algebra wird durch die Ckjl charakterisiert!
(charakteristische Konstanten, Ckjl ∈ R)
82
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
3.4.4
Invarianz unter speziellen Galilei-Transformationen
Etwas weniger prominent“ als die bisher behandelten Symmetrien.
”
Aber: Symmetrieüberlegungen werden Herleitung des Ausdrucks für den
Hamiltonoperator für freie Teilchen erlauben (→ H =
p2
2m )
Symmetrieoperation: Transformation ~r → ~r − ~v t
Ortsdarstellung, speziell t = 0
(ein Teilchen)
R
R
~
~
~
i
k~
r
i(
k−
k
r f (~
0 )~
ψ(~r, t = 0) = d~k e f (~k) → ψ̃(~r, t = 0) = d~k e
k)
i
− ~ m~v~
r
= |e {z } ψ(~r, t = 0)
(wegen k~0 = m
~v )
~
Phasenfaktor
Koordinatenfrei:
|ψi → |ψ̃i = B(~v )|ψi mit B(~v ): Galilei-Boost
Soll hier einfachheitshalber nur in 1 Dimension diskutiert werden: x → x − vt
Entsprechende Überlegungen für drei Dimensionen finden sich z.B. in Ballentine.
∗ Allgemeine Form des Galilei-Boosts B(v)
Eigenschaften wieder: stetig, unitär, zusammensetzbar
i
⇒ Entsprechend 3.4.3 S.81 ist B(v) = e− ~ v G mit G hermitesch
∗ Erhaltungsgröße
(Beachte: B(v) ist explizit zeitabhängig)
Falls Dynamik des Systems invariant gegen Boosts B(v), gilt nach 3.4.1 S.75
1
∂G
v→0
1
∂B
[G, H] +
=0
(vgl. 3.4.3 S.81)
⇒
i~ [B, H] + ∂t = 0
i~
∂t
Also ist G eine Erhaltungsgröße
(Beispiel für explizit zeitabhängige Erhaltungsgröße)
∗ Kommutatorrelationen für G
• Kommutator von G und H
Betrachte Folge von infinitesimalen Boosts und Zeittranslationen:
→
Boost um ε → Zeittransl. um ε → Boost um (−ε) → Zeittransl. um (−ε)
2
U (−ε)B(−ε)U (ε)B(ε)|ψi ≈ . . . ≈ {1̂ + ~ε2 [G, H] + o(ε3 )}|ψi
-Transformiert (x, t) → (x − εt, t)
-Weiter zu → (x − εt, t − ε)
-Weiter zu → (x − εt + ε(t − ε), t − ε) = (x − ε2 , t − ε)
-Weiter zu → (x − ε2 , t) Netto: Translation um (−ε2 )
i
2
δε
i
2
2
3
~
= e|−{z
} T (−ε )|ψi ≈ {1̂ + ~ (p − δ)ε + o(ε )}|ψi
Phasenfaktor, unbekannt
3.4. SYMMETRIEN
83
Vergleich liefert (Entwicklung): [G, H] = i~(p − δ) , δ reell
• Kommutator von G und P
Betrachte Folge von infinitesimalen Boosts und Raumtranslationen:
→
Boost um ε → Raumtransl. um ε → Boost um (−ε) → Raumtransl. um (−ε)
2
T (−ε)B(−ε)T (ε)B(ε)|ψi ≈ . . . ≈ {1̂ + ~ε2 [G, P ] + o(ε3 )}|ψi
-Transformiert (x, t) → (x − εt, t)
-Weiter zu → (x − εt − ε, t)
-Weiter zu → (x − εt − ε + εt, t), t − ε) = (x − ε, t)
-Weiter zu → (x, t) Netto: Zurück zum Ausgangspunkt
i
2
= e− ~ M ε |ψi : Identität bis auf Phasenfaktor
Vergleich liefert: [G, P ] = i~M , M reell
• In Einteilchensystemen gilt zur Zeit t = 0: [G(t = 0), x] = 0
(wegen: hx0 |B(v)|x1 i ∝ δ(x0 − x1 ) bei t = 0
⇒ hx0 |xB(v)|x1 i = x0 hx0 |B(v)|x1 i = x1 hx0 |B(v)|x1 i = hx0 |B(v)x1 |x1 i
√
)
für alle Diracvektoren |x0 i, |x1 i ⇒ [B(v), x] = 0 ⇒ [G, x] = 0
∗ Speziell: Ein Teilchen, keine inneren Freiheitsgrade
Dann muss gelten: G = G(x, p, t); H = H(x, p, t)
• Folgerung für G(x,p,t)
1
= − i~
[G, H] = −(p − δ)
Rt
⇒ G = G0 − pt + ∆
(∆ = dt0 δ(t0 ) ; ∆(t = 0) = 0)
[G, H] = i~(p − δ) ⇒
∂G
∂t
0
[G(t = 0), x] = [G0 , x] = 0 und: Eigenwerte von x nicht entartet
⇒ G0 diagonal in x-Darstellung ⇒ G0 = G0 (x)
[G, p] = i~M ⇒ [G0 , p] = i~M
⇒ G0 = M · x + g 0
(g0 : Konstante)
• Folgerung für H(x,p,t)
[G, H] = [M x − pt, H] = i~(p − δ) für alle t
i~
⇒ [x, H] = M
(p − δ) (setze t = 0: Muss dann aber immer
gelten.)
⇒ [p, H] = 0 ⇒ H = H(p, t)
(p-Eigenwerte nicht entartet ; H diagonal in p-Darstellung)
H = p2 /2M − pδ/M + E0
Weitere Forderungen:
- Homogenität von Raum und Zeit → E0 , δ, M unabhängig von x
und t
- System invariant gegen Paritätstransformationen x → −x
Wegen [x, p] = i~ = const folgt:
Unter Paritätstransformation ist p → −p
⇒ H muss symmetrisch bzgl. p sein ⇒ δ = 0
84
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
- Konvention: Spektrum von H soll nach unten anstatt nach oben
beschränkt sein ⇒ M > 0
Fazit: G = M x − pt + g0
mit M > 0 (Masse)
2
H = p /2M + E0
Die Konstanten g0 , E0 haben keine physikalische Bedeutung
(; kann man auch Null setzen)
⇒ Symmetrieforderungen der eindimensionalen Galilei-Gruppe
- Homogenität von Raum und Zeit
- Invarianz unter Boosts
- Invarianz unter Paritätstransformation
legen den Hamiltonoperator für ein Freies Teilchen ohne innere
Freiheitsgrade fest!
NB: In drei Dimensionen wird die Forderung nach Invarianz unter
Paritätstransformation durch Invarianz unter Drehung (Isotropie des Raums) ersetzt (siehe Ballentine)
3.4.5
Diskrete Symmetrien
Wir haben nun alle kontinuierlichen Symmetrien der Galilei-Gruppe behandelt.
Darüberhinaus können aber auch diskrete Symmetrien auftreten, die (fast) genauso wichtig sind.
Ein Beispiel trat schon in 3.4.4 S.82 auf: Die Paritätstransformation bzw. Raumspiegelung ~r ↔ −~r. Eine weitere wichtige Transformation ist die Zeitumkehr“
”
bzw. Spiegelung der Geschwindigkeiten.
3.4.5.1
Raumspiegelung und Parität
Symmetrieoperation: Transformation ~r → −~r
Ortsdarstellung (ein Teilchen, keine inneren Freiheitsgrade)
ψ(~r) → ψ̃(~r) = ψ(−~r)
Koordinatenfrei (allgemeiner)
|ψi → |ψ̃i = Π̂|ψi mit Π̂: Paritätsoperator
∗ Eigenschaften des Paritätsoperators
(i) Π̂2 = 1̂ ⇒ Π̂−1 = Π̂
(strenggenommen ist Π̂2 = eiδ , aber der Phasenfaktor δ ist beliebig
und kann 0 gewählt werden.)
(ii) Π̂ unitär
(Π̂−1 = Π̂† )
(iii) Daraus folgt auch: Π̂ hermitesch
(Π̂† = Π̂−1 = Π̂)
Eigenwerte λ2 = 1 ⇒ λ = ±1
∗ Kommutatorrelationen
• [Π̂, ~r]+ = Π̂ ~r + ~r Π̂ = 0
hψ̃|Π̂†
(Antikommutator)
!
(wegen: hψ̃|~r|ψ̃i =
~r Π̂|ψ̃i = −hψ|~r|ψi ∀ψ
√
†
⇒ Π̂ ~r Π̂ = −~r ⇒ ~r Π̂ = −Π̂ ~r
)
3.4. SYMMETRIEN
85
• [Π̂, p~]+ = Π̂ p~ + p~ Π̂ = 0
(wegen: Π̂ T (~ε) = T (−~ε) Π̂
(T (~ε) = Translation)
√
i
i
)
⇒ Π̂ (1̂ − ~ p~~ε) = (1̂ + ~ p~~ε) Π̂ ⇒ −Π̂ p~ = p~ Π̂
~ =0
• [Π̂, L]
(Π̂ vertauscht mit Rotationen)
√
(Π̂ p~2 = −~
p Π̂ p~ = p~2 Π̂
)
• [Π̂, p~2 ] = 0
∗ Bedeutung des Paritätsoperators
• Zum Beispiel als zusätzliche Observable“ in einem VSKO
”
Erinnerung an Wellenmechanik (Kapitel 2 S.9)
; Sortierung von Lösungen der stationären Schrödingergleichung nach geraden und ungeraden Funktionen
=
b Eigenfunktionen des Paritätsoperators
Speziell eindimensionale Probleme (Kapitel 2.2.2 S.31
2
p
H = 2m
+ V (x), V (x) symmetrisch → [H, Π̂] = 0
; Eigenfunktionen haben entweder definierte Parität
(z.B. gebundene Zustände in einem Potentialtopf)
oder die Eigenwerte sind zweifach entartet
(z.B. freie Zustände)
Im letzteren Fall kann Π̂ als Observable in einem VSKO mit H
eingesetzt werden.
• Grundlegender: In den meisten Fällen scheint Paritätssymmetrie eine
der fundamentalen Symmetrien der Natur zu sein.
Ausnahme: Paritätsverletzung in der schwachen Wechselwirkung
(- und dafür gab’s immerhin einen Nobelpreis!)
3.4.5.2
Zeitumkehrinvarianz und Zeitumkehroperator
Symmetrieoperation: Zeitumkehr“, entspricht de facto einer
”
Spiegelung aller Geschwindigkeiten (Zeit läuft von da an rückwärts“)
”
Koordinatenfrei: |ψi → |ψ̃i = Θ̂|ψi mit Θ̂: Zeitumkehroperator,
so dass im Schrödingerbild: U (t)Θ̂|ψ(0)i = Θ̂U (−t)|ψ(0)i = Θ̂|ψ(−t)i
∗ Eigenschaften des Zeitumkehroperators
• Wenn das Spektrum von H nach unten beschränkt sein soll (z.B.
wegen 3.4.4 S.82), kann Θ̂ nicht linear sein!
(denn: OBdA seien Eigenwerte E von H positiv - sonst setze H → H − Emin .
Setze in U (t)Θ̂|ψ(0)i = Θ̂U (−t)|ψ(0)i infinitesimale Zeit ε ein.
⇒ (1̂ −
i
Hε)Θ̂|ψi
~
= Θ̂(1̂ +
i
Hε)|ψi
~
⇒ −iΘ̂H|ψi = Θ̂iH|ψi für alle ψ
Wäre Θ̂ linear, dann folgte: −H Θ̂|ψi = Θ̂H|ψi ∀|ψi → −H Θ̂ = Θ̂H
Für Eigenvektoren |Ei von H mit Eigenwert E würde dann gelten:
H Θ̂|Ei = −Θ̂H|Ei = −E Θ̂|Ei ⇒ Θ̂|Ei ∝ | − Ei
; Θ̂|ei wäre Eigenvektor von H mit Eigenwert −E < 0 Widerspruch!)
• Stattdessen ist Θ̂ antilinear
86
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Ein antilinearer
Operator
hat die Eigenschaft
P
P
Θ̂( cn |αn i) = c∗n Θ̂|αn i
n
n
⇒ löst das obige Problem, da Θ̂iH|ψi = −iΘ̂H|ψi,
t→0
also folgt aus U (t)Θ̂|ψi = Θ̂U (−t)|ψi ∀|ψi → H Θ̂ = Θ̂H
• Θ̂ ist normerhaltend → antiunitär!
mit |ψ̃i = Θ̂|ψi und |ϕ̃i = Θ̂|ϕi gilt: hψ̃|ϕ̃i = hϕ|ψi = hψ|ϕi∗
∗ Wirkung auf Observablen
Eine Observable heißt gerade/ungerade unter Zeitumkehr,
wenn A = ±Θ̂AΘ̂−1
Dann geht hAi unter Zeitumkehr über in +hAi bzw. −hAi
( - Statistischer Operator sei % =
P
|ni%nm hm|
(in beliebiger Basis |ki)
n,m
Zeitumkehr: % → %̃ =
P
n,m
|ñi%∗nm hm̃| =
P
|ñi%mn hm̃|
mit |k̃i = Θ̂|ki
n,m
- Wähle als Basis Eigendarstellung von A: A|ai = a|ai
P
P
|ãi%a0 a hã0 |
|ai%aa0 ha0 | → %̃ =
⇒%=
a,a0
a,a0
P
Sp(%̃A) =
a,a0 ,a00
=±
P
a,a0
ha00 |ãi%a0 a hã0 |A|a00 i
=
P
a,a0
hã0 |A|ãi%a0 a
P 0
hã0 |Θ̂A Θ̂−1 |ãi %a0 a = ±
hã |Θ̂ A|ai %a0 a
| {z }
| {z }
a,a0
|ai
=±
P
a,a0
P 0
hã0 | Θ̂|ai a%a0 a = ±
hã |ãi a%a0 a
| {z }
a,a0 | {z }
ha|a0 i
|ãi
=±
P
a,a0
=±
(a reell)
a|ai
ha|a0 ia%a0 a
P
a,a0 ,a00
=±
P
a,a0
ha|A1̂|a0 i%a0 a
ha00 |a0 i%a0 a ha|A|a00 i = ±Sp(%A)
1̂ =
√
P
|a00 iha00 |
a00
)
Zum Beispiel ist x gerade, p ungerade, J gerade.
∗ Zeitumkehr der Ortsdarstellung von Einteilchenzustandsvektoren
ψ(~r)
Zeitumkehr
−→
ψ(~r)∗ eiϕ
(eiϕ : Phasenfaktor, beliebig)
(denn: ~
rˆ gerader Operator ⇒ Θ̂ ~
rˆ Θ̂−1 = ~
rˆ
−1
˜
ˆ
˜
⇒ Mit |~
r0 i = Θ̂|~
r0 i gilt: Θ̂ ~
r Θ̂ |~
r0 i = ~
rˆ|~
r˜0 i = Θ̂~
r0 |~
r0 i = ~
r0 Θ̂|~
r0 i = ~
r0 |~
r˜0 i
⇒~
rˆ|~
r˜0 i = ~
r0 |~
r0 i ⇒ |~
r˜0 i ∝ |~
r0 i
˜
Also: Θ̂|~
ri = |~
ri ∝ |~
ri
Daraus folgt: ψ̃(~
r) = h~
r|ψ̃i = hψ|~
r˜i ∝ hψ|~
ri = h~
r|ψi∗
√
)
3.5. IDENTISCHE TEILCHEN
3.5
87
Identische Teilchen
Vorbemerkung: Allgemeines Vielteilchensystem
(z.B. Proton + Elektron)
n Teilchen → Zustandsraum ist Produktraum (nach 3.1.1.5 S.51) der
(ggf. erweiterten) Hilberträume für die einzelnen Teilchen.
Konkret: Einteilchenzustandsvektoren für Teilchen i: |ϕα ii ; Hilbertraum Hi
P
|ϕα1 i1 · · · |ϕαn in Cα1 ···αn
→ Produktraum enthält Zustandsvektoren
N α1 ···α
Nn N
Cα1 ···αn ∈ C; Hilbertraum: H = H1 H2 · · · Hn
Nun: Identische Teilchen
Dabei definieren wir als identisch“: Man kann kein Verfahren angeben,
”
mit dem ein Teilchen von einem anderen unterschieden werden könnte.
(d.h. gleiche Masse, Ladung, Spin, ... Platzwechsel möglich etc.)
; Eine neue Form von Symmetrie
In diesem Kapitel sollen die Auswirkungen einer solchen Symmetrie behandelt werden.
3.5.1
Ununterscheidbarkeit
Laut Definition kann es in einem System identischer Teilchen nur Observablen
geben, die zwischen Teilchen nicht unterscheiden.
- z.B. ist in einem Zweiteilchensystem nicht erlaubt: x1 , x2 ,
aber erlaubt: x1 + x2 ; |x1 − x2 |; W (x) = δ(x − x1 ) + δ(x − x2 )
1) Folgerung für Observablen
(N Teilchen)
Zunächst: Gegeben sei ein Zustandsvektor |ψi =
P
α1 ···α
PN
|ϕα1 i1 · · · |ϕαN iN Cα1 ···αN
und ein permutierter“ Zustandsvektor |ψ 0 i =
|ϕαi1 i1 · · · |ϕαiN iN Cα1 ···αN
”
α1 ···αN
wobei (1, 2, . . . N ) → (i1 , i2 , . . . , iN ) Permutation ist.
Dann müssen die Erwartungswerte von allen Observablen in den reinen
Zuständen % = |ψihψ| und %0 = |ψ 0 ihψ 0 | gleich sein: hAi = hψ|A|ψi =
hψ 0 |A|ψ 0 i
Formale Beschreibung: Definiere Permutationsoperator |ψ 0 i = P |ψi
- Notation: P =
1 2 ···
i1 i2 · · ·
N
iN
- Eigenschaften:
• P ist unitär
• Permutationsoperatoren bilden eine Gruppe von N ! Elementen.
88
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
• Alle Permutationen lassen sich aus paarweisen Vertauschungen
(nicht eindeutig)
(Transpositionen Tij ) zusammensetzen.
• Es existiert eine eindeutige Zuordnung: Eine Permutation lässt
sich entweder nur aus einer geraden, oder nur aus einer ungeraden Anzahl Transpositionen zusammensetzen. Entsprechend
nennt man eine Permutation gerade bzw. ungerade.
- Beispiele:
12
12
(= 1̂), ungerade: P =
12
21
123
123
123
- Drei Teilchen → gerade: P =
;P =
;P =
123
231
312
123
123
123
ungerade: P =
;P =
;P =
213
132
321
- Zwei Teilchen → gerade: P =
Damit kann die obige Forderung für Observablen folgendermaßen formu!
liert werden: hP ψ|A|P ψi = hψ|P † AP |ψi = hψ|A|ψi für alle P , |ψi
⇒ P † AP = A bzw. mit P † = P −1 : AP = P A für alle P
⇒ In einem System identischer Teilchen sind nur Observablen zulässig,
die mit allen Permutationen kommutieren:
[A, P ] = 0 für alle P
Beispiele: Gesamtimpuls, Gesamtdrehimpuls, Schwerpunkt, . . .
2) Folgerung für Zustandsvektoren
Wenn |ψi Eigenvektor ist zur Observablen A mit Eigenwert a, dann ist auch
P |ψi Eigenvektor mit demselben Eigenwert. Das muss für alle (zulässigen)
Observablen und alle Permutationen gelten.
⇒ Austauschentartung: Jeder Eigenwert ist N !-fach entartet.
Entartung kann prinzipiell durch keine Observable aufgehoben werden.
→ Widerspricht dem Postulat II (in 3.2.1 S.56)
(Zustandsraum wird von Eigenvektoren eines VSKO aufgespannt, keine
überflüssigen Freiheitsgrade)
Grundlegender: Kann etwas prinzipiell nicht Messbares einen physikalischen
”
Gehalt“ haben?
→ Problem!
Ausweg der Natur: Symmetrisierungspostulat, nächstes Kapitel
3.5. IDENTISCHE TEILCHEN
3.5.2
89
Symmetrisierungspostulat
Problem (siehe 3.5.1 S.87): Austauschentartung
Ausweg der Natur: Zusätzliches Postulat (empirisch festgestellt)
Symmetrisierungspostulat, erste Formulierung
Der Zustandsraum ist reduziert: Er enthält nur Zustandsvektoren, die
simultane Eigenvektoren aller Permutationsoperatoren sind.
3.5.2.1
Konstruktion des reduzierten Zustandsraums
• Es genügt, simultane Eigenvektoren aller Transpositionen zu suchen, da
man aus ihnen beliebige Permutationen zusammensetzen kann.
• Es gilt: Tij2 = 1̂ ⇒ Eigenwerte von Tij sind ±1
Für einen vorgegebenen simultanen Eigenvektor |ψi müssen die Eigenwerte aller Transpositionen dasselbe Vorzeichen haben
(da: Tkl = Tik Tjl Tij Tik Tjl
⇒ λkl |ψi = Tkl |ψi = λik λjl λij λik λjl |ψi = λ2ik λ2jl λij |ψi = λij |ψi = Tij |ψi
|{z} |{z}
1
√
)
1
; Zwei Möglichkeiten
Eigenwert +1 (Tij |ψi = |ψi) → Zustandsvektor total symmetrisch
P |ψ S i = |ψ S i für alle P
Eigenwert −1
(Tij |ψi = −|ψi) → Zustandsvektor total antisymmetrisch
(
1
: P gerade Permutation
P |ψ A i = (−1)P |ψ A i mit (−1)P =
−1 : P ungerade Permutation
Symmetrische und antisymmetrische Zustandsvektoren bilden jeweils Unterräume
des (N-Teilchen)-Hilbertraums
Konstruktion von symmetrischen/antisymmetrischen Zustandsvektoren → z.B.
über Projektion eines allgemeinen Vektors in entsprechenden Unterraum
Projektionsoperatoren:
Symmetrischer Unterraum: S =
( |ψ S i = S|ψi ⇒ Pβ |ψ S i =
1
N!
1
N!
X
Pα
alle Permutationen α
P
P
Pβ Pα |ψi = N1 !
Pγ |ψi = S|ψi = |ψ S i
α | {z }
γ
√
)
Pγ
Antisymmetrischer Unterraum: A =
( |ψ A i = A|ψi ⇒ Pβ |ψ A i =
1
N!
1
N!
X
alle Permutationen α
1 P
(−1)Pγ −Pβ Pγ |ψi
N!
(−1)Pα Pβ Pα |ψi =
| {z }
α
P
γ
Pγ
= (−1)Pβ
1
N!
P
γ
(−1)Pα Pα
(−1)Pγ Pγ |ψi = (−1)Pβ A|ψi = (−1)Pβ |ψ A i
√
)
90
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Beispiele:
- Zwei Teilchen, Einteilchenvektoren |ψα i1 , |ψα i2
Basisvektoren des Produktraums: |ψα1 i1 |ψα2 i2
Projektion der Basisvektoren
Symmetrisch: |ψαS1 α2 i ∝ (|ψα1 i1 |ψα2 i2 + |ψα2 i1 |ψα1 i2 )
Antisymmetrisch: |ψαA1 α2 i = √12 (|ψα1 i1 |ψα2 i2 − |ψα2 i1 |ψα1 i2 )
- Drei Teilchen, Einteilchenvektoren |ψα i1 , |ψα i2 , |ψα i3
Basisvektoren des Produktraums: |ψα1 i1 |ψα2 i2 |ψα3 i3
Projektion der Basisvektoren
(S=Symmetrisch: +, A=Antisymmetrisch: -):
S/A
|ψα1 α2 α3 i
∝ [|ψα1 i1 |ψα2 i2 |ψα3 i3 + |ψα2 i1 |ψα3 i2 |ψα1 i3 + |ψα3 i1 |ψα1 i2 |ψα2 i3
±(|ψα2 i1 |ψα1 i2 |ψα3 i3 + |ψα3 i1 |ψα2 i2 |ψα1 i3 + |ψα1 i1 |ψα3 i2 |ψα2 i3 )]
- N Teilchen, Einteilchenvektoren |ψα i1 , . . . |ψα iN
Basisvektoren des Produktraums: |ψα1 i1 |ψα2 i2 · · · |ψαN iN
Projektion der Basisvektoren
Symmetrisch: |ψαS1 ···αN i ∝ {|ψα1 i1 · · · |ψαN iN + alle Permutationen }
|ψα i1 · · · |ψα iN 1
1
.. ..
Antisymmetrisch: |ψαA1 ···αN i = √1N ! ...
.
. |ψα i1
|ψ
αN iN
N
√
Slater-Determinante
(1/ N ! ist Normierungsfaktor)
3.5.2.2
Zusammenfassend: Symmetrisierungspostulat, zweite Formulierung
Der Zustandsraum eines Systems von N identischen Teilchen ist entweder vollständig symmetrisch oder vollständig antisymmetrisch. Im ersten Fall spricht man von Bosonen, im zweiten von Fermionen. Gemischte Zustandsvektoren gibt es nicht.
→ Damit ist die Austauschentartung aufgehoben.
Bemerkung: Symmetrische und antisymmetrische Zustandsvektoren können
dynamisch nicht ineinander übergehen.
(Andernfalls wäre ein Zeitentwicklungsoperator U (t) möglich
mit |ψ2S i = U (t)|ψ1A i ⇒ hψ2S |U (t)|ψ1A i 6= 0
Da U nur von H abhängt, gilt mit [H, Tij ] = 0 auch [U, Tij ] = 0
†
−1
Weiterhin: Tij |ψ2S i = |ψ2S i; Tij |ψ1A i = −|ψ1A i; Tij
= Tij
= Tij
†
⇒ hψ2S |U (t)|ψ1A i = hTij ψ2S |U (t)|ψ1A i = hψ2S |Tij
U (t)|ψ1A i = hψ2S |Tij U (t)|ψ1A i
= hψ2S |U (t)Tij |ψ1A i = −hψ2S |U (t)|ψ1A i
⇒
hψ2S |U (t)|ψ1A i
= 0 für alle U (t)
Widerspruch!)
Frage: Wann sind Teilchen Bosonen oder Fermionen?
3.5. IDENTISCHE TEILCHEN
91
(Spin → siehe Kapitel 4 S.95)
Antwort: Spin-Statistik-Theorem
In der relativistischen Quantenfeldtheorie kann man zeigen, dass Teilchen
mit ganzzahligem Spin keine Fermionen sein können, und Teilchen mit
halbzahligem Spin keine Bosonen.
Fermionen: Halbzahliger Spin (z.B. Elektronen, He3 )
Bosonen: Ganzzahliger Spin (z.B. Photonen, He4 )
(Weitere Bemerkung: Zwei Dimensionen → Anyonen und Zopfgruppen)
3.5.2.3
Folgerungen aus dem Symmetrisierungspostulat
∗ Pauliprinzip: Zwei Elektronen können nicht exakt den gleichen Einteilchenzustand einnehmen.
→ Sehr grundlegend: Verantwortlich dafür, dass die Materie trotz elektrostatischer Kräfte nicht kollabiert.
∗ Statistik:
Beispiel: Zwei Teilchen in einem Zwei-Niveau-System (+, −)
Basisvektoren des Zustandsraums für
- unterscheidbare Teilchen: |b1 i = |+i1 |+i2 ; |b2 i = |+i1 |−i2 ;
|b3 i = |−i1 |+i2 ; |b4 i = |−i1 |−i2 ;
- Bosonen: |b1 i = |+i1 |+i2 ; |b2 i = √12 (|+i1 |−i2 + |−i1 |+i2 );
|b3 i = |−i1 |−i2 ;
- Fermionen: |bi = √12 (|+i1 |−i2 − |−i1 |+i2 );
; Im Vergleich zu unterscheidbaren Teilchen haben bei Bosonen
Zustände, in denen beide Teilchen im gleichen Einteilchenzustand sind, ein höheres Gewicht, und tretenP
bei Fermionen dafür
%nm |bn ihbm |)
gar nicht auf. (Statistischer Operator: % =
mn
Salopp:
Fermionen meiden einander (Pauli-Abstoßung)
Kennzeichen der Fermi-Dirac-Statistik
Bosonen suchen einander (Bose-Anziehung)
Kennzeichen der Bose-Einstein-Statistik
Mehr dazu in der Vorlesung Statistische Mechanik“
”
92
3.6
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
84.
85.
86.
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Wissensfragen
Was ist ein Hilbertraum?
Wie lautet die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung und wann gilt sie?
Was ist eine Basis?
Was versteht man unter “Zerlegung der Eins” in einer Basis?
Wie werden Vektoren in einer Basis dargestellt?
Wie werden Operatoren in einer Basis dargestellt?
Was transformieren sich Darstellungen eines Vektors bei Basiswechsel?
Was ist ein unitärer Operator?
Was ist ein hermitescher, was ein selbstadjungierter Operator?
Was versteht man unter einem Projektionsoperator?
Erläutern Sie die Eigenwertgleichung eines Operators O.
Welche Eigenschaften haben die Eigenwerte und Eigenvektoren von hermiteschen Operatoren? von selbstadjungierten Operatoren?
Wie lautet die Spektraldarstellung eines selbstadjungierten Operators?
Wie lautet die Spektraldarstellung einer Funktion f (O) eines selbstadjungierten Operators O?
Welche Grundkonzepte (“Postulate”) liegen der Quantenmechanik zugrunde?
Was ist ein quantenmechanischer Zustandsvektor? Wie wird er mathematisch beschrieben?
Wie werden dynamische Größen mathematisch beschrieben?
Was versteht man unter einem vollständigen Satz kommutierender Observablen?
Was ist der statistische Operator?
Wie berechnet man den Erwartungswert einer dynamischen Größe in einem quantenmechanischen System?
Welche Meßwerte können bei der Messung einer dynamischen Größe auftreten? Welche nicht? Warum nicht?
Mit welcher Wahrscheinlichkeit tritt ein konkreter Meßwert auf?
Was versteht man unter einem “reinen” System?
Wie lautet die allgemeine Version der Unschärferelation?
Was versteht man unter einem Zeitentwicklungsoperator?
Welche Eigenschaften muß der Zeitentwicklungsoperator haben und warum?
Erläutern Sie den Unterschied zwischen dem Schrödingerbild und dem
Heisenbergbild.
Wie entwickeln sich Zustände, Observablen, statistische Operatoren zeitlich im Schrödingerbild und im Heisenbergbild?
Wie hängen die Ausdrücke für Zustände, Observablen, statistische Operatoren im Heisenbergbild und im Schrödingerbild zusammen? Was passiert
konkret, wenn der Hamiltonoperator nicht explizit zeitabhängig ist?
Was bedeutet “explizit zeitabhängig” ? Nennen Sie Beispiele für explizit
zeitabhängige und nicht explizit zeitabhängige Observablen.
3.6. WISSENSFRAGEN
93
87. Wie lautet die von-Neumann-Gleichung und wann wird sie angewendet?
88. Wie lautet die Heisenberg-Gleichung und wann wird sie angewendet?
89. Wie entwickeln sich Erwartungswerte zeitlich im Schrödingerbild und im
Heisenbergbild?
90. Was versteht man unter einem “trunkierten statistischen Operator”? Welcher Zusammenhang besteht zwischen einem trunkierten statistischen Operator und dem vollen statistischen Operator? In welchem Kontext werden
trunkierte Operatoren eingeführt und wofür können sie verwendet werden?
91. Was ist eine unitäre Zeitentwicklung? Entwickelt sich der statistische Operator unitär? Wie sieht es bei trunkierten statistischen Operatoren aus?
92. Erläutern Sie den Vorgang der Dekohärenz.
93. Was geschieht nach dem Reduktionspostulat bei einer Messung? Wie
hängen Reduktionspostulat und Dekohärenz miteinander zusammen?
94. Wie lautet der Hamiltonoperator des eindimensionalen harmonischen Oszillators? Welche Eigenwerte hat er?
95. Was sind Aufsteige- und Absteigeoperatoren?
96. Was versteht man in der Quantenmechanik unter einer Erhaltungsgröße?
Wie lautet die Bedingung dafür, daß eine Observable eine Erhaltungsgröße
ist?
97. Was versteht man unter einer Symmetrieoperation? Wie lautet die Bedingung dafür, daß ein System eine bestimmte Symmetrie aufweist?
98. Was versteht man unter dem Generator einer kontinuierlichen Symmetriegruppe?
99. Welche physikalische Bedeutung haben die Generatoren der Translationsgruppe und der Rotationsgruppe?
100. Wie kommutieren die Generatoren der Translationsgruppe untereinander? Wie die Generatoren der Rotationsgruppe? Warum ist die Antwort
verschieden?
101. In welchem konkreten Fall sind die Generatoren der Rotationsgruppe gerade die Komponenten des Bahndrehimpulses?
102. Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungsgrößen in der Quantenmechanik.
103. Nennen und erklären Sie speziell die Erhaltungsgrößen, die aus der Homogenität der Zeit, der Homogenität des Raums, und der Isotropie des
Raums folgen.
104. Wann gelten Teilchen als ununterscheidbar?
105. Welche Forderung müssen die Observablen in einem System ununterscheidbarer Teilchen erfüllen?
106. Welche Eigenschaft hat nach dem Symmetrisierungspostulat der Zustandsraum eines Systems identischer Teilchen?
107. Worin besteht der Unterschied zwischen Bosonen und Fermionen?
108. Was versteht man unter einer Slater-Determinante und wozu kann man
sie brauchen?
109. Was besagt das Spin-Statistik Theorem?
94
KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Kapitel 4
Quantenmechanik des
Drehimpulses
c Copyright 2012 Friederike Schmid1
Wir haben in den Kapiteln 2 S.9 und 3 S.47 bereits einige wesentliche Aspekte
des Drehimpulses kennengelernt.
In diesem Kapitel: Systematische Gesamtdarstellung
- Wiederholung, Erweiterung, Ergänzungen (insbesondere: Spin)
4.1
4.1.1
Wiederholung: Bahndrehimpuls
Definition
~ = ~r × p~
Operator: L
~ = ~ ~r × ∇
~
Ortsdarstellung: L
i
~ 2 , Lk ] = 0 ∀k = x, y, z
Kommutatorrelationen: [Lj , Lk ] = i~εjkl Ll ; [L
4.1.2
Eigenwerte und Eigenfunktionen
~ 2 und Lz : |lmi
Gemeinsame Eigenvektoren z.B. von L
~ 2 |lmi = ~2 l(l + 1)|lmi
L
Lz |lmi = ~m
|lmi
mit l ≥ 0 ganzzahlig; m ganzzahlig, m ∈ [−l : l]
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Mainz, SS 2012.
Letzte Änderung der PDF-Datei am 09.06.12.
95
96
4.1.3
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
Darstellung in Polarkoordinaten
~
i (− sin ϕ
~
i (− cos ϕ
~ ∂
i ∂ϕ
Lx =
Ly =
Lz =
∂
∂ϑ
∂
∂ϑ
− cot ϑ sin ϕ
~ 2 = − ~22 ( sin ϑ
L
sin ϑ
|lmi → Ylm (ϑ, ϕ)
mit Ylm (ϑ, ϕ)
=
N e
imϕ
∂
∂ϕ )
∂
∂ϕ )
− cot ϑ cos ϕ
∂
∂ϑ
sin ϑ
∂
∂ϑ
+
∂2
)
∂ϕ2
Kugelflächenfunktionen
m
sin ϑ
dm
d cos ϑm
Pl (cos ϑ)
| {z }
(m ≥ 0)
Legendre-P.
Yl−m (ϑ, ϕ)
=
m
(−1)
Ylm (ϑ, ϕ)
Konkret:
Y00 =
Y10 =
Y1±1
√1
4π
q
3
4π
cos ϑ
q
3
sin ϑ e±iϕ
= ∓ 8π
Kugelflächenfunktionen bilden ein vollständiges und orthogonales Funktionensystem
~ 2 , Lz selbstadjungierte Operatoren)
(; L
4.2. ALLGEMEINER DREHIMPULS
4.2
4.2.1
97
Allgemeiner Drehimpuls
Definition
Drehimpuls ↔ Generator einer Drehung
(eines Systems oder eines Teils eines Systems)
(Kapitel 3.4.2.3 S.79)
Drehung um Winkel ϕ, Drehachse ϕ
~ /ϕ:
~
~ J)
R(~
ϕ) = exp(− ~i ϕ
|ψi → |ψ̃i = R(~
ϕ)|ψi mit
; Definiert Drehimpuls J~
Konkrete Form hängt vom Zustandsraum {|ψi} ab.
Kommutatorrelationen:
[Jj , Jk ] = i~εjkl Jl
(gezeigt in 3.4.2.3 S.79)
Folgerungen: Für J~2 = Jx2 + Jy2 + Jz2 gilt:
- [J~2 , Jk ] = 0 für alle k = x, y, z
( z.B. [J~2 , Jx ] = [Jy2 , Jx ] + [Jz2 , Jx ] = Jy [Jy , Jx ] + Jz [Jz , Jx ] + [Jy , Jx ]Jy + [Jz , Jx ]Jz
√
= −i~(Jy Jz + Jz Jy ) + i~(Jz Jy + Jy Jz ) = 0
)
- J~2 positiv
4.2.2
(
hψ|J~2 |ψi = kJx |ψik2 + kJy |ψik2 + kJz |ψik2 ≥ 0
)
Eigenwerte und Eigenvektoren
Suche gemeinsame Eigenvektoren von J~2 und Jz
→ Standarddarstellung“ |jmi
”
Motiviert durch 4.1 S.95, schreibe Eigenwertgleichung in der Form:
J~2 |jmi = ~2 j(j + 1)|jmi mit j > 0
Jz |jmi = ~m|jmi
(da J~2 positiv)
Lösungsweg: ähnlich wie harmonischer Oszillator in 3.3 S.72, gestützt auf Kommutatoren: Algebraische“ Lösung
”
Hauptergebnisse
Eigenvektoren von J~2 , Jz : |jmi
J~2 |jmi = ~2 j(j + 1)|jmi
Jz |jmi = ~m|jmi
wobei: j ist positiv und halbzahlig oder ganzzahlig
m ∈ [−j, −j + 1, · · · , j − 1, j] ( (2j + 1) mögliche Einstellungen)
p
Es gilt: J+ |jmi = ~p(j − m)(j + m + 1)|j m + 1i
J− |jmi = ~ (j + m)(j − m + 1)|j m − 1i
erfüllen
(modulo Phasenfaktor)
mit J± = Jx ± i Jy
Weitere Ergebnisse und algebraische Herleitung im Vergleich mit Kapitel 3.3 S.72
siehe große Tabelle auf der folgenden Seite
98
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
Harmon. Oszillator
Ausgangspunkt:
Leiteroperatoren
⇒
Kommutatoren
Positive
Operatoren
Lösung:
Wirkung
der Leiteroperatoren
⇒
Normierung
⇒
Positivität
⇒
Abbruchbedingung
H = ω2 (p̃2 + x̃2 )
[x̃, p̃] = i~
(reskalierte Einheiten)
a = √12~ (x̃ + ip̃)
a† = √12~ (x̃ − ip̃)
H = 12 ~ω(a† a + aa† )
[a, a† ] = 1
[N, a] = −a
[N, a† ] = a†
mit N = a† a
N = a† a
N + 1 = aa†
Sei |ni Eigenvektor
zu N , Eigenwert n
N a|ni
= (n − 1)a|ni
N a† |ni
= (n + 1)a† |ni
a|ni ∝ |n − 1i
a† |ni ∝ |n + 1i
ka|nik2 = hn|a† a|ni
=n
ka† |nik2 = hn|aa† |ni
=n+1
√
a|ni = n|n − 1i
√
a† |ni = n + 1|n + 1i
N positiv
n≥0
nmin = 0
⇒ a|0i = 0
Übrige Zustandsvektoren:
|1i, |2i, |3i, . . .
Drehimpuls
J~2 = Jx2 + Jy2 + Jz2
[Jx , Jy ] = i~Jz
(Jz ist eine Zahl!)
J± = Jx ± i Jy
J~2 = (J+ J− + J− J+ )/2 + Jz2
[J+ , J− ] = 2~Jz
[J~2 , J± ] = 0
[Jz , J± ] = ±~J±
(da [Jz , Jx ± iJy ]
= [Jz , Jx ] ± i[Jz , Jy ] = i~Jy ± ~Jx )
J~2
J+ J− = Jx2 + Jy2 + ~Jz
= J~2 − Jz2 + ~Jz
J− J+ = Jx2 + Jy2 − ~Jz
= J~2 − Jz2 − ~Jz
Sei |jmi Eigenvektor zu J~2 , Jz ,
Eigenwerte ~2 j(j + 1) und ~m
Jz J± |jmi = J± (Jz ± ~)|jmi
= ~(m ± 1)J± |jmi
2
~
J J± |jmi = J± J~2 |jmi
= ~2 j(j + 1)J± |jmi
J± |jmi ∝ |j m ± 1i
kJ± |jmik2 = hjm|J∓ J± |jmi
= hjm|J~2 − Jz2 ∓ ~Jz |jmi
= ~2 (j(j + 1) − m(m ± 1))
= ~2 (j ∓ m)(j ± m + 1)
J± |jmi
p
= ~ (j ∓ m)(j ± m + 1)|j m ± 1i
J 2 positiv
⇒ j(j + 1) ≥ 0 bzw. j ≥ 0 (oBdA)
J+ J− positiv ⇒ j(j + 1) − m(m − 1)
= (j + m)(j − m + 1) ≥ 0
⇒ −j ≤ m ≤ (j + 1)
J− J+ positiv ⇒ j(j + 1) − m(m + 1)
= (j − m)(j + m + 1) ≥ 0
⇒ −j − 1 ≤ m ≤ j
j ≥ 0 und −j ≤ m ≤ j
mmax = j ⇒ J+ |j, ji = 0
mmin = −j ⇒ J− |j, −ji = 0
Übrige Zustandsvektoren: |j, j − 1i,|j, j − 2i,
. . . bzw. |j, −j + 1i, |j, −j + 2i . . .
Damit es zusammenpasst:
j − k = −j für ein k
⇒ 2j = k ; j ganz- oder halbzahlig
4.3. DER SPIN
4.3
99
Der Spin
Wir haben gesehen: Bahndrehimpulsquantenzahlen sind ganzzahlig, aber prinzipiell wären ganzzahlige oder halbzahlige Quantenzahlen möglich.
Frage: Treten halbzahlige Quantenzahlen in der Natur auf?
z.B. einfachster Fall j = 12 ⇒ m = ± 12 (zwei Einstellungen) → gibt es das?
Antwort: Ja - Spin
4.3.1
!
Experimenteller Hinweis: Der Stern-Gerlach-Versuch
Idee: Direkte Sichtbarmachung der Quantelung von Jz (Quantenzahl m).
Drehimpuls erzeugt magnetisches Moment (z.B. Bahndrehimpuls µ
~ =
e ~
L)
2mc
~
; Beitrag zum Hamiltonoperator: Hmagn = −~
µB
Für ungeladene freie Teilchen im Magnetfeld gilt:
1
1
d
~ µB)
~
pi = i~
h[~
p, H]i = i~
h[~
p, Hmagn ]i = ∇(~
dt h~
⇒ Um die Quantelung von µz (↔ Jz ) sichtbar zu machen, muss man Teilchen
durch ein inhomogenes Magnetfeld in z-Richtung schicken.
Aufbau
Ursprüngliche Erwartung: Aufspaltung in 1, 3, 5 Strahlen je nach Bahndreimpuls.
!
Beobachtung (Stern, Gerlach 1921): Aufspaltung in zwei Strahlen
Atome: Silber → sollten eigentlich gar keinen Bahndrehimpuls haben.
Wiederholung mit Wasserstoff im Grundzustand (1927) → wieder zwei
Strahlen.
Folgerung: Es gibt einen intrinsischen Drehimpuls mit zwei möglichen Einstellungen: Den Spin! → zusätzliche Eigenschaft der Elektronen.
4.3.2
Beschreibung von Teilchen mit Spin
4.3.2.1
Ein Teilchen mit Spin
1
2
Spin: Zusätzlicher Freiheitsgrad
; Erweiterung des Zustandsraums
N
H = H(0) H(Spin)
(Produktraum)
100
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
mit H(0) = Zustandsraum eines spinlosen Teilchens
und H(Spin) = Spin-Zustandsraum
Spinobservable: Operator S
~ 2 |ψi = ~2 s(s + 1)|ψi = ~2 3 |ψi für alle |ψi ∈ H
Eigenwerte S
4
Sz |ψ± i = ±~ 12 |ψ± i für Eigenvektoren |ψ± i
~ 2 und Sz kommutieren mit allen bisher bekannten Observablen
S
→ Sz vervollständigt VSKO im erweiterten Zustandsraum
Konstruktion des Raums H(Spin) der Spinzustandsvektoren
H(Spin) : Raum, in dem der Operator S~ wirkt
Basisvektoren: z.B. Eigenvektoren von Sz : |+i, |−i
mit Sz |+i = ~2 |+i;
Sz |−i = − ~2 |−i
; Spannen H(Spin) auf → H(Spin) hat zwei Dimensionen
Allgemeiner Vektor: |χi = a|+i + b|−i
(0)
(0)
Gesamter Zustandsraum: |ψi = |ψ+ i|+i + |ψ− |−i
4.3.2.2
Konkret: Sz -Darstellung von Spinzuständen und Spinoperatoren - Paulische Spinor-Schreibweise
Zustandsvektoren:
0
1
;
; |−i=
b
Kets: |+i=
b
1
0
Bras entsprechend: hχ|=
b a∗
a
allgemein |χi = a|+i + b|−i=
b
b
b∗
Spinoperatoren:
~ 2 = 3 ~2 1̂
S
4
~ 2 |χi =
( da S
~ = ~ ~σ
S
2
3 2
~ |χi
4
mit ~σ = (σx , σy , σz ): Paulimatrizen
0 1
0 −i
1 0
σx =
; σy =
; σz =
1 0
i 0
0 −1
(Rechnung:
h+|Sα |+i
Sα =
b
h−|Sα |+i
h+|Sα |−i
h−|Sα |−i
für α = x, y, z
1
0
0 −1
Sx , Sy : aus S± = Sx ± iSy mit S+ |+i = 0, S− |−i = 0 und
p
S+ |−i = ~ (j − m)(j + m + 1)|+i = ~|+i (denn j =
p
S− |+i = ~ (j + m)(j − m + 1)|−i = ~|−i (denn j =
Sz :
Sz |+i =
für alle |χi )
~
|+i;
2
Sz |−i = − ~2 |−i; ⇒ Sz =
b ~2
⇒ Sx |+i = 21 (S+ + S− )|+i
1
Sy |+i = 2i
(S+ − S− )|+i
⇒ Sx =
b ~2
0
1
1
0
1
,
2
1
,
2
m = − 21 )
m=
= ~2 |−i; Sx |−i = . . . = ~2 |+i
= i ~2 |−i; Sy |−i = . . . = −i ~2 |+i
und Sy =
b ~2
0
i
−i
0
√
)
1
)
2
4.3. DER SPIN
101
Eigenschaften der Pauli-Matrizen:
P
a3
a1 − ia2
• ~σ · ~a = σi ai =
für beliebige Vektoren ~a ∈ C3
a1 + ia2
−a3
i
•
σi† = σi ; det(σi ) = −1; Sp(σi ) = 0
•
σi2 = 1; [σi , σj ] = 2iεijk σk ; [σi , σj ]+ = σi σj + σj σi = 2δij
⇒ σi σj = δij · 1̂ + i · εijk σk
(~σ~a)(~σ~b) = ~a~b1̂ + i ~σ (~a × ~b)
4.3.2.3
Identische Spin 21 -Teilchen
Spin 21 -Teilchen sind nach dem Spin-Statistik-Theorem Fermionen
; Gesamtzustandsvektor muss antisymmetrisch sein
Beachte aber: Gesamtzustandsvektor beinhaltet Bahn- und Spinanteil
Beispiel: Betrachte zwei identische Teilchen a, b
Setze Gesamtzustandsvektoren zusammen aus Einteilchen-Bahnvektoren
|ψ1 i, |ψ2 i und Einteilchen-Spinvektoren |+i, |−i.
Möglichkeiten:
|ψi ∝ |ψ1 ia |ψ2 ib |+ia |−ib − |ψ2 ia |ψ1 ib |−ia |+ib
aber auch:
antisymmetrischer
symmetrischer
Bahnanteil
Spinanteil
|ψi ∝ (|ψ1 ia |ψ2 ib − |ψ2 ia |ψ1 ib )
|+ia |+ib
|ψi ∝ (|ψ1 ia |ψ2 ib − |ψ2 ia |ψ1 ib ) (|+ia |−ib + |−ia |+ib )
oder:
symmetrischer
antisymmetrischer
Bahnanteil
Spinanteil
|ψi ∝ (|ψ1 ia |ψ2 ib + |ψ2 ia |ψ1 ib ) (|+ia |−ib − |−ia |+ib )
|ψi ∝
|ψ1 ia |ψ1 ib
(|+ia |−ib − |−ia |+ib )
4.3.3
Nichtrelativistischer Spin im elektromagnetischen Feld Pauligleichung
Stern-Gerlach-Versuch:
Spin wird dann messbar, wenn Magnetfeld eingeschaltet wird.
Generell gilt für
Geladene Teilchen ohne Spin im elektromagnetischen Feld
Hamiltonoperator: H0 =
1
~ 2
p − qc A)
2m (~
− qφ
Teilchen mit Spin
|e| ~
→ magnetisches Moment: µ
~ =: −g 2mc
S =: − g2 µ0~σ
|e|~
mit µ0 = 2mc
: Magneton
g: gyromagnetischer Faktor
(q=Ladung)
102
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
~
→ zusätzlicher Beitrag zum Hamiltonoperator: −~
µB
Speziell Elektronen:
Relativistische Quantenmechanik (Diracgleichung) → g = 2
Quantenelektrodynamik: Korrekturen wegen Wechselwirkung mit elektromagnetischem Feld → g ≈ 2 (g = 2.002319304718)
Schrödingergleichung nimmt die Form an
i~
4.3.4
∂
1
e~ 2
g
~ |ψi Pauligleichung
|ψi = [
(~
p − A)
+ eφ +
µB ~σ B]
∂t
2m
c
2
Wirkung von Drehungen auf Spinzustände
4.3.4.1
Rotationsoperator im Spin-Zustandsraum
ϕ
~ ~σ
ϕ
~ ~σ
~ = exp(− i ϕ
R(~
ϕ) = exp(− ~i ϕ
~ S)
σ ) = cos( ) −i sin( )
2 ~~
| {z2 } | {z2 }
gerade
ungerade
Potenzen von ϕ
~~
σ
Es gilt: (~
ϕ~
σ )2 = ϕ2 1̂ + i~
σ (~
ϕ×ϕ
~ ) = ϕ2 1̂
(
1̂
k gerade
; (~
ϕ~
σ )k = ϕk
ϕ
~ /ϕ · ~
σ k ungerade
⇒ R(~
ϕ) = cos
4.3.4.2
ϕ
ϕ
· 1̂ − i(~σ · ϕ
~ /ϕ) sin
2
2
Wirkung auf Spin-Erwartungswerte
Generell: Wirkung einer Drehung auf statistischen Operator %
% → %̃ = R(~
ϕ) % R(~
ϕ)†
(
P
da: % =
|ni%nm hm| →
nm
P
|ñi%nm hm̃| mit |ñi = R(~
ϕ)|ni
)
nm
i
Hier: Betrachte oBdA speziell Drehung um z-Achse: R(~
ϕ) = e− 2 σz ϕ
Berechne Wirkung auf hSα i: Sp(%Sα ) → Sp(%̃Sα )




hSx i
hSx i cos ϕ − hSy i sin ϕ
⇒ Man erhält: hSy i → hSy i cos ϕ + hSx i sin ϕ
hSz i
hSz i
Spinerwartungswerte drehen sich wie gewöhnliche Vektoren
(Rechnung dazu: Sp(%̃Sα ) = Sp(R(~
ϕ) % R(~
ϕ)† Sα ) = Sp(% R(~
ϕ)† Sα R(~
ϕ))
i
i
R(~
ϕ)† Sα R(~
ϕ) = e 2 σz ϕ Sk e− 2 σz ϕ = (cos
=
~
(cos2 ϕ
σ
2
2 k
+
ϕ
+ iσz sin ϕ
)Sk (cos ϕ
− iσz
2
2
2
ϕ
ϕ
sin2 2 σz σk σz + i sin 2 cos ϕ
[σ
,
σ
z
k ])
2
sin
ϕ
)
2
[σz , σk ] = 2iεzkl σl ; σz σk = δzk · 1̂ + i · εzkl σl
⇒ σz σk σz = σz δzk +iεzkl σl σz = σz δzk − εzkl εlzm σm = 2σz δzk −σk
| {z }
=
δkm (1−δzk )
~
(cos2 ϕ
σ + sin2 ϕ
(2σz δzk − σk ) − 2 sin ϕ
cos ϕ
ε σ)
2
2 k
2
2
2 zkl l
ϕ
ϕ
ϕ
ϕ
2
2
2 sin 2 cos 2 = sin ϕ; cos 2 − sin 2 = cos ϕ; sin2 ϕ
2
= (cos ϕ Sk + δzk Sz (1 − cos ϕ) − sin ϕ εzkl Sl )
√
)
=
1
(1
2
− cos ϕ)
4.3. DER SPIN
4.3.4.3
103
Wirkung auf Spinzustandsvektoren
~ /ϕ) sin ϕ2 |χi
R(~
ϕ) |χi = cos ϕ2 |χi − i(~σ · ϕ
Speziell: Drehung um ϕ = 2π
2π
|χi −→ R |χi = −|χi : Vorzeichenwechsel !
Anschaulich“ im Spinor-Raum:
”
Vorzeichenwechsel hat keine Auswirkung auf Erwartungswerte, kann aber einen
Effekt machen, wenn es gelingt, Interferenzen zwischen gedrehten“ und
”
ungedrehten“ Zuständen herbeizuführen.
”
Experimentelle Realisierung (Rauch et al. 1975, Werner et al. 1975)
~
Neutronen im Magnetfeld B||z
Neutronen neutral: H =
p2
2m
~ :=
−µ
~B
p2
2m
+ ωSz
2
p
~ koppelt an Spin)
( 2m
koppelt nur an Bahn, µ
~B
mit ω =
g eB
: Larmor-Frequenz
2 mc
; Zeitentwicklung der Zustandsvektoren beschrieben durch:
i
U (t) = e− ~ H t
i
=
b
e− ~ ωtSz
|{z}
Spinanteil
; entspricht genau einer Drehung um z-Achse, Winkel ϕ = ωt
Wirkung

aufErwartungswerte:

hSx i cos ωt − hSy i sin ωt
hSx i
hSy i = hSy i cos ωt + hSx i sin ωt
hSz i
hSz i
Larmorpräzession“
”
mit Frequenz ω
Wirkung auf Zustandsvektoren:
|χ(t + 2π
ω )i = −|χ(t)i:
Periode für Zustand ist doppelt so lang wie für Präzession
Experimenteller Aufbau:
; Konstruktive und destruktive Interferenz, abhängig vom Magnetfeld.
konstruktiv: ω ∆t = 2π · 2n
destruktiv: ω ∆t = 2π · (2n + 1)
104
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
4.3.5
Drehgruppe und spezielle unitäre Gruppe
Drehgruppe: Gruppe der Drehungen D(~
ϕ) im R3
4.3.5.1
Eigenschaften:
• normerhaltend: kDak2 = kak2 für alle a ∈ R3 ⇒ D T D = 1̂
• Determinante det(D) = 1
( det(D T D) = det(D T ) det(D) = det(D)2 = 1̂ → det(D) = ±1
Vorzeichen +“ folgt daraus, dass Drehungen kontinuierlich ineinander überführt werden
”
können. )
⇒ Spezielle orthogonale Gruppe SO(3)
- 3 freie Parameter (~
ϕ)
- Infinitesimale Erzeugende:

D =e
~ϕ
~
W
0
mit Wx = 1
0
−1
0
0


0
0
0 , W y = 0
0
0
0
0
1


0
0
−1, Wz =  0
0
−1
0
0
0

1
0
0
Darstellung in Spin 21 -Systemen: Rotationsoperatoren im SpinZustandsraum
cos ϕ2 − inz sin ϕ2 (−inx − ny ) sin ϕ2
ϕ
ϕ
− 2i ~
σϕ
~
R=e
~ /ϕ) sin 2 =
= cos 2 1̂−(~σ ϕ
(−inx + ny ) sin ϕ2 cos ϕ2 + inz sin ϕ2
|{z}
4.3.5.2
~
n
=:
a
b
−b∗ a∗
=: U (a, b) mit |a|2 + |b|2 = 1
(= cos2
ϕ
2
+ sin2
ϕ
(n2x
2
+ n2y + n2z ))
Eigenschaften
• komplexe 2 × 2 Matrizen, Untergruppe der 2 × 2 Matrizen
• Unitär: U ∗T = U −1
• Unimodular: det(U ) = 1
( det(U ) = |a|2 + |b|2 = 1 )
⇒ Spezielle unitäre Gruppe SU(2)
- Wieder 3 freie Parameter
- Zuordnung SO(3) → SU (2): lokal isomorph, aber nicht global:
Zu jeder Drehung D ∈ SO(3) gehören zwei Elemente der SU (2)
(U (a, b) und U (−a, −b))
Hintergrund: Drehung um 2π dreht Vorzeichen um
- Parameter a, b heißen auch Cayley-Klein-Parameter
4.4. ADDITION VON DREHIMPULSEN
4.4
105
Addition von Drehimpulsen
4.4.1
Problemstellung
Gegeben sei ein System mit zwei Drehimpulsen J~(1) , J~(2) ,
(1)
(2)
so dass [Ji , Jj ] = 0 für alle i, j.
~ und Spin S
~
z.B. Elektron mit Bahndrehimpuls L
Zweiteilchensystem mit je einem Spin Si
Bei Isotropie des Raums ist der Gesamtdrehimpuls die Erhaltungsgröße,
Einzeldrehimpulse nicht mehr notwendig erhalten.
Beispiel: Wasserstoffatom mit Spin-Bahn-Kopplung.
~ · S.
~
Hamiltonoperator hat Zusatzterm ∝ L
~
~
~
~
⇒ [H, L] 6= 0, [H, S] 6= 0, aber [H, L + S] = 0.
Gesamtdrehimpuls: J~ = J~(1) + J~(2)
(1)
(1)
(2)
(2)
· Drehimpuls, denn: [Ji , Jj ] = [Ji , Jj ] + [Ji , Jj ] = i~εijk Jk
· Kommutatoren:
(α)
[Ji , (J~(α) )2 ] = 0; [J~2 , (J~(α) )2 ] = 0, aber [J~2 , Ji ] 6= 0
(Check: Übungsaufgabe).
Mögliche Darstellungen (Basissysteme):
~(1) 2 (J~(2) )2 , Jz(1) , Jz(2) )
(i) Naheliegend: Eigenvektorenvon
((J ) , 0
1
)
und |lmi
(z.B. beim Elektron: |lmi
1
0
→ Notation |j1 j2 ; m1 m2 i
(α)
(ii) Andererseits Eigensystem zu Jz unbrauchbar für Lösung der Schrödin(alpha)
gergleichung, wenn [H, Jz
] 6= 0.
(α)
; Günstiger wäre häufig Eigensystem zu J~2 , Jz statt Jz
; Alternative Basis: Eigenvektoren von ((J~(1) )2 , (J~(2) )2 , J~2 , Jz )
→ Notation |j1 j2 ; j mi
Basiswechsel von (i) nach (ii)
; Addition von Drehimpulsen“
”
4.4.2
Additionstheorem
Erste Frage: Welches sind die möglichen Eigenwerte von J~2 , Jz bei vorgegebenen Eigenwerten zu (J~(α) )2 (vorgegebene Quantenzahlen j1 , j2 ) ?
Vorbemerkung: Zustandsvektoren |j1 j2 ; m1 m2 i sind Eigenvektoren zu Jz .
(1)
(Jz |j1 j2 ; m1 m2 i = (Jz
(2)
+ Jz )| · · · i = ~(m1 + m2 )| · · · i =: ~m| · · · i)
Also können sie zur Bestimmung möglicher m-Werte genutzt werden.
106
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
OBdA sei j1 > j2 . Mit mα ∈ [−jα , jα ] folgt für die Werte von m:
−j1
j1
−j2 −j1 − j2 · · ·
j1 − j2
..
..
.
.
j1 + j2 − 2
j1 + j2 − 2 j1 + j2 − 1
j2
j2 − j1
· · · j1 + j2 − 2 j1 + j2 − 1
j1 + j2
Folgerung:
(i) mmax = j1 + j2 ⇒ jmax = mmax = j1 + j2 .
(ii) Übrige Werte von m unterscheiden sich von mmax ganzzahlig.
⇒ j ∈ [jmin , jmin + 1, · · · , jmax − 1, jmax ]
mit jmax = j1 + j1 ; Was ist die Untergrenze jmin ?
(iii) Gesamtzahl der möglichen Kombinationen von m: (2j1 + 1)(2j2 + 1),
wobei viele entartet sind.
Entartungsgrad:
Diese Entartungsstruktur wird reproduziert für jmin = j1 − j2 .
⇒ Additionstheorem: |j1 − j2 | ≤ j ≤ j1 + j2
Anschaulich: Dreiecksungleichung.
NB: Damit ist auch gezeigt, dass der Satz Operatoren ({J~(1) )2 , (J~(2) )2 , J~2 , Jz }
tatsächlich ein VSKO ist (gleiche Anzahl Basisvektoren wie im ursprünglichen System).
4.4.3
Lösung des Problems: Clebsch-Gordan-Koeffizienten
Formal: |j1 j2 ; j mi =
P
m1 ,m2
|j1 j2 ; m1 m2 i hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j mi
|
{z
}
Clebsch-Gordan-Koeffizienten
NB: Notation in jedem Buch anders; hier: Sakurai
Eigenschaften der Clebsch-Gordan-Koeffizienten
(i) hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j mi = 0 für m 6= m1 + m2
(1)
(2)
( denn: hj1 j2 ; m1 m2 | Jz − Jz − Jz |j1 j2 ; j mi = ~(m − m1 − m2 )h· · · | · · · i = 0 )
|
{z
}
0
(ii) hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j mi = 0, falls nicht gilt: |j1 − j2 | ≤ j ≤ j1 + j2
(wegen Additionstheorem)
(iii) Clebsch-Gordan-Koeffizienten können reell gewählt werden.
(Wegen (v,vi): Konstruktion aus Rekursionsrelationen mit reellen Koeffizienten)
4.4. ADDITION VON DREHIMPULSEN
107
(iv) Definieren unitäre Matrix (da Basistransformation)
da sie noch dazu reell sind: orthogonale Matrix
(C T C = 1̂)
P
⇒
hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; jmihj1 j2 ; m01 m02 |j1 j2 ; jmi = δm1 m01 δm2 m02
jm
P
hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; jmihj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j 0 m0 i = δjj 0 δmm0
m1 m2
Speziell j = j 0 , m = m0
X
|hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; jmi|2 = 1 :
→
Normierung
m1 m2
Beziehungen zwischen Clebsch-Gordan-Koeffizienten
(v) Rekursionsrelationen
(1)
(2)
Aus hj1 j2 ; m1 m2 |J± − J± − J± |j1 j2 ; j mi = 0
p
und J± |j mi = ~ (j ∓ m)(j ± m + 1)|j m ± 1i folgt:
p
(j ∓ m)(j
p ± m + 1)hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j m ± 1i
= p(j1 ± m1 )(j1 ∓ m1 + 1)hj1 j2 ; m1 ∓ 1 m2 |j1 j2 ; j mi
+ (j2 ± m2 )(j2 ∓ m2 + 1)hj1 j2 ; m1 m2 ∓ 1|j1 j2 ; j mi
; Daraus können Koeffizienten rekursiv bestimmt werden.
(vii) Beziehungen zwischen Koeffizienten für gleiches m
(1) (2)
(1) (2)
Es gilt: J~2 = (J~(1) + J~(2) )2 = (J~(1) )2 + (J~(2) )2 + J+ J− + J− J+ +
(1) (2)
2Jz Jz
(α)
(J±
(1) (2)
J+ J−
Sei Γ = J~2 − (J~(1) )2 − (J~(2) )2 −
−
Aus hj1 j2 ; m1 m2 |Γ|j1 j2 ; j mi = 0 folgt:
(1) (2)
J− J+
−
(α)
= Jx
(α)
± Jy
)
(1) (2)
2Jz Jz
0 = {j(j + 1) − j1 (j1 + 1) − 2m1 (m − m1 )} ·
hj1 j2 ; m1 (m − m1 )|j1 j2 ; j mi
p
− (j1 + m1 )(j1 − m1 + 1)(j2 − m + m1 )(j2 + m − m1 + 1) ·
hj1 j2 ; (m1 − 1) (m − m1 + 1)|j1 j2 ; j mi
p
− (j1 + m1 + 1)(j1 − m1 )(j2 − m + m1 + 1)(j2 + m − m1 ) ·
hj1 j2 ; (m1 + 1) (m − m1 − 1)|j1 j2 ; j mi
; Homogenes Gleichungssystem für hj1 j2 ; m1 (m − m1 )|j1 j2 ; j mi
bestimmt Koeffizienten bis auf konstanten Faktor
Dieser ergibt sich dann aus der Normierungsbedingung (v)
108
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
4.4.4
Beispiele
4.4.4.1
Elektronen mit Bahndrehimpuls
(und Spin)
~ J~(2) = L
~
J~(1) = S,
~ +S
~
Gesamtdrehimpuls: J~ = L
Für die Quantenzahl j muss gelten: j = l ±
1
2
(wegen (iii))
Rechnung (z.B. über (vii)) (Übungsaufgabe).
→
h 21
m∓12
l+21
q
|
1
2
l;
h 12 l ; ±12 m∓12 |
1
2
l ; l−21 mi =
l;
±12
mi =
l±m+ 12
q2l+1 1
l∓m+ 2
∓
2l+1
z.B. sind Eigenfunktionen zu j = l + 12 gegeben durch:
q
q
l+m+ 12
l−m+ 12
| 12 l ; l+12 mi =
|ψ
1 i|+i +
l,m− 2
2l+1
2l+1 |ψl,m+ 12 i|−i
| {z }
| {z }
(∗)
(∗)
(∗) = Bahndrehimpuls-Eigenfunktion
4.4.4.2
Zwei Spin 12 -Teilchen
~1 , J~(2) = S
~2
J~(1) = S
~1 + S
~2
Gesamtspin: J~ = S
Gesamtspinquantenzahl: j = 0 oder j = 1
Lösung kann von (a) übernommen werden.
j = 1: h 12
h 12
h 12
j = 0: h 21
1 1 1
2; 2 2
1
1
2; ±2
1
1
2; −2
1
1
2; ±2
∓
−
∓
| 12
1 1
2| 2
1 1
2| 2
1 1
2| 2
1
2 ; 1 1i
1
2 ; 1 0i
1
2 ; 1−1i
1
2 ; 0 0i
=1
= √12
=1
∓1
=√
2
→
→
→
→
|1 1i
|1 0i
|1 − 1i
|0 0i
= |+i|+i
= √12 (|+i|−i + |−i|+i)
= |−i|−i
= √12 (−|+i|−i + |−i|+i)
; Zustandsvektoren zum Gesamtspin j = 1 ( parallele Spins“)
”
bilden Triplett: |1 1i, |1 0i, |1 − 1i
Triplettzustandsvektoren sind symmetrisch
; Zustandsvektor zum Gesamtspin j = 0 ( antiparallele Spins“)
”
bildet Singulett |0 0i
Singulettzustandsvektor ist antisymmetrisch!
4.5. ANWENDUNGSBEISPIELE
4.5
4.5.1
109
Anwendungsbeispiele
Helium-Atom
System: Kern (zweifach geladen) und zwei Elektronen 1,2.
(Annahme: Kern sehr viel schwerer als Elektronen
; effektiv zwei Teilchen im Zentralpotential).
Hamiltonoperator H = H1 + H2 + H12
mit Hi = p~2i /2m − 2e2 /r,
H12 = e2 /|~r1 − ~r2 |.
Suche Grundzustand.
~ = 0 (Gesamtspin) gilt: Eigenzustand zu S
~ 2.
Wegen [H, S]
; Strategie: Suche Zustand niedrigster Energie zu vorgegebenem Gesamtspin,
optimiere dann den Gesamtspin.
(i) Vorab: Einteilchen-Bahnzustandsvektoren für System mit Hamiltonoperator Hi :
→ im Prinzip wie Wasserstoffatom, reskalierte Ladung (e2 → 2e2 ).
2 )2 m
→ gebundene Zustände mit Energie-Eigenwerten En = − (2e
(vgl. 2.3)
2~2 n2
und zugehörigen Eigenvektoren |Φn i
(ii) Zweiteilchensystem ohne Elektronen-Wechselwirkung: H12 = 0.
Gesamtspin S = 0 (Singulett)
→ Spinanteil des Gesamtzustands antisymmetrisch.
→ Bahnanteil symmetrisch:
Niedrigste Energie: |ψ0 i = |Φ1 i|Φ1 i mit E = 2E1 .
Gesamtspin S = 1 (Triplett)
→ Spinanteil des Gesamtzustands symmetrisch.
→ Bahnanteil antisymmetrisch.
; Kombination |ψ0 i = |Φ1 i|Φ1 i nicht erlaubt.
; Zustand niedrigster Energie: √12 (|Φ1 i|Φ2 i − |Φ2 i|Φ1 i)
mit Energie E = E1 + E2 .
⇒ Singulettzustand günstiger!
(iii) Beitrag der Elektronen-Wechselwirkung
Abschätzung: Eigenzustände bleiben ungefähr gleich.
Energie hHi = hψ0 |H|ψ0 i = 2E0 + hψ0 |H12 |ψ0 i
Konkrete Berechnung:
Einteilchen-Wellenfunktion Φ1 (~r) = N e−2r/a0 (a0 = ~2 /me).
Zwei Teilchen: ψ0 (~r1 , ~r2 ) R= Φ1 (~r1 )Φ2 (~r2 ) = N 2 e−2(r1 +r2 )/a0
⇒ ∆E ≈ hψ0 |H12 |ψ0 i = d~r1 d~r2 H12 ψ02 = · · · = 45 me4 /~2 .
Vergleiche mit E = 2E1 ⇒ ∆E/E = 5/16 = 0.31
(experimentell ∆E/E = 0.274).
110
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
4.5.2
Wasserstoffmolekül und Austauschwechselwirkung in HeitlerLondon-Näherung
System: Zwei Kerne A,B und 2 Elektronen 1,2
Hamiltonoperator H = HA (~r1 , p~1 ) + HB (~r2 , p~2 ) + HAB (~r1 , ~r2 )
2
p
~2
mit HA,B (~r, p~) = 2m
− |~r−~erA,B |
e2
e2
e2
e2
~ B | − |~
~ A | + |R
~ A −R
~ B | + |~
r1 −~
r2 |
|~
r1 −R
r2 −R
(Zuordnung Kern A ↔ Elektron 1; Kern B ↔ Elektron 2 willkürlich, beliebig)
HAB (~r1 , ~r2 ) = −
~
Suche wieder Zustände niedrigster Energie zu H und Gesamtspin S.
Heitler-London-Ansatz
~A − R
~ B| → ∞
(i) Betrachte zuerst den Fall |R
Zustandsvektoren zu Zuständen niedrigster Energie:
• Setzen sich aus Einteilchen-Grundzustandsvektoren |ϕA i, |ϕB i
zu HA , HB und aus Einteilchen-Spinzustandsvektoren zusammen
• Nur ein Elektron pro Kern (wg Elektronenabstoßung)
• Gesamtzustandsvektor muss bzgl. Vertauschung antisymmetrisch sein.
Gesamtspin S = 0
→ Spinanteil: Singulett |χsing i, antisymmetrisch
; Bahnanteil muss symmetrisch sein
→ |ψs i = |χsing i · √12 (|ϕA i1 |ϕB i2 + |ϕB i1 |ϕA i2 )
Gesamtspin S = 1
→ Spinanteil: Im Triplett |χtrip i, symmetrisch
; Bahnanteil muss antisymmetrisch sein
→ |ψt i = |χtrip i · √12 (|ϕA i1 |ϕB i2 − |ϕB i1 |ϕA i2 )
Zustandsvektoren |ψs i, |ψt i sind entartet bzgl. H → haben alle
Energie 2E1 mit E1 = Grundzustandsenergie des Wasserstoffatoms
~A − R
~ B| < ∞
(ii) Bringe nun Kerne näher aneinander: |R
Näherung: |ψs i und |ψt i beschreiben die Zustände niedrigster Energie nach wie vor in guter Näherung.
hψt,s |H|ψt,s i
hψt,s |ψt,s i
(Normierung nötig, da |ϕA i, |ϕB i nicht mehr orthogonal)
Abschätzung der Energie: Et,s =
Konkret in Ortsdarstellung:
~ A,B |)
Einteilchenwellenfunktion: ϕA,B (~r) = N exp(− a20 |~r − R
Zweiteilchenwellenfunktion (Bahnanteil):
4.5. ANWENDUNGSBEISPIELE
ϕt,s (~r1 , ~r2 ) =
111
√1 (ϕA (~
r1 )ϕB (~r2 )
2
± ϕA (~r2 )ϕB (~r1 ))
(. . . Zwischenrechnung . . .)
R
hψt,s |ψt,s i = 1 ± S 2 mit S = d~r ϕA (~r) ϕB (~r)
hψt,s |H|ψt,s i = hψt,s |HA + HB |ψt,s i + hψt,s |HAB |ψt,s i
{z
} |
{z
}
|
2E0 (1±S 2 )
Q±A
mit Q: Coulombenergie“ und A: Austauschenergie“
”
R ”
Q = d~r1 d~r2 ϕA (~r1 )2 ϕB (~r2 )2 HAB (~r1 , ~r2 )
R
A = d~r1 d~r2 ϕA (~r1 ) ϕB (~r1 ) ϕA (~r2 ) ϕB (~r2 ) HAB (~r1 , ~r2 )
Q±A
⇒ Et,s = 2E1 + 1±S
2
Nach Auswertung der Integrale erhält man netto:
; Singulettzustand ist immer
günstiger als Triplettzustand!
Anschaulich:
Singulett: Elektronendichte hat
Maximum zwischen Kernen
; Elektronen profitieren von
beiden Kernen.
Triplett: Elektronendichte hat
Minimum zwischen Kernen
; Elektronen sehen je nur einen
Kern.
Fazit
(1) Austauschwechselwirkung Et − Es > 0
begünstigt Singulettzustand (Spins ↑↓)
⇒ Effektive Wechselwirkung zwischen Spins, erzeugt von
• Pauli-Prinzip (Symmetrisierungspostulat)
• Coulomb-Wechselwirkung
hat nichts mit magnetischer Wechselwirkung (über magnetische
Momente) zu tun.
Nach diesem Prinzip funktionieren alle ferromagnetischen Wechselwirkungen
in Materie (Mechanismen im Detail unterschiedlich, im Prinzip
gleich).
(2) Für Singulettzustand wird Es negativ und nimmt bei einem Abstand
R0 ein Minimum an.
⇒ Elektronen binden Kerne aneinander: Molekülbindung
112
KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
Kapitel 5
Näherungsverfahren
c Copyright 2012 Friederike Schmid1
Problem: Exakte Lösung der Schrödingergleichung ist nur in sehr wenigen
Fällen zugänglich
; Entwicklung von Näherungsverfahren notwendig ;
• Ermöglichen analytische Behandlung von Näherungslösungen
• Ausgangspunkt für numerische Behandlung
• (Beispiel: Kapitel 4.5.2 S.110 - Heitler-London-Näherung )
→ Abschätzung der Grundzustandsenergie über hψ̃|H|ψ̃i, wobei |ψ̃i
ein Näherungsansatz für Grundzustand ist
→ Näherungsverfahren, bislang aber sehr unsystematisch )
In diesem Kapitel sollen verschiedene Näherungsverfahren eingeführt werden:
5.1 S.113: Variationsrechnung
Verfeinerte Version des oben diskutierten Ansatzes
Grundzustand wird erraten und dann noch optimiert
5.2 S.114, 5.3 S.123: Störungsrechnung
Systematischer Zugang für den Fall, dass das betrachtete System
einem exakt lösbaren System zumindest ähnlich ist.
5.1
Variationsverfahren
Ausgangspunkt: Hamiltonoperator H, beliebiger Zustandsvektor |φi
Definiere Funktional I[φ] = hφ|H|φi
hφ|φi
Dann gilt:
(i) I[φ] ≥ E0 (Grundzustandsenergie) für alle |φi
(denn:
hφ|H|φi =
X
hφ|H|nihn|φi =
n
n
|
P
{z
En hφ|nihn|φi ≥ E0
P
hφ|nihn|φi = E0 hφ|φi
√
n
}
Eigenvektoren von H
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Mainz, SS 2012.
Letzte Änderung der PDF-Datei am 09.06.12.
113
)
114
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
(ii) Allgemeiner: Eigenvektoren von H machen I[φ] extremal.
(Beweis: Betrachte |φi = |ki + ε|ηi, wobei |ki Eigenvektor von H und ε|ηi eine
hφ|H|φi
E hk|ki+Ek (hk|ηiε+hη|kiε∗ )+|ε|2 hη|H|ηi
= k hk|ki+(hk|ηiε+hη|kiε
∗ )+|ε|2 hη|ηi
hφ|φi
1+(hk|ηiε+hη|kiε∗ )+|ε|2 hη|H|ηi1/Ek
= Ek
1+(hk|ηiε+hη|kiε∗ )+|ε|2 hη|ηi
hη|H|ηi−E hη|ηi
= Ek +|ε|2 1+(hk|ηiε+hη|kiεk∗ )+|ε|2 hη|ηi = Ek +O(ε2 )
kleine Abweichung. I[φ] =
√
)
; Legt Lösungsverfahren nahe:
Rate“ Testfunktion |φi, die von Parametern λ1 , . . . , λn abhängt
”
Berechne I[φ] = J(λ1 , . . . , λn ) und minimiere
Beispiel: Variationsverfahren für Grundzustand von Wasserstoff
Rate |φi ∝ e−r/λ ; Minimiere J(λ); → λ =
~2
me2
(vgl. 2.3.4 S.43)
Anwendung: Vor allem Vielteilchensysteme
|φi wird als Produkt von Einteilchenzustandsvektoren angesetzt
Einfaches Produkt → Hartree-Verfahren |ψi ∝ |ϕ1 i1 · · · |ϕN iN
Antisymmetrisches Produkt (Vielelektronensysteme)
|ϕ1 i1 · · · |ϕ1 iN
..
..
..
→ Hartree-Fock-Verfahren |ψi ∝
.
.
.
|ϕN i1 · · ·
|ϕN iN
I[φ] wird minimiert bzgl. Einteilchenwellenfunktionen ϕj (~r)
5.2
Stationäre Störungsrechnung
Systematisches Näherungsverfahren für den Fall, dass das betrachtete System
einem exakt lösbaren System mit Hamiltonoperator H0 sehr ähnlich ist.
H = H0 + εV
||εV || klein
Beispiele: Wasserstoffatom mit Zusatztermen
Vorab: Erinnerungen und Ergänzungen zum Wasserstoffatom
• Kapitel 2.3 S.38
2
2
p
~
→ Eigenwertproblem des Hamiltonoperators H0 = 2m
− er
exakt gelöst
→ Eigenvektoren |ψnlml (ms ) i; Eigenwerte En
Energieniveaus entartet bzgl. Quantenzahlen l, ml (und ms :
Spin kommt noch dazu)
• Kapitel 4.4 S.105
~ 2 , J~2 , Jz ) mit
→ Alternative Eigenvektoren |ψnljm i zu (H0 , L
~ +S
~
J~ = L
• Kapitel 3.4.3 S.81
Isotropie des Raums → Entartung bzgl. Quantenzahl m
5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG
115
( denn: Sei |ψnljm i Eigenvektor zu H0 mit Eigenwert En .
~ = 0 ⇒ [H0 , J± ] = 0
Isotropie des Raums → [H0 , J]
⇒ J± |ψnljm i ∝ |ψnlj m±1 i Eigenvektor zu H0 mit demselben En )
; m-Entartung kann nur aufgehoben werden, wenn Isotropie
des Raums gebrochen ist.
Entartung bzgl. j und l weniger zwingend
(i) Stark-Effekt
~ = const
~
Wasserstoff im elektromagnetischen Feld E
~ = −∇φ
~ ⇒ φ = −E~
~ r ⇒ H = H0 − eφ = H0 + eE~
~r
E
~
NB: E-Feld
bricht Isotropie des Raums
→ m-Entartung kann aufgehoben werden
Experimentelle Beobachtung
l = 0: Verschiebung des Energieniveaus um Betrag ∝ |E|2
(quadratischer Stark-Effekt)
l = 1: Verschiebung des Energieniveaus um Betrag ∝ |E|
(linearer Stark-Effekt)
(ii) Feinstruktur der Wasserstoffspektren
Experimentelle Beobachtung: Auch ohne elektrisches Feld sind Energieniveaus bzgl. Quantenzahlen j und l nicht völlig entartet.
Aufspaltung ↔ Feinstruktur
Grund: Spin-Bahn-Kopplung“: Relativistischer Effekt
”
Bahndrehimpuls des Elektrons erzeugt am Ort des Elektrons ein
magnetisches Moment, das mit dem magnetischen Moment des
Spins wechselwirkt.
; Zusatzterm im Hamiltonoperator:
e2
(2mc)2
e2
= H0 + g
(2mc)2
H = H0 + g
1
r3
1
· 3
r
·
~S
~
·L
1
~2 − S
~ 2)
· (J~2 − L
2
NB: Isotropie des Raums bleibt natürlich bestehen
~ = 0; m-Entartung bleibt.
⇒ [H, J]
Frage: Wie kann man mit solchen Situationen systematisch umgehen?
Abstrakte Formulierung des Problems
Gegeben ein Hamiltonoperator H0
mit bekannten Eigenvektoren |ki und Eigenwerten Ek0
( k“ kann auch multidimensionale“ Quantenzahl sein, z.B. k =
”
”
(nljm))
→ In H0 -Darstellung können beliebige Matrixelemente von beliebigen Operatoren berechnet werden.
Frage: Wie wirkt sich eine kleine Störung εV des Hamiltonoperators auf
Eigenvektoren und Eigenwerte aus?
116
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
Ansatz: Entwicklung nach Potenzen von ε bzw. kεV k
Konkret:
Gestörter Hamiltonoperator:
H = H0 + εV
Betrachte Zustandsvektor |ni, Eigenwert En0
Störung führt das über in:
mit H0 |ni = En0 |ni
|ni → |ψi
En0 → E
mit H|ψi = E|ψi
Behandlung hängt davon ab, ob Eigenwert En0 entartet ist
5.2.1
Nichtentarteter Fall: Eigenwert En0 nicht entartet
0
Konkret fordern wir: hn|εV |ni |En±1
− En0 | und
hk|εV |ni
0 −E 0 |
|En
k
1 ∀k 6= n
Verfahren:
• Konstruiere geeignete Rekursionsgleichungen für |ψi und E
Normiere hn|ψi = 1 (aus praktischen Gründen) → hψ|ψi =
6 1
P
|ψi
|ki hk|V
; |ψi = |ni + ε
E−E 0
k
k6=n
E=
En0
+ εhn|V |ψi
(Herleitung: |ψi =
P
k
P
|kihk|ψi = |ni hn|ψi +
|kihk|ψi
| {z } k6=n
1
Es gilt: hk|H|ψi = Ehk|ψi = hk|H0 |ψi + εhk|V |ψi = Ek0 hk|ψi + εhk|V |ψi
√ k=n
√
hk|V |ψi
hn|V |ψi
→ hn|ψi = ε E−E 0
⇒ hk|ψi = ε E−E 0
)
n
| {z }
k
1
• Sukzessive Anwendung liefert Entwicklung nach ε !
⇒ Ordnungen:
Null: |ψ (0) i = |ni; E (0) = En0
Eins: |ψ (1) i = |ni + ε
P
k6=n
E (1)
=
En0
(Fall ε = 0)
(0)
|ψ i
|ki hk|V
= |ni + ε
E (0) −E 0
k
+ εhn|V
|ψ (0) i
=
k6=n
P
k6=n
k0 6=n
hk|V |ni
|ki E
0 −E 0
hk|V |k0 ihk0 |V |ni
0 −E 0 )(E 0 −E 0 )
(En
n
k
k0
= En1 + ε2
P
k6=n
|ψ (N ) i= |ni + ε
P
k6=n
k
(bis Ordnung ε2 )
E (2) = En0 + εhn|V |ψ (1) i
N:
n
+ εhn|V |ni
(1)
|ψ i
|ki hk|V
E (1) −Ek0
k6=n
P
P
= |ψ (1) i + ε2
|ki(
Zwei: |ψ (2) i = |ni + ε
En0
P
(N −1)
|ψ
i
|ki hk|V
E (N −1) −E 0
−
hk|V |nihn|V |ni
)
0 −E 0
En
k
hn|V |kihk|V |ni
0 −E 0
En
k
(bis Ordnung εN )
k
E (N ) = En0 + εhn|V |ψ (N −1) i
Abschließend: Normierung des Zustandsvektors |ψi: |ψi → |ψ̃i = √|ψi
hψ|ψi
5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG
117
Bemerkung: Wichtigstes Ergebnis für die Praxis
→ Energiekorrektur erster Ordnung: E (1) = hn|H|ni
5.2.2
Entarteter Fall
En0 sei nun g-fach entartet → Eigenraum der Dimension g
Störung hebt Entartung im allgemeinen auf
(es sei denn, Symmetriegründe sprechen dagegen)
⇒ Aus dem Eigenraum werden g orthogonale
Zustandsvektoren |ni i ausgewählt“, die sich bei
”
Einschalten der Störung zu neuen Eigenvektoren
|ψi i von H entwickeln
|ni i → |ψi i
En0 → Ei
mit
H|ψi i = Ei |ψi i
⇒ Diese Zustandsvektoren |ni i müssen Ausgangspunkt der Störungsreihe sein.
Fragen:
• Wie ermittelt man die Zustandsvektoren |ni i ?
• Wie entwickelt man danach die Störungsreihe?
Antwort: Hängt davon ab, in welcher Ordnung von ε Entartung aufgehoben
wird.
(0) In jedem Fall müssen Matrixelemente der Störung, hni |V |nj i, im
Eigenraum von En0 diagonal sein: hni |V |nj i = Vi δij
0 hn |ψ i + εhn |V |ψ i
(denn: hnj |H|ψi i = Ei hnj |ψi i = En
j i
j
i
0 )hn |ψ i = εhn |V |ψ i
⇒ (Ei − En
j i
j
i
Im Grenzfall ε → 0 ist
⇒
0
Ei −En
hnj |ψi i
ε
hnj |V |ψi i
0
Ei −En
ε
→
ε→0
→
→ Vi (Zahl); |ψi i → |ni i lt. Voraussetzung
!
√
Vi hnj |ni i = Vi δij
⇒ hni |V |nj i = Vi δij
)
hnj |V |ni i
(i) Falls Vi 6= Vj für alle i, j, sind damit alle Zustandsvektoren |ni i eindeutig bestimmt. In diesem Fall ist Entartung in Ordnung ε aufgehoben
0
Ei −En
−→ Vi ⇒ Ei = En0 + εVi
ε
ε→0
(ii) Anderenfalls müssen weitere Bedingungen an |ni i gestellt werden.
Betrachte hier ausführlich nur Fall (i)
Verfahren
• Bestimme zuerst |ni i so, dass hni |V |nj i = Vi δij
Matrixelemente hνm |V |νl i seien in irgendeiner Basis |νl i des Eigenraums von En0 bekannt (l = 1, · · · g)
g
P
→ Eigenwertgleichung:
(hνm |V |νl i − V δml )hνl |ni = 0
l=1
118
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
→ Bestimme Eigenwerte Vi und Eigenvektoren hνl |ni i
g
P
|νl ihνl |ni i. Für diese gilt: hni |V |nj i = Vi δij
⇒ Neue Basis |ni i =
l=1
• Konstruiere dann wieder Rekursionsgleichung für |ψi i, Ei
Normierung wieder hni |ψi i = 1
;
Ei = En0 + ε hni |V |ψi i
X
|ψi i = |ni i + ε
|nj ifij + ε
nj 6=ni
X
|ki
k∈{n
/ 1 ···ng }
hk|V |ψi i
Ei − Ek0
mit
fij
=
1
(Vi − V j)
X
k∈{n
/ 1 ···ng }
X
(Herleitung: |ψi i = |ni i +
hk|V |ψi i
(hnj |V |ki − hni |V |kihnj |ψi i)
Ei − Ek0
|nj ihnj |ψi i
X
+
nj 6=ni
|
Es
⇒
|kihk|ψi i
k∈{n
/ 1 ···ng }
{z
}
|
{z
}
Zustandsvektoren im Eigenraum
andere Zustandsvektoren
0 hm|ψ i + εhm|V |ψ i
gilt: hm|H|ψi i = Ei hm|ψi i = Em
i
i
0 + εhn |V |ψ i √ (wegen Normierung)
(i) m = ni :
Ei = En
i
i
hk|V |ψ i
(ii) m = k ∈
/ {n1 · · · ng }: εhk|V |ψi i = (Ei − Ek0 )hk|ψi i ⇒ hk|ψi i = ε (E −E 0i )
i
k
0 )hn |ψ i = εhn |V |ψ ihn |ψ i
εhnj |V |ψi i = (Ei − En
j i
i
i
j i
(iii)m = nj 6= ni :
(∗)
(i)
ε kürzt sich heraus ⇒ Weitere Entwicklung nötig!
g
X
P
hnj |V |ψi i =
hnj |V |nl ihnl |ψi i +
hnj |V |kihk|ψi i
k∈{n
/ 1 ···ng }
l=1
|
{z
Vj hnj |ψi i
}
hni |V |ψi i = Vi hni |ψi i
| {z }
P
+
hni |V |kihk|ψi i
k∈{n
/ 1 ···ng }
1
in (∗) einsetzen
⇒ hnj |ψi i(Vi − Vj ) =
P
(hnj |V |ki − hni |V |kihnj |ψi i) hk|ψi i
| {z }
k∈{n
/ 1 ···ng }
(ii)
(ii)
⇒ hnj |ψi i =
ε
Vi −Vj
P
k∈{n
/ 1 ···ng }
hk|V |ψi i
0 (hnj |V
Ei −Ek
|ki − hni |V |ki hnj |ψi i)
| {z }
√
)
O(ε)
• Sukzessive Anwendung der Rekursionsgleichungen erzeugt Störungsentwicklung
⇒ Ordnungen
(0)
(0)
Null: |ψi i = |ni i; Ei
= En0
(Fall ε = 0)
(1)
Eins: Ei
= En0 + εhni |V |ni i = En0 + εVi
P
P
(1)
1
|ψi i = |ni i + ε
|nj i Vi −V
j
nj 6=ni
+ε
P
k∈{n
/ 1 ···ng }
k∈{n
/ 1 ···ng }
hk|V |ni i
|ki E 0 −E 0
n
k
hnj |V |kihk|V |ψi i
0 −E 0
En
k
Abschließend: Wieder Normierung von |ψi notwendig
5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG
119
Dies gilt für den Fall (i), dass die Entartung in Ordnung ε aufgehoben wird
bzw. Vi 6= Vj für alle i, j. Falls das nicht der Fall ist, müssen mit Hilfe
analoger Überlegungen zusätzliche Bedingungen an |ni i und neue Rekursionsgleichungen ermittelt werden.
Bemerkung zu Fall (ii): Falls z.B. Entartung in Ordnung ε2 aufgehoben wird,
P hnj |V |kihk|V |ψi i
lautet die Bedingung an |ni i, dass
diagonal sein muss.
E 0 −E 0
n
k
k
0 )hn |ψ i = hn |V |ψ iε
(denn: (Ei − En
j i
j
i
g
X
P
hnj |V |nl ihnl |ψi i +ε
= ε(hnj |V |ni i +
| {z } l=1
k∈{n
/ 1 ···ng }
Vi δij
|
{z
}
hnj |V |kihk|V |ψi i
)
0
Ei −Ek
Vj hnj |ψi i
⇒
1
(Ei
ε
−
0
En
− εVi )hnj |ψi i = Vi δij +
| {z }
0 für i6=j
1
(Ei
ε2
⇒ (i 6= j)
ε→0
1
(Ei
ε2
⇒
P
k
(Vi − Vj )
| {z }
hnj |ψi i + ε
P
k
hnj |V |kihk|V |ψi i
0
Ei −Ek
0 lt.Voraussetzung
P hnj |V |kihk|V |ψi i
0
Ei −Ek
k
0 − εV )hn |ψ i =
− En
i
j i
0 − εV ) →
− En
i
hnj |V |kihk|V |ni i
0
0
En −Ek
0
Ci (Zahl); hnj |ψi i → δij ; |ψi i → |ni i; Ei → En
√
= Ci δij diagonal
)
Bemerkung wieder: Wichtigstes Ergebnis für die Praxis (gilt generell)
(1)
→ Energiekorrektur erster Ordnung: Ei
= hni |H|ni i
mit hni |H|ni i ↔ Eigenwerte der g × g Matrix für H
im Eigenraum (bzgl. H0 ) von En0 .
5.2.3
Quasientarteter Fall
Angenommen, die Energieniveaus in einem System sind nicht entartet, aber
0
|hn|εV |ni| ≥' |En±1
− En0 |
; Störungsentwicklung kann so nicht durchgeführt werden.
Ausweg (Trick):
Konstruiere alternativen, exakt lösbaren Hamiltonoperator H00 , in dem
Energieniveaus echt entartet sind. Verfahre dann weiter nach 5.2.2 S.117.
Beispiel: H0 habe quasientartete Eigenwerte {En1 · · · Eng }
und zugehörige Eigenvektoren |n1 i · · · |ng i
g
P
P
Entwickle H0 =
|nj ihnj | · Enj +
|kihk| · Ek
j=1
Definiere H00 = E n
g
P
j=1
k∈{n
/ 1 ···ng }
|nj ihnj | +
P
|kihk| · Ek
k∈{n
/ 1 ···ng }
wobei E n beliebig (z.B. Mittelwert von {En1 · · · Eng })
⇒ H00 ist exakt lösbar
- hat dieselben Eigenvektoren wie H0
- Eigenwert E n ist g-fach entartet.
120
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
5.2.4
Anwendungsbeispiele
5.2.4.1
Anharmonischer Oszillator
Anharmonischer Oszillator mit Zusatztermen
Ausgangspunkt: Eindimensionaler harmonischer Oszillator H0 =
p2
1
2 2
2m + 2 mω x .
p
(1) Kubischer Zusatzterm: H = H0 + V mit V = ~ω( mω/2~ x)3
Trick: Drücke Störung durch Leiteroperatoren aus: V = 18 ~ω (a + a† )3 .
Störungstheorie nullter Ordnung: E (0) = En = ~ω(n + 12 ), |ψ (0) i = |ni
Störungstheorie erster Ordnung:
E (1) − E (0) = hn|V |ni = 0.
; Keine Energieverschiebung
in der Ordnung .
R
(Grund: Symmetrie – dx x|φn (x)|2 = 0 ∀φ(x).)
P
hk|V |ni
|ψ (1) i − |ψ (0) i = k6=n |ki E
−E
√
√
√ n k√
3
1
= · · · = 8 3 |n + 3i n + 1 n + 2 n + 3 + 3|n + 1i n + 1
√
√ 3
√ √
− 3|n − 1i n − 13 |n − 3i n n − 1 n − 2
Störungstheorie zweiter Ordnung:
1
E (2) − E (0) = hn|V |ψ (1) i = · · · = 64
~ω2 (11 + 30n(1 + n)).
; Verschiebung der Niveaus in der Ordnung 2 .
Aber: Potentialminimum bei x = 0 bei Einschalten der Störung nur noch
lokal. In unendlich langer Zeit tunnelt das Teilchen aus dem Minimum heraus.
; Störungstheorie gibt allenfalls Auskunft über
metastabile Zustände, nicht über die echten stationären Zustände (die in diesem Potential gar
nicht definiert sind).
; Störungsreihe konvergiert mit Sicherheit nicht.
NB: Für Energiezustände oberhalb des Potentialmaximums muss Störungstheorie schon in den unteren Ordnungen zusammenbrechen.
(Vmax =
4
~ω,
272
entspricht Quantenzahlen n ∼ 4/272 . Für diese Quantenzahlen ist die
Energieverschiebung E (2) − E (0) ∼ 2 ~ω
30n2 ∼
64
5 ~ω
,
486 2
also von der gleichen Größen-
ordnung wie Vmax ).
p
(2) Zusatzterm vierter Ordnung: H = H0 + V mit V = ~ω( mω/2~ x)4 .
Ausgedrückt in Leiteroperatoren: V =
1
64 ~ω(a
+ a† )4 .
Störungstheorie erster Ordnung:
3
E (1) − E (0) = hn|V |ni = · · · = ~ω 16
(1 + 2n(1 + n)).
; Energieverschiebung in der Ordnung .
Aber: x = 0 ist nur für > 0 totales Minimum. Für < 0 nur lokal.
Störungsreihe ist Potenzreihe in , muss bei < 0 zusammenbrechen.
; Konvergenzradius muss Null sein, Störungsreihe divergiert!
5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG
121
(nur Grundzustand, ohne Beweis):
Konkret: Höhere Ordnungen q
(m)
(m−1)
1
m
2
E0 − E0
= − ~ω ~6 Γ(m + 12 )(1 − 95
72 m + O(1/m )).
; Konvergenzradius der Reihe: limm→∞ 1/3(m + 1/2) = 0.
; Heisst das, die Störungsreihe taugt überhaupt nicht ???
Doch: Glücklicherweise gilt für > 0 immer noch “asymptotische
Konvergenz”: Für die Differenz zwischen
Pm derk tatsächlichen Lösung
(m)
E() und der Störungsreihe E
= k=0 ck gilt:
|E − E (m) | ≤ cm+1 m+1 ∀m mit limm→∞ cm+1 m → ∞:
Reihe gut bis zu einem mmax (), wird danach schlechter. (deshalb:
asymptotische Reihe).
Verhalten typisch für Störungsreihen: Selten wirklich konvergent, häufig
nur asymptotisch konvergent.
Als nächstes: Physikalische Anwendungen: Greife auf Beispiele vom Anfang des
Kapitels zurück.
5.2.4.2
Stark-Effekt
~ Störung εV =e
~r
Wasserstoff im elektrischen Feld E,
b E~
• Grundzustand: n = 1, l = m = 0 → nicht entarteter Fall (Spin-Entartung
spielt hier keine Rolle!)
Störungstheorie erster Ordnung liefert:
R
~ r)|ψnlm i = d~r (eE~
~ r) |ψnlm (~r)|2 = 0
∆E = E − E0 = hψnlm |(eE~
(aus Symmetriegründen: ~r geht ungerade in Integral ein)
⇒ Führende Korrektur zur Grundzustandsenergie ist zweiter Ordnung
~ 2
⇒ Quadratischer Stark-Effekt: ∆E ∝ |E|
• Angeregte Zustände: Entartung bzgl. l, m → entarteter Fall (Spin-Entartung
spielt hier keine Rolle!)
Störungstheorie erster Ordnung: Diagonalisiere Matrixelemente im Eigenraum des Operators H0 zum Eigenwert En0
R
~ r)|ψnl0 m0 i = d~r (eE~
~ r) ψ ∗ (~r)ψnl0 m0 (~r)
hψnlm |(eE~
nlm
Kapitel 2.3 S.38: ψnlm (~r) = Rnl (r)Ylm (ϑ, ϕ)
R2π Rπ
R∞
∗ (ϑ, ϕ)Y ∗ (ϑ, ϕ)
~
dr r3
dϕ dϑ sin ϑ cos ϑRnl (r)Rnl0 (r)Ylm
= e|E|
l0 m0
0
0
0

R
0
∗ Y 0 = 0)

(Ylm ∝ eimϕ ⇒ dϕYlm
lm
= 0 : m 6= m
= 0 : l = l0 , m = m0
(wie oben: Integral ungerade in ~r)


6= 0 : l 6= l0 , m = m0
⇒ Es gibt Matrixelemente, die nicht Null sind, demnach hat Matrix auch
nichtverschwindende Eigenwerte.
⇒ Führende Korrektur zu Energieeigenwerten ist erster Ordnung
~
⇒ Linearer Stark-Effekt: ∆E ∝ |E|
(für die meisten Niveaus)
122
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
Anschauliche Interpretation des Stark-Effekts
- Linearer Stark-Effekt: Ausrichtung von Dipolmomenten
- Quadratischer Stark-Effekt: Induziertes Dipolmoment
5.2.4.3
Feinstruktur der Wasserstoffspektren
Wasserstoff mit Spin-Bahn-Kopplung
1 ~2
e2
~ 2 ~2
→ Störung εV “ =
b g2 (2mc)
2 · r 3 (J − L − S )
”
Störungstheorie erster Ordnung - entarteter Fall
(Entartung bzgl. Spin muss hier natürlich berücksichtigt werden)
→ Die Zustandsvektoren, die εV im Eigenraum von En0 diagonal machen, sind
gerade die |ψnljm i aus Kapitel
4 S.95
q
q
(|ψnljm i=ψ
b nlm+ 1 (~r)·|−i
2
l∓m+ 12
2l+1
±ψnlm− 1 (~r)·|+i
2
l±m+ 12
2l+1
→ Einsetzen und ausrechnen liefert:
e2
1
3
hψnljm |εV |ψnljm i = g2 (2mc)
2 · h r 3 inl (j(j + 1) − l(l + 1) − 4 )
R
mit h r13 inl = dr 1r Rnl (r)2
für j = l + 12 )
5.3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSRECHNUNG
5.3
123
Zeitabhängige Störungsrechnung
Betrachte nun den Fall einer zeitabhängigen Störung: H = H0 + V (t)
Typische Anwendung:
Wechselwirkung von Atomelektronen mit elektromagnetischem Feld
→ Übergänge zwischen Energieniveaus
; geeigneter Rahmen für Beschreibung: Wechselwirkungsbild (3.2.2.4 S.65)
Schrödingerbild: Zustandsvektoren |ψS (t)i zeitabhängig
Heisenbergbild: Zustandsvektoren |ψH i fest
Hier → langsame Übergänge zwischen Energieniveaus |ki (fest)
Dynamik von |ψW (t)i reflektiert Übergänge
5.3.1
Wechselwirkungsbild (vergl. 3.2.2.4 S.65)
• Zusammenhang mit dem Schrödingerbild
i
Zustandsvektoren: |ψW (t)i = e ~ H0 t |ψS (t)i
i
i
Operatoren: OW (t) = e ~ H0 t OS e− ~ H0 t
i
i
Speziell: HW (t) = H0 + e ~ H0 t VS (t) e− ~ H0 t = H0 + VW (t)
• Dynamische Entwicklung: Zeitentwicklungsoperator UW (t, t0 )
definiert über: |ψW (t)i = UW (t, t0 ) |ψW (t0 )i
erfüllt Bewegungsgleichung: i~
d
dt
UW (t, t0 ) = VW (t) UW (t, t0 )
Interpretation: Übergangswahrscheinlichkeiten
ungestörtes System: Eigenvektoren |ki von H0 bleiben konstant
P
gestörtes System: |ki → UW (t, t0 )|ki =
|jihj|UW (t, t0 )|ki
j
; Wahrscheinlichkeit, dass ein reines System % = |kihk| nach Zeit (t−t0 )
den H0 -Eigenwert Ej liefert, ist Pjk = |hj|UW (t, t0 )|ki|2
5.3.2
Dyson-Reihe
Ausgangspunkt: i~
d
dt
UW (t, t0 ) = VW (t) UW (t, t0 )
⇒ Formale Integration liefert Integralgleichung
1
UW (t, t0 ) = 1̂ +
i~
Zt
VW (t0 ) UW (t0 , t0 )dt0
t0
; Kann als Rekursionsgleichung aufgefasst werden
(ähnlich den Rekursiongleichungen in 5.2 S.114)
Iterative Anwendung generiert Störungsreihe
124
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
Konkret:
(0)
UW (t, t0 ) = 1̂
(1)
UW (t, t0 ) = 1̂ +
(2)
1
i~
UW (t, t0 ) = 1̂ +
1
i~
= 1̂ +
1
i~
···
Rt
t0
Rt
t0
Rt
t0
(0)
dt0 VW (t0 ) UW (t0 , t0 ) = 1̂ +
1
i~
Rt
dt0 VW (t0 )
t0
(1)
dt0 VW (t0 ) UW (t0 , t0 )
1 2
dt0 VW (t0 ) + ( i~
)
Rt Rt
dt0 dt00 VW (t0 )VW (t00 )
t0 t0
= ···
(n)
UW (t, t0 ) =
(n−1)
UW (t, t0 )
+
1 n
( i~
)
Z
dt0 dt00 · · · dt(n) VW (t0 )VW (t00 ) · · · VW (t(n) )
{z
}
|
t0 <t0 <t00 ···<t(n) <t
Beachte Zeitordnung: VW (t0 ) und VW (t00 ) dürfen nicht vertauscht werden,
da im allgemeinen [VW (t0 ), VW (t00 )] 6= 0
5.3.3
Anwendung: Störungstheorie erster Ordnung
Betrachte reines System, das zur Zeit t → −∞ im reinen Zustand mit Zustandsvektor |ii ( initial“) ist: %(t → −∞) = |iihi|
”
Dann wird Störung V (t) eingeschaltet: H = H0 + V (t)
Störung ermöglicht Übergänge in |f i ( final“):
”
+
(t, −∞) enthält Beiträge |f ihf |
%(t) = UW (t, −∞)|iihi|UW
→ Übergangswahrscheinlichkeit
Pf i (t) := hf |%(t)|f i = |hf |UW (t, −∞)|ii|2
Störungstheorie erster Ordnung:
hf |UW (t, −∞)|ii = hf |1̂ +
= δf i +
= δf i +
1
i~
1
i~
1
i~
Rt
dt0 VW (t0 )|ii
−∞
Rt
i
i
0
0
dt0 hf |e ~ H0 t V (t0 )e− ~ H0 t |ii
−∞
Rt
i
0
dt0 e ~ (Ef −Ei )t hf |V (t0 )|ii
−∞
Definiere ωf i = ~1 (Ef − Ei ) charakteristische Frequenz des Übergangs
Dann folgt für f 6= i
Pf i (t) =
| ~1
Zt
0
dt0 eiωf i t hf |V (t0 )|ii|2
−∞
Das soll nun für verschiedene Situationen berechnet werden.
5.3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSRECHNUNG
5.3.3.1
125
Zeitlich begrenzte Störung
V (t) → 0 für t → ±∞
⇒ Totale Übergangswahrscheinlichkeit (nach unendlicher Zeit) ist:
Pf i (∞) =
Z∞
| ~1
dt eiωf i t hf |V (t)|ii|2 =
−∞
1
|Vf i (ω)|2
~2
⇒ Ergibt sich aus Fouriertransformierten des Matrixelements hf |V (t)|ii der
Störung !
5.3.3.2
Plötzlich eingeschaltete konstante Störung
(
0 : t≤0
V (t) =
V : t>0
⇒ Übergangswahrscheinlichkeit
Pf i (t) =
1
|hf |V
~2
Zt
|ii
|0
0
dt0 eiωf i t
{z
|2 = |hf |V |ii|2 4
sin2 (ωf i t/2)
|~ωf i |2
}
iω
t/2 sin(ωf i t/2)
2ie f i
ωf i
NB: Energie-Zeit-Unschärfe:
Energieänderung ∆E nur möglich
für Zeiten t · ∆E ≈≤ ~
sin2 ωt
2
t→∞ ω t
Speziell lange Zeiten t → ∞: lim
= πδ(ω)
(Kapitel 2.1.2 S.15)
→ Pf i (t) = |hf |V |ii|2 4π
tδ(ωf i ) = |hf |V |ii|2 2π
~ tδ(Ef − Ei )
~2
⇒ Übergangsrate Wi→f :=
d
dt Pf i (t)
2π
|hf |V |ii|2 δ(Ef − Ei )
Fermis goldene Regel
t→∞ ~
→ Energieerhaltung: Übergänge nur zwischen Zuständen gleicher
Energie
Wi→f
=
Formulierung für kontinuierliches Energiespektrum:
2π
Wi→f = |hf |V |ii|2
%(Ef )|Ef ≈Ei
%(E) Zustandsdichte
t→∞
~
126
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
5.3.3.3
Plötzlich eingeschaltete harmonische Störung
(
0
: t≤0
V (t) =
(v konstanter Operator)
†
v exp(iΩt) + v exp(−iΩt) : t > 0
⇒ Übergangswahrscheinlichkeit
1
|
~2
Pf i (t) =
=
=
=
1
|
~2
Rt
0
dt0 eiωf i t hf |V (t0 )|ii|2
0
Rt
Rt
0
0
hf |v|ii dt0 ei(ωf i +Ω)t + hf |v † |ii dt0 ei(ωf i −Ω)t |2
0
0
sin((ωf i +Ω)t/2)
ωf i +Ω
sin((ωf i −Ω)t/2) 2
†
i(ω
−Ω)t/2
f
i
+hf |v |ii e
|
ωf i −Ω
t
2
sin2 (ωf i − Ω) 2t
sin (ωf i + Ω) 2
+ |ii|2
+|hf
|v
|hf |v|ii|2
(ωf i + Ω)2
(ωf i − Ω)2
4
|
~2
hf |v|ii ei(ωf i +Ω)t/2
|
{z
−→ tπδ(ωf i +Ω)
}
|
t→∞
{z
−→ tπδ(ωf i −Ω)
}
t→∞
sin(ω + Ω) t sin(ω − Ω) t
fi
fi
2
2
+2< hf |v|iihf |v † |iieiΩt
(ωf i + Ω)
(ωf i − Ω)
|
{z
}|
{z
}
−→ πδ(ωf i +Ω)
t→∞
−→ 2π2 t{|hf |v|ii|2 δ(ωf i
t→∞ ~
⇒ Übergangsrate Wi→f :=
Wi→f
=
t→∞
−→ πδ(ωf i −Ω)
t→∞
+ Ω) + |hf |v † |ii|2 δ(ωf i − Ω)}
d
dt Pf i (t)
2π
(|hf |v|ii|2 δ(ωf i + Ω) + |hf |v † |ii|2 δ(ωf i − Ω))
~2
Interpretation:
1. Term δ(ω + Ω): stimulierte Emission eines Energiequants
2. Term δ(ω − Ω): Absorption eines Energiequants
keine Energieerhaltung (Störfeld muss in Bilanz einbezogen werden)
Formulierung für kontinuierliches Energiespektrum:
2π
2
~ |hf |v|ii| %(Ef )|Ef =Ei −~Ω
2π
†
2
~ |hf |v |ii| %(Ef )|Ef =Ei +~Ω
StE =
Stimulierte Emission: Wi→f
Absorption: WfA→i =
Wegen |hf |v|ii|2 = |hi|v ∗ |f i|2 gilt detailliertes Gleichgewicht“ zwischen sti”
mulierter Emission (Elektron 1→ 0) und Absorption (Elektron 0→ 1)
StE
W1→0
%(E0 )
=
A
W0→1
%(E1 )
5.3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSRECHNUNG
5.3.4
127
Beispiel: Wechselwirkung mit klassischem elektromagnetischem Feld
Einzelnes Atomelekron im elektromagnetischen Feld
Polarisation ~ε senkrecht zur Ausbreitungsrichtung ~n
~ = 2A0 ~ε · cos( Ω ~n~r − Ωt)
Vektorpotential: A
c
⇒H=
1
~ 2
p − ec A)
2m (~
+ eφ =
p~2
+ eφ
|2m{z }
H0
e ~
−
A~
p
| mc
{z }
V (t)
⇒ Harmonische Störung H = H0 + V (t)
mit V (t) = v eiΩt + v † e−iΩt
e
wobei v = − mc
A0 exp(i Ωc ~n · ~r) ~ε · p~
e
~
−
[~
p, A]
| 2mc
{z
}
=0, da ~
ε⊥~
n
~2
e2 |A|
+
2
| 2mc
{z }
vernachlässigt
entsprechend 5.3.3.3 S.126
⇒ Übergangsrate (einsetzen)
Wi→f =
Ω
2π e2
|A0 |2 |hf |ei c ~n·~r
~2 m2 c2
~ε · p~|ii|2 {δ(ωf i − Ω) + δ(ωf i + Ω)}
| {z } | {z }
Absorption
Emission
⇒ Absorptionsspektrum
σAbs =
Absorbierte Energie/Zeit
Energiefluß
A ·~Ω
Wi→f
=
Ω
2
( Energiefluß“ siehe E-Dynamik)
”
2
1
|A0 |2 Ωc
2π
= 4π 2 e~c m12 Ω |hf |ei c ~n·~r ~ε · p~|ii|2 δ(ωf i − Ω)
Dipolnäherung: in der Praxis oft angewandte wichtige weitere Näherung.
Im Allgemeinen ist die Wellenlänge groß gegen die Atomgröße:
p
Ω
⇒ Ωc h~r2 i ⇒ ei c ~n·~r ≈ 1
Ω
⇒ hf |ei c ~n·~r ~ε · p~|ii ≈ hf |~ε · p~|ii = i m ~ε ωf i hf |~r|ii
(denn: p
~/m =
⇒ σAbs = 4π 2
1
[~
r , H0 ]
i~
→ hf |~
p|ii =
m
hf |~
r H0
i~
− H0 ~
r|ii = − m
ω hf |~
r|ii
i fi
√
)
e2
ωf i |hf |~ε · ~r|ii|2 δ(ωf i − Ω)
~c
Folgerungen: Auswahlregeln für Dipolübergänge ( E1“-Übergänge)
”
Notation: |f i ∼ Yl0 m0 (ϑ, ϕ)Rn0 l0 (r); |ii ∼ Ylm (ϑ, ϕ)Rnl (r)
→ hf |~
ε·~
r|ii =
R
dr Rnl (r)Rn0 l0 (r)r
Rπ
3
0
⇒ hf |~ε · ~r|ii =
6 0 nur für:
sin ϑdϑ
2π
R
0


sin ϑ cos ϕ
dϕYl∗0 m0 (ϑ, ϕ)Ylm (ϑ, ϕ)  sin ϑ sin ϕ  ~
ε
cos ϑ
(check durch Einsetzen)
• m = m0 , falls ~ε k z; m = m0 ± 1, falls ~ε ⊥ z
• (l − l0 ) = ±1
• Übergang l = 0, m = 0 → l0 = 0, m0 = 0 verboten
128
5.3.5
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
Störungstheorie zweiter Ordnung: Lebensdauer und Linienbreite
Bis jetzt: Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten i → f in Zustände
f 6= i
Nun: Verweildauer im Zustand i bei Anwesenheit einer Störung. Dazu wird
Störungstheorie zweiter Ordnung notwendig.
Betrachte hier konstante Störung V , die aus technischen“ Gründen adiaba”
tisch eingeschaltet wird.
(
V eηt
V (t) =
V
t≤0
mit η → 0+
t>0
:
:
Zeit t sei im Folgenden t < 0
∗ Überprüfe zunächst Übergänge i → f 6= i
Übergangswahrscheinlichkeit:
Rt
2ηt
0
0
dt0 eiωf i t eηt hf |V |ii|2 = |hf |V |ii|2 ~2 (ωe2 +η2 )
Pf i (t) = ~12 |
fi
−∞
Übergangsrate:
η→0
d
Wi→f = dt
Pf i (t) −→ |hf |V |ii|2
2
~2
π δ(ωf i )
(η → 0,
η
ω 2 +η 2
→ πδ(ω))
⇒ man erhält Fermis goldene Regel wie in 5.3.3 S.124
∗ Betrachte nun Verweildauer“ im Zustand |ii
”
Definiere Ci (t) := hi|UW (t, −∞)|ii
Zeige im Grenzwert η → 0+ : Ci (t) ∼ exp(− ~i ∆i t)
mit
P |hi|V |ki|2
Re(∆i ) = hi|V |ii +
Ei −Ek
P k6=i 2
Im(∆i ) = −π
|hi|V |ki| δ(Ei − Ek )
k6=i
(Rechnung:
Ci (t) = 1̂+
t<0
Zt
Zt Zt
0
0
00 X
1
1
hi|VW (t0 )|kihk|VW (t00 )|ii
dt0 eηt hi|VW (t0 )|ii + ( )2 dt0 dt00 eηt eηt
i~
i~
k
−∞
−∞ t0
|
{z
} |
{z
}
1.Ordnung Störungstheorie
iH t
~ 0
⇒
2.Ordnung Störungstheorie
iH t
−~
0
= 1̂ +
1
hi|V
i~
Benutze: VW (t) = e
Ve
Rt
Rt Rt
P (iω +η)t0 (−iω +η)t00
0
1 2
ki
|ii dt0 eηt + ( i~
) dt0 dt00
e ki
e
hi|V |kihk|V |ii
= 1̂ +
1
hi|V
i~
1 2e
|ii eη + ( i~
) 2η ( η1 |hi|V |ii|2 +
dCi (t)
dt
−∞
ηt
−∞ t0
k
2ηt
P
k6=i
1
|hi|V
η−iωki
|ki|2 )
/ Ci (t) = · · · (Berechnung und Entwicklung nach Potenzen von eηt )
P
1
|hi|V |ki|2 e2ηt + · · ·
= − ~i hi|V |iieηt − ~i
E −E +i~η
k6=i
1
x+iη
η→0+
Benutze: lim
i
= P ( x1 ) − iπδ(x)
k
(P =Principal Value=Hauptwert)
5.3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSRECHNUNG
⇒
dCi (t)
dt
/ Ci (t) −→ − ~i ∆i mit ∆i = hi|V |ii +
η→0+
P
k6=i
Lösung dieser Differentialgleichung → Ci (t) ∼
Es folgt:
i
129
|hi|V |ki|2 ( E
1
i −Ek
exp(− ~i ∆i t)
√
− iπδ(Ei − Ek ))
)
1
Ci (t) = e− ~ Re(∆i )t e− ~ Im(∆i )t
Interpretation:
Re(∆i ): Verschiebung der Energieniveaus
(gleicher Ausdruck wie
5.2.1 S.116)
Im(∆i ): Lebensdauer des Zustandes ↔ Linienbreite
130
KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
Kapitel 6
Die Pfadintegralformulierung
der Quantenmechanik
c Copyright 2012 Friederike Schmid1
Alternativer Zugang zur Quantenmechanik, R. Feynman
• In mancher Hinsicht anschaulicher als bisheriger Zugang
• Eröffnet elegante Lösungswege für manche Probleme
• Formalismus hat auch Anwendungen außerhalb der W.M.
(z.B. stochastische Prozesse, Polymere)
6.1
Pfadintegral und Propagator
Ausgangspunkt: Wellenmechanik
• Teilchen werden durch Wellenfunktionen ψ(~r, t) beschrieben
• Für deren zeitliche Entwicklung gilt das Superpositionsprinzip
R
; linearer Zusammenhang: ψ(~r1 , t1 ) = d~r0 G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) ψ(~r0 , t0 ),
wobei Propagator G unabhängig von ψ ist.
Bemerkungen dazu:
- G entspricht dem Zeitentwicklungsoperator in Ortsdarstellung
ψ(~r1 , t1 ) =Rh~r1 |ψ(t1 )i = h~r1 |U (t1 , t0 )|ψ(t0 )i
= d~r0 h~r1 |U (t1 , t0 )|~r0 i h~r0 |ψ(t0 )i
| {z }
ψ(~
r0 ,t0 )
!
R
= d~r0 G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) ψ(~r0 , t0 )
⇒ G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) = h~r1 |U (t1 , t0 )|~r0 i
- Interpretation: Ein Teilchen sei zur Zeit t0 am Ort ~r0
⇒ ψ(~r, t0 ) = δ(~r − ~r0 )
R
⇒ ψ(~r1 , t1 ) = dr~0 G(~r1 , t1 ; r~0 , t0 ) ψ(r~0 , t0 ) = G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 )
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Mainz, SS 2012.
Letzte Änderung der PDF-Datei am 09.06.12.
131
132
KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG
; G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) liefert Wahrscheinlichkeitsamplitude dafür,
dass ein Teilchen, welches zur Zeit t0 am Ort ~r0 war, zur
Zeit t1 am Ort ~r1 ist ( Übergangsamplitude“)
”
Zentrale Frage dieses Kapitels: Wie bestimmt man G?
• Traditionelle“ Antwort
”
→ Schrödingergleichung
(Kapitel 2.1.3 S.19)
2
∂
~
G(~r, t; ~r0 , t0 ) = (− 2m
∆ + V (~r))G(~r, t; ~r0 , t0 )
i~ ∂t
mit Anfangsbedingung G(~r, t0 ; ~r0 , t0 ) = δ(~r − ~r0 )
• Feynmans Zugang
Teilchen können auf verschiedenen Pfaden von ~r0 nach ~r1 gelangen. Jeder Pfad trägt mit einem
eigenen, noch zu bestimmenden
Gewicht zur Übergangsamplitude bei.
Speziell im klassischen Limes ~ → 0 muss gelten:
In diesem Grenzfall dominiert der klassische Pfad, d.h. der, der
die klassische Wirkung S extremal macht
Rt
mit S {~r(t)} = dt0 L (~r, ~r˙, t0 ) ; L = 1 m~r˙ 2 − V (~r)
2
t0
Bei endlichem ~ tragen andere Pfade zunehmend bei.
Frage: Wie kann ein solches Szenario realisiert werden?
Analogie: Fermatsches Prinzip
Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in einem Medium
Das Licht kann viele Wege
nehmen: De facto dominiert
aber ein Lichtstrahl, der den
optischen Weg l extremal macht
(optischer Weg = geometrischer
Weg × Brechungsindex)
→ Fermatsches Prinzip
Grund: Optischer Weg l ↔ Phase ϕ ∼ ei2πl/λ
Falls l λ: Viele Oszillationen, benachbarte Pfade interferieren
destruktiv miteinander
Ausnahme: l Extremum → konstruktive Interferenz
Übertragung auf unser Problem
Hier sollen im Grenzfall ~ → 0 die Wege mit einer extremalen Wirkung
S dominieren.
6.1. PFADINTEGRAL UND PROPAGATOR
133
; Ansatz (Feynman): Wirkung geht in einen Phasenfaktor ein. Jeder
i
Pfad trägt mit Phase e ~ S {~r(t)} zum Propagator bei.
⇒ Pfadintegral:
i
~
Z
Rt1
t
dt0 L (~
r,~
r˙,t0 ) ~r(t
r0
0 )=~
~
r (t1 )=~
r1
G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) = D{~r(t)} e 0
R
wobei D{~r(t)} = Summe über alle möglichen Pfade,
und L (~r, ~r˙, t) = klassische Lagrange-Funktion
R
Konkret: Was bedeutet D{~r(t)} bzw. wie kann man es berechnen?
R
Erläuterung für den Fall einer Dimension: D{x(t)}
Diskretisierung
Zeitschritte: ∆t = (t − t0 )/n
(n → ∞)
Pfad x(t) → Folge (x0 , x1 , . . . , xn = x) mit xj = x(t0 + j∆t)
Rt
Rt
2
Wirkung S {x(t)} = dt0 L (x, ẋ, t0 ) = dt0 ( m
2 ẋ − V (x))
n
P
→
t0
(m
2
j=1
t0
(xj −xj−1
∆t
)2
− V (xj )∆t)
⇒ Pfadintegral:
Z
D{x(t)} e
i
S {x(t)}
~
Z
= lim
n→∞
dx1 · · · dxn−1 e
i
~
n
P
(m
2
j=1
(xj −xj−1 )2
−V
∆t
(xj )∆t)
N
(∆t = (t − t0 )/n)
mit N : Normierungsfaktor: N =
p
m/2πi~∆t
(siehe unten)
Verallgemeinerung auf 3 Dimensionen offensichtlich.
(nur schlechter zu zeichnen)
Äquivalenz des Pfadintegralansatzes zur Schrödingergleichung
Zu zeigen: G(~r, t; ~r0 , t0 ) erfüllt die Schrödingergleichung
Hier wieder: für den Fall einer Dimension.
2
R∞
i m (x−xn )
dxn e ~ ( 2 ∆t −V (x)∆t) G(xn , t; x0 , t0 )
G(x, t + ∆t; x0 , t0 ) = N
−∞
ξ = x − xn
n−1
134
KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG
i
= N e− ~ V (x)∆t
R∞
i m ξ2
2 ∆t
dξ e ~
G(x − ξ, t; x0 , t0 )
−∞
Im Grenzfall ∆t → 0 oszilliert Integrand sehr stark
Hauptbeitrag zum Integral kommt von ξ ≈ 0
; Taylorentwicklung von G um ξ ≈ 0 sinnvoll!
2
∂
∂2
G(x − ξ, t; x0 , t0 ) ≈ G(x, t; x0 , t0 ) − ξ ∂x
G + ξ2 ∂x
2G
Einsetzen:

0
∞
: k ungerade
2
R
im ξ
q
k+1
dξ ξ k e 2~ ∆t = √
 2π(k − 1)!! i~∆t
−∞
: k gerade
m
((k − 1)!! = 1 · 3 · 5 · · · · k)
⇒ G(x, t + ∆t; x0 , t0 )
q
i~
∂2
2πi~∆t
≈ N (1 − ~i V (x)∆t)(1 + 2m
∆t ∂x
2 )G(x, t; x0 , t0 )
m
q
2
i
i~ ∂
≈ N 2πi~∆t
m (1 + ∆t(− ~ V (x) + 2m ∂x2 ))G(x, t; x0 , t0 )
Speziell ∆t p
→ 0+ : Linke Seite → G(x, t; x0 , t0 )
m
⇒ N = 2πi~∆t
Nächste Ordnung in ∆t:
G(x, t + ∆t; x0 , t0 ) − G(x, t; x0 , t0 )
|
{z
}
= (− ~i V
∂
∆t ∂t
G(x,t;x0 ,t0 )
i~ ∂ 2
(x) + 2m
)G(x, t; x0 , t0 )
∂x2
· ∆t
~2 ∂ 2
∂
G(x, t; x0 , t0 ) = [−
+ V (x)] G(x, t; x0 , t0 )
2
∂t
2m ∂x√
; Schrödingergleichung
⇒ i~
6.2. EICHINVARIANZ
6.2
6.2.1
135
Eichinvarianz
Allgemeine Eichtransformationen
Klassisch gilt: Der Lagrangefunktion L (~r, ~r˙, t) kann eine beliebige
d
Λ(~r, t) hinzugefügt werden, ohne dass dies die
totale Zeitableitung dt
Bewegungsgleichungen ändert
L 0 (~r, ~r˙, t) = L (~r, ~r˙, t) +
d
r, t)
dt Λ(~
= L (~r, ~r˙, t) +
∂
∂t Λ
~
+ ~r˙ · ∇Λ
Frage: Wie wirkt sich eine solche Transformation hier aus
- auf Propagator und Wellenfunktion?
- auf Hamiltonoperator und Schrödingergleichung?
∗ Propagator und Wellenfunktion
(Zur Zeit t → −∞ sei Λ(~r, t) = 0)
i
~
Rt1
L 0 (~
r,~
r˙,t)dt
= D{~r(t)} e
= D{~r(t)} e
i
(Λ(~
r1 ,t1 )−Λ(~
r0 ,t0 ))
~
=e
G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 )
G0 (~r1 , t1 ; ~r0 , t0 )
ψ 0 (~r, t) =
R
R
R
t0
i
~
Rt1
L dt
t0
e
i
~
Rt1
t0
dt dΛ
dt
i
d~r0 G0 (~r, t; ~r0 , −∞) ψ(~r0 , −∞) = e ~ Λ(~r,t) ψ(~r, t)
→ Die Funktion ~i Λ(~r, t) geht als ortsabhängiger Phasenfaktor in den
transformierten Propagator bzw. den Zustandsvektor ein.
∗ Schrödingergleichung und Hamiltonoperator
i
i
∂ 0
ψ = H 0 ψ 0 mit H 0 = e ~ Λ He− ~ Λ −
i~ ∂t
i
∂ 0
∂
(denn: i~ ∂t
ψ = i~ ∂t
(e ~ Λ ψ) = i~( ~i
= − ∂Λ
ψ0 + e
∂t
Es gilt: e
iΛ
~
i
∂Λ ~
e Λ ψ)
∂t
ψ0
iΛ
−~
He
∂Λ
∂t
~ − ∇Λ)
~
= H(~r, ~i ∇
−
∂Λ
∂t
i
∂
+ e ~ Λ (i~ ∂t
ψ)
iΛ
−~
iΛ
~
iΛ
~
f (~
r)e
= f (~
r) für alle Funktionen f (~
r)
i
~ − ~i Λ = ~ ∇
~ − ∇Λ
~ → e ~i Λ p
~ =: q~
( ~ ∇)e
~e− ~ Λ = p
~ − ∇Λ
e
i
i
i
i
i
i
i
i
k1
kn
e ~ Λ pkα11 · · · pkαnn e− ~ Λ = (e ~ Λ pα1 e− ~ Λ )k1 · · · (e ~ Λ pαn e− ~ Λ )kn = qα
1 · · · qαn
iΛ
iΛ
√
−
~
~
~
~ − ∇Λ)
~
~
⇒ e ~ H(~
r, ∇)e
= H(~
r, q~) = H(~
r, ∇
)
i
i
NB: Vergleiche klassische Mechanik:
→ kanonischer Impuls: p~0 =
→ Hamiltonfunktion: H
∂
Λ − p~0~r˙
L 0 (~r, ~r˙, t)
∂L
∂~
r
0 (~
r, p~0 )
∂
~
= L (~r, ~r˙, t)+ ∂t
Λ+~r · ∇Λ
~
= p~ + ∇Λ
~ −L −
= p~0~r˙ − L 0 = p~0~r˙ + ~r˙ ∇Λ
∂t
⇒ H 0 (~r, p~0 ) = H (~r, p~) −
∂
~
= H (~r, p~0 − ∇Λ)
− ∂t
Λ
~
~ identifiziert wird!
⇒ Passt zu obigem Ergebnis, wenn p~0 mit i ∇
∂
∂t Λ
∗ Fazit: Wellenfunktion kann mit beliebigem orts- und zeitabhängigem Phasenfaktor exp(− ~i Λ(~r, t)) multipliziert werden, wenn gleichzeitig der Hamiltonoperator umgeeicht wird, d.h.:
∂
~
- Ursprüngliche Schrödingergleichung: i~ ∂t
ψ(~r, t) = H(~r, ~i ∇)ψ(~
r, t)
136
KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG
- Formale Ersetzung:
i
ψ → ψ 0 = e ~ Λ(~r,t)) ψ
~~
~ − ∇Λ
~
∇ → ~∇
i
∂
i~ ∂t
i
∂
→ i~ ∂t
+
∂Λ
∂t
∂ 0
→ Neue Schrödingergleichung: i~ ∂t
ψ = H 0ψ0
~ − ∇Λ)
~
mit H 0 = H(~r, ~i ∇
−
6.2.2
∂Λ
∂t
Eichinvarianz und elektromagnetische Felder
Betrachte speziell
freies Teilchen 2
Umeichung
p
~
H = 2m
→
→ H0 =
ψ → ψ 0 exp( ~i Λ)
1
p−
2m (~
~ 2−
∇Λ)
∂Λ
∂t
(∗)
Verallgemeinere“ nun: Hamiltonoperator soll die Form (∗) haben, aber ersetze
”
~ und ∂Λ durch allgemeinere Felder e A,
~ −eΦ: Eichfelder“
∇Λ
∂t
c
”
1
e~ 2
+ eΦ
(~
p − A)
2m
c
; Hamiltonoperator eines Teilchens im elektromagnetischen Feld
Man erhält: H =
Bemerkungen
• Einfachste Möglichkeit, einen Hamiltonoperator zu konstruieren, der
i
bei einer Phasentransformation ψ → ψ 0 = e ~ Λ(~r,t) ψ nicht die Form
ändert.
• Die Eichtransformation der Elektrodynamik:
~→A
~0 = A
~ + ∇ϕ;
~
A
Φ → Φ0 = Φ −
entspricht einer Phasentransformation nach (a)
i e
mit ψ → ψ 0 = e ~ c ϕ(~r,t) ψ
1 ∂ϕ
c ∂t
6.3. ANWENDUNG: DER AHARONOV-BOHM EFFEKT
6.3
137
Anwendung: Der Aharonov-Bohm Effekt
Setup:
Magnetfeld ist nur im Zylinder eingeschaltet. In diesen können die Teilchen aber nicht eindringen. Aufbau spiegelsymmetrisch bzgl. der
Achse Quelle-Detektor.
Analyse:
~
Klassische Lagrange-Funktion: L (~r, ~r˙ ) = L0 (~r, ~r˙ ) + ec ~r˙ · A
Z
R
~
~ = S0 + e
d~r · A
Wirkung: S = S0 + ec dt ~r · A
c
| {z }
Wegintegral
Pfadintegral:
R
D{~r(t)} e
i
S
~
=
R
ie
D{~r(t)} e ~ S0 exp( ~c
i
R
~
d~r · A)
Fasse Wege in Paare zusammen: Pfade, die oben und unten am Zylinder
vorbeiführen:
oben: → S = S0 +
~ |oben
d~r · A
R
~ |unten
unten: → S = S0 + ec d~r · A
H
~ = e Φ0
Differenz: ∆S = ec d~r · A
c
mit Φ0 : magnetischer Fluß durch Zylinder
e
c
R
(NB: Im Prinzip können sich Wege auch um Zylinder herumwinden,
z.B. wie in Abb.
; Komplikation, Paare müssen dann etwas anders gewählt werden,
aber ∆S bleibt gleich.)
R
i
i
e
Zusammengefasst: G = D{~r(t)} e ~ S ∝ (1 + e ~ ∆S ) = cos( 2~c
Φ0 )
Fazit: Interferenzeffekte als Funktion des magnetischen Flusses Φ0
138
KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG
Experimenteller Nachweis:
Erster Nachweis: R.G. Chambers, 1960.
Beispiel hier: G. Möllenstedt, W. Bayh, 1962. (Physik. Blätter 18, 299)
(Beweglicher Film; Interferenz abhängig vom Spulenstrom).
Kapitel 7
Verschränkte Zustände
c Copyright 2012 Friederike Schmid1
Wir haben in dieser Vorlesung gesehen, dass die Quantenmechanik eine sehr
mächtige Theorie ist, mit der man vieles beschreiben und vorhersagen kann.
Jetzt, zum Abschluss: Ein Kapitel, das daran erinnern soll, wie merkwürdig sie
trotz allem ist.
Verschränkte“ Zustände sind zusammengesetzte, nicht faktorisierbare Vielteil”
chenzustände.
→ z.B. Zweiteilchensystem
|ψa i1 |ψb i2
√1 (|ψa i1 |ψb i2 − |ψa i2 |ψb i1 )
2
→ faktorisierbar
→ verschränkt
Verschränkung führt zu Quantenkorrelationen“.
”
→ Operationen an einem Teilchen beeinflussen das andere.
Bedeutung:
• Diskussion grundlegender Fragen der Quantenmechanik
– EPR Paradox
– Bellsche Ungleichung
• Praktische Anwendungen
– Quantenteleportation
– Quantenkryptographie
– Quantencomputer
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Mainz, SS 2012.
Letzte Änderung der PDF-Datei am 09.06.12.
139
140
KAPITEL 7. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE
7.1
Das EPR-Paradox und die Bellsche Ungleichung
7.1.1
EPR-Paradox
Argumentation geht zurück auf Einstein, Podolsky und Rosen (1935) - Auseinandersetzung mit Bohr über die innere Konsistenz der Quantentheorie.
Hier: modernere Version des Arguments.
Gedankenexperiment:
Betrachte eine Quelle, die Paare von Spin 12 -Teilchen emittiert, die im SingulettZustand √12 (|+i|−i − |−i|+i) sind.
Angenommen, der Beobachter A misst Sz am Teilchen 1, er erhält z.B. ~2 .
Dann steht fest, dass B bei einer Messung von Sz am Teilchen 2 den Wert
− ~2 erhalten würde, auch ohne dass B die Messung durchführt.
Wie kann das sein?
Quantenmechanische Erklärung: Fernwirkung“ von A nach B.
”
Selbst dann, wenn sie beliebig auseinander sind.
Klassische Erklärung: Fast trivial - Messwert (− ~2 ) steht von vornherein fest,
intrinsische Eigenschaft von Teilchen 2. (Würde die Quelle z.B. Paare von
weißen und schwarzen Bällen emittieren, und A misst weiß, dann steht
damit auch fest, dass B schwarz messen würde.)
Klassische Erklärung wirkt viel vernünftiger als die quantenmechanische.
; Essenz des EPR-Arguments
Basiert auf zwei vernünftigen Forderungen:
(i) Das Teilchen 2 kann nicht davon beeinflusst werden, was dem Teilchen
1 widerfährt, wenn die beiden räumlich getrennt sind (Lokalitätsprinzip)
(ii) Wenn man eine Eigenschaft eines Objekts sicher vorhersagen kann,
ohne das Objekt zu beeinflussen, dann hat das Objekt diese Eigenschaft.
Folgerung: In dem obigen Gedankenexperiment muss Sz eine Eigenschaft der
Teilchen sein. Analoges gilt für Sx , Sy .
Aber: In der Quantentheorie können Sx , Sy , Sz nicht gleichzeitig scharf
bestimmt sein. Deshalb ist nach EPR die Quantentheorie inkonsistent
oder zumindest unvollständig.
7.1. DAS EPR-PARADOX UND DIE BELLSCHE UNGLEICHUNG
141
Frage: Könnte man die Quantentheorie eventuell vervollständigen“? Ange”
nommen, die Quantenmechanik stimmt“ (sie ist ja sehr erfolgreich und
”
bislang unwiderlegt): Kann es eine Theorie geben, die die gleichen Vorhersagen wie die Quantenmechanik macht, aber in der die Messwerte vorherbestimmte, intrinsische Eigenschaften der Messobjekte sind?
Antwort: Nein und Ja
Nein
- Bellsche Ungleichung
Ja (doch) - Wenn man Lokalitätsprinzip aufgibt, z.B. Bohmsche Mechanik.
7.1.2
Bellsche Ungleichung (1964)
Ausgangspunkt: Dasselbe Gedankenexperiment wie bei 7.1.1 S.140. Es sollen
die beiden Annahmen von EPR gelten:
(i) Eine Messung von Teilchen 1 beeinflusst Teilchen 2 nicht.
(ii) Die Werte des Spins in eine beliebige Richtung ~e (=
b die voraussicht~
lichen Messergebnisse einer Messung von S~e) sind prädeterminierte,
intrinsische Eigenschaften eines Teilchens. (NB: Das schließt nicht
aus, dass man sie möglicherweise nicht gleichzeitig messen kann.)
Wähle nun drei Spinrichtungen ~a, ~b, ~c (Einheitsvektoren)
Statistik der möglichen Zustände
Teilchen 1
~a ~b ~c
+ + +
+ + + - +
+ - - + +
- + - - +
- - -
Teilchen 2
~a ~b ~c
- - - - +
- + - + +
+ - + - +
+ + + + +
Wahrscheinlichkeiten
P1
P2
P3
P4
P5
P6
P7
P8
mit
P
Pi ≥ 0
Pi = 1
i
sonst beliebig
⇒ Gekoppelte Wahrscheinlichkeit P~e1~e2 , dass A in Richtung ~e1 und B in Richtung ~e2 beide ~2 messen: P~a~b = P3 + P4 , P~c~b = P3 + P7 , P~a~c = P2 + P4
→ zusammengefasst: P~a~c + P~c~b = P2 + P3 + P4 + P7 ≥ P3 + P4 = P~a~b
⇒ Bellsche Ungleichung: Unter den eingangs erwähnten Annahmen (i) und
(ii) muss gelten:
P~a~c + P~c~b ≥ P~a~b
142
KAPITEL 7. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE
Berechne diese gekoppelten Wahrscheinlichkeiten nun in der Quantentheorie
oBdA sei ~a = ez (~a zeige in z-Richtung)
• A misst den Wert ~2 mit Wahrscheinlichkeit 12 . Danach hat das
Teilchen 2 den Zustand |−i.
• B misst in Richtung ~b. Der Erwartungswert seines Ergebnisses
~~bi = h−|S
~~b|−i = −bz ~ = − ~ (~a~b)
ist: hS
2
2
; Wahrscheinlichkeit P+ , Messwert ( ~2 ) zu messen, folgt aus
~~bi = (P+ )( ~ ) + (1 − P+ )(− ~ ) = ~(P+ − 1 )
hS
2
2
2
~~
P+ = hS bi + 1 = 1 (1 − ~a~b)
~
2
2
⇒ Zusammengefasst: P~a~b = 14 (1 − ~a~b)
Analog: P~c~b = 14 (1 − ~c~b), P~a~c = 41 (1 − ~a~c)
Betrachte nun speziell den Fall ~c ∝ (~a +~b)
und ~a~b=0:
→ P ~ = 1 (1 − ~a~b) = 1 = 0.25
~ab
4
4
P~c~b = P~a~c = 14 (1 − cos π4 ) ≈ 0.07
→ P~a~c + P~c~b ≈ 0.14 < P~a~b = 0.25 !
⇒ Laut Quantenmechanik kann die Bellsche Ungleichung verletzt sein.
Diese Vorhersage lässt sich experimentell überprüfen.
Experimente zur Bellschen Ungleichung
Meistens mit Photonenpaaren (analoge theoretische Behandlung)
aber auch mit Protonenpaaren
; ergaben immer eine Bestätigung der Quantenmechanik und eine Verletzung
der Bellschen Ungleichung.
Damit kann eine Theorie, die gleichzeitig Messergebnisse auf intrinsische Eigenschaften der Messobjekte zurückführt und das Lokalitätsprinzip erfüllt,
nicht korrekt sein.
Aber: Deterministische Theorie wird möglich, wenn man die Lokalität aufgibt
- z.B. Bohmsche Mechanik.
7.1.3
Bohmsche Mechanik
Zustand eines Systems wird beschrieben durch:
- Wellenfunktion ψ
- Konfiguration ~r1 · · · ~rN
Dynamische Gleichungen:
• Schrödingergleichung für ψ
•
d~
rk
dt
=
~ kψ
ψ∗ ∇
~
mk Im( ψ ∗ ψ )
; In dieser Form absolut äquivalent zur Quantenmechanik.
Deterministisch, aber nichtlokal.
7.2. ANWENDUNG: QUANTENINFORMATIK
7.2
143
Praktische Anwendung für Verschränkung: Quanteninformatik
Moderne Anwendungen
Ausnützen von verschränkten Zuständen für
- Quantenkryptographie (funktioniert im Prinzip schon)
- Quantenteleportation (etwas esoterisch)
- Quantencomputer (wird z.Zt. intensiv erforscht,
möglicherweise großes technologisches Potential)
7.2.1
Quanteninformation
• Basiseinheit: 1 qubit
Zwei-Zustandssystem mit Zuständen |0i, |1i
=
b zweidimensionaler Hilbertraum
entsprechend n qubits: Produktraum von n qubits,
aufgespannt von Zuständen |0 · · · 0i, |0 · · · 1i, · · · , |1 · · · 1i
• Experimentelle Realisierungsmöglichkeiten
- Linear polarisierte Photonen: |0i =l; |1i =↔
- Zirkular polarisierte Photonen: |0i =; |1i =
- Spin 12 -Teilchen: |0i = |+i; |1i = |−i
- Quantendots mit zwei Zuständen
- ...
• No Cloning Theorem (Wootters, 1982)
Ein unbekanntes qubit kann nicht geklont werden.
(Beweis: Andernfalls gäbe es unitären Operator U , der jeden Zustand
|αi|0i in |αi|αi überführt: U |αi|0i = |αi|αi; U |βi|0i = |βi|βi.
Aber: U (|αi + |βi)|0i = |αi|αi + |βi|βi 6= (|αi + |βi)(|αi + |βi)
7.2.2
Widerspruch!
)
Quantenkryptographie
Herausforderung der Kryptographie:
A (Alice) und B (Bob) wollen
eine Bitfolge derart austauschen,
dass sie mit Sicherheit von keinem
Dritten E (Eve) abgehört werden
kann. Bitfolge darf zufällig sein. Sie
wird später als Schlüssel verwendet, wenn die echte Nachricht übermittelt wird.
144
KAPITEL 7. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE
Idee: Verwende qubits.
Da qubits nicht geklont werden können, kann E sie nicht alle abfangen
und weiterschicken, ohne dass A und B es merken.
Konkrete Strategien
1) A sendet qubits an B
• A präpariert qubits zufällig in zwei möglichen Basissystemen
(z.B. Spins → Eigenzustände von Sx und Sz )
• B misst zugesandte qubits in zufällig gewählter Basis (z.B. Spins
→ zufällige Messung von Sx oder Sz )
• A und B verständigen sich öffentlich, wann sie welche Basis benutzt haben. War es die gleiche, so kennen beide das Messergebnis und können es für eine Bitfolge verwenden. Der Rest wird
verworfen.
• Um Abhörern E auf die Spur zu kommen, vergleichen A und B
noch öffentlich einige Testbits (die danach verworfen werden).
Falls E mitgehört hat, musste sie eine Messung machen. In der
Hälfte der Fälle hat sie dabei die falsche Basis erwischt und das
qubit gestört.
2) Ausnützen verschränkter Zustände
• Zentrale Quelle Q sendet qubit-Paare im Singulett-Zustand
√1 (|0i|1i − |1i|0i) an A und B.
2
• A und B messen ihr qubit in einem zufällig gewählten Basissystem. Dieses wird ausgewählt aus drei möglichen Systemen ~a, ~b,
~c, die so beschaffen sind, dass die Wahrscheinlichkeiten P~a~b (1, 1),
P~a~c (1, 1), P~c~b (1, 1) die Bellsche Ungleichung verletzen.
• A und B tauschen sich öffentlich darüber aus, wann sie welches
Basissystem benutzt haben.
Falls es dasselbe war - benutze Ergebnisse für den Schlüssel
Falls es verschieden war - werte Ergebnisse öffentlich aus:
– Überprüfe Bellsche Ungleichung
– → verletzt: OK
–
erfüllt: E hat mitgehört.
Experimentelle Realisierung (Praktisch vor allem Verfahren 1)
Zbinden et al. 1997
Schlüsselübertragung über 23 km, quer durch den Genfer See, über
Standard-Glasfaserleitung der Swisscom (qubits hier: Polarisationszustände von Laserpulsen, im Mittel ∼ 0.1 Photonen pro Puls)
Weinfurter et al. 2007
144 km durch die Luft auf den kanarischen Inseln, 13 bit/Sekunde,
allerdings nur nachts.
Ziel: Satellitenübertragung (Übermittlung durch Atmosphäre an Satelliten und zurück).
7.2. ANWENDUNG: QUANTENINFORMATIK
145
Praktisches Problem: Manchmal (selten) sind auch zwei Photonen in
einem Puls → Sicherheitslücke.
Ausweg: Köderbits, um Abhörer abzufangen.
”Akademische” Realisierungen auch von Verfahren 2
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