Unterstützung der hausärztlichen Behandlung depressiver Erkrankungen mit MoodGYM: Ergebnisse der @ktiv-Studie Prof. Dr. med. Steffi G. Riedel-Heller, Leipzig Dr. Alexander Pabst, Marie Dorow, Dr. Janine Stein Fachtagung E-Mental-Health 18.10.2016 AOK Bundesverband Depressionen Epidemiologie – Zahlen und Fakten Ca. 4 Mio. Menschen erkranken innerhalb von 12 Monaten an einer Depression Ca. 2/3 der depressiven Patienten konsultieren ihren Hausarzt Robert-Koch-Institut, DEGS Symposium 14.06.2012 2 Depressionen Therapiemöglichkeiten Pharmakotherapie Psychotherapie, stationäre B. EKT, Kombinationsbehandlung, multiprofessionelle Teams Pharmakotherapie Hochfrequente Psychotherapie Collaborative Care, Überweisung Facharzt Niedrigschwellige psychosoziale Interventionen, Psychotherapie, Psychopharmaka, Ggf. Überweisung Facharzt Diagnostik, Unterstützung, Monitoring, Psychoedukation National Institute for Health and Clinical Excellence (2009). Depression in Adults: Depression: the treatment and management of depression in adults: National Clinical Practice Guideline 90 London: NICE. 3 Depressionen und Online-Selbstmanagement Warum ein verhaltenstherapeutisch orientiertes OnlineSelbstmanagementprogramm für Depressionen? flächendeckend gewährleisteter Internetzugang in Deutschland Internetnutzungsverhalten bei depressiven Patienten nicht geringer als in anderen Bevölkerungsgruppen 4 Depressionen und Online-Selbsthilfe Vorteile von Online-Programmen niederschwellig örtlich individuell zeitlich individuell breit einsetzbar erreichen mehr Menschen als über klassischen Versorgungsweg Begleitung zu professioneller Behandlung 5 Das internetbasierte Selbstmanagementprogramm MoodGYM Was ist MoodGYM? („Fitness für die Stimmung“) computergestütztes, interaktives und leicht verständliches Trainingsprogramm zur Vorbeugung und Verringerung von depressiven Symptomen Bereits erwiesene kurzfristige und langfristige Effektivität und Akzeptanz der englischsprachigen Version von MoodGYM in internationalen Studien (Mackinnon et al., 2008, Hickie et al., 2010) Deutsche Übersetzung durch Psychologen, Psychotherapeuten und Ärzte des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig Steht kostenfrei zur Verfügung! 6 MoodGYM – ein internetbasiertes Selbsthilfeprogramm für depressive Erkrankungen 7 Beispielpersonen 8 Beispielpersonen 9 Tests 10 10 Hilfe im Notfall 11 Baustein: GEFÜHLE 12 Baustein: GEDANKEN 13 Baustein: ALTERNATIVE GEDANKEN ENTWICKELN 14 14 Baustein: WEG MIT DEM STRESS 15 Baustein: BEZIEHUNGEN 16 Arbeitsbuch 17 Forschungsfrage: Profitieren leicht und mittelgradig depressive Allgemeinarztpatienten von MoodGYM als „add on“ zur Hausarztbehandlung? 18 Studiendesign: Clusterrandomisierte kontrollierte Studie (cRCT) Hausarztpraxen n = 190 Interventionspraxen n = 95 Start/ Baseline 6 Wochen MoodGYM 6 Monate n = 320 Leicht & mittelgradige depressive Hausarztpatienten n = 95 Start/ Baseline Kontrollpraxen 6 Wochen 6 Monate n = 327 19 @ktiv-Studie – aktiv aus der Depression Wie wird die Wirksamkeit des Programms nachgewiesen? Patientenbefragungen zu 3 Messzeitpunkten Start/ Baseline 1. Fragebogen wird von dem Patienten selbständig in Hausarztpraxis ausgefüllt. 2. Nach 6 Wochen: Postalische Fragebogenerhebung 3. Nach 6 Monaten: Postalische Fragebogenerhebung n = 320 6 Wochen MoodGYM 6 Monate Leicht & mittelgradige depressive Hausarztpatienten Start/ Baseline 6 Wochen 6 Monate n = 327 20 20 @ktiv-Studie – aktiv aus der Depression Kern-Instrumente Depressivität und Angst - BDI-II, PHQ-9, PHQ-Angstmodul Psychische Belastung - BSI-18 Lebensqualität - EQ-5D-5L Empowerment - EPAS (Skala zu Hoffnung und Selbstwirksamkeit) - Gesundheitsökonomische Evaluation - Langzeit-Follow-up (12 Monate vor bis 36 Monate nach Baseline): Mit Einwilligung der Studienteilnehmer werden hierfür pseudonymisierte Daten der Krankenkasse genutzt. 21 Studiendesign/Stichprobe (cRCT) Einschlusskriterien • Alter: 18+ • Internetzugang und -nutzung • Leichte oder mittelgradige depressive Episode (F32.0, F32.1, F33.0, F33.1) Ausschlusskriterien • Demenz, Schizophrenie, Bipolare affektive Störung • Aktuelle psychotherapeutische Behandlung zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses • Suizidalität Analysierte Fälle • Daten zu Zielkriterien vorhanden Für Studieneinschluss kontaktierte Arztpraxen N = 4840 Randomisierte Arztpraxen N = 190 Arztpraxen IG N = 95 Arztpraxen KG N = 95 Baseline Befragte Patienten N = 320 Analysiert N = 286 Baseline Befragte Patienten N = 327 Analysiert N = 310 FU-I (6 Wochen) Befragte Patienten N = 239 FU-I (6 Wochen) Befragte Patienten N = 293 FU-II (6 Monate) N = 205 FU-II (6 Monate) N = 278 22 Analyse • • • • • Gewährleistung der Vergleichbarkeit von IG und KG mittels der Methode des Entropy Balancing (Hainmueller, 2011) • multivariate Gewichtungsmethode, mit der Ungleichheiten in der Verteilung zwischen IG und KG zur Baseline ausbalanciert werden • Einbezogene Variablen: Zielgrößen: alle Outcomes, Kovariaten: Alter, Geschlecht, Familienstand, Wohnumfeld, Schulbildung, Ausbildung, Beschäftigung, Behandlungshistorie, Angstsymptomatik Multiple Imputation fehlender Werte in Kovariaten zur Baseline Dropout mittels Full-Information-Maximum-Likelihood (FIML) modelliert Intention-to-treat-Analyse (ITT) Schätzung des Interventionseffekts mit multilevel mixed-effects Modellen (Rabe-Hesketh & Skrondahl, 2012) 23 Stärken & Limitationen + Weltweit größte und deutschlandweit erste randomisiert-kontrollierte Studie zur Wirksamkeit internetbasierter Selbsthilfeprogramme für Menschen mit depressiven Erkrankungen im Hausarztsetting + State-of-the-art-Methodik der Balancierung: Entropy-balancing + Intention-to-treat-Ansatz (ITT) + Große Stichprobe Rekrutierung in drei Bundesländern in Ostdeutschland Nicht auf Personenebene randomisiert (clusterrandomisiert) 24 Schlussfolgerungen • MoodGYM reduziert die depressive Symptomatik und erhöht die Lebensqualität von leicht und mittelgradig depressiven Hausarztpatienten innerhalb von 6 Wochen • Im Langzeitverlauf trägt MoodGYM zu weiteren Reduktion der depressiven Symptomatik bei • Es zeigen sich weiterhin langfristige positive Effekte auf Selbstwirksamkeit und auf die psychische Belastung allgemein MoodGYM erweist sich damit als ein wirksamer komplementärer Behandlungsbaustein im Rahmen einer Depressionsbehandlung in der Hausarztpraxis 25 Ausblick • Wartezeiten für weitere fachspezifische Behandlung als auch Versorgungsdefizite in ländlichen Räumen könnten damit aufgefangen werden • MoodGYM könnte sich auch als ergänzende Maßnahme in der ambulanten, stationären und poststationären Versorgung als wirksam erweisen • MoodGYM als „add-on“ zu einer ambulanten Psychotherapie: Vermittlung psychoedukativer Grundlagen 26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Riedel-Heller, S. G.*, Pabst, A.*, Löbner, M., Dorow, M., Matschinger, H., Luppa, M., Maross, A., Kersting, A., König, H.-H. & Stein, J. MoodGYM as computerised cognitive behavior therapy (cCBT) embedded in primary care: Patients with mild and moderate depression benefit. Results of a large scale cluster randomized controlled trial (AKTIV-Trial). (submitted) 27