Mozarts Oper „Don Giovanni“ und die männlichen Charaktere

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Mozarts Oper „Don Giovanni“
und die männlichen Charaktere anhand ihrer
Stimmtypen
Künstlerische Masterarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades
eines Master of Arts
Im Rahmen des Studiums Master Musiktheater vorgelegt von:
Ivan Naumovski
Matrikelnummer 1373094
Am Institut 10 Musiktheater der Universität für Musik und
darstellende Kunst Graz
Betreuung: Ao.Univ.Prof. Dr.phil. Renate Bozic, und
Univ. Prof. Dr. Phil. Antonius Sol
Dezember 2015
Mozarts Opera „Don Giovanni“
And its characters along with their voice type
Master of Arts thesis
To obtain the academic degree master of Arts
In the course of the study –Master Music Theater/Opera,
presented by:
Ivan Naumovski
Student number 1373094
At institute 10 Music Theatre/Opera, at the University of Music
and Performing Arts Graz
Advisors: Univ.Prof.Mag.phil. Dr.phil. Renate Bozic, and
Univ. Prof. Dr. Phil. Antonius Sol
Dezember 2015
Abstract
Eine einzige Erzählung bildete die Grundlage für verschiedene Opern, Filme,
Gedichte und Dramen. Diese Erzählung ist bekannt als „Don Giovanni” (Italienisch).
Zusammen
mit
Mozarts
Musik
entsteht
eine
spannende
Erzählung
voller
unterschiedlicher Charaktere, die in dieser Masterarbeit analysiert und untersucht
werden. Die Arbeit fängt an mit dem Komponisten als Persönlichkeit und seine
Zusammenarbeit mit dem berühmtesten seiner Librettisten Lorenzo Da Ponte. Es folgt
ein Bericht über die Premiere des „Don Giovanni” in Prag und führt zu dem wichtigsten
Teil dieser Masterarbeit: Die männlichen Charaktere in dieser Oper, ihre Stimmen und
wie die Charaktere aufeinander treffen. Außerdem werden wir über jene Sänger lesen,
die in der Nacht der Premiere auf der Bühne standen. Wieso die männlichen
Charaktere? Ich persönlich finde sie vielseitiger als die weiblichen Charaktere, aufgrund
der
Geschehnisse
in
dem
Stück,
aber
auch
weil
man
bei
ihnen
mehr
Charakterentwicklungen und unterschiedlichste Emotionen beobachten kann. Es wird
interessante Fakten über die Oper und ihre Ursprünge geben, ebenso wie über die
Ursprünge des Dramas. Dieses Kunstwerk gehört zu den interessantesten Opern aller
Zeiten. Gerade die Zusammenarbeit von Mozart mit Da Ponte macht es zu einem
historisch wertvollen Stück. Was meine Recherche betrifft, werde ich zufrieden sein,
wenn ich Personen, die Interesse an dieser Thematik haben, ein paar
präsentieren kann, die ihnen nicht unbedingt bekannt sind.
Fakten
Abstract
A story that inspired the production of several operas , movies , poems and
dramas. The story that is called “Don Giovanni” (Italian). To the background of Mozart’s
music there is a very interesting story, filled with lots of differentiated characters that
are going to be examined and analyzed in this master thesis carefully. We will start from
the very beginning with the personality of the composer himself, through the
collaboration with the most famous of his libretto writers, to follow the premiere of the
opera in Prague and then jump to the most important part of this thesis: The male
characters , their voices, how they collide with one another. We will also read about the
singers that were on the stage at the opening night. Why the male characters?
Well, personally I find these more versatile than the female characters because of the
things that occur and we can see lots of changes in their personalities and also different
kind of emotions. Clearly there will be some interesting facts regarding this opera of its
origins as well as for the origin of the drama. This piece of art is one of the most
interesting operas ever written and the collaboration between Mozart and da Ponte
makes it even more valuable in historical views. As up to my research, I would be
satisfied if I established some facts that are not heard until now for those who have an
interest to explore this area.
Vorwort
In diesem Vorwort möchte ich zuerst kurz erklären, warum ich mich entschieden
habe, dieses Thema für meine Masterarbeit zu bearbeiten und wie diese wunderschöne
Oper und ihre Charaktere zu meiner Inspiration wurden. Wenn man den Namen
Wolfgang Amadeus Mozart erwähnt und seine größten Werke besprochen werden, ist
es unmöglich, eines seiner besten Werke – die Oper „Don Giovanni“ – beiseite zu
lassen. Nicht nur, dass die Energie, die Leidenschaft, der Humor, der Charme, der
Schmerz, die Doppelzüngigkeit dieses Dramas in vielen unterschiedlichen literarischen
Werken, Filmen und Opern nacherzählt wurden, sondern auch weil ihre Musik zum
Welterbe der klassischen Musik gehört. Im ersten Jahr meines Masterstudiums hatte
ich die Gelegenheit, an dieser Oper mitzuarbeiten und die Rolle des Masetto zu spielen
und zu singen. Die größte Inspiration waren nicht nur die Geschichte und die
wunderschöne Musik, sondern auch die Auseinandersetzung mit den Konflikten, die
zwischen all den unterschiedlichen Charakteren auf der Bühne entstanden und wie
Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte genau diese authentisch einfingen. Die
einzelnen Rollen zeigen die Stärken dieser Oper auf: Don Giovanni ist ein Symbol der
Macht, Sexualität, Schlauheit. Leporello wird als ein treuer Diener dargestellt, der sich
seinem Herrn aufrichtig widmet und der ihn als mutig, gerecht und edel idealisiert. Der
Edle Don Ottavio versucht, das Herz von Donna Anna zu gewinnen und sie in ihren
Rachegefühlen zu unterstützen. Masetto als untergebener, aber gerechter und ehrlicher
Held, versucht auf jede Art und Weise für seine Zerlina da zu sein. Kurz gesagt: diese
Oper und die Erfahrung, die ich in diesem Projekt sammeln konnte, veränderten meine
Sichtweise auf das Theater und die Musik und werden mir als eine ausgezeichnete
Erfahrung in Erinnerung bleiben.
Prespeech
In this prespeech I would like to explain why I have decided to discuss, to work
and to present this topic for my master thesis, and how this beautiful opera and its
characters have inspired me. When the name Wolfgang Amadeus Mozart’s is
mentioned and one speaks about his greatest artistic achievements, it is almost
impossible not to mention one of his greatest works, the opera “Don Giovanni”. The
energy, the passion, the humor, the charm, the nobility, the pain and the hypocrisy in
this drama have not only been retold in many different novels, poems, movies and
operas, but its music belongs to the heritage of classical music.
Last year, when I
commenced my master studies, I had the opportunity to be part of this opera, playing
the character of Masetto. The biggest inspiration for me was not just the story being told
with its beautiful music, but also the conflicts happening on the stage between the
various characters; how Mozart and the most famous of his playwrights Lorenzo da
Ponte bring these to us with such an authenticity . The way in which Don Giovanni
represents the symbol of power, arrousement and of cleverness; how Leporello is
shown as a faithful servant honestly dedicated to his boss, whom he idolizes; how the
noble Don Ottavio tries to win Donna Anna’s heart and try to help her revenge her
fathers death; how the submissive, but righteous and true honest hero of the lower
class, Masetto, tries to be there for his precious fiancée Zerlina. To summarize, this
opera and the experience that I received from it has drastically changed my views on
theater and music. It came as a revelation and I will cherish the experience that I will
never forget.
Inhaltsverzeichnis
1.
2.
Biographie: W. A. Mozart .................................................................................................................. 1
1.1
Der Weg zur Ruhm ........................................................................................................................ 1
1.2
Paris und Wien ........................................................................................................................... 2
Der Librettist – Lorenzo Da Ponte ................................................................................................... 4
2.1
3.
Aus den Memoiren von Lorenzo Da Ponte ................................................................................... 6
Don Giovanni oder Il Dissoluto punito............................................................................................. 8
3.1
Der Anfang .................................................................................................................................. 8
3.2
Die Premiere ............................................................................................................................... 9
3.3
Die Geschichte zu Don Giovanni .......................................................................................... 10
3.4
Das Prager Theater ................................................................................................................. 12
4.
Don Giovanni in Wiener Aufführungen zwischen 1940 bis 1972 .............................................. 13
5.
Die männlichen Charaktere in „Don Giovanni“ ............................................................................ 15
5.1.
Masetto-Bass (Bariton) ............................................................................................................ 15
5.2.
Il Commendatore - Der Komtur-Bass .................................................................................... 17
5.3.
Don Ottavio – Tenor................................................................................................................. 20
5.4.
Leporello – Bass (Bariton) ...................................................................................................... 23
5.5.
Don Giovanni-Bass (Bariton) .................................................................................................. 25
6.
Don Giovannis Arien ........................................................................................................................ 29
7.
Nachwort ............................................................................................................................................ 34
8.
Anhang und Orchesterbesetzung .................................................................................................. 35
9.
Literaturverzeichnis .......................................................................................................................... 38
10. Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................................... 41
1. Biographie: W. A. Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 27. Jänner 1756 in Salzburg als zweites
Kind von Leopold und Anna Maria Mozart geboren. Sein Vater war ein erfolgreicher
Komponist, Pianist, Violinist und ein berühmter Geigenlehrer. Schon in seiner frühen
Kindheit zeigten Wolfgang und seine Schwester Maria Anna ein hohes Maß an
musikalischer Begabung. Das brachte ihren Vater dazu, vor allem seinen Sohn intensiv
zu unterrichten. In seinem fünften Lebensjahr begann Wolfgang als geschickter Pianist,
Kompositionen für das Klavier zu schreiben und sie eigenhändig zu spielen.
1.1 Der Weg zur Ruhm
Ein wichtiger Punkt in der Biographie Mozarts ist die Tatsache, dass er als Kind
durch Europa reiste und in verschiedenen Städten auftrat.Sein Ruf als „Wunderkind“
verbreitete sich rasch. Im Jahr 1762 trat er am Wiener Kaiserhof auf und von 1763 bis
1766 begleitete Leopold seine Kinder auf langen Tourneen durch Österreich,
Deutschland, Frankreich und England. Ein Jahr später trat er im Schloss Versailles vor
Louis XV. und der jungen Königin Marie Antoinette auf. Im Jahr 1764 reiste die Familie
nach London , wo Wolfgang den Respekt und die große Begeisterung von Johann
Christian Bach erlangte. Durch diesen inspiriert, komponierte er seine ersten Sinfonien.
In dieser Zeit war Mozart wegen seiner ungewöhnlich hohen Begabung als Pianist das
berühmteste Kind Europas. Zwischen seinem 10. und 17. Lebensjahr verbreitete sich
auch sein Ruf als Komponist in ganz Europa. Die Jahre 1766 bis 1769 verbrachte er
dennoch in Salzburg, wo er Instrumentalstücke und einige Bühnenwerke wie „Die
Schuldigkeit des ersten Gebots“ und
„ Apollo et Hyacinthus“ auf deutsche und
italienische Libretti schrieb. Im Jahr 1768 schuf er seine erste Oper „Bastien und
Bastienne“, ein „deutsches Singspiel“ mit gesprochenen Dialogen. Seine erste Opera
buffa ist „La finta semplice“, die in Salzburg 1768 zum ersten Mal aufgeführt wurde. Da
er trotz seines guten Rufs keine Festanstellung finden konnte, reiste er gemeinsam mit
1
seinem Vater nach Italien, um dort als Opernkomponist zu arbeiten. In Mailand bekam
er
den Auftrag die
Oper „Mitridate“, die 1770 in Mailand uraufgeführt wurde zu
schreiben. In der Zeit, die er dort verbrachte, kehrte er sehr oft nach Salzburg zurück
und in diesem Zeitraum entstanden einige seiner Opera Seria (Opern mit ernster
Thematik) wie „Mitridate“ (1770), weiter
„Ascanio in Alba“ (1771) und „Lucio Silla“
(1772). Außerdem komponierte er sein erstes Streichquartett.
Abb. 1, Wolfgang Amadeus Mozart, gemalt von Barbara Krafft, 1819
1.2 Paris und Wien
Mit den Worten „Von Paris aus geht der Ruhm und Name eines Mannes von
großem Talent durch die ganze Welt“1 riet Leopold Mozart seinem Sohn, dass er
versuchen sollte, sein Glück in dieser Stadt zu finden. Jedoch nach neun schweren
1
Otto Jahn: Wolfgang Amadeus Mozart (Große Komponisten), Jazzybee Verlag, Altenmünster, 2012
2
Monaten (März 1778 bis Jänner 1779) kehrte Mozart erfolglos nach Salzburg zurück.
Neben den negativen Erfahrungen in Paris deprimierte ihn auch der Tod seiner Mutter,
die ihn nach Paris begleitet hatte und dort starb. Während der Zeit, die er dort
verbrachte, schrieb er u.a. Kammermusik, ein Konzert für Flöte und Harfe und die Musik
für das Ballett „Les Petits riens“. Zusätzlich erteilte er Privatunterricht. Von seinem 25.
Lebensjahr bis zu seinem Tod lebte Mozart in Wien. Hier blühte seine Kreativität auf
und im Sommer 1788 schaffte er es, drei berühmte Sinfonien zu komponieren: „No.39
Es-dur“, „No. 40 G-moll“, „No. 41 in C-dur“. Im Jahr 1785 vollendete er sechs
Streichquartette (K. 387, 421, 428, 458, 464, und 465), und 1789 schrieb er seine
letzten Quartette (K. 575, 589, and 590), die dem König Friedrich Wilhelm II (1744 1797) von Preußen gewidmet wurden, der ein anerkannter Cellospieler war. Seine
Entwicklung auf dem Gebiet der Oper war hervorragend. Das erste wichtige deutsche
Singspiel ist „Die Entführung aus dem Serail“ (1782).
Danach folgten seine drei
bekanntesten italienischen Opern „Le nozze di Figaro“ (1786), „Don Giovanni“ (1787)
und „Cosi fan tutte“ (1790). Seine letzte Oper ist die „Die Zauberflöte”. Eines seiner
letzten Werke überhaupt ist das Requiem in D-moll. Krank und erschöpft gelang es
Mozart nicht das Werk zu vollenden und er verstarb am 5. Dezember 1791 in Wien.
Sein Schüler Franz Süssmayer beendete das Werk nach seinem Tod. Mozart
komponierte über 600 Werke auf dem Gebiet der Sinfonie, der Kammermusik, der
Chor- und Vokalmusik, der Oper , der Solo- Konzerte. Ludwig van Beethoven fing an im
Schatten von Mozart zu komponieren, und Josef Haydn erklärte "Er ist das größte
musikalische Genie, das je gelebt hat. Wäre er vor mir in London gewesen, hätte es mir
nichts mehr gebracht, dorthinzu gehen, denn nichts kann gegen Mozarts Kompositionen
bestehen."(Joseph Haydn, österreichischer Komponist, 1732-1809)2
2
http://www.ksta.de/zitate-ueber-mozart-13452874 ( 10.01.2006 )
3
2. Der Librettist – Lorenzo Da Ponte
„Geboren am 10. März 1749 bei Venedig, gestorben am 17. August 1838 in New
York.
Lorenzo Da Ponte kam als Sohn des jüdischen Lederhändlers Geremia Gasparo Da
Ponte Conegliano und dessen Frau Ghella in der norditalienischen Kleinstadt Vittorio
Veneto zur Welt. Nach dem Tod seiner ersten Frau konvertierte sein Vater zum
katholischen Glauben, um sich wieder verheiraten zu können. Er und seine drei Söhne
wurden 1763 katholisch getauft; worauf Emanuele Conegliano den Namen Lorenzo Da
Ponte, nach dem Kloster, in dem die Taufe stattfand, annahm.
Seine Ausbildung erhielt er in einem Priesterseminar, wo er bereits nach einem Jahr
selber unterrichtete und im Jahre 1770 zum Vizedirektor befördert wurde. 1773 wurde
er zum katholischen Priester geweiht. Den Moralvorstellungen und der geistigen Enge
der Kirche entfloh er bald; er verließ Venedig und wurde Professor für Literatur in
Treviso. Wegen revolutionärer Umtriebe verlor er diese Stellung, ging nach Venedig
zurück, wurde dort durch eine seiner zahllosen Liebesaffären in ein Mordkomplott
verwickelt und mußte vor dem Urteil zu 15 Jahren Verbannung fliehen. Zuerst nach
Görz und später, im Jahr 1782, weiter nach Wien.
Durch eine Empfehlung lernte er Antonio Salieri kennen, für den er eine Reihe von
Libretti schrieb, ebenso wie für Guiseppe Gazzaniga, Giovanni Paisiello, Francesco
Bianchi, JosephWeigl und W.A.Mozart, für den er drei Libretti verfasste. Im Jahr 1783
lernte Da Ponte Mozart kennen und trat in die produktivste und erfüllendste
Schaffensperiode seiner literarischen Karriere ein. Mit Mozart schuf er dessen
bekannteste Werke: „Le nozze di Figaro” (1786), „Don Giovanni” (1787) und „Cosi fan
tutte” (1790).
In Wien auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt, wurde er sogar
dem Kaiser vorgestellt, der ihn protegierte. Beim Nachfolger des Kaisers Josef II, Kaiser
Leopold, fiel er in Ungnade. Er zog nach Triest, wo er Nancy Grahl heiratete. Nach
4
einem Zwischenspiel in Holland wurde er 1793 Impresario am King's Theater in London.
Aufgrund undurchsichtiger Finanztransaktionen mußte er London verlassen und folgte
Frau und Kindern 1805 nach Amerika, wo er sich glücklos in verschiedenen Geschäften
versuchte; unter anderem war er Spezereienhändler, Schnapsbrenner und Apotheker.
1811 läßt er sich endgültig in New York nieder. Er schreibt seine Memoiren und tut sich
als Förderer der Oper hervor. Es ist nicht zuletzt sein Verdienst, daß im November 1825
die erste Opernaufführung in New York stattfinden kann, es wird der Rossinis „Barbier
von Sevilla“ gegeben. In seinen letzten Lebensjahren ist es ihm vergönnt, den
künstlerischen Erfolg seiner Werke mitzuerleben, die im neu erbauten Opernhaus von
New York aufgeführt werden. Der wirtschaftliche Erfolg des Opernhauses, an dessen
Finanzierung er beteiligt war, blieb aber aus. Er gab seinen Direktorenposten auf und
betrieb, ebenfalls finanziell erfolglos, einen Buchladen.
Am 17. August 1838 stirbt Lorenzo Da Ponte in seiner New Yorker Wohnung in der
Spring Street 91. Er wird von einer gewaltigen Trauergemeinde zu Grabe getragen; es
sollte ihm ein würdiges Grabmal errichtet werden. Der Plan dazu wurde aber nie in die
Tat umgesetzt, sodaß sein Grab heute unauffindbar ist. Es liegt irgendwo unter der 11.
Street, wo sich früher ein katholischer Friedhof befand.
Über das Leben von Lorenzo Da Ponte schrieb Ferdinand Kürnberger die Novelle im
Jahr 1841: „Der Dichter des Don Juan.“3
Nennenswerte Arbeiten :
1. Il ricco d'un giorno (1784) – Antonio Salieri.
2. Il burbero di buon cuore (1786) – Vicente Martín y Soler.
3. Le nozze di Figaro (1786) – Wolfgang Amadeus Mozart.
4. Una cosa rara (1786) – Vicente Martín y Soler.
5. L'arbore di Diana (1787) – Vicente Martín y Soler.
3
http://gutenberg.spiegel.de/autor/lorenzo-da-ponte-116 ( 06.03.2016 )
5
6. Il dissoluto punito o sia Il Don Giovanni (1787) – Wolfgang Amadeus Mozart
7. Così fan tutte (1789 fertig geschrieben/90 Urraufführung) – Wolfgang Amadeus
Mozart. 4
Abb2. Lorenzo Da Ponte
2.1 Aus den Memoiren von Lorenzo Da Ponte
„Maestri Martin y Soler, Mozart und Salieri kamen alle drei gleichzeitig um mich um
ein Drama zu bitten. Ich mochte und respektierte alle drei von Ihnen und fragte mich ob
es nicht möglich wäre für alle drei gleichzeitig eine Oper zu schreiben. Salieri hatte
bereits eine Musik für die Oper „Tarare” in Paris geschrieben und wollte nun diese
neugestaltet, aber fragte mich nur für eine Übersetzung. Mozart und Martin ließen mir
die Freiheit zu entscheiden. Für Mozart wählte ich Don Giovanni, welches Thema ihn
sehr freute und für Martin wählte ich L’arbore di Diana, weil ich für ihn ein heikleres
Thema für die süße seiner Melodien wollte. Als ich die drei Themen gefunden hatte,
ging ich zum Herrscher und erzählte ihm von meinen Ideen und informierte ihn über
meine Absicht diese drei Opern gleichzeitig zu schreiben. Er entgegnete mir „Das
schaffst du niemals!“, „vieleicht nicht“ , antwortete ich, „aber , ich probiere es. In der
Nacht werde ich für Mozart, in der Früh für Martin und am Abend für Salieri schreiben.”
So bald ich zu Hause war, begann ich zu schreiben. Ich ging zu meinem Tisch und blieb
da zwölf Stunden am Stück. Eine kleine Flasche Tokay zu meiner Rechten, ein
4
https://en.wikipedia.org/wiki/Lorenzo_Da_Ponte ( 27.03.2016 )
6
Tuschefass in der Mitte und eine pechen Seville Tabak zu meiner Linken. In der
Zwischenzeit, am ersten Tag, zwischen dem Tokay, dem Seville Tabak und dem
Kaffee, schrieb ich die ersten zwei Szenen von Don Giovanni. Nach 63 Tage waren die
ersten beiden Opern fertig, sowie zwei drittel der letzten. Nach nur eine Aufführung von
„L’arbore di Diana”, musste ich nach Prag, wo die erste Aufführung von Mozarts „Don
Giovanni“ zur Ankunft der Prinzessin der Toskana gespielt wurde. Dort blieb ich nur
eine Woche, um die Sänger an zuleiten, die es spielten, doch bevor er aufgeführt wurde
musste ich zurück nach Wien, weil ein dringender Brief von Salieri, in dem er mir
mitteilte, dass sein Stück für Kaiser Franzes Hochzeit aufgeführt werden sollte und das
der Kaiser ihm befohlen hatte mich zurück zu beordern. Deswegen , sah ich nicht die
Aufführung von Don Giovanni in Prag, jedoch informierte mich Mozart sofort, dass es
wunderbar akzeptiert wurde und Guardasoni schrieb mir folgendes: Lang lebe Da
Ponte! Lang lebe Mozart! Alle Darsteller sollen sie loben! Nach diesen befahl der Kaiser
mich zu sich und erzählte mir, dass er Don Giovanni sehen wollte. Mozart kehrte zurück
und gab die Kopie dem Kopierer, der sich beeilte die Teile zu kopieren. Es wurde
produziert---und muss ich es sagen? DON GIOVANNI ERFREUTE NICHT. Jeder außer
Mozart war sich sicher, dass das eine oder andere fehlte. So wurden ein paar Dinge
hinzugefügt, ein paar Arien wurde geändert und es wurde noch einmal auf der Bühne
aufgeführt – und Don Giovanni erfreute nicht. Und was hatte der Kaiser dazu so zu
sagen? `Diese Oper ist teilig: sie ist vielleicht sogar schöner als Figaro, aber es ist kein
Fleisch für die Zähne meiner Wiener`, und Mozart antwortete `Lassen wir ihnen Zeit um
daran zu kauer`, und er hatte recht. Bei jeder Aufführung wurde der Applaus mehr und
die Wiener mit ihren schlechten Zähnen konnten es genießen, seine Schönheit
schätzen und hielten Don Giovanni für eine der schönsten Opern für jedes Theater.“5
5
Julian Rushton: W.A.Mozart Don Giovanni, Cambridge Opera Handbooks, Cambridge 1981, Seite 122f.
7
3. Don Giovanni oder Il Dissoluto punito
3.1 Der Anfang
„`Denn hier wird nichts gesprochen als vom Figaro; nichts gespielt, geblasen, gesungen
und gepfiffen als Figaro; keine Opera besucht als Figaro und ewig Figaro; gewiss
große Ehre für mich.` (Mozart am 15. Jänner 1787 aus Prag an Gottfried von Jacquin in
Wien.) Unter dem Eindruck des überwältigenden Prager Erfolges von Le Nozze di
Figaro – Мozart besuchte eine Aufführung am 17. Januar und dirigierte jene am 22.
Jänner 1787 – und des persönlichen Triumphs, den der Komponist während seines
ersten Prager Aufenthaltes Anfang 1787 feiern konnte, verließ das Ehepaar Mozart die
Stadt am 7. Februar, aber nicht ohne den Vertrag zu einer neuen Oper für die nächste
Prager Saison: Dieser Vertrag mit Pasquale Biondini, dem Prinzipal des Gräflich
Nostitzschen Nationaltheaters, führte zur Komposition seiner ersten Prager Oper, Don
Giovanni KV 527, jenem Werk in Mozarts reichem und vielfältigem dramatischen
Schaffen, das seit seiner Uraufführung am 29. Oktober 1787 die Gemüter immer wieder
von neuem bewegte. Diese Oper hatte stets eine Sonderstellung eingenommen, was
auch aus ihrer Rezeptionsgeschichte abzulesen ist. Der deutsche Musiker und Dichter
E.T.A. Hoffmann bezeichnete das Werk bereits 1813 als die `Oper aller Opern` .“6
Ganz ohne Zweifel verdankt das „Dramma giocoso” vom „bestraften Wüstling”
seine Aura, seine singuläre Größe auch den Gegebenheiten, die Mozart in Prag
angetroffen hat: Das Nationaltheater mit seiner tiefen Bühne und seiner exzellenten
Theatermaschinerie hatte zur Einmaligkeit der Partitur sicher ebenso sehr beigetragen
wie die Aufgeschlossenheit des Prager Publikums gegenüber dem Wiener Gast, der im
Jänner und im Herbst 1787 in der Stadt an der Moldau die glücklichste und
erfolgreichste Zeit seiner späten Jahre erlebte.
6
Vorwort der Partitur von Mozarts „Don Giovanni“ , Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel
2005 , Seite 6.
8
„Nachdem er um den 12. Februar 1787 nach Wien zurückgekehrt war, wandte
sich Mozart wegen des Opernauftrages an seinen Figaro-Librettisten, den Venezianer
und in Wien damals als Hoftheater-Dichter tätigen Lorenzo da Ponte, um von ihm ein
Libretto zu erbitten, dessen Sujet der Prager Impresario Biondini vorgeschlagen hatte.
Dies sollte die 34. Gestaltung des Dramas um Don Giovanni werden, dessen erste
Bearbeitung zwischen (1616-1630) Tirso de Molina vorgenommen hatte. In der
Korrespondenz Mozarts, die in dieser Zeit spärlicher wurde, fand die Arbeit am „Don
Giovanni” keine Erwähnung, und auch sonst fehlen jegliche Nachrichten über den
Entstehungsprozess der Oper, die sich jedoch ziemlich eindeutig aus den von Mozart
für die Niederschrift benutzen Notenpapieren nachvollziehen lässt“7.
3.2 Die Premiere
Wohl spätestens im August 1787 dürfte der Termin (14. Oktober) für die Prager
Uraufführung des „Don Giovanni“ festgelegt worden sein. Die Partitur wies ( ebenso wie
das erste in Wien gedruckte, aus unbekannten Gründen unvollständige Libretto) noch
verschiedene Lücken auf, als Mozart am 1. Oktober zusammen mit seiner Frau
Konstanze seine zweite Reise nach Prag antrat, wo das Ehepaar drei Tage später
eintraf. Dort komponierte Mozart die Ouvertüre, die er unmittelbar vor der Premiere zu
Papier brachte.
Offensichtlich hatte Mozart die Gegebenheiten in Prag, vor allem auch den Eifer und
das Können der Sänger sehr optimistisch eingeschätzt, als er davon ausging, in nicht
mehr als zehn Tagen die Oper „Don Giovanni“ aufführungsreif einstudieren zu können.
7
Vorwort der Partitur von Mozarts „Don Giovanni“ , Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel
2005, Seite 6.
9
Abb. 3, Plakat zur Premiere in Wien
Am 14. Oktober, dem Tag der geplanten Premiere, fand eine Wiederholung des
„Figaro“ unter Mozаrts Leitung statt. Am 29. Oktober 1787, nach mehrmaliger
Verschiebung – Da Ponte musste sich auf Befehl des Kaisers schon vorher auf den
Weg nach Wien machen – ging die Uraufführung von „Don Giovanni”, so der Titel in
Mozarts eigenhändigem Werkverzeichnis ( das Werk hat er am 28. Oktober als „Opera
Buffa” eingetragen) und auch in den Libretti-Drucken, über die Bühne des
Ständetheaters in Prag. Dabei war auch Giacomo Casanova anwesend, der wenige
Tage zuvor in der Goldenen Stadt eingetroffen war.
3.3 Die Geschichte zu Don Giovanni 8
„The Don Giovanni or Don Juan story was not invented by Da Ponte: it had been made
use of by dramatists for more than a century and a half before Mozart’s librettist came to
8
Charles Osborne: The complete operas of Mozart, Cassel Group Wellington House, London 1978, Seite 259-260
10
it. The old legend of the compulsive seducer who is finally dragged down to hell seems
to have first made its way into dramatic literature with El burlador de Seville, a comedy
by the Spanish monk Gabriel Tellez ( 1571-1648 ) who wrote plays under the name
Tirso de Molina. El burlador de Seville, which had already become popular on the stage
by the time of its first publication in Barcelona in 1630, served as a basis for other Don
Juan plays, by Moliere ( Don Juan, ou Le Festin de Pierre, 1665 ), Thomas Shadwell (
The Libertine, 1676 ) and Carlo Goldoni ( Don Giovanni Tenorio, o sia Il Dissoluto ,
1736 ) as well as by several lesserknown Italian, French and German playrights. From
the spoken theatre, the story has found its way into ballet and opera. Mozart knew
Gluck’s ballet, Don Juan, based on Moliere and first staged at the Kärntnertor Theater in
Vienna, in 1761, and Da Ponte knew the one-act opera , Don Giovanni o sia Il convitato
di pietra by Giuseppe Gazzaniga, performed in Venice on 5th February, 1787, for he
drew upon its libretto by Giovanni Bertrati in writing his own libretto for Mozart. The
legend continued to be used in art and literature: Byron’s unfinished Don Juan ( 18191824 ), written in order to `strip the tinsel off sentiment`, is one of the greatest poems in
the English language.
Even more so that with his other two operas composed to libretti by Da Ponte,
Mozart is primarily responsible for the stature of the completed work. Da Ponte’s Le
nozze di Figaro and Cosi fan tutte are amusing and well planned, but it has to be
admitted that his Don Giovanni is more primitively structured, and less successful in
bringing the characters to life on the page. This latter failing is obscured , fortunately ,
by Mozart’s music which most emphatically does give life to Da Ponte;s cardboard
creations, even to the impossibly colourless Don Ottavio. It may be that Da Ponte would
have done better to cast himself adrift from the Gazzaniga libretto more boldly , for in
the process of expanding a one-act libretto into one with two acts, he seems merely to
have duplicated in his Act 2 the sequence of events, or at least of feelings, in Act 1.
Read in the study, Da Ponte’s Don Giovanni is revealed to be full of padding. However,
since some of the padding inspired Mozart to his greatest heights, one can hardly
complain! “
11
3.4 Das Prager Theater
„Als die Oper zum ersten Mal in Prag aufgeführt wurde, trug das Theater den
Namen Stavovska Divadlo, was übersetzt Ständetheater bedeutete. 1798 kauften die
Böhmischen Stände (das Parlament der Landbesitzer) das Haus und benannten es in
Královské Stavovské Divadlo (‚Königliches Ständetheater‘) um. Zwischen 1813 und
1816 war Carl Maria von Weber Operndirektor des Ständetheaters.
Im Jahr 1862
wurde der Name in Königlich Deutsches Stadttheater geändert, weil das Ensemble aus
Deutschland kam. Im Jahr 1862 , waren der österreichische Theaterdirektor und Tenor
Johann August Stöger und der Schauspieler und der ebenfalls aus Österreich
kommende Theaterdirektor Franz Thome, Direktoren dieses Hauses. 1948 wurde es
nach dem tschechischen Dramatiker Josef Kajetan Tyl Tylovo divadlo oder Tyl Theater
benannt, bis es ab dem Jahr 1990 wieder den originalen Namen führen konnte“ 9.
„Der Erfolg des Don Giovanni muss nach den zeitgenössischen Dokumenten zu
urteilen, außerordentlich gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist ein Brief Mozarts
vom 4. November zu zitieren: `den 29. Oktober ging meine Oper Don Giovanni in
Scena, und zwar mit lautesten beyfall` , und weiter ist zu lesen: `vielleicht wird Sie doch
in Wien aufgeführt? – ich wünsche es`. Das Ehepaar verließ Prag nach dem größten
Opernerfolg, der dem Komponisten jemals zuteil geworden war, um den 13. November
und traf vermutlich am 16. November 1787 wieder in Wien ein“10.
9
https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4ndetheater , ( 24.02.2016 )
10
Vorwort der Partitur von Mozarts „Don Giovanni“ , Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel
2005, Seite 7
12
Abb. 4, Ständetheater Prague
4. Don Giovanni in Wiener Aufführungen zwischen 1940 bis
197211
Don Giovanni zwischen 1940 und 1944 in Wien
Die Doppelpremiere am 5. Und 6. Oktober 1940 unter der musikalischen Leitung
von Hans Knappertsbusch und Rudolf Moralt löste die Inszenierung von Gustav Mahler
und Alfred Roller ab.
Die Partien waren, mit Ausnahme von Anton Dermota als Don Ottavio, alle doppelt
besetzt: Paul Schöffler und Alfred Jerger als Don Giovanni, Helena Braun und Anny
Konetzni als Donna Anna, Esther Rethy und Else Schulz als Donna Elvira. Der
Leporello wurde von Fritz Krenn und Adolf Vogel, der Commendatore von Herbert Alsen
11
Wege zu Mozarts Don Giovanni, herausgegeben von Herbert von Karajan-Stiftung, Hölder-Pichler-Tempsky,
Wien 1987, Seite 120-124
13
und Marian Rus gesungen. Die Zerlina teilten sich Elisabeth Rutgers und Dora
Komarek, den Masetto Franz Normann und Karl Ettl.
Der Don Giovanni in Theater an der Wien, 1946 bis 1956
Unter der Leitung von Josef Krips fand am 13. Oktober 1946 die Premiere des
Don Giovanni im Theater an der Wien statt, die von Oscar Fritz Schuh betreut wurde
und zu der Robert Kautsky Bühnenbilder und Kostüme entwarf. Diese Produktion wurde
bei zahlreichen Gastspielen im In-und Ausland gezeigt.
Die Premierenbesetzung lautete: Paul Schöffler als Don Giovanni, Ludwig Weber als
Commendatore , Ljuba Welitsch als Donna Anna, Anton Dermota sang den Don
Ottavio, Hilde Konetzni die Donna Elvira und Erich Kunz den Leporello, Zerlina und
Masetto waren Irmgard Seefried und Alfred Poell.
Don Giovanni 1955 bis 1963 in der Wiener Staatsoper
Als zweite Premiere zur feierlichen Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper
stand am 6. November 1955 der Don Giovanni unter der musikalischen Leitung von
Karl Böhm in einer Inszenierung von Oscar Fritz Schuh und Josef Witt auf dem
Programm, Bühnenbild und Kostüme stammten von Caspar Neher.
Die Sänger dieser Premiere waren George London als Don Giovanni, Lisa Della Casa
als Donna Anna, Anton Dermota als Don Ottavio, Sena Jurinac als Donna Elvira, Erich
Kunz als Leporello, Irmgard Seefried als Zerlina , Walter Berry als Masetto und Ludwig
Webber als Commendatore.“
Don Giovanni von 1967 bis 1972 an der Wiener Staatsoper
Die 1963 von Salzburg nach Wien übersiedelte Don Giovanni-Inszenierung von
Oscar Fritz Schuh und Teo Otto wurde 1967 durch die Produktion von Otto Schenk
abgelöst, zu der Luciano Damiani Bühnenbild und Kostüme entwarf und die unter der
musikalischen Leitung von Josef Krips stand.
Die Premierenbesetzung lautete: Cesare Siepi als Don Giovanni, Gundula Janowitz als
Donna Anna, Peter Schreier als Don Ottavio, Sena Jurinac als Donna Elvira. Leporello
14
war Erich Kunz, Zerlina Graziella Sciutti, Masetto Heinz Holecek, der Commendatore
Franz Crass.
Don Giovanni seit 1972 an der Wiener Staatsoper
Josef Krips dirigierte die Produktion von 1972, die Franco Zeffirelli als Regisseur,
Bühnen und Kostumbildner betreute und die derzeit im Repertoire der Wiener
Staatsoper steht.
Das Sängerensemble bestand aus Theo Adam als Don Giovanni, Judith Beckmann als
Donna Anna, Peter Schreier als Don Ottavio, Teresa Zylis-Gara als Donna Elvira. Den
Leporello sang Ezio Flagello, die Zerlina Edith Mathis , den Masetto Heinz Holecek und
den Commendatore Karl Ridderbusch.
5.
Die männlichen Charaktere in „Don Giovanni“
5.1. Masetto-Bass (Bariton)
Stimmumfang - großes G-E’
Ein Charakter aus der niederen Klasse , der sich mit Personen der höheren
Klasse streitet und versucht das Böse, repräsentiert durch die Person Don Giovannis,
zu bekämpfen. Man kann davon ausgehen, dass er ein jungendlicher Charakter ist und
sich in einem ähnlichen Alter wie Don Giovanni befindet, da ihn Zerlina doch attraktiv
findet, die auch jung ist. Dazu spielt die erste Szene, in der Masetto zusammen mit
Zerlina erscheint, am Tag ihrer Hochzeit, der mit Freude und Glück erfüllt ist. In vielen
Inszenierungen wird Masetto als leicht dümmlich und naiv dargestellt. Dies ist
vermutlich den ersten Takten seines Rezitativs mit Don Giovanni, welches auf das
Duettino mit Zerlina folgt, geschuldet. Nachdem er Zeuge von Don Giovannis
Schmeicheleien Zerlina gegenüber wird, entzündet sich in ihm der Mut, eben diesem
15
Parole zu bieten, trotz dessen höheren Status. Zur Zeit der Erstaufführung gegen Ende
des 18. Jahrhunderts kann in dem einfachen Bauern, der sich gegen einen Edelmann in
aller Öffentlichkeit auflehnt, eine Inspiration für die unteren Schichten gesehen werden.
Seine Wut wie auch seine Hörigkeit, die er mit einem guten Maß an Ironie zum Besten
gibt, und seine tiefe Enttäuschung über Zerlina, kommt in der Arie Nr. 6 „Ho capito,
signor si” – „Hab verstanden, ja, mein Herr“ – zum Ausdruck. Trotz des Betruges seiner
Auserwählten lassen weder seine Liebe noch sein Vertrauen, dass am Ende alles gut
wird, nach.
„Solange Masetto sich noch halbwegs im vollen Besitz seiner Kräfte befindet,
gibt dieser Unterdrückte, der weder Revolutionär noch feiger Tölpel ist, seinen
Anspruch und seine Wut nicht auf. Er ist kein Schwächling, er entwindet sich durchaus
dem Leporello. Nur dem Locken seiner Braut und den Tricks Don Giovannis ist er nicht
gewachsen. Immerhin darf er als einziger in der Stretta des ersten Finales bei „Trema“ „Zittere” die entscheidende tiefe Baßlinie singen. Von seiner Grundgewalt hängt der
Racheglanz des Ensembles ab. Er ist eben kein Tropf und kein Held, sondern eine
Charakterrolle“12.
„Masetto liebt Zerlina. Er ist ein stolzer Bräutigam. Insofern repräsentiert Masetto
neben Giovanni und Ottavio eine dritte Form der Leidenschaft. Es ist eine Liebe, die
sich im alltäglichen Leben bewähren muss. Eine Über – lebensgemeinschaft. Der Beruf
des Bauern ist hier keine romantische Metapher für einfaches Gemüt und naturnahes
Leben, sondern Hinweis darauf, dass nach der Hochzeit nicht viel Zeit für zärtliche
Liebe bleiben wird. Don Giovanni ruiniert nicht nur das Fest, sondern bedroht seine
ganze Lebensgrundlage“.13
Für die Wiener Fassung wurde diese Rolle nicht verändert. In der Uraufführung
der Oper in Prag wurde Masetto wie auch die Rolle des Il Commendatore vom BassSänger Giuseppe Lolli gesungen und in Wien wurden die beiden Rollen von Francesco
Bussani gesungen. Es liegen keine Beweise vor, ob dies von Mozart so erdacht wurde.
12
Joachim Kaiser: „Mein Name ist Sarastro“, München 1984, Seite 183
13
Clemens Prokop: Mozart, Don Giovanni , Bärenreiter – Verlag Karl Vötterle Gmbh & Co. KG Kassel 2012,
Seite
16
Diese Rollendoppelung ist auch heute noch vorzufinden. Es ist allerdings sehr schwer,
zwei wirklich unterschiedliche Farben für diese beiden Rollen zu finden, auch wenn die
Körperlichkeit des Sängers für beide in Frage kommen könnte. Masetto wird heutzutage
zunehmend von jungen Bass- oder Baritonsängern interpretiert, für die diese kleine,
aber reizvolle Rolle genau richtig ist, um Erfahrungen im frühen Karrierestadium zu
sammeln. Der Charakter des Masetto gehört zusammen mit die Rolle der Zerlina zur
Gattung der Opera Buffa. Ihre Rezitative sind typische Buffo-Rezitative und verbreiten
Humor und Sympathie. Aber auch die Melodien ihrer Arien und das Libretto zeigen den
typischen Buffostil. Einige der
bekanntesten Darsteller dieser Rolle sind: Alessio
Arduini, Luca Pisaroni, John Relyea und Ildebrando D’Arcangelo.
5.2. Il Commendatore - Der Komtur-Bass
Stimmumfang - großes D-E’
Der Commendatore will seine Tochter Anna gegen einen maskierten Eindringling
beschützen. Er erzwingt einen Zweikampf, in welchem er selber fällt, doch kehrt er in
Gestalt einer
Marmorstatue als Bote aus dem Jenseits auf die Erde zurück. Sein
Erscheinen bewirkt zwar keine Sinnesänderung bei Don Giovanni, wohl aber dessen
Höllenfahrt. „ Zu Beginn, solange er lebt, ist der Komtur ein alter, vom Verführer kaum
ernst genommener Vater, der gemäß der Konvention die Ehre seiner Tochter schützen
will. Musikalisch äußert er sich in Dreiklangswendungen: markiges Moll, nichts
Außergewöhnliches oder Chromatisches. Sogar als Sterbender im Todesterzett mit Don
Giovanni und Leporello gibt der Komtur die neutralsten Töne von sich. Leporello
veranlasst die Angst zu charakteristischem, erregten, plappernden Singen, und Don
17
Giovanni machen die Zeugenschaft sowie das Bewusstsein, diesen Tod verursacht zu
haben, wenigstens für einen Theateraugenblick betroffen und ausdrucksvoll.“ 14
Neben allen sozusagen fast komischen Szenen in dieser Oper sind die dunkelsten
Momente, die beeindruckende Musik, mit der die Ouvertüre dieser Oper eröffnet, mit
diesem Charakter verbunden. Er ist die Person, die Don Giovanni zu dem dunklen Ort
führen wird, an den er gehört. Dieser Charakter hat keine Arie um sich auszusprechen,
sondern ist einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort in dieser Oper eingesetzt. Das
Bild, das der Zuschauer bekommt, kann man auf verschiedene Weise deuten. „Die
Rolle des Komtur ist, dieses Fazit könnte man ziehen, anfangs weniger die eines
Menschen, sondern eher eine Funktion: er steht als Edelmann, als hilflos-tapferer
Beschützer auf der Bühne. Der Zuschauer bekommt keinen Blick in sein Inneres. Am
Ende jedoch ist der Komtur durchaus mehr als nur das: Er ist eine Geistererscheinung
in himmlisch-höllischem Licht. Wer daraus aber den Schluss zieht, in dieser Figur
mischten sich allzu sehr Moralität und Märchen, sieht die Sache zu differenziert. Man
müsste Wahrscheinlichkeits-oder
psychologische
Analysen
anstellen,
um
eine
angemessene Stimmigkeit zu erzielen: Wer so denkt, ist für diese Oper entweder viel zu
klug oder ein wenig zu dumm. Ihm fehlt das Gespür dafür, dass Mozarts Musik einen
moralisch-metaphysischen Vorgang radikal ernst nimmt und beglaubigt“15.
Einer der interessantesten Aspekte dieser Oper sind die Posaunen, die das Publikum
schockieren, wenn sie in der Szene mit Giovanni und Leporello auf dem Friedhof und
im zweiten Finale den Komtur begleiten. Bis 1787
benutzte Mozart Posaunen in
verschiedenen spirituellen Kompositionen und z.B. in seiner Oper
„Idomeneo“. In
„Don Govanni“ tat Mozart dies mit Absicht, damit beim Erscheinen des Komturs ein
weiterer Schock durch das Publikum geht, ein Erscheinen, das niemand erwarten
konnte.
14
Joachim Kaiser : „Mein Name ist Sarastro“, München 1984 , Seite 161.
15
Joachim Kaiser: „Mein Name ist Sarastro“, München 1984 , Seite 163
18
„Ein Posaunist meuterte – in der Kirchhofszene sollte der Komtur ursprünglich nur von
Posaunen begleitet werden; der eine Bläser aber traf seinen Part nicht und erklärte, wie
in solchen Fällen üblich, man könne das nicht spielen. Mozart sagte ihm, er denke nicht
daran, ihn etwa sein Instrument lehren zu wollen, und setzte sofort zu den Posaunen
noch Holzbläser dazu. Proben- Improvisation ist vermutlich die Musik beim Gastmahl
mit ihren Anspielungen auf beliebte Mode-Opern, darunter auch den Figaro.“16
Nach der musikwissenschaftlichen Klassifikation gehört die Rolle des Commendatore
zur Gattung der Opera Seria, genauso wie die Rolle seiner Tochter, die nach seinem
Tod ihren Seelenfrieden nicht wiederfinden kann. Erst nach der letzten Szene, nach
dem Tod Don Giovannis, ist ihr dies möglich. In dieser Szene, in der Donna Anna
wieder auftritt, kann man aus den Vibrationen der Musik, die man von Donna Anna
empfängt, das Verschwinden ihrer Rastlosigkeit spüren. Die meisten Auftritte hat der
Komtur während
der Szene seines Todes sowie am Ende der Oper. Wie schon
erwähnt, wurde dieser Charakter vom gleichen Sänger, der den Masetto spielt,
dargestellt. Heute ist das nicht mehr üblich, aber es wurde in einer Produktion des
Theaters an der Wien 2014 unter der Leitung von Nicolas Harnoncourt so aufgeführt. 17
Deswegen singen immer mehr Sänger mit durchdringendem Bass die Rolle des Il
Commendatore. Zu den besten Darstellern dieser Rolle gehören: Matti Salminen, Kurt
Moll, Martti Talvela und Alastair Miles.
16
Paul Stefan: Don Giovanni. Die Opernlegende von Don Juan, dem Versucher und Sucher, Herbert Reichner
Verlag, Wien-Leipzig-Zürich 1938, Seite 21
17
Die Besetzungsliste, Don Giovanni unter der Leitung von Nicolas Harnoncourt 2014
URL: http://www.theater-wien.at/index.php/de/spielplan/production/123468 ( 17.03.2014 )
19
Abb. 5 Anna Chromy - Il Commendatore, Prag
5.3. Don Ottavio – Tenor
Stimmungfang – kleines D-A’
„Don Ottavio ist der Verlobte Donna Annas. Er liebt sie innig und versucht immer
wieder die verstörte Freundin zu beruhigen. Es scheint, dass Mozarts Musik ihn ein
wenig anders behandelt (und wirken lässt) als es die dramatische Konstellation
verlangen würde. `Leidenschaft`, hat Arnold Schönberg 1914 an Hermann Scherchen
geschrieben, `Leidenschaft, das können alle!` 18
„Leidenschaft“ ist das Wort, mit dem man Don Ottavio am besten charakterisieren kann.
Er ist eine aufrichtige, ehrliche, edle Person, der für seine Geliebte zu jedem Opfer
bereit ist. Sicher hat diese Rolle zwei der schönsten Melodien, die Mozart je für einen
18
Joachim Kaiser: „Mein Name ist Sarastro“, München 1984. Seite 196
20
Tenor geschrieben hat: „Dalla sua pace“ im ersten Akt und „Il mio tesoro intanto” im
zweiten Akt.
Don Ottavio kann als Opera-Seria-Charakter klassifiziert werden. Das
Alter von Don Ottavio ist wesentlich für die Verhaltensweise dieses Charakters, wenn
man seine Handlungen und ihre Effektivität in Betracht zieht. Aus der historischen
Perspektive gesehen, ist er zwar jünger als der Vater von Donna Anna, aber gerade in
den Handlungen, die er unternimmt, merkt man den Kontrast zwischen ihm und dem
jüngeren energischeren Don Giovanni. Giovanni ist jung, energisch, stark, während
Ottavio nicht mehr der Mann ist, der er früher war. Seine Handlungen sind vorsichtiger eine Eigenschaft, die gewöhnlich erst mit dem reiferen Alter kommt. Er ist Don Giovanni
körperlich nicht gewachsen, dadurch kann er ihn ohne festen Beweis (den er allerdings
am Ende des ersten Finales bekommt) nicht mit seinen Frevel konfrontieren. Der Tenor
Antonio Baglioni war der erste, der Don Ottavio bei der Uraufführung in Prag spielte. In
Wien schlüpfte Francesco Morella in diese Rolle. In Prag hat die Version nur eine Arie
im zweiten Akt, „Il mio tesoro intanto“ in B-Dur mit dem Tempo Andante grazioso, die
mit Legatolinien erfüllt ist. Für die Aufführung in Wien fügt Mozart noch eine Arie hinzu:
„Dalla
sua
pace“
in
G-Dur
mit dem
Tempo
Andantino
sostenuto.
Es
ist
selbstverständlich, dass über die Zeit die Perspektiven wechseln, aus der Don Ottavio
seine beiden Arien präsentiert. In „Dalla sua pace“ muss eine gewisse Melancholie
liegen, in der er sich nichts Anderes wünscht als das Glück von Donna Anna, da sein
Glück mit ihrem verbunden ist. Es ist ihm klar, dass er viel mehr sein will als nur ihr
Verlobter. So etwa die Aussage, dass er auch die Rolle des Vaters annehmen will. Das
zeigt die dritte Szene, in der er singt: „Lascia, cara, la rimembranza amara: hai sposo e
padre in me”. Während ihres Duetts, gleich nach dem Tod des Komturs, ist sein erster
Gedanke nicht, Donna Anna zu rächen, sondern ihr sein Beileid zu bezeugen. Er
beteuert ihr, dass er immer für sie da sein werde. In der zweiten Arie wird von Ottavio
der Entschluss zur Rache gezeigt. Alle bösen Taten von Giovanni kommen ans Licht,
also darf Ottavio nicht mehr vorsichtig sein und zweifeln. Es ist die höchste Zeit für ihn,
dass er aufwacht und sich die schon lang fällige Gerechtigkeit über Don Giovanni
verschafft. Genau dies zeigt uns Mozart in der Phrase, wenn Ottavio singt „vendicar io
vado”. Diese stellt ein dramatisches Aufwachen dar. Sie kulminiert im langen
21
eingestrichenen F und wird eine Oktave tiefer abgeschlossen, damit es noch
dramatischer endet. Es ist der Augenblick, in dem Ottavio alle vernünftigen Zweifel
beiseitelegt, was in dieser Arie zum Ausdruck kommt, indem die Veränderung seines
Charakters musikalisch reflektiert wird. Sein Sinn für Entschlossenheit verändert sein
Verhalten gegenüber Donna Anna von beschützend und mitleidend in hart und
entschlossen, die Verantwortung zu übernehmen. Denn dies stellt die einzige
Möglichkeit dar, endgültig Gerechtigkeit zu schaffen. Im Finale des ersten Aktes
während des Festes von Don Giovanni überkommt ihn das gleiche Gefühl, doch er hat
in keiner dieser Szenen die Gelegenheit, sein Ziel so dramatisch und offen
auszusprechen. Dieses besteht letztendlich darin, dass die verantwortlichen Menschen
herbeigerufen werden, damit Don Giovanni dorthin gebracht wird, wo er hingehört. In
Fällen, wo ein Reggisseur sich wünscht, dass Ottavio ein jüngerer Charakter als
Giovanni ist, sollte Ottavio inferior sein in Bezug auf körperliche Kraft, den Status oder
die Tatsache, dass er keinen Vorteil in der Gesellschaft hat. Alles in allem ist Ottavio ein
nobler Charakter, er ist nicht das Ideal eines Helden, sondern er sucht nach einer
Möglichkeit, auf sicherem Weg das Böse zu bekämpfen. Er zweifelt nicht, wenn er
etwas tun soll, woran er glaubt. Diesen Charakter als schwach darzustellen, wäre ein
großer Fehler gegenüber seiner Natur. Sein natürlicher Impuls ist zu beschützen und
das ist das Einzige, was er überwinden muss, damit er das Herz von Donna Anna, die
in dem Libretto ihm gegenüber keine Liebeszuneigung und Liebesleidenschaft zeigt, für
immer gewinnen kann Sie sieht in ihm nur einen guten Freund, den sie bei sich haben
will. Einige von den bekanntesten Darstellern dieser Rolle sind: Jerry Hadley, Franzisco
Araiza, Ramon Vargas und Rolando Vilazon.
22
5.4. Leporello – Bass (Bariton)
Stimmungfang – großes F-E’
Leporello ist der Diener Don Giovannis. Er möchte immerfort den Dienst
quittieren, bei dem er viel durchmacht, obwohl er sich manchmal auch gut amüsiert.
„Einigermaßen wehrlos, reagiert dieser ordinäre und gerissene Kerl nur auf zwei
Argumente: nackte Gewalt und Geld. Wenn sein Herr ihn mit Wut oder Waffe zu
schlimmen Handlungen oder zum Stillschweigen nötigt, gibt Leporello nach. Und wenn
Don Giovanni die Börse öffnet, bleibt er bei der Stange “19.
Vielleicht ist er der sympathischste Charakter in dieser Oper und manchmal der Liebling
des Publikums. Das liegt daran, dass seine Handlungen nicht freiwillig, sondern durch
seine Dienerschaft erfolgen. Gleichzeitig hegt er aber auch den Wunsch, wie Don
Giovanni zu sein. Nicht nur, dass er Geld von seinem Herrn bekommt, sondern
Leporello wird gleich wie er, er lügt. Sein Herr ist auf eine bestimmte Weise sein Idol.
Leporello möchte auch Mädchen haben, er will auch Macht und möchte den Status
seines Herrn genießen. Das kann man schon am Anfang seiner kleinen Arie bemerken,
die direkt nach der Ouvertüre gesungen wird und lautet „Notte e giorno faticar“ –Tag
und Nacht sich abzumühn, in welcher später die Kulmination in der Phrase „voglio far il
gentiluomo“ – „Ich will auch den Herren spielen“ (in diesem Fall ein Adliger) folgt. Seine
Naivität und seine geringe Intelligenz bemerkt man gleich im Rezitativ nach dem Tod
von Il Commendatore, wie folgende Stelle veranschaulicht:
Original:
Don Giovanni: Leporello, ove sei?
Leporello: Son qui, per mia disgrazia,e voi?
D.G. : Son qui.
L : Chi e morto, voi , o il vecchio?
D.G.: Che domanda da bestia! Il vecchio.
19
Joachim Kaiser: „ Mein Name ist Sarastro“ , München 1984 , Seite 170
23
Übersetzung:
D.G. : Leporello, wo bist du ?
L : Bin hier zu meinem Unglück, und Ihr , Herr?
D.G. : Bin hier.
L : Seid Ihr tot? Ist‘s der Alte?
D.G. : Welche Frage, du Esel! der Alte.
Aus diesem Rezitativ kann man schon am Anfang da Pontes Idee für diesen Charakter
erkennen und wie er ihn darstellen wollte. Seine Rezitative sind gewöhnliche BuffoRezitative und der Charakter entspricht einer typischen Buffo-Rolle. Während der
ganzen Oper bleibt er im Charakter gleich und nutzt die gleiche Stimmfarbe, außer im
zweiten Akt, wenn er sich in Don Giovanni verwandelt und versucht, Donna Elvira zu
verführen. In diesem Moment kann man sehen, dass er selbst unsicher ist, wenn es um
die Verführung einer weiblichen Person geht. Er hat eine etwas tiefere Stimme als sein
Herr. Viele Baritone stellen diese Rolle dar, obwohl sie ursprünglich für Bass
geschrieben wurde. Der erste Leporello in Prag war Felice Ponziani, und in Wien war es
der viel bekanntere Francesco Benucci, der den ersten Figaro in „Le nozze di Figaro”
und später den ersten Gugliemo in „Cosi fan tutte” sang. Mozart arbeitete auch in
einigen anderen Projekten mit diesem Sänger zusammen. Für Benucci wurden in der
Wiener Fassung des „Don Giovanni” drei neue Nummern hinzugefügt, u.a. das Duett
zwischen Zerlina und Leporello „Per quelle tue manine”- „Um dieser Händchen willen“.
Leporello hat im ersten Akt eine der bekanntesten Bass-Arien: „Madamina, il catalogo e
questo” , in der er Donna Elvira alle Abenteuer erklärt, die er mit seinem Herr erlebt
hatte. Er fügt ihr einerseits einen großen Schmerz zu, während er alle Abenteuer mit
anderen Frauen aus allen Teilen der Welt beschreibt, doch andererseits lobt er mit Stolz
seinen Herrn und seine Erfolge. In allen Szenen, in denen die Stimme des
Commendatore erscheint, können wir die Stellung Leporellos mitbekommen und fühlen.
In der Szene Nr. 15, während sich sein Herr mit dem Komtur streitet und ihn
tötet, wirkt Leporello ängstlich, weil es ihn vor allem mit dem Tod konfrontiert, mit dem
24
Menschen, der erscheint, obwohl ihm das Leben genommen wurde. Aber sogar in
dieser Szene fleht er mit den Worten „No! No!“ seinen Herrn an, sich dem Tod auf
irgendwelche Weise zu entziehen. Der erste Grund dafür ist die Tatsache, dass er nach
all dieser Zeit, die er zusammen mit Don Giovanni verbrachte, eine gewisse
Verbundenheit mit ihm fühlt, und wir dürfen auch die Tatsache nicht übersehen, dass er
nach dessen Tod einen neuen Herrn suchen soll. Die einzige Szene, in der es Leporello
gelingt, geschickt und clever zu handeln und sich aus einer unangenehmen Situation zu
befreien, obwohl ihm ein Messer an den Hals gehalten wird, ist das Sextett im zweiten
Akt, wenn Masetto, Zerlina, Donna Elvira, Donna Anna und Don Ottavio versuchen, ihn
zu bestrafen. Er befreit sich aus dieser Situation , indem er erklärt, dass die ganze
Lüge, das ganze Schauspiel, mit dem man die Leute verletzt, von seinem Herrn
ausgedacht wurde. Ohne Zweifel ist es eine der schwierigsten Rollen, die man auf der
Bühne darstellen kann, sowohl musikalisch als auch dramaturgisch. Zu den besten
Darsteller dieser Rolle gehören: Bryn Terfel, Feruccio Furlanetto, Sesto Bruscantini,
Rene Pape, Luca Pisaroni und Erwin Schrott.
5.5. Don Giovanni-Bass (Bariton)
Stimmungfang – großes A-E’
Don Giovanni ist ein junger, spanischer Edelmann und als berühmtester
Frauenverführer der meistgedeutete Opernheld des 18. Jahrhunderts. Seine Figur ist
hinter der Vielzahl von Interpretationen fast unkennbar geworden. Bei der Rolle handelt
es sich um eine der schwierigsten Rollen, die man auf der Bühne darstellen kann, da
die Rolle sowohl Buffo- als auch Seria –Elemente in sich vereint. Die Rolle weist viele
unterschiedliche Stimmfarben auf, die der Darsteller braucht, um den Charakter
authentisch darzustellen. Dies scheint fast unmöglich umzusetzen.
„Da Ponte constantly remind us that Giovanni is a member of the nobility and that he
deploys his rank and, as he himself very explicitly remind us, his money, to get what he
25
wants. He belong of course to the equally noble world of Don Ottavio and Donna Anna,
but we are left in no doubt what his contempt is for such a world, as a social order.
When Masetto sees Zerlina being taken away from him by Giovanni and is prevented by
Leporello from following, his outburst ( No.6 ) combines the pains both of love and of
social insult. Formally there is a parallel here with the relations of Figaro and a Count,
but there is also a basic difference. It is not only that Figaro is a complete person
whereas Masetto is a more schematic and simpler character. Still less is it that Giovanni
is the hero of his opera, while the Count is the villain of his – that oversimplifies our
relations to both of them. Giovanni is not a hero we enter into, whereas, very strikingly,
the pointat which we are given the deepest and most sympathetic insight into the Count
is in the aria (`Vedro, mentr’io sospiro ) in which he expresses the rage of baffled class
power. The difference between the operas is that the Count and Figaro totally belong to
the social world in which they are presented, and their motivations are naturally related
to that world, whereas Giovanni is only making use of the social world in which he was
born, and is basically a solitary figure who exploits but does not belong to his social
surroundings.”20
Die Figur wird erstmals zwischen 1616 und 1630 im Drama „Il burlador de Sevilla“
von Tirso De Molina in Spanien kreiert. Das, was man über diesen Charakter weiß, ist
vor allem die Tatsache, dass er als junger Kavalier dargestellt wird und dass er als
Adeliger einen guten gesellschaftlichen Status innehat. Das andere kann man aus
seinen Lebensabenteuern erschließen, worüber man sich eine eigene Meinung bilden
kann. Seine bekanntesten Freuden und Schwächen sind die Frauen, aber es stellt sich
die Frage, ob dies so ist, weil er ihrer Anziehungskraft nicht widerstehen kann oder nur
wegen der Tatsache, dass sein Leben so miserabel langweilig ist und er darin Trost
findet, sie zu erobern. Am Ende bricht er ihnen aber immer das Herz. Auf keinen Fall
darf die Tatsache vergessen werden, dass er am Anfang dieser Oper das Leben eines
Vaters nimmt, der nur versuchte, die Ehre seiner Tochter zu verteidigen. Don Giovanni
ist von Beginn an ein Charakter, der an einem Mord schuldig ist. Dennoch schafft er es
20
Julian Rushton: W.A.Mozart. Don Giovanni, Cambridge Opera Handbooks , Cambridge 1981, Seite 86-87
26
durch die nachfolgenden Szenen, die Sympathie des Publikums zu gewinnen, was
daran liegen könnte, dass er jung, gut aussehend und voller Energie ist. Sein Egoismus
und der Wunsch, andere zu verletzen, oder anders gesagt, ohne schlechtes Gewissen
auf die Seelen der Menschen zu treten, formen diesen Charakter und verursachen die
Geschehnisse. Der erste Don Giovanni war der junge italienische Bariton Luigi Bassi,
mit dem der Komponist selbst zusammenarbeitete. Er war der Prager Almaviva in
Mozarts Oper „Le nozze di Figaro”. Er spielte diese Rolle mit nur 21 Jahren, und seine
Aufführung kam bei den Musikern und beim Publikum ausgezeichnet an. Der Charakter
Don Giovanni war wie für ihn geschrieben. Als Bassi zum ersten Mal die Oper sah, war
er mit der ersten Arie „Fin ‘chan dal vino”- „Dass dann von Weine, heiß ihre Sinne“ überhaupt nicht zufrieden. Deswegen wandte er sich an den Maestro, damit dieser ihm
andere Nummern schreibe, in denen er seine stimmlichen Fähigkeiten zeigen könnte.
Mozart schrieb daraufhin das Duett mit Zerlina im ersten Akt „La ci darem la mano” –
„Dort Hand in Hand wir beide“. Aus den Quellen kann man herauslesen, dass Mozart
sogar fünf Mal dieses Duett umschreiben musste, nur damit es dem Geschmack von
Bassi entsprach. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Sänger, sondern auch einer der
besten Schauspieler der Opernszene und ein hervorragender Imitator. Deswegen
wurde die Szene für ihn geschrieben, in der Don Giovanni und Leporello ihre Kleider
tauschen und sich als der andere Charakter vorstellen. Er bekam für seine Darstellung
hervorragende Kritiken. Don Giovanni wurde auch eine der Rollen, die er auch später
am häufigsten sang. Nach kurzer Zeit jedoch, begann seine Stimme zu versagen und er
zog nach Dresden (Deutschland) , wo er sich der geistlichen Musik widmete. Er stellte
auch Rollen dar, in denen es mehr zu spielen als zu singen gab, und so blieb er
vornehmlich als Schauspieler in Erinnerung. In Wien war der erste Don Giovanni
Francesco Albertarelli. Zu den besten Darstellern dieser Rolle gehören: Simon
Keenlyside, Thomas Hampson, Tito Gobbi, Cesare Siepi und Samuel Ramey.
27
Abb. 6 Luigi Bassi in der Rolle des Don Giovanni
Die Rolle des Don Giovanni hat fast keine Arien. Im ersten Akt, nach dem Rezitativ mit
Leporello, beginnt er die Arie „Fin ch‘chan dal vino“. Er singt darüber, was später in
seinem Haus passieren wird. Dabei handelt es sich um eine schnelle, energische Arie
in B-Dur, die nicht mehr als anderthalb Minuten dauert und in der man den richtigen
Don Giovanni zu sehen bekommt. Die zweite Arie ist eine Serenade im zweiten Akt, die
er der Dienerin von Donna Elvira singt. Dabei handelt es sich um eine Arie in D-Dur:
„Deh vieni alla finestra“- „Ach komme an das Fenster“. Diese dauert ungefähr zwei
Minuten. Die dritte Arie unterscheidet sich stark in Ihrem Charakter. Es ist die Arie mit
Tempo Andante in F-Dur „Meta di voi qua vadano“- „Ein Teil von euch muss
dahingehen.“ Diese Arie gehört gemäß dem musikalischen Charakter Leporello, aber
gemäß dem Text und den Bedingungen ist sie ein Einzelfahrschein für den Ausgang
aus der Situation, in der sich Don Giovanni befindet. Es ist der Moment, indem er sich
als Leporello vorstellt und versucht, sich selbst zu verraten, nur damit er sich von
Masetto und der Gruppe von Bauern befreien kann, die entschlossen nach Giovanni
28
suchen, um ihn umzubringen. Sein Verhältnis zu Leporello kann man nicht nur als
professionelles Verhältnis zwischen Herrn und Diener deuten, sondern auch als ein
Verhältnis zwischen Freunden. Giovanni öffnet seine Seele und verrät seine Pläne nur
Leporello. Alles, was er ihm sagt, ist vertraulich, aber es besteht bei Leporello dennoch
ein Moment der Angst vor seinem Herrn, weil er weiß, wozu Giovanni fähig ist. Eine der
bekanntesten Szenen in der Oper ist die Szene zwischen den Komtur und Giovanni, die
am Ende der Oper in Giovannis Haus spielt. Das Duett zwischen den beiden ist in DMoll geschrieben. Auch am Ende, wenn Giovanni nicht mehr fliehen kann, fürchtet er
sich nicht vor dem Komtur. Er widerspricht ihm und wehrt sich dagegen, alle seine
Untaten, die er über die Jahre begangen hat, zu bereuen. Diese Szene endet mit
seinem Tod. Ob es eine Belehrung gibt, ist nicht gesagt, aber die Tatsache, dass diese
Oper mit dieser Figur seit mehr als zwei Jahrhunderten, als eines der bedeutsamsten
und meist aufgeführten Werke gilt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass Mozart über ein
außergewönliches dramatisches Talent verfügte.
6. Don Giovannis Arien
Die „Champagnearie” Nr.11 „Fin ch’han dal vino”
„Zweimal noch geht es vor dem Finale des 1. Aktes um Verführung. Beide
Szenen sind gewissermaßen Exkurse und Ausschmückungen ohne unmittelbaren
Bezug zur Handlung. Und wenigstens fürs Publikum ein Luftholen vor dem atemlosen
Staccato des Buffo-Finales im 1.Akt.
Die Champagnearie – in der von Champagner keine Rede ist, nur vom Wein, der alle
betrunken machen soll – ist ein Arbeitsauftrag in B-dur, ein rauschendes Fest
vorzubereiten (Fin ch’han dal vino – Auf dass ihnen der Wein zu Kopf steigt). Das
Presto der Satzbezeichnung ist Don Giovannis eigentliches Tempo: Wenn Eroberungen
locken, kann es nicht schnell genug gehen. Das Tempo lässt gleichzeitig keine
Widerrede von Leporello zu, der Momente vorher noch wieder einmal die Nase voll
hatte von allem: „va tutto male“ , jammerte er, „alles geht schlecht“. In ihrer
29
halsbrecherischen Geschwindigkeit nimmt die Arie das besinnungslose Tanzen vorweg,
die Flöte begleitet und akzentuiert dabei Don Giovannis Gesang. Ist es Zufall, dass die
Satyrn in der Antike schon häufig mit Flöte abgebildet wurden? Alles steuert auf einen
gewaltsamen Höhepunkt hin. Selbst die Flöte stimmt in harsche Forte- piano- Akkorde
des Orchesters ein, und Don Giovanni wierderholt ein Motiv viermal, wie von Sinnen,
wie eine Schallplatte, die immer wieder zurückspringt. Da malt er sich aus, was er mit
den Mädchen tun werde, solange die anderen feiern. ( Man muss nicht, aber man kann
diese sieben Takte wie einen hitzigen Geschlechtsakt dirigieren.) In der Scheinreprise
verrät Don Giovanni, warum er den ganzen Aufwand treibt: „Ah, la mia lista...“ – „Ah,
meine Liste...“. Aber Mozart schießt eine zweite Überraschung gleich hinterher, denn es
kommt zu einer Verschiebung von Text und Musik, die aufhorchen lässt. Während Don
Giovanni wieder vom wilden Reigen singt, von Menuett und Follia und Allemande
durcheinander, fällt er mit dem Orchester zurück in die aggressiven Forte-pianoAkkorde. „Senza alcun ordine la danza sia, chi’l minuetto, chi la follia, chi l’alemanna
farai ballar”, keucht er: „Ohne jede Ordnung soll man tanzen, hier Menuett, hier Follia,
hier eine Allemande – lass sie tanzen”. Spätestens in diesem Moment sollte jeder
verstanden haben, dass es dem Verführer nicht ums Tanzen geht. Es ist bislang die
erlichste Aussage Don Giovannis über sich selbst.“
21
Das Ständchen Nr. 16 „Deh vieni alla finestra“ : Seufzen und Schmachten nach
allen Regeln der Kunst
„ `Eccomi a voi!` , eröffnet Elvira die 3. Szene: „Da bin ich!” Formal ist auch das
ein Secco – Rezitativ. Aber wahrscheinlich gibt es kein musikalisch dichteres. Mozart
führt hier allein im notierten Sprechgesang Doppeltes vor: eine aufgeregt modulierende
und ausgreifende Elvira. Und , damit verschränkt, einen Leporello, der Mühe hat, als
Don Giovanni aufzutreten. Er tastet sich an die Rolle heran, mit kurzen Einwürfen
zunächst und kleinen Intervallen. Erst mit seinem Handkuss holt er aus zu einer
21
Clemens Prokop: Mozart Don Giovanni , Bärenreiter – Verlag Karl Vötterle Gmbh & Co. KG Kassel 2012,
Seite 50
30
überschwänglich galanten Phrase. Aber schon geht Don Giovanni mit dem Degen
dazwischen.
Wie gut der Diener bereits den Herrn gab, wird deutlich, wenn Don Giovanni zur
Mandoline greift (Deh vieni alla finestra- Ach,komm ans Fenster, du, mein Schatz).
Er schmachtet in D-dur. So weit war Leporello mit Donna Elvira auch schon. Das
Ständchen ist eigentlich ganz einfach. Es fließt harmlos im 6/8 – Takt , und das liegt
einzig an den Akkordumspielungen der Mandoline; die Streicher zupfen die Begleitung.
Die zwei Strophen sind praktisch identisch – die minimalen Abweihungen, die Mozart im
Autograph notiert, sind der Rede nicht wert. Zumal wenn man bedenkt, dass in der
barocken Praxis improvisierte Auszierungen bei Wiederholungen die Regel waren. Zwei
bittersüße Wendungen veredeln die Canzonetta. Zum Text passend schlägt der
Nachsatz einen Haken auf die Doppeldominante E-dur, ein musikalischer Verweis auf
den Herzschmerz der Verehrers. Und der zweite, modulierte Teil der Strophe beginnt
mit einer Moll – Wendung. Damit entspricht die Musik trotz ihrer scheinbaren
Einfachheit dem literarischen Topos des seufzenden Ritters. Mozart hat die Begleitung
ausdrücklich für Mandoline komponiert: ein pseudo – folkloristischer Verweisauf den
spanischen Schauplatz. Das Lauteninstrument stammt eigentlich aus Italien, war aber
schon zu Mozarts Zeit in Wien en vogue.
„`Deh vienni alla finestra` ist ein so berühmtes Lied, dass jede Beschreibung
oder
dichterische
Analyse
lächerlich
wäre.
Erwähnenswert
ist
allein
die
Mandolinenbegleitung, die leider nur zu oft durch ein Violinpizzicato ersetzt und in der
Wirkung ruiniert wird. Die Mandolinenverwendung im Orchester war nichts Neues, wie
wir bei Paisiellos „Barbiere“ 1782 gesehen haben; auch Martin y Soler hat sie in „Una
cosa rara“ 1786 verwandt. Dies letzte Beispiel mag hier Platz finden, da der Stil ihrer
Melodie Don Juans Serenade ziemlich ähnlich ist, so daß Mozart möglicherweise ihre
Wirkung bemerkt haben konnte, und nun einmal zeigen wollte , was aus der Sache zu
machen sei.”22
22
Edward J. Dent: Mozarts Opern, Erich Reiss Verlag Berlin 1913, Seite 148.
31
Don
Giovannis
Canzonetta
mag
belanglos
scheinen,
eingeschoben
als
publikumswirksames Schmachtstück. Dramaturgisch gelingt dem Librettisten Lorenzo
Da Ponte aber in der schnellen Szenenfolge etwas Unerhörtes, und Mozart verstärkt die
Wirkung. Donna Elviras Demütigung und Schmerz nämlich sind nicht nur von Don
Giovanni mit einem Schlag vergessen, dem sie völlig egal sind. Sondern auch vom
eben noch so empathischen Publikum. Aus den Augen, aus dem Sinn! Die meisten
Regisseure übersehen das, wenn sie glauben, Don Giovanni singe hier tatsächlich für
eine anonyme Zofe, die noch nicht einmal in der Besetzungsliste auftauscht. In Tat und
Wahrheit verführt Don Giovanni seine Zuhörer im Theater.“23
Die Arie Nr.17 „Meta di voi qua vadano“
„Statt der erhofften Zofe taucht Masetto auf. Das Rezitativ (V’e gente alla finestra
– Da ist jemand am Fenster), das in die 4. Szene führt, lebt aus den Kontrasten: Don
Giovanni und Masetto sprechen bei sich und zueinander, das sind dann rasche
Verhandlungen, bei denen Don Giovanni versucht, Leporellos Stimme zu treffen. Und
es lebt von Masettos Ängstlichkeit: „Chi va la?“ – „Wer da?”, fragt er zweimal mutig in
die Nacht, und Mozart hat den richtigen Rhythmus für diese Mischung aus Anspannung
und Tapferkeit, zu der sich Masetto zwingt: zwei Sechzehntel, ein Viertel – wer
dermaßen holpert, der hat seine Stimme nicht so unter Kontrolle, wie er gerne hätte.
Insofern hat Don Giovanni leichtes Spiel, das Kommando zu übernehmen ( Arie Meta di
voi qua vadano – Die eine Hälfte von euch geht dahin ). Mit F-dur ist es ohnehin „seine“
Tonart. Die Arie selbst wirkt wie aus zweiter Hand: Zusammengestückelt, improvisiert.
Mozart montiert hier tatsächlich Material, das er längst eingeführt hat. Die
kommentierenden
Streichakzente,
schnellen
Tonwiederholungen,
breiten
Parallelführungen, Forte – Ausbrüche, die im plötzlichen Piano verhungern, und eine
übertriebene Feierlichkeit zum Schluss, mit der er Masetto umgarnt – das alles findet
23
Clemens Prokop: Mozart Don Giovanni , Bärenreiter – Verlag Karl Vötterle Gmbh & Co. KG Kassel 2012,
Seite 60
32
sich hier auf engstem Raum: ganz so, als verpulvere Don Giovanni in höchster Not
sein gesamtes Repertoire. Er kommandiert und schmeichelt, droht und lockt. Die Arie
durchzieht ein unruhiger Rhythmus, gegen die eigentlichen Zählzeiten verschoben.
Aber Mozart komponiert, wie Don Giovanni in Fahrt kommt: Die Singstimme greift aus,
der Ambitus wird größer, die Notenwerte kontrollierter: im Orchester liefern zunächst
nur die Hörner einen langen liegenden Klang, mit dem Einsatz ist es ohnehin ein
sicheres Zeichen dafür, dass Don Giovanni in seinem Element ist. Die Arie mündet in
ein harlekineskes Wechselspiel zwischen Holzbläsern und Streichern: Da blitzt der Plan
auf, Masetto aufs Kreuz zu legen („Tu sol verrai con me – Nur du kommst mit mir“).
Gefolgt von einem banalen Buffo Schluss, den man kaum anders verstehen kann als:
uff, geschafft, noch einmal gut gegangen!” 24
24
Clemens Prokop: Mozart Don Giovanni , Bärenreiter – Verlag Karl Vötterle Gmbh & Co. KG Kassel 2012,
Seite 62.
33
7. Nachwort
Die Erzählung „Don Giovanni“ basiert auf einem Charakter der europäischen
Volksgeschichte. Dieser Charakter ist auch und vielleicht besser bekannt als Don Juan.
1630 publizierte der spanische Mönsch Tirso de Molina das erste und berühmteste
Theaterstück über Don Juan und nannte es “Il burlador de Seville y convidado de
piedra” . Dieses Stück bildet die Grundlage für alle weiteren Werke, die auf dieser Figur
basieren. Da Ponte selbst übernahm einige Zeilen und bestimmte Wörter daraus als er
„Don Giovanni“ schrieb. Das Stück wurde in Frankreich und Italien von reisenden
Schauspielern aufgeführt, dadurch erlangte die Figur des Don Juan Weltruhm. Es gab
französische , deutsche und italienische Fassungen. 1665 verfasste Moliere seinen
französische „Don Juan“, 11 Jahre später, 1676, schrieb Thomas Shadwell eine
englische und Carlo Goldoni 1736 eine italienische Version. 1761 schrieb Gluck ein
Stück zu diesem Thema für das Wiener Ballett. 1777, 10 Jahre vor Mozarts “Don
Giovanni”, schrieb Vincenzo Righini ein Opernwerk, das heißt „il convitato di pietra”. Es
gab auch noch andere Opern über Don Juan, die bekannteste darunter ist die Oper
„Don Giovanni Tenorio“ von Giovanni Bertrati und Giuseppe Gazzaniga. Sie wurde
1787 aufgeführt, im selben Jahr wie Mozarts „Don Giovanni“ und feierte einen großen
Erfolg.In Gazzanigas Oper, ist die Haupt figur ein Tenor. Mit dieser Oper im Hinterkopf
schrieb da Ponte das Libretto für Don Giovanni. Wie in Tirso de Molinas „Il burlador de
Sevilla“ spielt das Stück von Gazzaniga im 14. Jahrhundert, jedoch mit 16 Charakteren.
Da Ponte übernahm den wichtigsten Hintergrund und kreierte 8 Charaktere, wovon
jeder, mit Ausnahme des Komturs, mindestens eine Arie singt, entweder mit secco oder
recitativo accompagnato. Die Dauer von 3 Stunden entsteht dadurch, dass jeder
Charakter auf der Bühne seinen „eigenen Moment” bekommt .
Wieso mögen wir dieses Drama? Woher kommt der Erfolg? Wieso wird es immer
wieder erzählt in Büchern, Filmen und Musik? Wieso steht der Name Don Giovanni für
sex appeal? Wieso berüht uns die Musik von Mozart immer wieder? Wieso ist es so
34
spannend immer wieder die gleiche Geschichte von unterschiedlichen Erzählern zu
hören? Und am wichtigsten: Wieso verehren wir diesen Charakter, ist er Held oder
Bösewicht?
Mozart und da Ponte haben etwas Großartiges geschaffen. Die Authentizität der
Konflikte zwischen den Charakteren wird uns in jeder Szene aufs Neue wunderbar
präsentiert. Die Musik ist mit Abstand die beste, die jemals geschrieben wurde. Jeder
der diese Oper gesehen hat, egal ob gut oder schlecht umgesetzt, kann nicht
bestreiten, , dass beiden Künstlern ein Meisterwerk gelungen ist. Von Beginn an, mit
der Ouvertüre, kommt wunderschöne Musik auf uns zu. Sogar der Tod des Komturs
durch den Degen Don Giovannis wird einzigartig umgesetzt. Von Anfang an fragt sich
ein jeder, in welcher Richtung sich das Spektakel entwickeln wird. Wir haben Masetto,
den Held der Unterschicht, in Konfrontation mit dem mächtigen Giovanni, wir haben
Don Ottavio, der einfach nur das Beste für seine ewige Liebe Donna Anna will, wir
haben den sympatischen Leporello, der als
miterlebt. Aber eine Person
Giovannis Diener so viele Abenteuer
steht über alles, wie schon von Giacomo Casanova
zusammengefasst wurde: “Passion ist eine Kombination von Lust und Intelligenz und
Giovanni hat beide in große Mengen” 25.
8. Anhang und Orchesterbesetzung
Don Giovanni, junger und außerordentlich zügelloser Edelmann
Bariton
Leporello, Diener Don Giovannis
Bass
Der Komtur, Vater des Donna Anna
Bass
Donna Anna, Edeldame, Verlobte des Don Ottavio
Sopran
Don Ottavio
Tenor
25
Anthony Rudel, Imagining Don Giovanni, Verlag Atlantic books 2001
35
Donna Elvira, Edeldame aus Burgos, von Don Giovanni verlassen
Sopran
Masetto, Liebhaber des Zerlina
Bass
Zerlina, Bäuerin
Sopran
Bäuerinnen und Bauern, Diener, Musikanten
Chor
Orchesterbesetzung
Holzbläser: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten und 2 Fagotten.
Blechbläser: 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen.
Schlagzeug: Timpani.
Streicher: Violine 1, Violine 2, Violoncello und Kontrabass.
Liste der durch Don Juan inspirierten Werke26
Oper und Musical
1. „Don Giovanni“, eine Oper von M.A. Mozart, 1787 geschrieben und aufgeführt.
2. „Reminiscences de Don Juan“, eine Opernfantasie von Franz Liszt.
3. „Der triumphale Don Juan“, eine fiktive Oper, die dem Musical „The phantom of
the Opera“ hinzugefügt ist und von Andrew Lloyd Weber geschrieben wurde.
4. „Don Juan“, ein Musical aus dem Jahr 2004, geschrieben von Felix Gary.
26
Don Giovanni Disambiguation - https://en.wikipedia.org/wiki/Don_Juan_(disambiguation) ( 25.03.2016 )
36
Ballett
1. „Don Juan“, ein Ballett, geschrieben von Ranieri de’Calzabigi, Christoph Willibald
Gluck und Gasparo Angiolini.
Gedichte
1. „El estudiante de Salamanca“, ein Gedicht von Jose de Espronceda.
2. „Don Juan”, ein narratives Gedicht von Lord Byron.
Theaterstücke
1. „El burlador de Sevilla y convidado de piedra”, 1630 publiziert, ein Drama von
Tirso de Molina.
2. „Don Juan Tenorio“, ein Drama von Jose Zorilla, 1844 geschrieben.
3. „Don Juan“, ein Drama von Molière, 1665 geschrieben.
4. „Don Juan“, Adaptation eines Dramas von Bertolt Brecht.
Filme
1.
„Don Juan“ (1913), ein holländischer Film.
2.
„Don Juan (1926), Hauptrolle: John Barrymore.
3.
„ Adventures of Don Juan” (1948), Hauptrolle: Errol Flynn
4.
„Don Juan“ (1956), eine Komödie von John Berry (Regie), Hauptrollen:
Fernandel, Carmen Sevilla und Fernando Rey.
5.
„Don Juan“ (1969), ein tschechoslowakischer Kurzfilm.
6.
„ Don Juan, or if Don Juan were a woman” (1973) mit Brigitte Bardot.
7.
„Don Juan“ (1998), ein Film geschrieben und mit Regie von Jacques
Weber.
8.
„Don Juan de Marco” (1995), Hauptrolle: Johnny Depp.
9.
„The Don Juans“ (2013), ein tschechischer Film.
Fernsehsendungen
1. „Don Juan in hell” , eine Folge aus der Fernsehserie Frasier
Musik
1.
2.
„Don Juan“, Tongedicht von Richard Strauss
„Don Juan“, ein Lied von Pet Shop Boys aus dem Album Alternative
37
3.
„Don Juan“, ein Lied von Fanny Lu aus dem Album “Felicidad y Perpetua”
Romane
1.
„Die Nacht des Don Juan“ von Hanns-Josef Ortheil
Abb. 7 , Film - Don Juan de Marco 1994
9. Literaturverzeichnis
Printmedien
Vorwort der Partitur von Mozarts „Don Giovanni“ , Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle
GmbH & Co. KG, Kassel 2005
Edward J. Dent: Mozarts Opern, Berlin Erich Reiss Verlag, 1913
Jahn, Otto: Wolfgang Amadeus Mozart (Große Komponisten), Jazzybee Verlag, ,
Altenmünster 2012
38
Herbert von Karajan: Wege zu Mozarts Don Giovanni, herausgegeben von Herbert
von Karajan-Stiftung, Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1987
Kaiser, Joachim: Who’s who in Mozarts Meisteropern, Piper Verlag Gmbh München
1997
Osborne, Charles: The Complete Operas of Mozart, Cassel Group Wellington House,
London, 1978
Prokop, Clemens: Mozart Don Giovanni, Verlag Karl Vötterle Gmbh & Co. KG Kassel,
Bärenreiter 2012
Rudel ,Anthony: Imagining Don Giovanni, Verlag Atlantic books 2001
Rushton, Julian: W.A.Mozart Don Giovanni, Cambridge University Press 1981
Stefan, Paul: Don Giovanni. Die Opernlegende von Don Juan, dem Versucher und
Sucher, Herbert Reichner Verlag, Wien-Leipzig-Zürich 1938
Lorenzo
da
Ponte.
URL:
topic/149348/Lorenzo-Da-Ponte [01.06.2015]
http://www.britannica.com/EBchecked/
Lorenzo
de
Ponte.
URL:
/Lorenzo_Da_Ponte.aspx [01.06.2015]
http://www.encyclopedia.com/topic
History. URL: http://www.estatestheatre.cz/et_history.html
[01.06.2015]
Wolfgang
Amadeus
Mozart.
URL:
http://www.notablebiographies.
com/Mo-Ni/Mozart-Wolfgang-Amadeus.html [01.06.2015]
Being
Don
Ottavio.
URL:
blogspot.co.at/2010/07/being-don-ottavio.html [01.06.2015]
http://nourritsnumber.
Don Juan. URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Don_Juan_(disambiguation) [01.06.2015]
39
Video von der Oper „Don Giovanni“ mit Daniel Barenboim von La Scala in Milano. URL:
https://www.youtube.com/watch?v=_6Csn-YCwIo [01.06.2015]
Video
von
der
Oper
„Don
Giovanni”
mit
Claudio
https://www.youtube.com/watch?v=nV1yNgiEvIQ [01.06.2015]
Don Giovanni.
[01.06.2015]
URL:
Abbado.
URL:
https://simple.wikipedia.org/wiki/Don_Giovanni
http://gutenberg.spiegel.de/autor/lorenzo-da-ponte-116 [ 06.03.2016]
http://www.ksta.de/zitate-ueber-mozart-13452874 [ 10.01.2006 ]
Lorenzo Da Ponte
URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Lorenzo_Da_Ponte [01.03.2016]
Estates Theatre Prague:
URL: https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4ndetheater [24.02.2016]
Die Besetzungsliste, 2014 Don Giovanni unter der Leitung von Nicolas Harnoncourt.
URL: http://www.theater-wien.at/index.php/de/spielplan/production/123468 [03.2014)
40
10. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Wolfgang Amadeus Mozart ......................................................................... 2
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Amadeus_Mozart#/media/File:Wolfgangamadeus-mozart_1.jpg [01.06.2015]
Abbildung 2 Lorenzo Da Ponte ....................................................................................... 6
http://www.pileface.com/sollers/spip.php?article778 [01.06.2015]
Abbildung 3 Plakat zur Premiere in Wien ...................................................................... 10
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Narodni_Divadlo,_Estates_Theater,_Prague__8622.jpg [01.06.2015]
Abbildung 4 Prag Theater - National Estates ................................................................ 13
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Narodni_Divadlo,_Estates_Theater,_Prague__8622.jpg [01.06.2015]
Abbildung 5 Anna Chromy - Il Commendatore, Prag .................................................... 20
http://web105.login-39.hoststar.ch/ultrafeel/pics/stories/2006/prag/prag-prague-prahastatue-anna-chromy-il-commendatore-2.JPG [01.06.2015]
Abbildung 6 Luigi Bassi in der Rolle des Don Giovanni................................................. 28
http://supernovo.net/wp-content/uploads/2013/11/djdm.jpg [01.06.2015]
Abbildung 7 Filmplakat Don Juan de Marco .................................................................. 38
http://3.bp.blogspot.com/-MzWURnDBpc/UQvhUb7_mFI/AAAAAAAAMJU/jiMxXQwyuIE/s1600/Don-Juan-DeMarco-Front.jpg
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