Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen?

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FORSCHUNG
*
Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen?
Stellungnahme zum Schreiben von Frau Prof. Kämmerer
FORSCHUNG
Ludwig Manfred Jacob
Nicole Weis
154
Prof. Kämmerer hat in einem Schreiben an
die Insulinwirkung wären die entschei-
renommiertesten Antikrebsorganisationen
die Herausgeber der DZO (s.S. 152) sowie
denden Auswahlkriterien, nicht der Koh-
der Welt sowie zu den Empfehlungen und
auf ihrer Homepage www.keto-bei-krebs.
lenhydratgehalt.
Warnungen der American Heart Associa-
de massive Anschuldigungen gegen die
Das Buch jedoch klärt nicht auf, dass
Autoren Dr. med. Ludwig Manfred Jacob
die Mehrzahl der Krebsarten sehr wohl in
und Dr. med. Nicole Weis erhoben. Der Ar-
der Lage ist, alle Makronährstoffe bestens
„Unerklärlich ist für uns auf jeden Fall,
tikel „Krebszellen mögen Zucker, aber
zu metabolisieren. In einem Review von
wie dieser Artikel mit seinen groben sach-
noch mehr lieben sie Fett und tierisches
Barger und Plas [4] werden alle Thesen
lichen Fehlern den Begutachtungsprozess
Eiweiß“ [12] beurteilt die ketogene Diät
unseres Artikels zum Tumorstoffwechsel
der Fachzeitschrift DZO durchlaufen kann.“
gegen Krebs sehr kritisch. Das Laienbuch
übrigens bestätigt und die diversen Stoff-
Die unausgegorenen Empfehlungen in
„Krebszellen lieben Zucker – Patienten
wechselwege von Krebszellen (Glykolyse,
dem kritisierten Buch können höchstens
brauchen Fett“ mit Frau Prof. Kämmerer
Glutaminolyse, Fettsäureoxidation) aus-
Grundlage für eine wissenschaftliche Dis-
als Koautorin [14] bezeichnet sich selbst
führlich
Studien
kussion sein, aber sollten keinesfalls an
als „das neue Standardwerk zur ketogenen
legen auch nahe, dass Tumore sogar
krebskranke Laien und Nicht-Ernährungs-
Ernährung bei Krebserkrankungen“, es be-
Ketonkörper als Energiequelle verwerten
wissenschaftler gerichtet werden, die sie
schreibt interessante Zusammenhänge –
können [6, 17]. Während Patienten mit
nicht nachprüfen und korrekt einordnen
nur leider aus eindimensionaler, ernäh-
hochaggressiven, oft stärker glykolytischen
können. Doch genau dies geschieht: Frau
rungswissenschaftlich absurder Perspekti-
Tumoren in onkologischer Betreuung sind
Prof. Kämmerer und Koautoren machen
ve (alle Kohlenhydrate sind schlecht, Fett
und wohl kaum dieses Buch lesen, werden
mit ihrem Buch eine extreme und unge-
und Protein sind gut).
insbesondere Personen, die Krebs vorbeu-
sunde Ernährungsweise ohne klinische
Die Empfehlungen des Buches richten
gen möchten oder langsam wachsende
Evidenz einem breiten Laienpublikum zu-
sich an Laien und werden ohne Differen-
Tumore mit hoher FAS-Aktivität und Fett-
gänglich. Diese Vorgehensweise vor dem
zierung und Hinweis auf Tumorart, Tumor-
säureoxidation, wie z.B. die meisten Pros-
Vorliegen eindeutiger klinischer Belege ist
stadium sowie Stoffwechsel- und Ernäh-
tata- und Mammakarzinome, dieses Laien-
im Sinne des Patientenschutzes ethisch
rungszustand des Patienten pauschal für
buch lesen und sich auf eine Ernährung
höchst bedenklich. Die drei Autoren soll-
alle Krebskranken gegeben, ohne eine epi-
einlassen, die auf Dauer der Gesundheit
ten mit ihrer massiven Bewerbung eines
demiologische oder klinische Evidenz zu
schaden und Krebs fördern kann. Zu be-
potenziell gesundheitsschädlichen, nicht
haben.
grüßen, aber auch selbstverständlich ist
evidenzbasierten Konzepts bei krebskran-
Sicher gibt es stark glukosevergärende,
der Hinweis im Buch, dass ein Krebskran-
ken Menschen zumindest so lange warten,
hochaggressive Tumore, bei denen es eine
ker bei einer solchen extremen Diät sei-
bis sie klare klinische Langzeitbelege für
gewisse Evidenz für eine Kohlenhydrat-
nen Arzt konsultieren soll. Bekanntlich ist
ihre Thesen vorzulegen haben und dann
restriktion gibt. Die Ernährungsempfeh-
aber eine gesunde Ernährung leider im-
diese Erkenntnisse auf eine differenzierte
lungen sollten aber ernährungswissen-
mer noch nicht Teil der ärztlichen Ausbil-
Weise präsentieren. Die Ergebnisse der
schaftlich durchdacht sein und den Gehalt
dung.
bisher einzigen klinischen Studie von Prof.
erörtert.
Präklinische
tion. Die Buchautoren enden ihren Brief
an die DZO folgendermaßen:
an Ballaststoffen, Mineralstoffen, Vitami-
Das kritisierte Buch steht im komplet-
Kämmerer belegt die geringe Compliance,
nen und sekundären Pflanzenstoffen, po-
ten und direkten Widerspruch zu bisheri-
zahlreiche Nebenwirkungen und spricht
tenziell ungesunden Inhaltsstoffen sowie
gen Erkenntnissen über eine gesunde Er-
sicher nicht für eine ketogene Diät [22].
die Insulinwirkung (vgl. Insulin-Index) be-
nährung, zu medizinischen Leitlinien (z.B.
Die von Prof. Kämmerer angebrachte
rücksichtigen. Hier würden stärkearmes
S3 bei Prostatakrebs), zu den ausdrück-
Kritik lässt darauf schließen, dass ernäh-
Gemüse, gesunde Fette (nicht Schweine-
lichen Empfehlungen des World Cancer
rungswissenschaftliches
speck) und Hülsenfrüchte an erster Stelle
Research Fund (WCRF) und American
sches Grundwissen in Bezug auf die
stehen und die glykämische Last sowie
Institute for Cancer Research als den
menschlichen Stoffwechselvorgänge eben-
Jacob LM, Weis N. Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen? Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2012; 44: 154–161
und
biochemi-
so wie die Kenntnisse der belegten epide-
[27]), 150 g Brokkoli, maximal 100 g Kohl,
miologischen Zusammenhänge nicht be-
maximal
rücksichtigt werden. Des Weiteren werden
„Krebszellen
Himbeeren.
Frau Kämmerer diskutiert auf etwa 1,5
die Schlussfolgerungen von Studien direkt
Nahrungsmittel gegen Krebs“ [5]) oder
Seiten eine von den Autoren angeführte
ins Gegenteil verdreht. Dies geschieht wie-
Heidelbeeren sowie keinerlei Granatapfel
präklinische Studie des renommierten
derum auf der Webpage www.keto-bei-
verzehren. Auch der Granatapfel hat eine
University of Texas M.D. Anderson Cancer
krebs.de, die sich an ein Laienpublikum
bessere Studienevidenz gegenüber Herz-
Center [21] und kritisiert unsere Deutung
richtet, welches den Wahrheitsgehalt nicht
Kreislauf-Erkrankungen und Prostatakrebs
der Studie scharf. Um Zweifel an der
überprüfen kann.
als die ketogene Diät.
Schlussfolgerung unseres DZO-Artikels zu
Himbeeren
mögen
keine
(vgl.
Buch
Fett zur Energiegewinnung
Während also Hülsenfrüchte, viele Ge-
beseitigen, sei ein Zitat aus der offiziellen
Empfehlungen der ketogenen
Diät
müse- und Obstsorten mit Antikrebswir-
Pressemitteilung des M.D. Anderson Can-
kung zum Teil oder komplett gemieden
cer Center zu genau dieser Studie ange-
werden sollen, darf der Verzehr von
führt (M.D. Anderson News Release 01/
Im Folgenden dient das Laienbuch „Krebs-
Schwein, Fleischwurst, Schinken und Sala-
27/10; Researchers Find Leukemia Cells
zellen lieben Zucker – Patienten brauchen
mi „unbegrenzt“ erfolgen, solange kein
Metabolize Fat to Avoid Cell Death):
Fett“ [14] als „Standardwerk“ und Zitaten-
Zucker beigesetzt ist.
quelle für die vielen gesundheitsschädli-
Laut dem kritisierten Buch sollte die
chen Ernährungsratschläge aus dem Be-
Süßkartoffel komplett gemieden werden.
reich der ketogenen Diät, wie z.B. die
Das carotinoidhaltige Gemüse ist das
Empfehlungen (Seite 228–235):
Hauptnahrungsmittel der Bewohner von
In dem Buch wird zum „unbegrenz-
Okinawa. Auf dieser japanischen Insel le-
ten“ Verzehr von rotem Fleisch und Wurst
ben mit großem Abstand die meisten
geraten. Doch genau diese Lebensmittel
100-Jährigen der Welt und sogar 15 % aller
fördern nachweislich die Insulinresistenz
über 120-Jährigen der Welt. Die 100-Jähri-
und Diabetes mellitus Typ 2 am meisten.
gen von Okinawa, die zeitlebens gesunde
Sämtliche Getreidesorten und Hülsen-
Kohlenhydrate als Hauptenergielieferant
früchte sollten komplett gemieden wer-
verzehrten, sind Gegenstand einer über
den. Ergebnis: eine extrem ballaststoff-
25-jährigen Großstudie der japanischen
farme Ernährung. Fakt: Rotes Fleisch und
Regierung. Kämmerer führt dagegen die
verarbeitetes Fleisch fördert mit interna-
Inuit (Eskimos) als Beispiel der ketogenen
tional und allgemein anerkannter über-
Diät an. Diese praktizieren zeitlebens ge-
zeugender Evidenz (höchste Evidenzstufe)
zwungenermaßen eine sehr fett- und pro-
Dickdarmkrebs, Ballaststoffe und ballast-
teinreiche Diät. Sie starben bis Mitte des
stoffhaltiges Getreide wirken wahrschein-
20. Jahrhunderts im Schnitt zwischen 30
lich (zweithöchste Evidenzstufe von fünf
(Grönland) und 47 Jahren (Alaska) und er-
Evidenzstufen) protektiv gegenüber Ko-
reichen auch heute noch nur die geringste
lon- und Rektumkarzinom. Im Vergleich
Lebenserwartung aller Kanadier.
dazu besitzen die Empfehlungen von Kämmerer keine Evidenzstufe.
Zitat
aus
dem
kritisierten
Buch:
„Faustregel in der ketogenen Diät: Je kg
„Leukämiezellen, wie die meisten anderen Krebsarten, sind bei ihrer Energiebereitstellung abhängig von Glukose. Neue Forschungen konnten nun
zum ersten Mal zeigen, dass diese
Zellen auch Fettsäuren benötigen, um
zu wachsen und dem Zelltod zu entkommen. (…) Inhibierte man die
Fettsäureoxidation, waren Leukämiezellen angreifbar für Medikamente,
die sie zur Apoptose zwingen.“
„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin,
dass die mitochondriale Funktion und
die Apoptose-Resistenz in Leukämiezellen eng mit dem Eintritt von Fettsäuren in das Mitochondrium verbunden sind“, sagte Hauptautor Ismael
Samudio, M.D., ein früherer Dozent für
Stammzelltransplantation und Zelltherapie. „Für viele Jahre war es offensichtlich, dass Leukämiezellen für
die Gewinnung von zellulärer Energie
(ATP) auf Glukose angewiesen waren.
Unsere Ergebnisse legen aber jetzt
nahe, dass Leukämiezellen für die
Funktion des Krebszyklus und der
Prävention des Zelltods abhängig von
Fettsäuren sind.“
Laut dem kritisierten Buch sollte man
Körpergewicht essen Sie am Tag 2,5 g Fett,
Bohnen (alle Sorten) komplett weglassen.
1,4 g Eiweiß und 0,5 g Kohlenhydrate. Min-
Doch laut Insulin-Index verursachen Boh-
destens aber 175 g Fett.“ Das entspricht
nen oder Spaghetti al dente eine wesent-
1575 Kcal Fett (bei einem Körpergewicht
lich geringere Insulinausschüttung als z.B.
von 70 kg). Praktische Erfahrungen zeigen,
Beefsteak. Überhaupt verursachen Bohnen,
dass dicke Patienten mit dieser Ernährung
Trotz wortreicher Argumente wider-
wenn sie ohne Zucker zubereitet werden,
eher weiter zunehmen – vor allem dann,
spricht Prof. Kämmerers Schlussfolgerung
nicht nur eine extrem niedrige Insulin-
wenn durch einen hohen Proteingehalt
direkt den Studienautoren und der Presse-
ausschüttung (etwa die Hälfe eines Steaks
keine Ketose eintritt –, während dünne
mitteilung der Universität.
bei gleicher Kalorienzahl), sondern haben
Patienten verstärkt abnehmen. Die Emp-
Prof. Kämmerer weiter: „Tumore kön-
auch einen niedrigen glykämischen Index.
fehlung einer solch fettreichen Ernährung
nen aufgrund ihrer stark erhöhten Zucker-
Laut dem kritisierten Buch sollte man
ist bei den heute sehr häufigen überge-
aufnahme im bildgebenden PET-Scan sicht-
pro Portion maximal 40 g Rote Rüben,
wichtigen Krebspatienten mit nicht fortge-
bar gemacht werden. Die Aufnahme von
maximal 150 g Tomaten (lykopinreich,
schrittenem, nicht kachektischem Tumor-
Fettsäuren eignet sich dafür nicht.“
schützt „wahrscheinlich“ vor Prostatakrebs
leiden kontraindiziert.
Jacob LM, Weis N. Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen?
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2012; 44: 154–161
FORSCHUNG
50 g
155
Wir zitieren aus unserem Artikel: „Tumore haben eine gesteigerte Zuckerver-
Leber- und Nierenschäden sowie Osteo-
sächlich empfiehlt jedoch der aktuelle Blaue
porose erhöhen.“
Ratgeber Ernährung bei Krebs der Deut-
langsam
Ausführlich wird das Thema „Fett“ so-
schen Krebshilfe: „Wichtig ist auch eine
wachsende Tumore wie Prostatatumore
wie die Würzburger-Studie im Internet
hohe Eiweißzufuhr; empfohlen werden 1,2
haben eine stark gesteigerte Fettsäuren-
diskutiert: www.drjacobsweg.eu
bis 2 g Eiweiß pro kg Körpergewicht“.“
wertung.
Doch
insbesondere
Hier offenbart sich eine wissenschaft-
oxidation. Diese liefert sowohl ATP als
Zu viel Protein ist nicht
empfehlenswert
lich gefährliche Unlauterbarkeit, weil der
erhöhen das Risiko der hormonabhängi-
Der neueste europäische Referenzwert für
sie auf einer Website für Laien gemacht
gen Krebsarten (Mamma- und Prostata-
die Proteinzufuhr, der von der Europäi-
wird! Denn der Blaue Ratgeber Ernährung
karzinom). Die Fettsäureoxidation domi-
schen Behörde für Lebensmittelsicherheit
bei Krebs der Deutschen Krebshilfe [8]
niert z.B. beim Prostatakrebs deutlich
(EFSA) festgelegt wurde, ist für Erwach-
enthält zwar diese Empfehlung, aber unter
über die Glykolyse [16]. Der Nuklearmedi-
sene 0,83 g/kg Körpergewicht. Hier ist be-
der Überschrift: Empfehlungen bei Ge-
ziner Liu kommt in einem großen Review
reits ein deutlicher Sicherheitsaufschlag
wichtsverlust durch den Tumor (primäres
zum Thema daher sogar zur Schlussfol-
einberechnet.
Anorexie-Kachexie-Syndrom).
gerung: Eher als die Glykolyse hat ein
schnittliche Bedarf liegt laut EFSA bei täg-
eine Selbstverständlichkeit. In unserem
auch Acetyl-CoA, welches Ausgangsstoff
der Cholesterin- und Sexualhormonsyn-
FORSCHUNG
these ist. Cholesterin und Sexualhormone
tatsächliche
kann und daher direkt getäuscht wird, da
durch-
Dies
ist
dominanter Fettsäuren-Stoffwechsel das
lich 0,66 g/kg Körpergewicht. Die Biologin
Artikel wird ausdrücklich eine stadien-
Potenzial, die Grundlage für bildgebende
Prof. Kämmerer empfiehlt dagegen das
gerechte Ernährung angeraten und eine
Diagnostik und gezielte Behandlung von
Doppelte des tatsächlichen Bedarfs: 1,2 bis
fett- und proteinreiche Ernährung bei
Prostatakrebs zu sein [16].“
1,4 g/kg Körpergewicht. Dies belastet Stoff-
Kachexie, jedoch ohne Kohlenhydratres-
Zur Würzburger Studie [22] sei nur
wechsel, Leber und Nieren. Diese Empfeh-
triktion empfohlen. Hyperkalorisch, prote-
kurz bemerkt: Nur 31 % der Studienteil-
lung kann nur für den kachektischen
in- und fettreich ist aber nur sinnvoll für
nehmer hielten die drei Monate bis zum
Krebskranken gelten, nicht für den norma-
den kachektischen Patienten.
Studienende durch. Bei 40 % dieser ver-
len Krebskranken – eine Unterscheidung,
Vielmehr schreibt der blaue Ratgeber
bleibenden Teilnehmer sind die zentralen
die im DZO-Artikel getroffen wird, aber
für normale Krebskranke: „Der neuste Be-
Blutwerte (Hb1Ac, Triglyzeride) nicht aus-
im Laienbuch „Krebszellen lieben Zucker –
richt des World Cancer Research Fund
wertbar. Triglyzeride stiegen im Schnitt
Patienten brauchen Fett“ fehlt.
(WCRF) empfiehlt, dass sich Krebskranke
um 54,5 %, Glukose sank um 5,7 %, HbA1c
Fleisch ist glukogen. Bereits 1915 be-
ähnlich ernähren sollten, wie es allen Ge-
um 0,17 % bzw. 3,1 % (relativ). Insbesonde-
richtete Janney [13], dass 3,5 g Glukose
sunden geraten wird, die Krankheiten vor-
re Fettsäure-oxidierende Tumore dürften
aus 6,25 g verzehrten Fleischprotein her-
beugen möchten.“ Daraufhin werden im
dadurch eher gefördert werden, während
gestellt werden können. 100 g Rinderpro-
Blauen Ratgeber exakt die in dem von
selbst stark zuckervergärende Tumore da-
tein kann mit einer gewissen Verzögerung
Kämmerer kritisierten DZO-Artikel ange-
durch schwerlich an ihrer Proliferation ge-
also 56 g Glukose liefern. Für andere Pro-
führten Empfehlungen des World Cancer
hindert werden. Die Nebenwirkungen, die
teine liegt die Glukoseausbeute zwischen
Research Funds zitiert:
in der Studie auftraten (Verstopfung, Ap-
50–84 g.
petitlosigkeit,
156
Der
Kranke diese Aussage nicht einordnen
Übelkeit,
Energiemangel,
Schon Otto Warburg bemerkte 1931,
Der World Cancer Research Fund
(WCRF), der das globale Netzwerk von
Gewichtsverlust), sind nicht in erster Linie
dass Krebszellen in einem stickstoffhalti-
Anti-Krebs-Wohltätigkeitsorganisationen
tumortypisch, sondern entsprechen insbe-
gen Medium viel Ammoniak freisetzen
zur Vorbeugung und Therapie von Krebs
sondere den Nebenwirkungen, weshalb
[26]. Diese Beobachtung erklärt sich durch
koordiniert, und das American Institute
die American Heart Association vor sol-
die Glutaminolyse, also die Freisetzung
for Cancer Research (AICR) kommen 2007
chen ballaststoffarmen, fett- und protein-
von Glukose aus der Aminosäure Glut-
in ihrem zweiten Review (537 Seiten) zu
reichen Ernährungsformen warnt: „Die
amin, die in Krebszellen eine wichtige Rol-
Ernährung, Bewegung und Krebsvorbeu-
Ketose macht das Diäthalten einfacher, da
le spielt [4]. Praktisch bedeutet dies, dass
gung [27] zu folgenden offiziellen Empfeh-
sie den Appetit senkt und Übelkeit verur-
durch eine Proteinüberversorgung, die bei
lungen:
sachen kann. (…) Proteinreiche tierische
der ketogenen Diät stattfindet, eine opti-
"
Nahrungsmittel sind meist gleichzeitig
male Versorgung des Tumors gewährleis-
reich an gesättigten Fetten. Über einen
tet ist: mit einem Überangebot an Amino-
längeren Zeitraum erhöht der Verzehr
säuren als Baustein für die Proliferation
"
Seien Sie täglich körperlich aktiv!
einer großen Menge an fettreichen Nah-
und Glukose als Brennstoff aus den gluko-
"
Wählen Sie Essen mit niedriger Kalo-
rungsmitteln das Risiko für KHK, Diabetes,
genen Aminosäuren.
Schlaganfall und einige Krebsarten. Perso-
Prof. Kämmerer führt auf ihrer Page
nen, die überschüssiges Protein nicht ef-
zur Rechtfertigung ihrer überhöhten Pro-
fektiv verwerten, können ihr Risiko für
teinzufuhrempfehlungen weiter aus: „Tat-
Jacob LM, Weis N. Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen? Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2012; 44: 154–161
Seien Sie so schlank wie möglich innerhalb eines normalen Körpergewichts!
riendichte! (D.h. wenig Fett und Softdrinks!)
"
Essen Sie überwiegend Pflanzenkost,
davon mindestens 600 g Gemüse
gemein in Wissenschaftskreisen bekannt.
Gruppen zu vergleichen ist hier genauso,
aus Vollkornprodukten und anderen
Doch fehlen in dem kritisierten Buch die
wie wenn wir aus dem Vergleich des noch
Ballaststoffquellen. (Raffinierte Mehle
nötigen Darstellungen zu den tatsächli-
quicklebendigen fast 94jährigen Kettenrau-
und Zucker gelten nicht als Pflanzen-
chen Lebensmittelwirkungen. Nachzubes-
chers Helmut Schmidt und des dieses Jahr
kost.)
sern versuchen die Autoren mit grotesken
mit 26 Jahren nach dem Training verstor-
Essen Sie möglichst wenig verarbeite-
Argumenten und einer falscher Widergabe
benen norwegischen Schwimmweltmeisters
tes Getreide und Leguminosen mit
unseres Textes.
Alexander Dale Oen herleiten würde, dass
Kämmerer: „Jacob und Weis belegen
Rauchen und Vermeiden von Sport eine
Reduzieren Sie Fleisch auf maximal
nun mit drei Beispielen aus der „bisher
deutlich lebensverlängernde Wirkung haben.“
300 g pro Woche und vermeiden Sie
umfangreichsten Untersuchung des Effekts
Pikanterweise handelt es sich bei dem,
komplett verarbeitetes Fleisch (z.B.
von Lebensmitteln auf die Insulinsekretion“,
was Kämmerer als „Bohnen“ falsch über-
Wurstwaren).
dass Protein eine stärkere Insulinsekretion
setzt, um „baked beans“, ein Fertignah-
verursacht als Kohlenhydrate: sowohl fett-
rungsmittel, das 16 % zugesetzten Zucker
Auf fünf Evidenzstufen wurden von dem
armer Fisch als auch Steak rufen eine hö-
enthielt und mit der Kombination „Zucker
weltweit maßgeblichen Gremium unter
here
anderem folgende Risikoeinstufungen vor-
schreiben die Mediziner.“
jeder Mahlzeit!
"
"
"
"
"
"
"
hervor
als
Pasta,
mit zerkochtem, schnell im Blut anflutendem Protein“ einen Insulin-Index von 88
Unser tatsächlicher Text: „Dass 1000
erreichte. Dies ist gerade eine der Bot-
Rotes Fleisch und verarbeitetes Fleisch
kJ (333 g) fettarmer Fisch (FII 43) und
schaften des Food Insulin-Index (FII):
fördert mit überzeugender Evidenz
1000 kJ (158 g) Steak (FII 37) zu einer
Schnell verfügbare Kohlenhydrate (hoher
(höchste Evidenzstufe) Dickdarmkrebs.
wesentlich höheren Insulinausschüttung
GI) zusammen mit Protein erhöhen unver-
Ballaststoffe und ballaststoffhaltiges
als 1000 kJ (200 g) Pasta al dente (FII 29)
hältnismäßig die Insulinausschüttung.
Getreide wirken wahrscheinlich pro-
führen, zeigt die Gefahr dieser pseudowis-
Dagegen haben echte, naturbelassene
tektiv gegenüber Kolon- und Rektum-
senschaftlichen Ernährungsratschläge, die
Bohnen ohne Zucker (Canned navy beans)
karzinom.
Pasta verbieten und Schweinebraten emp-
einen Insulin-Index von nur 23, obwohl
Gemüse und Obst wirken wahrschein-
fehlen. Wer übrigens nun 227 g Tofu isst,
sie 28 % Kohlenhydrate enthielten und
lich protektiv gegenüber zahlreichen
nimmt zwar auch 1000 KJ und 27 g Prote-
laut Kämmerer komplett gemieden wer-
Krebsarten.
in auf, hat aber eine wesentlich niedrigere
den sollten – im Gegensatz zu Beefsteak
Kalziumreiche Ernährung und Milch
Insulinausschüttung (FII 21). Die Auswahl
ohne Kohlenhydrate, aber mit einem Insu-
erhöhen wahrscheinlich das Prostata-
der Lebensmittel bedarf also einer diffe-
lin-Index von 37. Bei den einzelnen Nah-
krebsrisiko.
renzierteren Betrachtung. Einfache und
rungsmitteln dienten 1000 kJ Glukose als
Kochsalz erhöht wahrscheinlich das
schnell verfügbare Kohlenhydrate (z.B. Zu-
Referenz für den Insulin-Index 100. Damit
Magenkrebsrisiko.
cker, Weißmehl) gelten im Gegensatz zu
ist die Insulinwirkung der „verbotenen“
Es erfolgt vermutlich eine Risikoerhö-
komplexen Kohlenhydraten mit Recht als
Bohnen viel geringer als das praktisch
hung für Brust-, Lungen- und Dick-
ungesund, weil sie zu einem schnellen
kohlenhydratfreie Beefsteak, die fettarme
darmkrebs durch einen hohen Fett-
Blutzuckeranstieg und einer hohen Insu-
Milch und der fettarme Fisch.
konsum.
linantwort, besonders in Kombination von
Weder Getreide noch Zucker zeigen
Proteinen, führen.“
genommen:
"
Insulinantwort
Kämmerer weiter: „In einer Analyse
von kompletten Mahlzeiten hatte dann
Selbstverständlich schreiben wir nicht
auch ein Steak – sogar mit Kartoffeln – eine
eine Risikoerhöhung von irgendeiner
generell, dass Protein stärker insulinogen
deutlich geringere Insulinantwort als der
Krebserkrankung. (Dies soll nicht
wirkt als Kohlenhydrate, sondern: „Die
absolute Spitzenreiter mit der höchsten In-
bedeuten, dass der übermäßige Ver-
Auswahl der Lebensmittel bedarf also
sulinantwort: Honigmelone und Banane,
zehr isolierter Zucker von den Autoren
einer differenzierteren Betrachtung.“
fettfreier Erdbeer-Joghurt, dazu Apfelsaft.
auf irgendeiner der fünf Evidenzstufen
für harmlos oder empfehlenswert
Kämmerer argumentiert weiter: „Pas-
Also kaum Fett, kaum Protein, sondern
gehalten wird. Auch der WCRF rät
ta findet sich in der Gruppe der „koh-
überwiegend Kohlenhydrate. Es stellt sich
zur Vorsicht mit Zucker und Weiß-
lenhydratreichen Lebensmittel“, Fisch und
die Frage: kann man die Ausführungen von
mehl.)
Steak laufen unter „proteinreichen Lebens-
Jacob und Weis anders interpretieren als
mitteln“. Wie man sich fast denken kann,
eine bewusste Irreführung der Leser?“
Insulinsekretion – ein HelmutSchmidt-Effekt?
handelt es sich um Extreme, um Ausreißer
Joghurt und Milch sind insulinogen
aus dem Durchschnitt jeder Gruppe (pikan-
und in Kombination mit Zucker durch-
terweise haben Bohnen, auch gelistet unter
wegs hochgradig insulinogen. Das Tierpro-
Insulin und insulinähnliche Wachstums-
„proteinreich“, einen mehr als doppelt so
tein im Joghurt (19 g, also ein Drittel des
faktoren sind ein wichtiger Faktor in der
hohen Index wie Fisch und Steak, aber
ganzen Tagesbedarfs) erhöht deutlich die
Krebsentwicklung, das behauptet nicht
Bohnen sind ja kein „tierisches Protein“).
Insulinausschüttung über die blutzucker-
nur Frau Prof. Kämmerer, sondern ist all-
Was haben wir hier vor uns? Ausreißer aus
induzierte, natürlicherweise zu erwarten-
Jacob LM, Weis N. Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen?
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"
und Obst sowie 25 g Ballaststoffe
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de Insulinwirkung hinaus. Einen wesent-
„Proteine sind insulinogen. Bei Milch wirkt
reicht, ohne Berücksichtigung der Nähr-
lichen Beitrag liefert natürlich auch der
das Protein sogar insulinogener als die
stoffverhältnisse zueinander.
hohe Gehalt an schnell verfügbaren Koh-
Laktose. Je fettärmer die Milch, desto hö-
Die Gründe für die Korrelation sind
lenhydraten (90 g). Diese Mahlzeit er-
her der Proteinanteil (in Bezug auf die
unter anderem: 1. Proteine sind an sich
reichte einen Insulin-Index von 116.
1000 kJ) und die insulinogene Wirkung.“
weniger insulinogen als schnell verfügbare
Weißbrot mit ebenfalls 19 g Protein (aber
Besonders hohe Insulinausschüttun-
Kohlenhydrate (hoher glykämischer Index)
aus Pflanzen) und 93 g Kohlenhydraten
gen provoziert immer die Kombination
und der Bezugspunkt für den Insulin-In-
diente hier übrigens als Referenz für den
von schnell verfügbaren Kohlenhydraten
dex ist immer 1000 kJ, es werden also an-
Insulin-Index
mit
teilsmäßig Kohlenhydrate durch Proteine
100. Bei
den
Mahlzeiten
Protein,
insbesondere
Um
dies
zu
Milch
und
wurden 2000 kJ reines Weißbrot als Re-
Rindfleisch.
vermeiden,
ferenz für den Insulin-Index 100 verwen-
braucht man nicht auf eine potenziell un-
pflanzliches Protein ist weniger insulino-
det.
oder
Fett
ersetzt.
2. Naturbelassenes,
gesunde, extreme Ernährungsweise umzu-
gen als Milch und Fleisch. Die Statistik
Besonders interessant ist auch: Pasta
steigen, sondern sich einfach vollwertig zu
trifft diesen Unterschied nicht. 3. Bei gan-
mit Linsen (auch 2000 kJ) hat zwar 27 g
ernähren – entsprechend der im Artikel
zen Mahlzeiten ist sogar die schwache ne-
Protein und 63 g Kohlenhydrate, aber nur
aufgeführten
gative Korrelation zwischen Protein und
einen Insulin-Index von 45. Dagegen er-
Kohlenhydrate nicht als universalen „Sün-
reicht Steak mit Kartoffeln (auch 2000 kJ)
denbock“ brandmarkt, sondern Kohlen-
Die Kombination der Nährstoffe in
mit nur 40 g Kohlenhydraten und 52 g
hydrate, Fette und Proteine differenziert
einer Mahlzeit ist ausschlaggebend für
Protein einen fast doppelt so hohen Insu-
betrachtet.
den Gesamt-Blutzucker- und Insulin-Ef-
lin-Index von 88. Das alles passt jedoch
Ernährungspyramide,
die
Insulin komplett verschwunden.
Kämmerer behauptet, Protein korrelie-
fekt, nicht der Effekt eines einzelnen Nähr-
re „auch höchst signifikant negativ“ mit
stoffs/eines einzelnen Lebensmittels. In
Zu „Ausrutscher in insulinogener Wir-
der Insulinantwort. Tatsächlich ist das
Bezug auf die Effekte des Proteingehalts
kung“: Nein, dies ist kein Helmut-Schmidt-
Ergebnis statistisch signifikant: p = 0,005.
von Mahlzeiten auf die postprandialen
Effekt im Insulin-Index [3]. Proteine wir-
Viel wichtiger jedoch ist der Korrelations-
Blutglukosespiegel und Insulinaussschüt-
ken bekanntermaßen glukogen und insuli-
koeffizient r, auf den sich die statistische
tung konnte keine negative Korrelation
nogen (je nach Aminosäuren-Muster und
Signifikanz bezieht. r gibt an, ob die Mess-
festgestellt werden. Die Statistik zur Insu-
Anflutungsgeschwindigkeit
unterschied-
punkte eine lineare Verbindung haben. In
linwirkung von Mahlzeiten zeigte eine po-
lich stark). Dies ist bio-logisch, da Insulin
der Studie ergibt sich nur ein leicht ne-
sitive Korrelation zur glykämischen Last,
auch die zelluläre Aufnahme von Amino-
gativer Korrelationskoeffizient zwischen
überraschenderweise nur eine sehr gerin-
säuren fördert.
Insulinantwort und Protein von r = –0,26.
ge Korrelation zum Gesamtkohlenhydrat-
Nicht nur schnell verfügbare Kohlen-
(r = 0 heißt zufällige, nicht lineare Vertei-
gehalt – den Hauptübeltäter laut ketoge-
hydrate, sondern insbesondere Milch und
lung, r = 1 bedeutet, sie liegen exakt auf
ner Diät – und keinerlei Korrelation zum
Rindfleisch führen zu einer hohen Insulin-
einer Linie.) Beim energiedichten Fett ist
Proteingehalt. Fett war negativ korreliert,
ausschüttung. Der insulinogene Effekt von
r = –0,54 mit einer statistisch deutlich hö-
weil es insulinogene Makronährstoffe wie
Fleisch ist bei nicht insulinpflichtigen Dia-
heren Signifikanz von p < 0,001.
Kohlenhydrate und Aminosäuren kalo-
nicht in das ketogene Weltbild.
betikern so groß, dass der Verzehr von
In der Statistik ist allgemein bekannt,
rienmäßig ersetzt. Insbesondere verur-
50 g Fleischprotein die Insulinspiegel ähn-
dass der Korrelationskoeffizient kein Indiz
sachte die Kombination von Kohlenhydra-
lich stark erhöhen wie 50 g Glukose [18].
eines ursächlichen (d.h. kausalen) Zusam-
ten mit hohem glykämischen Index und
Wenn nun bei Krebspatienten – wie Käm-
menhangs zwischen den beiden korrelie-
Protein, insbesondere Fleisch und Milch,
merer argumentiert – bereits eine Insulin-
renden Merkmalen ist. Klassisches Bei-
die höchsten Insulinausschüttungen. Diese
resistenz analog zu nicht insulinpflichtigen
spiel: Die Besiedlung durch Störche im
Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Effekt
Diabetikern vorliegt, ist der Verzehr von
Süd-Burgenland korreliert zwar positiv
auf den postprandialen Blutzucker- und
großen Mengen Protein und Fett zusätz-
mit der Geburtenzahl der dortigen Ein-
Insulinspiegel durch weit mehr Einfluss-
lich kontraindiziert.
wohner, doch das bedeutet noch keinen
faktoren bestimmt wird als die einzelnen
Wir zitieren aus der ersten Studie zum
„kausalen Zusammenhang“, trotzdem ist
Makronährstoffe. Die Kombination der
Insulin-Index von [10]: „Proteinreiche Le-
ein „statistischer Zusammenhang“ gege-
Makronährstoffe, die Zubereitung, der Zu-
bensmittel und Backwaren (fettreich, reich
ben. Diese Kausalität suggeriert Kämmerer
stand (fest, flüssig), die Geschwindigkeit
an raffinierten Kohlehydraten) riefen eine
auf ihrer Laien-Homepage: „Das heißt: je
der Anflutung im Blut sowie deren Ver-
stärkere Insulinantwort hervor, als ihre
mehr Protein in der Nahrung ist, desto ge-
hältnis zueinander in einer Mahlzeit sind
glykämische
ringer fällt die Insulinantwort aus.“
Variablen, die in der Studie von Bao et al.
Antwort
erwarten
ließ.“
Auch wenn die Zusammenhänge offen-
Bei der Auswertung der von Bao et al.
sichtlich sind, hat es Prof. Brand-Miller
[3] durchgeführten Tests (Einzel-Lebens-
Die bei weitem stärkste negative Kor-
auch schriftlich bestätigt. Aus unserem
mittel á 1000 kJ oder Mahlzeit á 2000 kJ)
relation zeigte das energiereiche Fett, weil
E-Mail-Verkehr
wurden isokalorische Test-Essen verab-
dadurch im Bezug auf 1000 kJ der Gehalt
sei
sinngemäß
zitiert:
Jacob LM, Weis N. Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen? Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2012; 44: 154–161
[3] jedoch nicht untersucht wurden.
insgesamt 442.101 Teilnehmern erhöhte
eine 7,3 Jahre höhere Lebenserwartung im
Protein niedriger ist und die Magenentlee-
rotes Fleisch das Diabetesrisiko am stärks-
Vergleich zur kalifornischen Bevölkerung.
rung verlangsamt wird. Das bedeutet nun
ten [19]. Selbst nachdem bekannte Risiko-
Dies wurde jetzt noch deutlich übertrof-
keineswegs, dass viel Fett gesund ist, wie
faktoren (Alter, BMI und andere Lebens-
fen. Seit 2002 läuft die unabhängige Ad-
bereits im Artikel ausführlich thematisiert
stil- und Ernährungsfaktoren) statistisch
ventist Health Study-2, welche vom Na-
wurde. Ein Hauptdiagnosekriterium für
berücksichtigt worden waren, führten täg-
tional Cancer Institute, National Institutes
metabolisches Syndrom sind erhöhte Tri-
lich 100 g rotes, unverarbeitetes Fleisch zu
for Health, US-Landwirtschaftministerium
glyzeride, die auch ein klassischer Begleit-
einem 19 % höheren Risiko. Bereits täglich
und World Cancer Research Fund finan-
faktor bei Diabetes mellitus Typ 2 sind.
50 g verarbeitetes Fleisch erhöhte das Dia-
ziert wird.
Die Kausalitäten sind aber komplexer und
betesrisiko um 51 %. Wer dagegen Fleisch
Am 7. Oktober 2012 präsentierte der
nicht linear. Ebenso wenig empfehlens-
mit Nüssen ersetzte, senkte sein Diabetes-
leitende Wissenschaftler und Arzt, Gary E.
wert ist der Ersatz von Kohlenhydraten
risiko um 21 %; wer es mit Vollkornproduk-
Fraser, die Zwischenergebnisse der Studie
durch tierisches Protein, bei dem bereits
ten ersetzte, sogar um 23 %. Einem Krebs-
auf der Konferenz & Expo für Lebensmittel
in Deutschland eine deutliche Überversor-
patienten zu „unbegrenzt“ Fleisch und
und Ernährung an der Akademie für Er-
gung vorliegt (vgl. Nationale Verzehrsstu-
Wurstwaren zu raten, fördert nicht nur
nährung und Diätetik: Die männlichen
die II).
Krebs, sondern auch die Entwicklung einer
Vegetarier der Adventisten werden durch-
Insulinresistenz und Hyperinsulinämie.
schnittlich 83,3 Jahre alt und die vege-
Was sind die wesentlichen
Ursachen von Hyperinsulinämie,
Insulinresistenz und Diabetes?
Betrachten wir zum Vergleich das
tarisch-lebenden Frauen 85,7 Jahre – das
komplette Gegenteil zu den Empfehlungen
sind 9,5 beziehungsweise 6 Jahre länger
der ketogenen Diät auf der Basis von gro-
als die restliche kalifornische Bevölkerung,
ßen Langzeitstudien: Pflanzenköstler ha-
erklärte Fraser. In der Adventist Health
In dem kritisierten Buch von Frau Prof.
ben ein deutlich geringeres Risiko, eine In-
Study 2 [24] mit 15.200 Männern und
Kämmerer heißt es (S. 33): „Die Parallelen
sulinresistenz zu entwickeln [11, 15, 25].
26.187 Frauen hatten sogar gesundheits-
zwischen Diabetikern und Krebskranken
Die pflanzliche Ernährungsweise führt ins-
bewussten Mischköstler im Vergleich zu
fielen Medizinern schon vor über 100 Jah-
gesamt zur Downregulation der Insulin-
reinen Pflanzenköstlern (Veganern) ein
ren auf.“ Das stimmt, nur die Schlussfolge-
sekretion und senkt die frei verfügbaren
noch vierfach höheres Diabetesrisiko. Bei
rung ist falsch. Insgesamt wird im Buch
IGFs (Insulin-like Growth Factor = insulin-
den untersuchten Adventisten, die insge-
behauptet, man könne durch eine protein-
ähnliche Wachstumsfaktoren) deutlich ab.
samt großen Wert auf eine gesunde Er-
und fettreiche sowie kohlenhydratarme
Pflanzliche Proteine haben zwar günsti-
nährung legen, ergab sich bereits nach
Ernährung Hyperinsulinämie und Insulin-
gere Effekte in Bezug auf Insulinaus-
zwei Jahren folgendes Bild: Diabetes wur-
resistenz als Vorstufe von Diabetes ver-
schüttung und freie IGFs, jedoch fällt
de von nur 0,54 % der Veganer, von 1,08 %
meiden. Die Epidemiologie spricht jedoch
beim Studium der Ältesten von Okinawa
der Ovolaktovegetarier, von 0,92 % der
eine andere Sprache:
deren insgesamt relativ proteinarme Er-
Menschen mit sehr geringem Fleischkon-
Fälschlicherweise werden Kohlenhyd-
nährung (39 g Gesamtprotein, davon ext-
sum, von 1,29 % der Fisch essenden Vege-
rate für die Insulinresistenz, Hyperinsulin-
rem wenig Tierprotein) auf. Allen et al.
tarier sowie von 2,12 % der Nicht-Vegeta-
ämie und deren Endstadium Diabetes mel-
fanden in zwei Studien mit Veganern,
rier entwickelt.
litus Typ 2 verantwortlich gemacht. Diese
Vegetariern und Normalköstlern heraus,
Weitere
spielen jedoch im Vergleich mit tierischem
dass Veganer über deutlich niedrigere
Health Study 2:
Protein und Fett eine untergeordnete Rol-
IGF-1-Konzentrationen
"
le. In der EPIC-Studie mit 38.094 nieder-
verfügen [1, 2].
als
Mischköstler
Ergebnisse
der
FORSCHUNG
an insulinogenen Kohlenhydraten und
Adventist
Veganer (reine Pflanzenköstler) sind
im Durchschnitt 13,6 kg leichter als
ländischen Teilnehmern [23] wurden in
Die neusten Ergebnisse der Adventis-
einem Follow-up von 10 Jahren die Risiken
ten-Gesundheitsstudie 2 (Adventist Health
einer Diabeteserkrankung bestimmt: Tier-
Study-2) mit 96.000 Teilnehmern aus den
protein führte zu einem 118 % höheren
USA und Kanada bestätigen, dass die Vege-
Risiko (höchstes versus niedrigstes Quar-
tarier unter den Adventisten inzwischen
til), Pflanzenprotein zeigte keine Korrela-
die im Durchschnitt am längsten lebende,
tion. Dagegen führte eine hohe glykämi-
wissenschaftlich
sche Last nur zu einer Risikoerhöhung
rungsgruppe der Welt darstellen. Die Ad-
von 27 %, hohe GI-Werte in der Ernährung
ventist Health Study ist eine Serie von
untersuchte
Nicht-Vegetarier.
"
Veganer haben einen um 5 Einheiten
niedrigeren BMI als Nicht-Vegetarier.
"
Vegetarier und Veganer sind weniger
insulinresistent als Nicht-Vegetarier.
"
Bevölke-
Veganer haben am wenigsten Bluthochdruck und das geringste Risiko
für Typ-2-Diabetes.
"
Die Blutwerte von C-reaktivem Prote-
um 8 %. Ballaststoffe senkten sogar das
Studien der Loma Linda Universität aus
in, IGF-1 und Insulin waren bei Vege-
Risiko um 8 %, besonders viele Kohlenhyd-
Kalifornien. Bereits in den 1970er- und
tariern niedriger.
rate erhöhten es nur um 15 %, Stärke um
1980er-Jahren wurde gezeigt, dass Vege-
25 %. In einer anderen großen Metaanalyse
tarier länger leben als Nicht-Vegetarier:
Diese Aufführungen bedeuten nicht im
der Harvard School of Public Health mit
Frauen hatten eine 4,4 Jahre und Männer
Umkehrschluss, dass eine vegane Ernäh-
Jacob LM, Weis N. Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen?
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2012; 44: 154–161
159
rung für jeden Krebskranken geeignet ist.
wusstsein für das Problem der Überver-
So kann in der Kachexie eine anabole Er-
sorgung mit Zucker und ungesunden Koh-
auf Glukose-, Protein- und Fettsäurestoff-
nährung mit Milchprotein und Leinöl, wie
lenhydraten zu schärfen – auch wenn ihre
wechsel wirklich entsprechen und gleich-
sie Budwig erfand, wirkungsvoll sein.
bisherigen Lösungsansätze nicht empfeh-
zeitig vor allem ernährungswissenschaft-
lenswert sind.
lich differenziert und dauerhaft gesund
Während Dean Ornish in zwei Lebens-
FORSCHUNG
Tumor aushungern?
sind.
stilinterventionsstudien auf der Basis von
Frau Prof Kämmerer kritisiert den Satz:
pflanzlicher Vollwertkost ordentliche kli-
„Die These, eine „ketogene Diät“ könne
nische Beweise vorgelegt hat, dass sich
den Tumor „aushungern“ und das Überle-
die komplexe Tumorgenetik bei Prostata-
ben verlängern, ist wissenschaftlich nicht
krebskranken in der Rebiopsie sehr güns-
belegt.“ Sie verweist mit Recht auf einen
tig verändert hat und das Fortschreiten
Satz in ihrem Buch: „Eine ketogene Diät ist
der Krebserkrankung in einer zweijährigen
weder eine Anti-Krebs-Diät noch eine The-
klinischen Studie über mindestens zwei
Dr. med. Ludwig Manfred Jacob
rapie noch »die Lösung« des Krebsproblems.
Jahre verzögert worden ist, fehlt der keto-
E-Mail: [email protected]
Viele Konzepte zur Heilung argumentieren
genen Diät die klinische Evidenz.
von
Besonders problematisch ist, dass sich
Krebszellen. Solch ein echtes Aushungern
das Laienbuch „Krebszellen lieben Zucker
von Krebszellen mit einer wie auch immer
– Patienten brauchen Fett“ auf die angese-
gearteten Diät zu versprechen, ist nach
hene Universität und Frauenklinik Würz-
derzeitigem Wissensstand unseriös.“
burg bezieht, obwohl höchste wissen-
mit
dem
»selektiven
Aushungern«
Wir entschuldigen uns, dass uns dieser
schaftliche Gremien zu ganz anderen
Satz entgangen ist, doch bezog sich unser
Ratschlägen kommen und sich auch die
Artikel nicht in erster Linie auf das kriti-
Deutsche Krebsgesellschaft kritisch dazu
sierte Buch, sondern auf die Auswirkun-
äußert. Auch scheinen die in der Würzbur-
gen der ketogenen Diät bei Krebskranken.
ger Studie involvierten Hausärzte mit der
Leider ist genau dieser Glaube bei den Pa-
Betreuung von ketogen ernährten Krebs-
tienten weit verbreitet, weil er jahrelang
kranken
suggeriert worden ist. Wir finden es sehr
Hb1Ac-Werte und 40 % der Triglyzeride
überfordert,
wenn
40 %
der
gut, dass sich Kämmerer, Knoll und Schlat-
nicht auswertbar sind, weil der Eingangs-
terer davon
ändert
oder Endwert fehlt. Dies ist besonders
nichts an ihren ungesunden Ernährungs-
ungünstig, weil die Trigylzeride in nur
empfehlungen und an dem Gesamtein-
drei Monaten im Schnitt um 55 % anstie-
druck, den das Buch ergibt. Wir setzen
gen.
distanzieren.
Das
das Zitat von Frau Prof. Kämmerer aus ih-
Es sei die Frage erlaubt: Wo sind nach
rem Buch direkt fort (S. 184): „Warum
all diesen Jahren die klinischen Beweise,
dann eine ketogene Diät? Weil diese Er-
die eine ausreichende Evidenz hätten, sol-
nährung
unterstützende
che Behauptungen und Ernährungsvor-
Maßnahme ist. Sie stärkt Ihren Körper und
schläge gegenüber Laien zu rechtfertigen
kann eventuell sogar das Krebswachstum
und zu propagieren? Dafür sind mindes-
verhindern.“ Dieser Satz ist eine pure Be-
tens Laufzeiten von 1–2 Jahren notwendig,
hauptung.
nicht drei Monate. Es wird Zeit nach der
eine
wichtige
Seit Jahren wird nun die ketogene Diät
Evidenz zu schauen, nicht nach der Be-
propagiert, und nicht erst durch Prof.
hauptung, die am lautesten verkündet
Kämmerer, die den klinischen Beweis für
wird. Es wird Zeit, Ernährungsvorschläge
diese Behauptung schuldig bleibt. Eine
zu entwickeln, die Tumorart und Tumor-
Vorreiterrolle kommt hierbei Dr. Johannes
Coy zu, der durch die Entdeckung von
TKTL1 einen echten wissenschaftlichen
Beitrag leistete. Der Titel seines Buches
lautet: „Die neue Anti-Krebs-Ernährung:
Wie Sie das Krebs-Gen stoppen“ [7].
Gleichzeitig sind die Bemühungen von
Weitere ausführliche Informationen
zur Bedeutung von Fetten zur Energiegewinnung und Kritik an der
Würzburger Studie finden Sie unter
www.drjacobsweg.eu unter dem
Menüpunkt „Ketogene Diät“.
Kämmerer und Coy zu begrüßen, das Be-
160
stoffwechsel multidimensional in Bezug
Jacob LM, Weis N. Ketogene Diät: Mehr Schaden als Nutzen? Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2012; 44: 154–161
online:
http://dx.doi.org/10.1055/s-0032–1314729
Korrespondenzadressen
Dr. med. Nicole Weis
E-Mail: [email protected]
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