Institut für Allgemeine Wirtschaftsforschung Abteilung Internationale Wirtschaftspolitik Prof. Dr. G. Schulze Jahreskurs Mikroökonomie Teil 2 – Sommersemester 2004 Vorlesungsfolien 29.04.2004 Nicholson, Walter, Microeconomic Theory Kapitel 15 XV/1 Einstieg in die Wohlfahrtsökonomie In den vorangegangen Kapiteln haben wir uns u.a. mit Konsumentenund Produzentenrente beschäftigt. In Grafik 15.1 werden beide als die Fläche zwischen Angebots- und Nachfragefunktion, Gleichgewichtspreis und der Preisachse dargestellt. Ihre Summe ist ein Maß für Wohlfahrt. Die Wohlfahrt im Marktgleichgewicht unter vollständiger Konkurrenz dominiert jede andere Allokation. Siehe Grafik 15.1 Wohlfahrtsverlust durch Preiserhöhung. XV/2 Grafik 15.1: Produzenten- und Konsumentenrente Konsumentenrente Produzentenrente XV/3 Quelle: Nicholson (2002), Microeconomic Theory: Basic Principles And Extensions, S.403 Mathematischer Beweis: Wohlfahrt = Konsumente nrente + Produzente nrente Q = [U (Q) − PQ ] + PQ − ∫ P(Q)dQ 0 Q = U (Q) − ∫ P (Q )dQ 0 U(Q) beschreibt die Nutzenfunktion eines repräsentativen Konsumenten und P(Q) die inverse Angebotsfunktion. Überdies gilt P(Q)=DK=GK entlang der langfristigen Angebotskurve. Wir wollen die Wohlfahrt maximieren und leiten daher nach Q ab: U ' (Q ) = P (Q ) = DK = GK XV/4 Bsp 15.1: Wohlfahrtseinbußen durch Mengenbeschränkungen Gegeben seien die linearen Nachfrage- und Angebotsfunktionen: QD = 10 − P QS = P − 2 Es ergibt sich das Konkurrenzgleichgewicht zu: QD = QS P ∗ = 6 und Q ∗ = 4 Wird der Output, zum Beispiel per Gesetz auf Q=3 beschränkt, so werden nur 3 Mengeneinheiten angeboten und es entsteht eine Lücke zwischen der Preisforderung der Anbieter... PS = 2 + Q = 2 + 3 = 5 XV/5 ...und der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten: PD = 10 − Q = 10 − 3 = 7 Unser Wohlfahrtsverlust ist dann: PD − PS = 7 − 5 = 2 Basis des Dreiecks Q∗ − Q = 4 − 3 = 1 Höhe des Dreiecks 1 ⋅ 1⋅ 2 = 1 2 (vgl. Grafik 15.1) XV/6 Die Annahme konstanter Elastizität der Angebots- und Nachfragekurven ist etwas realistischer: QS = 1,3P QD = 200P −1, 2 Das Marktgleichgewicht liegt in diesem Fall bei: P ∗ = 9,87 und Q ∗ = 12,8 Wird jetzt Q restringiert auf Q = 11 , so ergibt sich 11 PD = 200 − 1 1, 2 = 11,1 XV/7 und 11 PS = = 8,46 1,3 Näherung des Wohlfahrtsverlustes ist ( ) 1 (PD − PS ) Q∗ − Q = 2,38 2 XV/8 Höchstpreise und Überschussnachfrage In der Ausgangssituation sei bei P = P1 und Q = Q1 der Markt geräumt. Nun steige die Nachfrage, das heißt die Kurve verschiebt sich von DD nach D‘D‘. Kurzfristig: Langfristig: Reaktion ohne Preiskontrolle Preisanstieg auf P2 (kurzfristige Angebotskurve) gehandelte Menge Q2 Markteintritt und Mengenausweitung auf Q3 Preis sinkt wieder auf P3 (> P1 ) XV/9 Reaktion mit Preisobergrenze P1 Es wird weiterhin Q1 angeboten, zu P1 . Allerdings wird nun Q4 nachgefragt. Nachfrageüberschuss (Q4 − Q1 ) XV/10 Grafik 15.2:Mindestpreise und Überschussnachfrage Q2 XV/11 Quelle: Nicholson (2002), Microeconomic Theory: Basic Principles And Extensions, S.406 Langfristige Wohlfahrtswirkung der Preisobergrenze Vergleich von (P1 ,Q1 ) und (P3 ,Q3 ) bei Nachfragekurve D‘D‘ àAuswirkung auf die Produzentenrente: Verlust der Fläche P1 P3 E ' E àAuswirkung auf die Konsumentenrente: Verlust des Dreiecks ACE‘, aber Gewinn der Fläche P1 P3CE (aus der Produzentenrente) àAuswirkung auf die gesamte Wohlfahrt Das hell hinterlegte Dreieck EE' A geht verloren, während das dunkel hinterlegte Quadrat P1 ECP3 nur von den Produzenten an die Konsumenten umverteilt wird. XV/12 Verhalten der Marktakteure im Ungleichgewicht Überschuss nachfrage (Q4 − Q1 ) Zwang zur Rationierung entweder durch Zuteilung (bürokratisch, z.B. Lebenmittelmarken) oder durch Windhundverfahren (Schlange stehen) à Knappheitsrente in Höhe von AE in Grafik 15.2 Folgen: 1.Anreiz zur Korruption bei bürokratischer Allokation à Zuteilender und Konsument teilen sich die Knappheitsrente XV/13 2.Anreiz zur Ausbildung eines Schwarzmarktes Anbieter lenken Angebot vom offiziellen, regulierten Markt um in den Schwarzmarkt, bei dem sie höhere Preise erzielen können (zunächst P1 + AE ) à Tendenz zur Produktionsausweitung Sowohl Korruption als auch Schwarzmarkt verursachen reale Kosten, da Kosten der Verschleierung anfallen und das Preissystem seine Allokationsfunktion nicht einwandfrei wahrnehmen kann. XV/14 Wirkungen von Steuern (Inzidenzanalyse) 2 Formen: Wertsteuer = Steuer als Anteil am Wert des Gutes Mengensteuer = Steuer pro Stück Mengensteuer treibt einen Keil zwischen Konsumentenpreis PD und Produzentenpreis PS der Form PD − PS = t Zur Analyse geringer Preis- und Steuersatzänderungen leiten wir ab: dPD − dPS = dt Im Marktgleichgewicht gilt: dQD = dQS bzw. DP dPD = S P dPS XV/15 Es gilt dann: DP dPD = S P dPS = S P ( dPD − dt) und: S P ⋅ QP dPD SP εS = = = P P dt S P − DP S P ⋅ Q − DP ⋅ Q ε S − ε D (*) Wobei ε für die Angebots- bzw. Nachfrageelastizität stehen. Analog ergibt sich: dPS εD = dt ε S − ε D (#) Wir wissen, dass die Preiselastizität der Nachfrage kleiner oder gleich Null ist und für die Preiselastizität des Angebots das Gegenteil gilt, XV/16 also: dPD ≥0 dt dPS ≤0 dt Die Steuerwirkungen hängen also von den Elastizitäten von Angebot und Nachfrage ab. Ist ε D = 0 (unelastische Nachfrage), dann gilt dPD / dt = 1 , so dass die Steuer in vollem Umfang von den Anbietern auf die Nachfrager überwälzt wird. Im anderen Extremfall: ε D = −∞; dPS / dt = −1 muss die Steuer von den Anbietern getragen werden. XV/17 dPs / dt εD − =− dPD / dt εS Um festzustellen, wer stärker durch die Steuer betroffen ist, teilen wir (*) durch (#). Diejenige Marktseite, deren Elastizität (absolut gesehen) kleiner ist, trägt den höheren Anteil der Steuerlast. (siehe Grafik 15.3) XV/18 Grafik 15.3: Inzidenzproblem XV/19 Quelle: Nicholson (2002), Microeconomic Theory: Basic Principles And Extensions, S.409 S' P P t S S PD P∗ bzw. PS PD P∗ PS t D Q ∗∗ Q ∗ Q D' Q ∗∗ Q ∗ D Q Beide Analysen sind identisch, im Gleichgewicht gilt: QD ( PD ) = QS ( PD − t ) bzw. QD ( PS + t ) = QS ( PS ) PD (Q ∗∗ ) = PS (Q ∗∗ ) + t XV/20 Spezialfälle a) ε D = 0 unelastische Nachfrage P b) ε D = −∞ D P PD P ∗ = PS Q PD = P ∗ D PS D' Q ∗∗ Q ∗ Q P*: Gleichgewichtspreis ohne Steuererhebung Q*(Q**): gleichgewichtige Menge ohne (mit) Steuererhebung XV/21 Deadweight Loss Lineare Approximation des „Dreiecks“ FGE in Grafik 15.3 ergibt einen Wohlfahrtsverlust von DW = −0,5( dt )(dQ) Unter Anwendung der Definition der Elastizität erhalten wir dann: dQ = ε D dPD ⋅ Q0 / P0 wobei Q0 / P0 Vorsteuermenge und –preis beschreiben. dP εS = da aber gilt (siehe oben) dt ε S − ε D dQ = ε D (ε S / (ε S − ε D )) ⋅ dt ⋅ Q0 / P0 2 dt DW = −0,5 (ε D ε S / (ε S − ε D ))P0 ⋅ Q0 P0 XV/22 Bsp 15.2: Deadweight Loss durch Steuern Wir greifen unser Beispiel 15.1 wieder auf, in dem wurde die Autoproduktion von 12,8 auf 11 Millionen reduziert. Diese Verringerung entspricht dem Effekt einer Steuer von 2.640 €. Unsere Elastizitäten waren ε D = −1, 2 und εS = 1,0 und die Ausgaben für Autos waren 126 Milliarden. 2 2,64 DW = 0,5 (1,2 / 2,2)(126) = 2, 46 9,87 XV/23 Transaktionskosten Analog: Keil zwischen Konsumenten- und Produzentenpreis durch Transaktionskosten z.B. Maklergebühren bei Immobilienkäufen oder Courtagen im Wertpapierhandel. Auch hier ist die Aufteilung der Gebühren zwischen Nachfrager und Anbieter abhängig von den Elastizitäten. Fallen die Transaktionskosten unabhängig vom Transaktionsvolumen an, so versuchen die Individuen die Anzahl ihrer Transaktionen zu vermindern. Das Marktgleichgewicht hingegen bleibt bestehen. Fallen beispielsweise für die Fahrt zum Supermarkt hohe Kosten an, so sind Individuen bestrebt seltener einzukaufen, die nachgefragte Menge selbst wird aber nicht verringert, sondern auf weniger Transaktionen aufgeteilt. XV/24 Auswirkungen auf die Eigenschaften der Transaktionen Je nach Art und Ausgestaltung einer Steuer kann sie einzelne oder mehrere Dimensionen der Nachfrage beeinflussen. So könnte eine Mengensteuer Produzenten dazu veranlassen, die Qualität ihrer Produkte zu verbessern. Hohe Fahrtkosten zum Einkauf im Supermarkt hätte vielleicht zur Folge, dass höhere Lagerhaltung betrieben wird. XV/25 Gewinne aus Außenhandel Kleine offene Volkswirtschaft ∗ ∗ Autarkiegleichgewicht E0 : P , Q Freihandelsgleichgewicht E1 Kleine offene Volkswirtschaft: Handel zum gegebenen Weltmarktpreis PW Heimische Produktion:Q2 Heimischer Konsum: Q1 Importierte Menge:Q1 − Q2 Wohlfahrtsbetrachtung: Übergang zu Freihandel Verlust an Produzentenrente PW AE0 P ∗ Gewinn an Konsumentenrente PW E1 E0 P ∗ Wohlfahrtsgewinn aus Freihandel AE1 E0 XV/26 Grafik 15.4: Wohlfahrt und internationaler Handel XV/27 Quelle: Nicholson (2002), Microeconomic Theory: Basic Principles And Extensions, S.413 Importzölle (Wertzoll τ ) Heimischer Preis erhöht sich auf PR = PW (1 + τ ) Wirkung: Rückgang des Konsums von Q1 auf Q3 Anstieg der heimischen Produktion von Q2 auf Q4 Rückgang der Importe von Q1 − Q2 auf Q3 − Q4 Wohlfahrtswirkungen Erhöhung der Produzentenrente um PW ABPR Rückgang der Konsumentrente um PW E1E2 PR Zolleinnahmen CDE 2 B Wohlfahrtsverlust: Harberger Dreiecke ACB + DE1 E2 à deadweight loss XV/28 Grafik 15.5: Einfuhrzölle XV/29 Quelle: Nicholson (2002), Microeconomic Theory: Basic Principles And Extensions, S.414 Quantitative Beschreibung des Wohlfahrtsverlustes Einfuhrzoll: PR = (1 + t )PW die Nachfrageänderung ist Q3 − Q1 PR − PW = ⋅ ε D = tε D Q1 PW Und die Flächen der beiden Dreiecke ergeben sich zu: DW1 = 0,5( PR − PW )(Q1 − Q3 ) = −0,5t 2εD PW Q1 DW2 = 0,5( PR − PW )(Q4 − Q2 ) = −0,5t 2εS PW Q2 XV/30 Bsp 15.3: Einfuhrzölle Gegeben wieder die Nachfrage- und Angebotsfunktionen: QD = 200 P −1, 2 QS = 1,3P Unser Marktgleichgewicht ist dann: P ∗ = 9,87 und Q ∗ = 12,8 Betrage der Weltmarktpreis des Gutes 9 €, so veränderten sich angebotene und nachgefragte Menge auf: QS = 11,7 QD = 14,3 Es käme also zum Import von 2,6 Mengeneinheiten des Gutes. XV/31 Importzoll Die Produzenten seien in der Lage Druck auf die Regierung auszuüben, so dass der Import dieses Gutes mit einem Stückzoll von τ = 0,5 belegt wird. Der Preis steigt also auf 9,50 und damit die angebotene Menge auf 12,4. Die neue nachgefragte Menge sinkt auf 13,4. Damit ergibt sich ein Deadweight Loss von 0,4. DW1 = 0,5(0,5)(14,3 − 13,4) = 0,225 DW2 = 0,5( 0,5)(12, 4 − 11,7 ) = 0,175 ∑ DW = 0,4 XV/32