Angststörungen im Kindes-‐ und Jugendalter

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16.12.11
Angststörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Janet Mandler Seminar: Kinder-­‐ & Jugendlichenpsychotherapie im Master-­‐Studiengang Psychologie Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes-­‐ und Jugendalters & Ausbildungsins>tut für Kinder-­‐ und Jugendlichenpsychotherapie am Klinikum der Universität zu Köln www.akip.de Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 l  F93.0 Emo>onale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters l  F93.1 Phobische Störung des Kindesalters l  F93.2 Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters l  F40.0 Agoraphobie l  F40.1 Soziale Phobien l  F40.2 Spezifische (isolierte) Phobien l  F41.0 Panikstörung l  F41.1 Generalisierte Angststörung l  F41.2 Angst und depressive Störung gemischt © J. Mandler
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Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F93.0 Emo3onale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters l  Unrealis>sche und anhaltende Besorgnis, der Bezugsperson könne etwas zustoßen oder der/die Betroffene könne durch unglückliche Ereignisse von der Bezugsperson getrennt werden l  Andauernder Widerwille oder Weigerung, zur Schule/zum Kindergarten zu gehen oder woanders zu schlafen, um bei der Bezugsperson oder zu Hause bleiben zu können l  Anhaltende, unangemessene Angst davor, allein oder ohne eine Hauptbezugsperson zu Hause zu sein l  Wiederholte Alpträume, die Trennung betreffend l  Wiederholtes Au`reten soma>scher Symptome vor oder während der Trennung l  Extremes und wiederholtes Leiden in Erwartung, während oder unmicelbar nach der Trennung von einer Hauptbezugsperson (z.B. Unglücklichsein, Schreien, Wutausbrüche, Anklammern). © J. Mandler
Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F93.1 Phobische Störung des Kindesalters l  Abnorm gesteigerte Furcht vor alterstypisch angstbesetzten Objekten oder Situa>onen l  Der Beginn liegt in der entwicklungsangemessenen Altersstufe l  Ausgeprägtes Vermeidungsverhalten gegenüber solchen Objekten oder Situa>onen l  Die Angst ist nicht Teil einer generalisierten Störung. © J. Mandler
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Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F93.2 Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters l  durchgängige oder wiederkehrende altersunangemessene Furcht vor Fremden und Vermeidung l  Dieses Verhalten führt zu einer bedeutsamen sozialen Beeinträch>gung. l  Die Störung beginnt vor dem sechsten Lebensjahr und ist nicht Teil einer generalisierten Störung. © J. Mandler
Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F40.0 Agoraphobie l  Hauptmerkmal ist die Angst, sich an Orten oder in Situa>onen zu befinden, von denen aus ein Rückzug an einen sicheren Platz, im Allgemeinen nach Hause, schwierig oder peinlich ist. l  Die Angst muss in mindestens 2 der folgenden umschriebenen Situa>onen au`reten: In Menschenmengen, auf öffentlichen Plätzen, bei Reisen mit weiter Enhernung von zu Hause oder bei Reisen alleine. l  Die Vermeidung der phobischen Situa>on ist wesentlich. © J. Mandler
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Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F40.1 Soziale Phobien l  Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen in verhältnismäßig kleinen Gruppen (nicht dagegen in Menschenmengen). l  Überzeugung oder Erwartung, dass das eigene Verhalten oder körperliche Symptome von anderen Menschen als peinlich bewertet werden. l  Die Angst ist auf bes>mmte soziale Situa>onen beschränkt oder überwiegt in solchen Situa>onen. l  Gefühle von Angst und Scham, körperliche Anspannung und starke Vermeidung von Situa>onen, in denen eine Konfronta>on mit dieser nega>ven Bewertung möglich ist. l  Angstreak>on bei Kindern in Form von Weinen, Wutausbrüchen, Erstarren oder durch Klammern an vertraute Personen l  Ggf. Stocern, geringer Augenkontakt, Nägelkauen und Zicern der S>mme l  Jugendliche erleben möglicherweise panikar>ge Symptome. Sie glauben häufig, dass ihre sichtbaren körperlichen Reak>onen ihre verborgenen Gefühle erkennen lassen © J. Mandler
Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F40.2 Spezifische (isolierte) Phobien l  Die Angst bezieht sich isoliert auf bes>mmte Objekte oder spezifische Situa>onen. l  Diese Objekte oder Situa>onen werden vermieden. l  Spezifische Phobien entstehen gewöhnlich in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter und können unbehandelt jahrzehntelang bestehen. l  Unterteilung in Subtypen: à  Tier-­‐Typus (z.B. Hunde, Insekten) à  Naturgewalten-­‐Typus (z.B. Sturm, Gewicer) à  Blut-­‐Injek>on-­‐Verletzungs-­‐Typus à  Situa>ver Typus (z.B. Fahrstuhl, Tunnel, Flugzeug) à  Anderer Typus © J. Mandler
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Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F41.0 Panikstörung l  Au`reten wiederholter Panikacacken mit weitgehend angshreien Intervallen l  Eine Panikacacke ist eine klar abgrenzbare Episode von intensiver Angst oder Unbehagen, bei der die nachfolgend genannten Symptome abrupt au`reten und innerhalb weniger Minuten ein Maximum erreichen können: Herzklopfen, Schwitzen, Zicern, Mundtrockenheit, Ers>ckungsgefühl, Hyperven>la>on, Brustschmerz oder Beklemmungsgefühl, Übelkeit oder Magen-­‐Darm-­‐Beschwerden, Schwindel, Enhremdungsgefühle, Angst vor Kontrollverlust, Angst verrückt zu werden/zu sterben, Hitzegefühle oder Kälteschauer. l  Die intensive Angst führt meist zum fluchtar>gen Verlassen des Ortes. l  Die Situa>on, in der eine Panikacacke au`ric, wird danach häufig vermieden. l  Einer Panikacacke folgt meist die ständige Furcht vor einer erneuten Acacke. © J. Mandler
Klassifika>on von Angststörungen nach ICD 10 F41.1 Generalisierte Angststörung l  generalisierte und anhaltende Angst, die sich nicht auf bes>mmte Situa>onen in der Umgebung beschränkt, sondern frei flomert l  Symptome von Angst treten an den meisten Tagen über eine Dauer von mindestens mehreren Wochen auf: übertriebene Sorgen bezüglich alltäglicher Ereignisse und Probleme wie die Schul-­‐ oder Arbeitssitua>on; Sorgen über zukün`iges Unglück; Schwierigkeiten, die Sorgen zu kontrollieren © J. Mandler
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Prävalenzen für Angststörungen im Kindesalter Für alle Formen der Angststörungen zusammen wird eine Prävalenz von ca. 15 % angenommen. l  Trennungsangst: 1,3 – 5,4 % l  Soziale Phobie: 1 – 7,6 % l  Spezifische Phobie: 1,9 – 3,5 % l  Generalisierte Angststörung: 0,4 – 3,7 % l  Panikstörung: 0,5 – 1,7 % Im Kindesalter zeigen sich keine Geschlechterunterschiede, im Jugendalter sind Mädchen häufiger von Angststörungen betroffen. Lit.: Petermann, U. (2002). Angststörungen. In: Petermann, F.: Lehr-­‐
buch der Klinischen Kinderpsychologie und -­‐psychotherapie. Hogrefe
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Komorbidität Ca. 30 % der Kinder mit Angststörungen entwickeln weitere psychische Störungen, z.B.: l  Andere Angststörungen l  Somatoforme Störungen l  Depression l  Substanzmissbrauch l  Aufmerksamkeitsdefizit-­‐/Hyperak>vitätsstörung l  Zwangsstörung l  Essstörung l  Selek>ver Mu>smus © J. Mandler
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Ä>ologie Erklärungsansätze für die Entstehung von Angststörungen Biologische Faktoren Psychische Faktoren Soziale Faktoren Biopsychosoziales Entwicklungsmodell © J. Mandler
Ä>ologie: Biopsychosoziales Entwicklungsmodell (1) Biologische Faktoren Gene>sche und physiologische Faktoren des Kindes l  geschlechtsspezifische hormonelle Prozesse l  Verhaltenshemmung als frühes und stabiles Temperamentsmerkmal Ø  stark erhöhtes sympathisches Erregungsniveau Ø  Rückzugsverhalten Lit.: Petermann, U. (2002). Angststörungen. In: Petermann, F.: Lehr-­‐
buch der Klinischen Kinderpsychologie und -­‐psychotherapie. Hogrefe
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Ä>ologie: Biopsychosoziales Entwicklungsmodell (2) Psychische Faktoren Kogni>ve und emo>onale Faktoren l  Kogni>ve Merkmale: Wahrnehmung und soziale Informa>onsverarbeitung, ungüns>ge Kausalacribu>on, nega>ve soziale Erwartungen, hohe Selbstaufmerksamkeit, intensive Sorgen und Befürchtungen, irra>onale Gedanken l  Faktoren des Kindes auf der Basis lernpsychologischer Mechanismen, z.B. Kondi>onierungsprozesse: Mangel an posi>ver Verstärkung, Verstärkerentzug und Bestrafung, klassisches Kondi>onieren l  Fähigkeit zur Emo>onsregula>on: Selbstberuhigung durch erhöhtes physiologisches Erregungsniveau erschwert Lit.: Petermann, U. (2002). Angststörungen. In: Petermann, F.: Lehr-­‐
buch der Klinischen Kinderpsychologie und -­‐psychotherapie. Hogrefe
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Ä>ologie: Biopsychosoziales Entwicklungsmodell (3) Soziale Faktoren Familiäre und umweltbezogene Faktoren l  Psychische Gesundheit der Eltern (Wahrscheinlichkeit, eine Angst-­‐
störung zu entwickeln, ist z.B. um das 7-­‐fache erhöht, wenn Eltern eine Agoraphobie aufweisen) l  Erziehungskompetenz der Eltern l  Elterliche Vorbildwirkung (Modelllernen, ggf. fehlende Gelegenheit zum sozialen Lernen) l  Umgang mit nicht-­‐eindeu>gen Situa>onen l  Wenig akzep>erende Familieninterak>on l  Wechselwirkung zwischen Temperament und Erziehungskompetenz (z.B. Verstärkung von Vermeidungsverhalten) Lit.: Petermann, U. (2002). Angststörungen. In: Petermann, F.: Lehr-­‐
buch der Klinischen Kinderpsychologie und -­‐psychotherapie. Hogrefe
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Ä>ologie: Biopsychosoziales Entwicklungsmodell (4) Soziale Faktoren Familiäre und umweltbezogene Faktoren l  Kri>sche Lebensereignisse l  Soziale Herkun` (widersprüchliche Ergebnisse; jedoch vmtl. niedriger sozioökonomischer Status als Risikofaktor à höheres Ausmaß an psychosozialem Stress) Lit.: Petermann, U. (2002). Angststörungen. In: Petermann, F.: Lehr-­‐
buch der Klinischen Kinderpsychologie und -­‐psychotherapie. Hogrefe
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Interven>onsverfahren Exposi>onsbehandlungen (in vivo, in sensu, systema>sch, Flooding) Operante Ansätze (systema>sche Verstärkung) Modelllernen Kogni>ve Ansätze (Selbstbeobachtung, kogni>ve Umstrukturierung, Selbs>nstruk>on) l  Kogni>v-­‐behaviorale Therapie l  Pharmakotherapie (z.B. SSRI, Benzodiazepine) l 
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Therapiemanuale: THAZ Übersicht über das Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche mit Angst-­‐ und Zwangsstörungen (THAZ) l  umfassendes Behandlungspaket zur mul>modalen Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Angst-­‐ und Zwangsstörungen l  mit 5 Bänden konzipiert Ø  Leistungsängste (2005) Ø  Soziale Ängste (2011) Ø  Spezifische Phobien Ø  Zwangsstörungen (in Vorbereitung) Ø  Trennungsängste © J. Mandler
Referate: Therapie von Angststörungen Suhr-­‐Dachs, L., & Döpfner, M. (2005). Leistungsängste, Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche mit Angst-­‐ und Zwangsstörungen (THAZ), Band 1. Gömngen: Hogrefe. Silverman, W. K., Pina, A. A., &Viswesvaran, C. (2008). Evidence-­‐
Based Psychosocial Treatments for Phobic and Anxiety Disorders in Children and Adolescents. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 37(1), 105 -­‐ 130. © J. Mandler
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THAZ Leistungsängste: Defini>on Leistungsangst l  Leistungsangst ist eine extrem ausgeprägte Angst vor einem schlechten Abschneiden in Test-­‐ und Prüfungssitua>onen (z.B. Klassenarbeiten schreiben, aufgerufen werden, etwas vortragen) l  Vor der Leistungssitua>on können vorkommen: Ø  Gedrückte S>mmung Ø  Nervosität / Innere Unruhe Ø  Muskelverspannungen Ø  Ein-­‐ und Durchschlafstörungen Ø  Durchfallneigung Ø  Magenschmerzen Ø  Übelkeit l  Die Aufnahme-­‐ und Merkfähigkeit kann bereits während der Vorbereitungsphase beeinträch>gt sein © J. Mandler
THAZ Leistungsängste: Defini>on Leistungsangst Symptome der Leistungsangst l  Physiologisch: körperliche Veränderungen, die durch das unmicelbare Bedrohungserleben ausgelöst werden (Herzklopfen, Schwitzen, Erröten, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit etc.) -­‐ (weit) vor der Situa>on und in der Situa>on l  Emo3onal: Unsicherheitsgefühle, Hilflosigkeit, depressive Vers>mmungen, Angst l  Kogni3v: Angstgedanken, Angstblockade, „Blackouts“, Beeinträch>gung des aufgabenbezogenen Denkens, Minderung der mentalen Leistungsfähigkeit während der Angst © J. Mandler
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