Filmische Einführung in die Philosophie

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Filmische Einführung in die Philosophie
WiSe 2011/12; Dozent: Benjamin Schnieder
Filmische Einführung in die Philosophie: Lektürematerial
Erste Sitzung (Philosophische Methoden)
1. Auszug aus: Platons Theaitet (Kap. 38; 200D bis 201C)
(Basierend auf der Übersetzung von Otto Apelt, mit kleinen Modifikationen)
Sokrates:
So sage denn gerade heraus und offen, was Du unter „Wissen“ verstehst?
Theaitet:
Wissensfächer sind, wie mir scheint, die Geometrie, Astronomie,
Harmonielehre und Rechtslehre. Überdies aber auch die Schusterei und die
Künste der übrigen Handwerker.
Sokrates:
Sehr ritterlich und freigiebig spendest Du, wo nur Eines verlangt wurde,
Vieles, und wo Einfaches, Mannigfaltiges.
Theaitetos:
Was meinst Du damit, mein Sokrates?
Sokrates:
Wenn Du „Schusterei“ sagst, so meinst Du damit doch nichts anderes als das
Wissen von der Herstellung der Schuhe?
Theaitetos:
Nichts anderes.
Sokrates:
Und weiter: mit der Zimmermannskunst meinst Du doch nichts anderes als das
Wissen von der Herstellung hölzerner Gerätschaften?
Theaitetos:
Nichts anderes.
Sokrates:
Bei beiden also gibst Du das an, worauf sich das Wissen in jeder von beiden
bezieht?
Theaitetos:
Ja.
Sokrates:
Die Frage aber, mein Theaitet, war nicht die, worauf das Wissen geht und wie
viele Arten es gibt. Denn nicht sie aufzuzählen war die Absicht unserer Frage,
sondern das Wesen des Wissens selbst kennen zu lernen. Oder irre ich mich?
Theaitetos:
Ganz und gar nicht.
Sokrates:
Erwäge auch folgendes: Wenn uns jemand nach dem Wesen von etwas ganz
Alltäglichem, z.B. Lehm, fragen würde, und wir antworteten ihm: Lehm der
Töpfer, Lehm der Ofensetzer und Lehm der Ziegelstreicher, würden wir uns
damit nicht lächerlich machen?
Theaitetos:
Höchstwahrscheinlich.
Sokrates:
Erstens, weil wir glaubten, dem Fragenden müsse es gleich aus unserer
Antwort verständlich sein, was wir mit „Lehm“ meinen, sei es nun mit dem
Zusatz der Puppenmacher oder sonst welcher Handwerker. Oder versteht man
wohl den Namen einer Sache, deren Wesen man nicht kennt?
Theaitetos:
Gewiss nicht.
Sokrates:
Also wer vom Wissen keinen Begriff hat, hat auch keinen Begiff vom Wissen
von den Schuhen.
Theaitetos:
Allerdings nicht.
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Sokrates:
Lächerlich also ist es, wenn man ihm als Antwort auf die Frage nach dem
Wesen des Wissens als Antwort den Namen irgendeiner Kunst nennt. Denn die
Antwort bezieht sich auf das Wissen irgendeines Gegenstandes, wonach doch
gar nicht gefragt ward.
Theaitet:
So scheint es.
Sokrates:
Zweitens führt dieses Verfahren ins Endlose, während man die Sache doch mit
einer einfachen und kurzen Antwort erledigen könnte, z.B. bei der Frage nach
dem Lehm wäre es doch naheliegend und einfach zu sagen: „Lehm ist Erde
mit Wasser gemischt“; die Art der Verwendung aber wäre ganz beiseite zu
lassen.
3. Fragen zum Text:
Im Abschnitt aus dem Theaitetos kritisiert Sokrates die Antwort des Theaitetos auf die
Frage: „Was ist Wissen?“. Er macht insgesamt drei Kritikpunkte; einen vor dem
Vergleich mit dem Lehm, und zwei im Vergleich mit dem Lehm.
a. Versuche die Kritikpunkt möglichst klar zu verstehen; sind sie überzeugend?
b. (Eng verbunden mit Aufgabe a.) Platons zweischrittige Kritik im Lehmvergleich
macht deutlich, dass er zwei Ansprüche an eine gelungene Antwort erheben
würde. Stellen Sie Platons Ansprüche in eigenen Worten möglichst kurz und
präzise dar.
4. Auszug aus: Jay Rosenberg, Philosophieren – Ein Handbuch für Anfänger
(Klostermann, 1986; S. 27–9)
Wenn es eine Grundregel philosophischen Arbeitens gibt, dann die, daß jede Ansicht, wie
abwegig sie auch sein mag, zur Diskussion gestellt werden kann, vorausgesetzt nur, ihr
Befürworter bemüht sich, sie angemessen durch Argumente zu sichern. Deshalb müssen wir
uns Argumente ansehen.
Ein einzelnes Argument kann man sich als eine Gruppe, ein Bündel oder eine Serie von
Aussagen vorstellen. Im reinsten Fall wird eine dieser Aussagen als beabsichtigte Konklusion
gekennzeichnet, weil sie die Zielüberlegung ausdrückt, die der Stützung bedarf. Andere
werden als Ausgangspunkte oder Prämissen markiert. Die Konklusion ist das, wofür
argumentiert wird, die Prämissen das, woher argumentiert wird. Die übrigen Aussagen dienen
dazu, die Verbindung zwischen den Prämissen und der Konklusion zu beleuchten oder zu
beweisen, daß, wer die Wahrheit der Prämissen anerkennt, damit verpflichtet ist, auch die
Wahrheit der Konklusion anzuerkennen (oder konsistenterweise dazu verpflichtet sein sollte).
Es gibt also eine implizite wenn—dann–Behauptung, die jedes Argument begleitet: Wenn
jemand die Wahrheit der Prämissen anerkennt, dann muss (oder sollte) er auch die Wahrheit
der Konklusion anerkennen. ein Argument, für das diese wenn-dann-behauptung selbst wahr
ist, nennt man ein schlüssiges Argument. Schlüssigkeit ist eine wenn-dann-Eigenschaft von
Argumenten. Sie ist nicht wie Wahrheit und Falschheit eine Eigenschaft einzelner
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Behauptungen oder Aussagen. Ebenso wenig kann umgekehrt ein Argument wahr oder falsch
sein, obgleich jede seiner Prämissen und seine Konklusion wahr oder falsch sein können.
Da die Prämissen, die Konklusion sowie die zwischenschritte eines Arguments alle
Aussagen sind, können sie in der für Aussagen üblichen Weise als wahr beziehungsweise
falsch bewertet werden. Wenn ein Argument schlüssig ist, dann muss es von wahren
Prämissen zu einer wahren Konklusion führen. (Das genau heißt „schlüssig“.) Einmal
angenommen, die Konklusion, zu der ein Argument geführt hat, ist nicht wünschenswert. Sie
sind nicht einverstanden damit, sind anderer Meinung. Sie glauben, daß die Konklusion
falsch, oder schlimmer, absurd ist. Und deshalb möchten Sie sie angreifen. Wie sollen Sie
dabei vorgehen?
Nun, es würde nicht ausreichen, die Konklusion einfach abzulehnen oder zu behaupten –
ja selbst zu zeigen–, daß sie falsch oder absurd ist. Philosophische Kritik mag mit einer
solchen Ablehnung beginnen, aber sie kann nicht dabei stehen bleiben. Denn philosophische
Kritik ist begründeter Einspruch, und da gibt es ein Argument, mit dem man sich
auseinandersetzen muss. Erinnern Sie sich an di Grundregel: Jede philosophische Position
muß argumentativ begründet werden. Das gilt auch für Ihren Einspruch. Um eine Konklusion
anzugreifen, ist es also nötig, den Argumentationsgang, auf den sie sich stützt, anzugreifen.
Vielleicht sind Sie fest überzeugt, daß das Argument nicht gut ist. Wie könnte es auch,
wenn es zu einer falschen oder absurden Konklusion führt? Doch überzeugt sein ist nicht
genug. Schließlich ist derjenige, der das Argument zuerst vorgebracht hat, sicherlich ebenso
überzeugt, daß alles ganz in Ordnung ist. Er kann sogar zugeben, daß die Konklusion falsch
oder paradox aussieht. „Doch“, wird er wahrscheinlich fortfahren, „das Argument verpflichtet
uns zu ihr.“ Und wenn Sie weiter auf der Absurdität der Konklusion beharren, dann muß er
höchstens zugestehen, daß das Argument uns zu einer absurden Konklusion verpflichtet. Aber
es verpflichtet uns eben immer noch. Um nun einer solchen Verpflichtung zu entgehen, muß
das Argument selbst und nicht nur die Konklusion zur Rechenschaft gezogen werden. Es
reicht nicht zu glauben, daß etwas nicht stimmt. Sie müssen herausfinden, was. Mit anderen
Worten, Sie zeigen, was an dem Argument verkehrt ist. Denn wenn an ihm nichts verkehrt ist,
wenn Sie es akzeptieren, dann sind Sie auch an seine Konklusion gebunden, wie falsch oder
absurd sie Ihnen auch weiterhin vorkommen mag. Wie also kritisiert man ein Argument?
Nun, was kann an einem Argument verkehrt sein? Wenn das Argument schlüssig ist, dann
wird es von wahren Prämissen zu einer wahren Konklusion gelangen. Wenn es Ihrer Meinung
nach zu einer falschen Konklusion geführt hat, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder
ging es nicht von wahren Prämissen aus, oder da Argument ist nicht schlüssig. Das erlaubt
uns zwei Arten von Einwänden. Wir können die Gültigkeit des Arguments in Frage stellen,
oder wir können eine der Prämissen bestreiten.
4. Fragen zum Text
a. Hat ein schlüssiges Argument immer eine wahre Konklusion?
b. Versuchen sie, ein Paradebeispiel eines schlüssigen Arguments zu geben.
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5. Themen-Blitz: Logik
1. WORUM GEHT’S?
– Generell gesprochen um die Frage, unter welchen Umständen ein Argument
schlüssig (manchmal auch: gültig, folgerichtig) ist.
2. DAZU GEHÖRT ZUNÄCHST DIE KLÄRUNG DER FRAGE:
Was genau heißt es überhaupt, dass ein Argument gültig ist?
Etwas anders gesagt: Wie kann man den Begriff eines schlüssigen Arguments definieren?
Und wie genau hängt der Begriff der Schlüssigkeit mit anderen Begriffen zusammen, wie etwa den Begriffen eines überzeugenden Arguments, eines Beweises,
der Wahrheit von Annahmen, etc.?
3. SODANN KOMMT DIE FRAGE:
Wie kann man systematisch die Schlüssigkeit von Argumenten untersuchen?
Etwas anders gesagt: Kann man allgemeine Kriterien oder Testverfahren für die
Schlüssigkeit angeben, oder muss man sich in jedem Einzelfall einfach auf sein
Bauchgefühl verlassen?
4. EINE WESENTLICHE BEOBACHTUNG, DIE LEITEND FÜR DIE LOGIK IST
Häufig hängt die Schlüssigkeit eines Arguments nicht am konkreten Thema der
Prämissen, sondern an ihrer Form. Beispielsweise gilt das für die folgenden
Argumente:
Prämisse 1
Jeder Dodo ist sterblich. Jeder Papst ist ein Mann. Jede Zahl ist gerade.
Prämisse 2
Otto ist ein Dodo.
Paul ist ein Papst.
5 ist eine Zahl.
Konklusion
Also: Otto ist sterblich.
Also: Paul ist ein Mann.
Also: 5 ist gerade.
Obwohl das erste Argument von Dodos und von Sterblichkeit handelt, scheint seine
Schlüssigkeit von diesen Themen unabhängig. Denn das zweite und das dritte
Argument scheinen auf dieselbe Weise oder aus denselben Gründen schlüssig zu sein
wie das erste – obwohl diese Argumente nicht von Dodos handelt.
In der Logik wird dann insbesondere untersucht, was man jeweils als die Form eines
Arguments betrachten kann, wie man die Formen von Argumenten klassifizieren
kann, und welche Formen stets für schlüssige Argumente sorgen.
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