Daniel Milne & Insa Röpke: „Was sind Argumente? – Ein Zugang zur philosophischen Logik” – SoSe 2012 Zirkuläre Argumente („Begging the Question“) Aufgabe: Betrachte folgende Argumente. Sie sind alle gültig (warum?). Ob sie schlüssig sind, soll keine Rolle spielen, da mit jedem der Argumente, ob es nun schlüssig ist oder nicht, ein schwerer Argumentationsfehler begangen wird. Worin könnte dieser bestehen? 1. Eine Ehe sollte nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden. Die Homo-Ehe darf also nicht vollzogen werden. (http://www.economist.com/blogs/democracyinamerica/2012/05/same-sex-marriage [Zugriff am 13.05.12]) Normalform: P1: Eine Ehe sollte nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden. Also: Die Homo-Ehe darf nicht vollzogen werden. Das Problem an diesem Argument ist, dass die Prämisse offensichtlich dieselbe Proposition ausdrückt wie die Konklusion. Man könnte in diesem Argument die Prämisse auch mit der Konklusion vertauschen und es käme dasselbe Argument dabei heraus. Die Prämisse kann nur von denjenigen für wahr gehalten werden, die ohnehin schon von der Wahrheit der Konklusion überzeugt sind. 2. Die Gesetze der Astrologie treffen sehr wahrscheinlich zu, da Guntram, der vom Sternzeichen Widder ist, zutiefst überzeugt von den Gesetzen der Astrologie ist und Widder sehr gut darin sind, die Wahrheit zu erkennen.1 Normalform: P1: Guntram ist zutiefst überzeugt von den Gesetzen der Astrologie. P2: Guntram ist vom Sternzeichen Widder. P3: Widder sind sehr gut darin, die Wahrheit zu erkennen. Also: Die Gesetze der Astrologie treffen (sehr wahrscheinlich) zu. Dieses Argument ist offensichtlich fehlerhaft. Aus der Tatsache, dass Guntram, der Widder, die Gesetze der Astrologie für wahr hält, kann nur geschlossen werden, dass die Gesetze der Astrologie auch tatsächlich wahr sind, wenn das Prinzip, dass Widder sehr gut darin sind, die Wahrheit zu erkennen, ebenfalls wahr ist. Bei diesem Prinzip handelt es sich jedoch um ein Gesetz der Astrologie. Es kann nur von jemandem für wahr gehalten werden, der bereits glaubt, dass die (oder zumindest einige) Gesetze der Astrologie wahr sind. Genau das sollte das Argument jedoch erst zeigen. Dass die Gesetze der Astrologie zutreffen, kann also nicht für das Gelingen der Argumentation vorausgesetzt werden. 3. Gott muss existieren. In der Bibel steht nämlich, dass Gott existiert und die Bibel ist Gottes Wort. Gott ist wiederum allwissend und belügt die Menschen nicht. Normalform: P1: In der Bibel steht, dass Gott existiert. P2: Die Bibel ist das Wort Gottes. P3: Gott ist allwissend. P4: Gott belügt die Menschen nicht. Also: Gott existiert. 1 Die Beispiele 2 und 3 stammen aus dem Logik-Vorlesungsskript von Torsten Wilholt, zu finden unter: http://www.unibielefeld.de/philosophie/personen/wilholt/lehre/Logik.pdf [Zugriff am 18.05.12]. 1 Auch hier dreht sich das Argument im Kreis. Es ist eine Tatsache, dass in der Bibel steht, dass Gott existiert. Diese Tatsache allein reicht aber noch nicht aus, um zu zeigen, dass Gott existiert. Die Prämisse 2 können nur diejenigen für wahr halten, die bereits von der Wahrheit der Konklusion überzeugt sind. (Die Prämissen 3 und 4 setzen die Wahrheit der Konklusion jedoch nicht zwingend voraus; sie sind allerdings nötig, um, zusammen mit P2, die Konklusion von der Tatsachen-Prämisse P1 aus zu erreichen.) 4. Sie sagt, dass sie mich liebt und sie muss einfach die Wahrheit sagen, da sie wohl kaum jemanden anlügen wird, den sie liebt!2 Normalform: P1: Person P sagt, dass P den Sprecher S liebt. P2: Wenn P S liebt, lügt P S nicht an. [P3: Wenn P sagt, dass P S liebt, dann liebt P S.] Also: P liebt S. Wieder handelt es sich bei P1 um den Ausdruck einer Tatsache. Davon ausgehend kann man allerdings nur mithilfe von P2 und P3 darauf schließen, dass P S liebt, wenn man bereits davon ausgeht, dass P S liebt. 5. Menschen mit einem guten Literaturgeschmack halten Shakespeare für einen besseren Autoren als Stephen King. Wie man Menschen mit einem guten Literaturgeschmack identifiziert? Nun ja, solche Menschen erkennt man eben daran, dass sie Shakespeare für einen besseren Autoren halten als Stephen King. Damit ist klar gezeigt, dass Shakespeare ein besserer Autor ist als Stephen King. Normalform: P1: Menschen mit einem guten Literaturgschmack halten Shakespeare für einen besseren Autoren als Stephen King. P2: Man erkennt Menschen mit einem guten Literaturgeschmack daran, dass sie Shakespeare für einen besseren Autoren halten als Stephen King. Also: Shakespeare ist ein besserer Autor als Stephen King. Nehmen wir wieder an, dass es sich bei P1 um eine Tatsache handelt. P2 kann jedoch erneut nur von denjenigen für wahr gehalten werden, die ohnehin schon von der Wahrheit der Konklusion überzeugt sind. 6. Drei Diebe streiten sich darüber, wie sie sieben Goldmünzen unter sich aufteilen sollen. Hans gibt Fritz zwei Münzen und Karl zwei Münzen. Er selbst behält drei Münzen. Fritz fragt: „Warum behältst du drei Münzen?“ Hans antwortet: „Weil ich der Anführer bin!“ Daraufhin fragt Karl überrascht: „Und wie kommt es, dass du plötzlich der Anführer bist?“ Hans erwidert, leicht perplex: „Na, weil ich mehr Münzen habe als ihr!“ Normalformen: Argument 1: P1: Hans ist der Anführer. [P2: Der Anführer hat mehr Münzen als die anderen Diebe.] Also: Hans hat mehr Münzen als die anderen Diebe. Argument 2: P1: Hans hat mehr Münzen als die anderen Diebe. [P2: Derjenige, der mehr Münzen hat als die anderen Diebe, ist der Anführer.] Also: Hans ist der Anführer. 2 Die Beispiele 4-6 basieren auf Beispielen aus Copi, I. & Burgess-Jackson, K. (1996). Informal Logic. Prentice Hall, 101, 104 & 129. 2 Hier ist das Problem auf zwei Argumente verteilt. Man kann die Prämisse des ersten Arguments nur für wahr halten, wenn man auch die Konklusion des zweiten Arguments für wahr hält. Die Prämisse des zweiten Arguments kann man wiederum nur für wahr halten, wenn man auch die Konklusion des ersten Arguments für wahr hält. Somit dreht man sich bei der Betrachtung dieser beiden Argumente immer im Kreis. 7. Fridolin und Emma sind ehrliche Menschen. Emma hat nämlich gesagt, dass Fridolin ehrlich ist. Somit ist Fridolin auf jeden Fall ehrlich. Fridolin hat gesagt, dass Emma ehrlich ist, was bedeutet, dass auch Emma ehrlich ist. (Beckermann, A. (2008). Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes (3. Auflage). De Gruyter, 483) Normalformen: Argument 1: P1: Emma hat gesagt, dass Fridolin ehrlich ist. [P2: Emma ist ehrlich.] Also: Fridolin ist ehrlich. Argument 2: P1: Fridolin hat gesagt, dass Emma ehrlich ist. [P2: Fridolin ist ehrlich.] Also: Emma ist ehrlich. Auch hier ist das Problem auf zwei Argumente verteilt. Die Konklusion des ersten Arguments geht als (implizite) Prämisse in das zweite Argument mit ein, die dementsprechend nur für wahr gehalten werden kann, wenn man von der Wahrheit der Konklusion des ersten Arguments bereits überzeugt ist. Genauso geht die Konklusion des zweiten Arguments als Prämisse in das erste Argument mit ein, die dementsprechend ebenso nur für wahr gehalten werden kann, wenn man schon von der Wahrheit der Konklusion des zweiten Arguments überzeugt ist. Auch hier dreht man sich somit immer im Kreis. Welcher Argumentationsfehler wurde bei all diesen Argumenten begangen? Bei den obigen Argumenten handelt es sich um sogenannte zirkuläre Argumente. Zirkuläre Argumente (auch „Zirkelschluss“, „Petitio Principii“ oder „Begging the Question“ genannt) kommen sehr häufig auf. Sie sind offensichtlich gültig (warum?). Dennoch begeht man einen Argumentationsfehler, wenn man ein solches Argument formuliert. Das Problem liegt darin, dass in solchen Argumenten Prämissen enthalten sind, die man nur dann für glaubhaft halten kann, wenn man ohnehin bereits von der Konklusion überzeugt ist. Im Englischen wird das Argument daher treffenderweise „Begging the Question“ genannt, da man mittels eines solchen Arguments an der eigentlichen zur Diskussion stehenden Frage vorbeigeht. 3