Psychopharmakotherapie bei PTBS

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Neuroanatomische, neurophysiologische u.
psychopharmakologische
Aspekte in der Traumatherapie
Fachtagung vom 7.7.2016
Dr. med. M. Rolffs
Chefarzt Abteilung Psychosomatik
AHG Klinken Daun
Neuroanatomische, neurophysiologische u.
psychopharmakologische Aspekte der
Traumatherapie
Gliederung
- Allgemeines zu Psychotraumata
- Diagnostische Kriterien für eine PTBS nach ICD-10
- Neuroanatomische Topographie der Traumaverarbeitung
- Neurophysiologie der Traumaverarbeitung
- Psychopharmakotherapie bei PTBS
- Psychopharmakotherapie versus Psychotherapie bei PTBS
Allgemeines zu Psychotraumata
• Die Frage nach Psychotraumata gehört regelmäßig im Rahmen der
psychiatrisch-psychosomatischen Anamnese gestellt.
• Chronische und rezidivierende Depressionen sind häufig – bis zu 80% mit zurückliegenden Traumata assoziiert, den Betroffenen aber
hinsichtlich deren depressiogener Bedeutung nicht bewusst.
(Brakemeier et al. 2015)
• Faustformel: je unreifer Entwicklungsstand und Strukturniveau,
desto fragiler sind psychische Kompensationsmöglichkeiten,
desto nachhaltiger psychotraumatische „Narben“
• Variablen des Traumas:
Art, Dauer, Intensität, Unmittelbarkeit / Direktheit, Geschwindigkeit des
Eintritts
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Diagnostische Kriterien für
eine PTBS nach ICD-10
• Betroffener erlebte (kurz oder lang anhaltend)
belastendes Ereignis von außergewöhnlicher
Bedrohung oder katastrophalem Ausmaßes,
das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung
hervorrufen würde.
• Anhaltende Erinnerungen an traumatisches Erlebnis, oder wiederholtes
Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks, Träumen, Albträumen), oder innere
Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder damit in
Zusammenhang stehen.
• Der Betroffene vermeidet (tatsächlich oder möglichst) Umstände, die der
Belastung / dem Trauma ähneln.
Diagnostische Kriterien für
eine PTBS nach ICD-10
Mindestens eines der folgenden Kriterien (1. oder 2.)
ist erfüllt und tritt innerhalb von 6 Monaten nach
belastenden Ereignis auf:
1. eine teilweise oder vollständige Unfähigkeit, sich an einige wichtige
Aspekte des belastenden Erlebnisses zu erinnern oder
2. anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensitivität und
Erregung, mit mindestens 2 der folgenden Merkmale:
Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit, Wutausbrüche
Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervigilanz, erhöhte Schreckhaftigkeit
Häufig auch sozialer Rückzug, Gefühl von Betäubtsein, emotionaler
Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, sowie eine
Beeinträchtigung der Stimmung.
Neuroanatomische Topographie der
Traumaverarbeitung
Amygdala (Mandelkern)
• verknüpft Ereignisse mit Emotionen und speichert diese.
• wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung/Wiedererkennung von
Situationen, Angstentstehung, Analyse möglicher Gefahren,
„Angstgedächtnis“
Hypophyse
• bildet Adreno-cortikotropes-Hormon (ACTH)
• Teil der Stressachse 2
Hypothalamus
• bildet Cortikotropin-Releasing-Faktor (CRF)
• Teil der Stressachse 2
Neuroanatomische Topographie der
Traumaverarbeitung
Hippocampus (Seepferdchen)
• Zusammenfluss verschiedener Informationen sensorischer Systeme, die
verarbeitet und von dort zum Cortex zurückgesandt werden.
• wichtig für die Gedächtniskonsolidierung, d.h. die Überführung von
Gedächtnisinhalten aus Kurzzeit- in Langzeitgedächtnis – deklaratives
Gedächtnis.
• Struktur, die Erinnerungen generiert, während die Gedächtnisinhalte an
verschiedenen anderen Stellen in der Großhirnrinde gespeichert werden.
Thalamus (von griech. Thalamos - „Schlafgemach“, „Kammer“)
• bildet den größten Teil des Zwischenhirns
• setzt sich aus vielen Kerngebieten zusammen, die eine starke Verbindung
zur gesamten Großhirnrinde aufweisen.
• fungiert als „Filter – Tor zum Bewusstsein“ für die Großhirnrinde, entscheidet
welche Informationen für den Organismus aktuell wichtig sind
Neuroanatomische Topographie der
Traumaverarbeitung
Temporallappen (Schläfenlappen)
• enthält den primären auditorischen Cortex
• das Wernicke-Sprachzentrum
• wichtige Strukturen für das Gedächtnis.
Frontallappen
• motorischer Cortex steuert die Ausführung von Bewegungen
• prämotorischer Cortex wählt die notwendigen Bewegungen für eine
Handlung aus.
• präfrontaler Cortex reguliert die kognitiven Prozesse so, dass
situationsgerechte Handlungen ausgeführt werden können.
Neurophysiologie der Traumaverarbeitung
Schnelle physiologische Stressantwort – 1. Stressachse:
• Ausschüttung der Katecholamine Adrenalin + Noradrenalin – Mobilisierung
von Energien um „Flight and Fight“ zu ermöglichen.
Langsame physiologische Stressantwort – 2. Stressachse:
• Trauma / Stress aktiviert Hyothalamus–Hypophysen – NebennierenrindenAchse (HHNA)
• Hyothalamus - CRF - Hypophyse - ACTH - Nebennierenrinde Stresshormon Cortisol in der Blutbahn bindet an Rezeptoren von
Hippocampus, Hypophyse, Hypothalamus (neg. Feedback- Regulation)
• Selbstregulation des HHNA-Systems (Homöostase) scheint bei
chronischem oder traumatischen Stress aufgehoben zu sein.
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Neurophysiologie der Traumaverarbeitung
•Trauma / extremer Stress (Cortisolerhöhung) verschlechter
Hippocampusfunktion autobiographische Kontextinformationen zu speichern
und abzurufen (deklaratives Gedächtnis)
• Trauma / extremer Stress steigert Amygdalaaktivität – diese vermutlich mit
dafür verantwortlich, dass emotionales Gedächtnis in traumatischen
Situationen (Angstgedächtnis) sehr gut arbeitet und besonders viele
sensorisch und emotionale Details abspeichert.
• Hypothese: traumabedingte Dissoziation zwischen „Non-deklarativen
Gedächtnisinhalten (Angstgedächtnis) und deklarativen Inhalten
(autobiographisches Gedächtnis), dadurch bedingt fehlende oder
unzureichende Traumaverarbeitung
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Neurophysiologie der Traumaverarbeitung
• Die zum Trauma gehörigen emotionalen u. sensorischen Elemente werden
durch Trigger aktiviert, ohne das sie in Bezug zu relevanten
autobiographischen, deklarativen Inhalten gesetzt werden können
• „Cells that fire together, wire together“ – Entwicklung von neuronalen
Repräsentationszentren die durch Trigger immer wieder aktiviert werden
und zur Ausbildung eines autonomen neuronalen „Furchtnetzwerkes“ führen
• Traumaerinnerungen werden für Patient in Form von „Flashbacks“ zum
Geschehen im „Hier und Jetzt“
• Trauma hinterlässt bewusst / unbewusst Gedächtnisspuren, die zu
plastischen Veränderungen in neuronalen Netzen des Gehirns führen.
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Psychopharmakotherapie bei PTBS
• NICE-Guidelines (National Institute for Clinical Excellence) :
Psychopharmakotherapie keine Routinebehandlung oder Alternative zu
Psychotherapie sondern zusätzliche Behandlungsmöglichkeit
• Eindeutigste Ergebnisse in der Behandlung von PTBS für SSRI (Ipser et
al. 2006, Stein et al. 2006) – Verbesserung aller PTBS-Symptombereiche,
Verminderung komorbider Depressionen, Verbesserung Lebensqualität
• NICE-Empfehlung: In Primärversorgung Anwendung von Paroxetin,
Mirtazapin, Amitrytilin.
• In Deutschland und Schweiz: Sertralin u. Paroxetin zur Behandlung der
PTBS zugelassen.
• Nur 20-30% der PTBS-Pat. zeigen nach ausschließlicher SSRIBehandlung Vollremission (Berger et al.)
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Psychopharmakotherapie bei PTBS
• Sympathikolytika (Betablocker - Propranolol, Alphablocker – Prazosin)
können bei PTBS assozierte Schlafstörungen sowie nervöses
Hyperarousal mildern (Reduktion des erhöhten sympathikotonen
Erregungsniveaus)
• Die Gabe von Benzodiazepinen unmittelbar im Anschluss an das
belastende Ereignis, mit dem Ziel einer günstigen Beeinflussung des
Krankheitsverlaufs, erwies sich in klinischen Studien als ungeeignet
• Bei schwerer Traumatisierung (Kriegsveteranen) scheint Mirtazapin
besser zu wirken als die SSRI.
• Psychopharmakotherapie nur dann, wenn Patient keine PT will, aufgrund
drohender weiterer Traumatisierung keine PT begonnen werden kann,
oder Pat. von einer PT nicht oder kaum profitiert.
Quelle: Flatten G, Gast U, Hofmann A, Knaeivelsrud Ch, Lampe A, Liebermann P, Maercker A, Reddemann L, Wöller W (2011): S3
Leitlinie PTBS Trauma &Gewalt 3: 202 -210
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Psychopharmakotherapie bei PTBS
• Adrenalin aktiviert indirekt die Amygdala
• So lag der Gedanke nahe, mit Substanzen, welche die Adrenalinwirkung
blockieren, das Eingraben einer Gedächtnisspur zu verhindern.
• 2009 behandelte amerikanische Arbeitsgruppe 40 Personen, die nach
einem traumatischen Erlebnis in die Notaufnahme gekommen waren, 3
Wochen mit Betablocker Propranolol. Kontrollgruppe erhielt Placebo. 3
Monate später wurden alle Probanden mit einer Tonbandaufnahme
konfrontiert, auf der ein von ihnen selbst verfasster Bericht über das
traumatische Erlebnis aufgezeichnet war. Elektroden maßen die
Stressreaktion anhand von Herzschlag, Schweißbildung und
Muskelspannung.
• Das Ergebnis: Die Teilnehmer, die Propranolol erhalten hatten, zeigten
kaum Anzeichen von Stress, während fast die Hälfte der Kontrollgruppe
unter Belastungssymptomen litt.
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Psychopharmakotherapie bei PTBS
• Bei Nichtansprechen auch Versuch mit atypischen NL Olanzapin
und/oder Risperidon gerechtfertigt (Pae et al. 2008)
• Kriegsveteranen scheinen Patientengruppe zu sein, die nur in geringem
Ausmaß oder gar nicht von medikamentöser Therapie profitieren (Foa et
al. 2007)
• Bei Patienten mit Trauma in Kindheit scheinen SSRIs – anders als bei
Patienten im Erwachsenenalter – zu einer mäßigen Symptomreduktion zu
führen (Van der Kolk et al. 2007)
• Auch bei Kindern mit PTBS ergab Kombitherapie CBT + AD (SSRI) nur
minimale Besserung gegenüber einer Therapie nur mit CBT (Cohen et al
2007)
Quelle: Flatten G, Gast U, Hofmann A, Knaeivelsrud Ch, Lampe A, Liebermann P, Maercker A, Reddemann L, Wöller W (2011): S3
Leitlinie PTBS Trauma &Gewalt 3: 202 -210
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Psychopharmakotherapie versus PT bei PTBS
• Vergleich CBT und AD (antidepressive Medikation):
nach 3 Behandlungsmonaten in beiden Gruppen Verbesserung von
PTBS- und depressiver Symptomatik. Nach 6 Monaten weitere
Verbesserung bei CBT, AD wieder Verschlechterung (Frommberger et al.
2004)
• Vergleich EMDR und AD (SSRI):
Nach 6 Monaten EMDR erfolgreicher als AD insbesondere bei Traumata
im Erwachsenenalter (75%). Bei Kindheitstraumata keine überzeugende
Verbesserung (33%). (van der Kolk et al. 2007)
• Untersuchung depressiver Pat. mit Kindheitstrauma
PT allein war AD allein deutlich überlegen, Kombination von PT + AD
brachte nur geringe Verbesserungen gegenüber PT alleine (Nemeroff et
al. 2003)
Quelle: Flatten G, Gast U, Hofmann A, Knaeivelsrud Ch, Lampe A, Liebermann P, Maercker A, Reddemann L, Wöller W (2011): S3
Leitlinie PTBS Trauma &Gewalt 3: 202 -210
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Das Serotoninsystem des Zentralnervensystems
Serotoninerge Neurone strahlen aus den Raphekernen in alle
Gehirnregionen aus.
Serotonin fungiert als Neurotransmitter im synaptischen Spalt
und wirkt als Neuromodulator.
Zu den wichtigsten Funktionen des Serotonins im Gehirn
zählen Steuerung oder Beeinflussung:
• der Wahrnehmung, Stimmung
• des Schlafs
• der Temperaturregulation
• der Sensorik
• der Schmerzempfindung und –verarbeitung
• des Appetits
• des Sexualverhaltens
• der Hormonsekretion.
Psychopharmakotherapie bei PTBS
• Fazit:
• Psychopharmakotherapie keine Routinebehandlung
• Eindeutigste Ergebnisse in der Behandlung von PTBS für SSRI
• In Deutschland und Schweiz: Sertralin u. Paroxetin zur Behandlung der
PTBS zugelassen.
• Sympathikolytika (Betablocker - Propranolol, Alphablocker – Prazosin)
können bei PTBS assozierte Schlafstörungen sowie nervöses
Hyperarousal mildern (Reduktion des erhöhten sympathikotonen
Erregungsniveaus)
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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