Statistik III WS 2003/2004; 4. Übungsblatt; Lösungen Prof. Dr. Fred Böker 1 11.11.2003 Lösungen1 zum Übungsblatt 4 (11. 11. 2003) Aufgabe 1 Die Tagesrendite einer Aktie kann als Zufallsvariable interpretiert werden. Angenommen am Aktienmarkt werden zwei Zustände unterschieden: ”nervöser Markt” und ”ruhiger Markt”. Für eine Aktie A sei bekannt, dass die Varianz der Tagesrendite je nach Marktzustand 0.04 bei einem nervösen Markt bzw. 0.01 bei einem ruhigen Markt beträgt. Der Erwartungswert ist in beiden Marktsituationen 0.05. Ferner sei bekannt, dass der Markt an 10% der Handelstage nervös und an 90% der Handelstage ruhig ist. Nehmen Sie für die folgenden Berechnungen jeweils Normalverteilungen in den beiden Zuständen an. (a) Bestimmen Sie "! # $ Nervöser Markt: % % "! $ (ii) für beide Marktzustände die Wahrscheinlichkeit, eine negative Rendite zu erzielen. Ruhiger Markt: & (') "* + , * + "! # Hinweis: Man hätte das nicht rechnen brauchen, denn die Verteilung ist symmetrisch um 0.05 .-) / der und somit entspricht die Wahrscheinlichkeit, für einen Wert größer 0 . Wahrscheinlichkeit, für einen Wert kleiner . $ Nervöser Markt: & (') " () ! $ (i) für beide Marktzustände die Wahrscheinlichkeit, eine Rendite von mehr als 10% zu erzielen. Ruhiger Markt: (b) In welcher Marktsituation sind Chance und Risiko der Anleger größer und welche Parameter sind dafür verantwortlich? Bei nervösem Markt ist sowohl das Risiko als auch die Chance für einen Anleger größer. Dies liegt an der Varianz der Verteilungen, die im Zusammenhang mit Aktienrenditen auch als Volatilität bezeichnet wird. &1 &2 (c) Seien bzw. die Renditen in den Marktzuständen ”nervös” bzw. ”ruhig”. Die Verteilung der Rendite bei Vernachlässigung des Marktzustandes ist dann durch die folgende Dichtefunktion gegeben: 3 4 567 +8 3 4"9 566- : 8 3 47; 56<=>'5?'= (i) Handelt es sich bei dieser Verteilung um eine; L Normalverteilung? ;L 2 3 4 567 8 @ % A6 $7B CED F CHG I G J K G I G M - : 8 @ % A6 EB CED F CHG I G J K G I G Der Ausdruck lässt sich nicht zur Dichtefunktion der Normalverteilung umformen. Es handelt sich also nicht um eine Normalverteilung. 1 Diese Lösungen sind von Andreas Stadie 2 4. Übungsblatt Statistik III WS 2003/2004; Lösungen (ii) Bestimmen Sie den Erwartungswert von N . O&P NQ>RTU S W&X Y Z P W Q[ W V U S W&X P \] ^ X Y Z"_ P W \] a X Y Z7b P W W RTS Q6` Q Q[ V U U R \S ] ^ S W&X Y Z"_ P W Q[ W ` \] a S W&X Y Z7b P W Q[ W V X O&P \] a X O&P V \] \ e \ ] ^ R S N&c Q6` N&d Q7R S (iii) Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit, eine Tagesrendite von mehr als 10% zu erzielen, wenn nicht beobachtet wird, in welchem Zustand sich der Markt befindet. U f&P g N(h \ ] ^ i j Q Rkl m S Y Z P W Q[ W U c P \] ^ X Y Z"_ P W \] a X Y Z7b P W W Rkl m S Q6` Q Q[ c U U Y Z7b P W W \ ] ^ P \ ] a Y " Z _ W W R l m S Q[ ` l m S Q[ c fP g \] ^ i \c ] a X f&P g \ ] ^ i \ ] ^ X Rp \] ^ X \] q Nn\c+] ah X \] r^ Qop ` \] r s Nd h Q ` Aufgabe 2 Fluggesellschaften verkaufen für Flüge in der Regel mehr Tickets als Plätze vorhanden sind. Dies resultiert aus der Erfahrung, dass 5% der Passagiere, die einen Flug gebucht haben, die Reise nicht antreten. Ein AIRBUS A 310 kann je nach Bauweise bis zu 360 Sitzplätze haben. N (a) Nehmen Sie an, die Fluggesellschaft würde für einen A 310 mit 360 Sitzplätzen genau so viele Tickets verkaufen, wie Sitzplätze vorhanden sind. Sei die Anzahl erscheinender Passagiere. Nennen Sie N Ntu P r v \w \] a e Q (i) die exakte Verteilung von , wenn Sie annehmen, dass die Passagiere ihre Entscheidung, zu erscheinen bzw. nicht zu erscheinen, unabhängig von einander treffen. Binomialverteilung: (ii) eine Approximation durch die Poissonverteilung sowie Eine Approximation der Binomialverteilung durch die Poissonverteilung ist nur für kleine möglich. Daher kann nur die Verteilung der Anzahl der Passagiere, die nicht kommen, durch die Poissonverteilung approximiert werden. Bei der Approximation durch die Poissonverteilung ist . Daher gilt approximativ oder . x r v \ \ ] \ e ^ { x X y ? * R z R R N}t r v \ | f ~P ^ { Q (iii) eine Approximation durch die Normalverteilung. Bei der Approximation durch die Normalverteilung ist R)z x P r qs ^ ] ^ Q gilt approximativ: N}t r v \0| N,}t f0~P ^ { Q d P ^| x Q . Daher und R)z x (iv) Erläutern Sie an diesem Beispiel den Zusammenhang zwischen Bernoulli–Verteilung und Binomialverteilung. Statistik III WS 2003/2004; 4. Übungsblatt; Lösungen 3 Jeder potentielle Passagier (separat betrachtet) kommt mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.95 zum Abflug der Maschine. Es handelt sich um ein Bernoulli–Experiment. Wenn die Entscheidungen zum Flug zu erscheinen von den Passagieren unabhängig getroffen werden, handelt es sich bei Betrachtung aller erscheinenden Passagiere um die Summe von 360 unabhängig bernoulliverteilten Zufallsvariablen mit identischer Erfolgswahrscheinlichkeit und folglich um eine Binomialverteilung mit und . ? (b) Angenommen die Fluggesellschaft würde 370 Tickets verkaufen. Die Fluggesellschaft ist an der Wahrscheinlichkeit interessiert, dass alle (unabhängig voneinander) erscheinenden Passagiere im Flugzeug Platz finden. (i) Geben Sie eine Formel an, mit der Sie die exakte Wahrscheinlichkeit berechnen können. Es handelt sich bei der Anzahl erscheinender Passagiere um eine Binomialverteilung mit den Parametern und . ¡ ¤ ¥ ¦ §7¨& ¤ ¥ ¦ + / ? 6 6* ¢£ ©ª (ii) Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit approximativ mit der Normalverteilung. Ohne Stetigkeitskorrektur(« )o ¬ ­ ®6¯+ )o7° ¬±o²7 ¬ ): ³ ° ´ µ¶) · ²" *¸¹ º ± ¬ ¸ ° ½ ² ¬ j»¼ ¼ Mit Stetigkeitskorrektur(« )6 ¬ ­ ®E¯ )o7° ¬±6²" ¬ ): ³ ° ´ µ(¶) · ²" *¸*¹ ° +¾º ²o± ¬ ¸ ° ½ ¬ ² ¿ À ¬ »¼ ¼ Alle Passagiere finden Platz (c) Wie würden Sie vorgehen, wenn Sie die maximale Anzahl zu verkaufender Tickets bestimmen möchten, für die gewährleistet ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass alle erscheinenden Fluggäste einen Platz finden, mindestens 95% beträgt? ³ ° ´ µ¶ · ²Á) Die Wahrscheinlichkeit, dass höchstens 360 Passagiere erscheinen muss mindestens 0.95 betragen: Da µ ÂÃÄ binomialverteilt ist, muss gelten: Å Ä ¹ È Æ ° ¬± ² É Ê Æ Á) ÆÇ » Auf der linken Seite der Ungleichung handelt es sich um eine Funktion von , die für wachsendes kleinere Werte annimmt. Es ist dann der Wert von zu bestimmen, der die Ungleichung gerade noch erfüllt. Aufgabe 3 Ein Kreditinstitut möchte eine Telefonmarketing–Aktion durchführen. Kunden sollen in einem Telefonat zu einer individuellen Anlageberatung eingeladen werden. Weil die Telefonaktion von einem externen Unternehmen durchgeführt werden soll, ist die Gestaltung des Outsourcing–Vertrags zu planen. Das Kreditinstitut verfügt über folgende Informationen: Ë Ë Durchschnittlich werden 25% der angerufenen Personen die Einladung annehmen. Die Dauer eines Telefonats ist exponentialverteilt mit einem Erwartungswert von 1.5 Minuten. 4 4. Übungsblatt Statistik III WS 2003/2004; Lösungen In einem ersten Schritt interessieren die folgenden Fragen: (a) Der Vertragspartner bietet an, dass jeder eingesetzte Mitarbeiter je Arbeitstag so lange telefoniert, bis er mit 100 Kunden einen Termin vereinbaren konnte. (i) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim dritten Anruf nach Arbeitsbeginn das erste Gespräch zu vereinbaren? Die Anzahl der Misserfolge bis zum ersten Erfolg ist geometrisch verteilt mit . Hier ist die Wahrscheinlichkeit von zwei Fehlversuchen gefragt: Ì ÍÎÐÏÑ Ò Ó Ô&Õ Ö ÌÎÒ × Ø"Î Õ ÙÚ Ï Ñ Ò ÓØ ÛÜ ÏÑ Ò Ó.ÝÏÑ Ù Þ (ii) Wie ist die Anzahl vergeblicher Anrufe je Arbeitstag verteilt? Die Anzahl vergeblicher Anrufe je Tag ist negativ binomialverteilt mit den Parametern und . ÙÏÏ Í?ÎÏÑ Ò Ó ßnÎ (iii) Wieviele Kunden ruft ein Mitarbeiter bei dieser Alternative durchschnittlich jeden Tag an. Die durchschnittlche Anzahl vergeblicher Anrufe ergibt sich aus dem Erwartungswert der Zufallsvariable ”Anzahl vergeblicher Anrufe”: à&Õ Ö Anzahl vergeblicher Anrufe× Ø7Î)ß ÙÚ Í Î Ù Ï ÏEáÙ â ÞÞ Î Ï Ï Í â á Zusätzlich werden immer 100 erfolgreiche Anrufe getätigt, d.h. insgesamt werden von jedem Mitarbeiter durchschnittlich 400 Anrufe je Tag durchgeführt. (b) Alternativ besteht die Möglichkeit, dass die Mitarbeiter genau 450 Anrufe tätigen. Ì (i) Wie ist die Anzahl der Einladungen verteilt? Die Anzahl der Einladungen ist binomialverteilt mit den Parametern . ÏÑ Ò Ó ã)Î Þ Ó Ï und Í)Î (ii) Wie groß ist die approximative Wahrscheinlichkeit, mehr als 100 Kunden zu einem Gespräch einzuladen? Die Approximation erfolgt mit der Normalverteilung, für die als Parameter und bestimmt werden. Ohne Stetigkeitskorrektur ergibt sich: Ù Ù Ò Ñ Ó ? ä ) Î 6 ã Í Î Õ Ù Ú Þ å Û Î)ã6Í Í6Ø7Îæ Ñ á ç Ó ÔÕ Ö Ìè Ù Ï Ï × Ø"Î ÙÚé*ê Ù Ï ë Ï )Ú Þ Ù Ù Ò Ñ Ó Ý ÙÚé Õ Ú0Ù Ñ Ø"Ý)ÏÑ î Ù áí á æ Ñ á ç Ójì Mit Stetigkeitskorrektur erhält man: Ô&Õ Ö Ì(è Ù Ï Ï× Ø"Î ÙÚéê Õ Ù Ï Ï+ïë ÏÞÑ Ó Ø ÚÙ Ù ÒÑ Ó Ý ÙÚé Õ Ú Ù Ñ Ù Ø"ÝÏÑ î Ï Þ á æ Ñá ç Ó ì (iii) Wie groß ist die approximative Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitarbeiter mehr als acht Stunden arbeitet. Da die Zeit für ein Telefonat exponentialverteilt ist mit Erwartungswert 1.5 Minuten (also dem Parameter ), ist die Zeit für 450 Telefonate gammaverteilt mit den Parametern und . Diese Gammaverteilung kann durch eine Normalverteilung mit den Parametern und approximiert werden und es ergibt sich: ?ð ÎÒ â á Ì Þ ñ Î Ó Ï äð òÎ Îñ Ò â ð)á Î Ó å Îòñ ð Î Ù Ï Ù ÒÑ Ó Û â Û â íç ÔÕ Ö Ì(è Þ æ Ï Minuten× Ø7Î ÙÚ éê Þ ë æ Ï Ù Ú Ù íç Ó Ý ÙÚé Õ Ú Ñ Ù Ø"Ý Ù í á Ï ÒÑ Ó ì Statistik III WS 2003/2004; 4. Übungsblatt; Lösungen 5 Aufgabe 4 (a) Überlegfen Sie sich in Zusammenhang mit der Aufgabe 2 (a) eine Graphik, aus der sich die Approximationsgüte der Normalverteilung erkennen lässt. Ein einfache Möglichkeit besteht in der gemeinsamen Abbildung beider Verteilungsfunktionen in einer Graphik. Da die Verteilungsfunktion für diskrete und stetige Zufallsvariablen identisch definiert ist, sollten sie in etwa gleich verlaufen, wenn die Approximation gut ist. Die R-Befehle lauten: > > > > > > x<-seq(320,360,length=1000) ybinom<-pbinom(x,360,0.95) ynorm<-pnorm(x,342,sqrt(17.1)) plot(x,ybinom,type="s",xlab="x",ylab="F(x)") lines(x,ynorm,lty=2) legend(320,0.8,c("Binomial","Normal"),lty=c(1,2)) 0.4 0.6 Binomial Normal 0.0 0.2 F(x) 0.8 1.0 Die resultierende Graphik ist in Abbildung 1 zu sehen. Bei der Darstellung der Verteilungsfunktion der Normalverteilung wurde auf eine Stetigkeitskorrektur verzichtet. Es wäre aber möglich diese durch den Befehl ynorm<-pnorm(x+0.5,342,sqrt(17.1)) zu berücksichtigen. 320 330 340 350 360 x Abbildung 1: Verteilungsfunktion für Binomialverteilung und Normalapproximation. (b) Berechnen Sie mit R die exakte Wahrscheinlichkeit aus Aufgabe 2 (b) (i). > x<-0:360 > sum(dbinom(x,370,0.95)) 0.9897916 oder > pbinom(360,370,0.95) 0.9897916 (c) Können Sie eine Graphik erstellen, mit der Sie Aufgabe 2 (c) graphisch lösen? ó In Abbildung 2 ist die linke Seite der oben angegebenen Ungleichung als Funktion von geplottet. Die horizontale Linie zeigt die Mindestwahrscheinlichkeit von 0.95 an. Man erkennt, dass bei 372 6 4. Übungsblatt Statistik III WS 2003/2004; Lösungen 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 P(Alle finden Platz) 1.0 verkauften Tickets die Funktion gerade noch oberhalb von 0.95 verläuft. Somit wären 372 Tickets die maximale Anzahl von Tickets, die verkauft werden können, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass alle erscheinenden Passagiere einen Platz finden, mindestens 0.95 betragen soll. 370 375 380 385 Anzahl verkaufter Tickets Abbildung 2: ôõ ö ÷+ø ø ù úEû üoý ù üoô ø þ ÿ als Funktion der Anzahl verkaufter Tickets 390