Stochastik 1. Historische Ansätze zur Definition der - Lo-net2

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Arbeitskreis Mathematik
Stochastik
Definition der Wahrscheinlichkeit
Stochastik
Obwohl Glückspiele die Menschheit schon immer fasziniert haben, ist die Stochastik ein
verhältnismäßig junger Teilbereich der Mathematik. Als Geburtsstunde gilt das Jahr 1654
in dem der Philosoph Chevlier de Méré sich mit folgendem Problem an den bekannten
Mathematiker Blaise Pascal wandte:
„Was ist wahrscheinlicher, bei vier Würfen mit einem Würfel mindestens eine Sechs zu
werfen oder bei 24 Würfen mit zwei Würfeln eine Doppelsechs?“
Im sich an diese Frage anschließenden Briefwechsel zwischen Pascal und Fermat wurden
die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie gelegt.
Neben dieser Wahrscheinlichkeitstheorie zählt man heute zur Stochastik auch die mathematische Statistik, sowie im erweiterten Sinne die Kombinatorik.
Aussagen wie „Wahrscheinlich wird es gleich regnen“ oder „Meine Chancen stehen fifty-fifty“ geben ein subjektives Wahrscheinlichkeitsempfinden wieder. Auch hier ordnet der Mensch einem Ereignis eine positive Zahl
zu und nennt diese Wahrscheinlichkeit.
In der Mathematik gab es im Verlaufe der Geschichte verschiedene Ansätze dieses subjektive Wahrscheinlichkeitsempfinden zu präzisieren:
1. Historische Ansätze zur Definition der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen
1.1 Klassische Definition
Ist Ω = {ω1, ω2, ω2, ..., ωm} und sind alle Elementarereignisse Ai = {ωi} gleichwahrscheinlich,
so wird die Wahrscheinlichkeit definiert als p(Ai ) = 1/m (für alle i = 1, 2, ..., m) .
Das ist die klassische Definition. Was aber heißt "gleichwahrscheinlich"?
In der Praxis begründet man die Gleichwahrscheinlichkeit von Elementarereignissen, die sogenannte LaplaceAnnahme, meist mit Symmetriegründen.
Beispiel: Ein homogener Würfel. Warum sollte bei ihm die 1 häufiger fallen als die 6 oder die 3?
Nachteil der klassischen Definition: Es ist oft schwierig, wenn nicht unmöglich, im konkreten Fall gleichwahrscheinliche Elementarereignisse anzugeben, z. B. zeigt sich bei Geburten von Jungen oder Mädchen mit
Ω = {Knabe, Mädchen} in der Praxis nämlich kein Verhältnis von 0.5 zu 0.5, sondern von 0.514 zu 0.486.
1.2 Statistische Definition
Wenn man versucht, die Annahme der Gleichwahrscheinlichkeit durch Ermittlung der relativen Häufigkeiten zu prüfen, könnte man auch in Umkehrung dieser Vorgehensweise die Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit definieren:
Tritt das Ereignis A bei n-maliger Wiederholung eines Zufallsexperiments z-mal auf, so heißen:
z = z(A) absolute Häufigkeit von A und h = hn(A) = z/n relative Häufigkeit von A.
Die Wahrscheinlichkeit wird definiert als p(A) = hn(A) = z/n .
Das ist die statistische Definition der Wahrscheinlichkeit. Nachteil: p(A) hängt von der Versuchsdurchführung ab.
1.3 Definition nach R. v. Mises (1883 – 1953)
Weil bei der statistischen Definition nicht klar ist, welches n man zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit wählen soll, hat der Mathematiker R. v. Mises eine Grenzwertdefinition vorgeschlagen:
Definition:
z ( A)
.
n →∞
n
p ( A) = lim
Aber auch diese Definition ist unzureichend. Praktisch kann man immer nur endlich viele Experimente machen.
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2. Axiome von Kolmogoroff
Bekanntlich hat sich im Laufe der Geschichte der Mathematik die Auffassung zur Frage der Definition von Grundbegriffen durchgesetzt, die von einem axiomatischen Aufbau ausgeht – so auch in der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Diese Axiome sind jeweils so zu wählen, dass sie unsere Erfahrungen von der Welt gut darstellen. Entsprechend orientiert man sich bei den Axiomen in der Wahrscheinlichkeitsrechnung an den Eigenschaften der relativen Häufigkeit.
Für sie gilt bei jedem Zufallsexperiment und für ein dabei beobachtetes Ereignis A:
1) 0 ≤ hn(A) ≤ 1
2) hn(Ω) = 1
3) hn(Ø )= 0
4) A ∩ B = Ø
hn (A
B) = hn (A) + hn (B),
letzteres bedeutet: die relativen Häufigkeiten unvereinbarer Ereignisse addieren sich bei der Bildung des
Ereignisses "A oder B".
An diesen Tatsachen orientiert sich das Axiomensystem von Kolmogoroff das dieser 1933 veröffentlichte:
Axiome:
P(Ω) sei ein Ereignisraum.
Eine Funktion p, die jedem Ereignis A ∈ P(Ω)
Axiom I:
Axiom II:
Axiom III:
eine reelle Zahl zuordnet, heißt Wahrscheinlichkeitsmaß, wenn
p(A) ≥ 0
p(Ω) = 1
A∩B = Ø
⇒
p(A ∪ B) = p(A) + p(B)
gilt.
Dann heißt p(A) die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A.
Aus diesen Axiomen folgert man dann in der Wahrscheinlichkeitstheorie alle weiteren Eigenschaften der Funktion p.
Die drei Axiomen von Kolmogoroff geben eine von Versuchen unabhängige abstrakte Beschreibung der Wahrscheinlichkeit; sie geben aber keine Antwort auf die Frage, welche reelle Zahl p zwischen 0 und 1 im Einzelfall einem Ereignis A zuzuordnen ist. Rein mathematisch gesehen darf jedes Wahrscheinlichkeitsmaß verwendet werden, dass den
Axiomen entspricht. Damit löst man sich gedanklich völlig von relativen Häufigkeiten!
3. Diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung, Wahrscheinlichkeitsraum
Beispiel: Einmaliges Werfen eines Würfels mit
Elementarereignis {ω}
Menge der Elementarereignisse
p({ω}) {1} {2} {3} {4} {5} {6}
Bemerkungen
P(Ω) = {{1}, {2}, {3}, {4}, {5}, {6}} .
p1({ω}) 1/6 1/6 1/6 1/6
1/6
1/6
I, II, III erfüllt
Die Wahrscheinlichkeitsverteilungen p1, p2 und p ({ω}) 1/4 1/4 1/4 1/12 1/12 1/12
I, II, III erfüllt
2
p3 sind zulässig, da sie Kolmogoroffs Axiomen p ({ω}) 1/2
0
0
0
0
1/2
I, II, III erfüllt
3
entsprechen.
p4({ω})
1
-1 1/4 1/4
1/4
1/4 Widerspruch zu I
In der Realität wäre folgende Situation denkbar:
p5({ω}) 1/5 1/5 1/5 1/5
1/5
1/5 Widerspruch zu II
p1: homogener Würfel,
p2: Würfel mit entsprechenden Beschwerungen auf den Seiten 1, 2 und 3
p3: Würfel magnetischen Südpolen auf Seite 1 und 6 und einem magnetischen Nordpol als Würfelunterlage.
Die Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten ist also keine Frage der Mathematik, sondern häufig eine Frage der Physik.
Beim betrachteten Würfelspiel gibt es nur endlich viele Ergebnisse – ein solches Zufallsexperiment heißt diskret. Hat ein Zufallsexperiment abzählbar viele Ergebnisse so kann man zeigen, dass die folgende Definition
die Axiome von Kolmogoroff erfüllt:
Definition:
Jede Funktion, die bei gegebenem Ω = {ω1, ω2, ω3, ..., ωm} jedem Elementarereignis {ωi} für i = 1, ... m
ein p({ωi}) so zuordnet, dass
1) p({ωi}) ≥ 0 und
n
2)
∑p({ω }) = 1
i =1
i
ist, heißt Wahrscheinlichkeitsfunktion oder Wahrscheinlichkeitsverteilung.
Ein Ergebnisraum Ω zusammen mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung p heißt
Wahrscheinlichkeitsraum, geschrieben (Ω, p).
Quelle: http://www.hs-weingarten.de/~georgi/math/public_html/
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