§1 Dreiecke

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Mathematische Probleme, SS 2013
Montag 15.4
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§1
Dreiecke
1.4
Dreiecksberechnung mit Seiten und Winkeln
In der letzten Sitzung hatten wir begonnen die verschiedenen Konstruktionsaufgaben
für Dreiecke bei gegebenen Seiten oder Winkeln zu untersuchen. Den Fall dreier gegebener Seitenlängen haben wir bereits vollständig behandelt. Man nennt den in diesem
Rahmen bewiesenen Satz 5 auch den Kongruenzsatz SSS, was für Seite–Seite–Seite
steht, da wir aber die Seitengleichheit als Definition der Kongruenz verwenden ist
diese Bezeichnung hier eher unpassend. Wir kommen nun zum nächsten Typ von Konstruktionaufgaben bei dem zwei Seiten und ein Winkel vorgegeben sind. Hier gibt es
zwei mögliche Fälle, entweder ist der Winkel der von den beiden Seiten eingeschlossene Winkel oder einer der beiden anderen Winkel. Diese beiden Fälle unterscheiden
sich recht deutlich voneinander und wir beginnen mit dem eingeschlossenen Winkel. In
den Standardbezeichnungen seien etwa die beiden Seiten b, c > 0 und der von ihnen
eingeschlossene Winkel 0 < α < π gegeben. Dass es dann ein zu diesen Vorgaben passendes Dreieck gibt ist klar, wir müssen ja nur eine Strecke AB der Länge c und eine
Strecke AC der Länge b im Winkel α abtragen, und haben dann ein Dreieck ABC der
gewünschten. Dafür müssen wir diesmal eine Eindeutigkeitsaussage nachweisen, also
zeigen das das Dreieck durch b, c, α bis auf Kongruenz eindeutig festgelegt ist, man
spricht dann auch vom Kongruenzsatz SWS für Seite–Winkel–Seite. All dies läßt sich
wieder bequem über den Cosinussatz durchführen.
Satz 1.6 (Dreiecksberechnung bei zwei Seiten und dem eingeschlossenen Winkel)
Seien b, c > 0 und 0 < α < π gegeben. Dann existiert ein bis auf Kongruenz eindeutiges
Dreieck ABC mit |AC| = b und |AB| = c so, dass α der Winkel bei A ist. In den
Standardbezeichnungen gelten weiter
√
a =
b2 + c2 − 2bc · cos α,
c − b cos α
,
β = arccos √
b2 + c2 − 2bc cos α
b − c cos α
.
γ = arccos √
b2 + c2 − 2bc cos α
Beweis: Die Existenz eines Dreiecks ABC mit den verlangten Eigenschaften haben wir
bereits eingesehen. Nach dem √
Cosinussatz Satz 4 gilt in jedem solchen Dreieck in den
üblichen Bezeichnungen a = b2 + c2 − 2bc · cos α und insbesondere ist das Dreieck
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nach Satz 5 bis auf Kongruenz eindeutig bestimmt. Weiter haben wir
a2 + c 2 − b 2
2c2 − 2bc cos α
c − b cos α
=
=√
2ac
2ac
b2 + c2 − 2bc cos α
und nach Satz 5 ist damit
β = arccos
c − b cos α
√
b2 + c2 − 2bc cos α
.
Die Gleichung für γ ergibt sich analog.
Der nächste Kongruenzsatz Seite–Seite–Winkel, oder SSW, ist etwas komplizierter.
Angenommen wir wollen die beiden Seiten b, c und den Winkel β vorgeben. Dann
tragen wir zunächst eine Strecke AB der Länge c ab. Der Winkel β gibt uns einen
Halbstrahl H vor auf dem der dritte Eckpunkt C des gesuchten Dreiecks liegen muss
und die Länge b gibt einen Kreis K mit Radius b und Mittelpunkt A auf dem C liegen
muss.
C
a
b
β
A
B
c
Fall b < c
β
A
c
B
Fall b > c
Es können drei verschiedene Fälle auftreten. Ist b < c so sind wir in der links gezeigten
Situation, K entweder so klein das er von H verfehlt wird oder so groß das er von H
gleich zweimal getroffen wird. Im ersten Fall gibt es dann überhaupt kein Dreieck mit
den vorgegebenen Werten und im zweiten Fall gibt es genau zwei nicht kongruente und
passende Dreiecke. Eine eindeutige Lösung gibt es nur in dem Randfall das H tangential
an K ist. Dann ist im Schnittpunkt C ein rechter Winkel γ = π/2 und somit muss
b/c = sin β. Im rechts gezeigten Fall b > c ist dagegen alles unproblematisch, der
Halbstrahl H trifft den Kreis K in genau einem Punkt C und wir haben die eindeutige
Lösung ABC. Im nicht gezeigten Ausartungsfall b = c gibt es dagegen für β < π/2
eine eindeutige Lösung während die Aufgabe für β ≥ π/2 nicht lösbar ist. Damit ist
uns die Situation zumindest qualitativ klar. Zur quantitativen Behandlung können wir
dann wieder den Cosinussatz verwenden, und erhalten den sogenannten Kongruenzsatz
SSW.
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Satz 1.7 (Dreiecksberechnung bei zwei Seiten und einem äußeren Winkel)
Seien b, c > 0 und ein Winkel 0 < β < π gegeben. Dann gelten:
(a) Ist b ≥ c, so existiert genau dann ein Dreieck ∆ = ABC so, dass in den Standardbezeichnungen |AC| = b sowie |AB| = c gelten und β der Winkel bei B ist
wenn b > c oder β < π/2 gilt. In diesem Fall ist ∆ bis auf Kongruenz eindeutig
bestimmt und es gelten
q
a = c cos β + b2 − c2 sin2 β,
!
p
2
2
2
2
c sin β − cos β b − c sin β
,
α = arccos
b
!
p
2
2
2
2
c sin β − cos β b − c sin β
γ = π − β − arccos
.
b
(b) Sei b < c. Dann existiert genau dann ein Dreieck ∆ = ABC so, dass in den
Standardbezeichnungen |AC| = b sowie |AB| = c gelten und β der Winkel bei
B ist wenn β ≤ arcsin(b/c) gilt. Ist β = arcsin(b/c)
so ist ∆ bis auf Kongruenz
√
eindeutig bestimmt und rechtwinklig mit a = c2 − b2 , α = π/2 − β und γ = π/2.
Ist dagegen β < arcsin(b/c),
so gibt es bis auf Kongruenz zwei p
solche Dreiecke
p
2
2
2
eines mit a = c cos β − b − c sin β und eines mit a = c cos β + b2 − c2 sin2 β.
Beweis: Zunächst sei ∆ = ABC ein Dreieck mit |AB| = c, |AC| = b und Winkel β bei
B. Nach dem Cosinussatz Satz 4 ist b2 = a2 + c2 − 2ac · cos β, also haben wir
a2 − (2c cos β)a + c2 − b2 = 0,
und fassen wir dies als quadratische Gleichung für a auf, so ergibt sich
q
p
2
2
2
2
a = c cos β ± c cos β − c + b = c cos β ± b2 − c2 sin2 β.
p
p
(a) Wegen b ≥pc ist b2 − c2 sin2 β ≥ c2 − c2 sin2 β = c| cos β| ≥ c cos β, also ist
auch c cos β − b2 − c2 sin2 β ≤ 0 und wir haben
q
a = c cos β + b2 − c2 sin2 β.
p
Im Fall a = b ist dann a = c cos β + c2 − c2 sin2 β = c(cos β + | cos β|) also muss
cos β > 0 und somit β < π/2 sein. Weiter sind a2 = 2c cos βa + b2 − c2 und
p
b 2 + c 2 − a2
2c2 − 2ac cos β
c − c cos2 β − cos β b2 − c2 sin2 β
=
=
2bc
2bc
b
p
c sin2 β − cos β b2 − c2 sin2 β
=
,
b
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also ist ∆ nach Satz 5 bis auf Kongruenz eindeutig bestimmt und es gelten
!
p
c sin2 β − cos β b2 − c2 sin2 β
α = arccos
b
sowie
γ = π − α − β = π − β − arccos
!
p
c sin2 β − cos β b2 − c2 sin2 β
.
b
Umgekehrt haben wir bereits eingesehen das aus b > c oder β < π/2 die Existenz eines
Dreiecks mit den geforderten Eigenschaften folgt.
(b) Aus unserer Vorüberlegung wissen wir bereits das kein passendes Dreieck existiert
wenn β > arcsin(b/c) ist. Im Fall β = arcsin(b/c) gibt es dagegen ein eindeutiges
solches Dreieck und im Fall β < arcsin(b/c) haben wir genau zwei solche Dreiecke. Ist
β = arcsin(b/c), so haben wir b2 − c2 sin2 β = 0 und somit
q
√
a = c cos β = c 1 − sin2 β = c2 − b2 .
Insbesondere hat ∆ in C einen rechten Winkel, also γ = π/2 und α = π/2 − β. Ist
dagegen β < arcsin(b/c), so gibt es zwei Dreiecke mit den vorgeschriebenen Werten
für b, c, β aber verschiedenen Werten für a, also müssen beide obige Lösungen für a
vorkommen.
Es verbleiben nur noch die Konstruktionsaufgaben mit einer vorgegebenen Seite und
zwei vorgegebenen Winkeln. Da die Winkelsumme 180◦ ist, spielt es dabei keine Rolle
welche Winkel vorgegeben werden, sind zwei Winkel bekannt so stehen bereits alle
drei Winkel fest. Der entstehende Satz ist dann der sogenannte Kongruenzsatz Seite–
Winkel–Winkel, also SWW, und zur Berechnung der fehlenden Seitenlängen verwenden
wir den sogenannten Sinussatz, den wir zunächst einmal beweisen wollen.
Satz 1.8 (Der Sinussatz)
Sei ∆ ein Dreieck mit Seiten a, b, c und Winkeln α, β, γ in der Standardbezeichnung.
Dann gilt
sin β
sin γ
sin α
=
=
a
b
c
und bezeichnet ha , hb , hc die Höhen auf den jeweiligen Seiten a, b, c so haben wir
ha = c · sin β = b · sin γ, hb = c · sin α = a · sin γ, hc = b · sin α = a · sin β,
Beweis: Wir beginnen mit der Aussage über die Höhen und dabei reicht es hc = b·sin α
zu zeigen, die anderen Gleichungen gehen aus dieser durch Umbezeichnungen hervor.
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Wir schreiben h = hc . Im Fall α = π/2 fallen h und b zusammen und wegen sin(π/2) =
1 ist in diesem Fall sofort h = b · sin α. Wir können also α 6= π/2 annehmen und wie
beim Cosinussatz treten drei mögliche Fälle auf.
b
α
a
h
b
h
a
α
p
c
h
p
a
b
p
α
c
Fall 1
c
Fall 2
Fall 3
Im ersten Fall ist 0 < α < π/2 und h liegt im Dreieck. Dann lesen wir den Sinus
von α im links auftauchenden rechtwinkligen Dreieck ab und haben sin α = h/b, also
h = b · sin α. Im zweiten Fall ist 0 < α < π/2 weiterhin ein spitzer Winkel aber h
liegt außerhalb des Dreiecks. Dann verlängern wir die Seite c wie gezeigt zu einem
rechtwinkligen Dreieck und in diesem lesen wir den Sinus von α wieder als sin α = h/b
ab, haben also wieder h = b·sin α. Im letzten Fall ist π/2 < α < π ein stumpfer Winkel.
Betrachten wir dann das links auftauchende rechtwinklige Dreieck ACH wobei H der
Fußpunkt von h = hc auf AB ist, so liegt in diesem bei A der Winkel π − α an, also ist
sin α = sin(π − α) =
h
also erneut h = b · sin α.
b
Der eigentliche Sinussatz ist jetzt eine unmittelbare Folgerung, wegen
c · sin β = b · sin γ ist
sin β
sin γ
=
b
c
und wegen
c · sin α = a · sin γ haben wir auch
sin α
sin γ
=
.
a
c
Damit kommen wir jetzt zum finalen Kongruenzsatz SWW:
Satz 1.9 (Dreiecksberechnung bei einer Seite und zwei Winkeln)
Seien c > 0 und 0 < α, β < π gegeben. Dann existiert genau dann ein Dreieck ∆ =
ABC mit |AB| = c und Winkeln α bei A und β bei B wenn α + β < π ist. In diesem
Fall ist ∆ bis auf Kongruenz eindeutig bestimmt und es gelten
sin α
· c,
sin(α + β)
sin β
b =
· c,
sin(α + β)
γ = π − α − β.
a =
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Beweis: Da die Winkelsumme im Dreieck gleich π ist, ist die Bedingung α + β < π
notwendig für die Existenz eines passenden Dreiecks. Nun nehme umgekehrt α + β < π
an.
A
α
c
C
β
B
Dann tragen wir eine Strecke AB der Länge c ab und bilden im Winkel α einen von A
ausgehenden Halbstrahl und im Winkel β einen von B ausgehenden Halbstrahl. Diese
beiden schneiden sich in einem Punkt C und dann ist ABC ein Dreieck mit |AB| = c
und Winkel α bei A und β bei B. Damit ist die Existenzaussage bewiesen, und wir
kommen nun zur Eindeutigkeit.
Sei also ein beliebiges Dreieck ∆ des gesuchten Typs gegeben. Dann ist γ = π−α−β
und Mit dem Sinussatz Satz 8 folgen
a=
sin α
sin α
sin α
c=
·c=
·c
sin γ
sin(π − (α + β))
sin(α + β)
und ebenso
b=
sin β
sin β
c=
· c.
sin γ
sin(α + β)
Insbesondere ist ∆ bis auf Kongruenz eindeutig bestimmt.
Die obige Konstruktion des Punktes C verdient noch einen kleinen Kommentar. Wir
hatten bereits ganz zu Beginn angemerkt das man die ebene Geometrie auch axiomatisch aufbauen kann, und das Urbeispiel eines solchen Aufbaus sind die Elemente des
”
Euklid“. Diese sind im Zeitraum um 300 vor Christus entstanden und eines der dort
verwendeten Axiome ist das sogenannte Parallelenaxiom
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Schneiden zwei Strecken eine Gerade in zwei gegenüberliegenden Winkeln
die zusammen kleiner als zwei Rechte sind, so treffen sich diese Strecken bei
Verlängerung ins Unendliche in einem Punkt der auf der Seite der Geraden
liegt in der die beiden gegenüberliegenden Winkel sind die zusammen kleiner
als zwei Rechte sind.
Der Name Parallelenaxiom“ entsteht da diese Aussage unter Voraussetzung der übri”
gen Axiome dazu äquivalent ist, dass es zu jeder Geraden und zu jedem Punkt außerhalb der Geraden stets genau eine Gerade durch den Punkt gibt welche die vorgegebene
Gerade nicht trifft. Unser Beweis des SWW-Satzes zeigt das der Kongruenzsatz SWW
im wesentlichen zum Parallelenaxiom äquivalent ist. Tatsächlich wird bei vielen Axiomensystemen für die ebene Geometrie die eine oder andere Form eines Kongruenzsatzes
als Axiom verwendet.
Zusammenfassend haben wir damit die folgenden Kongruenzaussagen eingesehen:
Zwei Dreiecke sind genau dann kongruent wenn sie
• in allen drei Seiten,
• in zwei Seiten und dem von ihnen eingeschlossenen Winkel,
• in zwei Seiten und dem der längeren Seite gegenüberliegenden Winkel,
• in einer Seite und zwei Winkeln
übereinstimmen.
1.5
Einige spezielle Punkte im Dreieck
Mit den speziellen Punkten“ in einem Dreieck sind Punkte gemeint die in irgendeiner
”
kanonischen Weise geometrisch aus dem Dreieck heraus konstruiert werden können,
also beispielsweise der Schnittpunkt der Seitenhalbierenden oder der Schnittpunkt der
Mittelsenkrechten. Wir behandeln hier hauptsächlich die vier wichtigsten von diesen,
und dies sind die jeweiligen Schnittpunkte der Seitenhalbierenden, der Winkelhalbierenden, der Mittelsenkrechten und der Höhen. Dies hängen eng mit dem Innkreis und
dem Umkreis eines Dreiecks zusammen. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Diskussion dieser
Punkte ist der Ähnlichkeitsbegriff für Dreiecke, man nennt zwei Dreiecke ∆, ∆0 ähnlich
zueinander wenn in ihnen entsprechende Winkel gleich sind, wenn also in den Standardbezeichnungen α = α0 , β = β 0 und γ = γ 0 gelten. Aus den Kongruenzsätzen des
vorigen Abschnitts können wir leicht entsprechende Aussagen über ähnliche Dreiecke
herleiten, was wir dann in der nächsten Sitzung durchführen werden.
3-7
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