User: GRUENEWALDK **FONT** Time: 06-24-2016 11:51 Product: FLWX PubDate: 07_2016 Zone: 1 Edition: 1 Page: X046 Color: 46 Verarbeitung Texturate Pflanzliche Proteine dienen als Fleischersatz Veggie-Trend sorgt für die Etablierung von Nasstexturaten als Mainstreamprodukt Einhergehend mit der wachsenden Weltbevölkerung, der Zunahme des relativen weltweiten Wohlstands und der Endlichkeit an verfügbaren Ressourcen, ist die Menschheit auf der Suche nach alternativen und zusätzlichen Nahrungsquellen. Eine gewichtige Rolle spielt hierbei eine geänderte Deckung des täglichen Proteinbedarfs aus tierischen Quellen. Zeichnen sich Wohlstandsgesellschaften bisweilen durch einen überwiegend hohen Fleischkonsum aus, so lässt sich aktuell in den westlichen Industrienationen eine gegenläufige Beobachtung tätigen: Vegetarismus, Veganismus, Flexitarismus und deren Zwischenformen liegen hier stark im Trend. Von Michael Weinberger emäss einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung finden es 90% der Deutschen wichtig, sich ausgewogen und gesund zu ernähren. Ein überwiegender Teil der Bevölkerung gibt gemäß einer Forsa-Umfrage an, täglich oder zumindest mehrmals in der Woche Fleisch zu verzehren. Allerdings wollen immer mehr Menschen ihren Fleischkonsum reduzieren. Die Gründe hierfür sind vielfältig – sei es aus gesundheitlichen Aspekten, ethisch-moralischen Gesichtspunkten oder ökologischen Gründen. So ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile neben kleinen Manufakturen auch große Lebensmittelkonzerne auf das Marktpotential alternativer Proteinquellen aufmerksam geworden sind, neue Produkte entwickeln und einen Markteinstieg prüfen. Aufgrund des schrumpfenden Fleischmarkts haben mittlerweile sogar etablierte Fleischereibetriebe damit begonnen, ihr Produktportfolio auf vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte und Fleischimitate umzustellen. Auch entstehen vermehrt Spin-Offs von fleischverarbeitenden Unternehmen, Fotos: Bühler AG G Der PolyTwin BCTG-62 der Bühler AG stellt Trocken und Nasstexturate her. welche sich auf die Herstellung tels der vier Hauptparameter von Produkten aus alternativen Wassergehalt, spezifische mechanische Energieeinleitung, spezifiProteinquellen spezialisieren. sche thermische EnergieeinleiTexturierung von tung und Verweilzeit lassen sich Proteinen die gewünschten Texturen erzielen. Das Verfahren zeichnet sich Mit der Kochextrusion steht eine vor allem durch seine Vielseitiggeeignete Technologie zur Verfü- keit, das vergleichsweise niedrige gung um Proteinquellen in an- Investment, die niedrigen Insprechende Nahrungsmittel zu standhaltungskosten sowie die verwandeln. In einem Extruder konstante Produktqualität aus. Grundsätzlich lassen sich alle werden verschiedene Prozessschritte in nur einer Maschine Arten von Proteinen texturieren, kombiniert. Rohmaterialien kön- solange sie in ausreichend konnen kontinuierlich gemischt, ge- zentrierter Form vorliegen. Ideaknetet und unter thermischem lerweise soll der eingesetzte pround mechanischem Energieein- teinhaltige Rohstoff einen gerintrag gekocht werden. Anschlie- gen Fett- sowie einen niedrigen ßend werden sie in die gewünsch- Faseranteil aufweisen. Die Palette te Endproduktform gebracht. Mit- der möglichen Rohstoffe reicht hierbei von tierischen Quellen wie Casein über pflanzliche Proteine wie Weizengluten oder auch Hülsenfruchtproteinen und Lupine bis hin zu Proteinen aus Pilzen oder Insekten wie dem Mehlwurm. Während letztere Gruppe in asiatischen Ländern bereits fester Bestandteil des Speiseplans ist und bei uns erst in ferner Zukunft ein Thema werden wird, stehen Hülsenfrüchte derzeit vermehrt im Rampenlicht. Dies nicht zuletzt da das Jahr 2016 von der UN als „das Jahr der Hülsenfrucht“ ausgerufen wurde. Um nun eine Proteinquelle mittels Extrusionsverfahren in ein Fleischimitat zu transformieren, wird der proteinhaltige Rohstoff zusammen mit Wasser unter hoFLEISCHWIRTSCHAFT 7/2016 User: GRUENEWALDK **FONT** Time: 06-24-2016 11:51 Product: FLWX PubDate: 07_2016 Zone: 1 Edition: 1 Page: X047 Color: Verarbeitung 47 hem Druck und dem Eintrag von Scherenergie durch eine Düse gepresst und gleichzeitig geformt. Hierfür eignen sich vor allem Proteinkonzentrate und -isolate mit Proteingehalten von über 60%. Weitere Ingredienzien wie Salz oder Farbstoffe und Aromen können direkt mit den Hauptkomponenten dosiert werden. Durch eine geeignete Wahl der Prozessparameter im Extruder vernetzen sich die Proteine und es bilden sich fibriliäre Strukturen aus, womit die Imitation von Muskelfasern möglich wird. In der Fachsprache wird dieser Vorgang als Texturierung und die Endprodukte als Texturate bezeichnet. Es ist zwischen Trocken- und Nasstexturaten zu unterscheiden. Zusätzlich zu den oben genannten Extrusionsparametern kann der Texturierungsgrad der Proteine auch über den pH-Wert beeinflusst werden. Eine Verschiebung des pH-Wertes in ein alkalisches Milieu führt zu einer verbesserten Proteinlöslichkeit, pH-Werte im sauren Bereich hingegen bewirken das Gegenteil und die Proteine lassen sich schwieriger verarbeiten. Geringe Zusätze von schwefelhaltigen Stoffen wie beispielsweise Cystein wirken sich positiv auf die Vernetzungseigenschaften von Proteinen aus. Disulfidbrücken Schema für Trockentexturate können so gespalten und die Eiweissmoleküle in ihrer Struktur umgelagert und besser texturiert Streifen geschnitten im Handel werden. angeboten und kommen auch Trockentexturate vermehrt bei der Herstellung von bleiben am Markt industriell verarbeiteten Lebensmitteln als Füllstoff zum Einsatz. Trockentexturate sind bereits seit Aufgrund ihrer schwammartig längerer Zeit auf dem Markt etab- porösen Struktur ist ihnen eine liert. Sie werden meist in Granu- hohe Flüssigkeitsaufnahmefähiglatform als Hackfleischersatz be- keit von bis zu 400% des Trockenziehungsweise in Stücke oder in volumens gemeinsam. Vor der Zubereitung sind sie für zehn bis fünfzehn Minuten in Wasser einzulegen oder können in der Garflüssigkeit mitgekocht werden. Sie weisen eine eher elastische, kurzfaserige Konsistenz auf. Soja hat sich hier als Rohstoff durchgesetzt, es sind allerdings auch Produkte auf Basis von Erbse und Lupine erhältlich. Die Herstellung von Trockentexturaten erfolgt mittels eines Extrusionsprozesses. Hierfür Trockentexturate auf Basis von wird das Protein bei WassergehalSoja ten unter 30% extrudiert. AufFLEISCHWIRTSCHAFT 7/2016 grund der hohen Temperaturen im Extruder von über 160 °C und Drücken um 100 bar erfolgt eine Expansion des Teiges beim Austritt an der Düse, da das verdampfende Wasser durch den Druckabfall aus dem Produkt entweicht und es gewissermaßen aufbläht. Je nach Wahl der Prozessparameter und den geometrischen Dimensionen der Extruderdüse können unterschiedliche Endproduktformen und Porenstrukturen erzielt werden. Die Extrudate werden im Anschluss auf eine Zielfeuchte von unter 5% getrocknet. Optional können sie vor dem Verpacken auf die gewünschte Partikelgrößenverteilung vermahlen und gesichtet werden. Anzeige User: GRUENEWALDK **FONT** 48 Verarbeitung Time: 06-24-2016 11:51 Product: FLWX PubDate: 07_2016 Zone: 1 Edition: 1 Page: X048 Fleischersatz auf Basis pflanzlicher Proteine Schema für Nasstexturate zu Zeit anhaltende vegetarisch / ve- vermitteln. So ist es nicht verwungane Hype zur Etablierung im derlich, dass geschätzte 80% der Mainstream bei. Im fleischlosen Konsumenten eigentlich bevorAktuell lässt sich vor allem ein Proteingeschäft ist es äußerst zugte Fleischesser sind. Mit einer Trend hin zu Nasstexturaten be- wichtig Emotionen und Lifestyle steigenden Verbraucherakzepobachten. Im Gegensatz zu Trockentexturaten müssen diese nicht rehydriert werden. Sie sind in ihrer Struktur und Textur Muskelfleisch sehr ähnlich. Die Imitate werden in zahlreichen Formen – von Gyros bis Schnitzel – angeboten und erscheinen meist bereits fertig mariniert oder paniert auf dem Markt. In den letzten Jahren konnten hier große Fortschritte hinsichtlich der Qualität erzielt werden, so dass diese Produkte aus der Biomarkt- / Reformhausnische mittlerweile auch Einzug in die Regale großer Lebensmittelhändler gefunden haben und eine breite Käuferschicht nach sich ziehen. Einerseits konnten die Hersteller ihre Produkte vor allem hinsichtlich Qualität, Geschmack, Form und Aussehen verbessern, andererseits trägt auch der seit einiger Nasstexturate mit verschiedenen Texturen Nasstexturate sind im Trend FLEISCHWIRTSCHAFT 7/2016 Color: tanz kann gerechnet werden, auch wenn es wohl noch einige Zeit dauert bis die Produkte ihr Lifestyle-Image verlieren und einen festen Platz auf dem Einkaufszettel wie Mehl und Butter erhalten. Das derzeit am häufigsten vorzufindende Produkt im Segment der Nasstexturate ist Hähnchenbrust-Imitat, weitere Fleischtexturen stecken noch in der Entwicklung. Nahezu alle Hersteller arbeiten mit Soja als Proteinquelle, aber auch Erbsenprotein spielt eine große Rolle. Anderweitige Proteinquellen wie Lupine oder Linsen sind Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten. Nachdem Form, Geschmack und Mundgefühl mittlerweile herkömmlichem Fleisch entsprechen, liegt der Fokus der Entwickler auf ernährungsphysiologischen Fragestellungen. Themen wie die Bioverfügbarkeit der Nährstoffe sowie ein ausbalanciertes Aminosäureprofil, welches demjenigen von Fleisch nahekommen soll, sind hier von großer Relevanz. Kombinationen aus verschiedenen pflanzlichen Proteinquellen kompensieren einseitige Aminosäureprofile und sollen eine ausgewogene fleischlose Ernährung gewährleisten. Neben gesundheitlichen Aspekten ist dies unabdinglich um eine noch breitere Akzeptanz und Käuferschicht zu erreichen. Der Prozess zur Herstellung von Nasstexturaten erfolgt wiederum mittels Extrusionstechnologie, ähnelt demjenigen der Trockentexturate jedoch nur bedingt. Zunächst wird das Protein oder eine Proteinmischung in den Extruder dosiert. An dieser Stelle findet üblicherweise auch die Zugabe von Mikroingredienzien wie Salze, Aromen oder Farbstoffe und Vitamine statt. Zusätzlich zum Prozesswasser können Öle oder andere Flüssigkomponenten dosiert werden. Aufgrund des hohen Wassergehaltes von circa 60% und der in den Extruder einzubringenden Scherenergie ist ein wesentlich längerer Verfahrensteil notwendig. Im Mittel benötigen die Proteine Prozesstemperaturen von 140–170 °C um Faserstrukturen auszubilden. Da der Teig bei Nasstexturaten jedoch nicht expandieren soll, muss er folglich User: GRUENEWALDK**FONT** Time: 06-24-2016 11:51 Product: FLWX PubDate: 07_2016 Zone: 1 Edition: 1 Page: X049 Color: Verarbeitung 49 am Austritt des Extruders gekühlt werden. Dies geschieht mit Hilfe einer speziellen Kühldüse. Sie übernimmt die Funktion eines Wärmetauschers. In ihr wird der Teig permanent von kaltem Wasser umströmt und dabei über ihre Verfahrenslänge auf unter 100 °C gekühlt. Je nach Einstellung der Prozessparameter lassen sich unterschiedliche Texturen generieren. Diese erstrecken sich von kurzfaserigen, eher elastischen Strukturen hin bis zu langen, teils quervernetzten Fasern. Auch schaumig poröse Texturen sind möglich. Nachdem die Texturate die Kühldüse verlassen haben, werden sie mit Hilfe eines Schneidapparates auf die gewünschte Form zugeschnitten. Wurden die Mikroingredienzien bereits eingangs des Extrusionsprozesses zugegeben, so können die Texturate direkt verpackt und einem Tiefkühlprozess unterzogen werden. Zudem besteht auch die Möglichkeit Geschmacksund Aromastoffe in einer Art Marinade in die Texturate einzureiben, bevor diese verpackt und tiefgefroren werden. Da Nasstexturate einen vergleichbaren Wassergehalt wie Frischfleisch aufweisen sind sie wie dieses ebenfalls einer Kühlkette zu unterziehen. Ohne Zweifel wird tierisches Protein weiterhin konsumiert werden, jedoch werden pflanzliche Proteinquellen in der Zukunft eine größere Rolle spielen und auch in Europa einen Teil des Fleischkonsums substituieren. Erste Anzeichen sind gegeben und für die Zukunft ist mit einer stetigen Zunahme zu rechnen. Aus globaler Sicht wird eine Aufnahme alternativer Proteinquellen in den Speiseplan bei der derzeitigen demographischen Bevölkerungsentwicklung unumgänglich sein. Michael Weinberger ist im Bereich Research & Development der Abteilung Value Nutrition beim schweizerischen Technologiekonzern Bühler AG tätig. Der Lebensmittelingenieur beschäftigt sich mit den Grundlagen der Extrusion sowie deren praktische Umsetzung im industriellen Maßstab. Anschrift des Verfassers Michael Weinberger, Bühler AG, Nutrition Process Technology, CH-9240 Uzwil [email protected] KeineDateninAnzeige16007XFLWX140 w:189mh:90m Kunde:BeckGewürzeundAdditiveGmbH Beschreibung: FLEISCHWIRTSCHAFT 7/2016