Umgang mit Aggressiven Hunden

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Umgang mit
Aggressiven
Hunden
UA Luescher Dr med vet PhD
DACVB ECAWBM-BM
Aggression
• “Eine Breite Kategorie
von Verhalten, die
sowohl Drohung als
auch Angriff
beinhaltet”
• “Verhalten, das einem
andern Organismus
Schaden zufügt”
• “Durchführung einer
Attacke”
Agonistisches Verhalten
• Alles Verhalten, das der innerspezifischen
Aggression oder Rivalität dient
• Es schliesst Aggression, Drohung,
Verteidigung, Beschwichtigungsverhalten
und Flucht ein
Aggression
Neurophysiologische Klassifizierung
• Affective Aggression
– Verhalten, um Distanz
zu vergrössern
• “Aggression” gegen
Beutetiere
– Nahrungsverhalten
• (Spielaggression)
Affektive Aggression
• Geht mit hoher sympathischer Erregung
einher (Dilatation der Pupillen, “grüne”
Augen)
• Ausgelöst durch Stimulation des
medianen Hypothalamus oder der
Amygdala
• Äusserst heftige Aggression nach
Stimulation des Hirnstammes,
normalerweise moduliert durch Kortex
und Amygdala
Affektive Aggression
• Input von allen
Sinnesorganen in
die Amygdala,
einschliesslich
des
vomeronasalen
(Jacobsonschen)
Organs
Physiologische Korrelate von
Aggression
• Erregbarkeit (Adrenalin,
Noradrenalin und
Dopamin) ist erhöht in
aggressiven Hunden, und
sie wird anders
«verarbeitet» als in nichtaggressiven Hunden
• Reaktivität auf Reize
• Serotonin (beruhigendes
Hormon) ist tiefer
Die «Aggressionsleiter»
Vererbung von Aggressivität
15 Variablen
4 Wesenszüge
Hauptwesenszüge
Verspieltheit
Faktor Aanalyse
Neugierde, Mut
Angst/Hemmung –
Mut/Draufgängertum
Jagdtrieb (Ball)
Aggressivität
Aggressivität
Vererbung von Aggressivität
• Die zwei hauptsächlichen
Wesenszüge sind (durch
Faktoranalyse identifiziert):
– Angst/Hemmung – Mut/
Draufgängertum
– Aggressivität
• Alle Kombinationen sind
möglich, so dass es Hunde
gibt, die sehr schnell und mit
wenig Angst aggressiv
reagieren; andere, die sehr
ängstlich sind und keine
Aggression zeigen
Vererbung von Aggressivität
• Angeborene Aengstlichkeit
und Aggressivität
bestimmen nur teilweise,
wie wahscheinlich ein Hund
beisst.
• Andere Faktoren spielen
eine Rolle
(Serotoninspiegel,
Dopamin Rezeptoren, Grad
der Hemmung durch Kortex
und Amygdala, Grad der
Neotenie, Trainierbarkeit,
Lernvorgänge)
• Aggressivität hat mittlere
bis hohe Vererbbarkeit
Genetik der Aggressivität van den Berg
• Aggression in Golden
Retriever
– Vergleich von 139
aggressiven mit 138 nichtaggressiven Verwandten
– Aggression gegen Menschen
und gegen Hunde wurde
verschieden vererbt
– Heritabilität war sehr hoch
(80%); deshalb wird
angenommen, dass nur 1
oder 2 Gene involviert sind
Genetik der Aggressivität Podberscek and Serpell, 1996
• Englischer Cocker Spaniels
– Uni-farbige Hunde waren aggressiver als gescheckte
– Rote waren aggressiver als schwarze
Genetik der Aggressivität Reisner, 2005, Reisner et al, 1995
• Aggression bei Englischen
Springer Spaniels
– Gewisse Ausstellungslinien
waren überrepräsentiert bei
den aggressiven Hunden
– Ein bestimmter Zwinger,
und ein Rüde in diesem
Zwinger waren mit
Aggressivität verbunden
Genetik der Aggressivität
• Genetische Variabilität und die Heritabilität versprechen
guten Selektionserfolg (Wesenstest?)
• Selektion auf Schönheit war positiv korreliert mit
Angstlichkeit und negativ mit Verspieltheit, Neugierde und
Aggressivität
• Selektion auf Arbeitsfähigkeit war positiv korreliert mit
Verspieltheit und Aggressivität (siehe unten)
Aggression als Konfliktverhalten
• Frustration
– Ein Hund ist motiviert, ein
Verhalten durchzuführen,
wird aber daran gehindert
• Motivationeller Konflikt
– Zwei entgegengesetzte
Motivationen sind gleich
stark
• Umgebung (inklusive
Interaktionen) sind nicht
vorhersehbar oder
kontrollierbar
Trainierbarkeit, Konflikt und Aggression
• Selektion auf
Trainierbarkeit selektioniert
einen Hund, der die
Umwelt kontrollieren will
• Sehr trainierbare Hunde
leiden deshalb wohl mehr,
wenn das nicht möglich ist
• Aggression hat eine
voraussehbare
Konsequenz (der Hund
manipuliert/kontrolliert die
Umwelt)
Unberechenbare Umwelt
• Unberechenbare
Interaktionen
• Keine Kommunikation
zwischen Mensch und
Hund (kein Training)
• Fehlen von strikten
Regeln
• Unbekannte Umwelt
Unberechenbare Umwelt
– Fehlen von Regeln macht es dem Hund
unmöglich, mit vorhersehbarer Konsequenz zu
handeln
– Vergleich zu neuem Kartenspiel
Distanz, Angst und Aggression
Aufmerksamkeit
Flucht
Aggression
Kritische
Distanz
Fluchtdistanz
Distanz, Angst und Aggression
• Die Distanzen
ändern sich je nach
Bedrohlichkeit des
Reizes
• Wenn ich den Reiz
(mein Verhalten)
ändere, bin ich
möglicherweise
plötzlich näher als
die kritische Distanz
Der Einfluss von Lernen auf Affektive
Aggression
• Aggression kann eskalieren, wenn Menschen die
feinen Signale (Konfliktverhalten, Warnen) nicht
lesen, und sie deshalb nichts bewirken
• Wenn Menschen zurückweichen wenn der Hund
aggressiv ist, oder der Stress sich vermindert,
wird Aggression negativ verstärkt
• Negative Verstärkung macht Verhalten sehr stabil
• Aggression wird deshalb zu einer sehr stabilen,
persistierenden Strategie, um mit stressvollen,
bedrohlichen oder Konfliktsituationen umzugehen
Negative Verstärkung Affektiver
Aggression
• Weil Aggression eine
erfolgreiche Strategie
ist, wird der Hund
mehr und mehr
selbstsicher wenn
bedroht. Er zeigt dann
statt defensiver eine
offensive
Körpersprache
Der Einfluss von Lernen auf Affektive
Aggression
• Operante
Konditionierung
(negative Verstärkung)
• Shaping (Selektion)
von intensiver und
offensiver Aggression
• Klassische
Konditionierung
(Auslöser)
“Aggression” gegen Beute
• Gehört zum Funktionskreis der
Nahrungsaufnahme
• Wird durch das Appetit- und
Sättigungszentren im Hypothalamus
gesteuert
• Gehemmt, wenn Amygdala stimuliert
werden
• Ohne hohe sympathische Erregung
Aggression - Diagnosen
• Konflikt-bedingte
Aggression
• Aggression über einen
“Besitz”
• Hierarchische Aggression
(innerhalb einer Meute)
• Aggression gegen fremde
Hunde/Rüden
• Territoriale Aggression
• Erregungsbedingte
Aggression (kann aber auch
Beutefangverhalten sein)
Aggression – Diagnosen
•
•
•
•
Angst/schmerzbedingte Aggression
Krankheitsbedingte Aggression
Verteidigung von Welpen
Spielaggression (?)
• (Umorientierte
Aggression)
• (Erlernte Aggression)
Klinische Diagnose
• Veterinärmedizin
• Medizinische
Differentialdiagnose
• Verhaltensdiagnostik?
– Neurotransmittermetaboliten im CSF
– Blutspiegel
– PET scans oder andere
funktionelle Abbildungen
• Anamnese
• Video
Behandlung
(im Allgemeinen)
• Umweltänderung,
Management
• Kontrolle
• Temperament
– Angst
– Uebererregbarkeit
• Kontrollierte Interaktionen
• Verhaltensmodifikation
• Medikamentöse
Behandlung
Behandlung von Aggression
• Warum nicht aversive Methoden?
– Klassische Konditionierung ist
“primitiver”, d.h. stärker als operante
Konditionierung
– Aversive Reize erhöhen Aggression
– Ist die Aggression plötzlich nicht
mehr erfolgreich, wird sie intensiviert
(Frustrationseffekt)
– Sehr starke Strafe kann alles
Verhalten unterdrücken (erlernte
Hilflosigkeit)
– Ziel ist entspanntes, nichtaggressives Verhalten
Behandlung von Aggression
• Sind nicht-aversive Methoden
“Bestechung”?
– Müssen Lernprinzipien respektieren: Sie lehren
– Geben dem Tier Kontrolle über die Umwelt und
damit die Fähigkeit, Stress in akzeptierbarer
Weise zu reduzieren: Sie lehren angebrachte
Strategien, mit einer Situation umzugehen
– Klicker und Belohnungen sind nicht
Bestechung, sondern Mittel, die der
Kommunikation dienen
– Bestechung wird vor dem Verhalten offeriert,
und ist nur im Moment wirksam
Umweltveränderungen
(Management)
• Hund im Haus von
Opfern separieren
(Barrieren, Käfig,
anbinden)
• Rückzugsmöglichkeit
• Alle Auslöser vermeiden
– Nägel schneiden, scheren
bei Tierarzt
– Anderswo spazieren
gehen (Auto)
– Türe abschliessen
– Nicht berühren
Umweltveränderungen
(Management)
• Kopfhalfter und leichte
Leine im Haus
• Kontrolle durch Befehle
• Maulkorb
• «Yellow Dog Project»
• Mahlzeiten füttern, nicht
ad libitum
• Protein-arme Diät?
• Nicht dabei sein
(streicheln) beim Fressen
• In separatem Raum
füttern
Wesen
• Ignorieren (Erregbarkeit,
Unsicherheit)
• Keine (positive) Bestrafung
• Positiv trainieren (Klicker)
(Unsicherheit,
Aengstlichkeit, Vertrauen
schaffen)
• Spazieren (Erregbarkeit)
• Mentale Stimulation
• Aerobische Aktivität
• Medikamentöse Behandlung
Interaktionen
• Ignorieren
• Nicht herausfordern
– Körpersprache
– Nichts wegnehmen
– Nur strukturierte
Interaktionen: BefehlVerhalten-Belohnung
– Ev. Clicker Training
über Barriere
– Alle Interaktionen mit
Kindern beaufsichtigen
und kontrollieren
Basis für Verhaltensmodifikation
• Habituation
– Systematische
Desensibilisierung
– Reizüberflutung (Flooding)
• Klassische Konditionierung
– (klassische)
Gegenkonditionierung
• Operante Konditionierung
– Ignorieren (nicht belohnen)
– Verhaltenssubstitution (operante
Gegenkonditionierung)
Habituation
• Ein Tier lernt dass
ein neutraler Reiz
keine Folgen hat
(der Reiz bedeutet
nichts, sagt nichts
voraus, und reagiert
nicht länger darauf
• Dies ist ein aktiver
Lernprozess und hat
nichts zu tun mit
Vergessen
Habituation - Anwendung
• Systematische Desensibilisierung
• Reizüberflutung (Flooding)
Systematische Desensibilisierung
• Zuerst wird ein schwacher
Reiz verwendet (keine
Reaktion)
• Der Reiz wird graduell
verstärkt (kleine Schritte!)
• Der Hund wird bei jeder
Reizpräsentation belohnt,
wenn er entspannt bleibt
Systematische
Desensibilisierung
Dazu muss man fähig sein:
– Den Reiz zu
identifizieren
– Den Reiz zu
reproduzieren
– Die Reizintensität zu
kontrollieren
– Einen Ausgangspunkt
ohne Reaktion zu finden
– Den natürlichen Reiz zu
vermeiden
Pharmakologische Desensibilisierung
• Wenn man den Reiz nicht
identifizieren, vermeiden,
kontrollieren,
reproduzieren kann
• Bei sehr hoher
Reaktivität
• Bei generalisierter Angst/
Aggressivität
• (Wenn die
Verhaltentherapie ein zu
grosses Risiko darstellt)
Reizüberflutung
• Das Tier wird dem Reiz
in voller Intensität
ausgesetzt und daran
gehindert, zu
entkommen, bus es
aufhört zu reagieren
• Gefährlich für Hund und
Trainer
• Tierschutzwidrig
Klassische Konditionierung
(IP Pawlow)
• Assoziationen zwischen Reizen lernen
Klassische Gegenkonditionierung
• Ein für den Hund
unangenehmer Reiz
oder Situation, wird
von einem
angenehmen Reiz
gefolgt, bzw mit einem
angenehmen Reiz
verbunden:
– Futter
– Spiel
– Clicker Training
Klassische Gegenkonditionierung
• Man identifiziert den
Auslösereiz
• Man muss den natürlich
vorkommenden Reiz
vermeiden, ausser man habe
die Situation unter Kontrolle
• Oft muss man mit einem
milden Reiz beginnen
• Man paart den Auslösereiz
immer mit dem angenehmen
Reiz
Klassische Gegenkonditionierung
Anwendung
• Furcht vor der
Tierklinik
• Aggression (Angst,
Territoriale,
Konfliktbedingte)
• Aggression zwischen
Hunden
Operante Konditionierung
(BF Skinner)
• Zusammenhang lernen
zwischen Reizen und
Verhalten
• Lernen, dass ein
Verhalten in einer
gegebenen Situation
eine bestimmte
Konsequenz hat
Operante Konditionierung
angenehme
Operante Konditionierung
Anwendung
• Ignorieren
– Damit verschwindet ein
durch Aufmerksamkeit,
Berührung etc. verstärktes
Verhalten (und
Auslösereize für
Aggression werden
vermieden)
– Ungewollt konditionierte
Verhalten
– Ueberaktivität
– Spielaggression
Operante Konditionierung
Anwendung
• Verhaltenssubstitution
(Operante
Gegenkonditionierung)
– Man lehrt ein erwünschtes
Verhalten in einer
Situation, in der der Hund
ein unerwünschtes
Verhalten zeigte
– Man ändert die Motivation
– Der Aulösereiz ändert
seine Bedeutung
Verhaltenssubstitution
• Die natürliche Situation muss
vorerst vermieden werden
• Anfänglich schwachen
Auslösereiz verwenden
• Man trainiert zuerst das
erwünschte Verhalten
• Auslösereiz präsentieren,
Aufmerksamkeit erhalten,
Befehl für gewolltes Verhalten
geben, gewolltes Verhalten
auslösen, belohnen
Verhaltenssubstitution
• Normales oder
konditioniertes
unerwünschtes
Verhalten
• Territoriale
Aggression
• Aggression gegen
fremde Hunde,
Menschen
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