2.6 Drehbewegung eines starren Körpers 27 2.6 Drehbewegung eines starren Körpers 2.6.1 Winkelbeschleunigung, Trägheitsmoment. Am einfachen Fall einer starren, um eine feste Achse drehbaren Scheibe wollen wir die wichtigsten Begriffe für Drehbewegungen kennenlernen. Dreht sie sich, so haben die verschiedenen Punkte der Scheibe zwar dieselbe Winkelgeschwindigkeit w (Abschn. 2.2.2), aber verschiedene Bahngeschwindigkeiten Vi= wri, wenn ri der Abstand des betreffenden Punktes von der Drehachse ist. Auch die Winkelgeschwindigkeit ist ein Vektor, ein sog. achsialer Vektor, der in der Drehachse liegt, die Richtung des Pfeiles gibt den Drehsinn in Form einer Rechtsschraube an, s. Abb. 2.34. Wird die Scheibe aus der Ruhe in Drehung versetzt, so ändert sich ihre Winkelgeschwindigkeit. Wir führen daher den Begriff der Winkelbeschleunigung a ein und verstehen darunter die Änderung der Winkelgeschwindigkeit LI w dividiert durch den dazu benötigten Zeitabschnitt LI t, also . Llw dw d 2q; a= h m - - = - = - -2 . (2.39a) ,11-.0 LI t dt dt Ihre Einheit ist s - 2. Bei konstanter Winkelbeschleunigung a ist der aus der Ruhe heraus in der Zeitspanne t überstrichene Winkel (fl 'f' = 1...2 at 2 ' (2.39b) und die Winkelgeschwindigkeit beträgt danach: w = at , (2.39c) vgl. Abschn.2.2.2 Fallgesetze. Nach dem Winkel-Zeit-Gesetz kann man auch praktisch die Winkelbeschleunigung bestimmen. - Jeder Massepunkt auf der Scheibe erleidet eine Beschleunigung ai = ria in tangentialer Richtung, nicht zu verwechseln mit der Zentripetalbeschleunigung w 2 ri in radialer Richtung, die außerdem auftritt. Nach dieser Kinematik der Drehbewegung fragen wir danach, wie eine Winkelbeschleunigung verursacht werden kann. Im Experiment verwenden wir dazu am einfachsten einen Schnurzug, der über eine Rolle läuft und an dem ein Gewichtsstück hängt, s. Abb. 2.34. Es kommt nämlich nicht auf die einwir- kende Kraft Fallein - eine z. B. im Drehpunkt 0 angreifende Kraft wäre unwirksam -, sondern auf ihr "Drehmoment" M = rF in bezug auf die Drehachse AA an. Die Drehung verläuft von unten gesehen im Uhrzeigersinne. Wie schon in Abschn. 2.5.2 ausgeführt, beschreiben wir das Drehmoment durch einen Vektor M, der auf der Ebene r F senkrecht steht; für seine Orientierung gilt dasselbe wie für den Vektor der Winkelgeschwindigkeit w. Quantitative Experimente beweisen, daß die aus dem Winkel-Zeit-Gesetz bestimmte Winkelbeschleunigung eines drehbaren Körpers nur vom wirkenden Drehmoment M = rF abhängt, gleichgültig wie groß Fund r im einzelnen sind. Außerdem ergibt sich, daß die Winkelbeschleunigung a dem Drehmoment proportional, aber natürlich von Körper zu Körper verschieden ist, vgl. die geradlinige Beschleunigung durch Kräfte (Abschn. 2.3.1). Die Winkelbeschleunigung durch ein bestimmtes Drehmoment hängt nicht nur von der Masse des Drehkörpers sondern auch von deren Verteilung in bezug auf die Drehachse ab. Je weiter außen ein herausgegriffenes Massestück m auf der Scheibe liegt, um so größer ist bei konstanter Winkelgeschwindigkeit seine Bahngeschwindigkeit und damit auch seine kinetische Energie (Rotationsenergie) (m / 2)vr = (m/2)w 2rr. Die zum Erreichen einer bestimmten Winkelgeschwindigkeit erforderliche Beschleunigungsarbeit wächst also nicht mit m, sondern mit mr;' Wir nennen das Produkt aus der Masse und dem Quadrat ihres Abstandes von der Drehachse das Trägheitsmoment I der Masse m in bezug auf die betreffende Achse. Ist ein Körper aus vielen Massen zusammengesetzt, so ist das Gesamtträgheitsmoment gleich der Summe der Trägheitsmomente der einzelnen Massen, oder 1= mld+ m2d+ ... = Emir;. (2.40) Das Trägheitsmoment eines Körpers ändert sich mit der Lage der Achse im Körper. Betrachten wir nur die durch den Schwerpunkt gehenden Achsen, so gibt es eine bestimmte Achse A, s. Abb. 2.35, für die das Trägheitsmoment am größten ist und dazu senkrecht eine weitere Achse C, für die es am A I I I I I I I Abb. 2.34. Drehsinn und Vektoren von Drehmoment, Winkelgeschwindigkeit und Drehimpuls bei einer rotierenden Scheibe. Die Drehachse steht au f der durch die Kraft und den Fahrstra hl r definierten Ebene senkrecht Abb.2.35. Hauptträgheitsachsen einer Kiste 2. Allgemeine Mechanik 28 kleinsten wird. In bezug auf die zu diesen bei den Achsen senkrechte Achse B hat das Trägheitsmoment einen mittleren Wert. Diese drei Achsen nennen wir die Hauptträgheitsachsen des Körpers, die dazugehörigen Momente seine Hauptträgheitsmomente. Eine dünne kreisförmige Scheibe hat den Schwerpunkt im Kreismittelpunkt. Für eine Drehachse senkrecht zur Kreisfläche durch den Schwerpunkt ist das Trägheitsmoment mR 2/2, für eine parallel zur Kreisfläche mR 2 / 4 (m Gesamunasse der Scheibe, R ihr Radius). Für eine Kugel gilt 1= 2mR 2 / 5. Das Trägheitsmoment I bei Rotation um eine beliebige Achse ist gleich dem Trägheitsmoment um die parallel verschobene Achse durch den Schwerpunkt vermehrt um m/ 2 , wobei m die Masse des Körpers und I der Abstand zwischen Schwerpunkt und Drehachse ist (Steinerscher Satz). ersetzen, vgl. die folgende Gegenüberstellung: Einander entsprechende Größen und Gleichungen für Translationsbewegung Drehbewegung Wegs Geschwindigkeit v Beschleunigung a Massem d KraftF= ma = - (mv) dt Richtgröße 12 D = _F x Schwingungsdauer 13 T=2n ~ Kinetische Energie 2.6.2 Dynamisches Grundgesetz der Drehbewegung. Alle Beobachtungen an sich drehenden Körpern lassen sich durch das Grundgesetz für Drehbewegungen beschreiben. Wirkt ein Drehmoment M auf einen drehbaren Körper, so erteilt es ihm eine Winkelbeschleunigung, die sich aus der Gleichung dw dt M = Ia = 1 - (2.41) bestimmt, wobei I das Trägheitsmoment in bezug auf die Drehachse ist. Dieses Gesetz läßt sich aus dem dynamischen Grundgesetz F = ma ableiten, stellt also keine neue, unabhängige Erfahrung dar. Wir betrachten dazu einen Massepunkt in der Entfernung r von der Drehachse, der durch die Kraft F die Beschleunigung a erfährt. Nun gilt F = Mi r und a = ar, in das dynamische Grundgesetz der Kraft eingesetzt (Abschn. 2.3.1) und umgeformt folgt daraus M = m?a. Zwischen der fortschreitenden oder Translationsbewegung und der Drehbewegung besteht außerdem eine weitgehende formale Analogie. Die für die Translationsbewegung bekannten Beziehungen lassen sich ohne weiteres auf die Drehbewegung übertragen, wenn wir nur die Größen Weg, Kraft, Masse usw. durch die entsprechenden Größen Winkel, Drehmoment, Trägheitsmoment usw. E k . =~v2 In 2 Impulsp = mv Winkel rp Winkelgeschwindigkeit (j) Winkelbeschleunigung a Trägheitsmoment I Drehmoment 12 dw dL M = la = I - = dt dt M Rich tmoment 13 D . = - rp Schwingungsdauer 13 T = 2n V I D· Rotationsenergie 1 2 E rOl = - lw 2 Drehimpuls 12 L = I (J) In der folgenden schematischen Übersicht verfolgen wir die Analogie zwischen Translations- und Drehbewegung weiter. Man findet dort dargestellt, wie die Bewegungsänderung eines Körpers unter dem Einfluß einer Kraft F bzw. eines Drehmomentes Mvon der Wirkungsrichtung bei der abhängt. Richtung Wirkung von Kraft bzw. Drehmoment Beispiel F ll v Erhöhung der Bahngeschwindigkeit (Bahnbeschleunigung) Freier Fall Mllw Erhöhung der Winkelgeschwindigkeit Scheibe in Abb.2.34 FJ..v Richtungsänderung der Geschwindigkeit (konstante Radialbeschleunigung) Kreisbahn MJ..w Richtungsänderung der Kreisel in Winkelgeschwindigkeit, also Abb . 2.37 der Drehachse, falls diese frei ist (Abschn. 2.6.4, 2.6.5) 12 13 Abschn. 2.6.3. Abschn. 4.1.1. 2.6 Drehbewegung eines starren Körpers 2.6.3 Satz von der Erhaltung des Drehimpulses. Bei der fortschreitenden Bewegung haben wir den Satz von der Erhaltung des Impulses mv kennengelernt. Ihm entspricht bei der Drehbewegung der Satz von der Erhaltung des Drehimpulses, wobei wir unter dem Drehimpuls L das Produkt aus Trägheitsmoment und Winkelgeschwindigkeit verstehen, also L = I w. Der Drehimpuls ist eine Vektorgröße. Seine Richtung, aus der wir den Drehsinn ersehen, ist dieselbe wie die des Vektors der Winkelgeschwindigkeit, vgl. Abb.2.34. Wirkt ein äußeres Drehmoment M während der Zeit L1 t ein, so ergibt dieser Drehstoß nach der Grundgleichung der Drehbewegung M = Ia = I L1 w/ L1 t eine Änderung des Drehimpulses von der Größe 29 Arme ihre Drehgeschwindigkeit herabsetzen und sie durch Hochziehen des Körpers in die Nähe der Drehachse wieder steigern. 2.6.4 Freie Drehachsen. Bei unseren bisherigen Betrachtungen war die Drehachse des Körpers festgelegt. Diese Beschränkung lassen wir jetzt fallen und fragen, welche Drehachsen ein Körper, durch einen Drehstoß in Rotation versetzt, stabil beibehält. Von vornherein werden wir sagen, daß sie durch seinen Schwerpunkt gehen müssen. Bei einem sich selbst überlassenen Körper kann der Schwerpunkt zwar eine unbeschleunigte, geradlinige Bewegung ausführen, aber keine Kreisbewegung. Die dazu notwendigen Zentripetalkräfte können nicht von einer freien Drehachse ausgeübt werden. Aber nicht um jede Achse durch seinen (2.42) Schwerpunkt rotiert ein Körper frei und staL1L = I L1 w = M L1 t . bil. Die bei der Drehung auftretenden ZentriDaraus folgt der Erhaltungssatz: In einem fugalkräfte ergeben nämlich im allgemeinen System, in dem nur innere Kräfte wirksam ein Drehmoment, das den Körper zu kippen sind, also ein äußeres Drehmoment fehlt, . versucht, so daß die Drehachse im Körper bleibt der Drehimpuls konstant. Befindet ihre Richtung ändert. Bringen wir z. B. einen man sich auf einer Drehscheibe und läuft am Ende aufgehängten zylindrischen Stab man an ihrem Rande in einer Richtung, so mit Hilfe eines Motors um eine vertikale gerät die Scheibe im entgegengesetzten Um- Achse in Drehung, so halten sich die Zen trilaufsinn in Drehung. Man sieht an diesem fugalkräfte im Gleichgewicht, s. Abb. 2.36a. Fall, daß auch der Satz von der Erhaltung Bei der geringsten Abweichung von der vertides Drehimpulses eine Folge des Prinzips kalen Lage üben jedoch die bei den resultievon Kraft und Gegenkraft ist. - Bekannt- renden Zentrifugalkräfte F ein Drehmoment lich fällt die Katze, wie man sie auch fallen aus, das den Stab in die horizontale Lage zu läßt, immer wieder auf die Beine. Das ist nur drehen sucht, s. Abb. 2.36b. Man kann auch dadurch möglich, daß der Schwanz eine der sagen, die Zentrifugalkräfte treiben die Masgewünschten Körperdrehung gegenläufige sen möglichst weit von der Drehachse weg. Es wird also als Drehachse diejenige Achse Drehbewegung macht. Anders als beim Impuls, wo die Masse eine angestrebt, für die das Trägheitsmoment am Konstante ist, kann man durch innere Kräfte größten ist, s. Abb. 2.36c. Um die Achse des aber das Trägheitsmoment ändern, so daß größten Trägheitsmomentes vermag ein Körder Drehimpuls zwar konstant bleibt, die per ohne Lager stabil zu rotieren, da bei jeWinkelgeschwindigkeit sich aber ändert. Ein der Störung sofort ein rücktreibendes DrehDrehschemel z. B. rotiert langsamer, wenn moment auftritt. Wir bezeichnen daher diese die darauf sitzende Versuchsperson in beiden Hauptträgheitsachse als eine freie Drehachse Händen schwere Hanteln hält und die Arme des Körpers. Die Achse des kleinsten Trägplötzlich nach außen streckt (größeres Träg- heitsmomentes kann ebenfalls eine freie heitsmoment). Zieht sie die Arme wieder an, Achse sein. Die Achse des mittleren Hauptso stellt sich die ursprüngliche Winkelge- trägheitsmomentes ist dagegen labil, die schwindigkeit ein. - Ebenso kann die Eis- kleinste Störung verursacht Drehmomente, kunstläuferin bei der Pirouette durch In-die- die die Drehachse verschieben. Versetzt man Knie-Gehen oder seitliches Ausstrecken der einen Körper um diese Achse in Drehung, I I I ~ F S ;r I I I S I a b c Abb. 2.36a - c. Zentrifugalkräfte und freie Achsen bei einem rotierenden Kö rper 2. Allgemeine Mechanik 30 z. B. die in Abb. 2.34 gezeichnete Kiste um die Achse B, so gerät sie ins Torkeln, während sie um die AchseA und bei einiger Vorsicht auch um C weiterrotiert. 2.6.5 Der Kreisel. Jeder freie oder höchstens in einem Punkte festgehaltene rotierende Körper wird als Kreisel bezeichnet. Die charakteristischen Erscheinungen zeigt schon der rotationssymmetrische Kreisel, der uns als Kinderkreisel bekannt ist. Seine Symmetrieachse, auch Figurenachse genannt, enthält den Schwerpunkt und ist die Achse des größten Trägheitsmomentes, sie ist also eine stabile freie Drehachse, s. Abb. 2.37. A Präzessionskegeli 1 <lJ1 ",I \ -SI Cli 13 ' \ \\ ,~l ,,> I ~: \\ \ :t:JI '-I \ 0..., \ 1 \0 1 \ \ 1 \\1' I o 1 :\ 1 0 iLlL 1. Zeichenebene i1 noch hinten gerichtet 1 A Abb. 2.37. Präzession eines Kreisels. Er rotiert um seine Figurenachse, Drehimpulsachse L. Diese läuft auf einem raumfesten Kegelmantel mitAA als Achse (M .Lw) Unterstützen wir einen Kreisel im Schwerpunkt, so ist er den äußeren Schwerkräften entzogen und behält, wenn er einmal um seine Figurenachse in Drehung versetzt worden ist und sich dann selbst überlassen bleibt, die Drehachse raumfest bei. In ihr liegt der Vektor des Drehimpulses, der nach Größe und Richtung ohne äußere Kraftwirkung erhalten bleibt (Satz von der Erhaltung des Drehimpulses). So bleibt bei der in Drehung versetzten abgeschleuderten Diskusscheibe die Figurenachse raumfest, s. Abb . 2.38. Der Diskus 2t::M:;~~~::;~ w, Abb.2.38. Flugbahn einer Diskusscheibe (aus Pohl: Mechanik) erfährt daher im absteigenden Ast der Bahn wie eine Tragfläche mit dem Anstellwinkel a einen Auftrieb und erreicht daher eine größere Flugweite. Beim Kinderkreisel befindet sich der Schwerpunkt oberhalb des Unterstützungspunktes. Sobald die Figurenachse des Kreisels in Abb. 2.37 nicht genau senkrecht steht, übt die Schwerkraft ein Drehmoment aus, das den ruhenden Kreisel umkippen würde. Der rotierende Kreisel fällt jedoch nicht um, sondern weicht senkrecht zur einwirkenden Kraft aus und beschreibt eine sog. Präzessionsbewegung. Seine Figurenachse läuft auf einem Kegelmantel mit AA als Achse und mit 0 als Spitze um. Diese überraschende Erscheinung erklärt sich folgendermaßen: Das im Schwerpunkt S des Kreisels angreifende Gewicht G erzeugt ein Drehmoment M um die horizontale, zur Zeichenebene senkrechte Achse aa. Dieses während der kurzen Zeit L1t wirksame Moment gibt ihm einen zusätzlichen Drehimpuls L1L. Dieser ist dem Drehmoment gleichgerichtet, also horizontal, und addiert sich geometrisch zum ursprünglichen Drehimpuls L des Kreisels, so daß nach der Zeit L1 t der neue Drehimpuls L I = L + L1L ist. Die Figurenachse folgt dem Drehimpuls und nimmt jetzt die neue Richtung L I ein, sie hat sich also etwas nach hinten gedreht. Wirkt die Kraft G dauernd ein, so weicht die Kreiselachse ihr immer weiter stets senkrecht aus und beschreibt die Präzessionsbewegung. Die Kreiselbewegung setzt sich hier aus zwei Drehungen zusammen, der Drehung um die Figurenachse und der Drehung der Figurenachse um die Präzessionsachse AA. Die Präzession ist um so langsamer, je größer der Drehimpuls des Kreisels ist. Der Kreisel reagiert um so weniger auf äußere Kräfte, je schneller er rotiert. Die Kreiselachse wird durch den Drehimpuls also im Raum besser stabilisiert. Das ist die Folge der mit der Drehgeschwindigkeit ansteigenden Trägheitswirkung. Die Figurenachse sei um den Winkel '19 gegen das Lot geneigt. Dann hat der Drehimpuls Leine raumfeste, senkrecht stehende Komponente und eine horizontale 4, =L sin '19, die mit der Winkelgeschwindigkeit 11r.p/l1t um AA als Achse rotiert: I1L/ l1t = Lh l1 r.p/l1t . Nach dem Grundgesetz der Drehbewegung gilt I1L = Ml1t 2.7 Allgemeine Gravitation (Abschn. 2.6.3). Die Präzessionsgeschwindigkeit ist also tJcp/tJt = M/ Lh; sie wird um so kleiner, je größer der Drehimpuls L = Iw des Krei sels ist. Diese auf der Trägheit beruhenden Kreiselkräfte treten überall dort in Erscheinung, wo den Drehachsen schnell rotierender Körper eine Richtungsänderung aufgezwungen wird. Bei einem in die Kurve gehenden Fahrzeug wird jeder Radsatz mit den beiden rasch umlaufenden Rädern um die Vertikalachse gedreht. Die dabei auftretenden Kreiselkräfte rufen einen Zusatzdruck auf das äußere Rad und eine Entlastung des inneren hervor, wodurch das von den Zentrifugalkräften herrührende Kipprnoment, vgl. Abb. 2.19, noch verstärkt wird. Eine einseitige Unebenheit der Fahrbahn, die die Radachse plötzlich kippt, kann bei großer Geschwindigkeit das Fahrzeug aus der geradlinigen Fahrtrichtung herausschleudern. - Die Möglichkeit des freihändigen Fahrens mit dem Fahrrad beruht gerade auf den beim Kippen des Rades auftretenden Kreiselkräften. Sie drehen das Vorderrad so, daß eine Kurve es durch die Zentrifugalkraft wieder aufrichtet. Beim Kreise/kompaß steht die Rotationsachse stets horizontal, kann sich aber in der Horizontalebene frei drehen. Sie stellt sich dann der Erdachse möglichst weitgehend parallel, schwenkt also in die Nord-SüdRichtung ein. In Ost-West-Einstellung sucht die Erddrehung die Kreiselachse zu kippen. Das dadurch entstehende Zusatzdrehrnoment zeigt nach Norden und läßt die Drehachse mehr in Nord-Süd-Richtung schwenken. Anders als bei der Präzessions bewegung des Kinderkreisels nimmt das Drehmoment dabei aber ab, so daß die Drehachse in NSRiChtung zur Ruhe kommt. Von der Präzession eines Kreisels ist die Nutation zu unterscheiden. Diese setzt ein, wenn wir gegen seine Figurenachse, um die er zunächst als freie Drehachse rotiert, einen kurzzeitigen, kräftigen Drehstoß ausüben. Dabei liegt der Hebelarm in der Figurenachse. Damit geben wir dem Kreisel eine zusätzliche, erhebliche Drehimpulskomponente senkrecht zu seiner Figurenachse, so daß sein Gesamtdrehimpuls schräg zu ihr steht. Bei kräftefreiem Kreisel bleibt die Richtung des Drehimpulsvektors im Raume fest (Abschn. 2.6.3), und die Figurenachse läuft auf einem Kegel dem Nutationskegel, um d' , lese Richtung als raumfeste Achse herum. Außerdem ist die momentane Drehachse des Kreisels auch 31 nicht mehr seine Figurenachse, sie liegt überhaupt nicht fest weder im Kreisel noch im Raume. Figurenachse, Drehimpulsachse und momentane Drehachse bilden in jedem Zeitpunkt eine Ebene. Aufgaben 2.6.1 Eine zunächst ruhende Drehscheibe wird durch ein konstantes Drehmoment beschleunigt. Für die ersten 5 Umdrehungen benötigt sie 20 s. Wie groß ist die Winkelbeschleunigung a? 2.6.2 Eine Kugel von Radius 20 cm hat die Masse 200 kg und ist homogen mit Materie gefüllt. Sie wird um eine Achse gedreht, die tangential zu ihrer Oberfläche verläuft. Wie groß ist das Trägheitsmoment? 2.6.3 Ein Drehschemel mit Versuchsperson hat das Trägheitsmoment 25 kg m2 und rotiert mit einer Winkelgeschwindigkeit von 5 S- I. Die Versuchsperson hält dabei zwei Hanteln von je 15 kg praktisch in der Drehachse. Beim Armstrecken werden sie um 0,9 m nach außen verschoben. Wie groß ist jetzt die Winkelgeschwindigkeit? 2.6.4 Die Versuchsperson von Aufg. 2.6.3 zieht die Arme wieder an. Um wieviel ändert sich dabei die Rotationsenergie? Auf welche Weise wird die dafür nötige Arbeit geleistet? 2.6.5 Wie hängt die Präzessionsgeschwindigkeit in Abb. 2.37 vom Winkel & zwischen Präzessionsachse und Figurenachse ab? 2.7 AUgemeine Gravitation 2.7.1 Gravitationsgesetz. Aus der Tatsache, daß alle Körper gleich schnell fallen, schließen wir auf eine nach dem Erdmittelpunkt gerichtete Anziehungskraft, die Schwerkraft, die der Masse der Körper proportional ist (Abschn. 2.3.2). Newton hat erkannt, daß nicht nur die Erde alle in ihrer Nähe befindlichen Körper anzieht, sondern daß alle Massen, wo sie sich auch im Weltraum befinden mögen, sich gegenseitig anziehen. Die irdische Schwerkraft ist also nur ein Sonderfall der al/gemeinen Massenanziehung oder Gravitation. Das von Newton aus den Keplersehen Gesetzen der Planeten bewegung (Abschn. 2.7.2) abgeleitete Gravitationsgesetz lautet: