Gruppentheoretische Behandlung des Wasserstoffproblems

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Gruppentheoretische Behandlung des
Wasserstoffproblems
Thomas Jahnke
27.6.2006
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Quantenmechanik
1.1 Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Hermitesche Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Zusammenhang zwischen Messgrößen und hermiteschen Operatoren
1.4 Unschärferelation und Vertauschbarkeit von Operatoren . . . . . . .
1.5 Symmetrie, Erhaltungsgrößen und Entartung . . . . . . . . . . . . .
1.6 Drehimpulsoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Wasserstoffproblem
2.1 Lösung der Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Zentralkraftproblem allgemein . . . . . . . . . . . .
2.1.2 Spezialfall des Wasserstoffatoms . . . . . . . . . . .
2.2 Gruppentheoretische Behandlung des Wasserstoffproblems
2.2.1 Dynamische Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Die Gruppe SO(4) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.3 Berechnung der Energie-Eigenwerte . . . . . . . . .
2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2
2
3
4
5
6
6
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8
8
8
10
11
11
13
14
15
3 Weiteres Beispiel für eine dynamische Symmetrie: Der isotrope Oszillator
16
4 Anhang zum Casimir-Operator
17
4.1 Definition und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4.2 Beispiel SO(3): . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1
1
1.1
Einführung in die Quantenmechanik
Schrödinger-Gleichung
In der Quantenmechanik werden Teilchen durch ein komplexes, skalares Feld, die sogenannte Wellenfunktion ψ(r, t) beschrieben, welche Lösung der Schrödinger-Gleichung ist:
∂
b
Hψ(r,
t) = i~ ψ(r, t)
∂t
(1)
mit dem Hamilton-Operator
2
b = − ~ ∆ + V (r)
H
(2)
2m
Die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen zur Zeit t im Volumen d3 r um r zu finden, ist dann
gegeben durch |ψ(r, t)|2 d3 r.
Die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen irgendwo zu finden muss gleich 1 sein. Daraus folgt
die Normierung der Wellenfunktion:
Z
d3 r |ψ(r, t)|2 = 1
(3)
Man kann zeigen, dass diese quadratintegrablen Funktionen einen Hilbertraum L2 (R3 )
definieren.
b zeitunabhängig ist, kann man die Wellenfunktion durch einen Produktansatz in
Falls H
einen zeitabhängigen und einen ortsabhängigen Teil aufspalten:
ψ(r, t) = f (t)ψ(r)
(4)
Die Schrödingergleichung lässt sich dann schreiben als
i~ ∂
1 b
f (t) =
Hψ(r)
f (t) ∂t
ψ(r)
(5)
Da die linke Seite nur von t, die rechte aber nur von r abhängt, müssen beide gleich einer
Konstanten E sein.
Für den zeitabhängigen Teil erhält man
f (t) = e−iEt/~
(6)
Für den ortsabhängigen Teil erhält man die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung:
b
Hψ(r)
= Eψ(r)
2
(7)
1.2
Hermitesche Operatoren
b nennt man hermitesch (oder selbstadjungiert), wenn für beliebige quaEinen Operator A
b gilt:
dratintegrable Funktionen ϕ(x) und ψ(x) aus dem Definitionsbereich von A
Z
Z
∗
∗
b
b
dx ϕ (x) Aψ(x) = dx Aϕ(x) ψ(x)
(8)
Man schreibt dann kurz
b† = A
b
A
(9)
Hermitesche Operatoren haben einige wichtige Eigenschaften:
• Der Erwartungswert eines hermiteschen Operators ist reell:
Z
∗
D E∗
∗
b
b
A
=
dx ψ (x)Aψ(x)
Z
b∗ ψ ∗ (x)
=
dx ψ(x)A
Z
b∗ ψ ∗ (x))ψ(x)
=
dx (A
Z
(8)
b
=
dx ψ ∗ (x)Aψ(x)
D E
b
=
A
Also ist
D E
b = reell
A
(10)
• Alle Eigenwerte eines hermiteschen Operators sind reell:
Wenn ϕn (x) die Eigenfunktionen und die Eigenwerte λn des hermiteschen Operators
sind, so folgt aus der Eigenwertgleichung
b n (x) = λn ϕn (x)
Aϕ
Z
Z
(10)
∗ b
dx ϕn Aϕn = λn dx |ϕn |2 = reell
(11)
(12)
Da das Normierungsintegral reell ist, sind also auch die Eigenwerte λn reell.
• Die Eigenfunktionen ϕn (x) eines hermiteschen Operators bilden einen vollständigen
Satz (o.B.), d.h. jede quadratintegrable Funktion f(x) mit den selben Randbedingungen kann geschrieben werden als
Z
X
f (x) =
an ϕn (x)
(13)
n
Dabei hat das neu eingeführte Zeichen folgende Bedeutung:
– Für ein diskretes Spektrum von Eigenwerten:
Z
X
X
→
n
3
n
– Für kontinuierliche Eigenwerte:
Z
X
Z
→
dn
n
– Falls einige Eigenwerte diskret sind und zusätzlich ein Kontinuum von Eigenwerten existiert:
Z
Z
X
X
→
... + dn...
n
n
• Die Eigenfunktionen ϕn (x) eines hermiteschen Operators zu verschiedenen Eigenwerten sind zueinander orthogonal (o.B.):
Z
λm 6= λn ⇒
dx ϕ∗m (x)ϕn (x) = 0
(14)
Falls es mehrere Eigenfunktionen zum selben Eigenwert gibt können diese immer
orthogonal gemacht werden (Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren).
1.3
Zusammenhang zwischen Messgrößen und hermiteschen Operatoren
b zugeordnet.
Jeder messbaren Größe (Observable) ist ein hermitescher Operator A
Für diesen soll folgende Eigenwertgleichung gelten:
b n = λn ϕ n
Aϕ
(15)
Die Eigenwerte λn geben dann die möglichen Messwerte an.
Befindet sich das System im Zustand ψ(x) so erhält man den Messwert λn mit der Wahrscheinlichkeit
Z
2
w = dx ϕ∗n ψ (16)
Durch die Messung geht das System in die Wellenfunktion ϕn (x) über.
Der Mittelwert vieler Messungen an dem selben System ist gegeben durch den Erwartungswert
D E Z
b = dx ψ ∗ (x)Aψ(x)
b
A
(17)
4
1.4
Unschärferelation und Vertauschbarkeit von Operatoren
Die mittlere quadratische Abweichung vom Mittelwert, die sogenannte Unschärfe, ist definiert als
D E2 2
b =
b− A
b
(∆A)
A
(18)
Für zwei hermitesche Operatoren lässt sich eine untere Schranke für das Produkt der
Unschärfen ableiten. Man erhält die Unschärferelation (o.B.):
b 2 (∆B)
b 2≥
(∆A)
mit dem Kommutator
h
D h
iE2
b
b
i A, B
4
i
b
b
bB
b−B
bA
b
A, B = A
(19)
(20)
Das bedeutet, das zwei Messgrössen nur dann gleichzeitig
h genau
i gemessen werden können,
b
b
wenn die ihnen zugeordneten Operatoren vertauschen: A, B = 0
Man nennt diese Grössen dann kommensurabel.
Sind zwei Messgrössen kommensurabel, so kann für sie der selbe Satz von Eigenfunktionen
gewählt werden:
b n = an ϕ n
Aϕ
b n = bn ϕ n
Bϕ
(21)
Ein wichtiges Beispiel für zwei nicht vertauschbare Operatoren sind der Ortsoperator
b
b = ~i ∇. Für sie gilt die Kommutatorrelation
r = r und der Impulsoperator p
[b
ri , pbj ] = i~δij
(22)
Daraus folgt die Heisenbergsche Unschärferelation
∆b
ri ∆b
pj ≥
5
~
δij
2
(23)
1.5
Symmetrie, Erhaltungsgrößen und Entartung
Die zeitliche Entwicklung eines Erwartungswert lässt sich aus der Schrödingergleichung
herleiten. Man erhält (o.B.)
D E
+
*
b
d A
b
i Dh b biE
∂A
=
(24)
H, A +
dt
~
∂t
b nicht explizit von der Zeit abhängt, d.h. für
Unter der Vorraussetzung, dass A
bleibt der Erwartungswert zeitlich konstant, falls gilt
h
i
b A
b =0
H,
b
∂A
∂t
=0
(25)
h
i
b A
b = 0 bedeutet, dass die durch A
b bewirkte Operation das System nicht beeinflusst.
H,
Es liegt also eine Symmetrie vor.
Gilt
b α (r, t) = Eα ψα (r, t)
Hψ
(26)
b α Eigenzustand zum Eigenwert Eα , denn es gilt
so ist auch Aψ
b Aψ
b α) = A
bHψ
b α = AE
b α ψα = Eα (Aψ
b α)
H(
(27)
b α linear unabhängig von ψα ist, so ist der Eigenwert Eα entartet.
Falls der Zustand Aψ
1.6
Drehimpulsoperator
b =
Mit dem Ortsoperator b
r = r und dem Impulsoperator p
klassischen Mechanik der Drehimpulsoperator definieren:
b =b
b
L
r×p
X
bi =
L
imn x
bm pbn
~
∇
i
lässt sich analog zur
(28)
(29)
m,n
Der Drehimpulsoperator erzeugt eine infinitesimale Drehung. Zum Beispiel gilt bei einer
Drehung um den infinitesimalen Winkel um die x-Achse für die Wellenfunktion (o.B.):
i
ϕ(e
r) = 1 + Lx ϕ(r)
(30)
~
In einem rotationsinvarianten System müssen ϕ(r) und ϕ(e
r) Lösungen der SG zur selben
Energie En sein. Daraus folgt
h
i
b
b
H, L = 0
(31)
Der Drehimpulsoperator vertauscht also in einem rotationsinvarianten System mit dem
Hamiltonoperator.
Der Operator für eine Drehung um einen endlichen Winkel lautet
!
3
iX b
R(ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 ) = exp
ϕ k Lk
(32)
~ k=1
6
bk sind also die Erzeugenden der SO(3).
Die Drehimpulskomponenten L
Durch Einsetzen der Definition (29) kann man noch folgende Kommutatorrelationen zeigen:
h
i
bi , L
bj = i~ijk L
ck
L
(33)
Sowie
h
i
2
b
b
Li , L = 0
(34)
Geht man in Kugelkoordinaten über, so kann man zeigen, dass die Kugelflächenfunktionen
b 2 zum Eigenwert ~2 l(l + 1) sind
Ylm Eigenfunktionen von L
b 2 Ylm = ~2 l(l + 1)Ylm
L
(35)
bz zum Eigenwert ~m
und Eigenfunktionen von L
bz Ylm = ~mYlm
L
l nennt man die Drehimpulsquantenzahl und m die magnetische Quantenzahl.
Die Kugelflächenfunktionen sind definiert durch
s
r
2l + 1 (l − m)! m
P (cos θ)eimφ
Ylm (θ, φ) =
4π
(l + m)! l
(36)
(37)
mit den zugeordneten Legendre-Polynomen
Plm (x) =
l+m
(−1)m
2 m/2 d
(1
−
x
)
(x2 − 1)l
2l l!
dxl+m
(38)
Dabei kann l die Werte 0,1,2,... annehmen. Bei gegebenem l liegen die möglichen Werte
von m bei
m = 0, ±1, ±2, ..., ±l
(39)
7
2
Wasserstoffproblem
Das Wasserstoffproblem lässt sich auf zwei unterschiedliche Weisen lösen: Entweder durch
Lösen der Schrödingergleichung, oder rein algebraisch unter Berücksichtigung einer besonderen „dynamischen Symmetrie“ beim Wasserstoffatom. Beide Methoden werden im
Folgenden behandelt.
2.1
2.1.1
Lösung der Schrödingergleichung
Zentralkraftproblem allgemein
Wir betrachten zwei Teilchen, die über eine Zentralkraft F = f (r)er miteinander wechselwirken. Die Teilchen haben die Massen m1 und m2 und befinden sich am Ort r1 und
r2 .
Wie im klassischen Fall führt man zunächst neue Koordinaten ein:
Die Relativkoordinate
r = r1 − r2
(40)
und die Schwerpunktkoordinate
R=
m1 r1 + m2 r2
m1 + m2
(41)
Außerdem definiert man noch die Gesamtmasse M und die reduzierte Masse µ
m1 m2
m1 + m2
(42)
2
2
b = − ~ ∆R − ~ ∆r + V (r)
H
2M
2µ
(43)
M = m1 + m2 ,
µ=
b lautet dann (o.B.)
Der Hamiltonoperator H
b nicht explizit von R ab, d.h. für den SchwerWegen der Translationssymmetrie hängt H
b gilt
punktimpuls P
h
i
b =0
b P
H,
(44)
Damit lässt sich die Lösung ψ(R, r) der Schrödingergleichung durch die Eigenfunktionen
b ausdrücken:
von P
b
Pψ(R,
r) = ~Kψ(R, r) ⇒ ψ(R, r) = eiK·R ϕ(r)
Eingesetzt in die Schrödingergleichung erhält man
2
~
− ∆ + V (r) − ϕ(r) = 0
2µ
2
2
(45)
(46)
K
mit = E − ~2M
.
Das Zweiteilchenproblem ist damit auf ein Einteilchenproblem mit dem Hamiltonoperator
b = − ~2 ∆ + V (r) reduziert.
H
2µ
8
Wir betrachten nun ein kugelsymmetrisches Potential V (r) = V (r). Der Hamiltonoperator hat dann in Kugelkoordinaten die Form
2
2
b2
L
~
∂
∂
2
b =−
H
+
+
+ V (r)
(47)
2µ ∂r2 r ∂r
2µr2
Wegen der Kugelsymmetrie gilt
h
i
h
i
2
b
b
b
b
H, L = 0, H, Lz = 0
(48)
D.h. die Lösung ϕ(r, θ, φ) der Schrödingergleichung lässt sich durch die Kugelflächenfunktionen ausdrücken:
ϕ(r, θ, φ) = ϕl (r)Ylm (θ, ϕ)
(49)
Einsetzen liefert eine eindimensionale Radialgleichung:
2 2
∂
~2 l(l + 1)
2 ∂
~
+
+
+ V (r) − ϕl (r) = 0
−
2µ ∂r2 r ∂r
2µr2
(50)
Diese Differentialgleichung lässt sich noch durch folgende Substitution vereinfachen
ul (r) = rϕl (r)
Aus
∂2
2 ∂
+
2
∂r
r ∂r
ϕl =
1 ∂2
ul (r)
r ∂r2
folgt schließlich die Gleichung
l(l + 1) 2µV (r) 2µ
d2
+
− 2 ul (r) = 0
− 2+
dr
r2
~2
~
(51)
(52)
(53)
Grenzfall r → 0:
Für Potentiale, für die
r→0
r2 V (r) → 0
(54)
gilt, dominiert für r → 0 der Zentrifugalterm:
l(l + 1)
d2
ul −
ul ≈ 0
2
dr
r2
Die Lösung dieser Gleichung hat die Form
ul = crk
mit
(55)
(56)
l+1
(57)
−l
Da die Lösung normierbar sein muss, kann die Lösung mit k = −l ausgeschlossen werden,
d.h.
r→0
ul ∼ rl+1
(58)
k=
Grenzfall r → ∞: In diesem Fall verschwinden das Potential und der Zentrifugalterm.
Damit gilt
2µ
d2
− 2 − 2 ul (r) = 0
(59)
dr
~
Diese Gleichung hat für gebundene Zustände ( < 0) die Lösung
±
ul ∼ e
q
− 2µ
2 r
9
~
(60)
2.1.2
Spezialfall des Wasserstoffatoms
Wir betrachten nun den Spezialfall des Wasserstoffatoms: Ein Elekron befindet sich im
Coulombpotential eines Protons, also ist
V (r) = −
e2
r
(61)
Da die Protonenmasse sehr viel größer ist wie die Elektronenmasse gilt
µ=
me
≈ me
1 + me /mp
Eingesetzt in die Radialgleichung (53) erhält man
2
d
l(l + 1) 2me e2 2me
ul (r) = 0
−
+ 2 + 2
dr2
r2
~r
~
Mit dem Bohrschen Radius
aB =
~2
me e2
(62)
(63)
(64)
und der atomaren Energieeinheit
e2
aB
lassen sich folgende dimensionslose Größen definieren
Eat =
r
aB
ε =
Eat
(65)
ρ =
(66)
Damit hat (63) die Form
d2
l(l + 1) 2
−
+ + 2ε ul (ρ) = 0
dρ2
ρ2
ρ
(67)
Wegen dem asymptotischen Verhalten, bietet sich folgender Ansatz an
ul (ρ) = v(ρ)ρl+1 e−γρ
(68)
−γ 2 ≡ 2ε
(69)
mit
Setzt man diesen Ansatz in (63) ein, dividiert durch 2γ und führt die dimensionslose
Grösse x ≡ 2γρ ein, so erhält man folgende Gleichung:
d2 v
dv
1
x 2 + (2l + 2 − x) +
−l−1 v =0
(70)
dx
dx
γ
Als Lösung wählt man nun einen Potenzreihenansatz
X
v=
ak x k
k
10
(71)
Wenn diese Reihe nicht abbricht, so folgt v ∼ exp(x) und damit ul ∼ exp(γρ): Die Lösung
wäre nicht normierbar.
Also muss die Reihe abbrechen. Dies ist nur der Fall, falls gilt
1
− l − 1 = N ≡ n − l − 1,
γ
N = 0, 1, 2, 3, ...
(72)
Dabei ist n die sogenannte Hauptquantenzahl. Damit ergeben sich als Lösung von (70)
die Laguerre-Polynome
v(x) =
L2l+1
n−l−1 (x)
=
n−l−1
X k=0
n+l
n−l−1−k
(−1)k k
x
k!
(73)
Die kompletten Eigenfunktionen lauten also
s
s
l
1 2 (n − l − 1)! 2r
2r
r
2l+1
ψnlm (r) =
Ln−l−1
exp −
Ylm (θ, φ) (74)
a3B n2
(n + l)!
naB
naB
naB
Aus (66), (69) und (72) folgen die dazugehörigen Energieeigenwerte
n = −
2.2
2.2.1
e4 me 1
e2 1
=
−
,
2aB n2
2~2 n2
n = 1, 2, 3, ...
(75)
Gruppentheoretische Behandlung des Wasserstoffproblems
Dynamische Symmetrie
Wie wir in 1.5 gesehen haben, hängen Symmetrie und Entartung der Zustände eines
Systems miteinander zusammen.
Die Energieeigenwerte n hängen hier nur von der Hauptquantenzahl n ab. Wegen
n = N + l + 1 N = 0, 1, 2, 3, ...
(76)
sind für jedes n die Drehimpulsquantenzahlen l = 0, 1, 2, ..., n − 1 möglich. Außerdem
gehören wegen (39) zu jedem l 2l+1 Werte von m. Dadurch ergibt sich ingesamt wegen
n−1
X
l=0
(2l + 1) = 2
n(n − 1)
+ n = n2
2
(77)
eine n2 -fache Entartung des Energieeigenwerts n .
Die Entartung bezüglich der m-Werte wird durch die Kugelsymmetrie des Problems hervorgerufen: Alle Orientierungen des Drehimpulses sind gleichwertig.
Die Entartung bezüglich der l-Werte lässt sich nicht durch die räumliche Symmetrie erklären. Sie kommt durch die spezielle Form des 1/r-Potentials zu stande. Die dazugehörige
Symmetrie, eine sogenannte „dynamische Symmetrie“, wollen wir nun untersuchen.
Dazu betrachten wir zunächst das klassische Analogon, das Kepler-Problem: Die Hamiltonfunktion lautet hier
p2 κ
H=
−
(78)
2µ r
11
Die gebundenen Lösungen sind Ellipsen.
Wegen der Rotationssymmetrie von H ist der Bahndrehimpuls eine Erhaltungsgröße und
die Bahn liegt in einer Ebene um das Gravitationszentrum. Allerdings erklärt die Rotationssymmetrie nicht, warum die Bahn eine geschlossene Ellipse ist. Es gibt also noch eine
weitere Erhaltungsgröße: Den sogenannten Runge-Lenz-Vektor, welcher vom Zentrum in
Richtung des Perihels zeigt
κ
1
(79)
M= p×L− r
µ
r
Quantenmechanisch muss man nun von den Funktionen zu hermiteschen Operatoren überc als den symgehen. Um die Hermitizität zu ermöglichen, definiert man den Operator M
metrischen Ausdruck
κ
c= 1 p
b−L
b×p
b×L
b − r
M
(80)
2µ
r
Mit der Kommutatorrelation (22) lassen sich folgende Beziehungen herleiten:
h
i
c
b
M, H = 0
b·M
c=M
c·L
b=0
L
b
c 2 = 2H L
b 2 + ~2 + κ2
M
µ
(81)
(82)
(83)
b und M
c zu bestimmen berechnet man zunächst die
Um die Algebra der Generatoren L
entsprechenden Kommutatorrelationen:
Die ersten drei sind die bekannten Relationen der Drehimpulsoperatoren (Kapitel 1.6)
h
i
b
b
bk
Li , Lj = i~ijk L
(84)
b erhält man mit
b und L
Unter Verwendung der bekannten Vertauschungsrelationen für b
r, p
einigem Rechenaufwand die anderen Kommutatorrelationen
h
i
c
b
ck
Mi , Lj = i~ijk M
(85)
h
i
ci , M
cj = − 2i~ H
b ijk L
bk
M
(86)
µ
b und M
c vertauscht, kann H
b zeitunabhängig ist und mit L
b durch seinen Eigenwert E
Da H
ersetzt werden. Um die Kommutatorrelationen noch auf eine einfachere Form zu bringen,
macht man die Substitution
r
c
f= − µ M
c
(87)
M
2E
Wobei E für gebundene Zustände negativ ist. Damit ergibt sich
c
c
f
b
fk
M i , Lj = i~ijk M
c
c
fi , M
fj = i~ijk L
bk
M
12
(88)
(89)
2.2.2
Die Gruppe SO(4)
c
bi und M
f
Man kann nun zeigen, dass diese sechs Generatoren L
i die Algebra der SO(4)Gruppe erzeugen. Dazu betrachtet man die Generatoren der SO(4), welche gegeben sind
durch die Matrizen






0 0 0 0
0 0 i 0
0 −i 0 0
 0 0 −i 0 




 B2 =  0 0 0 0  B3 =  i 0 0 0 
B1 = 
(90)
 0 i 0 0 
 −i 0 0 0 
 0 0 0 0 
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0






0 0 0 −i
0 0 0 0
0 0 0 0






e1 =  0 0 0 0  B
e2 =  0 0 0 −i  B
e3 =  0 0 0 0 
B
(91)
 0 0 0 0 
 0 0 0 0 
 0 0 0 −i 
i 0 0 0
0 i 0 0
0 0 i 0
Damit kann man die Kommutatoren einfach berechnen. Man erhält zum Beispiel

0
h
i
 0
e1 , B2 = 
B
 0
i

0
 0
= 
 0
0

0
 0
= 
 0
0
e3
= B
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0

0 −i
0 0
 0 0
0 0 

0 0   −i 0
0 0
0 0
 
0 0
0 0


0 0   0 0
−
0 0   0 0
i 0
0 0

0 0
0 0 

0 −i 
i 0
i
0
0
0
0
0
0
0
 
0
0 0
 0 0
0 
−
0   −i 0
0
0 0

0
0 

i 
0
i
0
0
0

0
0 0
 0 0
0 

0  0 0
0
i 0

0 −i
0 0 

0 0 
0 0
(92)
Analog kann man die anderen Kommutatorrelationen berechnen und erhält schließlich
[Bi , Bj ] = iijk Bk
h
i
e
ek
Bi , Bj = iijk B
h
i
ei , B
ej = iijk Bk
B
(93)
(94)
(95)
c
bi und M
fi . Also bilDies sind die selben Kommutatorrelationen wie bei den Operatoren L
den diese eine SO(4).
Anmerkung: Diese SO(4)-Symmetrie des Wasserstoffatoms gilt nur für gebundene Zustände (E < 0). Für E > 0 muss das Vorzeichen unter der Wurzel in (87) geändert
c
f hermitesch bleibt. Dadurch ändert sich das Vorzeichen auf der rechwerden, damit M
ten Seite von (89).Man kann zeigen, dass in diesem Fall die Gruppe der dynamischen
Symmetrie isomorph zur Gruppe der Lorentz-Transformationen SO(3, 1) ist.
13
2.2.3
Berechnung der Energie-Eigenwerte
Um die Energie-Eigenwerte zu berechnen, führt man folgende Operatoren ein
c
bI = 1 L
f
b+M
2
1
c
b =
f
b−M
K
L
2
Diese Operatoren erfüllen die Kommutatorrelationen
h
i
Ibi , Ibj = i~ijk Ibk
h
i
b
b
bk
Ki , Kj = i~ijk K
h
i
bj = 0
Ibi , K
(96)
(97)
(98)
(99)
(100)
b j erzeugen also jeweils eine SO(3)-Algebra. Damit kennt man
Die Operatoren Ibj und K
sofort die Eigenwerte
bI2 = i(i + 1)~2 , i = 0, 1 , 1, ...
(101)
2
b 2 = k(k + 1)~2 , k = 0, 1 , 1, ...
K
(102)
2
Es gibt zwei Casimiroperatoren∗
2
1
c
2
bI =
b+M
f
L
(103)
4
2
1 b c
2
b
f
(104)
K =
L−M
4
Man könnte die Casimir-Operatoren aber auch folgendermaßen definieren
2
1 b2 c
2
2
f
b
b
b
L +M
C1 = I + K =
2
c
b2 = L
b·M
f
b2 = bI2 − K
C
(105)
(106)
b 2 . Damit ist in den Gleichungen (101)
b2 = 0, also gilt bI2 = K
Nach Gleichung (82) ist C
b1 lauten
und (102) i = k und die Eigenwerte von C
b1 = 2~2 k(k + 1) ,
C
1
k = 0, , 1, ...
2
(107)
Andererseits lässt sich Gleichung (105) umformen, indem man zunächst die Substitution
(87) rückgängig macht, und dann Gleichung (83) verwendet:
2
b2 − µ M
c 2 = − 1 ~2 − µκ
b1 = 1 L
C
2
2E
2
4E
∗
Zum Casimiroperator siehe Anhang
14
(108)
Gleichsetzen von (107) und (108) liefert schließlich die Energieeigenwerte
E=−
µκ2
,
2~2 (2k + 1)2
1
k = 0, , 1, ...
2
(109)
Mit n ≡ 2k + 1 und κ = e2 erhält man also das selbe Ergebnis wie bei der herkömmlichen
Herleitung
e4 µ 1
E = − 2 2 , n = 1, 2, 3, ...
(110)
2~ n
b z können zu
Auch für die Entartung der Energien erhält man den selben Wert: Ibz und K
festem k jeweils 2k + 1 unabhängige Eigenwerte annehmen (vergleiche (39)). Insgesamt
ergibt sich also die Entartung (2k + 1)2 = n2 .
2.3
Zusammenfassung
Für das Wasserstoffatom ergaben sich die Energieeigenwerte
E=−
e4 µ 1
,
2~2 n2
n = 1, 2, 3, ...
(111)
Diese hängen nur von der Hauptquantenzahl n ab und sind unabhängig von der Drehimpulsquantenzahl l und der magnetischen Quantenzahl m. Dadurch ergibt sich eine
n2 -fache Entartung.
Dies war zunächst überraschend, da man aufgrund der Rotationssymmetrie nur eine Entartung bezüglich m (Richtung des Drehimpulses) erwartete.
c gefunden
Durch die Analogie zum Kepler-Problem konnte eine weitere Erhaltungsgröße M
werden. Dies führte zu der übergeordneten SO(4)-Symmetrie, welche auch die Entartung
bezüglich l erklärt.
15
3
Weiteres Beispiel für eine dynamische Symmetrie:
Der isotrope Oszillator
Klassisch wird der dreidimensionale isotrope harmonische Oszillator durch die Hamiltonfunktion
p2
1
H=
+ Kr2
(112)
2m 2
beschrieben. Die klassische Bahn ist eine Ellipse mit den Halbachsen a und b. Wie beim
Kepler-Problem sind H und L Erhaltungsgrößen. Da die Bahn geschlossen ist, gibt es
noch eine weitere Erhaltungsgröße, welche den Winkel α zwischen der großen Halbachse
a und der x-Achse enthält. Diese Erhaltungsgröße ist der Quadrupoltensor
1
,
Qyz = Qxz = 0
Qxy = a a2 − b2 sin 2α
2
1
a
Q0 = √ a2 + b2 und Q1 = a a2 − b2 cos 2α
2
2 3
Quantenmechanisch erhält man die Energieniveaus
r
3
K
En = n +
~
, n = nx + ny + nz ,
2
m
nx , ny , nz = 0, 1, 2...
(113)
(114)
Mit der Entartung 21 (n + 1)(n + 2).
Man kann nun durch eine ähnliche Vorgehensweise wie beim Wasserstoffproblem zeigen,
dass hier eine SU(3)-Symmetrie vorliegt.
16
4
Anhang zum Casimir-Operator
4.1
Definition und Eigenschaften
Eine nichtlineare Funktion der Generatoren, die mit allen Generatoren einer Gruppe verb
tauscht, nennt man einen Casimir-Operator C.
Es gelten folgende Regeln:
• Es gibt zu jeder halbeinfachen∗ Lie-Gruppe vom Rang ∗∗ ` einen Satz von ` CasimirOperatoren.
• Die irreduziblen Darstellungen der Gruppe werden eindeutig durch die Eigenwerte
aller Casimir-Operatoren charakterisiert.
• Ist ein physikalisches System invariant gegenüber den Operationen einer Lie-Gruppe,
so ist der Hamiltonoperator H ein Casimir-Operator.
• Es gibt i.a. einfachere Casimir-Operatoren als H.
4.2
Beispiel SO(3):
Für den Casimir-Operator der SO(3) muss gelten
b L
bx ] = [C,
b Ly ] = [C,
b L
bz ] = 0
[C,
In Kapitel 1.6 hatten wir bereits einen Operator mit dieser Eigenschaft gefunden:
b2
b=L
b2 + L
b2 + L
b2 = L
C
x
y
z
Da der Rang der SO(3) gleich 1 ist, ist das der einzige Casimir-Operator.
Die Eigenwerte l charakterisieren die irreduziblen invarianten Unterräume eindeutig. Sie
lauten
{Y00 }
{Y1−1 , Y10 , Y11 }
u.s.w.
∗
∗∗
Eine halbeinfache Lie-Gruppe ist eine ohne Abel’sche Normalteiler
Der Rang einer Lie-Gruppe ist die Maximalanzahl kommutierender Generatoren der Lie-Algebra
17
Literatur
[1] Walter Greiner, Theoretische Physik Band 5: Quantenmechanik II Symmetrien, Verlag Harri Deutsch, 2. Auflage 1985
[2] Wolfgang Nolting, Theoretische Physik 5 : Quantenmechanik, Verlag ZimmermannNeufang, 2. Auflage 1994
[3] Torsten Fließbach, Quantenmechanik, Spektrum Akademischer Verlag, 2. Auflage
1995
18
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