Dienstag 5.7.2016

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Mathematische Probleme, SS 2016
Dienstag 5.7
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§5
Sphärische Trigonometrie
5.2
Sphärische Dreiecksberechnung
In der letzten Sitzung hatten wir begonnen die Grundformeln der sphärischen Trigonometrie zur Berechnung sphärischer Dreiecke zusammenzustellen. Wir hatten mit
dem Seitencosinussatz begonnen der es erlaubt aus zwei bekannten Seiten und den
von ihnen eingeschlossenen Winkel die dritte Seite zu berechnen. Es gibt eine zweite
Form des sphärischen Cosinussatzes die aus zwei Winkeln und der zwischen ihnen liegenden Seite den dritten Winkel bestimmt. Um diesen Satz auf den Seitencosinussatz
zurückzuführen, wollen wir die in der sphärischen Trigonometrie vorhandene Dualität“
”
zwischen Seiten und Winkeln verwenden, diese wird durch das sogenannte Polardreieck
eines sphärischen Dreiecks vermittelt. Betrachten wir die drei Seiten unseres Dreiecks
durchlaufen gemäß der Umlaufrichtung auf diesem Dreieck, so erhalten wir die zugehörigen Linkspole dieser Großkreise und diese bilden das Polardreieck ∆. Die Seiten
des Polardreiecks ergeben sich dabei aus den Winkeln des Ausgangsdreiecks und die
Winkel des Polardreiecks entsprechend aus den Seiten des Originaldreiecks.
Wie schon angekündigt ergibt sich jetzt durch Anwendung des Seitencosinussatzes
auf das Polardreieck der noch ausstehende Winkelcosinussatz.
Satz 5.5 (Der Winkelcosinussatz)
Sei ∆ = ABC ein sphärisches Dreieck mit den Seiten a, b, c im Winkelabstand und den
Winkeln α, β, γ bezeichnet gemäß der Standardkonvention. Dann gelten:
cos α = sin β sin γ cos a − cos β cos γ,
cos β = sin α sin γ cos b − cos α cos γ,
cos γ = sin α sin β cos c − cos α cos β.
Beweis: Bezeichne a, b, c die Seiten und α, β, γ die Winkel im Polardreieck ∆ gemäß
der Standardkonvention. Der Seitencosinussatz Satz 3 in ∆ liefert dann
cos a = cos b cos c + sin b sin c cos α,
und mit Lemma 4 ist damit
− cos α = cos(π − α) = cos(π − β) cos(π − γ) + sin(π − β) sin(π − γ) cos(π − a)
= cos β cos γ − sin β sin γ cos a,
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und die erste Gleichung ist gezeigt. Die anderen beiden Gleichungen ergeben sich analog.
Schließlich wollen wir zum sphärischen Sinussatz kommen, und für diesen benötigen
wir eine neue Konstruktion. Wir betrachten wieder eine Kugel K mit Mittelpunkt M
und Radius R > 0. Weiter sei ∆ = ABC ein sphärisches Dreieck auf K, dessen Seiten
und Winkel wir wieder als a, b, c beziehungsweise α, β, γ gemäß der Standardkonvention
bezeichnen.
C
R
B
M
b
Z
α
P
A
Wir fällen den Lot von C auf die Ebene M AB und bezeichnen den Lotfußpunkt mit Z.
Weiter fällen wir in der Ebene M AB das Lot von Z auf M A und nenen den Lotfußpunkt
P . Das Dreieck P ZC hat dann bei Z einen rechten Winkel und da die Ebene P ZC
senkrecht auf der Ebene M AB und auf der Ebene M AC ist, ist der Winkel von P ZC
bei P gleich dem Winkel zwischen den Ebenen M AB und M AC. Andererseits sind
der Großkreis M AB ∩ K die Seite c von ∆ und der Großkreis M AC ∩ K die Seite b
von ∆, also ist der Winkel zwischen M AB und M AC genau der Winkel zwischen den
Seiten b und c von ∆, d.h. er ist α. Lesen wir also den Sinus von α im rechtwinkligen
Dreieck P ZC bei P ab, so ergibt sich
sin α =
|CZ|
.
|CP |
Weiter ist das Dreieck M P C bei P rechtwinklig und sein Winkel bei M ist der Winkel
zwischen M A und M C, also der Winkelabstand b, lesen wir also den Sinus von b in
M P C ab, so ist
|CP |
sin b =
.
R
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Dies liefert
|CZ| = |CP | sin α = R sin b sin α.
Führen wir diese Überlegung mit vertauschten Rollen von A und B durch, so ergibt
sich andererseits auch
|CZ| = R sin a sin β,
und wir haben sin b sin α = sin a sin β, beziehungsweise
sin a
sin b
=
sin α
sin β
eingesehen. Wir wollen dieses Ergebnis als einen Satz festhalten.
Satz 5.6 (Der sphärische Sinussatz)
Sei ∆ = ABC ein sphärisches Dreieck mit den Seiten a, b, c im Winkelabstand und den
Winkeln α, β, γ bezeichnet gemäß der Standardkonvention. Dann gilt
sin b
sin c
sin a
=
=
.
sin α
sin β
sin γ
Beweis: Unsere obige Überlegung zeigt sin a sin β = sin b sin α, und dies ergibt
sin a
sin b
=
.
sin α
sin β
Wenden wir dieses Ergebnis dann im Dreieck BCA an, so ergibt sich auch
sin b
sin c
=
sin β
sin γ
und der sphärische Sinussatz ist bewiesen.
Wir wollen unsere obige Figur noch zu einer zweiten Rechnung verwenden. Mit den
obigen Bezeichnungen bilden wir den Simplex T := co({M, A, B, C}) und wollen das
Volumen von T in Termen des sphärischen Dreiecks ∆ bestimmen. Hierzu betrachten
wir in der Ebene durch M, A, B das euklidische Dreieck Λ := M AB. In diesem Dreieck
ist der Winkel bei M gerade der Winkel zwischen M A und M B, also die Seite c des
sphärischen Dreiecks ∆. Die Höhe h in Λ auf der Seite M A ist nach §1.Satz 8 gleich
h = |M B| · sin c = R sin c, die Fläche F von Λ ist also
1
1
F = |M A| · h = R2 sin c.
2
2
Der Simplex T ist nun ein Kegel über dem Dreieck Λ mit der Höhe |CZ|, und somit
folgt
1
1
vol(T ) = F · |CZ| = R3 sin b sin c sin α.
3
6
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Damit ergibt sich nun der sogenannte Eckensinus des sphärischen Dreiecks ∆.
Lemma 5.7 (Der Eckensinus eines sphärischen Dreiecks)
Seien K eine Kugel mit Mittelpunkt M und Radius R > 0 und ∆ = ABC ein sphärisches Dreieck auf K mit den Seiten a, b, c im Winkelabstand und den Winkeln α, β, γ
bezeichnet gemäß der Standardkonvention. Der Eckensinus von ∆ ist die Größe
S := sin a sin b sin γ = sin a sin c sin β = sin b sin c sin α,
und dann ist das Volumen des Simplex T := co({M, A, B, C}) gegeben als
1
vol(T ) = R3 S.
6
Beweis: Wir haben bereits
1
vol(T ) = R3 sin b sin c sin α
6
eingesehen, und nach dem sphärischen Sinussatz Satz 6 ist
sin a
sin b
=
, also auch sin a sin c sin β = sin b sin c sin α.
sin α
sin β
Analog folgt auch sin b sin c sin α = sin a sin b sin γ.
Damit können wir zur sphärischen Dreiecksberechnung kommen, d.h. von den sechs Größen
C
a, b, c, α, β, γ sind drei vorgegeben und die anderen
γ
b
sollen berechnet werden. Im Unterschied zum ebea
nen Fall legen zwei der Winkel den dritten Winkel nicht fest, es gibt jetzt also sechs verschiedeα
ne Aufgabentypen SSS, SWS, SSW, WSW, WWS
β B
A
und WWW. Da wir den ebenen Fall in §1.4 recht
ausführlich behandelt haben und das Vorgehen im
c
sphärischen Fall weitgehend analog ist, wollen wir
uns hier kürzer fassen. Wir gehen hier nur das prinzipielle Vorgehen durch, wenn man
sich die Lage genauer anschaut, so gibt es auch wieder notwendige Ungleichungen zu
beachten damit überhaupt eine Lösung existiert und in einigen Fällen ist die Lösung
nicht eindeutig. Durch eventuellen Übergang zum Polardreieck kann man die Zahl der
Aufgabentypen auf 3 verringern, da beispielsweise SSW gleichwertig zu WWS im Polardreieck ist. Gehen wir die Fälle durch.
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1. Bei SSS sind a, b, c bekannt und die Winkel berechnen sich mit dem Seitencosinussatz Satz 3 zu
cos a − cos b cos c
cos α =
sin b sin c
und so weiter. Sind beispielsweise
a = 50◦ , b = 82◦ , c = 102◦
gegeben, so liefert die obige Formel und ihre Varianten für β und γ
cos α ≈ 0, 693478, also α ≈ 46, 093870◦ ,
cos β ≈ 0, 364092, also β ≈ 68, 648256◦ ,
cos γ ≈ −0, 392004, also γ ≈ 113, 079228◦ .
2. Bei SWS sind beispielsweise a, b, γ gegeben und erneut mit dem Seitencosinussatz
cos c = cos a cos b + sin a sin b cos γ kann die dritte Seite c berechnet werden. Die
anderen Winkel kann man dann wie im SSS Fall oder auch mit dem sphärischen
Sinussatz berechnen. Nehmen wir beispielsweise a, b, γ aus dem obigen Beispiel,
so wird
cos c ≈ −0, 207911, und somit c ≈ 101, 999961◦ .
3. Genau wie in der ebenen Situation ist der Fall SSW komplizierter. Seien etwa
a, b, α gegeben und wir wollen die Seite c bestimmen. Wenn wir diese haben, so
können wir erneut wie im SSS Fall weitermachen oder den sphärischen Sinussatz
verwenden. Wir führen zunächst den Hilfswinkel δ durch die Beziehung
tan δ = tan b cos α
ein. Der sphärische Cosinussatz cos a = cos b cos c + sin b sin c cos α impliziert
cos a cos δ
= cos c cos δ+tan b cos α sin c cos δ = cos c cos δ+sin c sin δ = cos(c−δ),
cos b
woraus sich c berechnen läßt. Nehmen wir etwa die Werte von a, b, α des obigen
Beispiels, so wird
tan δ = tan b cos α ≈ 4, 934352 und δ ≈ 78, 543552◦ ,
und weiter
cos(c − δ) =
cos a cos δ
≈ 0, 917364, d.h. c − δ ≈ 23, 456267◦ ,
cos b
also ist schließlich
c ≈ 101, 999819◦ .
Die restlichen drei Fälle behandeln wir nicht mehr, da sich diese durch Übergang zum
Polardreieck auf die obigen Situationen zurückführen lassen.
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5.3
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Kleinkreise als sphärische Kreise
Man kann die Theorie der ebenen Dreiecke weitgehend auf den sphärischen Fall übertragen, zum Beispiel gibt es wieder Höhen, Umkreise, Inkreise und so weiter. Wir wollen
dies nicht systematisch betreiben und nur die Berechnung des Umkreises vorführen um
einen Eindruck von den verwendeten Methoden zu erhalten. Es sei im folgenden wieder
eine Kugel K mit Mittelpunkt M und Radius R > 0 gegeben. Bevor wir den Umkreis
besprechen können, müssen wir ein wenig vorbereitendes Material bereitstellen und
beginnen mit den sogenannten sphärischen Kreisen.
Wir hatten schon erwähnt das die Großkreise
auf der Sphäre den Geraden der Ebene entsprechen
P
und weiter werden wir jetzt einsehen das die Kleinkreise auf der Sphäre den ebenen Kreisen entspreR
h
chen. Seien ein Punkt A auf K und ein Winkelradius 0 < % < π/2 gegeben. Der spärische Kreis
ρ
k beziehungsweise der sphärische Vollkreis B mit
d
M
A
Mittelpunkt A und Winkelradius % ist dann analog
zum euklidischen Kreis als
k := {P ∈ K : |AP | = %}
e
beziehungsweise
B := {P ∈ K : |AB| ≤ %}
definiert, wobei der Abstand stets als Winkelabstand interpretiert sei. Die Punkte auf
k sind diejenigen Punkte von K für die das Dreieck M AP bei M den Winkel % hat, d.h.
der Kegel mit Spitze in M und halben Öffnungswinkel % schneidet K im sphärischen
Kreis k. Damit ist k = K ∩ e ein Kleinkreis wobei e die auf M A senkrechte Ebene
zwischen M und A im Abstand d = R cos % zu M ist. Insbesondere ist k ein euklidischer
Kreis in der Ebene e dessen Mittelpunkt M A ∩ e ist und der den Radius h = R sin %
hat.
Wir erhalten:
Lemma 5.8 (Sphärische Kreise)
Seien K eine Kugel mit Mittelpunkt M und Radius R > 0. Weiter seien A ∈ K, 0 <
% < π/2 und bezeichne k den sphärischen Kreis mit Mittelpunkt A und Winkelradius
%. Bezeichne N den Punkt zwischen M und A mit |M N | = R cos %. Dann ist k ein
Kleinkreis k = K ∩ e wobei e die auf M A senkrechte Ebene durch N ist und k ist ein
euklidischer Kreis in e mit dem Radius R sin % und Mittelpunkt N . Der von k berandete
sphärische Vollkreis B hat die Fläche
%
A(B) = 4πR2 sin2 .
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Beweis: Alles bis auf die letzte Aussage haben gerade eingesehen. Ist P ∈ k so liefert
der Satz des Pythagoras für den euklidischen Abstand
%
|AP |2 = (R − R cos %)2 + R2 sin2 % = 2R2 (1 − cos %) = 4R2 sin2 ,
2
sind also r := 2R sin(%/2) und B 0 ⊆ R3 die Kugel mit Mittelpunkt A und Radius r,
so ist B die Kugelkappe B = B 0 ∩ K. Nach einem Beispiel im ersten Abschnitt dieses
Kapitels hat B damit die Fläche
%
A(B) = πr2 = 4πR2 sin2 .
2
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