3. Symphoniekonzert - Staatskapelle Dresden

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3. Symphoniekonzert
S ai so n 2 01 3
2 014
Herbert Blomstedt Dirigent
Frank Peter Zimmermann Violine
o r ts w e c h s e l .
3. Symphoniekonzert
Sa is o n 2 01 3
2 01 4
Herbert Blomstedt Dirigent
Frank Peter Zimmermann Violine
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einer perfekten Komposition wird: die Gläserne
Manufaktur von Volkswagen in Dresden.
w w w.g l a e s e r n e m a n u fa k t u r . d e
PA R T N E R D E R
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
s a mstag 2 .11.13 11 Uhr
sonntag 3.11.13 2 0 Uhr
M ontag 4.11.13 2 0 Uhr
|
S emperoper D resden
3. Symphoniekonzert
Herbert Blomstedt
Dirigent
Frank Peter Zimmermann
Violine
PROGR A MM
Antonín Dvořák
(18 41-19 0 4)
Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 53
1. Allegro ma non troppo – Quasi moderato – attacca:
2. Adagio ma non troppo
3. Finale. Allegro giocoso, ma non troppo
P a u se
Jean Sibelius
(18 6 5 -19 5 7 )
Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 43
1. Allegretto
2. Tempo andante, ma rubato
3. Vivacissimo – Lento e suave – attacca:
4. Finale. Allegro moderato
Aus Böhmen und Finnland
Antonín Dvořák schuf mit seinem Violinkonzert, mit dem Frank Peter Zim­
mermann unter dem Dirigat Herbert Blomstedts in der Semperoper zu Gast
ist, eines der herausragenden Werke dieser Gattung, dessen Ideenfülle und
gediegene Virtuosität nichts von der verwickelten Entstehungsgeschichte
verrät. Nicht weniger originell ist Jean Sibelius’ Zweite: eine Komposition
der Klangfarben, Perspektiven, Zeitschichten.
L i v e - Ü b ertr ag u n g au f M D R Fi g a ro u nd M D R K l a ssik
a m 3 . N ov em b er 2 013 a b 2 0 . 0 5 Uhr
Kostenlose Konzertein f ühr u n g en j e w eils 4 5 M in u ten
vor Be g inn I m O pernkeller der S emperoper
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3
3. SYMPHONIEKONZERT
Herbert Blomstedt
S
eit mehr als 40 Jahren gehen Herbert Blomstedt und die Staats­
kapelle Dresden gemeinsame Wege. Nach seinem hiesigen Ein­
stand im April 1969 prägte er von 1975 bis 1985 als Chefdirigent
das Orchester: ein Jahrzehnt, das nicht nur künstlerisch unver­
gessen ist, sondern auch, unter schwierigen politischen Vorzei­
chen, aus menschlicher Sicht ein besonderes Kapitel in der Kapellhistorie
markiert. Über die Dresdner »Hausgötter« hinaus dirigierte Herbert Blom­
stedt in seiner Amtszeit ein Repertoire, das auch das barocke Kapellerbe
sowie zahlreiche Ur- und Erstaufführungen umfasste. 1985 fand unter sei­
ner Leitung das erste Konzert der Kapelle in der wieder aufgebauten Sem­
peroper statt, unzählige Werke spielte er mit dem Orchester auf Schallplatte
ein. Nahezu alljährlich kehrt Herbert Blomstedt zur Staatskapelle zurück,
erst vor wenigen Wochen, am Ende der vorangegangenen Saison, widmete
er sich in der Semperoper einem Programm, das Musik seines schwedi­
schen Landsmanns Ingvar Lidholm, des Komponistenjubilars Wagner und
des Symphonikers Beethoven zusammenführte. Weit über 300 Konzerte hat
Blomstedt bis heute mit der Staatskapelle gegeben, allein zehn Mal trat er
im traditionsreichen Palmsonntagskonzert ans Kapellpult.
Geboren in den USA als Sohn schwedischer Eltern, feierte Herbert
Blomstedt sein dirigentisches Debüt 1954 beim Stockholmer Philharmoni­
schen Orchester, später leitete er als Chefdirigent so bedeutende skandina­
vische Klangkörper wie die Osloer Philharmoniker oder das Dänische und das
Schwedische Radio-Symphonieorchester in Kopenhagen bzw. Stockholm.
Er war Music Director von San Francisco Symphony (1985-1995), Chefdirigent
des NDR Sinfonieorchesters in Hamburg (1996-1998) und 18. Gewandhaus­
kapellmeister in Leipzig (1998-2005). Als Ehrendirigent ist er den Orchestern
in San Francisco, Leipzig, Kopenhagen und Stockholm, den Bamberger Sym­
phonikern und dem NHK Symphony Orchestra in Tokio verbunden.
Als Gastdirigent arbeitet der 2003 mit dem Bundesverdienstkreuz
geehrte Herbert Blomstedt mit den bedeutendsten Orchestern zusammen,
von Berlin, München, Wien, Amsterdam und Paris bis New York, Chicago,
Montreal und Israel. Was er als seine stete künstlerische Aufgabe ansieht,
erläuterte er in einem Interview in ebenso prägnanten wie eindrücklichen
Worten, die einmal mehr erklären, warum Herbert Blomstedt als Persön­
lichkeit allseits hoch geschätzt wird: Ein Dirigent habe, so Blomstedt, »die
Botschaft, die er aus der Partitur herauslesen kann, so klar und so persön­
lich wie möglich zu übermitteln, ohne die Farben und Noten zu verändern«.
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3. SYMPHONIEKONZERT
Frank Peter Zimmermann
»Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wenn der Geiger Frank Peter
Zimmermann das Podium betritt, spielt er nicht einfach sein Instrument so vollkommen wie heute wohl kein anderer, sondern er zeigt, was es heißt, im umfassenden Sinne des Wortes Musik zu machen.«
A
S üdde u ts c he Z eit u n g , 2 3 . O kto b er 2 010
ls einer der Großen seiner Zunft ist Frank Peter Zimmermann
seit vielen Jahren gern gesehener Gast der wichtigsten Konzert­
bühnen, Orchester und Festivals. Seine Interpretationen der
Werke von Bach bis zur Gegenwart gelten als maßstabsetzend,
weltweit wird er als Solist und Kammermusiker geschätzt.
»Im Idealfall ist das Orchester die zweite Haut des Solisten«, erläutert der
Ausnahmemusiker und gebürtige Duisburger das Geheimnis seines Metiers,
das er so wie nur wenige beherrscht. »Und es kommt bei Orchestern, bei
denen die Chemie mit dem Solisten stimmt, zu durchaus wundersamen und
erstaunlichen Begegnungen, bei denen etwas Gemeinsames entsteht, ohne,
dass viele Worte darum gemacht werden müssen.«
Den Auftakt der aktuellen Saison bildeten für Frank Peter Zimmer­
mann Konzerte mit dem London Symphony Orchestra in Grafenegg und mit
dem BBC Symphony Orchestra bei den Proms, noch zuvor reiste er mit dem
Tonhalle-Orchester Zürich, dessen derzeitiger Artist in Residence er ist,
zum Edinburgh International Festival. Weitere Höhepunkte der Spielzeit sind
Auftritte u.a. mit den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado und mit
dem Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam unter Mariss Jansons, erst
kürzlich gastierte er an der Seite von Herbert Blomstedt beim NHK Symphony
Orchestra in Tokio. Ebenso auf seinem Terminplan steht im Frühjahr 2014 eine
Tournee mit dem von ihm gegründeten Trio Zimmermann, Recitals mit dem
Pianisten Enrico Pace führten ihn jüngst durch Europa und nach Japan.
Seinen Einstand bei der Sächsischen Staatskapelle gab Frank Peter
Zimmermann 1992. Regelmäßig war er seither in den Symphoniekonzerten
der Kapelle zu erleben, neben gemeinsamen Gastspielen mit dem Orchester
in renommierten deutschen und europäischen Konzertsälen.
Frank Peter Zimmermann, der Werke von Matthias Pintscher, Brett
Dean und Augusta Read Thomas uraufführte, erhielt Preise und Auszeich­
nungen wie den Premio del Accademia Musicale Chigiana in Siena (1990), den
Musikpreis der Stadt Duisburg (2002), das Bundesverdienstkreuz der Bundes­
republik Deutschland (2008) und den Paul-Hindemith-Preis der Stadt Ha­
nau (2010). Er spielt eine Stradivari von 1711, die einst Fritz Kreisler gehörte.
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3. SYMPHONIEKONZERT
DAS GEHEIMNIS
der grossen Welle
Ein Gespräch mit
Frank Peter Zimmermann
schiedlichen Bewegungen nur begrüßen. Sie machen vielleicht sogar die
Spannung aus, die Konkurrenz, die verschiedenen klangphilosophischen
und klanghistorischen Modelle. Für mich ist das ein Beweis lebhafter Mu­
sikkultur und damit auch eine beruhigende Entwicklung in einem Land, in
dem die Klassik immer einen Platz hatte – selbst nach dem Zweiten Welt­
krieg, als das Land in Schutt und Asche lag, wurde musiziert.
Die Geschichte hat den Klang ja stets mitgeformt. Bei der Staatskapelle
etwa dadurch, dass in Zeiten der DDR ein historischer Sound fast konser­
viert wurde …
Ist das nicht großartig, dass sich die Geschichte in den Klang der Orches­
ter einschreibt? Ein Beweis, dass Musik immer auch ein Zeitgeist ist.
Wenn ich richtig informiert bin, kamen einmal 22 von rund 30 Geigern in
der Staatskapelle aus der gleichen Geigenschule. Das sind natürlich Be­
sonderheiten, die bis heute zu spüren sind! In Dresden wird noch immer
besonders tief geatmet.
Herr Zimmermann, nach drei Jahren kehren Sie als Solist in die Semper­oper zur Sächsischen Staatskapelle zurück. Woran denken Sie, wenn Sie
an dieses Orchester denken?
Dresden ist ein besonderer Ort. Hier sind Jahrhunderte von Tradition im
Klang zu hören. Das gibt es sonst höchstens in Wien oder in Prag. Das Or­
chester hat eine eigene Aura.
Was bedeutet das konkret?
Im Geigenbereich wäre das vielleicht mit einer Stradivari zu vergleichen:
ein Klang, der aus dem Innersten kommt, aus dem Knochenmark. Ich wohne
ja in Köln, da gibt es so etwas wie die sächsische Musiktradition in Leipzig
oder Dresden nicht. Für mich sind gerade diese beiden Orte Gegenpole
der europäischen Orchestertradition: Dresden steht für das aristokratische
Musizieren und Leipzig für das bürgerliche Musizieren.
Kann es sein, dass die Rückbesinnung auf die Tradition gerade eine Mode
der Klassik ist? Vor 15 Jahren wollten alle Orchester in die Zukunft gehen,
ihr Repertoire erweitern und möglichst viele Dinge tun – heute besinnen sie
sich wieder auf ihre Vergangenheit.
Ist das wirklich so? Sicherlich stimmt das für Wien. Sicherlich auch für
Dresden. Aber wo noch? Diese Orchester haben auf ihre Tradition gesetzt –
und, ja, sind damit erfolgreich. Die Berliner Philharmoniker haben sich mit
Claudio Abbado und Sir Simon Rattle für einen anderen Weg entschieden.
Aber ich würde das auch nicht generell bewerten. In Europa, und besonders
in Deutschland, dem Mutterland der Klassik, haben wir zum Glück eine
unglaublich reiche Musik- und Orchesterkultur. Und ich kann die unter­
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Was macht ein gutes Orchester überhaupt aus?
In Dresden sind es für mich als Geiger natürlich diese wunderbaren Strei­
cher. Aber auch das Ensemble, das eine unglaubliche Spielfreude, eine
Wachsamkeit und eine Intuition ausstrahlt. Insofern ist die Staatskapelle ein
sehr europäisches Orchester, das sich von den Ensembles in den USA unter­
scheidet. Dort gibt es Chicago oder Cleveland als Ausnahmeorchester – aber
in guten europäischen Orchestern merkt man, dass es reicht, Blickkontakt
mit den einzelnen Instrumentengruppen aufzunehmen, um sie zu inspirie­
ren. Am besten zeigt sich das bei Bach oder bei Mozart. Vor Jahren habe ich
einmal ein Mozart-Konzert mit der Staatskapelle gegeben – ohne Dirigenten.
Und was mich beeindruckt hat, ist der kammermusikalische Grundgedanke
des Ensembles.
Wie ist das für einen Solisten – beeinflusst das Orchester, mit dem er spielt,
auch seinen eigenen Klang? Oder ziehen Sie Ihr Klangideal einfach durch?
Im Idealfall ist das Orchester die zweite Haut des Solisten. Und es kommt
bei Orchestern, bei denen die Chemie mit dem Solisten stimmt, zu durch­
aus wundersamen und erstaunlichen Begegnungen, bei denen etwas
Gemeinsames entsteht, ohne, dass viele Worte darum gemacht werden
müssen.
Sie meinen, ebenso wie Christian Thielemann, dass es nicht gut ist, wenn in
Proben viel geredet wird?
Natürlich gibt es Werke, bei denen man über Grundkonstanten sprechen
muss, etwa bei Alban Berg. Aber wenn man Beethoven oder Dvořák spielt,
3. SYMPHONIEKONZERT
dann kann man sich auch treiben lassen, kann zuhören, reagieren und in
einen musikalischen Dialog treten, der weitgehend ohne Worte auskommt.
Wie genau passiert das?
Ich glaube, das ist eine Frage der Mentalität. Natürlich hat ein Dirigent wie
Carlos Kleiber viel geredet, weil es in seiner Natur lag. Christian Thiele­
mann spricht vielleicht weniger. Und es kommt auch auf das Orchester an:
Manche mögen Geschichtenerzähler, andere signalisieren ziemlich schnell,
dass sie hauptsächlich auf die Musik als Dialogform setzen.
Ist der Solist denn ebenso gestalterisch tätig wie ein Dirigent?
Der Solist hat auf jeden Fall den Vorteil, dass er in der Regel Kollege der
Musiker und ihr Verbündeter ist. Er ist kein Maestro. Man hat einen anderen
Kredit, wenn das Orchester sieht, wie man sich etwa mit den Schwierig­
keiten der Schostakowitsch-Partitur abmüht. Der Vorteil des Dirigenten
besteht aber darin, dass er sich um seine Technik weniger Gedanken ma­
chen muss und damit freier ist, sowohl das Orchester als auch den Solisten
in andere Sphären zu bringen.
Und wie sind Ihre konkreten Einflussmöglichkeiten während eines Konzerts?
Man sollte sie nicht unterschätzen. Natürlich kann man das Orchester nach
guten Proben in der Aufführung auch reizen. Und, ich muss zugeben, dass
mir das durchaus gefällt.
Dann sind Sie also auch Psychologe. Welche Tricks funktionieren besonders
gut, um 100 Menschen ohne Worte innerhalb von Sekunden mitzureißen?
Das soll ich Ihnen nun wirklich verraten?
Ich bitte darum.
Das Einfachste ist es, zu stampfen – um zu signalisieren, dass man wirklich
in der Musik ist und die anderen mitnehmen will. Das ist vielleicht ein plum­
pes, aber ein klares und wirksames Zeichen. Natürlich kann man auch die
Tempi wechseln, etwa nach einer Kadenz, und dadurch andere Solo-Spieler
im Orchester herausfordern. Das geht aber nur mit Spitzenorchestern wie in
Dresden. Und wenn es klappt, entsteht eine Welle, die alle mitreißt. Und, ja,
ich liebe diese großen emotionalen, musikalischen Wellen!
Nun kommen Sie mit Dvořáks Violinkonzert nach Dresden. Ein Werk, das
auf Anraten von Dvořáks Verleger entstanden ist und das der Komponist
dem Stargeiger seiner Zeit, Joseph Joachim, zum Korrigieren geschickt hat.
Es ranken sich ja viele Gerüchte um dieses Stück. Ich habe vor einigen Jah­
ren die Autografen aus Prag bekommen – und es lässt sich kein Korrektur-
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11
Fr a nk P eter Z immerm a nn im Ja n ua r 2 010 in der S emperoper mit
dem Violinkonzert von Br a hms u nter Christoph E s chen b ach
Seit seinem Kapelldebüt 1992 mit dem Violinkonzert von Antonín Dvořák war
Frank Peter Zimmermann vielfach als Solist bei der Sächsischen Staatskapelle
zu Gast. In diesen Auftritten in Semperoper und Kulturpalast spielte er die
Konzerte von Beethoven, Brahms, Berg, Hindemith und Schostakowitsch, unter
Herbert Blomstedt am Kapellpult musizierte er Mozarts »Sinfonia concertante«,
im Mozart-Jahr 2006 übernahm er bei der Aufführung dreier Violinkonzerte
des Wiener Klassikers neben dem Solopart auch die musikalische Leitung.
Zusätzlich zu den Konzerten in Dresden reiste Frank Peter Zimmermann mit
der Staatskapelle u.a. nach Amsterdam und Madrid, nach München, Hamburg,
Dortmund und Bonn, im Februar 2010 ging er mit Neeme Järvi und der Kapelle
auf eine Skandinavien-Tournee. Zuletzt als Solist in der Semper­oper zu erleben
war Frank Peter Zimmermann im September 2012: mit dem Gustav Mahler
Jugendorchester im traditionellen Eröffnungskonzert der Kapellsaison.
3. SYMPHONIEKONZERT
eintrag von Joachim finden. Außerdem scheint Dvořák eher genervt vom
Geiger gewesen zu sein, denn die Uraufführung hat ja Dvořáks Freund
František Ondříček gespielt. Ich glaube, dass Dvořák sehr genau wusste,
was er wollte – und es am Ende auch bekommen hat.
Wie ordnen Sie das Konzert ein?
Es steht mit Sicherheit im Schatten von Dvořáks Cellokonzert, aber es ist ein
Meisterwerk, das mich persönlich entfernt an Brahms erinnert. Mich würde
es nicht wundern, wenn Dvořák Brahms’ Violinkonzert beim Komponieren
auf dem Schreibtisch hatte, ebenso wie Berg das Violinkonzert von Karol
Szymanowski zu Rate gezogen hat.
Debüt und Rückkehr
Franz Welser-Möst dirigiert erstmals die
Sächsische Staatskapelle und teilt sich das Podium
mit seinem Landsmann und ehemaligen
Capell-Virtuosen Rudolf Buchbinder
Wie ist das eigentlich bei Ihnen? Sie bekommen doch auch Violinkonzerte
von Gegenwartskomponisten zugeschickt. Verändern Sie dann viel an der
Musik bzw. der Partitur?
Ich denke, dass die Zusammenarbeit sich verändert hat. Mir ist es wichtig,
möglichst viele der innovativen Gedanken auch umzusetzen. Natürlich
schreite ich ein, wenn etwas technisch unmöglich ist. Einen Doppelgriff
kann man eben nicht auf einer, sondern nur auf zwei Saiten spielen. Aber in
der Regel möchte ich selbst die komplexen und komplizierten Stücke mög­
lichst originalgetreu interpretieren.
4. Symphoniekonzert
29. November 11 Uhr
semperoper
Franz Welser-Möst Dirigent
Rudolf Buchbinder Klavier
Haben Sie dafür Beispiele?
In dem Violinkonzert von Matthias Pintscher muss man all das, was man
in den ersten acht Jahren des Geigenstudiums mühsam gelernt hat, verges­
sen – es geht eher darum, Geräusche zu erzeugen statt Klänge zu produ­
zieren. Mir gefällt das. Ganz anders, aber ebenso spannend, ist die jüngste
Komposition von Brett Dean, die sehr geigerisch gesetzt ist – kein Wunder,
denn Dean ist Bratschist. Im Ligeti-Konzert war ich der zweite Interpret,
der Kollege in der Uraufführung hat vieles gestrichen, aber ich habe es als
Herausforderung verstanden, so viel von Ligetis Ideen wie möglich aus der
Ur-Partitur in das Konzert zu retten.
Wolfgang Rihm
»Verwandlung 5«, Deutsche Erstauffführung
Sergej Rachmaninow
Rhapsodie über ein Thema von Paganini
für Klavier und Orchester op. 43
Dmitri Schostakowitsch
Sie sind also Diener der Komponisten?
Ich möchte als Geiger, wenn möglich, die neuen Gedanken zum Klingen
bringen, die ein Komponist aus unserer Zeit heraus geboren hat. Auch,
wenn das beim Publikum manchmal zunächst auf Widerstand stößt.
die f r ag en stellte A x el Brü g g em a nn .
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Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 54
PA R T N E R D E R
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
3. SYMPHONIEKONZERT
Antonín Dvořák
* 8 . S eptem b er 18 41 in N el a hoze v es (b ei P r ag)
† 1. M a i 19 0 4 in P r ag
Kunstvoller Satz,
lichter klang
DvoŘáks Violinkonzert
E
Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 53
1. Allegro ma non troppo – Quasi moderato – attacca:
2. Adagio ma non troppo
3. Finale. Allegro giocoso, ma non troppo
E ntsteh u n g
Ur au f f ühr u n g
in erster Fassung zwischen dem
5. Juli und Mitte September 1879,
grundlegende Überarbeitung vom
4. April bis 25. Mai 1880, erneute
Revision 1882 (in dieser Zeit reis­te
Dvořák auch nach Dresden, um
am 24. Oktober die Deutsche Erst­aufführung seiner Oper »Der Bau­er ein Schelm« unter der Stab­
führung von Ernst Schuch an der
Hofoper zu besuchen)
am 14. Oktober 1883 im Prager
Rudolfinum durch das Orchester
des Prager Nationaltheaters un­
ter der Leitung von Mořic Anger,
Solist: František Ondříček
Besetz u n g
Violine solo, 2 Flöten,
2 Oboen, 2 Klarinetten,
2 Fagotte, 4 Hörner,
2 Trompeten, Pauken,
Streicher
w idm u n g
»dem großen Meister Joseph Joa­
chim in tiefster Hochachtung«
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Dau er
ca. 32 Minuten
nde Januar 1879 erkundigte sich der Berliner Verleger Fritz Sim­
rock bei Antonín Dvořák: »Wollen Sie mir ein Violinkonzert schrei­
ben, recht originell, kantilenenreich und für gute Geiger? Bitte ein
Wort.« Wenige Tage später bekam der tschechische Komponist
eine ganz ähnliche Anfrage vom Geiger Karel Halíř: »Indem ich
hoffe, daß sie bald ein Geigenkonzert schreiben, was ich sicher zu allererst
spielen muß, gratuliert Ihnen zu Ihrem Erfolg und grüßt herzlichst Ihr Freund
und Landsmann Halíř.« Dvořák teilte Simrock daraufhin mit: »Das Konzert
werde ich jedenfalls schreiben. Halíř schreibt mir eben und will’s spielen.«
Mittlerweile war Dvořák ein berühmter Mann. Drei Jahre zuvor
hatte man sein Klavierkonzert noch abgelehnt, nun aber rissen sich Ver­
leger und Dirigenten um seine Werke. Mit den »Slawischen Tänzen« war
ihm der Durchbruch gelungen. Zunächst beendete Dvořák die Arbeit am
zehnten Streichquartett (14 wurden es insgesamt) und der »Tschechischen
Suite«. Im Sommer 1879 war es dann soweit: Zwischen Juli und Septem­
ber komponierte er das Violinkonzert. Das Solokonzert ist eine von vielen
Gattungen in Dvořáks Schaffen, das auch Opern, Oratorien und Messen
sowie Symphonien, Symphonische Dichtungen und Kammermusik umfasst.
Für die Violine (und Klavier) entstanden außerdem seine »Romantischen
Stücke« op. 75 (1887) und, später in Amerika, die Sonatine G-Dur op. 100.
Nachdem er das Violinkonzert beendet hatte, bat Dvořák, der selbst
Viola spielte, den renommierten Geiger Joseph Joachim um eine Einschät­
zung – und nun wurde es kompliziert. Er hatte Joachim bei der ersten Auffüh­
rung seines Streichsextetts op. 48 und des Es-Dur-Streichquartetts op. 51 in
Berlin gehört und war so begeistert, dass er dem Interpreten (und nicht etwa
Halíř) die Partitur widmete und zur Ansicht schickte. Er wusste: Joachim
hatte zehn Jahre zuvor Max Bruchs erstes – und bis heute sehr beliebtes –
Violinkonzert uraufgeführt; hatte 1878 Johannes Brahms beratend zur Seite
gestanden in Fragen der Spieltechnik, die Geigenstimme von dessen Violin­
konzert überarbeitet, eine Kadenz geschrieben und den Solopart bei der Ur­
aufführung übernommen. Diesmal aber kam es anders: Joachims Mitarbeit an
Dvořáks Konzert zog sich über einen Zeitraum von drei Jahren hin. Er wirkte
3. SYMPHONIEKONZERT
dabei geradezu lustlos. Mit Brahms war er befreundet – die mit dem Böhmen
verbundene Aufgabe hingegen schien ihm regelrecht lästig zu werden; dabei
spielte Joachim nicht immer mit offenen Karten.
Während Joachim die Anlage des Brahms-Konzerts unangetastet
ließ, wollte er Dvořáks Komposition tiefgreifend überarbeitet sehen. Der
Kom­ponist berichtete dazu an Simrock im Mai 1880: »Auf seinen (Joa­chims)
Wunsch habe ich das ganze Konzert umgearbeitet, nicht einen einzigen Takt
habe ich behalten. Der wird gewiß seine Freude daran haben. Ich habe mir
die größte Mühe gegeben. Das ganze Konzert hat jetzt eine andere Gestalt.
Die Themen habe ich behalten, auch einige neue hinzukomponiert. Aber die
ganze Konzeption des Werkes ist anders. Harmonisation und Instrumentie­
rung, Rhythmus, die ganze Durchführung ist neu.« Die Partitur der ersten
Fassung ist verschollen; nur wenige Skizzen sind erhalten.
Doch auch die zweite Fassung vermochte Joachim offensichtlich nicht
zu begeistern. In einem Brief an Dvořák sprach er zwar von »Ungeduld«, mit
der er die Noten erwarte, ließ sie aber zwei Jahre unbeachtet liegen. Im Au­
gust 1882 teile er mit, dass er die Violinstimme überarbeitet habe, und fügte
hinzu, »daß ich das Violinkonzert in seiner jetzigen Gestalt noch nicht reif für
die Öffentlichkeit halte, hauptsächlich der überaus orchestralen dicken Be­
gleitung wegen, gegen welche auch der größte Ton nicht aufkommen würde.«
Immerhin erklärte er sich bereit, gemeinsam mit dem Orchester der Berliner
Musikhochschule das Werk zu proben, damit der Komponist es einmal zu
Gehör bekomme. Dieser nahm das Angebot an und vermeldete danach an
Simrock: »Ich war auch da und habe mit Joachim zweimal das Violinkonzert
durchgespielt. Es hat ihm sehr gefallen … Mir war es lieb, daß die Geschichte
einmal fertig wird. Die Umarbeitung lag volle 2 Jahre bei Joachim!!«
Die Fassung mit letzten Änderungen schickte Dvořák Ende Dezem­
ber 1882 an Simrock. Der Verleger bezweifelte, dass der zugkräftige Geiger
das Konzert auch wirklich aufführen werde. Und in der Tat war dieser dazu
noch im März 1883 nicht bereit. Dabei blieb es – der Widmungsträger hat es
nie öffentlich gespielt. An seine Stelle trat der Geiger František Ondříček,
damals ebenfalls kein Unbekannter, und endlich ging das Werk in Druck.
Die Uraufführung fand am 14. Oktober 1883 in Prag statt.
Eigenständiges Profil des Soloparts
Dvořáks Violinkonzert war immer beliebt bei Geigern (Joachim ist eine
Ausnahme). Für den Komponisten bestand eine der wichtigsten Herausfor­
derungen darin, dem Solopart ein eigenständiges klangliches Profil zu ver­
leihen: der Violine Präsenz zu verschaffen gegenüber einem großbesetzten
Orchester, in dem die Violinen bereits en bloc erklingen. Ihm musste daher
daran gelegen sein, die Violine vom Orchester abzugrenzen. Das gelang ihm,
16
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Anton í n Dvo Ř á k , Bronzestat u e au f dem P r ag er Ja n - Pa l ac h - P l atz
z w is chen der Ak a demie f ür K u nst, Ar chitekt u r u nd D esi g n (im
H inter g r u nd) u nd dem R u dol f in u m , der he u ti g en H eimstatt
der T s c he c his c hen P hilh a rmonie
3. SYMPHONIEKONZERT
die Forschung hat darauf hingewiesen, mit recht einfachen musikalischen
Mitteln. Bereits die Wahl der Tonart a-Moll erhöht die Resonanz und damit
auch die Präsenz des Instruments, weil der Solist zentrale Töne auf den leeren
Saiten spielen kann; zudem erleichtert die Tonart das mehrstimmige Spiel.
Dann natürlich die Instrumentation: Dvořák hebt die Violinstimme
durch Klangkontraste hervor. In der »Cadenza accompagnata« des Anfangs­
satzes steigt die Violine in Doppelgriffen hinab, begleitet von »zupackenden«
Hörnern. Nach einem schier halsbrecherischen Solo in die Höhe verströmt
sich der Klang der Violine »molto espressivo« in der tiefen Lage; dazu erklingt
das Holz im dichten Satz. Diese Takte gehen direkt in das Adagio, den zweiten
Satz, über. In ihm wirkt die lyrische Stimmung fort. An seinem Ende wecken
verminderte Akkorde Wagner-Assoziationen. In schönstem F-Dur klingt er aus.
Zudem lässt Dvořák Solostimme und Orchesterpart oft in gegensätz­
liche Richtungen verlaufen, setzt sie mittels Imitation voneinander ab oder –
wie am Beginn des dritten Satzes – er führt das Solo und die ersten beiden
Geigen im Terzabstand parallel. Letzteres ist ein Merkmal der Volksmusik
und als solches Ausdruck von Dvořáks Hinwendung zur Folklore, zu einem
als »slawisch« wahrnehmbaren Tonfall, der sich seit 1878 in seiner Musik
bemerkbar machte und an ihrem internationalen Erfolg großen Anteil hatte.
Im Mittelteil des Finales verbindet Dvořák den Furiant, einen tschechischen
Tanz, mit der Dumka, einem ursprünglich aus der Ukraine stammenden
Volkslied. Die Melodie der Violine, die sich in kleinen Intervallen bewegt,
mutet gleichermaßen rustikal und melancholisch an.
Fr a nti š ek O nd Ř í ček (links), Ur au f f ühr u n g ssolist von Dvo Ř á ks
Violinkonzert, u nd Joseph Joac him , der Widm u n g str äg er des Werkes
Aus Prag stammend, war František Ondříček (1857-1922) gleich mehrfach
an Uraufführungen der Werke Dvořáks beteiligt: Über das Violinkonzert
hinaus wirkte er an den Premieren des Klaviertrios op. 21 und des Streichquintetts op. 77 mit, umgekehrt widmete der Komponist ihm, »seinem lieben
Freund«, die Romanze für Violine und Klavier op. 11. Wie Ondříček war auch
Joseph Joachim (1831-1907) Primarius eines nach ihm benannten Quartetts. In
den berühmten Soiréen des Ensembles erlebte u.a. Musik von Dvořák ihre Uraufführung, als Solist galt Joachim zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten
Virtuosen Europas. Eine enge Freundschaft verband ihn mit Johannes Brahms;
beide lernten sich während Joachims langjährigem Engagement als »Concertmeister« (später »Concertdirector«) des Königlichen Hof-Orchesters in Han­
nover kennen. 1869 wurde Joachim Direktor der Berliner Musikhochschule.
Schöne Gedanken, gewichtige Ausführung
Die Gestaltung der Geigenstimme erweckt immer wieder den Eindruck von
freier Improvisation; Spielfiguren und Arpeggien sind in Dvořáks Konzert
jedoch nicht bloßes Beiwerk, sondern gehören zur thematischen Substanz.
»Einen schönen Gedanken zu haben«, so brachte Dvořák sein Komponieren
auf den Punkt, »ist nichts Besonderes. Der Gedanke kommt von selbst und
ist er schön und groß, so ist dies nicht des Menschen Verdienst. Aber den
Gedanken gut auszuführen und etwas Großes aus ihm zu schaffen, das ist
das Schwerste, das ist – Kunst!«
Dem ersten Satz verlieh Dvořák eine ungewöhnliche Form. Nach einer
kurzen, aber wuchtigen Orchestereinleitung tritt sogleich die Sologeige auf.
Die Exposition, der erste Hauptteil des Satzes, ist ausgedehnt, die nachfolgen­
de Durchführung kurz, der anschließenden Reprise wiederum fehlt das Sei­
tenthema – alles in allem eine erfrischend unakademische Anlage. Der zweite
Satz ist demgegenüber formal konventionell; ohnehin ist das lyrische Zen­
trum eines Konzerts selten ein Experimentierfeld für Komponisten. Das Fi­
nale entspricht weniger der Sonaten- als der (auf Reihung basierenden) Ron­
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doform. Sein »slawisch« anmutendes Thema mit den sperrigen Synkopen eilt
zwar dahin, wirkt manchmal aber so, als regten sich Widerstände im Unter­
grund. Dvořák verlagert das Gewicht zwischen Solo und Orchester in kurzen
Abständen und verteilt virtuos die Energie, staut und entlädt sie. Der luftige,
gleichwohl kunstvolle Satz und die transparente Faktur verleihen dem Kon­
zert einen lichten Klang. Die langwierige Entstehung hört man ihm nicht an.
»Recht originell, kantilenenreich und für gute Geiger« hatte Simrock es sich
gewünscht – er konnte zufrieden sein.
D E N N I S R OT H
3. SYMPHONIEKONZERT
Jean Sibelius
* 8 . D ezem b er 18 6 5 in H ä meenlinn a (S üdli c hes Finnl a nd)
† 2 0 . S eptem b er 19 5 7 in Jä r v enpä ä (b ei H elsinki)
Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 43
1. Allegretto
2. Tempo andante, ma rubato
3. Vivacissimo – Lento e suave – attacca:
4. Finale. Allegro moderato
E ntsteh u n g
Ur au f f ühr u n g
erste Pläne für ein großes Orches­
terwerk im Dezember 1900, Skizzen
im Frühjahr 1901 im nahe Genua
gelegenen Rapallo (Italien), Fortset­
zung der Arbeiten in Finnland (die
Rückreise u.a. über Wien, Dresden
und Berlin ließ Sibelius in Prag mit
Antonín Dvořák zusammentreffen),
Umarbeitungen ab Ende 1901,
Fertigstellung des, so Sibelius,
»Smerzens Kind« am 8. Januar 1902
am 8. März 1902 im Festsaal der
Universität Helsinki durch das
Orchester der Philharmonischen
Gesellschaft Helsinki unter der
Leitung des Komponisten
Besetz u n g
2 Flöten, 2 Oboen,
2 Klarinetten, 2 Fagotte,
4 Hörner, 3 Trompeten,
3 Posaunen, Tuba,
Pauken, Streicher
Widm u n g
»dem ungewöhnlich begabten,
tief fühlenden, groß denkenden, sich selbst vergessenden«
Axel Carpelan (1858-1919),
adeliger Freund und Gönner
20
21
Dau er
ca. 45 Minuten
Lyrisches Heimatbekenntnis
Sibelius’ zweite Symphonie
O
hne Zweifel gilt Jean Sibelius heute als der hervorragendste
Vertreter finnischer Musik im 20. Jahrhundert, im Grunde als
der berühmteste Komponist Finnlands überhaupt. Daraus je­
doch auf eine bruchlose Geschichte weltweiter Anerkennung
zu schließen, wäre voreilig. Dass Sibelius die Neuerungen,
die Arnold Schönberg und dessen Wiener Kreis gebracht hatten und die im
Zeichen von Atonalität und prinzipieller »Neuordnung des musikalischen
Materials« standen, gleichsam links liegen ließ und unbeirrt den Weg der
Tradition, der Tonalität und der klassischen Formschemen weiterging (um
in diesem Zuge gleichwohl eine moderne, unkonventionelle, kühne »Spra­
che« ganz eigener Art zu entwickeln), trug ihm sowohl Popularität als
auch harte Kritik ein. Als einer der heftigsten Kontrahenten des finnischen
Komponisten erwies sich Theodor W. Adorno, der wortgewaltige Verfasser
der »Philosophie der neuen Musik«, der Sibelius’ Tonsprache einzig nach
Schönberg’schen Kriterien beurteilte und als ein Verfehlen notwendigen
Gegenwartsbewusstseins brandmarkte. In seiner »Glosse über Sibelius«
von 1938 sprach er dessen Musik schlichtweg die Existenzberechtigung ab;
Sibelius’ Musik klinge »absurd, weil der Versuch, mit den alten und verfal­
lenen Mitteln Neues auszusprechen, selber absurd ist«. Immerhin: Adorno
billigt dem abgelehnten Komponisten zumindest das Bemühen zu, mit den
alten Mitteln Neues zu sagen. Eben diesen Anspruch, individuell eingelöst,
wussten große Teile der Musikwelt stets an Sibelius zu schätzen, und vor­
nehmlich im angelsächsischen Bereich, wo es der Komponist früh zu großer
Beliebtheit brachte, wurde dieses Bemühen im Gegensatz zu Adornos Ver­
dikt als durchaus geglückt angesehen.
Dass Sibelius den »Ton Finnlands« in die Musik einbrachte, die
Atmosphäre von Seenlandschaft, Einsamkeit und nördlicher Dunkelheit,
schließt eine starke Verklammerung seines Schaffens mit der zentralen
europäischen Musiktradition nicht aus. Dies wird bereits an Sibelius’ mu­
sikalischem Bildungsweg deutlich, der den jungen Komponisten in die
europäischen Musikmetropolen führte. Der 1865 geborene Johan Sibelius,
3. SYMPHONIEKONZERT
der sich zum Gedenken eines Onkels »Jean« nannte, studierte zunächst in
Helsinki bei dem Komponisten und Volksliedersammler Richard Faltin, von
1889 bis 1890 in Berlin bei Albert Becker und von 1890 bis 1891 in Wien
bei Robert Fuchs und Carl Goldmark. Ebenfalls in Wien lernte er die Musik
Anton Bruckners kennen, deren Monumentalität und Weite auf den jungen
Musiker großen Eindruck machte und unverkennbaren Einfluss auf sein
eigenes symphonisches Schaffen hatte.
Im Mittelpunkt dieses Schaffens stehen sieben Symphonien, ebenso
eine große Zahl weiterer symphonischer Stücke, unter denen sein Violinkon­
zert zu einem der bekanntesten Werke des 20. Jahrhunderts wurde. Als be­
merkenswertes und seltenes Phänomen mag vermerkt werden, dass Sibelius
bereits Ende der 1920er Jahre »verstummte« und seine offizielle Laufbahn
als Komponist beendete. Die noch verbleibenden 30 Jahre seines Lebens ver­
brachte er als stiller, wenn auch hochgeehrter Beobachter des Musiklebens.
Lyrischer Tonfall: Sibelius’ Zweite
tr a ditions b e w u sster ne u erer u nd I denti f ik ations f i g u r :
Je a n S i b eli u s , 19 0 5
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23
Sibelius’ zweite Symphonie, entstanden in den Jahren 1901/1902, ist wohl
neben seiner fünften Symphonie die bekannteste und meistgespielte. Schon
die Uraufführung der Zweiten am 8. März 1902 war ein großer und unbe­
zweifelbarer Erfolg. Die Inspirationen hatte Sibelius während einer Italien­
reise empfangen, vollendet wurde die Komposition im finnischen Kerava in
der Nähe von Helsinki. Von Anfang an wurde der spezifisch lyrische Tonfall
dieser Symphonie festgestellt; sanfte, meist stufenförmig geführte Melodien
erinnern an »pastorale« Werke der musikalischen Vergangenheit, und kaum
zufällig wird Beethovens sechste Symphonie, die »Pastorale«, in diesem
Zusammenhang häufig genannt. Auch formal hält sich Sibelius an die Vor­
gaben der Tradition, und so beginnt die Symphonie mit einem Satz in Sona­
tenform, die freilich durch die Kleingliedrigkeit der Themen und Themen­
partikel und zahlreiche rhapsodische, scheinbar ungebundene Abschnitte
eine »unscharfe« Konturierung erhält.
Als bestimmend für das Geschehen erweist sich das lyrische Drei­
tonmotiv der Streicher, das zu Beginn erklingt und sofort jenen Eindruck
sanfter Weiträumigkeit vermittelt, der auch für den Fortgang des Satzes cha­
rakteristisch ist. Steigt dieses Motiv stufenförmig in den Streichern auf, so
»beantwortet« es Sibelius sogleich mit einem ebenfalls stufenförmig abstei­
genden Gedanken in den Oboen, der in seinem weiteren Verlauf volkslied­
haft-pastoral anmutet. Daran schließt sich eine Episode in den Hörnern an,
die das Oboenmotiv aufgreift, es aber ins Feierlich-Getragene wendet. Hier
haben wir es also nicht mit einem konzisen »Hauptthema« im klassischen
Sinne zu tun, sondern mit einer Themengruppe; insgesamt drei solcher
Themengruppen stellt der Komponist in der Exposition, dem Anfangsteil
3. SYMPHONIEKONZERT
des Satzes, vor. Gerade in der Gestaltung thematisch-motivischer Konstel­
lationen dieser Art wird deutlich, auf welchem Weg Sibelius das »Neue« –
evolutionär, nicht revolutionär verstanden – suchte. In der nachfolgenden
Durchführung im Zentrum des Satzes werden diese Themen bzw. Themen­
partikel in originellen und überraschenden Kombinationen verbunden, aber
dennoch lässt der vorherrschende pastoral-idyllische Charakter des Satzes
die Dichte der thematischen Arbeit kaum in den Vordergrund treten.
»Don Juan« und »Christus«
Als großangelegte Ballade kann der zweite Satz, ein Andante, angesehen
werden; in diesem Gebilde wird erkennbar, dass Sibelius nicht nur Sym­
phonien, sondern auch Symphonische Dichtungen mit programmatischer
Ausrichtung schrieb und zwischen diesen Gattungen Überschneidungen
zuließ. Zwei Themen mit subtiler Verwandtschaft bestimmen den Satz,
der in seinem Großverlauf zwei klar kontrastierende Abschnitte zeigt. Das
erste Thema hatte Sibelius ursprünglich für eine Symphonische Dichtung
mit dem Titel »Don Juan« vorgesehen, das zweite wurde in einer Skizze mit
»Christus« überschrieben, womit der Inhalt der inhaltlichen Gegenüberstel­
lung zumindest angedeutet erscheint.
Einen Gegenakzent zum vorwiegend lyrischen Tonfall der beiden
ersten Sätze setzt Sibelius mit dem nun folgenden Scherzo in B-Dur, dessen
sehr lebendiges Tempo (Vivacissimo) rhythmisch-motorische Energie aus­
strahlt. Als formales Konzept bleibt der Scherzotypus mit seinem Wechsel
Scherzo – Trio – Scherzo erhalten; das zugehörige Trio (»Lento e suave«)
bildet einen lyrischen Kontrast und schließt an den pastoralen Ton des ersten
Satzes an. Nach der Wiederholung des Scherzos geht der Satz unmittelbar
in den vierten Satz über. In ihm zieht Sibelius alle Register eines großange­
legten Finalsatzes, durchaus im Sinne der Entwicklung zur »Finalsympho­
nie«, die bei Beethoven begonnen und bei Bruckner einen Höhepunkt erlebt
hatte und darauf beruht, den Schlusssatz zum gewichtigen Zielpunkt des
symphonischen Prozesses auszuformen. Hinsichtlich seines Aufbaus handelt
es sich wieder um einen Sonatensatz mit drei Themenbereichen, wobei sich
das einleitende Hauptthema als besonders einprägsam erweist. Die Wieder­
aufnahme der Themen in der Reprise, in der die erste Themengruppe durch
einen Klangteppich der Holzbläser gesteigert ist, und die abschließende
Coda, die nochmals das charakteristische Kopfthema ins Zentrum rückt,
machen den spezifischen Finalcharakter deutlich: In strahlenden D-DurKlangflächen findet das Werk seinen eindrucksvollen Abschluss.
Die Uraufführung der Symphonie am 8. März 1902 unter der persön­
lichen Leitung des Komponisten hatte solchen Erfolg, dass das Werk kurz
hintereinander, am 10., 14. und 16. März, wieder präsentiert wurde, stets vor
24
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An ferti g u n g einer Büste des
70 - jä hri g en Je a n S i b eli u s d u r c h
den f innis c hen Bildh a u er
Wä in ö A a ltonen , 19 3 5
ausverkauftem Haus. Nie zuvor hatte ein neues Orchesterwerk in Finnland
solchen Erfolg gehabt. Es verwundert daher nicht, dass bald in die Symphonie
eine politische Botschaft hineininterpretiert wurde: Finnland, das zu dieser
Zeit mehr und mehr in den russischen Einflussbereich geriet, zeige in diesem
Werk seinen nationalen Selbstbehauptungswillen. Robert Kajanus, Sibelius’
Wegbereiter und Vorkämpfer, empfand die Musiksprache der Symphonie als
explizite Botschaft: »Das Andante wirkt wie der flammende Protest gegen all
die Ungerechtigkeit, die in unserer Zeit der Sonne ihr Licht und den Blumen
ihren Duft zu rauben droht«, und das Finale »mündet in einen triumphalen
Schluß, der dazu geeignet ist, beim Hörer die Vorstellung lichter und trost­
reicher Zukunftsaussichten zu wecken«. Der Mythos, Sibelius’ zweite Sym­
phonie schildere den Kampf der Finnen gegen die Russifizierung, tauchte
auch in der Folgezeit immer wieder auf, konnte sich jedoch niemals auf Aus­
sagen des Komponisten selbst stützen. Im Gegenteil: 1939 bestritt Sibelius in
einem Brief an den Dirigenten Georg Schnéevoigt ausdrücklich, die zweite
Symphonie habe »politische Motive« irgendwelcher Art. Ein eindrucksvolles
Beispiel für die Verselbstständigung von Interpretationen, aber auch für das
verbreitete Bedürfnis, in musikalischen Werken Botschaften zu vernehmen,
die über die Aussage der »Musik selbst« hinausgehen.
T hom a s L ei b nitz
3. SYMPHONIEKONZERT
E ine E in f ühr u n g wä hrend des Konzerts:
H er b ert Blomstedt im J u ni dieses Ja hres in der S emperoper
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Eine gehörige Portion feiner Humor, faszinierende Werkkenntnis und begeis­
ternde Leidenschaft für die Musik waren die »Zutaten« der Erläuterungen, mit
denen der ehemalige Kapellchef im Konzert vor das Publikum trat, um das
ihm gewidmete Orchesterstück »Poesis« seines schwedischen Landsmanns
Ingvar Lidholm vorzustellen, das er anschließend dirigierte.
3. SYMPHONIEKONZERT
3. Symphoniekonzert 2013 | 2014
Orchesterbesetzung
1. Violinen
Roland Straumer 1.
Thomas Meining
Jörg Faßmann
Federico Kasik
Volker Dietzsch
Brigitte Gabsch
Johanna Mittag
Barbara Meining
Birgit Jahn
Martina Groth
Wieland Heinze
Henrik Woll
Annika Thiel
Sae Shimabara
Franz Schubert
Renate Peuckert
Bratschen
Konzertmeister
2. Violinen
Heinz-Dieter Richter Konzertmeister
Matthias Meißner
Annette Thiem
Holger Grohs
Stephan Drechsel
Olaf-Torsten Spies
Alexander Ernst
Beate Prasse
Mechthild von Ryssel
Kay Mitzscherling
Martin Fraustadt
Paige Kearl
Ha-Nan Lee*
Günter Friedrich*
Nicole Amal Reich*
Julie Wandres*
Sebastian Herberg S olo
Andreas Schreiber
Michael Horwath
Ulrich Milatz
Wolfgang Grabner
Zsuzsanna Schmidt-Antal
Juliane Böcking
Milan Líkař
Elke Bär*
Raimund Eckertz*
Torsten Frank*
Florian Kapitza*
Violoncelli
Friedwart Christian Dittmann S olo
Martin Jungnickel
Klaus Greiner*
Uwe Kroggel
Bernward Gruner
Johann-Christoph Schulze
Jörg Hassenrück
Anke Heyn
Matthias Wilde
Titus Maack
Flöten
Rozália Szabó S olo
Cordula Bräuer
Oboen
Céline Moinet S olo
Elisabeth Grümmer**
Klarinetten
Jochen Tschabrun* S olo
Dietmar Hedrich
Trompeten
Viktor Spáth S olo
Peter Lohse
Sven Barnkoth
Posaunen
Uwe Voigt S olo
Jürgen Umbreit
Christoph Auerbach
Tuba
Hans-Werner Liemen
Fagotte
Joachim Hans S olo
Joachim Huschke
S olo
Pauken
Thomas Käppler
S olo
Hörner
Erich Markwart S olo
David Harloff
Manfred Riedl
Marie-Luise Kahle**
Kontrabässe
Andreas Wylezol S olo
Christian Hellwich*
Torsten Hoppe
Christoph Bechstein
Reimond Püschel
Thomas Grosche
Johannes Nalepa
Konstantin Kramer**
* a ls G a st
** a ls Ak a demist/ in
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3. SYMPHONIEKONZERT
Vorschau
Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle Dresden
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MUSIC
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2. Aufführungsabend
donnerstag 14 .11.13 2 0 U H R
S E M P ER O P ER D R E S D E N
Dresdner Kapellsolisten
Helmut Branny Leitung
Susanne Branny Violine
Frank Martin
»Etudes« für Streichorchester
Wolfgang Rihm
»Lichtes Spiel«,
Ein Sommerstück für Violine und
kleines Orchester (2009)
Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie D-Dur KV 385 »Haffner-Symphonie«
4. Symphoniekonzert
mitt wo c h 2 7.11.13 2 0 Uhr
f reitag 2 9.11.13 11 Uhr
sonntag 1.12 .13 11 Uhr
S emperoper D resden
Franz Welser-Möst Dirigent
Rudolf Buchbinder Klavier
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Wolfgang Rihm
»Verwandlung 5«,
Musik für Orchester (2013)
Deutsche Erstaufführung
Sergej Rachmaninow
Rhapsodie über ein Thema von Paganini
für Klavier und Orchester op. 43
Dmitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 54
Kostenlose Einführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn
im Opernkeller der Semperoper
3. SYMPHONIEKONZERT
I mpress u m
Sächsische
Staatskapelle Dresden
Künstlerische Leitung/
Orchesterdirektion
Sächsische Staatskapelle Dresden
Chefdirigent Christian Thielemann
Spielzeit 2013 | 2014
H er au s g e b er
Sächsische Staatstheater –
Semperoper Dresden
© Oktober 2013
R eda ktion
Dr. Torsten Blaich
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Bildn ac h w eis
Matthias Creutziger (S. 5, 11, 26 / 27); Franz
Hamm (S. 6); Kathrin Knauer (S. 17); Antonín
Hořejš: Antonín Dvořák, Prag 1955 (S. 19 links);
Theatermuseum und -archiv der Niedersäch­
sischen Staatstheater Hannover (S. 19 rechts);
Erik Tawaststjerna: Jean Sibelius, Salzburg und
Wien 2005 (S. 22, 25).
Christian Thielemann
Chefdirigent
Juliane Stansch
Persönliche Referentin
von Christian Thielemann
Staatskapelle
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Orchesterdirektor
Tobias Niederschlag
Konzertdramaturg,
Künstlerische Planung
Dr. Torsten Blaich
Programmheftredaktion,
Konzerteinführungen
Matthias Claudi
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Agnes Monreal
Assistentin des Orchesterdirektors
Sarah Niebergall
Orchesterdisponentin
Matthias Gries
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Die Einführungstexte von Dennis Roth und
Dr. Thomas Leibnitz sind Originalbeiträge
für dieses Programmheft. Das Interview
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Dresden, Ausgabe 1 der Saison 2013 | 2014.
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