wirth-05-2

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Von Winkelfunktionen zur Dreiecksgeometrie
Jens Wirth, Freiberg
[email protected]
1
Definition
y
Es sei P ein Punkt auf dem Einheitskreis, ∠10P = φ. Dann besitzt
P die Koordinaten (cos(φ), sin(φ)).
Dies kann man nutzen, um durch
periodische Fortsetzung auf ganz
die Funktionen sin(φ) und cos(φ) zu
definieren.
1
P
0
1
R
x
Mit dem Satz des Pythagoras gilt offensichtlich |P |2 = 1 = sin2 (φ) + cos2 (φ). Diese Formel
wird als trigonometrischer Pythagoras bezeichnet.
Übung 1 Man skizziere die Funktionen sin(φ) und cos(φ). Dabei verwende man zum Messen
von Winkeln die Konvention, dass ein rechter Winkel das Maß π2 hat.
Übung 2 Man beweise“, dass
”
π
cos(φ) = sin(φ + ),
2
cos(φ) = cos(−φ)
und
sin(φ) = − sin(−φ)
gelten.
2
Dreiecksberechnung mit Winkelfunktionen
Wie der Name schon vermuten lässt, eignen sich trigonometrische Funktionen in besonderer
Weise zur Berechnung von und in Dreiecken. In rechtwinkligen Dreiecken ABC mit |∠ ABC| =
π
2 gilt (schon allein wegen der Ähnlichkeit zu einem Dreieck mit |AC| = 1 und der Definition
der Winkelfunktionen)
c = b cos(α) und a = b sin(α),
wobei wir wie üblich die Bezeichnungen a = |BC| und α = |∠ CAB| usw. verwenden. Uns
interessieren aber Formeln die in allen Dreiecken gelten.
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1
2.1
Erweiterter Sinussatz
Ein allgemeines Dreieck wird durch
die Höhe in rechtwinklige Teildreiecke zerlegt. Es gilt also insbesondere
C
b
b sin(α) = hc = a sin(β)
a
hc
und damit
c
α
a
b
c
=
=
.
sin(α)
sin(β)
sin(γ)
β
A
B
Hc
Frage: Welchen Wert hat
terpretation.
a
sin(α)
am allgemeinen Dreieck? Wir suchen eine geometrische InSei o.B.d.A. α < π2 . Dann können
wir nach dem Peripheriewinkelsatz
A auf dem Umkreis des Dreiecks
ABC verschieben, ohne α (und a)
zu ändern. Wählen wir A′ so, dass
|∠ BCA| = π2 ein rechter Winkel ist.
Dann gilt mit der Umkehrung vom
Satz des Thales für den Umkreismittelpunkt M ∈ BA′ und somit
A
α
A′
α
M
B
a
= A′ B = 2 R ,
sin(α)
C
wobei R der Umkreisradius des
Dreiecks ist.
Es gilt also der erweiterte Sinussatz
a
b
c
=
=
= 2 R.
sin(α)
sin(β)
sin(γ)
2.2
Additionstheoreme I
Die Innenwinkel im Dreieck erfüllen α + β + γ = π. Damit ergeben sich auf elementare Weise
Additionstheoreme“ für Winkelfunktionen
”
sin(α + β) = sin(π − α − β) = sin(γ)
und entsprechend
cos(α + β) = − cos(γ)
unter der Nebenbedingung α + β < π. Um dies schöner zu gestalten, wenden wir den erweiterten Sinussatz an. Es gilt
2 R sin(γ) = c = |AHc | + |BHc | = b cos(α) + a cos(β) = 2 R (sin(β) cos(α) + sin(α) cos(β))
wobei Hc der entsprechende Höhenfußpunkt ist. Wir haben also
2
sin(α + β) = sin(α) cos(β) + sin(β) cos(α)
bewiesen.
Insbesondere ergibt sich die Doppelwinkelformel
sin(2 α) = 2 sin(α) cos(α).
Um entsprechende Beziehungen für den Cosinus zu bekommen, müssen wir entweder vergilt, oder eine bessere geometrische
stehen, warum das Additionstheorem für alle α, β ∈
Interpretation für den Cosinus finden. Wir werden letzteres tun. An der Stelle soll nur vorab
auf die Doppelwinkelformel für den Cosinus hingewiesen werden. Es gilt
R
cos(2 α) = cos2 (α) − sin2 (α) = 2 cos2 (α) − 1.
Ein Beweis erfolgt in Abschnitt 2.7.
2.3
Flächeninhalt
Auch der Flächeninhalt ist eine Invariante des Dreiecks. Wir wollen die unsymmetrischen“
”
Formel A = 21 a ha umformen. Es gilt A = 21 a ha = 12 a b sin(γ) und wegen dem erweiterten
Sinussatz a b = 4 R2 sin(α) sin(β). Somit ergibt sich
A = 2 R2 sin(α) sin(β) sin(γ) =
2.4
abc
.
4R
Zusammenhang zu Inkreisradius und Umfang
Der Inkreismittelpunkt ist der
Schnittpunkt der Winkelhalbierenden. Diese zerlegen wie in
der Skizze das Dreieck in drei
Teilflächen ABW , BCW und
CAW , die Höhen der Teildreiecke
sind jeweils die Radien des Inkreises. Damit ergibt sich eine einfache
Flächenformel
C
000000
111111
111111
000000
000000
111111
000000
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11111111111111111
000000
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000000
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00000000000000000
11111111111111111
000000
111111
00000000000000000
11111111111111111
000000
111111
00000000000000000
11111111111111111
000000
111111
00000000000000000
11111111111111111
000000
111111
00000000000000000
11111111111111111
000000
111111
00000000000000000
11111111111111111
000000
111111
00000000000000000
11111111111111111
000000
111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
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00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
00000000000000000
11111111111111111
0000000000
1111111111
r
r
W
r
A
B
A = p r,
in der p = 21 (a + b + c) der halbe Umfang des Dreiecks ist.
Mit dem Sinussatz
a = 2 R sin(α),
b = 2 R sin(β),
c = 2 R sin(γ)
folgt
p = R (sin(α) + sin(β) + sin(γ)),
was sich mit den Doppelwinkelformeln
α
α
sin(α) = 2 sin
cos
2
2
und
3
β
cos(α) = 2 cos
−1
2
2
über die Zwischenschritte
= R (sin(α) + sin(β) + sin(α + β))
= R (sin(α) + sin(β) + sin(α) cos(β) + sin(β) cos(α))
= R (sin(α (1 + cos(β) + sin(β (1 + cos(α))
α
α
β
β
2 α
2 β
+ sin
cos
cos
= 4 R sin
cos
cos
2
2
2
2
2
2
α
α
α
β
β
β
= 4 R cos
cos
sin
cos
+ sin
cos
2
2
2
2
2
2
α
γ α
β
α+β
β
= 4 R cos
cos
sin
= 4 R cos
cos
cos
2
2
2
2
2
2
umformen lässt in
α
γ β
cos
cos
2
2
α
sin
p = 4 R cos
2
und mit A = p r in
r = 4 R sin
2.5
2
γ β
sin
.
2
2
Cosinussatz
Etwas aus der Rolle fällt der Cosinussatz, er ist unsymmetrisch, soll aber trotzdem nicht
unerwähnt bleiben.
C
Es gilt mit dem Satz des Pythagoras
a2 = h2c + |Hc B|2
= b2 − |AHc |2 + |Hc B|2
a
b
hc
α
A
= b2 + (c − |AHc |)2 − |AHc |2
= b2 + c2 − 2c |AHc |
Hc
c
B
und damit der Cosinussatz
a2 = b2 + c2 − 2 b c cos(α).
Der Cosinussatz ist nichts wirklich Neues. Er ergibt sich wie so vieles aus dem Sinussatz, wie
folgende Übung zeigt (zeigen soll).
Übung 3 Man folgere den Cosinussatz aus dem Sinussatz und dem trigonometrischen Pythagoras (als Definition“ der Cosinus-Funktion).
”
2.6
Höhen und Höhenabschnitte
Die Höhen eines Dreiecks erfüllen
hc = b sin(α) = 2 R sin(α) sin(β).
4
Führt man die halbe Höhensumme als neue Hilfsgröße ein, so ergibt sich damit
q=
1
(ha + hb + hc ) = R (sin(α) sin(β) + sin(β) sin(γ) + sin(γ) sin(α)) .
2
Mit den Formeln aus Abschnitt 2.3 und 2.4 erhält man damit
A
= sin(α) sin(β) sin(γ),
2 R2
q
= sin(α) sin(β) + sin(β) sin(γ) + sin(γ) sin(α),
R
p
= sin(α) + sin(β) + sin(γ).
R
Ähnliche Beziehungen gelten auch für die Cosini der Winkel. Aufgabe 1 a) macht deutlich,
dass für die Höhenabschnitte die Beziehungen
|AH| = 2 R cos(α),
|BH| = 2 R cos(β),
|CH| = 2 R cos(γ),
und
|HHa | = 2 R cos(β) cos(γ),
|HHb | = 2 R cos(γ) cos(α),
|HHc | = 2 R cos(α) cos(β)
gelten.
Insbesondere ist das Produkt der Höhenabschnitte konstant,
|AH| |HHa | = |BH| |HHb | = |CH| |HHc | = 4 R2 cos(α) cos(β) cos(γ).
2.7
Additionstheoreme II
Wir gehen wieder vor wie in Abschnitt 2.2, ersetzen nur den erweiterten Sinussatz durch die
Formeln aus dem vorigen Abschnitt. Es gilt
2 R cos(γ) = |CH| = |CHc | − |HHc |
= b sin(α) − 2 R cos(α) cos(β)
= 2 R (sin(α) sin(β) − cos(α) cos(β))
und damit
cos(α + β) = cos(α) cos(β) − sin(α) sin(β),
vorausgesetzt, dass α + β < π ist.
Übung 4 Man komplettiere den Beweis durch jeweils eine Skizze für den Fall γ <
γ > π2 .
3
π
2
und
Aufgaben
Aufgabe 1 Man zeige in einem Dreieck ABC (mit den üblichen Bezeichnungen) die folgenden Beziehungen:
5
a)
|AH| = 2 R cos(α),
|HHa | = 2 R cos(β) cos(γ)
für den Höhenschnittpunkt H und den Höhenfußpunkt Ha ∈ BC.
b) Der Fußpunkt der Winkelhalbierenden AWa teilt die Seite BC im Verhältnis sin(γ) :
sin(β).
c)
R
sin(α) + sin(β) + sin(γ)
=2
sin(α) sin(β) sin(γ)
r
√
d) ( WURZEL, ι31)
R (cos(α) + cos(β) + cos(γ)) = R + r .
Aufgabe 2 (A411345,[3])
Man beweise, dass ein Dreieck genau dann rechtwinklig ist, wenn für seine Innenwinkel α, β
und γ
sin2 (α) + sin2 (β) + sin2 (γ)
=2
cos2 (α) + cos2 (β) + cos2 (γ)
gilt.
Aufgabe 3 In einem Dreieck ABC gelten stets die folgenden drei Ungleichungen
a)
sin
α
2
γ 1
β
· sin
· sin
≤
2
2
8
b)
α
1
≤ cos
· cos
2
2
γ 3 √
β
· cos
≤
3
2
2
4
c)
0 < sin(α) + sin(β) + sin(γ) ≤
3√
3
2
Aufgabe 4 (A171335, [1] A85)
Man beweise folgenden Satz:
Sind u den Umfang, R der Umkreis- und r der Inkreisradius des Dreiecks ABC, so gilt
1√ √
3 u r.
R>
3
Ist das Dreieck insbesondere rechtwinklig, so gilt sogar
1√ √
2 u r.
R≥
2
Aufgabe 5 Die durch die Fußpunkte der Dreieckstransversalen gebildeten Dreiecke werden
als Fußpunktdreiecke bezeichnet. Die Transversalen des Ausgangsdreicks sind dann wieder
(andere) Transversalen des Fußpunktdreiecks. So sind die Seitenhalbierenden eines Dreiecks
gleichzeitig Seitenhalbierende seines Mittendreiecks.
Man zeige: Die Höhen eines Dreiecks ABC bilden Winkelhalbierende seines Höhenfußpunktdreiecks Ha Hb Hc .
6
Aufgabe 6 Der Umkreis des Höhenfußpunktdreiecks hat den Radius
1
2
R.
Literatur
[1] Mathematischer Lesebogen Junge Mathematiker“, Heft 80
”
Bezirkskabinett für außerunterrichtliche Tätigkeit, Rat des Bezirkes Leipzig, 1987
[2] WURZEL, 5/97, http://www.wurzel.org
[3] http://www.mathematik-olympiaden.de
Comments
to do: convert pictures
Attribution Section
wirth (Dec 2004): Contributed to KoSemNet
graebe (2005-02-11): Prepared along the KoSemNet rules
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