Kinder psychisch kranker Eltern: Vom Risiko zur Resilienz

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5. Hessischer Psychotherapeutentag
Forum
„Kinder psychisch kranker Eltern“
Moderation: Dr. Renate Frank
• Prof. Fritz Mattejat: Kinder psychisch kranker Eltern. Vom Risiko
zur Resilienz
• Prof. Albert Lenz: Psychoedukation für Kinder psychisch kranker
Eltern
• Dr. Christiane Hornstein: Mutter-Kind-Interaktionstherapie bei
postpartalen psychischen Störungen.
1
Weiterführende Hinweise
• Mattejat, F. & B. Lisofksy:
Nicht von schlechten Eltern.
Psychiatrie Verlag, Bonn,
Neuausgabe 2008.
• http://www.kipsy.net
„Bundesverband der Angehörigen
psychisch Kranker“
• www.bag-kipe.de
„Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder
psychisch kranker Eltern“
2
3
4
Philipps-Universität Marburg
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Kinder psychisch kranker Eltern –
Vom Risiko zur Resilienz
Fritz Mattejat
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Philipps-Universität Marburg
Vortrag auf dem 5. Hessischen Psychotherapeutentag
19. September 2009
5
GLIEDERUNG
• Praktische Erfahrungen
• Risiken
• Resilienz
6
GLIEDERUNG
• Praktische Erfahrungen
• Risiken
• Resilienz
7
Ria Teil 1
• Geb. 1979; Mutter bei Geburt 18 Jahre. Wechselnde Wohnorte,
wechselnde Partnerschaften.
• Mutter: Borderline-Persönlichkeitsstörung.
• Im Alter von ca. 6 bis 10 Jahren: Kontinuierlich sexueller
Missbrauch; mehrere Verdächtige. Keine juristische Aufklärung.
• Die Grundschul-Klassenlehrerin schildert ein extrem auffälliges
und liebebedürftiges Kind; Empfehlung für das Gymnasium.
• Zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr extrem provozierendes
Verhalten gegenüber der Mutter; Entwenden von Geld, Alkoholund Drogenkonsum, heftige Auseinandersetzungen. Die Mutter
berichtet, sie habe Ria dabei auch „zusammengeschlagen“.
• Ab 12 Jahren: Wechselnde sexuelle Kontakte, „wobei sie sich
prostituierte“.
8
Ria Teil 2
• Im Alter von 13 hat sich Ria von sich aus bei Jugendamt
gemeldet „weil sie ein normales Leben führen wollte“.
• Heimaufnahme mit 13; immer wieder in kurzen Abständen
stationäre Aufenthalte in der zuständigen kinderpsychiatrischen
Klinik, zunehmende Verschlechterung. Mehrere Suicidversuche.
• Verlegung nach Giessen. Seit 1997 (mit 17 Jahren) in einer
Rehabilitationseinrichtung für psychotische Jugendliche, da
• Ab 1997: Mehrere Stationäre Behandlungen in der
Universtiätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marburg.
Trotz hoher neuroleptische Medikation keine durchgreifende
Verbesserung.
• Arztbrief vom Mai 1998: Paranoid-halluzinatorische
Schizophrenie (F 20.0). Stimmenhören und paranoide Ängste
mit Schlafstörungen nie vollkommen abgeklungen. Stupuröse
Zustände. Imperative Stimmen, sich zu suicidieren,
Suicidversuche. Immer wieder Bericht von den
Missbrauchserfahrungen mit Halluzinationen.
9
Häufigkeit der wichtigsten psychiatrisch relevanten Erkrankungen bei den
Eltern von Patienten einer vollständigen stationären kinderpsychiatrischen
Inanspruchnahmepopulation Marburg 1998-2002 (Mattejat & Remschmidt, 2008)
Diagnosen der Eltern
Vätern
n=978
Mütter
n=1035
Eltern
n=1083
Schizophrenien
11
1,1%
21
2,0%
31
2,9%
Affektive Störungen
(Depression/Manie)
46
4,7%
92
8,9%
129
11,9%
Neurotische und
somatoforme Störung
43
4,4%
109
10,5%
141
13,0%
Hyperkinetisches Syndrom
11
1,1%
10
1,0%
18
1,7%
Legasthenie
9
0,9%
15
1,4%
23
2,1%
Suicidale Handlungen
18
1,8%
23
2,2%
39
3,6%
Alkoholismus,
Drogenmissbrauch
186
19,0%
72
7,0%
224
20,7%
Kriminalität
39
4,0%
7
0,7%
43
4,0%
Summe: Irgendeine
psychiatrisch relevante Störung
332
33,9%
334
32,3%
523
48,3%
10
Genaue Analyse von ambulanten kindertherapeutischen
Fällen: Ausbildungstherapien 2007-2008
Staatliche Prüfung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
Schwerpunkt Verhaltenstherapie; Sept. 2008
•
•
•
•
•
•
•
42 Fälle; ambulante Therapien; meist leichter bis mittlerer Schweregrad.
Hohes Engagement, gute Supervision; erfolgreicher Therapieverlauf. Sehr
gut dokumentiert. [Also: Keine „desolaten“ Fälle, eher positive Auswahl.]
12 Fällen (= 29%) lag bei den Eltern eine Achse-V-dokumentierte
psychische Störung vor (1 Organisches Psychosyndrom; 2 „major“
Depressionen; 1 Alkoholkrankheit), mit stationären psychiatrischen
Aufenthalten.
In 6 (14%) Fällen hatten die leiblichen Eltern, zu denen kein Kontakt mehr
bestand, schwere psychische Störungen (Drogenabusus, BorderlineStörung)
In 21 (50%) Fällen lagen bei den Eltern leichtere psychische Störungen oder
Auffälligkeiten vor.
Zusammen genommen: In 39 Fällen (93%) waren die Eltern psychisch
belastet.
In drei (7%) Fällen hatten die Eltern keine psychischen Auffälligkeiten oder
Störungen.
In keiner Therapie stand die Arbeit mit den Eltern im Vordergrund11
(Meist Relation 4:1).
Genaue Analyse von kindertherapeutischen Fällen
Leichte psychische Störungen / Auffälligkeiten bei Eltern von
ambulanten Psychotherapie-Patienten
Patient
Eltern
16jähriger Junge mit spez.
Phobie Prüfungsangst
(F40.2)
KM berichtet ausgeprägte Spinnenphobie und
noch immer aktuelle psychische Belastung
durch Familiengeschichte: GVmts habe sich
durch Erhängen suicidiert. Bruder der KM hat
mehrere Suicidversuche hinter sich.
14jähriger Junge mit
Zwangsstörung (F42.2):
Angst, die Mutter müsse
überhöhte Stromrechnungen bezahlen;
Angst vor Einbrechern.
Eltern stammen aus Indien. KV vor 4 Jahren
plötzlich an Herzinfarkt verstroben. Finanziell
sehr angespannte Situation. KM hat sehr
schlechte Deutschkenntnisse; erlebt nach
eigenen Angben die Außenwelt als bedrohlich
und vermittle dies auch den Söhnen.
6jähriges Mädchen mit
somatoformer Schmerzstörung (Gehhilfen und
Rollstuhl) innerhalb von ½
Jahr durch Psychotherapie
komplett mobilisiert.
KM im Kinderheim in der ehemal. DDR
aufgewachsen (Depr.?). Ihr Grundsatz:
„Augen zu und durch“. Seit der Geburt der
Tochter mit Erkrankungen des Kindes
beschäftigt (viele Behandlungsmaßnahmen;
12
Frage: Münchhausen by proxy-Syndrom?)
GLIEDERUNG
• Praktische Erfahrungen
• Risiken
• Resilienz
13
Gen-Umwelt-Interaktion:
Häufigkeit von psychotischen Erkrankungen bei adoptierten Kindern
in Abhängigkeit von genetischen und Umweltfaktoren
Psychische Erkrankung
der leiblichen Mutter:
Erziehungsmilieu in der
Adoptivfamilie:
Gesund
Schizphrene
Erkrankung
konfliktarm
0%
4,8 %
konfliktreich
1,5%
13,0%
nach Tienari et al., 2002; s.a. Perrez/Baumann, 2005, S. 821
14
Depression: Interaktion zwischen
genetischen und Umweltfaktoren
(aus Caspi et al., 2003)
.50
.40
.30
.20
.10
Gruppeneinteilung
nach den Allelen
des SerotoninTransporter-Gens:
s= kurzes Allel
l = langes Allel
15
Welche pschosozialen Belastungen treten bei
Kindern psychisch kranker Eltern gehäuft auf?
(1)
Besondere Belastungen im direkten Zusammenhang mit der
Erkrankung. Belastungen, die sich aus der Tabuisierung und
Sprachlosigkeit ergeben (Perspektive der betroffenen Kinder)
(2)
Krankheitsbedingte Beeinträchtigungen in der elterlichen
Fähigkeit für die Kinder zu sorgen, sie zu schützen und zu
erziehen (Mikroperspektive der Eltern-KindInteraktionsforschung)
(3)
Kumulierung von vielen anderen Risikofaktoren
(Maktorperspektive der epidemiologischen Forschung)
16
Berichte der Kinder von psychisch kranken Eltern:
Wie wird eine schwere psychische Erkrankung der Eltern erlebt
und verarbeitet?
•
Desorientierung und Angst: Sie können die Erkrankung nicht einordnen und
nicht verstehen.
•
Schuldgefühle: Sie glauben, dass sie schuld sind. „Mama ist
krank/durcheinander/traurig“ weil ich böse war.
•
Tabuisierung: Sie haben das (begründete) Gefühl, dass sie mit niemandem
darüber sprechen dürfen.
•
Isolierung: Sie wissen nicht, mit wem sie darüber sprechen können. Sie
fühlen sich alleine gelassen, sie ziehen sich zurück.
•
Parentifizierung: Sie haben das Gefühl, dass Verantwortung für ihre Eltern
übernehmen müssen und sind dadurch überfordert.
17
Rene Magritte 1898-1967
„Der Geist der Geometrie“
1936/37
Hinweise: Susanne SchlüterMüller: Bewältigungsstrategien
von Kindern psychisch kranker
Eltern am Beispiel des
surrealistischen Malers Rene
Magritte Nervenheilkunde, 6 /2008
S. 561-564.
18
Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Altersstufen
Entwicklungsperiode
Frühe Kindheit
(0-3)
PRIMÄRE
BINDUNG
Vorschlul- /
Grundschulzeit
SOZIALISATION
Entwicklungsaufgaben
des Kindes
Elterliche Aufgaben und
mögliche Störquellen
Aufbau der primären Bindung;
Einüben von elementaren
Regulationen (Schlafen,
Erregungsniveau; Essen;
Ausscheidung; Motorik)
Verfügbarkeit und Reaktivität:
Trennungserlebnisse; Wechsel der
Bezugspersonen; gestörte ElternKind-Interaktion (elterliche Reaktivität/
Feinfühligkeit).
Einübung sozialer Regeln;
Entwicklung individueller
Durchsetzungsfähigkeit und
einer Leistungshaltung;
Erwerb von Kulturtechniken.
Unterstützung und Anleitung:
Probleme im elterlichen
Erziehungsverhalten: Defizite in der
Beaufsichtigung, im Setzen von
Grenzen oder in der positiven
Zuwendung; inkonsequentes
Verhalten; Unterforderung oder
Überforderung
(Schule, andere Kinder)
Jugendalter
IDENTITÄT /
AUTONOMIE
Identitätsfindung; Anpassung
an sexuelle Reifung;
Ablösung vom Elternhaus
(Selbständigkeit und
Partenrschaft)
Respekt und Partnerschaft:
Unangemessenes elterliches
Modellverhalten (eingeschränkte
Vorbildfunktion); autonomiehemmende Faktoren (symbiot. Verh.;
19
überzogene neg. Reakt.)
Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Altersstufen
Entwicklungsperiode
Frühe Kindheit
(0-3)
PRIMÄRE
BINDUNG
Vorschlul- /
Grundschulzeit
SOZIALISATION
Entwicklungsaufgaben
des Kindes
Elterliche Aufgaben und
mögliche Störquellen
Aufbau der primären Bindung;
Einüben von elementaren
Regulationen (Schlafen,
Erregungsniveau; Essen;
Ausscheidung; Motorik)
Verfügbarkeit und Reaktivität:
Trennungserlebnisse; Wechsel der
Bezugspersonen; gestörte ElternKind-Interaktion (elterliche Reaktivität/
Feinfühligkeit).
Einübung sozialer Regeln;
Entwicklung individueller
Durchsetzungsfähigkeit und
einer Leistungshaltung;
Erwerb von Kulturtechniken.
Unterstützung und Anleitung:
Defizite in der Beaufsichtigung, im
Setzen von Grenzen oder in der
positiven Zuwendung;
inkonsequentes Verhalten;
Unterforderung oder Überforderung
(Schule, andere Kinder)
Jugendalter
IDENTITÄT /
AUTONOMIE
Identitätsfindung; Anpassung
an sexuelle Reifung;
Ablösung vom Elternhaus
(Selbständigkeit und
Partenrschaft)
Respekt und Partnerschaft:
Unangemessenes elterliches
Modellverhalten (eingeschränkte
Vorbildfunktion); autonomiehemmende Faktoren (symbiot. Verh.;
überzogene neg. Reakt.)
20
Psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung psychischer
und psychosomatischer Erkrankungen
(Makroanalyse)
•
•
•
•
•
Niedriger sozioök. Status
Arbeitslosigkeit
Große Familie mit geringem
Wohnraum
Sexuelle und/oder aggressive
Misshandlung
Eheliche Disharmonie,
Scheidung, Trennung der Eltern
•
•
•
•
•
Vernachlässigung
Häufig wechselnde frühe
Beziehungen
Alleinerziehender Elternteil
Verlust der Mutter
Längere Trennung von den
Eltern in den ersten 7
Lebensjahren
21
Psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung psychischer
und psychosomatischer Erkrankungen
(Makroanalyse)
•
•
•
•
•
Niedriger sozioök. Status
Arbeitslosigkeit
Große Familie mit geringem
Wohnraum
Sexuelle und/oder aggressive
Misshandlung
Eheliche Disharmonie,
Scheidung, Trennung der Eltern
•
•
•
•
•
Vernachlässigung
Häufig wechselnde frühe
Beziehungen
Alleinerziehender Elternteil
Verlust der Mutter
Längere Trennung von den
Eltern in den ersten 7
Lebensjahren
alle diese Risikofaktoren kommen gehäuft vor in Familien mit
einem psychisch kranken Elternteil
Elterliche psychische Erkrankung = zentrales Kernmerkmal22
KJP-Qualitätsprojekt 2002-2004
„Arbeitsstichprobe“ (n=727 bzw. n=696):
Kumulierung von Risiken
Keine
psych.
Störung
584
(80,3%)
Psych.
Störung
g
112
(15,4%)
0,71
3,48
Monatliches Nettoeinkommen
2140 €
1946 €
Kein Schulabschluss
1,2 %
5,4 %
Unterschicht (Arbeiterschicht) [Selbstzuordnung]
21,4 %
32,1 %
Abnorme intrafamiliäre Beziehungen
8,6 %
52,7%
Störungen der Kommunikation
13,5 %
58,9%
Anzahl psychosozialer Belastungen
23
GLIEDERUNG
• Praktische Erfahrungen
• Risiken
• Resilienz
24
Rene Magritte 1898-1967
«La trahison des images »
wörtlich „Der Verrat der Bilder“
Bild – Bezeichnung - Repräsentation
25
26
27
Erich Kästner 1899-1974
Dass wir wieder werden wie
Kinder, ist eine unerfüllbare
Forderung. Aber wir können zu
verhüten versuchen, dass die
Kinder so werden wie wir.
Das Titelbild von
Emil und die
Detektive auf einer
deutschen
Briefmarke aus
dem Jahr 1999
28
Die Kauai-Studie
• Emmy Werner, geb. 1929.
• Ansatzpunkt: Kauai-Studie (Beginn 1955).
Alle 698 auf der hawaiianischen Insel Kauai
geborene Kinder wurden 32 Jahre lang „verfolgt“.
Dabei wurden ganz unterschiedliche Risiken
erfasst (z.B. perinatale Komplikationen;
risikoreiche Umweltbedingungen wie z.B.
Armut oder psychische Erkrankung eines Elternteils).
• 1/3 der 200 Kinder, die unter risikoreichen Bedingungen
aufwuchsen, wuchsen trotz aller Widrigkeiten zu selbständigen
und erfolgreichen jungen Erwachsenen heran.
• Resiliente Kinder: Es ist diesen Kindern gelungen eine
Widerstandskraft gegenüber risikoreichen Lebensbedingungen
zu entwickeln.
29
Resiliente Kinder sind im Vergleich zu nicht-resilienten
Kindern
•
•
•
•
•
•
•
eher in der Lage aus negativen Affekten und Stimmungslagen
herauszufinden,
sie sprechen eher über ihre Gefühle,
sie sind vertrauensvoller und weniger aggressiv,
sie sind einfühlsamer,
sie reagieren positiv auf Aufmerksamkeit, sie sind „leichter zu lenken“,
orientieren sich an Erwachsenen,
sie sind interessiert an Menschen, Sachen und Ideen und lernen gerne,
und sie können Impulse besser kontrollieren, sind zu
Belohnungsaufschub in der Lage.
Im Gegensatz zu einem häufigen Vorurteil sind resiliente Kinder keine
„harten Typen“, sie sind nicht „tough“ und nicht „macho“. Mädchen
sind häufiger resilient als Jungen. Resiliente Jungen „sind eher
untypisch“ (z.B. wenig aggressiv und eher auf andere bezogen).
30
Schutzfaktoren
(Bengel et al., 2009)
• Personale Schutzfaktoren
• Familiäre Schutzfaktoren
• Soziale Schutzfaktoren
31
Personale Schutzfaktoren
• Temperamentsmerkmal: „EInfaches Temperament“ bzw.
„resilienter Temperamentstypus“.
• Weibliches Geschlecht (Im Kindesalter)
• Positive Wahrnehmung der eigenen Person
• Positive Lebenseinstellung und Religiosität
• Intelligenz, Kognitive Fähigkeiten, schulische Leistung
• Internale Kontrollüberzeugung und
Selbstwirksamkeitserwartung
• Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Selbstregulation
• Verfügbarkeit von aktiven Bewältigungsstrategien
• Realistische Selbsteinschätzung und Zielorientierung
• Besondere Begabungen und Kreativität
• Soziale Kompetenz
32
Familiäre Schutzfaktoren
• Strukturelle Familienmerkmale: Stabilität in der
Familienzusammensetzung; hinreichendes Einkommen /
sozioökonomischer Status; klar geregelte Tagesstruktur (Regeln
und Rituale).
• Merkmale der Eltern-Kind-Beziehung: Sichere Bindung und
positive Beziehung zu mindestens einem Elternteil
• Autoritative Erziehung mit positiven Erziehungsmethoden
• Positives Familienklima und familiäre Kohäsion
• Positive Geschwisterbeziehung
• Elterliche Merkmale:
– Bildungsorientierung und Bildungsniveau;
– Qualität der elterlichen Beziehung;
– psychische Stabilität der Eltern
33
Soziale Schutzfaktoren
• Soziale Unterstützung, insbes. wahrgenommene soziale
Unterstützung: Inner- und außerrfamiliär; informell und
institutionell; emotional, instrumentell, informationell.
• Erwachsene als Rollenmodelle und gute Beziehung zu einem
Erwachsenen außerhalb der Familie.
• Kontakte zu Gleichaltrigen (Freundschaftsbeziehungen,
Akzeptanz und Anerkennung durch Gleichaltrige).
• Qualität der Bildungseinrichtung (u.a. Verbundenheit mit der
Schule; positive Beziehung zur Lehrerin / zum Lehrer)
34
RKI: Bella-Studie
(Wille et al, 2009)
• Gesamtstichprobe 2.863 Familien
• Interviews und Fragebögen mit den Eltern (2.789
Elterninterviews)
• Fragebögen mit den Kindern und Jugendlichen zwischen 11 und
17 Jahren (1.903 Kinder und Jugendliche ab 11 Jahren).
35
Bella-Studie: Die erfassten Risikofaktoren
(Auswahl)
• Armut
• Familien- oder Partnerschaftskonflikte
• Psychische Störung bzw. psychiatrische Symptome bei den
Eltern
• Alleinerziehende Eltern oder Stiefeltern
• Unerwünschte Schwangerschaft
36
Bella-Studie: Die erfassten Schutzfaktoren
• Personale Ressourcen: Selbstwirksamkeit, Selbstkonzept,
Optimismus
• Familiäre Ressourcen: Familienklima; elterliche Unterstützung.
• Soziale Ressourcen: Soziale Unterstützung durch Andere;
Kontakt zu Gleichaltrigen.
37
Die fünf Risikofaktoren
mit den stärksten Auswirkungen auf die
psychische Gesundheit der Kinder / Jugendlichen
Faktor
Häufigkeit
Auswirkung
Odds Ratio
Bedeutsame Konflikte in der Familie
5,9%
4,9
Bedeutsame subjektive elterliche
Stressbelastung (z.B. Haushalt, Alleinerz.,
Arbeitstress, finanz. Belastungen)
9,9%
4,7
Geringe psychologische Lebensqualität
(psychisches Wohlbefinden) der Eltern
10,0%
4,2
Psychiatrische Symptome bei den Eltern
10,1%
4,0
Geringe körperliche Lebensqualität (z.B.
Schmerzen) der Eltern
10,0%
2,9
38
Bella (Wille, 2009)
Prozentsatz der Kinder mit psychischen Problemen
Kumulationseffekte:
Psychische Störungen und psychische Auffälligkeiten
bei Kindern und Jugendlichen
in Abhängigkeit von der Anzahl der Risikofaktoren (Bella, 2009)
Psych. Auffäll.
Psych. Stör.
Anzahl der Risikofaktoren
39
Prozentsatz der Kinder mit psychischen Problemen
Positiver Kumulationseffekt auch bei den
Schutzfaktoren/Ressourcen (Bella, 2009)
Psych. Auffäll.
Psych. Stör.
Anzahl der Ressourcen
40
Interaktionseffekte zwischen Risikofaktoren und
Schutzfaktoren/Ressourcen (Bella-Studie, 2009)
-
?
?
+
?
+
-
?
?
+
+
+
- keine/geringe Ressourcen
? mäige Ressourcen
+ viele/gute Ressourcen
41
Ria Teil 3
• Diagnostische Einschätzung im Jahr 1999 abgeändert in
„Posttraumatische Belastungsstörung“.
• Intensive Psychotherapie in stationärer Rehabilitationseinrichtung. Gute schulische Integration. Abitur. Klassensprecherin. Abituransprache.
• Im Jahr 2001 (mit 22 Jahren) aus der Rehabilitationseinrichtung
entlassen.
• Ab 2002: Studium der Kulturwissenschaften; Besuch einer
renommierten Journalistenschule; sehr guter Abschluss.
• Seit 2006: Erfolgreiche Tätigkeit als freie Journalistin.
• Seit 2009: Festangestellte Redaktionstätigkeit im Fernsehen;
weiterhin freie Journalistin.
• Psychisch seit mehreren Jahren stabil; sehr gute Integration in
Freundes- und Bekanntenkreis.
42
Ria 4
43
Noch einmal: Resiliente Kinder sind im Vergleich zu nichtresilienten Kindern
•
•
•
•
•
•
•
eher in der Lage aus negativen Affekten und Stimmungslagen
herauszufinden,
sie sprechen eher über ihre Gefühle,
sie sind vertrauensvoller und weniger aggressiv,
sie sind einfühlsamer,
sie reagieren positiv auf Aufmerksamkeit, sie sind „leichter zu lenken“,
orientieren sich an Erwachsenen,
sie sind interessiert an Menschen, Sachen und Ideen und lernen gerne,
und sie können Impulse besser kontrollieren, sind zu
Belohnungsaufschub in der Lage.
Im Gegensatz zu einem häufigen Vorurteil sind resiliente Kinder keine
„harten Typen“, sie sind nicht „tough“ und nicht „macho“. Mädchen
sind häufiger resilient als Jungen. Resiliente Jungen „sind eher
untypisch“ (z.B. wenig aggressiv und eher auf andere bezogen).
44
Was zählt für die Kinder
von psychisch kranken Eltern?
Was ist entscheidend?
• Die Fähigkeit und Möglichkeit über belastende/problematische
und über freudige Dinge sprechen zu können. Die Anerkennung
der Wirklichkeit in der Familie und im sozialen Netz. Die
Validierung der eigenen Erfahrung.
• Die Chance sich selbst als stark und fähig zu erfahren, etwas
zu können sich für etwas interessieren, engagieren und
begeistern zu können; sich selbst intensiv und positiv zu
erleben.
• Das Gefühl erwünscht zu sein, von anderen gemocht,
akzeptiert, anerkannt, geliebt zu werden. Das Gefühl, sich auf
andere stützen zu können.
45
Keiner schafft es von ganz alleine:
Ziele präventiver Arbeit
mit den Kindern und ihren Familien
• Altersangemessene Aufklärung des Kindes über Erkrankung
und ihre Implikationen/ Offenes Gespräch mit dem Kind über
Erkrankung und damit verbundene Erlebnisse des Kindes
• Aktiver und verantwortungsbewußter Umgang der Eltern mit
ihrer Erkrankung; Nutzung aller wirksamen therapeutischen
Optionen.
• Kompensation von möglichen negativen Folgewirkungen der
Erkrankung (Beispiel: Mutter-Kind-Interaktionstherapie;
Ersatzfunktion von Partnern/Paten).
• Verhinderung der Risiko-Kumulierung: Reduktion oder
Kompensation von zusätzlichen psychosozialen Risiken
(Beispiel: Alleinerz. Eltern; Ehekonflikte; Armut; allgemeine
Überforderung)
46
Vielen Dank für die
Aufmerksamkeit
47
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