5. Hessischer Psychotherapeutentag Forum „Kinder psychisch kranker Eltern“ Moderation: Dr. Renate Frank • Prof. Fritz Mattejat: Kinder psychisch kranker Eltern. Vom Risiko zur Resilienz • Prof. Albert Lenz: Psychoedukation für Kinder psychisch kranker Eltern • Dr. Christiane Hornstein: Mutter-Kind-Interaktionstherapie bei postpartalen psychischen Störungen. 1 Weiterführende Hinweise • Mattejat, F. & B. Lisofksy: Nicht von schlechten Eltern. Psychiatrie Verlag, Bonn, Neuausgabe 2008. • http://www.kipsy.net „Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker“ • www.bag-kipe.de „Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch kranker Eltern“ 2 3 4 Philipps-Universität Marburg Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Kinder psychisch kranker Eltern – Vom Risiko zur Resilienz Fritz Mattejat Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Philipps-Universität Marburg Vortrag auf dem 5. Hessischen Psychotherapeutentag 19. September 2009 5 GLIEDERUNG • Praktische Erfahrungen • Risiken • Resilienz 6 GLIEDERUNG • Praktische Erfahrungen • Risiken • Resilienz 7 Ria Teil 1 • Geb. 1979; Mutter bei Geburt 18 Jahre. Wechselnde Wohnorte, wechselnde Partnerschaften. • Mutter: Borderline-Persönlichkeitsstörung. • Im Alter von ca. 6 bis 10 Jahren: Kontinuierlich sexueller Missbrauch; mehrere Verdächtige. Keine juristische Aufklärung. • Die Grundschul-Klassenlehrerin schildert ein extrem auffälliges und liebebedürftiges Kind; Empfehlung für das Gymnasium. • Zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr extrem provozierendes Verhalten gegenüber der Mutter; Entwenden von Geld, Alkoholund Drogenkonsum, heftige Auseinandersetzungen. Die Mutter berichtet, sie habe Ria dabei auch „zusammengeschlagen“. • Ab 12 Jahren: Wechselnde sexuelle Kontakte, „wobei sie sich prostituierte“. 8 Ria Teil 2 • Im Alter von 13 hat sich Ria von sich aus bei Jugendamt gemeldet „weil sie ein normales Leben führen wollte“. • Heimaufnahme mit 13; immer wieder in kurzen Abständen stationäre Aufenthalte in der zuständigen kinderpsychiatrischen Klinik, zunehmende Verschlechterung. Mehrere Suicidversuche. • Verlegung nach Giessen. Seit 1997 (mit 17 Jahren) in einer Rehabilitationseinrichtung für psychotische Jugendliche, da • Ab 1997: Mehrere Stationäre Behandlungen in der Universtiätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marburg. Trotz hoher neuroleptische Medikation keine durchgreifende Verbesserung. • Arztbrief vom Mai 1998: Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie (F 20.0). Stimmenhören und paranoide Ängste mit Schlafstörungen nie vollkommen abgeklungen. Stupuröse Zustände. Imperative Stimmen, sich zu suicidieren, Suicidversuche. Immer wieder Bericht von den Missbrauchserfahrungen mit Halluzinationen. 9 Häufigkeit der wichtigsten psychiatrisch relevanten Erkrankungen bei den Eltern von Patienten einer vollständigen stationären kinderpsychiatrischen Inanspruchnahmepopulation Marburg 1998-2002 (Mattejat & Remschmidt, 2008) Diagnosen der Eltern Vätern n=978 Mütter n=1035 Eltern n=1083 Schizophrenien 11 1,1% 21 2,0% 31 2,9% Affektive Störungen (Depression/Manie) 46 4,7% 92 8,9% 129 11,9% Neurotische und somatoforme Störung 43 4,4% 109 10,5% 141 13,0% Hyperkinetisches Syndrom 11 1,1% 10 1,0% 18 1,7% Legasthenie 9 0,9% 15 1,4% 23 2,1% Suicidale Handlungen 18 1,8% 23 2,2% 39 3,6% Alkoholismus, Drogenmissbrauch 186 19,0% 72 7,0% 224 20,7% Kriminalität 39 4,0% 7 0,7% 43 4,0% Summe: Irgendeine psychiatrisch relevante Störung 332 33,9% 334 32,3% 523 48,3% 10 Genaue Analyse von ambulanten kindertherapeutischen Fällen: Ausbildungstherapien 2007-2008 Staatliche Prüfung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Schwerpunkt Verhaltenstherapie; Sept. 2008 • • • • • • • 42 Fälle; ambulante Therapien; meist leichter bis mittlerer Schweregrad. Hohes Engagement, gute Supervision; erfolgreicher Therapieverlauf. Sehr gut dokumentiert. [Also: Keine „desolaten“ Fälle, eher positive Auswahl.] 12 Fällen (= 29%) lag bei den Eltern eine Achse-V-dokumentierte psychische Störung vor (1 Organisches Psychosyndrom; 2 „major“ Depressionen; 1 Alkoholkrankheit), mit stationären psychiatrischen Aufenthalten. In 6 (14%) Fällen hatten die leiblichen Eltern, zu denen kein Kontakt mehr bestand, schwere psychische Störungen (Drogenabusus, BorderlineStörung) In 21 (50%) Fällen lagen bei den Eltern leichtere psychische Störungen oder Auffälligkeiten vor. Zusammen genommen: In 39 Fällen (93%) waren die Eltern psychisch belastet. In drei (7%) Fällen hatten die Eltern keine psychischen Auffälligkeiten oder Störungen. In keiner Therapie stand die Arbeit mit den Eltern im Vordergrund11 (Meist Relation 4:1). Genaue Analyse von kindertherapeutischen Fällen Leichte psychische Störungen / Auffälligkeiten bei Eltern von ambulanten Psychotherapie-Patienten Patient Eltern 16jähriger Junge mit spez. Phobie Prüfungsangst (F40.2) KM berichtet ausgeprägte Spinnenphobie und noch immer aktuelle psychische Belastung durch Familiengeschichte: GVmts habe sich durch Erhängen suicidiert. Bruder der KM hat mehrere Suicidversuche hinter sich. 14jähriger Junge mit Zwangsstörung (F42.2): Angst, die Mutter müsse überhöhte Stromrechnungen bezahlen; Angst vor Einbrechern. Eltern stammen aus Indien. KV vor 4 Jahren plötzlich an Herzinfarkt verstroben. Finanziell sehr angespannte Situation. KM hat sehr schlechte Deutschkenntnisse; erlebt nach eigenen Angben die Außenwelt als bedrohlich und vermittle dies auch den Söhnen. 6jähriges Mädchen mit somatoformer Schmerzstörung (Gehhilfen und Rollstuhl) innerhalb von ½ Jahr durch Psychotherapie komplett mobilisiert. KM im Kinderheim in der ehemal. DDR aufgewachsen (Depr.?). Ihr Grundsatz: „Augen zu und durch“. Seit der Geburt der Tochter mit Erkrankungen des Kindes beschäftigt (viele Behandlungsmaßnahmen; 12 Frage: Münchhausen by proxy-Syndrom?) GLIEDERUNG • Praktische Erfahrungen • Risiken • Resilienz 13 Gen-Umwelt-Interaktion: Häufigkeit von psychotischen Erkrankungen bei adoptierten Kindern in Abhängigkeit von genetischen und Umweltfaktoren Psychische Erkrankung der leiblichen Mutter: Erziehungsmilieu in der Adoptivfamilie: Gesund Schizphrene Erkrankung konfliktarm 0% 4,8 % konfliktreich 1,5% 13,0% nach Tienari et al., 2002; s.a. Perrez/Baumann, 2005, S. 821 14 Depression: Interaktion zwischen genetischen und Umweltfaktoren (aus Caspi et al., 2003) .50 .40 .30 .20 .10 Gruppeneinteilung nach den Allelen des SerotoninTransporter-Gens: s= kurzes Allel l = langes Allel 15 Welche pschosozialen Belastungen treten bei Kindern psychisch kranker Eltern gehäuft auf? (1) Besondere Belastungen im direkten Zusammenhang mit der Erkrankung. Belastungen, die sich aus der Tabuisierung und Sprachlosigkeit ergeben (Perspektive der betroffenen Kinder) (2) Krankheitsbedingte Beeinträchtigungen in der elterlichen Fähigkeit für die Kinder zu sorgen, sie zu schützen und zu erziehen (Mikroperspektive der Eltern-KindInteraktionsforschung) (3) Kumulierung von vielen anderen Risikofaktoren (Maktorperspektive der epidemiologischen Forschung) 16 Berichte der Kinder von psychisch kranken Eltern: Wie wird eine schwere psychische Erkrankung der Eltern erlebt und verarbeitet? • Desorientierung und Angst: Sie können die Erkrankung nicht einordnen und nicht verstehen. • Schuldgefühle: Sie glauben, dass sie schuld sind. „Mama ist krank/durcheinander/traurig“ weil ich böse war. • Tabuisierung: Sie haben das (begründete) Gefühl, dass sie mit niemandem darüber sprechen dürfen. • Isolierung: Sie wissen nicht, mit wem sie darüber sprechen können. Sie fühlen sich alleine gelassen, sie ziehen sich zurück. • Parentifizierung: Sie haben das Gefühl, dass Verantwortung für ihre Eltern übernehmen müssen und sind dadurch überfordert. 17 Rene Magritte 1898-1967 „Der Geist der Geometrie“ 1936/37 Hinweise: Susanne SchlüterMüller: Bewältigungsstrategien von Kindern psychisch kranker Eltern am Beispiel des surrealistischen Malers Rene Magritte Nervenheilkunde, 6 /2008 S. 561-564. 18 Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Altersstufen Entwicklungsperiode Frühe Kindheit (0-3) PRIMÄRE BINDUNG Vorschlul- / Grundschulzeit SOZIALISATION Entwicklungsaufgaben des Kindes Elterliche Aufgaben und mögliche Störquellen Aufbau der primären Bindung; Einüben von elementaren Regulationen (Schlafen, Erregungsniveau; Essen; Ausscheidung; Motorik) Verfügbarkeit und Reaktivität: Trennungserlebnisse; Wechsel der Bezugspersonen; gestörte ElternKind-Interaktion (elterliche Reaktivität/ Feinfühligkeit). Einübung sozialer Regeln; Entwicklung individueller Durchsetzungsfähigkeit und einer Leistungshaltung; Erwerb von Kulturtechniken. Unterstützung und Anleitung: Probleme im elterlichen Erziehungsverhalten: Defizite in der Beaufsichtigung, im Setzen von Grenzen oder in der positiven Zuwendung; inkonsequentes Verhalten; Unterforderung oder Überforderung (Schule, andere Kinder) Jugendalter IDENTITÄT / AUTONOMIE Identitätsfindung; Anpassung an sexuelle Reifung; Ablösung vom Elternhaus (Selbständigkeit und Partenrschaft) Respekt und Partnerschaft: Unangemessenes elterliches Modellverhalten (eingeschränkte Vorbildfunktion); autonomiehemmende Faktoren (symbiot. Verh.; 19 überzogene neg. Reakt.) Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Altersstufen Entwicklungsperiode Frühe Kindheit (0-3) PRIMÄRE BINDUNG Vorschlul- / Grundschulzeit SOZIALISATION Entwicklungsaufgaben des Kindes Elterliche Aufgaben und mögliche Störquellen Aufbau der primären Bindung; Einüben von elementaren Regulationen (Schlafen, Erregungsniveau; Essen; Ausscheidung; Motorik) Verfügbarkeit und Reaktivität: Trennungserlebnisse; Wechsel der Bezugspersonen; gestörte ElternKind-Interaktion (elterliche Reaktivität/ Feinfühligkeit). Einübung sozialer Regeln; Entwicklung individueller Durchsetzungsfähigkeit und einer Leistungshaltung; Erwerb von Kulturtechniken. Unterstützung und Anleitung: Defizite in der Beaufsichtigung, im Setzen von Grenzen oder in der positiven Zuwendung; inkonsequentes Verhalten; Unterforderung oder Überforderung (Schule, andere Kinder) Jugendalter IDENTITÄT / AUTONOMIE Identitätsfindung; Anpassung an sexuelle Reifung; Ablösung vom Elternhaus (Selbständigkeit und Partenrschaft) Respekt und Partnerschaft: Unangemessenes elterliches Modellverhalten (eingeschränkte Vorbildfunktion); autonomiehemmende Faktoren (symbiot. Verh.; überzogene neg. Reakt.) 20 Psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen (Makroanalyse) • • • • • Niedriger sozioök. Status Arbeitslosigkeit Große Familie mit geringem Wohnraum Sexuelle und/oder aggressive Misshandlung Eheliche Disharmonie, Scheidung, Trennung der Eltern • • • • • Vernachlässigung Häufig wechselnde frühe Beziehungen Alleinerziehender Elternteil Verlust der Mutter Längere Trennung von den Eltern in den ersten 7 Lebensjahren 21 Psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen (Makroanalyse) • • • • • Niedriger sozioök. Status Arbeitslosigkeit Große Familie mit geringem Wohnraum Sexuelle und/oder aggressive Misshandlung Eheliche Disharmonie, Scheidung, Trennung der Eltern • • • • • Vernachlässigung Häufig wechselnde frühe Beziehungen Alleinerziehender Elternteil Verlust der Mutter Längere Trennung von den Eltern in den ersten 7 Lebensjahren alle diese Risikofaktoren kommen gehäuft vor in Familien mit einem psychisch kranken Elternteil Elterliche psychische Erkrankung = zentrales Kernmerkmal22 KJP-Qualitätsprojekt 2002-2004 „Arbeitsstichprobe“ (n=727 bzw. n=696): Kumulierung von Risiken Keine psych. Störung 584 (80,3%) Psych. Störung g 112 (15,4%) 0,71 3,48 Monatliches Nettoeinkommen 2140 € 1946 € Kein Schulabschluss 1,2 % 5,4 % Unterschicht (Arbeiterschicht) [Selbstzuordnung] 21,4 % 32,1 % Abnorme intrafamiliäre Beziehungen 8,6 % 52,7% Störungen der Kommunikation 13,5 % 58,9% Anzahl psychosozialer Belastungen 23 GLIEDERUNG • Praktische Erfahrungen • Risiken • Resilienz 24 Rene Magritte 1898-1967 «La trahison des images » wörtlich „Der Verrat der Bilder“ Bild – Bezeichnung - Repräsentation 25 26 27 Erich Kästner 1899-1974 Dass wir wieder werden wie Kinder, ist eine unerfüllbare Forderung. Aber wir können zu verhüten versuchen, dass die Kinder so werden wie wir. Das Titelbild von Emil und die Detektive auf einer deutschen Briefmarke aus dem Jahr 1999 28 Die Kauai-Studie • Emmy Werner, geb. 1929. • Ansatzpunkt: Kauai-Studie (Beginn 1955). Alle 698 auf der hawaiianischen Insel Kauai geborene Kinder wurden 32 Jahre lang „verfolgt“. Dabei wurden ganz unterschiedliche Risiken erfasst (z.B. perinatale Komplikationen; risikoreiche Umweltbedingungen wie z.B. Armut oder psychische Erkrankung eines Elternteils). • 1/3 der 200 Kinder, die unter risikoreichen Bedingungen aufwuchsen, wuchsen trotz aller Widrigkeiten zu selbständigen und erfolgreichen jungen Erwachsenen heran. • Resiliente Kinder: Es ist diesen Kindern gelungen eine Widerstandskraft gegenüber risikoreichen Lebensbedingungen zu entwickeln. 29 Resiliente Kinder sind im Vergleich zu nicht-resilienten Kindern • • • • • • • eher in der Lage aus negativen Affekten und Stimmungslagen herauszufinden, sie sprechen eher über ihre Gefühle, sie sind vertrauensvoller und weniger aggressiv, sie sind einfühlsamer, sie reagieren positiv auf Aufmerksamkeit, sie sind „leichter zu lenken“, orientieren sich an Erwachsenen, sie sind interessiert an Menschen, Sachen und Ideen und lernen gerne, und sie können Impulse besser kontrollieren, sind zu Belohnungsaufschub in der Lage. Im Gegensatz zu einem häufigen Vorurteil sind resiliente Kinder keine „harten Typen“, sie sind nicht „tough“ und nicht „macho“. Mädchen sind häufiger resilient als Jungen. Resiliente Jungen „sind eher untypisch“ (z.B. wenig aggressiv und eher auf andere bezogen). 30 Schutzfaktoren (Bengel et al., 2009) • Personale Schutzfaktoren • Familiäre Schutzfaktoren • Soziale Schutzfaktoren 31 Personale Schutzfaktoren • Temperamentsmerkmal: „EInfaches Temperament“ bzw. „resilienter Temperamentstypus“. • Weibliches Geschlecht (Im Kindesalter) • Positive Wahrnehmung der eigenen Person • Positive Lebenseinstellung und Religiosität • Intelligenz, Kognitive Fähigkeiten, schulische Leistung • Internale Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeitserwartung • Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Selbstregulation • Verfügbarkeit von aktiven Bewältigungsstrategien • Realistische Selbsteinschätzung und Zielorientierung • Besondere Begabungen und Kreativität • Soziale Kompetenz 32 Familiäre Schutzfaktoren • Strukturelle Familienmerkmale: Stabilität in der Familienzusammensetzung; hinreichendes Einkommen / sozioökonomischer Status; klar geregelte Tagesstruktur (Regeln und Rituale). • Merkmale der Eltern-Kind-Beziehung: Sichere Bindung und positive Beziehung zu mindestens einem Elternteil • Autoritative Erziehung mit positiven Erziehungsmethoden • Positives Familienklima und familiäre Kohäsion • Positive Geschwisterbeziehung • Elterliche Merkmale: – Bildungsorientierung und Bildungsniveau; – Qualität der elterlichen Beziehung; – psychische Stabilität der Eltern 33 Soziale Schutzfaktoren • Soziale Unterstützung, insbes. wahrgenommene soziale Unterstützung: Inner- und außerrfamiliär; informell und institutionell; emotional, instrumentell, informationell. • Erwachsene als Rollenmodelle und gute Beziehung zu einem Erwachsenen außerhalb der Familie. • Kontakte zu Gleichaltrigen (Freundschaftsbeziehungen, Akzeptanz und Anerkennung durch Gleichaltrige). • Qualität der Bildungseinrichtung (u.a. Verbundenheit mit der Schule; positive Beziehung zur Lehrerin / zum Lehrer) 34 RKI: Bella-Studie (Wille et al, 2009) • Gesamtstichprobe 2.863 Familien • Interviews und Fragebögen mit den Eltern (2.789 Elterninterviews) • Fragebögen mit den Kindern und Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren (1.903 Kinder und Jugendliche ab 11 Jahren). 35 Bella-Studie: Die erfassten Risikofaktoren (Auswahl) • Armut • Familien- oder Partnerschaftskonflikte • Psychische Störung bzw. psychiatrische Symptome bei den Eltern • Alleinerziehende Eltern oder Stiefeltern • Unerwünschte Schwangerschaft 36 Bella-Studie: Die erfassten Schutzfaktoren • Personale Ressourcen: Selbstwirksamkeit, Selbstkonzept, Optimismus • Familiäre Ressourcen: Familienklima; elterliche Unterstützung. • Soziale Ressourcen: Soziale Unterstützung durch Andere; Kontakt zu Gleichaltrigen. 37 Die fünf Risikofaktoren mit den stärksten Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Kinder / Jugendlichen Faktor Häufigkeit Auswirkung Odds Ratio Bedeutsame Konflikte in der Familie 5,9% 4,9 Bedeutsame subjektive elterliche Stressbelastung (z.B. Haushalt, Alleinerz., Arbeitstress, finanz. Belastungen) 9,9% 4,7 Geringe psychologische Lebensqualität (psychisches Wohlbefinden) der Eltern 10,0% 4,2 Psychiatrische Symptome bei den Eltern 10,1% 4,0 Geringe körperliche Lebensqualität (z.B. Schmerzen) der Eltern 10,0% 2,9 38 Bella (Wille, 2009) Prozentsatz der Kinder mit psychischen Problemen Kumulationseffekte: Psychische Störungen und psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen in Abhängigkeit von der Anzahl der Risikofaktoren (Bella, 2009) Psych. Auffäll. Psych. Stör. Anzahl der Risikofaktoren 39 Prozentsatz der Kinder mit psychischen Problemen Positiver Kumulationseffekt auch bei den Schutzfaktoren/Ressourcen (Bella, 2009) Psych. Auffäll. Psych. Stör. Anzahl der Ressourcen 40 Interaktionseffekte zwischen Risikofaktoren und Schutzfaktoren/Ressourcen (Bella-Studie, 2009) - ? ? + ? + - ? ? + + + - keine/geringe Ressourcen ? mäige Ressourcen + viele/gute Ressourcen 41 Ria Teil 3 • Diagnostische Einschätzung im Jahr 1999 abgeändert in „Posttraumatische Belastungsstörung“. • Intensive Psychotherapie in stationärer Rehabilitationseinrichtung. Gute schulische Integration. Abitur. Klassensprecherin. Abituransprache. • Im Jahr 2001 (mit 22 Jahren) aus der Rehabilitationseinrichtung entlassen. • Ab 2002: Studium der Kulturwissenschaften; Besuch einer renommierten Journalistenschule; sehr guter Abschluss. • Seit 2006: Erfolgreiche Tätigkeit als freie Journalistin. • Seit 2009: Festangestellte Redaktionstätigkeit im Fernsehen; weiterhin freie Journalistin. • Psychisch seit mehreren Jahren stabil; sehr gute Integration in Freundes- und Bekanntenkreis. 42 Ria 4 43 Noch einmal: Resiliente Kinder sind im Vergleich zu nichtresilienten Kindern • • • • • • • eher in der Lage aus negativen Affekten und Stimmungslagen herauszufinden, sie sprechen eher über ihre Gefühle, sie sind vertrauensvoller und weniger aggressiv, sie sind einfühlsamer, sie reagieren positiv auf Aufmerksamkeit, sie sind „leichter zu lenken“, orientieren sich an Erwachsenen, sie sind interessiert an Menschen, Sachen und Ideen und lernen gerne, und sie können Impulse besser kontrollieren, sind zu Belohnungsaufschub in der Lage. Im Gegensatz zu einem häufigen Vorurteil sind resiliente Kinder keine „harten Typen“, sie sind nicht „tough“ und nicht „macho“. Mädchen sind häufiger resilient als Jungen. Resiliente Jungen „sind eher untypisch“ (z.B. wenig aggressiv und eher auf andere bezogen). 44 Was zählt für die Kinder von psychisch kranken Eltern? Was ist entscheidend? • Die Fähigkeit und Möglichkeit über belastende/problematische und über freudige Dinge sprechen zu können. Die Anerkennung der Wirklichkeit in der Familie und im sozialen Netz. Die Validierung der eigenen Erfahrung. • Die Chance sich selbst als stark und fähig zu erfahren, etwas zu können sich für etwas interessieren, engagieren und begeistern zu können; sich selbst intensiv und positiv zu erleben. • Das Gefühl erwünscht zu sein, von anderen gemocht, akzeptiert, anerkannt, geliebt zu werden. Das Gefühl, sich auf andere stützen zu können. 45 Keiner schafft es von ganz alleine: Ziele präventiver Arbeit mit den Kindern und ihren Familien • Altersangemessene Aufklärung des Kindes über Erkrankung und ihre Implikationen/ Offenes Gespräch mit dem Kind über Erkrankung und damit verbundene Erlebnisse des Kindes • Aktiver und verantwortungsbewußter Umgang der Eltern mit ihrer Erkrankung; Nutzung aller wirksamen therapeutischen Optionen. • Kompensation von möglichen negativen Folgewirkungen der Erkrankung (Beispiel: Mutter-Kind-Interaktionstherapie; Ersatzfunktion von Partnern/Paten). • Verhinderung der Risiko-Kumulierung: Reduktion oder Kompensation von zusätzlichen psychosozialen Risiken (Beispiel: Alleinerz. Eltern; Ehekonflikte; Armut; allgemeine Überforderung) 46 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit 47