Einführung in die Mathematischen Methoden

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Einführung in die Mathematischen Methoden
Ulrich Hohenester
Institut für Physik, Theoretische Physik
Karl–Franzens–Universität Graz
Universitätsplatz 5, 8010 Graz, Austria
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www:
email:
+43 316 380 5227
+43 316 380 9820
http://physik.uni-graz.at/~uxh/
[email protected]
1
Inhaltsverzeichnis
1 Funktionen
1.1
1.2
6
Definition und Eigenschaft von Funktionen . . . . . . . . . . . . . .
7
1.1.1
Zahlenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1.1.2
Abbildungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1.1.3
Weitere Eigenschaften von Funktionen . . . . . . . . . . . .
11
Elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
1.2.1
Lineare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
1.2.2
Potenzfunktionen mit ganzzahligen positiven Exponenten . .
16
1.2.3
Potenzfunktionen mit negativem ganzzahligen Exponenten . .
17
1.2.4
Rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
1.2.5
Potenzfunktionen mit rationalem Exponenten . . . . . . . . .
20
1.2.6
Exponentialfunktion und Logarithmus . . . . . . . . . . . . .
21
1.2.7
Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
2 Komplexe Zahlen
2.1
2.2
2.3
26
Einfache Rechenoperationen komplexer Zahlen . . . . . . . . . . . .
26
2.1.1
Addition, Subtraktion und Multiplikation . . . . . . . . . . .
26
2.1.2
Komplexe Konjugation, Absolutbetrag und Division
. . . . .
27
Komplexe Zahlenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2.2.1
Eulersche Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2.2.2
Produkte trigonometrischer Funktionen . . . . . . . . . . . .
31
Wurzeln von komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
3 Differentialrechnung
33
3.1
Ableitung elementarer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
3.2
Differentiationsregeln
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
3.3
Höhere Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2
3.4
Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
3.5
Differenzialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
4 Integralrechnung
46
4.1
Integration elementarer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
4.2
Integrationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
5 Vektorrechnung
51
5.1
Rechenregeln für Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
5.2
Geradengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
5.3
Ebenengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
5.4
Zeitabhängige Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
6 Tests der letzten Jahre
58
3
Bezeichnungen
In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten mathematischen Bezeichnungen angeführt, die teilweise auch in diesem Skriptum verwendet werden.
∀
∃
A⇒B
A⇐B
a∈A
{ a ∈ A | E(a) }
...
...
...
...
...
...
∅
N
N0
Z
Q
R
C
A⊆B
A\B
A×B
[a, b]
(a, b]
y = f (x)
limx→a f (x)
i
z∈C
z ∗ , z̄
|z|
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
für alle
es gibt
aus A folgt B
A gilt genau dann, wenn B gilt (oder umgekehrt)
a ist Element in einer Menge A
Menge aller Elemente von A, die die Eigenschaft E(a)
aufweisen
leere Menge
natürliche Zahlen {1, 2, 3, . . . }
natürliche Zahlen und Null
ganze Zahlen {. . . , −2, −1, 0, 1, 2, . . . }
rationale Zahlen { pq | p, q ∈ Z, q 6= 0 }
reelle Zahlen (sämtliche Dezimalstellen)
komplexe Zahlen
A ist Teilmenge von B
Differenzmenge { a ∈ A | a 6∈ B }
Menge der geordneten Paare { (a, b) | a ∈ A, b ∈ B }
abgeschlossene Menge { x | x ≥ a und x ≤ b }
offene Menge { x | x > a und x ≤ b }
y ist eine Funktion von x
Grenzwert einer Funktion f (x), wenn x gegen a geht
imaginäre Einheit
komplexe Zahl z = x + iy mit x, y ∈ R
konjugiert komplexe Zahl z ∗ = x − iy
p
Betrag von z, |z| = x2 + y 2
4
∆t
f (x)
ġ(x)
F (x)
R
f (x) dx
Rb
f (x) dx
a
...
...
...
...
...
...
...
...
~a
...
~e
~a · ~b
~a × ~b
...
...
...
∆x
∆t
dx
dt
0
Intervall in t, ∆t = t2 − t1
Differenzenquotient
Differenzialquotient dx
= lim∆t→0 ∆x
dt
∆t
Ableitung der Funktion f (x) nach x
Ableitung der Funktion g(t) nach der Zeit t, ġ(t) =
Stammfunktion von f (x), F 0 (x) = f (x)
R
unbestimmtes Integral f (x) dx = F (x) + const
Rb
bestimmtes Integral a f (x) dx = F (b) − F (a)


!
a1
a


1
Vektor ~a =  a2  in R3 und ~a =
in R2
a2
a3
Einheitsvektor
Skalarprodukt, inneres Produkt
Kreuzprodukt, äußeres Produkt
5
dg(t)
dt
1
Funktionen
Funktionen spielen in der Physik eine wichtige Rolle. Betrachten wir beispielsweise
ein Teilchen, das mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 horizontal nach oben geworfen
wird, und das von der Erde mit der Erdbeschleunigung g angezogen wird. Die Höhe
z wird sich dann im Laufe der Zeit t bezüglich
z(t) = v0 t −
g 2
t
2
(1.1)
ändern. Hierbei bedeutet z(t), dass die Höhe z eine Funktion der Zeit t ist (man sagt
auch, dass z von t abhängt): wir können für jeden Zeitpunkt t die Höhe berechnen,
indem wir t in die Glg. (1.1) einsetzen. Dieser Zusammenhang kann anschaulich
durch einen Graphen dargestellt werden, wie in Abb. 1 gezeigt. Die Zeit t wird auf
der horizontalen Achse aufgetragen und die zugehörige Höhe z(t) auf der vertikalen
Achse.
20
z( t )
15
10
5
0
0
1
2
t
3
4
Abbildung 1: Wurfparabel. Die Höhe z(t) ändert sich im Laufe der Zeit t bezüglich
Glg. (1.1).
Im Laufe des Physikstudiums werden Sie eine Reihe weiterer, zum Teil viel komplizierterer Funktionen kennenlernen. Beispielsweise wird in der Quantenmechanik der
Zustand eines Systems durch die Wellenfunktion Ψ(x, y, z, t) beschrieben, wobei x,
y und z die drei Raumrichtungen sind und t die Zeit bezeichnet. Hier ist Ψ eine
Funktion, die von vier Variablen abhängt. Ähnliches gilt in der Elektrodynamik, wo
~
die elektrische Feldstärke E(x,
y, z, t), die selbst ein Vektor mit drei Komponenten
ist, wiederum von Ort und Zeit abhängt.
6
1.1
Definition und Eigenschaft von Funktionen
In einer etwas strengeren Formulierung ist eine Funktion eine Vorschrift, die einem
Element einer Menge, die man Definitionsbereich D nennt, genau ein Element einer anderen Menge, welche Bildbereich B der Funktion genannt wird, zuordnet. Die
Schreibweise
y = f (x)
(1.2)
bedeutet dann, dass jeder Zahl x ∈ D aus dem Definitionsbereich ein Wert y ∈ B
aus dem Bildbereich zugeordnet wird. Wir können dies wie folgt darstellen
'
x
D
f (x)
B
Abbildung 2: Die Funktion als Zuordnung eines Elementes x des Definitionsbereiches D zu
einem Element f (x) des Bildbereiches B.
1.1.1
Zahlenbereiche
Zur Bezeichnung von Definitionsbereichen und Bildbereichen gibt es eine Reihe von
Kurzschreibweisen. Folgende werden häufig verwendet:
R
R+
R−
R \ {a}
R \ {a, b}
x ∈ [a, b]
x ∈ (a, b]
x ∈ [a, b)
x ∈ (a, b)
...
...
...
...
...
...
...
...
...
Menge der reellen Zahlen,
Menge der positiven reellen Zahlen,
Menge der negativen reellen Zahlen,
R ohne die Zahl a,
R ohne die Zahlen a und b,
x aus dem Bereich x ≥ a und x ≤ b,
x aus dem Bereich x > a und x ≤ b,
x aus dem Bereich x ≥ a und x < b,
x aus dem Bereich x > a und x < b.
7
Beispiel 1.1— Für die Funktion
f (x) =
1
,
(x − 2)(x + 3)
x ∈ R \ {−3, 2}
ist der Definitionsbereich die Menge der rationalen Zahlen ohne −3 und
2, bei denen der Nenner Null wird.
Beispiel 1.2— Für die Funktion
f (x) = log(x) ,
x ∈ R+
ist der Definitionsbereich die Menge der positiven rationalen Zahlen (der
Logarithmus für Null und negative Zahlen ist i.A. nicht definiert).
Beispiel 1.3— Für die Funktion
f (x) =
√
x − 2,
x ∈ [2, ∞)
ist der Definitionsbereich die Menge der Zahlen, die größer oder gleich
zwei sind.
Aufgabe 1.1— Bestimmen Sie den Definitionsbereich der Funktionen
1
+ x,
x+3
1
x
f (x) =
+
,
x − 2 (x + 2)(x − 2)
f (x) = log(x + 2) ,
p
f (x) =
2 − |x| .
f (x) =
1.1.2
Abbildungsarten
Oft ist es günstig, Funktionen bezüglich ihrer allgemeinen Eigenschaften zu charakterisieren. Im Folgenden werden kurz die Begriffe injektiv, surjektiv und bijektiv erklärt,
die eine wichtige Rolle bei der Bestimmung von Umkehrfunktionen spielen.
8
Injektiv. Eine Funktion heißt injektiv, wenn aus f (a) = f (b) folgt, dass a = b
gilt, und aus f (a) 6= f (b) folgt, dass a 6= b. Es muss also gelten, dass ein Punkt
f (x) des Bildbereiches B von nur einem einzigen Punkt x des Definitionsbereiches aus erreicht werden kann.
Im folgenden Diagramm ist eine Funktion gezeigt, die nicht injektiv ist:
a
"@
y
b
Hier gibt es Punkte a und b des Definitionsbereiches D, von denen aus man zum
Punkt y des Bildbereiches B gelangen kann. Ein Beispiel für so eine Funktion
ist die Wurfparabel (1.1), die in Abb. 1 dargestellt ist: jede Flughöhe z < 20
wird zu jeweils zwei Zeiten erreicht, einmal beim Flug nach oben und das zweite
Mal beim Flug nach unten. Die Funktion (1.1) ist also nicht injektiv.
Durch Einschränkung des Definitionsbereiches kann erzielt werden, dass eine
Funktion injektiv wird. So ist beispielsweise die Wurfparabel für Zeiten t ∈ [0, 2]
injektiv.
Beispiel 1.4—
Funktion
f (x) = 3x
f (x) = x2
f (x) = x2
f (x) = sin(x)
f (x) = sin(x)
Definitionsbereich
R
R
R+
R+
x ∈ [− π2 , π2 ]
injektiv?
ja
nein
ja
nein
ja
Surjektiv. Eine Funktion heißt surjektiv, wenn zu jedem y ∈ B wenigstens ein
x ∈ D existiert, sodass f (x) = y gilt. Die Funktion f (x) muss also so beschaffen
sein, dass jeder Punkt in B von wenigstens einem Punkt des Definitionsbereiches
D aus erreicht werden kann.
9
Die Wurfparabel (1.1) ist demnach nicht surjektiv: jede Höhe z > 20 wird zu
keinem Zeitpunkt erreicht. Wiederum kann der Bildbereich so eingeschränkt
werden, dass eine Funktion surjektiv wird.
Beispiel 1.5—
Funktion
f (x) = 3x
f (x) = x2
f (x) = x2
f (x) = sin(x)
f (x) = sin(x)
DefinitionsR
R
R
R
R
Bildbereich
R
R
R+
R
y ∈ [−1, 1]
surjektiv?
ja
nein
ja
nein
ja
Bijektiv. Eine Funktion, die sowohl injektiv als auch surjektiv ist, heißt bijektiv.
Ist die Funktion y = f (x) bijektiv, so existiert eine Umkehrfunktion f −1 , für die
gilt f −1 (y) = x. 1 Die Umkehrfunktion erlaubt es festzustellen, von welchem
Punkt x des Definitionsbereiches D aus ein Punkt y des Bildbereiches B erreicht
wird. Es ist oft überaus praktisch, wenn eine Umkehrfunktion existiert und man
diese kennt. Beispielsweise können wir für die Wurfparabel (1.1) aus der Höhe
z des Teilchens zurückberechnen, wieviel Zeit seit dem Abwurf des Teilchens
verstrichen ist.
f
"
xb
y
f −1
Beispiel 1.6—
Funktion
f (x) = 3x
f (x) = x2
f (x) = x2
1
i.A. gilt f −1 (x) 6=
DefinitionsR
R
R+
Bildbereich
R
R
R+
1
.
f (x)
10
bijektiv Umkehrfunktion
ja
x = y3
nein
√
ja
x= y
Aufgabe 1.2— Untersuchen Sie folgende Funktionen. Sind die Funktionen
injektiv, surjektiv, bijektiv? Bestimmen Sie für die bijektiven Funktionen
die zugehörigen Umkehrfunktionen.
Funktion
3x + 2
√
2x
tan(x)
10 x + sin(x)
x2 + 3 x
x3
DefinitionsR
R+
(− π2 , π2 )
R
R
R
Bildbereich
R
R+
R
R
R
R
inj.
surj.
bij.
Aufgabe 1.3— Schränken Sie den Definitions- und Bildbereich folgender
Funktionen so ein, dass sie bijektiv werden. Wie lautet die zugehörige
Umkehrfunktion?
Funktion
4 x2
x2 − 1
cos(2 x)
log(x)
Definitions-
Bildbereich
Umkehrfunktion
Aufgabe 1.4— Was ist f −1 (f (x)) =?
1.1.3
Weitere Eigenschaften von Funktionen
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Eigenschaften, nach denen eine Funktion
charakterisiert werden kann. Einige davon sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Gerade. Eine Funktion f (x) heißt gerade, wenn gilt
f (x) = f (−x) .
(1.3)
Der Graph einer solchen Funktion ändert sich nicht, wenn wir ihn an der yAchse spiegeln. In der Abb. 3 ist ein Beispiel für eine gerade Funktion gezeigt.
Weitere Beispiele sind x2 oder cos(x).
11
25
20
f( x )
15
10
5
0
−5
−5
0
x
5
Abbildung 3: Beispiel für eine gerade Funktion f (x) = f (−x), die an der y-Achse (gepunktete Linie) gespiegelt werden kann.
Ungerade. Eine Funktion heißt ungerade, wenn gilt
f (x) = −f (−x) .
(1.4)
Beispiele für ungerade Funktionen sind x, x3 , sin(x).
Jede Funktion f (x) kann in gerade und ungerade Anteile fg (x) und fu (x)
zerlegt werden. Sei
1
f (x) + f (−x)
(1.5)
fg (x) =
2
1
fu (x) =
f (x) − f (−x) ,
(1.6)
2
so ist durch die Konstruktion gewährleistet, dass fg (x) eine gerade und fu (x)
eine ungerade Funktion ist. Andererseits gilt
f (x) = fg (x) + fu (x) .
Aufgabe 1.5— Zeigen Sie, dass Glg. (1.7) gilt.
Aufgabe 1.6— Welche der folgenden Funktionen ist gerade, welche
ungerade? Welche ist weder gerade noch ungerade? (a) f (x) = 2x+
sin(x), (b) f (x) = tan(x), (c) f (x) = 2 + x, (d) f (x) = x2 cos(x),
(e) x3 − x, x7 + 2 x6 .
12
(1.7)
Monoton wachsend. Eine Funktion heißt monoton wachsend, wenn gilt
f (x) ≤ f (x0 ) ,
für x < x0 .
(1.8)
Falls für x < x0 sogar f (x) < f (x0 ) gilt, nennt man die Funktion streng
monoton wachsend.
Monoton fallend. Eine Funktion heißt monoton fallend, wenn gilt
f (x) ≥ f (x0 ) ,
für x < x0 .
(1.9)
Falls für x < x0 sogar f (x) > f (x0 ) gilt, nennt man die Funktion streng
monoton fallend.
30
monoton wachsend
monoton fallend
20
f( x )
10
0
−10
−20
0
1
2
3
4
5
x
Abbildung 4: Beispiel für eine monoton wachsende (durchgezogene Linie) und fallende
(gestrichelte Linie) Funktion.
Aufgabe 1.7— Wählen Sie die Definitionsbereiche D folgender Funk-
tionen so, dass sie in D monoton wachsend sind: (a) f (x) = sin(x),
(b) f (x) = x2 , (c) f (x) = tan(x). Welche der Funktionen sind
streng monoton wachsend?
Aufgabe 1.8— Gegeben sei eine monoton wachsende Funktion f (x)
im Intervall x ∈ [a, b]. Wo hat diese Funktion ihr Minimum im Intervall [a, b]? Wo ihr Maximum?
Stetig. Eine Funktion heißt stetig, wenn der Funktionswert f (a) an der Stelle
a unabhängig davon ist, wie man sich dem Punkt a annähert. Bezeichnet man
13
die Annäherung an den Punkt mit limx→a (sprich ”der Limes, d.h. Grenzwert,
für x gegen a”), so soll gelten
lim f (x) = f (a) ,
(1.10)
x→a
und zwar unabhängig von der Grenzwertbildung (in den Mathematischen Methoden 1 wird dieser Punkt noch genauer erläutert werden). Ein typisches Beispiel für eine nicht stetige bzw. unstetige Funktion ist die sogenannte Stufenfunktion

0 für x ≤ 0,
θ(x) =
(1.11)
1 sonst.
An der Stelle x = 0 hat θ(x) eine Unstetigkeitsstelle: nähert man sich der Stelle
0 beliebig nahe von links (negative x-Werte) so erhält man den Grenzwert 0;
andererseits erhält man bei Annäherung von rechts (positive x-Werte), ohne
den Punkt 0 tatsächlich zu erreichen, den Grenzwert 1. Grob gesprochen gilt,
dass eine Funktion dann stetig ist, wenn ihr Graph mit einem Zug gezeichnet
werden kann; muss man beim Zeichnen des Graphen den Stift absetzen, wie
beispielsweise bei der Stufenfunktion an der Stelle x = 0, so ist die Funktion
unstetig.
Aufgabe 1.9— Definieren Sie ähnlich wie in Glg. (1.11) eine Funkti-
on, die −1 liefert wenn x negativ ist, 1 wenn x positiv ist, und Null
für x = 0 (Signumfunktion).
1
θ( x )
0.8
0.6
0.4
0.2
0
−0.2
−2
−1
0
x
1
2
Abbildung 5: Stufenfunktion θ(x), die für x ≤ 0 null und für x > 0 eins ist. Die Funktion
hat an der Stelle x = 0 eine Unstetigkeitsstelle.
14
1.2
Elementare Funktionen
Welche Funktionen man ”elementar” nennt, ist Konvention. Es gibt keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen elementaren und nicht elementaren Funktionen. Letztere
sind einfach weniger gebräuchlich. Im Folgenden wollen wir eine Reihe elementarer
Funktionen vorstellen.
1.2.1
Lineare Funktionen
Die einfachste Form einer Funktion ist die lineare Funktion
y = kx + d ,
(1.12)
deren Graph eine Gerade ist. Man bezeichnet k als die Steigung der Gerade. Wie man
leicht aus der Abbildung 6 erkennt, läßt sich der Steigungswinkel α der Gerade aus
tan α = k berechnen.
6
y=kx+d
4
k
α
1
kx+d
2
d
0
−2
−4
−2
−1
0
x
1
2
Abbildung 6: Gerade mit der Steigung k. In der Abbildung wurde d = 1 und k = 2 gewählt.
Aufgabe 1.10— Ist die lineare Funktion (1.12): (a) injektiv, (b) surjektiv,
(c) bijektiv? Für d = 0, ist die lineare Funktion (d) gerade oder ungerade? Für welche Werte von k ist die lineare Funktion (e) streng monoton
wachsend bzw. (f) streng monoton fallend? Bestimmen Sie (g) die Umkehrfunktion und (h) die Nullstelle. Nullstellen sind dadurch definiert, dass
an diesen Stellen y = 0 gilt.
Aufgabe 1.11— Eine lineare Funktion soll durch die beiden Punkte (x0 , y0 )
und (x1 , y1 ) gehen. Bestimmen Sie k und d.
15
1.2.2
Potenzfunktionen mit ganzzahligen positiven Exponenten
Endliche Polynome sind Summen von Termen der Form xn , wobei n eine ganze
positive Zahl ist. Ein Polynom des Grades N läßt sich in der allgemeinen Form
2
3
N
PN (x) = c0 + c1 x + c2 x + c3 x + · · · + cN x =
N
X
cn x n
(1.13)
n=0
schreiben, wobei die cn als Koeffizienten bezeichnet werden. Beispielsweise ist die
Wurfparabel (1.1) ein Polynom zweiten Grades, mit c0 = 0 (kein konstanter Term),
c1 = v0 und c2 = −g/2. Man kann zeigen, dass bei einem Polynom PN (x) des Grades
N die Zahl der Nullstellen kleiner oder gleich N ist. Anstelle von Glg. (1.13) könnte
man also auch
PN (x) = cN (x − x1 )(x − x2 )(x − x3 ) . . . (x − xN )
(1.14)
schreiben, wobei x1 , x2 , . . . die Nullstellen des Polynoms sind. Im Prinzip können die
xn auch komplexe Zahlen sein, wobei wir solche Fälle im Folgenden nicht betrachten
werden.
Die einzelnen Terme, aus denen die Funktion (1.13) aufgebaut ist, sind von der Form
f (x) = xn .
(1.15)
100
x2
x4
x6
x3
x5
x7
f( x ) = xn
50
0
−50
−100
−3
−2
−1
0
x
1
2
3
Abbildung 7: Potenzfunktionen f (x) = xn für n = 2, 3, . . . 7.
Aufgabe 1.12— Bringen Sie die Funktion x2 + x − 2 in die Form (1.14).
16
Aufgabe 1.13— Für gerade n, ist die Potenzfunktion (1.15): (a) injektiv,
(b) surjektiv, (c) bijektiv? (d) Für welchen Definitions- und Bildbereich ist
xn bijektiv? (e) Wie sieht die Umkehrfunktion aus? Untersuchen Sie das
Monotonieverhalten in (f) R+ und (g) R− . (h) Ist die Funktion gerade,
ungerade oder keines von beidem? (i) Wo sind die Nullstellen von xn ?
Aufgabe 1.14— Genauso wie vorige Aufgabe, aber für ungerades n.
Aufgabe 1.15— Skizzieren Sie die Funktionen (a) f (x) = x − 3 x2 und
(b) f (x) = x + 2 − 2 x4 .
1.2.3
Potenzfunktionen mit negativem ganzzahligen Exponenten
Potenzfunktionen mit negativem ganzzahligen Exponenten sind von der Form
f (x) =
1
,
xn
x ∈ R \ {0} ,
(1.16)
mit n = 1, 2, . . . einer ganzen Zahl. Die Funktion ist überall bis auf x = 0 definiert. In
der unmittelbaren Nähe von x = 0 nähert sich die Funktion immer mehr der y-Achse
an: man nennt daher die Gerade x = 0 eine Asymptote der Funktion. In Abb. 8 ist
die Funktion (1.16) für einige Werte von n dargestellt.
f( x ) = xn
50
1/x2
1/x4
1/x6
1/x
1/x3
1/x5
0
−50
−3
−2
−1
0
x
1
2
3
Abbildung 8: Potenzfunktionen f (x) = 1/xn für n = 1, 2, . . . 6.
Aufgabe 1.16— Welche zusätzliche Asymptote besitzt die Funktion 1/xn ?
17
Aufgabe 1.17— Für gerade n, ist die Funktion (1.16): (a) injektiv, (b)
surjektiv, (c) bijektiv? (d) Für welchen Definitions- und Bildbereich ist
1/xn bijektiv? (e) Wie sieht die Umkehrfunktion aus? Untersuchen Sie das
Monotonieverhalten in (f) R+ und (g) R− . (h) Ist die Funktion gerade,
ungerade oder keines von beidem?
Aufgabe 1.18— Genauso wie vorige Aufgabe, aber für ungerades n.
1.2.4
Rationale Funktionen
Eine rationale Funktion ist der Quotient zweier Polynomfunktionen P (x) und Q(x),
f (x) =
P (x)
.
Q(x)
(1.17)
Ihr Definitionsbereich ist R mit Ausnahme jener Punkte, an denen Q(x) eine Nullstelle
besitzt. Beispielsweise gilt für
f (x) =
5 − 3 x + 4 x2
,
(x − 1)2 (x + 2)
x ∈ R \ {−2, 1} .
Oft ist es günstig, den Bruch (1.17) auf eine einfachere Form zu bringen. Im Folgenden
wollen wir nur den Fall untersuchen, bei dem die höchste Potenz von P (x) im Zähler
kleiner oder gleich der höchsten Potenz von Q(x) im Nenner ist (andernfalls müsste
man das folgende Schema leicht abändern).
Q(x) besitzt nur einfache Nullstellen. Sei
Q(x) = (x − x1 )(x − x2 ) . . . (x − xN )
die Zerlegung des Polynoms Q(x), wobei sämtliche Nullstellen xn voneinander
verschieden sind. Der Bruch (1.17) läßt sich dann in der Form
f (x) =
P (x)
C1
C2
CN
=
+
+ ··· +
Q(x)
x − x1 x − x2
x − xN
anschreiben, mit den Koeffizienten Cn die wie folgt bestimmt werden: man
bringt alle Terme auf der rechten Seite der obigen Gleichung auf den gemeinsamen Nenner Q(x) und wählt die Koeffizienten Cn so, dass das resultierende
Polynom gleich P (x) ist. Dieses Schema wird auch als Partialbruchzerlegung
bezeichnet. Wir werden später bei der Integration von Funktionen der Form
(1.17) sehen, dass so eine Zerlegung von großem Nutzen sein kann.
18
Beispiel 1.7— Betrachten wir die Zerlegung der Funktion
f (x) =
2−x
.
(x − 1)(x + 1)
Gemäß unserer Vorschrift setzen wir an
f (x) =
A
B
A(x + 1) + B(x − 1)
A − B + (A + B)x
+
=
=
.
x−1 x+1
(x − 1)(x + 1)
(x − 1)(x + 1)
Der Koeffizientenvergleich liefert dann A − B = 2 und A + B = −1,
d.h. A = 21 und B = − 23 .
Q(x) besitzt eine zweifache Nullstelle. Sei x1 eine doppelte Nullstelle, d.h. sie
kommt bei der Zerlegung (1.14) von Q(x) zwei Mal vor, und x3 , . . . xN seien
die weiteren Nullstellen. In diesem Fall setzen wir an
f (x) =
C1
C2
C3
CN
P (x)
=
+
+
+ ··· +
.
2
Q(x)
x − x1 (x − x1 )
x − x3
x − xN
Hier enthalten in der Summe auf der rechten Seite die ersten beiden Ausdrücke
die Nullstelle x1 . Die Koeffizienten Cn werden wiederum durch Koeffizientenvergleich bestimmt.
Beispiel 1.8— Zerlegt werden soll der Bruch
R(x) =
5 − 3 x + 4 x2
.
(x − 1)2 (x + 2)
Wir setzen an
A
B
C
+
+
2
x − 1 (x − 1)
x+2
A(x − 1)(x + 2) + B(x + 2) + C(x − 1)2
=
.
(x − 1)2 (x + 2)
R(x) =
Durch Koeffizientenvergleich erhalten wir dann nach kurzer Zwischenrechnung A = 1, B = 2 und C = 3.
Q(x) besitzt mehrfache Nullstelle. Das Verfahren läßt sich einfach auf mehrfache
Nullstellen erweitern. Im Folgenden wollen wir nicht näher darauf eingehen.
19
Aufgabe 1.19— Zerlegen Sie folgende Ausdrücke in die entsprechenden
Partialbrüche:
1
(a)
2
x −4
x
(e)
2
x + 2x + 1
(b)
(f)
x+1
x(x + 3)(x − 2)
x2 + x + 1
x(x + 1)2
(c)
(g)
x
(x − 2)2
x
(x − 1)2
1
− 4 im
(x + 2)2
Intervall [−5, 5] und geben Sie den Definitionsbereich der Funktion an.
Aufgabe 1.20— Skizzieren Sie die Funktion f (x) =
1
− 10 im
(x − 1)2
Intervall [−5, 5] und geben Sie den Definitionsbereich der Funktion an.
Bestimmen Sie außerdem die Asymptoten.
Aufgabe 1.21— Skizzieren Sie die Funktion f (x) = −
1.2.5
Potenzfunktionen mit rationalem Exponenten
Eine Potenzfunktion mit rationalem Exponenten läßt sich in der Form
√
n
x,
1
f (x) = x n =
n = 1, 2, . . . ,
x ∈ R+
(1.18)
√
anschreiben. Man sagt, dass n x die n-te Wurzel von x ist. Die Umkehrfunktion ist
entsprechend die zuvor eingeführte Potenzfunktion
f −1 (y) = y n .
(1.19)
3
x1/2
x1/4
x1/6
x1/3
x1/5
x1/7
2.5
f( x ) = x1/n
2
1.5
1
0.5
0
0
2
4
6
8
10
x
1
Abbildung 9: Wurzelfunktion f (x) = x n für n = 2, 3, . . . 7.
20
Aufgabe 1.22— Für welchen Definitions- und Bildbereich ist x = y n die
Umkehrfunktion zu y =
1.2.6
√
n
x?
Exponentialfunktion und Logarithmus
Die Exponentialfunktion
f (x) = ex ,
x∈R
(1.20)
spielt in der Physik eine wichtige Rolle. Hier ist e = 2.718281828 . . . die sogenannte
Eulersche Zahl. Die Exponentialfunktion ist die einzige Funktion, deren Ableitung
f 0 (x) = ex
(1.21)
gleich der Funktion selbst ist. In der Physik gibt es eine Reihe von Phänomenen
(Wachstum, Radioaktivität, Zerfall), bei denen die Änderung einer Größe proportional
zur Größe selbst ist, und die somit durch die Exponentialfunktion beschrieben werden
können.
Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion ist der Logarithmus
x ∈ R+ .
f (x) = ln(x) ,
(1.22)
Es gilt offensichtlicherweise, dass eln(x) = x ist.
10
Exponentialfunktion
Logarithmus
f( x )
5
0
−5
−10
−10
−5
0
x
5
10
Abbildung 10: Exponentialfunktion und Logarithmus.
Die Exponentialfunktion wächst für große Werte von x rascher an als jede Potenzfunktion xn . Entsprechend wächst der Logarithmus langsamer an, als jede Funktion
1
xn .
21
Aufgabe 1.23— Untersuchen Sie die Exponentialfunktion (a) bezüglich
ihres Monotonieverhaltens. (b) Ist die Funktionen gerade, ungerade, oder
weder noch? (c) Wie sehen ihre Asymptoten aus (falls vorhanden)?
Aufgabe 1.24— Wie vorige Aufgabe, aber für Logarithmus. Wo besitzt
der Logarithmus eine Nullstelle, wo die Exponentialfunktion?
Es gibt eine Reihe von Rechenregeln für die Exponentialfunktion und den Logarithmus,
von denen die wichtigsten lauten:
ea eb = ea+b
ea
= ea−b
eb
(ea )b = ea b
ln(a) + ln(b) = ln(a b)
a
ln(a) − ln(b) = ln
b
ln ab = b ln(a)
Oft ist es nützlich, ab durch Logarithmen und Exponentialfunktionen auszudrücken.
Mit a = eln a und unter Zuhilfenahme der obigen Rechenregeln erhalten wir dann
ab = eln(a)
b
= eb ln(a) .
(1.23)
Aufgabe 1.25— Stellen Sie folgende Ausdrücke als Logarithmus eines
einzigen Terms dar:
1
(a) ln 2 + ln a + ln b
2
1
1
(c)
ln(x + 2) − ln(x − 2)
2
2
(e) 5 ln(x + 7) − 4 ln(x − 3)
(b) ln(1 − x) + ln(1 + x) − 2 ln x
1
(d) 3 ln x − (ln(x + 1) + ln(x − 1))
3
1
(f)
(4 ln x + 2 ln(x − y)) − ln x
3
Aufgabe 1.26— Lösen Sie die folgenden Gleichungen:
(b) e1 xx = e2x+1
(a) ln(8x) + ln(3x) = ln 96
1.2.7
Trigonometrische Funktionen
Zuletzt wollen wir noch die trigonometrischen Funktionen oder Winkelfunktionen untersuchen. Sie treten in der Physik oft im Zusammenhang mit periodischen Bewegungen auf, z.B. bei der Beschreibung der Pendelbewegung. Betrachten wir den Kreis
mit Radius r = 1 (Einheitskreis), der in Abb. 11 gezeigt ist. Wenn wir uns vom Punkt
22
π/2
φ
π
0
3π/2
Abbildung 11: Einheitskreis.
(1, 0) auf der x-Achse beginnend auf dem Kreis gegen den Uhrzeigersinn bewegen,
so ändert sich die Strecke, die wir dabei durchlaufen, von 0 [Punkt (1, 0)] nach π/2
[Punkt (0, 1)], π [Punkt (−1, 0)], 3π/2 [Punkt (0, −1)], bis wir schließlich bei 2π
wieder zurück zum Punkt (1, 0) gelangen. Ein Punkt auf dem Kreis kann durch den
Winkel φ charakterisiert werden, wobei φ dem auf dem Bogen des Einheitskreises
zurückgelegten Weg entspricht (Radiant). Eine alternative Bezeichung ist das Grad,
wobei ein voller Kreisumlauf 360◦ entspricht. Einige Punkte auf dem Einheitskreis
und die zugehörigen Winkel sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:
Punkt auf Einheitskreis
( 1, 0)
√
( 1, 1)/ 2
( 0, 1)
√
(−1, 1)/ 2
(−1, 0)
√
(−1, −1)/ 2
( 0, −1)
√
( 1, −1)/ 2
( 1, 0)
Winkel in Radiant
0
π
4
π
2
3π
4
π
5π
4
3π
2
7π
4
2π
Winkel in Grad
0◦
45◦
90◦
135◦
180◦
225◦
270◦
315◦
360◦
Aufgabe 1.27— Wie rechnet man einen Winkel φ von Radiant nach Grad
um? Wie von Grad nach Radiant?
23
Im Folgenden wollen wir wann immer möglich die Winkelangabe in Radiant und nicht
Grad machen. Die trigonometrischen Funktionen sind nun über die in der folgenden
Abbildung gezeigten Zusammenhänge definiert:
tan(φ)
sin(φ)
φ
cos(φ)
Abbildung 12: Definition des Sinus, Cosinus und Tangens am Einheitskreis.
Sei (x, y) der Punkt am Einheitskreis, der durch den Winkel φ charakterisiert ist: x
entspricht dann dem Cosinus cos(φ) und y dem Sinus sin(φ). Der Tangens tan(φ)
entspricht der Strecke auf der Gerade x = 1, die man zurücklegen muss, um zum
Schnittpunkt mit der Gerade zu gelangen, die durch die Punkte (0, 0) und (x, y) läuft.
Man kann zeigen, dass gilt
tan(φ) =
sin(φ)
,
cos(φ)
cot(φ) =
cos(φ)
,
sin(φ)
(1.24)
wobei cot(φ) den Kotangens bezeichnet. Alle Winkelfunktionen sind auch für Winkel
definiert, die nicht aus dem Intervall [0, 2π) stammen: hierbei muss man von φ sooft
2π abziehen bzw. sooft 2π zu φ addieren, bis der daraus resultierende Winkel in das
Intervall [0, 2π) fällt. Es gilt, dass der Sinus und Cosinus periodisch in 2π sind, und
dass der Tangens und Cotanges periodisch in π sind. Es gibt eine Reihe von Beziehungen zwischen den trigonometrischen Funktionen, die in den meisten Formelbüchern
aufgelistet sind. Beispielsweise gilt (n bezeichnet hier eine ganze Zahl):
24
sin(−x) = − sin(x)
sin(x + 2nπ) = sin(x)
sin(x + π) = − sin(x)
sin(x + π2 ) = cos(x)
tan(−x) = − tan(x)
tan(x + nπ) = tan(x)
cos(−x) = cos(x)
cos(x + 2nπ) = cos(x)
cos(x + π) = − cos(x)
cos(x + π2 ) = − sin(x)
cot(−x) = − cot(x)
cot(x + nπ) = cot(x)
Wir verweisen an dieser Stelle noch kurz auf die Umkehrfunktionen arcsin(x), arccos(x)
und arctan(x), die Arcussinus, Arcuscosinus und Arcustangens genannt werden (arcus
bedeutet auf lateinisch Bogen).
5
f( φ )
sin(φ)
cos(φ)
tan(φ)
cot(φ)
0
−5
−2
−1
0
φ (π)
1
2
Abbildung 13: Die trigonometrische Funktionen Sinus, Cosinus, Tangens und Cotangens.
Aufgabe 1.28— Zeigen Sie mit Hilfe von Abb. 12, dass sin2 (φ)+cos2 (φ) =
1 gilt.
Aufgabe 1.29— Berechnen Sie ohne Taschenrechner folgende Ausdrücke:
(a) sin π4 , (b) cos π4 , (c) sin 5π
, (d) cos 5π
.
4
4
Aufgabe 1.30— Ist der (a) Sinus, (b) Cosinus, (c) Tangens eine gerade
oder ungerade Funktion, oder keines von beidem?
Aufgabe 1.31— Führen Sie die gegebenen Funktionswerte unter Anwen-
dung der oben angeführten Formeln auf Funktionswerte des Arguments
φ zurück:
(a) sin( π2 + φ)
(d) cos(−2π − φ)
(b) cos(π + φ)
(e) sin(φ − π)
25
(c) sin( 3π
+ φ)
2
(f) cos(φ − 3π
)
2
2
Komplexe Zahlen
In vielen Fällen ist es günstig, den Bereich der reellen Zahlen zu erweitern. Man führt
dazu eine neue Art von Zahl ein und nennt sie die imaginäre Einheit
i
mit der Definition i2 = −1 .
(2.1)
√
Man kann i in gewisser Weise als die Wurzel −1 betrachten, auch wenn man
diese Form normalerweise vermeiden sollte, da sie leicht zu Missverständnissen führt.2
Betrachten wir zwei reelle Zahlen x ∈ R und y ∈ R. Mit Hilfe dieser beiden Zahlen
können wir eine komplexe Zahl
z = x + iy
(2.2)
bilden, wobei man x als den Realteil und y als den Imaginärteil bezeichnet. Oft
schreibt man auch
x = Re(z) ,
y = Im(z) .
(2.3)
Eine Zahl, deren Realteil gleich Null ist, bezeichnet man auch als imaginäre Zahl.
Zwei komplexe Zahlen z1 = x1 + i y1 und z2 = x2 + i y2 sind dann und nur dann
gleich, wenn ihre beiden Realteile x1 = x2 und Imaginärteile y1 = y2 identisch sind.
2.1
2.1.1
Einfache Rechenoperationen komplexer Zahlen
Addition, Subtraktion und Multiplikation
Gegeben seien zwei komplexe Zahlen z1 = x1 + i y1 und z2 = x2 + i y2 . Diese beiden
komplexen Zahlen können ebenso wie reelle Zahlen miteinander verknüpft werden. So
gilt für die Addition und Subtraktion
z1 + z2 = (x1 + i y1 ) + (x2 + i y2 ) = (x1 + x2 ) + i(y1 + y2 )
z1 − z2 = (x1 − i y1 ) + (x2 + i y2 ) = (x1 − x2 ) + i(y1 − y2 ) ,
(2.4)
dass die beiden Real- und Imaginärteile unabhängig voneinander addiert bzw. subtrahiert werden. Für die Multiplikation der beiden komplexen Zahlen können wir direkt
auf die Definition (2.1) zurückgreifen. Es gilt
2
Folgende Rechnung etwa ist falsch: i2 =
√
p
√
√
−1 −1 = (−1)(−1) = 1 = 1.
26
z1 · z2 = (x1 + i y1 ) · (x2 + i y2 )
= x1 · x2 + i, x1 · y2 + i x2 · y1 + i2 · y1 y2
= (x1 · x2 − y1 · y2 ) + i(x1 · y2 + x2 · y1 ) .
(2.5)
Beispiel 2.1— Gegeben seien die beiden Zahlen z1 = 3 + 2i und z2 =
2 − 4i. Wir bilden nun
z1 + z2 = (3 + 2) + (2 − 4)i = 5 − 2i
z1 − z2 = (3 − 2) + (2 + 4)i = 1 + 6i
z1 · z2 = (3 · 2 − 2 · (−4)) + i(3 · (−4) + 2 · 2) = 14 − 8i .
Aufgabe 2.1— Addieren, subtrahieren und multiplizieren Sie folgende
Zahlenpaare
(a) z1 = 3 + 4i, z2 = 7 − 8i
(c) z1 = x + i y, z2 = x − i y
2.1.2
(b) z1 = −3 − 4i, z2 = 2 + 8i
(b) z1 = cos x + i sin x,
z2 = cos x − i sin x.
Komplexe Konjugation, Absolutbetrag und Division
Für komplexe Zahlen z führt man die komplexe Konjugation ein, die üblicherweise mit
z ∗ oder z̄ bezeichnet wird. Bei dieser Operation invertiert man einfach den Imaginärteil
z∗ = x − i y .
(2.6)
Komplex Konjugieren erlaubt es, den Absolutbetrag einer komplexen Zahl zu bestimmen. Wir bilden zuerst das Produkt einer komplexen Zahl mit seiner konjugierten
z · z ∗ = (x + i y)(x − i y) = x2 + y 2 .
(2.7)
Man erkennt sofort, dass der Imaginärteil verschwindet und das Ergebnis rein reell
ist. Wir definieren den Absolutbetrag einer komplexen Zahl als
p
√
|z| = z · z ∗ = x2 + y 2 .
(2.8)
Weiter unten werden wir sehen, dass dieses Ergebnis auch geometrisch interpretiert
werden kann. Komplex konjugierte Zahlen können auch dazu benutzt werden, um
27
den Quotienten z1 /z2 zweier komplexer Zahlen zu bestimmen. Dazu erweitern wir
den Bruch mit 1 = z ∗ /z ∗ ,
z1
z1 z2∗
z1 · z2∗
=
· ∗ =
.
z2
z2 z2
|z2 |2
(2.9)
Beispiel 2.2— Gegeben seien die beiden Zahlen z1 = 3 + 2i und z2 = 2 −
4i, deren Quotient zu bestimmen ist. Wir berechnen |z2 |2 = 4 + 16 = 20
und z1 · z2∗ = (3 + 2i)(2 + 4i) = −2 + 16i. Es gilt also
z1
−2 + 16i
=
.
z2
20
Aufgabe 2.2— Bestimmen Sie die Quotienten der in Aufgabe 2.1 ange-
gebenen Zahlenpaare.
Aufgabe 2.3— Benutzen Sie z und z ∗ um den Realteil x = Re(z) bzw.
Imaginärteil y = Im(z) einer beliebigen komplexen Zahl z auszudrücken.
2.2
Komplexe Zahlenebene
Komplexe Zahlen z = x+iy können in einer komplexen Ebene dargestellt werden, wobei man den Realteil x und den Imaginärteil y zu einem Punkt (x, y) zusammenfügt.
y
r = |z|
z=x+iy
r sin(φ)
φ
r cos(φ)
x
Abbildung 14: Darstellung einer komplexen Zahl z in der komplexen Ebene.
28
In dieser Auftragung folgt der Zusammenhang |z|2 = x2 + y 2 offensichtlich aufgrund
des Satzes von Pythagoras. In der Figur haben wir auch den Winkel φ und den Betrag
r = |z| eingeführt. Es gilt x = r cos φ und y = r sin φ und somit
z = x + i y = r (cos φ + i sin φ) .
(2.10)
Die Darstellungen einer komplexen Zahl durch Real- und Imaginärteil x und y bzw.
durch Betrag r und Winkel φ sind identisch. Es ist eine Geschmacksfrage, welche der
beiden Darstellungen wir wählen.
Aufgabe 2.4— Stellen Sie folgende Zahlen in der komplexen Zahlenebene
dar
(a) 1 + 2i
(c) −1 + 2i
(e) i, i2 , i3 , i4
2.2.1
(b) 1 − 2i
(d) −1 − 2i
(f) cos π4 + i sin π4
Eulersche Formel
Wir wollen nun die Eulersche Formel
cos φ + i sin φ = eiφ
(2.11)
einführen, die eine ungemein wichtige Rolle in der Mathematik und Physik spielt.
In einer späteren Vorlesung werden Sie diese Formel beweisen. Das Besondere an
Glg. (2.11) ist, dass sie die Exponentialfunktion (mit imaginärem bzw. komplexem
Argument) mit der Sinus- und Cosinusfunktion verknüpft.
Um die Bedeutung der Eulerschen Formel zu verstehen, wollen wir eine Schwingung
mit der Schwingungsperiode T betrachten. Die Kreisfrequenz
2π
(2.12)
T
charakterisiert dann die Schwingungsfrequenz ν = 1/T , wobei ω = 2πν gilt. Wir
können eine Schwingung als Funktion der Zeit t in der einfachen Form
ω=
z(t) = A eiωt
(2.13)
darstellen, mit A einer Konstante, die die Schwingungsamplitude bestimmt. Die
tatsächliche Auslenkung des schwingenden Systems, beispielsweise eines Pendels, erhalten wir, indem wir den Realteil Re[z(t)] = A cos ωt von Glg. (2.13) wählen.
29
Bevor wir uns dieser Betrachtung zuwenden, wollen wir noch etwas genauer untersuchen was passiert, wenn sich in eiφ das Argument φ ändert. Hierbei greifen wir auf
unsere vorhergehende Diskussion der trigonometrischen Funktionen und des Einheitskreises zurück.
π/2
eiφ = cosφ + i sinφ
φ
π
0
3π/2
Abbildung 15: Darstellung von eiφ in der komplexen Ebene.
Wie aus der Abbildung ersichtlich, liegen die komplexen Zahlen eiφ auf dem Einheitskreis in der komplexen Ebene. Bei φ = 0 liegt der Punkt bei z = 1. Mit zunehmendem
φ läuft der Punkt gegen den Urzeigersinn entlang des Einheitskreises, wobei bei φ = π2
der Punkt i, bei φ = π der Punkt −1, bei φ = 3π
der Punkt −i und bei φ = 2π
2
schließlich wieder der Punkt 1 durchlaufen werden. Höhere Werte von π beschreiben
ebenso wie bei den triginometrischen Funktionen dieselben Punkte am Einheitskreis.
Die Schwingung eiωt ist demzufolge eine periodische Bewegung in der komplexen
Ebene. Nehmen wir an, dass sich das schwingende System zum Zeitpunkt 0 an der
Stelle z = 1 befindet. Nach der Zeit t = T ist das Argument der Exponentialfunktion
2π
T = 2π und das System somit in den ursprünglichen Punkt z = 1 zurückgekehrt.
T
Im nächsten Zyklus t ∈ [2π, 4π) durchläuft es dann nochmals den Einheitskreis.
Die tatsächliche, physikalische Bewegung erhalten wir, indem wir wie bereits erwähnt
den Realteil der komplexen Zahl eiωt heranziehen. Geometrisch gesprochen bedeutet
dies, dass wir den Punkt in Fig. 15 auf die x-Achse projizieren. Man erkennt leicht,
dass die so projizierte Kreisbewegung einer cosinusartigen Schwingung entspricht. In
späteren Teilen dieser Vorlesung werden wir die Vorteile dieser Beschreibung in der
komplexen Ebene schätzen lernen.
30
Aufgabe 2.5— Gegeben sei eine komplexe Zahl z = r eiφ , mit reellen
Zahlen r und φ. Wie sieht die entsprechende Euler-Darstellung für das
komplex Konjugierte z ∗ aus?
Aufgabe 2.6— Bestimmen Sie Betrag r und Phase φ folgender komplexer
Zahlen
(a)
(d)
(g)
(j)
1
i
−1 + 1i
−1 + 3i
(b)
(e)
(h)
(k)
i
1 + 1i
−1 − 1i
2 + 4i
(c)
(f)
(i)
(l)
−1
1 − 1i
−1 + 2i
3 − 2i
Aufgabe 2.7— Was passiert, wenn die Konstante A in Glg. (2.13) eine
komplexe Zahl ist? Tipp: Stellen Sie A in der Polarform r eiφ dar und
addieren Sie die Argumente der beiden Exponentialfunktionen. Welche
Bewegung beschreibt Re[r eiφ eiωt ] ?
2.2.2
Produkte trigonometrischer Funktionen
Um ein bisschen Übung mit der Eulerschen Formel zu erlangen, wollen wir einige
nützliche Formeln für trigonometrische Funktionen herleiten. Die Vorgangsweise ist
extrem einfach. Betrachten wir zwei komplexe Zahlen z1 = eiφ1 und z2 = eiφ2 mit dem
Betrag Eins. Das Produkt dieser beiden Zahlen ist offensichtlich z1 · z2 = eiφ1 · eiφ2 =
ei(φ1 +φ2 ) . Es gilt also
eiφ1 eiφ2 = (cos φ1 + i sin φ1 ) (cos φ2 + i sin φ2 ) =
ei(φ1 +φ2 ) = cos(φ1 + φ2 ) + i sin(φ1 + φ2 ) .
Damit diese Gleichung erfüllt ist, müssen der Realteil und der Imaginärteil beider
Seiten gleich sein. Wir erhalten somit
cos(φ1 + φ2 ) = cos φ1 cos φ2 − sin φ1 sin φ2
sin(φ1 + φ2 ) = cos φ1 sin φ2 + sin φ1 cos φ2 .
Aufgabe 2.8— Beweisen Sie folgende Formeln
31
(2.14)
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
2.3
sin(x + y) sin(x − y) = cos2 y − cos2 x
cos(x + y) cos(x − y) = cos2 y − sin2 x
sin x sin y = 21 [cos(x − y) − cos(x + y)]
cos x cos y = 21 [cos(x − y) + cos(x + y)]
sin x cos y = 21 [sin(x − y) − sin(x + y)]
Wurzeln von komplexen Zahlen
Zu jeder komplexen Zahl z 6= 0 existieren n verschiedene Wurzeln
ergeben sich für z = |z|eiφ als
wk =
p
φ+2kπ
n
|z| · ei n ,
√
n
z. Diese Wurzeln
k = 0, 1, . . . n − 1 .
(2.15)
√
π
Betrachten wir als Beispiel 3 i. Wir stellen zuerst i in der Eulerform i = ei 2 dar,
wobei wir |i| = 1 und φ = π2 benutzt haben. Somit gilt
w1 = 1 · e i
π/2
3
w2 = 1 · e i
(π/2+2π)
3
= ei 6
w3 = 1 · e i
(π/2+4π)
3
= ei 2 .
π
= ei 6
5π
3π
Aufgabe 2.9— Berechnen Sie die Wurzeln:
(a) w =
(b) w =
√
3
1.
q
2
1
2
+
1
2
√
3i.
Aufgabe 2.10— Zeichnen Sie die ursprüngliche Zahl z und die Wurzeln
w von der vorigen Aufgabe [(a) und (b)] in der komplexe Zahlenebene.
32
3
Differentialrechnung
In vielen Fällen ist man nicht an der Funktion selbst sondern an der Änderung der
Funktion interessiert. Beispielsweise können wir im Fall der Wurfparabel fragen, welche
Geschwindigkeit v das Teilchen nach einer gewissen Zeit besitzt. Die Geschwindigkeit
ist die Änderung des Ortes ∆z in einem Zeitintervall ∆t, d.h.
∆z
z(t + ∆t) − z(t)
=
.
(3.1)
∆t
∆t
Im Prinzip müssen wir in Glg. (3.1) aufpassen, da die Geschwindigkeit davon abhängt,
wie groß wir unser Zeitintervall ∆t wählen. In den fortführenden Vorlesungen wird
gezeigt werden, dass für genügend kleine ∆t die Geschwindigkeit v(t) einen Grenzwert
erreicht, der von der Größe von ∆t unabhängig ist. Das ist auch in der Abb. 16
gezeigt, wo v(t) aus der Glg. (1.1) für verschiedene Werte von ∆t gezeigt ist: mit
abnehmendem ∆t nähert sich die aus Glg. (3.1) berechnete Geschwindigkeit immer
mehr dem exakten Wert an. Wir werden für den Grenzübergang den Ausdruck
v(t) =
dz(t)
z(t + ∆t) − z(t)
∆z(t)
= lim
=
∆t→0
∆t→0 ∆t
∆t
dt
lim
(3.2)
verwenden, und diesen die Ableitung von z(t) nach t nennen. Der Ausdruck ∆z(t)
von
∆t
dz(t)
Glg. (3.1) wird als Differenzenquotient bezeichnet, dt als Differenzialquotient.
20
exakt
∆ t=1
∆ t=0.5
∆ t=0.1
15
10
v( t )
5
0
−5
−10
−15
−20
0
1
2
t
3
4
Abbildung 16: Geschwindigkeit, die aus der Wurfparabel (1.1) unter Zuhilfenahme des
Differenzenquotienten (3.1) für verschiedene Zeitintervalle ∆t berechnet wurde.
In der Physik sind viele Gesetze in Form von Ableitungen gegeben. So lauten beispielsweise die Newtonschen Bewegungsgleichungen
dz(t)
= v(t) ,
dt
m
33
dv(t)
=F.
dt
(3.3)
1.5
f=0
f=0.1
1
z( t )
0.5
0
−0.5
−1
−1.5
0
5
10
t
15
20
Abbildung 17: Bewegung eines Teilchens unter Einwirkung der Federkraft −kz und der
Reibungskraft −f v. In der Rechnung wurde m = 1, k = 1 und ∆t = 0.1 gewählt.
Die erste Gleichung definiert die Geschwindigkeit als zeitliche Änderung des Ortes. Die
zweite Gleichung besagt, dass die Änderung des Impulses mv durch die am Teilchen
angreifenden Kraft F bestimmt ist. Auch in der Elektrodynamik und in der Quantenmechanik werden Sie lernen, dass die grundlegenden Gleichungen in der Form von
Ableitungen gegeben sind.
Numerische Lösung von Differentialgleichungen
Bevor wir uns der Frage zuwenden, wie man Ableitungen der Form (3.2) bestimmt,
wollen wir noch kurz ein Verfahren vorstellen, das man in der Lösung von Gleichungen
der Form (3.3) am Computer verwenden kann. Wenn wir in der Glg. (3.3) anstelle der
Ableitungen die Differenzenform (3.1) nehmen, wobei ∆t genügend klein sein soll, so
erhalten wir
z(t + ∆t) − z(t)
= v(t)
∆t
v(t + ∆t) − v(t)
m
= F.
∆t
Nehmen wir an, wir kennen den Ort z(0) und die Geschwindigkeit v(0) zum Zeitpunkt
0. Wir können dann den Ort und die Geschwindigkeit zu einem späteren Zeitpunkt
berechnen, indem wir die obige Gleichung nach z(t + ∆t) und v(t + ∆t) auflösen,
z(t + ∆t) = z(t) + ∆t v(t)
F
v(t + ∆t) = v(t) + ∆t .
m
34
Betrachten wir die Kraft F = −kz −f v mit k der Feder- und f der Reibungskonstante. Der erste Beitrag −kz beschreibt eine Federkraft, wobei das Teilchen zum Punkt
z = 0 zurückgezogen wird, und zwar umso stärker je weiter es sich von z = 0 entfernt.
Der Beitrag −f v beschreibt eine Reibungskraft, bei der die Bewegung des Teilchens
gedämpft wird, und zwar umso mehr je schneller das Teilchen ist. Als Anfangsbedingungen wählen wir z(0) = 1 und v(0) = 1 (Teilchen ausgelenkt und in Ruhe) und
setzen der Einfachheit halber m = 1 und k = 1. Abb. 17 zeigt die numerische Lösung
der Bewegungsgleichungen. In Abwesenheit von Reibung, f = 0, schwingt das Teilchen zwischen den Exptrempositionen z = 1 und z = −1. Eine genauere Analyse der
Lösung zeigt, dass sich der Ort bezüglich cos(t) ändert. In Anwesenheit von Reibung
wird die Bewegung gedämpft, die zugehörige Funktion ist näherungsweise von der
f
Form e− 2 t cos(t).
3.1
Ableitung elementarer Funktionen
Im Folgenden wollen wir kurz die wichtigsten Differentiationsregeln vorstellen. Betrachten wir eine konstante Funktion y = c, wobei c eine beliebige Konstante ist. Die
Funktion hängt nicht von x ab, und demzufolge ist ihre Änderung bei Änderung von
x gleich Null. Die Ableitung konstanter Beiträge ist demzufolge Null,
f (x) = c ,
f 0 (x) = 0 ,
(3.4)
df
wobei wir die Kurzschreibweise f 0 (x) = dx
eingeführt haben. Betrachten wir als
nächstes die Gerade f (x) = kx + d. Nach unser Vorschrift (3.1) erhalten wir
k(x
+
∆x)
+
d
−
kx
+
d
∆f (x)
=
= k.
(3.5)
∆x
∆x
Die Ableitung der linearen Form (1.12) ist konstant und gleich der Steigung der
Gerade. Da dieser Ausdruck kein ∆t enthält, ist laut Glg. (3.2) der Differenzenquotient
gleich dem Differenzialquotient, und wir erhalten
f (x) = kx + d ,
f 0 (x) = k .
(3.6)
Bisher waren die Beispiele einfach. Wir wollen die Vorgehensweise bei komplizierteren
Funktion anhand von f (x) = x2 skizzieren. Setzen wir wie gewohnt den Differenzenquotienten an,
∆f (x)
(x + ∆x)2 − x2
=
= 2x + ∆x ,
∆x
∆x
35
wobei wir die quadratische Form im Zähler aufgelöst haben. Der entscheidende Punkt
ist nun der Grenzübergang lim∆x→0 , von dem wir zuvor gesprochen haben. Wenn wir
diesen machen, so verschwindet der zweite Term in der obigen Gleichung, und wir
erhalten
f (x) = x2 , f 0 (x) = 2 x .
(3.7)
Aufgabe 3.1— Leiten Sie mit Hilfe des Differenzenquotienten (3.1) und
der Grenzwertbildung ∆x → 0 die Ableitung der Funktion x3 her.
Im Prinzip kann man bei den weiteren elementaren Funktionen aus dem vorigen Kapitel genauso vorgehen, wir wollen hier nur die wichtigsten Ergebnisse präsentieren.
Um die Ableitung einer Funktion zu bilden, muss folgendes gelten.
Definitionsbereich. Die Stelle x, an der die Funktion abgeleitet wird, muss zum
Definitionsbereich gehören, d.h. x ∈ D.
Funktion stetig. Die Funktion muss an der Stelle x stetig sein. Beispielsweise
kann die Stufenfunktion (1.11) an der Stelle x = 0 nicht abgeleitet werden.
Funktion glatt. Die Funktion muss an der Stelle x genügend glatt sein, d.h.
sie darf keinen Knick haben. Diese Bedingung ist so etwas wie eine Stetigkeitsbedingung für die Ableitung: f 0 (x) darf nicht davon abhängen, wie man ∆x
gegen Null gehen lässt.
Gelten die obigen Bedingungen, so kann eine Funktion abgeleitet werden. Die Ableitungen der elementaren Funktionen lauten:
Funktion
f (x) = c
f (x) = kx
f (x) = xn
f (x) = x1n
f (x) = xc , c ∈ R
f (x) = ex
f (x) = ln(x)
f (x) = sin(x)
f (x) = cos(x)
f (x) = tan(x)
abgeleitete Funktion
f 0 (x) = 0
f 0 (x) = k
f 0 (x) = n xn−1
n
f 0 (x) = − xn+1
f 0 (x) = c xc−1
f 0 (x) = ex
f 0 (x) = x1
f 0 (x) = cos(x)
f 0 (x) = − sin(x)
f 0 (x) = cos12 (x)
36
Bemerkung
konstante Funktion
lineare Form
Potenzfunktion
rationale Funktion
Exponentialfunktion
Logarithmus
Sinus
Cosinus
Tangens
3.2
Differentiationsregeln
Meist müssen wir Ausdrücke ableiten, die aus elementaren Funktionen zusammengesetzt sind. Um solche Ableitungen durchzuführen, gibt es eine Reihe von Differentiationsregeln. Im Folgenden soll gelten, dass f (x), g(x) und h(x) beliebige Funktionen
sind, und c eine Konstante ist. Es läßt sich dann zeigen, dass folgende Regeln gelten
Funktion
g(x) = c f (x)
h(x) = f (x) + g(x)
h(x) = f (x)g(x)
h(x) = f (g(x))
abgeleitete Funktion
g 0 (x) = c f 0 (x)
h0 (x) = f 0 (x) + g 0 (x)
h0 (x) = f 0 (x)g(x) + f (x)g 0 (x)
h0 (x) = f 0 (g(x)) g 0 (x)
Bemerkung
Summenregel
Produktregel
Kettenregel
Im Prinzip kann jede Funktion abgeleitet werden, indem man die obigen Regeln sorgsam anwendet. Wir wollen einige Beispiele untersuchen:
Beispiel 3.1— Gegeben sei der Ausdruck
f (x) = sin(x) + 2 x12 .
Mit Hilfe der Summenregel erhalten wir
0 0
0
f 0 (x) = sin(x) + 2 x12 = cos(x) + 2 x12 = cos(x) + 24 x11 .
Beispiel 3.2— Gegeben sei der Ausdruck
f (x) = sin(x2 ) .
Wir benutzen die Kettenregel und leiten erst die äußere Funktion cos( . )
und dann die innere Funktion x2 ab,
0
0
2
f (x) = cos(x ) x2 = cos(x2 ) 2x .
Beispiel 3.3— Gegeben sei der Ausdruck
2
f (x) = cos(ex + 3 x) .
Wir beginnen mit der äußeren Funktion cos( . ) und leiten erst dann die
2
innere Funktion ex + 3 x ab. Bei der Ableitung der Exponentialfunktion
leiten wir wiederum zuerst die Exponentialfunktion ab, und bilden danach
37
die Ableitung des Exponenten x2 (wenn es Ihnen leichter fällt, können Sie
anstelle von ex auch exp(x) schreiben). Es folgt
2
0
0
x2
x
f (x) = − sin(e + 3 x) e + 3 x
2
2
= − sin(ex + 3 x) ex (x2 )0 + 3
2
x2
x
= − sin(e + 3 x) e 2x + 3 .
Aufgabe 3.2— Oft führt man noch zusätzlich die Quotientenregel
h(x) =
f (x)
,
g(x)
h0 (x) =
f 0 (x)g(x) − f (x)g 0 (x)
2
g(x)
ein. Leiten Sie die Quotientenregel
mit Hilfe der Produktregel ab, indem
−1
Sie h(x) = f (x) g(x)
verwenden.
Aufgabe 3.3— Benutzen Sie die Quotientenregel zur Ableitung der Funk-
tion
tan(x) =
sin(x)
.
cos(x)
Aufgabe 3.4— Berechnen Sie die Ableitung folgender Funktionen
√
(b) 2 x + 3 x3
5
(a) cos(x) + x2 + 3 x4 + 2
x
(c) cos cos(ex )
√
(e)
x2 + 6 x + 3
cos(3x2 + x)
(g)
sin(x2 )
(d) sin sin(esin(x) )
(f) ln x2 + cos(3x)
ecos(x)
(h)
tan(3x)
Aufgabe 3.5— Bestimmen Sie die Ableitung von
g(x)
h(x) = f (x)
.
3.3
Höhere Ableitungen
Eine Funktion, die bereits einmal abgeleitet wurde, ist eine Funktion f 0 (x) von x,
die selbst nun wiederum nach x abgeleitet werden kann. Voraussetzung ist wie zuvor,
38
dass f 0 (x) an der Stelle x stetig und genügend glatt sein muss. Die zweite Ableitung
lässt sich als
d2 f (x)
f 00 (x) =
(3.8)
dx2
anschreiben. Es gibt auch noch höhere Ableitungen, wie z.B. die dritte Ableitung
f 000 (x), die in manchen Fällen benötigt werden.
Die erste und zweite Ableitung können geometrisch wie folgt interpretiert werden
(siehe Abb. 18). Die erste Ableitung gibt die Steigung k = f 0 (x) der Gerade, die die
Kurve an der Stelle x tangiert. Diese Gerade wird auch als Tangente bezeichnet. Die
zweite Ableitung bestimmt den Krümmungsradius des Kreises, der sich an der Stelle
x an die Kurve anschmiegt. Es gilt, dass der Krümmungsradius umso größer ist, je
kleiner f 00 (x) ist, d.h. der Krümmungsradius und die zweite Ableitung sind zueinander
umgekehrt proportional. Wir werden die zweite Ableitung und deren geometrische
Interpretation in der folgenden Kurvendiskussion benötigen.
3
2.5
f(x)
Tangente
Krümmung
2
f( x )
1.5
1
0.5
0
−0.5
−1
0
1
2
3
4
5
x
Abbildung 18: Geometrische Interpretation der ersten und zweiten Ableitung einer Funktion.
Die erste Ableitung an der Stelle x gibt die Steigung der Tangente an die Kurve, die zweite
Ableitung bestimmt den Krümmungsradius R (eine kleine Ableitung f 00 (x) bedeutet einen
großen Radius R und umgekehrt).
3.4
Kurvendiskussion
Die Kurvendiskussion ist die Zusammenfassung aller bisher besprochener Eigenschaften einer Funktion. Üblicherweise beinhaltet sie folgende Punkte.
Definitionsmenge. Die Definitionsmenge D bestimmt, für welche Werte von x
die Funktion definiert ist. Beispielsweise hat die Funktion
39
1
x
die Definitionsmenge
D = R \ {0}.
Symmetrie (falls gefordert). Manchmal ist es nützlich zu untersuchen, ob eine
Funktion gerade oder ungerade ist.
Nullstellen. Die Nullstellen sind jene Punkte, an denen die Funktion die x-Achse
schneidet, d.h., an denen f (x) = 0 gilt. Beispielsweise hat die Funktion x2 − 1
die Nullstellen (1, 0) und (−1, 0)
Asymptoten. Die Asymptoten sind jene Geraden, an die sich die Funktion für
bestimmte x-Werte oder für große x-Werte annähert. Beispielsweise besitzt die
Funktion x1 die Asymptoten x = 0 (für |x| → 0) und y = 0 (für x → ±∞).
Extremwerte. Die Extremwerte einer Funktion sind jene Punkte, an denen die
Tangente an die Kurve die Steigung Null besitzt, d.h., an denen f 0 (x) = 0
gilt. Beispielsweise besitzt die Funktion f (x) = x2 − 2x die erste Ableitung
f 0 (x) = 2x − 2, die für x = 1 Null ist. Die Funktion besitzt daher an der Stelle
(1, −1) einen Extrempunkt.
Die Art des Extremwertes bestimmt man, indem man die zweite Ableitung an
der Stelle des Extremwertes berechnet. Es gilt
f 00 (x) < 0
f 00 (x) > 0
f 00 (x) = 0
...
...
...
Maximum,
Minimum,
Sattelpunkt.
Diese Zuordnung basiert auf der zuvor besprochenen geometrischen Interpretation der zweiten Ableitung als Krümmung der Kurve (eine positive Krümmung
entspricht einer konkaven Kurve, eine negative einer konvexen). Ein Sattelpunkt ist ein Punkt, den man im Prinzip noch genauer untersuchen sollte. Im
Folgenden wollen wir Sattelpunkte als solche anführen, ohne sie genauer zu
untersuchen. In unserem obigen Beispiel der Funktion f (x) = x2 − 2x ist die
zweite Ableitung f 00 (x) = 2, d.h. bei dem Extremwert handelt es sich um ein
Minimum.
Wendepunkte. Die Wendenpunkte sind jene Punkte, an denen die zweite Ab-
leitung gleich Null ist, d.h. f 00 (x) = 0. An diesen Stelle schneidet die Tangente
die Kurve. Das sind jene Punkte, an denen f 0 (x) einen Extremwert besitzt.
40
Graph. Der Graph einer Funktion ist die grafische Darstellung des Funktions-
verlaufes. Man erstellt ihn am besten, indem man zuerst die Nullstellen, Extremwert, Wendepunkte und Asymptoten einzeichnet und danach, falls nötig,
noch ein paar zusätzliche Punkte berechnet.
Beispiel 3.4— Diskutiert werden soll die Funktion
x2 − 4
(x − 2)(x + 2)
f (x) = 2
=
.
x −1
(x − 1)(x + 1)
Die erste Ableitung lautet unter Benutzung der Quotientenregel
f 0 (x) =
2x(x2 − 1) − 2x(x2 − 4)
6x
= 2
,
2
2
(x − 1)
(x − 1)2
die zweite Ableitung berechnet sich zu
2
2
2
6(x − 1) − 6x 2(x − 1)2x
=
(x2 − 1)4
6(x2 − 1)(3x2 + 1)
.
= −
(x2 − 1)4
f 00 (x) =
6(x2 − 1) (x2 − 1) − 4x2
(x2 − 1)4
Nun beginnen wir unsere Kurvendiskussion.
Definitionsmenge. D = R \ {−1, 1}.
Symmetrie. f (x) = f (−x), die Funktion ist gerade.
Nullstellen. NS (−2, 0), (2, 0).
Asymptoten. x = −1, x = 1, y = 1.
Extremwerte. Die erste Ableitung ist an der Stelle x = 0 gleich Null.
Die zweite Ableitung an dieser Stelle ist −6(−1)(1) = 6, es handelt
sich also um ein Minimum. Minimum (0, 4).
Wendepunkte. Die zweite Ableitung ist dann Null, wenn entweder
x2 − 1 oder 3x2 + 1 gleich Null ist. Der zweite Ausdruck kann für
reelle Zahlen nie Null werden. Der erste Ausdruck ist für x = ±1
Null. Diese Werte gehören nicht zum Definitionsbereich, es gibt also
keine Wendepunkte.
Graph. Schließlich erstellen wir den Graphen der Funktion, indem wir
zuerst die Asymptoten, Nullstellen und Extremwerte einzeichnen.
Danach skizzieren wir den ungefähren Verlauf des Graphen. Eine
exakte Berechnung liefert die Abbildung 19.
41
10
f( x )
5
f(x)
Asymptote
NS
EW
0
−5
−10
−5
0
x
5
Abbildung 19: Graph der Funktion f (x) = (x2 − 4)/(x2 − 1).
Bei Kurvendiskussionen ist es wichtig, dass man die Asymptoten, Nullstellen, Extremwerte und Wendepunkte nicht nur ausrechnet sondern auch als solche kennzeichnet
(z.B. unter Verwendung der Abkürzungen NS, EW und WP). Versuchen Sie, dies in
den folgenden Aufgaben immer einzuhalten.
Aufgabe 3.6— Bestimmen Sie für die Funktion
f (x) =
x3
+ x2 − 2x
2
den Definitionsbereich, die Nullstellen, die Extremwerte, und skizzieren
Sie die Funktion.
Aufgabe 3.7— Bestimmen Sie für die Funktion
f (x) =
x2
2x − 3
− 3x + 2
den Definitionsbereich, die Asymptoten, die Nullstellen und die Extremwerte, und skizzieren Sie die Funktion.
Aufgabe 3.8— Bestimmen Sie die Nullstellen und Extremwerte der Funk-
tion f (x) = ex sin(x) im Bereich [−2π, 2π].
42
3.5
Differenzialgleichungen
Viele Naturgesetze lassen sich als Differenzialgleichungen formulieren. Bekannte Beispiele sind die Newtonschen Bewegungsgleichungen, die Maxwellgleichungen oder die
Schrödingergleichung. Eine Differenzialgleichung ist eine Gleichung, in der Ableitungen einer Funktion auftreten, z.B.
y 0 (x) + 3y(x) − 4x = 0 .
Die Ordnung einer Differenzialgleichung ist der höchste Grad der Ableitung,
F (x, y, y 0 , . . . y (n) ) = 0 ,
...
Differenzialgleichung n-ter Ordnung .
(3.9)
Eine Lösung einer Differenzialgleichung ist jede Funktion y(x), die die Differenzialgleichung identisch erfüllt.
Aufgabe 3.9— Zeigen Sie für die Differenzialgleichung y 0 (x) + 3y(x) −
4x = 0 durch Einsetzen, dass y(x) = Ce−3x + 4( x3 − 19 ) eine Lösung ist,
wobei C eine beliebige Konstante ist.
Eine lineare Differenzialgleichung n-ter Ordnung hat die Form
y (n) (x) + an−1 y (n−1) (x) + · · · + a1 y 0 (x) + a0 y(x) = g(x) ,
(3.10)
wobei die an beliebige Koeffizienten sind. Ist g(x) = 0, spricht man von einer homogenen Differenzialgleichung, bei g(x) 6= 0 von einer inhomogenen Differenzialgleichung.
Die Lösung einer linearen homogenen Differenzialgleichung besteht aus n linear unabhängigen Funktionen y1 (x), y2 (x), . . . yn (x) und n Konstanten Ci ,
y(x) = C1 y1 (x) + C2 y2 (x) + · · · + Cn yn (x) .
Eine spezielle Lösung gewinnt man durch Einsetzen von Anfangs- oder Randbedingungen (z.B. wenn Ort und/oder Geschwindigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt
gegeben sind). Aus diesen Bedingungen können die Konstanten Ci bestimmt werden.
Die Lösung einer linearen inhomogenen Differenzialgleichung setzt sich zusammen
aus der allgemeinen Lösung der homogenen Differenzialgleichung und einer speziellen
Lösung der inhomogenen Gleichung.
43
Beispiel 3.5— Schiefer Wurf.
Wird ein Teilchen mit der Masse m in die Höhe geworfen (siehe Abb. 1),
so wirkt auf dieses Teilchen die Schwerkraft mg. Die Newtonschen Bewegungsgleichung lautet F = mz̈(t) = −mg und die entsprechende
Differenzialgleichung lautet
z̈ = −g .
Einmalige Integration liefert ż = −gt + C1 . Eine zweite Integration führt
zur allgemeinen Lösung
g
z(t) = − t2 + C1 t + C2 .
2
Die Anfangsbedingungen z(0) = 0 und ż(0) = v0 führen dann zur Lösung
g
z(t) = v0 t − t2 .
2
Beispiel 3.6— Zerfalls- und Wachstumsprozesse.
Sehr häufig ist die Stärke der Änderung einer Größe dem Wert der Größe
proportional. So gilt beispielsweise bei Bakterienwachstum, dass die Änderung der Population der Zahl der Bakterien zu einem gewissen Zeitpunkt
proportional ist. Die entsprechende Differenzialgleichung lautet
dN (t)
= λN (t) .
dt
Die Lösung dieser Differenzialgleichnung 1. Ordnung lautet N (t) = Ceλt .
Wird die Anzah zu Beginn als N (t = 0) = N0 bezeichnet, ergibt sich
N (t) = N0 eλt .
Beim radioaktiven Zerfall nimmt die Anzahl der zerfallenden Kerne ab,
der Wert von λ ist damit negativ. Dies wird durch N (t) = N0 e−λt ausgedrückt, wobei λ eine positive Zahl ist.
Beschreibt man die Entwicklung einer Bevölkerung ergibt sich mit negativem λ ein Aussterben, mit λ = 0 eine konstante Bevölkerungszahl und
mit λ > 0 ein exponentielles Wachstum.
44
Beispiel 3.7— Schwingungsgleichung.
Das Hooksche Gesetz besagt, dass die rücktreibende Kraft einer Feder
der Auslenkung proportional ist, F = mẍ(t) = −kx(t). Damit ergibt
sich für eine ideale Feder ohne Dämpfung folgende Differenzialgleichung
ẍ(t) = −
k
x(t) = −ω 2 x(t) ,
m
p
wobei ω = k/m als Eigenfrequenz bezeichnet wird. Eine allgemeine
Lösung dieser Gleichung lautet
x(t) = C1 cos(ωt) + C2 sin(ωt) .
Aufgabe 3.10— Bestimmen Sie für die Schwingungsgleichung aus dem
vorigen Beispiel die Koeffizienten C1 und C2 , wobei zu Beginn x(0) = x0
und v(0) = v0 gelten soll.
45
4
Integralrechnung
Sei die Funktion f (x) gegeben, von der wir wissen, dass sie die Ableitung einer anderen
Funktion F (x) ist. Wie können wir aus der Kenntnis der Ableitung f (x) wieder die
ursprüngliche Funktion F (x) erhalten? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich die
Integralrechnung. Wir schreiben
Z
f (x) dx = F (x) + C .
(4.1)
R
Hier bedeutet f (x) dx die Integration der Funktion f (x), F (x) ist die sogenannte
Stammfunktion, und C eine Konstante. Diese Konstante ist nötig, da beim Ableiten
der Stammfunktion
d F (x)
= f (x)
(4.2)
dx
konstante Beiträge C verloren gehen, weil (C)0 = 0. In gewisser Weise ist die Integration die Umkehrfunktion zur Differentiation.
Die Integration in Glg. (4.1) wird auch als unbestimmte Integration bezeichnet. Im
Gegensatz hierzu gibt es auch die bestimmte Integration
Z b
f (x) dx = F (b) − F (a) ,
(4.3)
a
wobei a und b die Integrationskonstanten sind. Die geometrische Interpretation der
Integration ist die Fläche, die von der Funktion f (x) und der x-Achse im Intervall
[a, b] eingeschlossen wird.
4
3.5
∫ba f(x) dx
3
b
f( x )
2.5
2
1.5
1
a
0.5
0
0
1
2
3
4
5
x
Abbildung 20: Geometrische Interpretation des bestimmten Integrals, das der Fläche entspricht, die von der Funktion f (x) (durchgezogene Linie) und der x-Achse im Intervall [a, b]
eingeschlossen wird.
46
Die Integration spielt in der Physik eine wichtige Rolle. Wie am Beginn des vorigen
Kapitels diskutiert, sind viele physikalische Gesetze in der Form von Differentialgleichungen angegeben (Newtonsche Mechanik, Elektrodynamik, . . . ). Die zugehörigen
Lösungen erhält man demnach durch Integration dieser Gleichungen (beispielsweise durch das numerische Lösungsverfahren aus dem vorigen Kapitel). Wann immer
möglich ist es günstig, wenn man die Stammfunktion explizit bestimmen kann.
Im Gegensatz zur Differentiation, bei der sich jede Funktion unter Verwendung der
im vorigen Kapitel angeführten Regeln ableiten läßt, können nicht alle Funktionen
integriert werden. Oft können sogar nur relativ wenige Funktionen in geschlossener
Form, d.h. unter Angabe der Stammfunktion F (x), integriert werden. Auch gibt es
keine klaren Regeln, wie man ein Integral berechnen soll. Im Folgenden wollen wir
einige Regeln präsentieren, die man beim Lösen von Integralen benutzen kann. Im
Laufe Ihres Studiums werden Sie noch weitere kennenlernen.
4.1
Integration elementarer Funktionen
Die Integration der elementaren Funktionen ist relativ einfach. Nachdem wir wissen,
wie die abgeleiteten Funktionen aussehen, müssen wir uns einfach die entsprechenden
Stammfunktionen suchen. Wir erhalten:
Funktion
f (x) = c
f (x) = kx
f (x) = xn
f (x) = xc , c ∈ R \ {−1}
f (x) = x1n , n 6= 1
Stammfunktion
F (x) = cx
F (x) = 12 kx2
n+1
F (x) = xn+1
c+1
F (x) = xc+1
1
F (x) = − (n−1)x
n−1
f (x) = x1
f (x) = ex
f (x) = sin(x)
f (x) = cos(x)
F (x) = ln(x)
F (x) = ex
F (x) = − cos(x)
F (x) = sin(x)
Bemerkung
konstante Funktion
lineare Form
Potenzfunktion
rationale Funktion
Exponentialfunktion
Sinus
Cosinus
Aufgabe 4.1— Überprüfen Sie die obige Tabelle, indem Sie jeweils die
Stammfunktion ableiten.
47
4.2
Integrationsregeln
Im Folgenden wollen wir die wichtigsten Integrationsregeln vorgestellt. Einige von
ihnen folgen direkt aus den Differentiationsregeln.
Multiplikation mit Konstante.
Es gilt offensichtlicherweise
Z
Z
cf (x) dx = c
f (x) dx ,
(4.4)
wobei c eine Konstante ist.
Integration von f 0 (x).
Für die Integration einer abgeleiteten Funktion gilt, wie eingangs besprochen,
Z
f 0 (x) dx = f (x) + C .
(4.5)
Summenregel.
Die Integration einer Summe von Funktionen ist gleich der Summe der integrierten Funktionen,
Z
Z
Z f (x) + g(x) dx = f (x) dx + g(x) dx .
(4.6)
Partielle Integration.
Aus der Produktregel der Differentiation folgt, dass
Z
Z
f (x)g(x) dx = f (x)G(x) − f 0 (x)G(x) dx ,
wobei G(x) die Stammfunktion von g(x) ist.
Beispiel 4.1— Integriert werden soll
R
Beispiel 4.2— Integriert werden soll
R
x ex dx. Wir setzen f (x) =
x und g(x) = ex , wobei f 0 (x) = 1 und G(x) = ex gilt. Unter
Anwendung der partiellen Integration erhalten wir
Z
Z
x
x
x e dx = xe − ex dx = (x − 1)ex + C .
ln(x)dx. Wir setzen f (x) =
ln(x) und g(x) = 1, wobei f 0 (x) = und G(x) = x gilt. Unter
Anwendung der partiellen Integration erhalten wir
Z
Z
1
ln(x) = x ln(x) −
x dx = x ln(x) − x + C .
x
1
x
48
(4.7)
R
cos2 (x)dx. Wir setzen f (x) =
cos(x) und g(x) = cos(x), wobei f 0 (x) = − sin(x) und G(x) =
sin(x) gilt. Anwenden der Produktregel liefert dann
Z
Z
2
cos (x)dx = cos(x) sin(x) + sin(x) sin(x)dx .
Beispiel 4.3— Integriert werden soll
Nun benutzen wir sin2 (x) = 1 − cos2 (x), und erhalten
Z
Z
Z
2
cos (x)dx = sin(x) cos(x) + dx − cos2 (x)dx ,
R
mit dx = x. Wir formen die Gleichung nun so um, dass wir den
R
Ausdruck cos2 (x)dx von der rechten auf die linke Seite bringen,
und erhalten schließlich das bekannte Endergebnis
Z
1
2
x + sin(x) cos(x) + C .
cos (x)dx =
2
Substitutionsregel.
Die Integration einer elementaren Funktion, deren Argument eine Funktion g(x)
ist, kann dann durchgeführt werden, wenn das Integral von der Form
Z 0
f g(x) g (x)dx = F g(x) + C ,
(4.8)
ist. Diese Regel folgt direkt aus der Kettenregel. Im Prinzip muss die Funktion
g(x) noch einige Eigenschaften erfüllen, auf die wir hier jedoch nicht näher
eingehen wollen.
Beispiel 4.4— Integriert werden soll
R
sin(2x)dx. Wir setzen g(x) =
2x, wobei g (x) = 2 gilt. Nun erweitern wir das Integral mit 2 12 = 1
und erhalten
Z
Z
1
1
sin(2x)dx =
sin(2x)2 dx = − cos(2x) + C .
2
2
R
Beispiel 4.5— Integriert werden soll cos(x2 )xdx. Wir setzen g(x) =
x2 , wobei g 0 (x) = 2x gilt. Nun erweitern wir das Integral noch mit
2 12 = 1 und erhalten
Z
Z
1
1
2
cos(x )x dx =
cos(x2 )2x dx = sin(x2 ) + C .
2
2
0
49
Partialbruchzerlegung.
Rationale Funktionen lassen sich integrieren, wenn sie zuerst in ihre Partialbrüche zerlegt werden und diese danach gliedweise integriert werden. Wir benutzen hierbei, dass

Z
für n = 1,
1
1 ln(ax + b)
(4.9)
=
1
(ax + b)n
a −
für
n
=
6
1
n−1
(n−1)(ax+b)
gilt.
Beispiel 4.6— Integriert werden soll
R
5−3x+4x2
.
(x−1)2 (x+2)
Die entsprechende
Partialbruchzerlegung wurde in Bsp. 1.8 durchgeführt. Wir erhalten
Z 2
3 2
1
+
+
dx = ln(1−x)−
+3 ln(x+2)+C .
2
x − 1 (x − 1) x + 2
x−1
Aufgabe 4.2— Berechnen Sie folgende unbestimmten Integrale
R√
3
(a)
x dx
R x3 +5x2 −4
(c)
dx
x2
R
(e)
cos(3x) dx
R
√
(g)
(x + x1 + 4 x + 1 dx
R
(b)
(2x2 − 5x + 3) dx
R x+2
(d)
dx
R x+1
1
(f)
(5 cos(3x−1)+ (x−2)
2 dx
R 2x
(h)
4e dx
Aufgabe 4.3— Berechnen Sie folgende unbestimmten Integrale mit Hilfe
der partiellen Integration
R
(a)
x sin(x) dx
R 2
(c)
x ln(x) dx
R
(e)
sin2 (x) dx
R x
(b)
xe dx
R √
(d)
x x + 1 dx
R 2 2x
(f)
x e dx
Aufgabe 4.4— Integrieren Sie die rationalen Funktionen aus Aufgabe 1.19
unter Benutzung der dort durchgeführten Partialbruchzerlegung.
50
5
Vektorrechnung
Physikalische Vorgänge müssen oft in drei Raumdimensionen beschrieben werden.
Beispielsweise gilt für die Bewegung der Planetenbahnen, dass die Position eines
Planeten zu einem bestimmten Zeitpunkt durch drei Koordinaten x(t), y(t) und z(t)
angegeben wird, wobei wir annehmen wollen, dass der Koordinatenursprung x = y =
z = 0 im Zentrum der Sonne liegt. Im Gegensatz zu der Wurfparabel (1.1), bei der
eine einzige Größe z(t) ausreichte, um die Position des Teilchens festzulegen, müssen
wir bei der Beschreibung der Planetenbahnen die Position der Planeten durch Angabe
von drei Größen charakterisieren. Eine elegantere Möglichkeit zur Beschreibung ist
durch den Vektor
 
x
 
(5.1)
~r =  y 
z
gegeben. Hier verwenden wir anstelle von x, y und z nur eine einzige Größe ~r. Besonders in der englischsprachigen Literatur ist es üblich, anstelle der Schreibweise ~r,
bei der ein Pfeil über den Variablennamen gesetzt wird, die Schreibweise r oder r
zu verwenden. Auch die Geschwindigkeit ~v ist ein Vektor in drei Dimensionen, der in
Analogie zu Glg. (3.1) definiert werden kann.
Zur Beschreibung von Vektoren werden üblicherweise eine Reihe von Begriffen verwendet, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen.
Vektoren. Vektoren sind Größen, die eine bestimmte Länge und Richtung besit-
zen. Graphisch stellen wir Vektoren durch Pfeile dar, deren Länge den Betrag
und deren Lage die Richtung darstellen. Zahlenmäßig beschreiben wir Vektoren in zwei Dimensionen (Ebene) durch Zahlenduppel (x, y) ∈ R2 und in drei
Dimensionen (Raum) durch Zahlentrippel (x, y, z) ∈ R3 . Für einen beliebigen
Vektor ~a werden wir oft die Schreibweise (a1 , a2 ) in zwei und (a1 , a2 , a3 ) in drei
Dimensionen benutzen.
Länge. Die Länge eines Vektors ~a, der auch oft als der Betrag des Vektors
bezeichnet wird, ist durch a = |~a| gekennzeichnet und ist definiert durch
q
q
2
2
2
|~a| = a1 + a2 in R ,
|~a| = a21 + a22 + a23 in R3 .
(5.2)
Einheitsvektor. Ein Einheitsvektor ~e ist ein Vektor der Länge Eins, d.h. |~e| = 1.
51
Vektorrichtung. Den Einheitsvektor ~e, der die Richtung eines Vektors beschreibt,
erhält man, indem man jede Komponente ai durch den Betrag a des Vektors
dividiert, d.h. ei = aai .
Nullvektor. Der Nullvektor ~0 ist gegeben durch
~0 =
0
0


0

~0 = 
 0  in R3 .
0
!
in R2 ,
(5.3)
Koordinatensystem. Ein Koordinaten- oder Bezugssystem ist durch Angabe des
Ursprungs ~0 sowie der Richtungen der zwei (Ebene) bzw. drei (Raum) Raumachsen bestimmt. Beispielsweise können wir in einem Zimmer eine Ecke als
Nullpunkt ~0 definieren und die drei Raumachsen in Richtung der von der Ecke
ausgehenden Kanten des Zimmers legen.
Ortsvektor. Der Ortsvektor ist ein Vektor, der vom Ursprung ~0 des Bezugssy-
stems zu einem bestimmten Punkt im Raum zeigt. Er bezeichnet damit den
Ort des Punktes im Raum. Beispielsweise ist der Ort ~r in Glg. (5.1) ein Ortsvektor, während die Geschwindigkeit ein beliebiger Vektor ist, der nur durch
seine Länge und Richtung definiert ist.
Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für Vektoren in zwei Dimensionen.
y
O
:
~v
1
1
~r
/
~0 •
x
Abbildung 21: Beispiel für Vektoren. ~r bezeichnet einen Ortsvektor, der vom Ursprung zu
dem Punkt zeigt. Der Ortsvektor ist fixiert und kann nicht verschoben werden. ~v ist die
Geschwindigkeit. Der Vektor ~v ist nicht fixiert und kann parallel verschoben werden.
52
5.1
Rechenregeln für Vektoren
Es gibt eine Reihe von Rechenregeln für Vektoren, die wir im Folgenden kurz anführen
wollen. Der Einfachheit halber werden wir, bis auf eine Ausnahme (Normalvektor),
nur Vektoren in drei Dimensionen untersuchen. Die Einschränkung für Vektoren in
der Ebene ist offensichtlich.
Addition. Zwei Vektoren ~a und ~b werden addiert, indem man die jeweiligen
Komponenten addiert,

 
 

a1
b1
a1 + b 1

 
 

~a + ~b =  a2  +  b2  =  a2 + b1  .
a3
b3
a3 + b 3
(5.4)
Subtraktion. Zwei Vektoren ~a und ~b werden subtrahiert, indem man die jewei-
ligen Komponenten subtrahiert,

 
 

a1 − b 1
b1
a1

 
 

~a − ~b =  a2  −  b2  =  a2 − b1  .
a3 − b 3
b3
a3
(5.5)
Multiplikation mit Zahl. Ein Vektor ~a wird mit einer Zahl c multipliziert, indem
man die jeweiligen Komponenten mit c multipliziert,

 

c a1
a1

 

c ~a = c  a2  =  c a2  .
c a3
a3
(5.6)
Beispiel 5.1—
Bestimmt werden soll der Einheitsvektor der Richtung
2
−2
1
p
22 + (−2)2 + 1 =
2/3
~a
3. Der Einheitsvektor ist gegeben durch ~e = |~a| , d.h. ~e = −2/3 .
von ~a =
. Der Betrag des Vektors ist |~a| =
1/3
Beispiel
5.2— Ein Teilchen, das sich zum Zeitpunkt 0 am Ort
~r =
1
1
0
befindet, bewegt sich mit der Geschwindigkeit ~v =
2
0
1
.
Wo befindet es sich zum Zeitpunkt 2. Der neueOrt~r0 läßt
sich
1+2·2
5
gemäß ~r0 = ~r + t ~v berechnen, d.h. ~r0 = 1 + 2 · 0 = 1 .
0+2·1
53
2
Skalarprodukt. Das Skalarprodukt ordnet zwei Vektoren eine Zahl zu. In zwei
bzw. drei Dimensionen ist es definiert als
~a · ~b = |~a| |~b| cos α = a1 b1 + a2 b2
~a · ~b = |~a| |~b| cos α = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 ,
(5.7)
mit α dem Winkel, der von den beiden Vektoren ~a und ~b eingeschlossen wird.
Geometrisch kann man das Skalarprodukt als Projektion des einen Vektors auf
den anderen interpretieren. Das Skalarprodukt ist kommutativ und distributiv,
d.h. es gilt
~a · ~b = ~b · ~a
~a · (~b + ~c) = ~a · ~b + ~a · ~c .
(5.8)
(5.9)
Das Skalarprodukt kann verwendet werden um festzustellen, ob zwei Vektoren
senkrecht aufeinander stehen. In diesem Fall gilt cos 90◦ = 0 und es folgt
~a · ~b = 0.
:
~a
α
/
~b
~a·~b
|~b|
Abbildung 22: Skalarprodukt von zwei Vektoren ~a und ~b. Geometrisch entspricht es der
Projektion des Vektors ~a auf den Vektor ~b (oder umgekehrt).
Normalvektor in der Ebene.
Weiter unten werden wir einen Vektor in der Ebene benötigen, der normal
(senkrecht) auf einen beliebigen Vektor ~a stehen soll. Offensichtlich erfüllt dies
der Vektor
!
a2
,
(5.10)
~n =
−a1
da ~a · ~n = 0 gilt, d.h. ~a und ~n stehen senkrecht aufeinander.
54
Vektorprodukt. Im Dreidimensionalen gibt es zusätzlich zum Skalarprodukt
noch das Vektorprodukt, das definiert ist durch


a2 b 3 − a3 b 2


~a × ~b =  a3 b1 − a1 b3  .
a1 b 2 − a2 b 1
(5.11)
Der Vektor ~a × ~b steht sowohl senkrecht auf ~a als auch ~b, und seine Länge ist
gleich |~a| |~b| sin α. Geometrisch entspricht diese Länge der Fläche des Parallelogramms, das von den Vektoren ~a und ~b aufgespannt wird. Das Vektorprodukt
ist nicht kommutativ aber dafür distributiv. Es gilt
~a × ~b = −~b × ~a
~a × (~b + ~c) = ~a × ~b + ~a × ~c .
(5.12)
Aufgabe 5.1— Zeigen Sie mit Hilfe des Skalarproduktes, dass ~a ×~b senk-
recht auf ~a und ~b steht. Zeigen Sie, dass die Rechenregeln (5.12) gelten
und dass ~a × ~a = 0 gilt.
3
−6
Aufgabe 5.2— Bestimmen Sie die Winkel α, β, γ, die der Vektor
2
mit den Koordinatenachsen bildet.
Aufgabe 5.3— Zeigen Sie, dass die Vektoren
3
−2
1
,
1
−3
5
und
2
1
−4
ein rechtwinkliges Dreieck bilden. Zeigen Sie zuerst, dass die drei Vektoren
ein Dreieck bilden und dann, dass dieses Dreieck rechtwinkelig ist.
5.2
Geradengleichung
Eine Gerade kann durch einen Punkt P~ der Gerade und den Richtungsvektor ~a festgelegt werden. Alle Punkte der Gerade können dann mit Hilfe des Parameters λ gemäß
~x = P~ + λ ~a ,
λ∈R
(5.13)
bestimmt werden. Die Form (5.13) wird auch als Parameterform bezeichnet. Sie ist
in zwei und drei Dimensionen gültig.
Aufgabe 5.4— Stellen Sie eine Gerade auf, die durch den Punkt P =
(1, 3, 2) geht und: (a) parallel zur x-Achse ist, (b) normal auf die xyEbene steht, (c) durch den Punkt Q = (−2, 4, 1) geht.
55
In zwei Dimensionen können wir eine weitere Form für die Geradengleichung finden.
Gleichung (5.13) ist von der Form
!
!
!
x
P1
a1
=
+λ
.
y
P2
a2
Multiplizieren wir beide Seiten dieser Gleichung mit dem Normalvektor von ~a, so
erhalten wir
a2 x − a1 y = a2 P 1 − a1 P 2 .
(5.14)
Diese Gleichung ist von der früher verwendenten Form (1.12). Da in ihr der Parameter
λ nicht mehr vorkommt, wird sie als parameterfreie Form bezeichnet.
Aufgabe 5.5— Vergleich Sie die Gleichungen (5.14) und (1.12). Drücken
Sie k und d durch a1 , a2 , P1 , P2 aus.
Aufgabe 5.6— Ermitteln
Sie die parameterfreie
Form
der
Geradenglei
2
−5
chung für (a) ~x =
5.3
+λ
−3
4
, (b) ~x =
3
1
+λ
0
2
.
Ebenengleichung
Eine Ebene in drei Dimensionen kann durch einen Punkt P~ und zwei Vektoren ~a und
~b, die nicht parallel sein dürfen, aufgespannt werden. Mit Hilfe der beiden Parameter
λ und µ kann jeder Punkt der Ebene durch
~x = P~ + λ ~a + µ ~b
λ, µ ∈ R
(5.15)
angeschrieben werden. Diese Form wird als Parameterform der Ebene bezeichnet. Um
zu einer parameterfreien Form zu gelangen, multiplizieren wir beide Seiten mit dem
Normalvektor ~n = ~a × ~b, und erhalten
n1 x + n2 y + n3 z = ~n · P~ .
(5.16)
Aufgabe 5.7—
der Ebene, die durch
Bestimmen
Sie die Parameterform
die Punkte
3
−2
1
,
1
−3
5
und
2
−1
4
freie Form aus?
56
geht. Wie sieht die parameter-
5.4
Zeitabhängige Vektoren
In vielen Fällen beschreibt ein Vektor die Bewegung eines Teilchens in zwei oder drei
Dimensionen. Wir schreiben dann


x(t)


~r(t) =  y(t) 
(5.17)
z(t)
um anzudeuten, dass der Vektor ~r(t) und seine kartesischen Komponenten von der
Zeit t abhängen. Eine geradlinige Bewegung wird beispielsweise durch
~r(t) = ~r0 + ~v0 t
(5.18)
beschrieben, wobei ~r0 der Ort zum Zeitpunkt Null und ~v0 die Geschwindigkeit des
Teilchens darstellt.
Aufgabe 5.8— Wie beschreibt man die Wurfparabel, bei der das Teilchen
vom Ort ~0 mit der Geschwindigkeit ~v losgeworfen wird?
Aufgabe 5.9— Welche Bewegung wird durch x(t) = r cos ωt, y(t) =
r sin ωt und z(t) = 0 beschrieben? Welche durch x(t) = r cos ωt, y(t) =
r sin ωt und z(t) = λt?
Zeitabhängige Vektoren können differenziert werden, indem man jede Komponente
gesondert ableitet. Man schreibt


ẋ(t)


~v (t) = ~r˙ (t) =  ẏ(t)  .
(5.19)
ż(t)
Hier haben wir die Geschwindigkeit ~v (t) des Teilchens eingeführt.
Beispiel 5.3— Berechnet
werden soll die Geschwindigkeit für die Bahn1 + 2t
−3 − 2 t
5 − 2 t2
. Mit ẋ(t) = 2, ẏ(t) = −2 und ż(t) = −4 t
2
−2
erhalten wir ~v (t) =
.
kurve ~r(t) =
−4 t
Aufgabe 5.10— Bestimmen Sie die Geschwindigkeit ~v (t) für die Bahn-
kurve ~r(t) aus der vorigen Aufgabe.
57
6
Tests der letzten Jahre
Auf den folgenden Seiten finden Sie zum Üben einige Tests aus vergangenen Jahre.
58
Test 2002a
1. (40 P) Bestimmen Sie für die Funktion
f (x) =
x2
2x − 3
− 3x + 2
Definitionsmenge, Nullstellen, Extremstellen, Asymptoten und skizzieren Sie die
Funktion. (es gilt limx→±∞ f (x) = 0).
2. (25 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
√
f (x) = e
f (x) =
x2 +1
sin(3x) ,
x
cos √xe3 +2 ,
f 0 (x) = ?
f 0 (x)
= ?
3. (10 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke, wobei a, b und c positive reelle
Zahlen sind:
1
1
e 2 lnb+ 2 lne = ?
ea
ln c b
= ?
e
4. (25 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale:
Z
Z
2
dx x2 cos(2x) = ?
√
dx x2 x3 + 1 = ?
0
59
Test 2002b
1. (30 P) Betrachten Sie die Funktion
1
1
f (x) = e− 2 x sin( x)
2
im Intervall x ∈ [0, 4π]. Bestimmen Sie die x-Werte, für die gilt:
a) f (x) = 0;
b) f 0 (x) = 0;
c) f 00 (x) = 0,
und skizzieren Sie f (x) (es gilt e−1 ≈ 0.37).
2. (20 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
f (x) = cos
f (x) =
√
f 0 (x) = ?
x2 + 1e3x ,
2
sin xex ,
f 0 (x) = ?
3. (10 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke, wobei a, b und c positive reelle
Zahlen sind:
ln(aebc ) = ?
1
e 3 ln e+ln(ab) = ?
4. (30 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale:
Z
Z
dx
dx x2 e3x
3
= ?
1 − 7x
= ?
(x − 1)(x2 − x − 6)
60
Test 2003
1. (40 P) Bestimmen Sie für die Funktion
f (x) =
2x
−4
x2
Definitionsmenge, Nullstellen, Extremstellen, Wendestellen, Asymptoten und
skizzieren Sie die Funktion. (Beachten Sie: limx→±∞ f (x) = 0).
2. (25 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
2x2
f (x) = x sin e
cos(2x)
x2 +ex
f (x) =
,
,
f 0 (x) = ?
f 0 (x) = ?
3. (10 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke, wobei a, b und c positive reelle
Zahlen sind:
ln a −b lnc = ?
ea
c ln b
= ?
e
4. (25 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale:
Z
√
dx x 3x2 + 4 = ?
Z
dx e2x cos x = ?
61
Test 2005a
1. (30 P) Bestimmen Sie für die Funktion
x2
f (x) =
(x − 1)(x + 2)
Definitionsmenge, Nullstellen, Extremstellen und Art der Extremstellen (Minimum, Maximum oder Sattelpunkt), Asymptoten und skizzieren Sie die Funktion. (Beachten Sie: limx→±∞ f (x) = 1).
2. (20 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
f (x) = x2 tan x ,
ln(2x)
,
f (x) = 2
x + ex
f 0 (x) = ?
f 0 (x) = ?
3. (20 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke:
ln(1 + x) − 3 ln(1 − x) = ?
(ex )2 e2 = ?
e− ln 5 = ?
4. (30 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale (15 P):
Z
Z
x2 e−x dx = ?
cos 2x2 x dx = ?
Berechnen Sie mit Hilfe der Partialbruchzerlegung (15 P):
Z
5 x2 − 9 x − 2
dx = ?
(x − 1)2 (x + 2)
62
Test 2005b
1. (30 P) Bestimmen Sie für die Funktion
x2
f (x) =
(x − 2)(x + 2)
Definitionsmenge, Nullstellen, Extremstellen und Art der Extremstellen (Minimum, Maximum oder Sattelpunkt), Asymptoten und skizzieren Sie die Funktion. (Beachten Sie: limx→±∞ f (x) = 1).
2. (20 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
f (x) = tan(x2 ) ,
sin(2x)
,
f (x) =
x2 + 2
f 0 (x) = ?
f 0 (x) = ?
3. (20 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke:
ln(1 + x2 ) − 2 ln(1 − x2 ) = ?
(ex )3 e−2 = ?
e−2 ln 5 = ?
4. (30 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale (15 P):
Z
Z
x2 cos(2x) dx = ?
sin 2x3 x2 dx = ?
Berechnen Sie mit Hilfe der Partialbruchzerlegung (15 P):
Z
5 x2 + 16 x + 15
dx = ?
(x + 1)(x + 2)2
63
Test 2006a
1. (30 P) Bestimmen Sie für die Funktion
x2
f (x) =
(x − 3)(x + 1)
Definitionsmenge, Nullstellen, Extremstellen und Art der Extremstellen (Minimum, Maximum oder Sattelpunkt), Asymptoten und skizzieren Sie die Funktion. (Beachten Sie: limx→±∞ f (x) = 1).
2. (20 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
f (x) = x7 (cos(2x))2 ,
sin(2x2 )
f (x) =
,
x3
f 0 (x) = ?
f 0 (x) = ?
3. (20 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke:
ln(x2 ) + 3 ln(x − 2) = ?
x
e2x e5x = ?
3x e3 = ?
4. (30 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale (15 P):
Z
Z
(2x)2 sin(2x) dx = ?
x2 cos 2x3 x2 dx = ?
Berechnen Sie mit Hilfe der Partialbruchzerlegung (15 P):
Z
3 x2 − 11 x + 4
dx = ?
(x + 1)(x − 2)2
64
Test 2006b
1. (30 P) Bestimmen Sie für die Funktion
x2
f (x) =
(x + 2)(x − 1)
Definitionsmenge, Nullstellen, Extremstellen und Art der Extremstellen (Minimum, Maximum oder Sattelpunkt), Asymptoten und skizzieren Sie die Funktion. (Beachten Sie: limx→±∞ f (x) = 1).
2. (20 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
f (x) = x3 tan(2x) ,
2
cos(2x
√ ),
f (x) =
x
f 0 (x) = ?
f 0 (x) = ?
3. (20 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke:
ln(x5 ) − 7 ln(x + 1) = ?
x
e3x e−5x = ?
xx e 3 = ?
4. (30 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale (15 P):
Z
Z
2
x3 ex dx = ?
sin(2x)(2x)2 dx = ?
Berechnen Sie mit Hilfe der Partialbruchzerlegung (15 P):
Z
−3 x2 + 11 x − 2
dx = ?
(x − 1)2 (x + 2)
65
Test 2007
1. (30 P) Führen Sie für die Funktion
f (x) =
3 + 5x
(x + 1)(x2 − 1)
(a) die Partialbruchzerlegung durch und bestimmen Sie die (b) Definitionsmenge, (c) Asymptoten (es gilt: limx→±∞ f (x) = 0), (d) Nullstellen, (e) Extremstellen, und (f) skizzieren Sie die Funktion im Intervall x ∈ [−2, 2].
2. (20 P) Berechnen Sie die 1. Ableitung folgender Funktionen:
(a)
f (x) = sin (cos (tan (x))) ,
(b)
x
f (x) = e 3 ,
x
f 0 (x) = ?
2
f 0 (x) = ?
3. (20 P) Vereinfachen Sie die folgenden Ausdrücke:
(a)
ln(x − 1) − 2 ln(x + 1) = ?
(b)
xx e−x = ?
Bestimmen Sie den Realteil und Betrag von
eix + ei(x+y)
(c)
4. (30 P) Berechnen Sie die folgenden zwei Integrale (15 P):
Z
x e−2x dx = ?
Z
3 + 5x
dx = ?
(x + 1)(x2 − 1)
(a)
(b)
2
Tipp für (b): Benutzen Sie die Partialbruchzerlegung aus Beispiel 1.
Lösen Sie die Differentialgleichung (15 P):
(c)
y 0 (x) = −y(x) + x2
66
y(0) = 1
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