Präsenzübung 09 Lösungsskizzen

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Lösungsskizzen zur Präsenzübung 09
Hilfestellung zur Vorlesung Anwendungen der Mathematik
im Wintersemester 2015/2016
Fakultät für Mathematik
Universität Bielefeld
Veröffentlicht am 07. Februar 2016 von:
Mirko Getzin
E-Mail: [email protected]
Homepage: https://www.math.uni-bielefeld.de/~mgetzin/
Tutor zur Vorlesung Anwendungen der Mathematik im Wintersemester 2015/2016.
Keine Gewähr auf vollständige Richtigkeit und Präzision aller (mathematischen) Aussagen. Das
Dokument hat lediglich den Anspruch, eine Hilfestellung beim Verständnis der Vorlesungsinhalte darzustellen und Lösungsideen für die Aufgaben möglichst vollständig (bis auf Ausnahmen)
zu skizzieren.
Eine Veröffentlichung oder Vervielfältigung ist nur nach Rücksprache mit dem Urheber dieses
Dokuments erlaubt. Angehängt befindet sich das Aufgabenblatt, sowie der pdf-Ausdruck von
gegebenenfalls verwendeten Tabellenblättern. Die Tabellenblätter sind im ods-Format auf der
angegebenen Homepage zu finden.
1
Lösungsskizzen
Lösung zur Aufgabe 1 (Erwartungswerte transformierter Zufallsvariablen).
Wir können für Erwartungswerte diverse Rechenregeln finden, welche vor allem das Berechnen
von Erwartungswerten transformierter Zufallsvariablen erleichtert. Diese sind für Zufallsvariablen X, Y mit Erwartungswerten E(X), E(Y ):
E(f (X)) =
X
f (x)∈f (X(Ω))
f (x) · P(X = x),
(1)
E(aX + bY ) = aE(X) + bE(Y ) für a, b ∈ R,
X
E(X 2 ) =
x2 · P(X = x),
(2)
E(XY ) = E(X) · E(Y ), falls X und Y stochastisch unabhängig.
(4)
(3)
x∈X(Ω)
Die aufmerksamen Lesenden erkennen, dass die dritte Formel ein Spezialfall der ersten Formel
ist und dass die zweite Formel der Linearität des Erwartungswertes entspricht.
Wir haben die Verteilung einer Zufallsvariable X mit Realisierungen −2, 0, 1, 10 gegeben. Wir
erweitern die Tabelle um Realisierungen der Transformierten Zufallsvariablen Y = 3 − X und
Z = X 2:
x
-2
0
1
10
y =3−x
5
3
2
-7
4
0
1
100
z = x2
P(X = x)
0,2 0,3 0,1
0,4
Nun erkennen wir aus den obigen Formeln, dass die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von
Realisierungen gleich bleibt, das heißt es gilt
P(X = x) = P(Y = y) = P(Z = z).
(5)
Mittels dieser Erkenntnis liefert uns die Definition des Erwartungswertes nun folgende Rechnungen (und Ergebnisse):
2
X
E(X) =
x∈X(Ω)
X
E(Y ) =
y∈Y (Ω)
x · P(X = x) = (−2) · 0, 2 + 0 · 0, 3 + 1 · 0, 1 + 10 · 0, 4 = 3, 7,
y · P(Y = y) =
E(Z) = E(X 2 ) =
X
x∈X(Ω)
X
(3 − x) · P(X = x) = 5 · 0, 2 + 3 · 0, 3 + 2 · 0, 1 + (−7) · 0, 4 = −0, 7,
x∈X(Ω)
x2 · P(X = x) = 4 · 0, 2 + 0 · 0, 3 + 1 · 0, 1 + 100 · 0, 4 = 40, 9.
Alternativ können wir uns die Rechnungen per Definition sparen und die obigen Transformationsformeln nutzen. So liefert uns die Linearität (a = −1, b = 3, Y = 1 = const.) des
Erwartungswerts beispielsweise auch die kurze Rechnung
E(Y ) = E(3 − X) = 3 − E(X) = 3 − 3, 7 = −0, 7
Für Interessierte: Man kann bei Kenntnis des Erwartungswerts und der Varianz von X über
den Satz von Steiner sehr leicht den Erwartungswert von X 2 berechnen. Das ist eine einfache
Umstellung der Gleichung im Satz von Steiner.
Für Interessierte2 : Warum kann man im Allgemeinen nicht E(X 2 ) = E(X · X) = E(X) · E(X) =
E(X)2 rechnen? Antwort: X ist immer zu sich selbst stochastisch abhängig. Was müsste für X
gelten, damit trotzdem die Gleichung E(X 2 ) = E(X)2 gilt? Denkt an die Varianz...
Lösung zur Aufgabe 2 (Binomialverteilte Zufallsvariable).
In dieser Aufgabe haben wir offenbar eine binomialverteilte Zufallsvariable X gegeben, wobei
die Parameter der Binomialverteilung n = 8 und p = 0, 09 sind. Sobald diese Parameter bekannt
sind, lässt sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung von X als Binomialverteilung sofort aufstellen:
n k
8
n−k
P(X = k) =
p (1 − p)
=
· 0, 09k · 0, 918−k .
k
k
(6)
Hierbei beschreibt n nun den Stichprobenumfang, das heißt die Anzahl der durchgeführten
“Ziehungen“, wenn wir das Experiment im Urnenmodell interpretieren. Weiter bezeichnen p =
0, 09 die “Erfolgswahrscheinlichkeit“, das heißt jene Wahrscheinlichkeit für das Ziehen einer
bestimmten Sorte von Kugeln im Urnenmodell. Unser “Erfolg“ ist hier das Ziehen eines defekten
Netzteils. Für k setzen wir die Anzahl der Erfolge ein, welche wir bei n-facher Ziehung erhalten
möchten.
Motivation der Verteilung: Die Struktur der Binomialverteilung lässt sich am Baumdiagramm
veranschaulichen. So ist nk gerade die Anzahl aller Pfade im n-stufigen Baumdiagramm, wo
3
genau k Erfolge eintreten. Das Baumdiagramm weist in jeder Stufe nur eine Unterscheidung
zwischen zwei Zuständen auf, nämlich Erfolg und Misserfolg. Das Produkt pk (1 − p)n−k entspricht schließlich der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines dieser Pfade mit k Erfolgen
und n-k Misserfolgen. Zusammen ergibt sich durch Summation über alle Pfade mit k Erfolgen
und n-k Misserfolgen die obige Wahrscheinlichkeitsverteilung als Binomialverteilung.
a) Dass alle Netzteile in unserer Stichprobe (nach 8 Tagen) sofort funktionieren, entspricht in
unserer Modellierung dem Ereignis {X = 0}, also dem Ziehen von 0 defekten Netzteilen. So
erhalten wir
8
P(X = 0) =
· 0, 090 · 0, 918−0 = 0, 918 .
0
Weiter betrachten wir nun das Ereignis {X ≥ 3}, also jenes Ereignis, dass mindestens 3 Netzteile
in der Stichprobe (nach 8 Tagen) defekt sind. Wir berechnen
P(X ≥ 3) =
8 X
8
k=3
k
· 0, 09k · 0, 918−k
und stellen fest, dass wir eine Summe über 6 längliche Summanden berechnen müssen. Hier
verschafft uns die Komplementbildung einen Rechenvorteil, da im Komplement weniger Summanden enthalten sind. Somit erhalten wir
P(X ≥ 3) = 1 − P(X < 3) = 1 − P(X ≤ 2) = 1 − (P(X = 0) + P(X = 1) + P(X = 2)).
Dieser Ausdruck lässt sich nun mit der Formel der Binomialverteilung sofort berechnen. Dies
sei den Lesenden selbst überlassen.
b) Für eine zu den Parametern n und p binomialverteilte Zufallsvariable X lässt sich der
Erwartungswert und die Varianz äußerst leicht berechnen, ohne dass eine längliche Rechnung
über die Definitionen nötig ist. So gilt
E(X) = n · p und V(X) = n · p · (1 − p).
(7)
Wir bemerken, dass wir den Erwartungswert und die Varianz natürlich in Abhängigkeit der
beiden Parameter n und p der Binomialverteilung berechnen können.
Im spezifischen Aufgabenkontext gilt also E(X) = np = 8·0, 09 = 0, 72 und V(X) = np(1−p) =
0, 72 · 0, 91 = 0, 6552. Diese Ergebnisse sind so zu interpretieren, dass im Mittel 0,72 defekte
4
Netzteile bei der Stichprobe (nach 8 Tagen) gezogen werden. Es ist also zu erwarten, dass
die Anzahl defekter Netzteile in der Stichprobe gering ist. Dies deckt sich mit der geringen
Wahrscheinlichkeit von 0,09, um überhaupt ein defektes Netzteil zu ziehen. Die Varianz besagt,
dass die erwartete Abweichung vom Erwartungswert 0,6552 beträgt. Im Mittel schwankt die
Ziehung also zwischen fast 0 und etwa 1,35 defekten Netzteilen. An dieser Schwankung erkennt
man, dass es bereits sehr unwahrscheinlich ist, überhaupt 2 defekte Netzteile in der Stichprobe
zu erhalten. Tatsächlich beträgt diese Wahrscheinlichkeit weniger als 0,06.
Lösung zur Aufgabe 3 (Abschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten).
In dieser Aufgabe geht es um die Abschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten mittels der
Chebyshev-Ungleichung. Dabei bezeichnet die Eintrittswahrscheinlichkeit jene Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von Realisierungen x von einer Zufallsvariable X innerhalb eines zentrierten Intervalls der Länge 2ε um den Erwartungswert E(X) von X.
In seiner Grundform
V(X)
(8)
ε2
gibt die Chebyshev-Ungleichung eine obere Schranke für die Wahrscheinlichkeit an, dass RealiP(|X − E(X)| ≥ ε) ≤
sierungen x von X außerhalb des oben genannten Intervalls um den Erwartungswert angenommen werden. Durch Komplementbildung und Berechnung der Komplementärwahrscheinlichkeit
erhalten wir jedoch eine untere Schranke der gesuchten Eintrittswahrscheinlichkeiten gemäß
V(X)
.
ε2
Diese letzte Form der Chebyshev-Ungleichung nutzen wir innerhalb dieser Aufgabe.
P(|X − E(X)| < ε) = 1 − P(|X − E(X)| ≥ ε) ≥ 1 −
(9)
Es sei nun X eine Zufallsvariable mit E(X) = 5 und V(X) = 0, 12. Dann gilt:
P(|X − 5| < 0, 5) = P(|X − E(X)| < ε)
V(X)
ε2
0, 12
=1−
= 1 − 0, 48 = 0, 52.
0, 52
≥1−
Hierbei haben wir 5 als Erwartungswert von X und 0,5 als halbe Intervalllänge ε identifizieren
und die Ungleichung (9) angewandt. Das Ergebnis ist nun so zu interpretieren, dass die Zufallsvariable X Werte zwischen 4,5 und 5,5 (also 0,5 entfernt vom Erwartungswert 5) mit einer
Wahrscheinlichkeit von mindestens 0,52 annimmt.
5
Nun berechne zuletzt:
P(3 < X < 6) = P(5 − 2 < X < 5 + 1) = P(−2 < X + 5 < 1) = P(−2 < X + E(X) < 1)
≥ P(−2 < X + E(X) < 2) = P(|X + E(X)| < 2)
V(X)
22
0, 12
= 1 − 0, 03 = 0, 97
=1−
4
≥1−
Hierbei mussten wir vor der Anwendung von Chebyshev zunächst ein Intervall finden, welches
zentriert um den Erwartungswert liegt und unter Berücksichtigung der Monotonie (P(A) ≤
P(B), falls A ⊆ B) die richtige Ungleichungsrichtung liefert. Hierzu haben wir das Intervall
von -2 bis 1 erweitert zum Intervall von -2 bis 2, so entstand die erste Ungleichung. Die zweite
Ungleichung entstand dann durch die Anwendung von Chebyshev gemäß Ungleichung (9) mit
ε = 2.
Das Ergebnis der letzten Rechnung erst derart zu interpretieren, dass die Zufallsvariable X zu
einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 0,97 Realisierungen x im Bereich von 3 bis 6 annimmt.
Wichtig: Es handelt sich hier nur um Abschätzungen der Wahrscheinlichkeiten! Die genauen
Wahrscheinlichkeiten für die Ereignisse können nur bei gegebener Verteilung von der Zufallsvariable X explizit berechnet werden.
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Universität Bielefeld
G. Elsner
Wintersemester 2015/16
Präsenzübungen zur Vorlesung
Anwendungen der Mathematik
Blatt 9
Aufgabe 1
Gegeben sei die Zufallsvariable X mit der folgenden Wahrscheinlichkeitsverteilung:
x
P (X = x)
-2
0,2
0
0,3
1
0,1
10
0,4
Berechnen Sie den Erwartungswert und die Varianz von X, von Y := 3 − X und von Z := X 2 .
Aufgabe 2
Von der Produktion eines Netzteils ist bekannt, dass ca. 9 % der Netzteile nicht auf Anhieb funktionsfähig sind. Im Rahmen einer Qualitätskontrolle zieht der Hersteller eine Stichprobe, indem er
an acht aufeinander folgenden Tagen (zu einem zufälligen Zeitpunkt) jeweils ein Netzteil der Produktion entnimmt. Sei X die zufällige Anzahl der Netzteile in der Stichprobe, die nicht auf Anhieb
funktionieren. Die Art und Weise, wie die Stichprobe gezogen wird, rechtfertigt die Annahme, dass
X binomialverteilt ist.
a) Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass
• alle Netzteile in der Stichprobe sofort funktionieren;
• mindestens 3 Netzteile in der Stichprobe nicht sofort funktionsfähig sind.
b) Berechnen Sie die erwartete Anzahl Netzteile in der Stichprobe, die nicht auf Anhieb funktionieren. Wie groß ist die Varianz?
Aufgabe 3
Eine Zufallsvariable X habe den Erwartungswert 5 und die Varianz 0,12. Geben Sie eine nichttriviale, untere Schranke für die folgenden Wahrscheinlichkeiten an!
P (|X − 5| < 0, 5),
P (3 < X < 6)
Hinweis: Verwenden Sie die Chebyshev-Ungleichung.
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