LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Gerontopsychiatrische Erkrankungen Querschnittsfach: Medizin des Alterns und des alten Menschen Tillmann Supprian Abt. Gerontopsychiatrie LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Bergische Landstr. 2 40629 Düsseldorf Wintersemester 2012 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Gliederung der Vorlesung Teil I • Die demografische Entwicklung • Versorgungsstrukturen für ältere psychisch kranke Menschen Teil II Wichtige gerontopsychiatrische Krankheitsbilder • affektive Erkrankungen (Depressionen) • Suizidalität im Alter • paranoide Syndrome im höheren Lebensalter • Demenzerkrankungen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Teil I Versorgungsstrukturen für psychisch kranke ältere Menschen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Die demografische Entwicklung • in der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 81 Mio Einwohner • davon leiden ca. 1.4 Mio an einer Demenz (Prävalenz) • jedes Jahr wird die Zahl der Neuerkrankungen auf 300.000 Menschen geschätzt (Inzidenz) • Schätzung: 2050 ca. 3 Mio Menschen mit einer Demenz • da die Sterbefälle niedriger als die Neuerkrankungsrate liegt, wächst die Zahl der Demenzkranken jedes Jahr um ca. 40.000, das entspricht > 100 pro Tag • in NRW leben ca. 300.000 Demenzpatienten • in Düsseldorf leben ca. 10.000 – 12.000 Demenzpatienten LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Beratung, soz. Kontakte, Betreuung Behandlung Wohnen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Ein „Gerontopsychiatrischen Zentrum (GPZ)“ - die Abteilung Gerontopsychiatrie am LVRKlinikum in Düsseldorf Institutsambulanz mit Gedächtnissprechstunde Tagesklinik im Tagesklinik- und Ambulanzzentrum Stationärer Bereich mit 81 Betten auf 4 Stationen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Die demografische Ausgangssituation in Düsseldorf • wachsender Anteil älterer Menschen an der Bevölkerungs-zusammensetzung der Stadt Düsseldorf • ca. 580.000 Einwohner in Düsseldorf in ca. 309.000 Haushalte, davon ca. 147.000 „Single-Haushalten“, Tendenz zunehmend • ca. 40 % der älteren und alten Bevölkerung in Düsseldorf leben alleine (lt. dem „Gesundheitsbericht zur Gerontopsychiatrischen Versorgung in Düsseldorf“) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Das „Demenznetz Düsseldorf“ ein städtisches Versorgungsangebot für Demenzkranke LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Institutsambulanz Gerontopsychiatrie LVR-Klinikum Düsseldorf – Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Demenz-Servicezentrum für die Region Düsseldorf in Kooperation mit der Alzheimer Gesellschaft Düsseldorf & Kreis Mettmann e. V. Caritasverband Düsseldorf Deutsches Rotes Kreuz Düsseldorf Diakonie in Düsseldorf Kaiserswerther Diakonie gefördert vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW und der Landesverbände der Pflegekassen im Rahmen der Landesinitiative „Demenz-Service NRW“ LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf BEAtE = Betreuungsgruppen zur Entlastung pflegender Angehöriger als trägerübergreifende Einrichtung standardisierte Betreuungsangebot an 18 Standorten 3 Std / Woche, Kostenbeteiligung 15 Euro (Erstattung durch d. Pflegekassen) ca. 120 Besucher wöchentlich, Gruppen von max. 9 Teilnehmern mehr als 60 qualifizierte ehrenamtliche Helfer (30 Std. Curriculum) regelmäßig Fortbildung / Supervision der ehrenamtlichen Helfer ca. 30 % Besucher mit Pflegestufe 0 Leitung durch Fachkraft / Unterstützung durch geschulte ehrenamtliche Helfer LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Projekt „GerHaRD“ (Gerontopsychiatrische Hausbesuche und Rat in Düsseldorf) • Zielgruppe: Patienten mit fehlender Krankheitswahrnehmung • Hausbesuche: Beratung der Angehörigen • Kein Krisendienst • Keine Behandlung • Bericht an Hausärzte: Beratung bezüglich Prozedere • Abwendung von Unterbringungsverfahren? LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Teil II Wichtige gerontopsychiatrische Erkrankungen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Affektive Erkrankungen des höheren Lebensalters LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Epidemiologie depressiver Syndrome im Alter • Prävalenz schwerer depressiver Störungen bei Betagaten ca. 4 % • leichte bis mittelschwere Syndrome bei ca. 10 – 15 % der betagten Menschen • BASE (Berliner Altersstudie): 516 Betagte (70 – 100-Jährige) Prävalenz von depressiven Störungen nach DSM-III-R 9.1 % davon bei 4.8 % „major depression“ „subdiagnostische Depression“ 26.9 % Lebensüberdruss bei 13.2 % Suizidgedanken bei 1.2 % • in Heimen und Krankenhäusern deutlich höhere Prävalenz (ca. 45 %) Linden M et al. (1998) Depression bei Hochbetagten, Ergebnisse der Berliner Altersstudie. Nervenarzt 69: 27-37 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Psychopathologie depressiver Syndrome im Alter • niedergedrückte Stimmung, Traurigkeit, Weinen • „Gefühl der Gefühllosigkeit“ • Apathie, Antriebsmangel, Lustlosigkeit • Angst, innere Unruhe • Schlafstörungen (Früherwachen) • vegetative Beschwerden (Obstipation, Schwitzen, Appetit↓) • Denkstörungen: Denkhemmung, Denkverlangsamung • körperliche Symptome, z.B. diffuse Schmerzen • Tagesschwankungen („Morgentief“) • Selbstzweifel, Selbstanklagen, Schuldideen • nihilistischer Wahn • Suizidphantasien LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Unterschiedliche klinische Erscheinungsbilder depressiver Syndrome im Alter • gehemmt-depressive Syndrome • ängstlich-hypochondrische Syndrome • agitierte / histrionische depressive Syndrome • wahnhafte Depressionen • somatisierte Depressionen („larvierte Depression“) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf • depressive Störungen sind die häufigsten affektiven Störungen im Alter • Komorbidität mit somatischen Erkrankungen ist häufig • 3 unterschiedliche Entstehungsmechanismen - reaktiv (z.B. Vereinsamung, Tod des Lebenspartners) - hirnorganisch (Schädigung der Hirnsubstanz, z.B. Schlaganfall, beginnende Demenz, M. Parkinson, etc.) - endogen-phasisch (genetische Prädisposition?) • „larvierte Depression“ – vielfältige somatische Beschwerden werden von den Patienten in den Vordergrund gestellt LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Spätmanifestationen der Depression • Einfluss vaskulärer Prozesse? • Übergang in chronische Verläufe? • Frühsymptome einer Demenzerkrankung? • die Mortalität ist höher, als durch erhöhte Suizidraten und somatische Komorbidität erklärbar – kardiovaskuläre Erkrankungen sind bei diesen Patienten überrepräsentiert • Depressionen im Senium erhöhen das Risiko, dass eine gleichzeitig bestehende Erkrankung ungünstig verläuft LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Differentialdiagnose Demenz / depressive Pseudodemenz Pseudodemenz Demenz Relativ plötzlicher Beginn Schleichender Beginn Psychiatr. Vorerkrankung häufig Keine psychiatrische Vorerkrankung Pat. betont kognitive Defizite Pat. bagatellisiert kognitive Defizite Pat. sagt „Weiß ich nicht!“ Pat. rät Antworten Variabilität der kognitiven Lesitungsfähigkeit Gleichbleibend schlechte kogn. Leistungen Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis gleich schlecht Kurzzeitgedächtnis schlechter als Langzeitgedächtnis „Sundowning“ selten „Sundowning“ häufig Vegetative Symptome häufig Keine vegetativen Symptome LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Therapieoptionen bei depressiven Syndromen im höheren Lebensalter • kognitive Verhaltenstherapie und andere psychotherapeutische Interventionen • Pharmakotherapie mit Antidepressiva • Ergo-, Bewegungs-, Tanz-, Musiktherapie usw. • Behandlung von Begleiterkrankungen • Lichttherapie • Schlafentzugstherapie (Wachtherapie) • Elektrokonvulsionstherapie (v.a. bei wahnhaften Depressionen) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Antidepressiva im höheren Alter • Mirtazapin (15 – 45 mg/d) • Citalopram (10-40 mg/d) • Escitalopram (10-20 mg/d) • Moclobemid (150-300 mg/d) • Venlafaxin (75-300 mg/d) • Duloxetin (30-90 mg) • Tranylcypromin (20 – 40 mg/d) Cave: keine trizyklische Antidepressiva im hohen Alter • Gefahr der Auslösung von deliranten Syndromen • Herzrhythmusstörungen (QT-Verlängerung, „Torsades de points“) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Suizidalität im Alter LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf • Suizidrate in Deutschland z. Vergl. Japan: 15 / 100000 Männer 35 / 100000 Frauen 12 / 100000 • Gesamtzahl der Suizide ca. 11.000 Menschen pro Jahr • Schätzung: ca. 150.000 Suizidversuche pro Jahr in Deutschland • genetische Faktoren: das Risiko für einen Suizidversuch (SV) erhöht sich um den Faktor 4.2, wenn die eigene Mutter einen SV begangen hatte und um den Faktor 3.3 bei einem SV des eigenen Vaters • Zwillingsstudien: Heretabilität ca. 40-55 % (unter der Annahme einer multifaktoriellen Übertragung) • Adoptionsstudien: bei adoptierten Personen häufiger suizidales Verhalten, wenn es auch in der biologischen Familie Hinweise auf suizidales Verhalten gab LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Die gute Nachricht zuerst: Die Suizidziffern nehmen seit Jahren ab! Verlauf der Suizidziffern für Männer in den einzelnen Altersgruppen (im Zeitraum von 1952 – 2006) Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Suizidversuche: zunächst Abnahme im Lauf des Lebens, dann leichte Zunahme Suizidversuchsziffern der einzelnen Altersgruppen in Deutschland (aus Reliabilitätsgründen wurden die Jahre 2001 – 2005 zusammengefasst) Datenquelle: WHO-Multicentre Study on Suicidal Behaviour, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Altersverteilung der Suizidziffern in Deutschland 2006. Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Suizidraten alter Menschen (75 Jahre und älter) im europäischen Vergleich (EU-Länder). Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Suizidmethoden älterer Menschen (60 Jahre und älter) in Deutschland 2006. Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnung WHO-Gruppe Würzburg Aus: A. Schmidtke et al. (2008) Z Gerontol Geriat 41: 3-13 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Bundesländer Anzahl ingesamt je 100.000 Einwohner männlich weiblich insgesamt männlich weiblich Sachsen 807 600 207 18.0 27.7 9.0 Thüringen 430 316 114 17.5 26.4 9.1 Sachsen-An. 436 341 95 16.4 26.4 6.9 Hamburg 271 166 105 15.9 20.2 11.9 1881 1346 535 15.5 22.8 8.6 397 305 92 15.3 23.9 7.0 Baden-Würtemb. 1514 1094 420 14.5 21.4 7.9 Rheinland-Pfalz 581 425 156 14.4 21.5 7.6 Berlin 483 321 162 14.2 19.5 9.3 93 72 21 14.0 22.4 6.1 379 273 106 13.7 20.2 7.5 11157 8080 3077 13.6 20.2 7.3 1051 782 269 13.3 20.3 6.7 Hessen 784 554 230 13.0 18.7 7.5 Mecklenburg-Vor. 231 193 38 12.9 21.8 4.2 Nordrhein-Westf. 1720 1223 497 9.6 14.0 5.4 99 69 30 9.2 13.3 5.4 Bayern Brandenburg Bremen Schleswig-Holst. BRD-gesamt Niedersachsen Saarland Quelle: statistisches Bundesamt, zitiert nach A. Schmidtke 2005 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Risikofaktoren für suizidales Verhalten • Vorhandensein einer psychiatrischen Erkrankung (Depression, Psychose, Abhängigkeitserkrankung) • Einsamkeit, soziale Isolation • Migranten • chronische Schmerzen • andere chronische somatische Erkrankungen • suizidale Handlungen in Vorgeschichte • aktuelle Verlusterlebnisse (Tod des Partners, Umzug, etc.) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Anamnese bezüglich Suizidgefährdung bei älteren depressiven Menschen • Modell im Umfeld („Werther-Effekt“)? • frühere Suizidversuche? • längere Vorbereitungen (Testament, Abschiedsbrief)? • Beschäftigung mit Sterbehilfe-Organisationen ? • chronische somatische Erkrankung? • Diagnose einer neuen Erkrankung? • familiäres Umfeld: supportiv / protektiv oder distanziert? • wahnhafte Symptomatik? • Schulden? LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Grundzüge im Umgang mit suizidgefährdeten älteren Menschen • Suizidandrohungen nicht bagatellisieren • Suizidalität offen ansprechen • empathische Grundhaltung, geduldig zuhören • „antisuizidale Abmachungen“ treffen • depressive Kognitionen identifizieren und thematisieren • gemeinsam Bilanz ziehen über das bisherige Leben und eine neue Lebensperspektive erarbeiten • Angehörige in Absprachen mit einbeziehen • Pharmakotherapie und ggf. stationäre Behandlung LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Stille Suizide (oder indirekte oder „verdeckte“ Suizide) • sind eine Form des selbstschädigenden Verhaltens durch Unterlassung von z. B. - ausreichender Ernährung oder Flüssigkeitsaufnahme - notwendiger ärztlicher Behandlung und Arzneimitteltherapie LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Das Düsseldorfer Bündnis gegen Depression • Gemeinschaftskampagne mit über 30 Organisationen und Institutionen in Düsseldorf • Aufklärung der Öffentlichkeit über das Krankheitsbild • Ziel: Verbesserung der Versorgung und Betreuung depressiver Menschen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Paranoide Syndrome im Alter LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Kasuistik 77-jährige verheiratete Patientin mit isoliertem Wahn: sie befürchtet, dass Nachbarn heimlich (während ihrer Abwesenheit) in die Wohnung eindringen und dort Einrichtungsgegenstände verstellen. Insbesondere fürchtet sie, dass in einer Vitrine Nippesfiguren umgestellt werden oder andere Veränderungen in der Wohnung vorgenommen werden. Der Affekt ist stark gedrückt, die Pat. weint, wenn sie über ihre Wahninhalte berichtet. Der Wahn ist unverrückbar. LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Die anhaltende wahnhafte Störung (ICD-10 F 22.0) • wahnhafte Störungen machen ca. 1-4 % aller psychiatrischen Erkrankungen aus • Inzidenz ca. 1-3 / 100.000 • Erkrankungsgipfel im mittleren bis höheren Alter • Männer : Frauen etwa 1 : 1,2 • Ausschlußdiagnose (Delir, Demenz, psychotische Störung aufgrund eines medizin. Krankheitsfaktors, substanzinduzierte psychot. Störung, Schizophrenie, affektive Störung mit psychotischen Symptomen) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf • Spät beginnende schizophrene Psychosen sind sehr selten: < 3 % der schizophrenen Patienten erkranken nach dem 60 Lebensjahr • Differentialdiagnose schizophrene Psychose / organische wahnhafte Störung (z.B. bei einer Demenzerkrankung) • Sonderform der anhaltenden wahnhaften Störungen (sog. „Paranoia“ ) • syndromale Pharmakotherapie unter Berücksichtigung der metabolischen Rahmenbedingungen älterer Patienten LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Spezielle Wahnformen im höheren Alter • hypochondrische Wahnformen: die Vorstellung an einer schweren und unheilbaren Erkrankung zu leiden (AIDS, Krebs, etc.) • Eigengeruchshalluzinose: die Vorstellung, durch ekelerregenden und abstoßenden Eigengeruch andere Menschen zu belästigen • Dermatozoenwahn (auch Protozoenwahn): die Vorstellung, Parasiten unter der Haut zu haben • wahnhafte Dysmorphophobie: die Vorstellung von einer abstoßenden Hässlichkeit der eigenen Person LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Induzierte wahnhafte Störungen („Folie à deux“) • synonym: „symbiotischer Wahn“ • bei der Störung kommt es zur Übernahme einer Wahnidee (ganz oder nur teilweise) von primär nicht wahnkranken Angehörigen • „aktiver Partner“ (= induzierend) / „passiver Partner“ (= induziert) •Betroffen sind meist nahe Angehörige (Ehepartner), häufiger im Rahmen sozialer Isolation ggf. auch mit erhöhter Suggestibilität • nach der Trennung der beiden Betroffenen (wenn überhaupt möglich) kommt es meist zur Remission bei dem passiven Partner LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Capgras-Syndrom • sehr seltene monothematische Wahnform • die Betroffenen glaube, nahe Angehörige (meist Ehepartner) seien durch identisch aussehende Doppelgänger ausgetauscht worden • Erstbeschreibung 1923 durch Jean Marie Joseph Capgras (1873-1950) • gehört in die Gruppe der Missidentifikationsstörungen • Variante: „Fregoli-Syndrom“ (nach dem bekannten italienischen Verwandlungskünstler Leopoldo Fregoli) • die Betroffenen mit Fregoli-Syndrom glauben, dass sich Menschen aus ihrem Umfeld verwandelt haben und in einer anderen Rolle auftreten LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Organische Halluzinosen Charles-Bonnet-Syndrom • Erstbeschreibung durch Charles Bonnet (1720-1793) • Sehbeeinträchtigung • optische Halluzinose (eher „Pseudohalluzinose“ da die Betroffenen sich über die Trugwahrnehmungen meist im Klaren sind • oftmals komplexe szenische Halluzinationen • keine Störung des Bewusstseins • keine wesentliche kognitiven oder mnestischen Störungen • keine anderen wahnhaften Symptome oder Halluzinationen auf anderen Sinnesgebieten musische Halluzinosen • meist bei Schwerhörigkeit • wird als belästigend und störend erlebt • typisch: Marschmusik oder Volkslieder (oft eher rhythmisch / monoton) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Demenzerkrankungen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Welche Demenzerkrankungen gibt es? Alzheimer-Erkrankung Demenzen vaskulärer Genese Frontotemporale lobäre Degenerationen Demenz bei neurologischen Erkrankungen (Parkinsonsche Krankheit, Demenz mit Lewy-Körperchen, HuntingtonKrankheit, etc.) reversible Demenzformen (Hirntumoren, Hypovitaminosen, Normdruckhydrozephalus, etc) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Häufigkeit der Alzheimer Krankheit mit zunehmendem Alter SDAT (%) 70 60 50 40 30 20 10 0 65 70 75 80 Alter (in Jahren) 85 90 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Epidemiologie der Alzheimer-Demenz • Alzheimer-Demenz mit 65-70 % häufigste Demenzform • In Deutschland aktuell ca. 1,4 Mio Demenzkranke • Vorhersage: 2050 über 2.5 Mio Demenzkranke • ca. 200.000 Neuerkrankungen jährlich (Bickel et al. 2000) • Prävalenz: 65-jährige Menschen = ca. 2 % 75-jährige Menschen = ca. 6 % 85-jährige Menschen = ca. 20 % Bickel H (2000) Gesundheitswesen 62: 211-218 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Typische Symptome der Alzheimer-Demenz Merkfähigkeitsstörungen (Kurzzeitgedächtnis gestört) Desorientierung Visuo-konstruktive Leistungen gestört Kognitive Leistungseinbußen in mehreren Bereichen (z.B. Kopfrechnen, Exekutivfunktionen, usw.) Wortfindungsstörungen Fehlende Krankheitswahrnehmung LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Kognitive Leistungsfähigkeit • MCI = „mild cognitive impairment“ • jährliche Übergangsrate MCI → Demenz von ca. 5-10 % • Aber: reversible MCI bei ca. 40 %! MCI Demenz Lebensalter LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Fortschreiten des dementiellen Abbauprozesses präklinischer Abbauprozess unbemerkte kognitive Defizite „mild cognitive impairment“ erste kognitive Defizite beginnende DAT Vergeßlichkeit, Familie und Angehörige werden aufmerksam mäßiggradige DAT deutliche Verwirrtheit, Unruhezustände mäßig schwere DAT Desorientiert zu Ort und Zeit, Hilflosigkeit schwere DAT Rund-um-die-Uhr-Pflege, Inkontinenz, Wahnideen sehr schwere DAT Sprachverlust, Immobilität LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Demenzdiagnostik LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Kernelemente der Demenz-Diagnostik Eigenanamnese Fremdanamnese Internistischer und neurologischer Untersuchungsbefund Labordiagnostik neuropsychologische Diagnostik Zerebrale Bildgebung LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Prof. Dr. W. Reith, Abt. f. Neuroradiologie, Universitätskliniken des Saarlandes Demenz vom Alzheimer-Typ LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Testdiagnostik bei Demenzerkrankungen LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Mini-Mental-Status-Test (MMST) A. Orientierung - „Jahr, Jahreszeit, Datum, Tag, etc.“ Bitte schließen Sie die Augen! B. Merkfähigkeit - „Auto, Blume, Kerze“ C. Aufmerksamkeit und Rechnen - Reihensubstraktion oder rückwärts buchstabieren D. Erinnerungsfähigkeit E. Sprache (Schrift, Konstrukt. Praxis, etc.) - Bennenen (Uhr, Stift) Nachsprechen („Sie leiht im kein Geld mehr“) Handlungsfolge (Blatt falten) Instruktion ausführen Schreiben eines Satzes (Schreiben eines Satzes) LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Uhren-Test Score 1 „perfekt“ Score 2 „leichte visuell-räumliche Fehler“ Score 3 „fehlerhafte Uhrzeit bei erhaltener visuellräumlicher Darstellung“ Score 4 „mittelgradige visuellräumliche Desorganisation“ Score 5 „schwergradige visuellräumliche Desorganisation“ Score 6 „keinerlei Darstellung einer Uhr“ Shulman et al. (1986) Int J Geriatr Psychiatry 1: 135-140 LVR-Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Uhren-Test (Uhrzeit 10 nach 11)