Aus der Poliklinik für Kieferorthopädie, Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde (Direktor: Univ.- Prof. Dr. med. dent. Tomasz Gedrange) im Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Geschäftsführender Direktor: Univ.- Prof. Dr. med. dent. Georg Meyer) der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Thema: Dreidimensionaler morphologischer Vergleich der Palatinalflächen des oberen mittleren und oberen seitlichen Schneidezahns Inaugural - Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnmedizin (Dr. med. dent.) der Medizinischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald 2006 vorgelegt von: Dr. med. Anders Henningsen geboren am: 21.09.1978 in: Templin 1 Dekan: Univ.- Prof. Dr. rer. nat. H. K. Kroemer Erster Gutachter: Univ.- Prof. Dr. med. dent. T. Gedrange Zweiter Gutachter: Univ.- Prof. Dr. med. A. Wree Ort, Raum: Greifswald, Hörsaal des Zentrums für ZMK Tag der Disputation: 21. Februar 2007 2 - Für Katharina - 3 Inhaltsangabe Seite(n) Abkürzungsverzeichnis 5 1. Einleitung 6 2. Problemstellung 7 3. Anatomie und Morphologie der Schneidezähne 8 3.1. Oberer mittlerer Schneidezahn 10 3.2. Oberer seitlicher Schneidezahn 12 3.3. Zahnstruktur- und Zahnformanomalien bei oberen Schneidezähnen 14 4. Lingualtechnik in der Kieferorthopädie 17 5. Material und Methoden 20 6. Ergebnisse 24 7. Diskussion 32 8. Zusammenfassung 37 9. Anhang A: Literatur 39 Eidesstattliche Erklärung 50 Curriculum vitae 51 Danksagung 53 4 Abkürzungsverzeichnis Abb. – Abbildung bzw. – beziehungsweise etc. – et cetera ggf. – gegebenenfalls Kap. – Kapitel o.ä. – oder ähnliches o.g. – oben genannte sog. – sogenannte Tab. – Tabelle u.a. – unter anderem v.a. – vor allem z.B. – zum Beispiel z.T. – zum Teil 5 1. Einleitung Die Morphologie menschlicher Zähne zeigt eine große Variationsbreite. Eine klar definierte Norm bezüglich Größe und Form kann daher selbst bei Individuen ein- und derselben Population nicht angegeben werden [23]. Einzelne Strukturmerkmale kommen jedoch in verschiedenen ethnischen Gruppen unterschiedlich häufig vor. Für Europäer ist beispielsweise eine meißelförmige Krone der oberen mittleren Schneidezähne typisch, während bei Menschen mongolider Abstammung die Schaufelform vorherrscht [21]. Angesichts der Häufigkeitsverteilung der Zahnmerkmale bei den verschiedenen Populationen müsste man streng genommen seltene morphologische Formen in einer Population als Anomalie betrachten, obgleich diese durchaus physiologisch für die Spezies Mensch sind. Die Grenzen zur Anomalie sind also fließend. Trotz molekularbiologischer Diagnostik kommt der der umfangreichen Möglichkeiten Oberflächenmorphologie der Zähne eine große Bedeutung für anthropologische, archäologische oder rechtsmedizinische Fragestellungen zu [104]. Für alle zahnärztlichen Disziplinen hat die Morphologie der Zähne unmittelbare klinische Bedeutung. Eine grundlegende Aufgabe der restaurativen Zahnheilkunde ist die exakte und naturgetreue Wiederherstellung verlorener Zahnhartsubstanz. In der Kieferorthopädie ist die Bestimmung von morphometrischen Parametern Teil jeder diagnostischen Platzanalyse und damit richtungsweisend für die Therapie [45]. Die Beachtung und Analyse der Oberflächenmorphologie der Zähne ist notwendig bei der Verankerung bzw. Befestigung von herausnehmbaren und festsitzenden kieferorthopädischen Behandlungsapparaturen [15]. Bei der Bewegung von Zähnen zueinander ist die Morphologie der Facies contacta, insbesondere die Region des sog. Approximalkontaktes von Bedeutung. Die Facies vestibularis der oberen Frontzahngruppe wird bei zahlreichen mimischen Bewegungen gezeigt und unterstützt somit den Gesichtsausdruck des Menschen als Teil seiner persönlichen Identität [26]. Die Morphologie der Facies lingualis der Frontzähne muss bei der Befestigung von „unsichtbaren“ bzw. von außen kaum sichtbaren festsitzenden kieferorthopädischen Behandlungsapparaturen beachtet werden. Während seitens der restaurativen Zahnheilkunde die Morphologie der Facies vestibularis im Rahmen der ästhetischen Frontzahnrestauration im Mittelpunkt steht, soll im Rahmen dieser 6 Studie die Gestalt der Facies lingualis in Hinblick auf die Möglichkeiten zur Befestigung festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen betrachtet werden. 2. Problemstellung Der seitliche obere Schneidezahn wird in der Literatur gelegentlich als verkleinertes Spiegelbild bzw. als Diminutiv des mittleren oberen Schneidezahns gesehen [3; 98]. Von anderen Autoren wird er als dem mittleren sehr ähnlich, nur kleiner und schmaler, jedoch nicht als verkleinertes Ebenbild beschrieben [59]. Ziel dieser Promotion ist ein dreidimensionaler Vergleich durch eine Oberflächenanalyse der Palatinalflächen von oberen seitlichen und oberen mittleren Schneidezähnen und die Analyse bezüglich morphologischer Übereinstimmungen bzw. Regelmäßigkeiten der palatinalen Flächen. Hierzu wird vorangehend ein Überblick über die Anatomie und Morphologie der permanenten Schneidezähne im Oberkiefer gegeben, sowie eine Übersicht über Zahnstruktur- und Zahnformanomalien und in Grundzügen eine Darstellung der Lingualtechnik in der Kieferorthopädie. Allgemein ist die Variabilität der Schneidezahnkronen im Oberkiefer höher als die der Eckzähne und die der unteren Incisivi [70]. Weiterführend ist es daher Aufgabe, zu klären, inwiefern es im Vergleich konstante Areale auf den palatinalen Flächen der Frontzähne gibt, um ästhetische, von außen nicht oder kaum sichtbare, konfektionierte festsitzende kieferorthopädische Apparaturen am besten an den Palatinalflächen der Frontzähne zu befestigen und auf welche interindividuellen anatomischen Besonderheiten hierbei geachtet werden muss. 7 3. Anatomie und Morphologie der Schneidezähne Die Schneidezähne sind in der Regel einwurzlige Zähne, die eine schaufel- oder meißelförmige Krone mit einer Schneidekante besitzen [10]. Aufgrund dieser Form sind sie zum Abtrennen eines Bissens geeignet [76]. Im orthognathen Gebiss stehen die Kronen der oberen Incisivi, zumindest die vestibulären Flächen, annähernd senkrecht; die Stellung der Wurzeln in den Kiefern hingegen ist schräg (um 16°-20° im Verhältnis zur Krone abgewinkelt) [89]. Dieser nach palatinalwärts offene Winkel wird nach v. Lenhossék als Profilwinkel bezeichnet [77]. Dieser Winkel ist bei den unteren Schneidezähnen wesentlich kleiner oder gar nicht vorhanden (Abb. 1). Abb. 1: Profilwinkel sowie Querschnitte des ersten oberen Schneidezahns [108] Allgemein sind die medialen Schneidezähne im Oberkiefer größer als die lateralen. Die mesiodistale Ausdehnung ist bei beiden größer als die vestibulolinguale [6]. Die größte Ausdehnung mesiodistal befindet sich in Höhe der Schneidekante, während vestibulolingual der größte Durchmesser auf Höhe des zervikalen Kronendrittels ist [12]. In der Grundform besitzen sowohl der erste als auch der zweite Schneidezahn im Oberkiefer palatinal eine mesiale und eine distale Randleiste, Crista marginalis [98]. Es erhebt sich zudem über der Schmelz-Zement-Grenze ein Tuberculum dentis und häufig ein Cingulum basale, welches in der Regel bei Milchzähnen stärker ausgeprägt ist [71]. Ein blind endendes Grübchen (Foramen caecum) und somit Prädilektionsstelle für Karies befindet sich manchmal in der inzisal gelegenen Konkavität [109]. Nach Schulze kann die Palatinalfläche der oberen Schneidezähne recht formvariabel gestaltet sein [104]. 8 Jugendliche Schneidezähne besitzen an den Kronen meist zwei bis drei Erhebungen, Tubercula marginalia, die durch Abrasionen und Attritionen während des Gebrauchs allmählich verschwinden [107]. Bolk und später de Jonge Cohen deuten dies als trikonodontes Merkmal, d.h. entwicklungsgeschichtlich wird davon ausgegangen, dass sich aus Kegelzähnen, wie sie bei Reptilien vorkommen, zunächst trikonodont-artige Zahngebilde mit drei Höckern herausgebildet haben, welche sich später entsprechend differenzierten [9; 60]. Die Facies vestibularis aller Schneidezähne ist annähernd rechteckig, die Schneidekanten sind in der Regel horizontal. Die seitlichen Kronenränder laufen in der Grundform nach zervikal in einem konvexen Bogen bis zur Schmelz-ZementGrenze [73]. Die vestibuläre Fläche ist sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung konvex gewölbt [59]. Die Facies contactus wird im Allgemeinen als annähernd dreieckig beschrieben, wobei die Schenkel allerdings gekrümmt sind [107]. Nach Schumacher ist der vestibuläre Schenkel leicht konvex gekrümmt, der linguale S-bogenförmig und der gingivale stark konkav; sowohl in der Längs-, als auch in der Querachse sind die Approximalflächen konvex gewölbt [108]. Der Kontaktpunkt zum Nachbarzahn entspricht gemeinhin der höchsten Vorwölbung und liegt knapp unterhalb der Schneidekante [81]. Mesial ist die Schneidekante in der Regel spitzer als distal, in der Literatur wird dies als Winkelmerkmal bezeichnet [103]. Das Wurzelmerkmal ist im Allgemeinen das konstanteste Erkennungszeichen aller gemeinsamen Zahnmerkmale und bezeichnet eine geringgradige Abweichung der Wurzel im Vergleich zur Zahnachse nach distal und ist in der Regel sowohl beim ersten als auch beim zweiten oberen Schneidezahn vorhanden [96]. Das Massen- oder Krümmungsmerkmal ist bei Betrachtung von inzisal zu erkennen und beschreibt den größeren Krümmungsradius der Approximalflächen mesial im Vergleich zu distal; mesial ist bei Schneidezähnen mehr „Masse“ vorhanden [76]. Die Wurzeln bei oberen mittleren und oberen seitlichen Schneidezähnen sind in der Regel konisch, rundlich und können mesial und distal leichte Einziehungen besitzen [48]. Sie haben in der Regel nur einen Wurzelkanal [4]. Die Pulpahöhle entspricht in Größe und Form in etwa der Zahnkrone, obgleich sie mit zunehmendem Alter der Zähne kleiner wird und bei älteren Menschen involutiert, vollständig kalzifiziert und mit solidem Dentin gefüllt sein kann [12]. 9 Es besteht ein Geschlechtsdimorphismus hinsichtlich der Zahngröße [66]. Miethke und Heckerodt und Köhnen stellten fest, dass es signifikante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Individuen gibt; bei männlichen Individuen sind alle Zähne bis auf den seitlichen oberen Schneidezahn grundsätzlich breiter als bei weiblichen Individuen [47; 84]. 3.1. Oberer mittlerer Schneidezahn Der obere mittlere Schneidezahn (Abb. 2) ist der größte menschliche Incisivus und besitzt ein ausgeprägtes Winkelmerkmal [78]. Das Massenmerkmal ist deutlicher ausgeprägt als beim oberen seitlichen Schneidezahn [12]. Er ist durch seine Größe und Stellung im Zahnbogen der prominenteste Zahn im menschlichen Gebiss [6]. Abb. 2: Oberer rechter erster Schneidezahn; a: von okklusal, darüber: Horizontalschnitte durch die Wurzel, b: von vestibulär, c: von lingual, d: von mesial [108] Bei einer Untersuchung in Dänemark an extrahierten Zähnen betrug die größte inzisoapikale Ausdehnung im Mittel ca. 24mm (Minimum: 16mm, Maximum: 29mm), dieser Wert wird auch bei anderen Autoren bestätigt [14; 76]. Mesiodistal beträgt die größte Ausdehnung ca. 8,4mm und faziolingual ca. 7,3mm [89]. Die Wandstärken von Schmelz und Dentin nach Hugel sind in Abb. 3 verdeutlicht [57]. Bei männlichen Individuen ist die Phase der Amelogenese länger als bei weiblichen; Moss erklärt hierdurch die größere Schmelzdicke bei Jungen im Vergleich zu Mädchen [87]. 10 Abb. 3: Oberer erster Schneidezahn, Wandstärken in Millimetern links: älterer Zahn rechts: jüngerer Zahn [57] Der Kronen-Wurzel-Index, das heißt die maximale zervikoapikale Ausdehnung des Zahns dividiert durch die maximale inzisozervikale Ausdehnung, des ersten oberen Schneidezahns beträgt im Mittel 1,2, da die Wurzel durchschnittlich 2-3mm länger ist als die Krone [14; 135]. Vestibulär- und Palatinalfläche des ersten oberen Incisivus können glatt oder gefurcht sein, ebenso wie die Schneidekante [3; 58]. Als Variation der meist glatten Vestibulärfläche können auch seichte Längsfurchen auftreten, die bis zur Inzisalkante auslaufen [62]. Im Vergleich zur Palatinalfläche des oberen seitlichen Schneidezahns ist beim mittleren Schneidezahn das Tuberculum gemeinhin deutlicher entwickelt und größer, variiert aber interindividuell in Größe und Form [126]. Mühlreiter klassifizierte die mittleren Schneidezähne im Oberkiefer anhand der zahlenmäßigen Variation des Tuberculum [89]. Neben der Höckerform kann es auch bis zu fünf Schmelzrunzeln bilden. Das Vorhandensein von Randleisten und die Form des Tuberculum bedingen den Grad der Furchung der Palatinalfläche [3]. Nach Kretschmer sind die Frontzähne, speziell die mittleren Schneidezähne, in Korrelation zu Körperbautypen zu bringen: leptosome Typen besitzen demnach eher schmale, längliche Kronenformen und Frontzahnkronen, bei pyknischen athletische Typen Typen dominieren eher eher quadratische schaufel- und tonnenartige Formen [72]. Die praktische Anwendung dieser Korrelationen ist allerdings sehr eingeschränkt, da aufgrund der hohen interindividuellen Variationen solche wiederkehrenden Merkmale – wenn überhaupt – nur im Idealfall erreicht werden [109]. 11 3.2. Oberer seitlicher Schneidezahn Im Verhältnis zum oberen mittleren Schneidezahn ist der seitliche Incisivus kleiner, schmaler und dem mittleren sehr ähnlich [59]. Viele Autoren sehen in ihm eine verkleinerte Form des mittleren Schneidezahns [3]. Abb. 4: Oberer rechter zweiter Schneidezahn; a: von okklusal, darüber: Horizontalschnitte durch die Wurzel, b: von vestibulär, c: von lingual, d: von mesial [108] Die größte inzisoapikale Ausdehnung beträgt im Mittel nach Carlsen ca. 23mm (Minimum: 16mm, Maximum: 29mm), andere Autoren beschreiben sie mit ca. 22,5mm [14; 76]. Mesiodistal beträgt die größte Ausdehnung ca. 6,5mm und faziolingual ca. 5,5mm [89]. Die durchschnittlichen Wandstärken von Schmelz und Dentin nach Hugel sind in Abbildung 5 dargestellt [57]. Abb. 5: Oberer zweiter Schneidezahn, Wandstärken in Millimetern links: älterer Zahn rechts: jüngerer Zahn [57] Der Kronen-Wurzel-Index, des zweiten oberen Schneidezahns beträgt im Mittel 1,5 [14]. Von der Vestibulärfläche ausgehend werden von verschiedenen Autoren vier Variationstypen unterschieden: a) eine Kopie des mittleren Schneidezahns, b) 12 seitliche Verbiegungen der Krone (zervikale Eindellung der Mesialfläche und mesial ausladender inzisaler Kronenteil), c) caniniformes Aussehen und d) Reduktionsform [9; 109; 126]. Die eckzahnähnliche Form ist in Mitteleuropa kaum zu beobachten, Schlegel und Satravaha beschreiben allerdings das Auftreten bei einer javanischen Population mit 20% [101]. Die Facies vestibularis hat, anders als bei den mittleren Schneidezähnen, gewöhnlich 2 Randtuberkel und seltener 3, die Ecken der Schneidekanten sind in der Regel etwas stumpfer und die Querwölbung ist ebenfalls stärker ausgeprägt als bei den mittleren Schneidezähnen [108]. Ebenso wie bei den mittleren oberen Schneidezähnen wurden von Mühlreiter und de Jonge Cohen auch anhand der Palatinalflächen die seitlichen Schneidezähne in vier Formvarianten unterteilt: a) relativ glatt mit kaum angedeuteten Randleisten und Furchen, b) besonders ausgeprägte Randleisten, kaum modellierte Innenfläche, c) gut ausgeprägtes Tuberculum dentis mit der Tendenz zur Bildung zweier Sprossen, die mit den Randleisten verschmelzen und d) solide solitäre mittlere Sprosse [59; 89]. Jekel und Tussing stellen fest, dass die labiale Krümmung und das Winkelmerkmal des oberen seitlichen Schneidezahns ausgeprägter sind als die des oberen mittleren Schneidezahns, das Krümmungsmerkmal hingegen weniger [58]. Ein Foramen caecum tritt beim Übergang von Innenfläche zum Tuberculum häufiger auf als bei oberen mittleren Incisivi, nach de Jonge Cohen bei rund 0,6% der Bevölkerung [59]. 13 3.3. Zahnstruktur- und Zahnformanomalien bei oberen Schneidezähnen Im Rahmen dieser Dissertation ist es notwendig, auch auf Zahnstruktur- und Zahnformanomalien einzugehen, da ausschließlich Patienten mit unversehrten oberen Schneidezähnen eingeschlossen wurden. Aufgrund der Vielzahl der Anomalien kann nur Zahnzahlabweichungen auf (Hyper-, die häufigsten Hypodontie), eingegangen Zahnfehlstellungen werden; sowie Zahnwurzelanomalien werden nicht ausgeführt. Formanomalien an den Zähnen sind sehr häufig [86]. In der Literatur wird unterschieden zwischen angeborenen und erworbenen Zahnformanomalien (z.B. durch Trauma) [102]. Festzustellen ist, dass bei den angeborenen Abweichungen die Übergänge zwischen Extremformen von Normvarianten und wirklichen Anomalien fließend sind, besonders im Hinblick auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen [3]. So treten beispielsweise starke Randleisten und eine somit bedingte schaufelförmige Schneidezahnkrone charakteristisch bei mongoliden Populationen auf, während sie bei kaukasischen Ethnien so selten sind, dass man sie zu den Anomalien zählt [21; 67]. Schemata zur Klassifikation der lingualen Morphologie der Schneidezahnkronen wurden von verschiedenen Autoren vorgeschlagen [44; 55; 67]. Hrdlicka empfahl die Einteilung in folgende Klassen: „no shovel“, „trace“, „semi-shovel“, „shovel-shaped“ [55]. Dies hat allerdings den Nachteil, dass verschiedene Anomalien gar nicht erfasst werden und die Untergliederung der Fossatiefe an sich zu fein ist. Ein neuer Ansatz ist deshalb, die vier Klassen beizubehalten, allerdings mit anderen Kriterien: Klasse 0 (Absenz von Randleisten und Fossa), Klasse I (Randleisten ohne Fossabildung), KIasse II (Deutliche Schaufelform, Fossa ≤1mm) und Klasse III (ausgeprägte Schaufelform, Fossa >1mm) [44]. Alt charakterisiert die Anomalien der Frontzahnkronen folgendermaßen: a) Schaufelform, b) eingekerbtes Tuberculum dentis, c) akzessorischer Höcker, d) eingekerbte Randleiste, e) akzessorische Höckerchen der Schneidekante oder Randleiste, f) akzessorische Leiste und Fissur, g) Cingulum h) extreme Krümmung der Krone, i) caniniformes Aussehen und k) Tonnenform, wobei er nur Bezug auf die bekannteren Anomalien nimmt [3]. Eine weitere Anomalie stellt die doppelte Schaufelform dar, die 1951 erstmals beschrieben wurde [19]. Hierbei besitzen die 14 Inzisivi ausgeprägte mesiolabiale Randleisten, was ihnen ein doppelt schaufelförmiges Aussehen verleiht [121]. Dies ist insofern kieferorthopädisch von Bedeutung, dass zwar durch ausgeprägte Randleisten seltener Zahnfrakturen auftreten können, dass aber auch die Interkuspidation durch starke Randleisten beeinträchtigt sein kann: vor allem die oberen mittleren Incisivi drehen sich oft infolge der unbalancierten Belastung durch die Antagonisten [67]. Die häufigsten Formanomalien befinden sich lingual, im Bereich des Tuberculum dentis [59]. Hierbei sind alle nur denkbaren Formabweichungen möglich – von der Aplasie bis zur Ausdehnung des Tuberculum bis an die Schneidekante [122]. Sehr häufig sind weiterhin auch Schmelzperlen, die von aberranten Ameloblastzellen gebildet werden und der Krone anhängen [86]. Selten kommen dagegen akzessorische Höckerchen an der Labialfläche von oberen Schneidezähnen vor, insgesamt betrachtet jedoch häufiger bei mongoliden Populationen als bei europiden [99]. Von einer margoiden Differenzierung spricht man, wenn die Schneidekanten betroffener Zähne „Y“ – oder „T“ – förmig ausgezogen sind [61]. Sie kommt vorwiegend an den seitlichen oberen Schneidezähnen vor, kann aber auch die mittleren unteren Schneidezähne betreffen, sowie auch die oberen Milchschneidezähne [13; 94]. Pathogenese und Ätiologie sind hier unbekannt, obgleich es sich nicht um eine Variante des Tuberculum handeln dürfte [68]. Um eine weitere Anomalie handelt es sich bei der sogenannten Invagination oder Doppelbildung, früher unter dem Begriff „Dens in dente“ geführt [22]. Diese wurde nach Kitchin das erste Mal 1856 von einem Zahnarzt aus Illinois (USA) beschrieben [69]. Ausgeprägte Invaginationen werden in eine koronale und eine radikuläre Form unterteilt, Minorformen unter dem Begriff „Foramen caecum“ zusammengefasst [97]. Am häufigsten sind hiervon die oberen zweiten Schneidezähne betroffen [106]. Pathogenetisch entsteht bei einer Invagination durch Faltung ein Loch im Zahn bei der Bildung des Tuberculum dentis [1]. Sollte die Invagination nahe oder auf den Kronenspitzen sein, entsteht eine sogenannte Stiftform des Zahns [93]. Die Häufigkeit von koronalen Invaginationen wird in der internationalen Literatur mit 1,323% bei US-Amerikanern, 3% bei Schweden und 2,8% bei Österreichern angegeben [29; 42; 43; 88]. Kritisch anzumerken ist, dass die hohen Schwankungen bei diesen Angaben durch uneinheitliche Untersuchungsmethoden, Klassifikationen und Stichproben bedingt sein dürften [1; 97]. Klinisch bedeutsam sind sie u.a. als Prädilektionsstellen für Karies und auch beispielsweise als Weiterleitungsmöglichkeit 15 einer marginalen Parodontitis in Richtung Apex bei palatogingivaler Furchung in der Region des Tuberculum [24; 38; 75], oft mit schlechter Prognose für den Zahn [11; 115]. Unter den Begriff Strukturanomalie fallen Mängel im Aufbau bzw. in der Mineralisation von Schmelz und Dentin und sie werden in der Literatur ebenfalls in erworben und angeboren unterteilt [102]. Euler vermutete 1939, dass für bestimmte Anomalien Erbeinflüsse verantwortlich sein müssen, obwohl er nur auf die Prädisposition für Rachitis einging [23]. Erbeinflüsse als Grundlage für spezielle Zahnstrukturanomalien werden aber sogar schon 1914 von Bampton prädisponiert [5]. Die bedeutendsten Anomalietypen sind hier die Amelogenesis imperfecta hereditaria (gestörte Schmelzbildung), die Dentinogenesis imperfecta hereditaria (gestörte Dentinbildung) und die Odontogenesis imperfecta hereditaria (Schmelz-, Dentin- und Zementbildung sind in gleicher Weise gestört), welche wiederum noch weiter unterteilt werden nach Ausprägung und Erbgang der jeweiligen Anomalie [104]. Bei der hereditären Amelogenesis imperfecta wurden dominante, rezessive und geschlechtsgebundene Vererbungen beobachtet [105]. Die genetische Lokalisation für die Kodierung der Proteine Amelogenin und Emelgin, die für die Synthese der Schmelzmatrix verantwortlich sind, konnte Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts nachgewiesen werden [117; 118]. Die Amelogenesis imperfecta ist charakterisiert durch einen gelblichen, weichen, bröckeligen Schmelz infolge mangelnder Verkalkung und tritt mit einer Häufigkeit von ca. 1:20000 auf [8]. Die hereditäre Dentinogenesis imperfecta hingegen ist gekennzeichnet durch eine bräunliche (v.a. im Milchgebiss) bis graublaue Farbe der Zähne mit opaleszierendem Schimmer aufgrund durchschimmernder Gefäße und der Ablagerung von Blutabbauprodukten in der unmineralisierten Dentinmatrix [86]. Der nicht vorhandene stützende Dentinkern bewirkt ein rasches Ausbrechen und Verlorengehen des spröden Schmelzes [46]. Es wird hierbei von einem Mangel an Dentin-PhosphoProtein (DPP) ausgegangen [82]. Die Dentinogenesis imperfecta wird zumeist autosomal dominant vererbt und ist fakultatives Symptom der Osteogenesis imperfecta, bei der zusätzlich u.a. noch pathologische Frakturen, Innenohrschwerhörigkeit und blaue Skleren auftreten [125]. Die hereditäre Odontogenesis imperfecta ist mit weltweit unter hundert beschriebenen Fällen eine seltene Erkrankung, von der Frauen 1,7-mal häufiger 16 betroffen sind als Männer und der Oberkiefer 1,6-mal häufiger als der Unterkiefer [123]. Die genaue Ursache ist ungeklärt, am wahrscheinlichsten jedoch ist entweder eine somatische Mutation oder eine lokale Ernährungsstörung auf dem Boden einer Gefäßanomalie [17]. Da bei den erworbenen Strukturanomalien in der Regel ein auslösendes exogenes Agens (z.B. Tetrazyklingabe 18. Woche pränatal bis 10. Woche postnatal, Hyperfluoridose, Hypovitaminose von Vitamin C) vorhanden ist, wird hierbei eine Einteilung nach Noxe durchgeführt [104]. 4. Die Lingualtechnik in der Kieferorthopädie Anders als bei einem Kind entschließen sich erwachsene Personen freiwillig zu einer kieferorthopädischen Behandlung. Natürlicherweise stehen somit neben funktionellen Aspekten und Zahnerhaltungsgründen vor allem ästhetische Motive im Vordergrund [7]. Selbst bei der oftmals langwierigen Behandlung besteht ein Verlangen der Patienten nach Gesichts- und Zahnästhetik, eine „Beeinträchtigung“ ist aus privater oder beruflicher Sicht nicht akzeptabel [54]. Da selbst zahnfarbene Brackets als Beeinträchtigung angesehen werden, steht mit Entwicklung der Lingualtechnik erstmals eine von außen fast unsichtbare Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung (Abb. 6 und 7) [90]. Abb. 6: Ästhetisch hervorragendes visuelles Erscheinungsbild eines lingualen Systems [79] Abb. 7: Ästhetisch beeinträchtigendes visuelles Erscheinungsbild eines älteren labialen Systems [79] Mitte der 70er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts wurden in den USA erstmals Brackets auf den Lingualseiten von Zähnen befestigt (labiale Brackets), seit 1976 gibt es spezielle linguale Brackets [74; 79; 95]. Etwa zur gleichen Zeit entwickelte 17 unabhängig davon Fujita in Japan ein eigenes Edgewise-Lingualsystem [32-34]. Zunächst kam es daraufhin in den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts v.a. in den USA zu einem Aufschwung, der sich aber aufgrund technischer Probleme, schlechter Ausbildung und Anwendungsfehlern rasch gab [112]. Heute ist die Lingualtechnik erprobt und etabliert, rund 10% der kieferorthopädischen Praxen in Deutschland bieten sie an, wobei weltweit eine kontinuierliche Zunahme der Nachfrage festzustellen ist [90]. Speziell in Deutschland ist das größte Wachstum an Patientenzahlen, die sich lingual behandeln lassen, zu verzeichnen [134]. Trotz der Verbesserungen ist die Lingualtechnik noch immer labor- und verarbeitungstechnisch aufwändiger und für den Behandler schwieriger zu erlernen als die Labialtechnik [90]. Die Befestigung ist ungleich schwieriger und muss genauer erfolgen als bei labialen Systemen, da der Bracketslot aufgrund der Kronenmorphologie weit von der bukkalen Höckerspitze bzw. Schneidekante entfernt ist und es somit schon bei geringen Fehlpositionierungen zu großen vertikalen Zahnbewegungen kommen kann [112]. Zur Kompensation von Fehlbewegungen müssen dann Torques oder Angulationen eingebogen werden, was den Behandlungsablauf komplizieren und verzögern kann [91]. Eine möglichst exakte Positionierung und Übertragung in den Mund sind deshalb höchst wichtig und entscheidend für den Erfolg der Behandlung [18; 119; 120]. Um ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen wurden viele verschiedene Methoden entwickelt (u.a. CLASS, TARG, TOP, BAS, Ray Set, Orthorobot und die Hiro – Technik und ihre Modifikationen) [28; 50; 56; 112; 114; 130-133]. Naim beschreibt die „Berliner Methode“ unter Verwendung des Bending Art Systems [63; 91]. Allen gemein ist, dass sie einer von zwei Gruppen angehören: 1. Als Referenzfläche wird die Labialfläche der Zähne zur genauen Positionierung der Brackets genutzt. 2. Die genaue Position der Brackets wird auf der Lingualseite der Zähne direkt bestimmt. Da die Labialflächen der Zähne eine hohe Variabilität aufweisen, werden die Brackets oder Bracketbasen individualisiert [90]. Die ständige Weiterentwicklung der Systeme hinsichtlich verwendeter Materialien, Labortechnik, Bracketdesign und Fertigungsablauf hat nicht nur zu einer kontinuierlichen Erweiterung des Einsatzspektrums geführt, sondern inzwischen entspricht das Behandlungsspektrum dem der labialen Straight-Wire-Technik mit 18 entsprechenden Ergebnissen [40; 41; 51; 111; 124]. Angepasste Maßnahmen müssen im parodontal geschädigten Gebiss vorgenommen werden: hier ist aufgrund einer dosierteren Kraftabgabe die Segmentbogentechnik gegenüber starren StraightWire-Techniken zu bevorzugen [36]. Da die Aufbissplateaus der oberen Frontzahnbrackets zu einer sofortigen Disklusion der Seitenzähne führen, wird die Therapie tiefer Bisse durch die Lingualtechnik erleichtert [2; 41]. Ebenfalls gestaltet sich hierdurch und durch den palatinalen Kraftangriffspunkt die Behandlung von Kreuzbissen einfacher [90]. Ein weiterer Vorteil ist bei zungenpressenden Patienten gegeben, denn diesen wird durch das lingual gelegene unkomfortable System die Umstellung erleichtert [25]. Ebenso ist die Korrektur des offenen Bisses möglich [27; 37]. Apikale Wurzelresorptionen treten durch die Verwendung hochelastischer Materialien nicht häufiger auf als bei labialen Systemen [30]. Durch Unveränderung des Lippenprofils und Freibleiben der Labialflächen hat der Behandler nach Creekmore eine bessere Übersicht und Kontrolle über die Zahnbewegungen [18]. Durch die geringere Empfindlichkeit der Lingualflächen für Karies ist die Entstehung sogenannter „white spots“ verringert und durch den komplett lingualen Einsatz sind eventuelle „white spots“ ästhetisch nicht beeinträchtigend [39]. Ebenfalls besteht keine Gefahr der Beschädigung der Labialflächen bei der Bracketentfernung [128]. Die Behandlungszeit entspricht der mit labialen Bracketsystemen, allerdings bedingen die aufwändigere Laborarbeit, schwierigere Handhabung und der höhere Zeitaufwand höhere Kosten für die Patienten [90]. In der Eingewöhnungsphase kann es zur Behinderung der Abbeiß- und Kaufunktion kommen, ebenso wie bei Beginn der Behandlung die Phonetik gestört sein kann [52; 85]. Fritz et al. beziffern die Eingewöhnungsphase mit 1-3 Wochen und führen aber an, dass die Akzeptanz der Einschnitte während der Behandlung sehr hoch war; 99% des untersuchten Patientengutes waren zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Behandlungsergebnis [31]. Insgesamt variieren die Angaben über die Zeit der Eingewöhnung sehr stark [116], andere Autoren beziffern sie mit 1-3 Monaten [92]. Zwar ist die Speichelfließrate bei der Lingualtechnik erhöht, was einen protektiver Faktor gegen die Kariesentstehung darstellt, doch kommt es durch die Nähe der Brackets zum Gingivarand zur Ansammlung von Plaque und zur Entstehung einer Schmutzgingivitis [91; 112]. So bleibt die Mundhygiene während der Therapiezeit deutlich eingeschränkt, was auch durch die Patienten als nachteilig empfunden wird [53; 85]. 19 5. Material und Methoden Bei insgesamt 102 zufällig ausgewählten Patienten der Poliklinik für Kieferorthopädie der Universität Greifswald wurden Abformungen mit einem Polyether (Impregum® Penta), welches sich durch eine hohe Detailtreue auszeichnet, angefertigt [113]. Nach 12 Stunden wurden Modelle aus Hartgips der Klasse IV (Esthetic-rock®, dentona GmbH, Wipperführt, welcher kunststoffstabilisiert und somit abriebfest, glatt, kanten- und langfristig dimensionsstabil ist), hergestellt [80]. Eingeschlossen wurden ausschließlich Patienten im Wechselgebiss der ersten Phase mit unversehrten mittleren und seitlichen Oberkieferschneidezähnen ohne Zahnstruktur- und Zahnformabweichungen. Anschließend erfolgte die separate Digitalisierung der Palatinalflächen der Zähne 11 und 12 unter Verwendung eines 3D-Laserscanners (Abb. 7 und 8, Laserscan 3D®, Firma Willytec, München), der sich durch seine hohe Arbeitsgeschwindigkeit, Genauigkeit und Präzision auszeichnet (Reproduzierbarkeit laut Hersteller: 2µm) [83]. Abb. 7: Laserscan 3D, Firma Willytec, München, mit geschlossener Messkammer Abb. 8: Messkammer mit eingespanntem Gipsmodell Das Funktionsprinzip des Scanners besteht darin, dass eine Strichlaserdiode mit Hilfe einer speziellen Kollimator- und Zylinderoptik einen Laserstreifen senkrecht von oben auf das zu untersuchende Objekt projiziert (Laser-Triangulationsverfahren) und eine CCD-Videokamera anschließend den von der Oberfläche reflektierten Strahl 20 erfasst und ihre Signale der Auswertelektronik zuführt. Nach Aufbereitung liegen der Scannersoftware die Bilddaten in Form einer digitalen Matrix aus Helligkeitswerten vor. Die um genau 30° abgewinkelte Anordnung der Kameraoptik zur Laserlichtquelle bedingt die Erfassung der Höhenunterschiede der Objektoberfläche im seitlichen Versatz, welcher durch die Scannersoftware (Scan3D, Firma Willytec, München) zurückgerechnet wird. Im Ergebnis sind die Datensätze nicht wirklich dreidimensional, da ausschließlich das Relief der Oberfläche erfasst werden kann. Nach Kalibration des Gerätes und manueller Positionierung der zu digitalisierenden Gipsmodelle auf dem Objekttisch erfolgte ein Probescan und nach eventueller Repositionierung der definitive Scan separat für die Zähne 11 und 12. Die Modelle wurden mit ca. 45° Neigung eingespannt, da eine schräg eingespannte Probe zu einer höheren Messgenauigkeit führt als eine parallel eingespannte [35]. Die erhaltenen Dateien im „XV-Format“ wurden mit Hilfe der Scannersoftware in das universelle Datenaustauschformat „ASCII“ überführt. Im Anschluss erfolgte die Überführung der Daten an die Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der TU Dresden. Nach Datenimport in die Surfacer-Software® (Imageware, Structural Dynamics Research Corporation, Montreal, Kanada, Version 10.6) erfolgte nach Zuschnitt die Triangulation (Polygonisierung) des zu überlagernden ersten Schneidezahns (siehe Abb. 9). Abb. 9: polygonisierte palatinale Oberfläche eines mittleren Schneidezahns Abb. 10: registrierte Oberflächen von 11 und 12 21 palatinale Zur individuellen Größenanpassung wurde jeweils im oberen Drittel der Krone an der Stelle mit der größten mesiodistalen Ausdehnung die Breite der Krone vermessen und anhand eines Dreisatzes der Skalierungsfaktor berechnet, um den der seitliche Schneidezahn in allen Dimensionen vergrößert wurde. Anschließend erfolgte mit Hilfe der Software die direkte Registration und Superimposition der Oberflächenscans (siehe Abb. 10). Hierzu wurden nach Ausdünnen einer Kopie der Punktewolke auf 7500 Punkte („space sampling“) die Areale der Palatinalflächen übereinandergelegt und registriert, d.h. idealerweise in Deckung gebracht. Jeder Punkt der übergelagerten Wolke erhält hierbei einen Bezugspunkt auf dem Polygon. Nach Registration wurden die Gruppierung der Punktewolke und des Polygons, sowie die anschließende Zuordnung der 3D-Scans in das Koordinatensystem der Software vorgenommen. Es folgte nach Ausdünnen der Punktewolke auf einen Punkt-zu-Punkt-Abstand von 50µm die Analyse der Abstände der Punkte zum Polygon („poly-cloud to cloud analysis“). Da die Überlagerung einer standardisierten Maske nicht möglich ist, wurden die Zähne im Koordinatensystem der Software so positioniert, dass die Festlegung der zu untersuchenden Areale bei allen Übereinanderlagerungen in der Aufsicht auf die Palatinalfläche erfolgte (in einem Winkel von 90° auf eine Fläche, die durch die am weitesten palatinal gelegenen Punkte von Schneidekante, Tuberkelbereich, mesiale und distale Randleiste determiniert sind, siehe Abb. 11). Abb. 11: Ausrichtung der Übereinanderlagerung von Punktewolke und Polygon nach Gruppierung Die Flächen wurden weiterhin in der Aufsicht orthograd positioniert, d.h. die Gerade durch den am weitesten apikal gelegenen Punkt und die Hälfte der Strecke der größten mesiodistalen Ausdehnung in 90° zur x-Achse des Gitternetzes der Software. 22 Nach Probemessung bei 25 Palatinalflächen der eingescanten Zähne entwickelten wir folgendes Schema, nach der wir die Palatinalflächen der zu untersuchenden Zähne einteilten (siehe Abb. 12): Abb. 12: Sektoreneinteilung der Facies lingualis des Zahns 11 zur topographischen Orientierung • Sektor 1: Inzisalkantenbereich, 1/5 der Strecke der größten inzisoapikalen Ausdehnung • Sektor 2: mesiale Randleiste, 1/4 der Strecke der größten mesiodistalen Ausdehnung • Sektor 3: distale Randleiste, 1/4 der Strecke der größten distomesialen Ausdehnung • Sektor 4: Tuberculum dentale, 1/4 der Strecke der größten apikoinzisalen Ausdehnung • Sektor 5: mittlere Fläche der Facies lingualis Wir entschieden uns für eine starre Gliederung der Maske, die nicht über die jeweiligen anatomischen Besonderheiten definiert ist, zur Reproduktionsfähigkeit der Ergebnisse, da nicht bei allen Zähnen interindividuell die gleichen anatomischen Merkmale in gleichartiger Ausprägung vorhanden sind. Nach Zuordnung der einzelnen Sektoren wurden sowohl für die Gesamtoberfläche als auch für jeden Sektor folgende Parameter in µm bestimmt und in Microsoft Excel® überführt: Maxima, Durchschnittswerte und Standardabweichung, jeweils positiv, negativ und absolut. 23 Anschließend erfolgte der Import der Werte in SPSS® (SPSS Incorporated, Chicago, USA, Version 14.0) und die statistische Analyse mit Hilfe von einer explorativen Datenanalyse und durch gepaarte Stichprobentests (t-Tests, Konfidenzintervall 0,95). Getestet wurde jeweils, ob bei den einzelnen getesteten Flächen Übereinstimmungen hinsichtlich der absoluten Durchschnitts- und Maximalwerte vorhanden sind. 6. Ergebnisse Die mittlere Fehlerstreuung (RMS) betrug durchschnittlich 233,4µm (minimal: 145µm, maximal: 376µm). Insgesamt wurden die Labialflächen von 102 mittleren und seitlichen Schneidezähnen des ersten Quadranten eingelesen und anschließend durch virtuelle Überlagerung der 3D-Modelle verglichen (siehe Abb. 13 und 14). Abb. 13: 3D-Modell der Facies lingualis von Zahn 11 eines Modells Abb. 14: 3D-Modell der Facies lingualis von Zahn 12 eines Modells Die Abweichungen im Oberflächenrelief der Inzisivi nach Superimposition wurden in der verwendeten Software (Surfacer-Software®) farbkodiert dargestellt (siehe Abb. 15 und 16). 24 Abb. 15: Überlagerungsmodell der Facies lingualis von oberem mittleren und oberem seitlichen Schneidezahn mit Darstellung von Oberflächenabweichungen in allen Sektoren mit abstandsabhängiger Farbkodierung (Ansicht von schräg oben). Abb. 15: Überlagerungsmodell der Facies lingualis von oberem mittleren und oberem seitlichen Schneidezahn mit Darstellung von Oberflächenabweichungen in allen Sektoren mit abstandsabhängiger Farbkodierung (Ansicht von schräg unten). 25 Rot- und Gelbtöne stellen positive Abweichungen der Fläche des oberen seitlichen Schneidezahns im Sinne von „Ausbuchtungen“ dar, Blautöne stehen für negative Abweichungen im Sinne von „Unterschnitten“. Für die verschiedenen Sektoren wurden von den durchschnittlichen Messwerten und den Maximalwerten der Abweichungen die Mittelwerte mit Standardabweichungen berechnet. Dabei ergaben sich folgende Werte (siehe Tabelle 1): Gesamte Fläche Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3 Sektor 4 Sektor 5 Absolutes Maximum in µm(SD) 674,5 (±153,5) 577,9 (±184,6) 426,2 (±142,4) 503,9 (±156,8) 516,7 (±163,3) 479,3 (±132,9) Absoluter Mittelwert in µm(SD) 168,6 (±43,9) 151,4 (±48,9) 157,9 (±69,5) 172,8 (±58,0) 204,2 (±83,4) 165,4 (±60,4) Tab. 1: Mittelwerte der durchschnittlichen und maximalen Messwerte der Abweichungen mit Standardabweichung. Hierbei ist auffällig, dass in den Sektoren 3 und 4 offensichtlich durchschnittlich höhere Messwerte der Mittelwerte vorliegen als in den Sektoren 1, 2 und 5. Auch bei den absoluten Maxima sind die festzustellenden Differenzen deskriptiv in den Regionen 2 und 5 geringer als in den Regionen 1, 3 und 4. 26 1.200 1.000 Ergebnisse in µm 800 600 400 200 0 absolute Maxima absolute Mittelwerte Messwert bezogen auf die Gesamtfläche Abb. 16: Darstellung der absoluten Maxima und absoluten Mittelwerte bezogen auf die Gesamtflächen der beiden Zähne in µm als Boxplots Die absoluten Mittelwerte erscheinen in der Darstellung bezogen auf die Gesamtflächen in sich konstanter als die absoluten Maxima (siehe Abb. 16). Der Median beträgt bei den absoluten Mittelwerten rund 162,1µm (Maximum: 310,2µm, Minimum: 94,3µm), während er bei den absoluten Maxima bei rund 681,4µm (Maximum: 1079,9µm, Minimum: 376,7µm) liegt. 27 1.200 1.000 Ergebnisse in µm 800 600 400 200 0 Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3 Sektor 4 Sektor 5 Sektorenaufgliederung der absoluten Maximalwerte Abb. 17: Darstellung der absoluten maximalen Messwerte bezogen auf die einzelnen Sektoren in µm Bei der Darstellung der absoluten maximalen Messwerte (siehe Abb. 17) erscheinen Sektor 2 und 5 am konstantesten im Vergleich zu den anderen Sektoren. Sie zeigen beim Vergleich der Palatinalflächen des oberen seitlichen Schneidezahns zum oberen mittleren Schneidezahn verhältnismäßig geringere Messwerte als die Sektoren 1, 3 und 4. Auch liegen in diesen Sektoren die Maxima und Minima weiter auseinander als in den Sektoren 2 und 5. Hervorzuheben ist Sektor 1, der deskriptiv betrachtet die höchsten absoluten maximalen Messwerte aufweist. 28 600 500 Ergebnisse in µm 400 300 200 100 0 Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3 Sektor 4 Sektor 5 Sektorenaufgliederung der absoluten Mittelwerte Abb. 18: Darstellung der absoluten mittleren Messwerte bezogen auf die einzelnen Sektoren in µm Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt die Darstellung der absoluten mittleren Messwerte (siehe Abb. 18). Hier ist Sektor 4 (Tuberkelbereich) am inkonstantesten, während die Ergebnisse von Sektor 1, 2, 3 und 5 subjektiv betrachtet relativ dicht bei einander liegen. In Sektor 4 liegen Maxima und Minima am weitesten auseinander, mit Abstand sind hier die höchsten Maxima zu verzeichnen. 29 Gepaarte Differenzen Getestete Sektoren Mittelwert Signifikanz Standard- Standardfehler abweichung des Mittelwertes (2-seitig) Sektor 1 – Sektor 2 151,638 213,855 21,175 <0,001 Sektor 1 – Sektor 3 73,937 174,779 17,306 <0,001 Sektor 1 – Sektor 4 61,123 231,564 22,928 0,009 Sektor 1 – Sektor 5 98,540 225,424 22,320 <0,001 Sektor 2– Sektor 3 77,701 214,184 21,207 <0,001 Sektor 2 – Sektor 4 90,515 191,850 18,996 <0,001 Sektor 2 – Sektor 5 53,098 153,237 15,173 0,001 Sektor 3 – Sektor 4 12,814 216,744 21,461 0,552 Sektor 3 – Sektor 5 -24,603 195,053 19,313 0,026 Sektor 4 – Sektor 5 -37,417 136,987 13,564 0,007 Tab. 2: Gepaarte Differenzen und Signifikanzen der absoluten maximalen Messwerte der Abweichungen, t-Test, Konfidenzintervall 0,95 Erwartungsgemäß sind bei der Betrachtung der gepaarten Differenzen der absoluten Maximalwerte große interindividuelle Abweichungen zu verzeichnen (siehe Tabelle 2). Zu bemerken ist, dass die Messwerte aller Sektoren sich signifikant unterscheiden (p<0,01, α=0,05) bis auf die Sektoren 3 (distale Randleiste) und 4 (Tuberkelbereich) (p=0,552, α=0,05). Das heißt, Oberflächenübereinanderlagerung dass bei den bei der Maximalwerten Bewertung im Sektor der 1 (Schneidekante) signifikant die größten Abweichungen vorliegen (p<0,001, α=0,05). In den Sektoren 2 und 5 hingegen sind die geringsten Abweichungen bezogen auf die Maximalmesswerte vorhanden. 30 Gepaarte Differenzen Getestete Sektoren Mittelwert Signifikanz Standard- Standardfehler abweichung des Mittelwertes (2-seitig) Sektor 1 – Sektor 2 -6,476 68,467 6,779 0,342 Sektor 1 – Sektor 3 -21,386 61,162 6,056 0,001 Sektor 1 – Sektor 4 -52,795 80,323 7,953 <0,001 Sektor 1 – Sektor 5 -13,957 64,345 6,371 0,061 Sektor 2 – Sektor 3 14,910 75,761 7,501 0,050 Sektor 2 – Sektor 4 46,319 72,325 7,161 <0,001 Sektor 2 – Sektor 5 7,481 67,706 6,704 0,267 Sektor 3 – Sektor 4 31,409 78,542 7,777 <0,001 Sektor 3 – Sektor 5 -7,429 76,670 7,591 0,330 Sektor 4 – Sektor 5 -38,838 80,606 7,981 <0,001 Tab. 3: Gepaarte Differenzen und Signifikanzen der absoluten Mittelwerte der Abweichungen, tTest, Konfidenzintervall 0,95 Die Resultate der t-Tests der absoluten Mittelwerte sind in Tabelle 3 dargestellt. Es fällt auf, dass sich der Tuberkelbereich (Sektor 4) erwartungsgemäß signifikant von allen anderen Bereichen unterscheidet. Hier liegen bei der Übereinanderlagerung der Palatinalflächen von oberem seitlichen und oberem mittleren Schneidezahn bei den Mittelwerten die größten Abweichungen vor. Die Messwerte in den Sektoren 1, 2, 3 und 5 liegen relativ dicht beieinander, Sektor 2 subjektiv betrachtet mit den geringsten Messwerten und Sektor 3 mit den höchsten (siehe Abb. 18). Die Unterschiede zwischen den Sektoren 1 und 3 sind hierbei 31 signifikant (p=0,001, α=0,05), während die Unterschiede zwischen 1, 2 und 5 nicht signifikant sind. 7. Diskussion Die ästhetischen Ansprüche an eine Zahnbehandlung sind in den letzten Jahren stetig gestiegen [65]. Dies betrifft alle Disziplinen der Zahnheilkunde gleichermaßen. Einem attraktiven, sexuell begehrenswerten Menschen wird unbewusst auch soziale und berufliche Kompetenz zugeschrieben; ein begehrenswertes Äußeres steht in direkter Korrelation zu Erfolg und gesellschaftlicher Achtung [64]. Kieferorthopädische Behandlungen mit festsitzenden Apparaturen können je nach Fall bis zu zwei Jahre dauern. Vor und auch während der Behandlung spielen ästhetische Gesichtspunkte eine immer größere Rolle, da in den letzten Jahren zunehmend erwachsene Patienten eine Therapie anstreben und für diese eine „Beeinträchtigung“ durch kieferorthopädische Geräte beruflich oder privat oft nicht annehmbar ist [20; 54; 100]. Um in dieser Zeit den Patienten psychisch zu entlasten, gehen die Bestrebungen dahin, festsitzende Apparaturen möglichst wenig sichtbar zu gestalten, da aus Sicht der Patienten sogar zahnfarbene labiale Brackets als Beeinträchtigung angesehen werden [90]. Es wurden zur Verbesserung u.a. Miniatur-, Keramik- und Kunststoffbrackets für die Vestibulärtechnik entwickelt, ohne jedoch eine wirklich zufriedenstellende Lösung zu finden [112]. Neuere Behandlungsmethoden, wie z.B. Invisalign® (Firma Align Technology, Düsseldorf), erlauben eine prinzipiell vereinfachte Behandlung bei deutlich verbessertem ästhetischen Komfort, jedoch sind sie kostenintensiver und unterliegen engeren Indikationsgrenzen als es bei der Vestibulärtechnik der Fall ist [16; 136]. Nur bei einer komplett lingualen Anbringung der Behandlungsapparatur durch Anwendung der Lingualtechnik in der Front-, Eckzahn- und Prämolarenregion ist eine von außen komplett unsichtbare Verbesserungen ist Behandlungsmöglichkeit die Lingualtechnik noch gegeben. immer Trotz stetiger verarbeitungstechnisch aufwändiger und für den Behandler schwieriger zu erlernen; jedoch ist, speziell in Deutschland, das größte Wachstum an Patienten, die sich lingual behandeln lassen, zu verzeichnen [134]. Obwohl es 32 Nachteile und auch hierbei Anwendungsbeschränkungen gibt, entspricht das Behandlungsspektrum inzwischen dem der labialen Straight-Wire-Technik mit entsprechenden Ergebnissen [40; 124]. Die linguale Oberflächenmorphologie der Zähne hat somit unmittelbare klinische Bedeutung. Das Auffinden von Regelmäßigkeiten oder Gesetzmäßigkeiten der Facies lingualis der Frontzähne würde eine verfahrenstechnische Vereinfachung möglich machen, da alle verwendeten Systeme zumindest eine Individualisierung der Brackets oder der Bracketbasen erfordern [90]. Die internationale Literatur geht bezogen auf die gesamte Facies lingualis von oberen Inzisivi von einer großen Variabilität bezüglich Form und Krümmung aus [6; 103; 107]. Diese Variabilität betrifft obere mittlere und seitliche Inzisivi gleichermaßen, wobei der seitliche Schneidezahn als noch variabler betrachtet wird [110]. Eine Normierung bezüglich Größe und Form ist deswegen selbst bei Individuen ein- und derselben Population nur eingeschränkt möglich [23]. Die Grenzen zwischen Anomalie und einfacher Formabweichung sind hierbei fließend. Ein direkter dreidimensionaler Oberflächenvergleich zwischen den Lingualflächen der beiden oberen Schneidezähne mit optischen Messsystemen und anschließender Auswertung mit Hilfe spezieller 3D-Software wurde bisher noch nicht durchgeführt. Nach umfangreicher Literaturrecherche wurden von insgesamt 102 zufällig ausgewählten Patienten der Poliklinik für Kieferorthopädie mit strukturnormalen Zähnen in der Phase des ersten Wechselgebisses Abformungen genommen und Modelle erstellt. Im Anschluss erfolgte die separate Digitalisierung der Zähne 11 und 12 unter Verwendung eines 3D-Laserscanners (Laserscan 3D®, Firma Willytec, München), der sich durch seine hohe Arbeitsgeschwindigkeit, Genauigkeit und Präzision auszeichnet [83]. Die Reproduzierbarkeit liegt hierbei laut Hersteller bei 2µm, die jedoch aufgrund der geringeren Detailwiedergabe der verwendeten Abformmaterial- und Gipskombination (siehe Kap. 5) nicht erreicht werden konnte, da die Oberflächenrautiefe für Abformungen mit Silikonen und Polyethern in der Literatur mit unter 25µm angegeben wird [127]. Anschließend erfolgte die Analyse mit Hilfe einer speziellen 3D-Oberflächensoftware (Surfacer®, Firma Imageware, Structural Dynamics Research Corporation, Montreal, Kanada, Version 10.6), sowie die deskriptive Auswertung und objektive Beurteilung mit Hilfe von t-Tests. Kritisch ist hier zu bemerken, dass bei der verwendeten Software zur Erhöhung der Reliabilität keine Automatisierung der Masken für die Sektoren möglich war. Ebenfalls ist anzumerken, dass sich eigentlich eine statistische Analyse von vornherein 33 unterschiedlichen Werten über t-Tests verbietet, da diese immer zu einem positiven Ergebnis führen. In diesem speziellen Falle jedoch wurde nach Übereinstimmungen gesucht, dass sich die erhobenen Messwerte in den einzelnen Sektoren der Palatinalflächen nicht unterscheiden. Somit ist eine Analyse mittels gepaarter t-Tests gerechtfertigt. Im Rahmen dieser Studie konnten der mittlere Bereich der Facies lingualis (Sektor 5) und der Bereich der mesialen Randleiste (Sektor 2) als konstantere Regionen, das heißt Regionen mit geringeren Abweichungen zwischen oberem mittleren und seitlichen Schneidezahn, identifiziert werden. Sektor 1 (Inzisalkante) zeigt zwar in der Darstellung der mittleren absoluten Messwerte geringere Abweichungen, ist aber gleichzeitig der Bereich mit den höchsten gemessenen absoluten Maximalwerten, welche sich signifikant von den anderen Sektoren unterscheiden (p<0,001, α=0,05, siehe Abb. 17 und 18). Insofern ist hier von einem Glättungseffekt durch die Mittelung auszugehen und Sektor 1 nicht als konstanter Bereich aufzuführen. Auch Sektor 3 (distale Randleiste) ist im Vergleich zu den Sektoren 2 und 5 als inkonstanter anzusehen. Signifikant unterscheidet sich bei der Darstellung der Maximal- und mittleren Messwerte speziell Sektor 4 (Tuberkelbereich) von allen anderen Sektoren (p<0,001, α=0,05) und ist somit als der Bereich mit den geringsten Oberflächenregelmäßigkeiten beim Vergleich der Palatinalflächen zu identifizieren. Für die Befestigung von industriell vorgefertigten, festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen kommen also am ehesten der mittlere Bereich der Facies lingualis (Sektor 5) und die mesiale Randleiste (Sektor 2) in Betracht, wobei angesichts der relativ kleinen Flächen in weiterführenden Studien zu prüfen wäre, ob dies für einen festen Verbund ausreichend ist. Der in dieser Vergleichsstudie bei beiden Zähnen besonders abweichende Sektor 4 wird bereits seit langem zur Klassifikation von Schneidezähnen herangezogen [59; 89; 107; 129], sowohl des oberen mittleren als auch des oberen seitlichen. Da dieser Sektor in der vorliegenden Untersuchung als inkonstantester Bereich erkannt wurde, sollte in weiterführenden Oberflächenanalysen geprüft werden, ob derartige empirische makromorphologische Einteilungen sinnvoll sind, bzw. ob sich Anhalte für eine treffendere Möglichkeit der Einteilung finden lassen. Eine weitere interessante Fragestellung wäre, ob, wenn man die Palatinalflächen des oberen seitlichen Schneidezahns anhand der Methode von Mühlreiter und de Jonge Cohen in vier Grundtypen unterteilt (siehe Kap. 3.2.), die makroskopisch Typ 1 entsprechenden 34 Zähne tatsächlich dreidimensional morphologisch fassbarere Ähnlichkeiten mit ihrem mittleren Synergeten aufweisen als bei den weiteren Gruppen. Erwartungsgemäß sind bei der Betrachtung der Ergebnisse des Vergleichs der Oberflächenmorphologie von oberen seitlichen und mittleren Schneidezähnen große interindividuelle Unterschiede zu verzeichnen. Die gemessene mittlere Fehlerstreuung (RMS) bezogen auf die palatinalen Gesamtoberflächen vom oberen ersten und zweiten Schneidezahn in dieser Studie betrug rund 233,4µm, obwohl auch Minimalwerte von rund 145µm erreicht wurden (maximal: 376µm). Insofern ist schon von einer grundsätzlichen Differenz der Facies lingualis auszugehen, da der RMS-Wert bei Superimpositionen nahezu identischer Flächen unter 50µm betragen sollte. Die Standardabweichung ist bei allen festgestellten Messwerten hoch (siehe Tab. 1). Dieses Ergebnis unterstützt zusätzlich die Aussage, dass es sich beim Vergleich der Palatinalflächen von oberen mittleren und seitlichen Schneidezähnen grundsätzlich um verschiedene Zähne mit jedoch gleichem Aufgabengebiet handelt. Häufig beschreiben Autoren in der nationalen und internationalen Literatur, dass man früher davon ausging, dass der obere seitliche Schneidezahn eine verkleinerte Form des oberen mittleren Schneidezahns darstellt, u.a. Alt und Riegel [3; 98]. Hierzu ist festzustellen, dass dies in einer umfangreichen Literaturrecherche der Literatur von ca. 1890 bis 2006 nicht verifiziert werden konnte. Allgemein wurde sich Ende des vorletzten und Anfang des letzten Jahrhunderts noch relativ häufig mit der Makromorphologie der oberen Schneidezähne auseinandergesetzt. So teilte beispielsweise Zuckerkandl 1893 die Palatinalfläche der oberen mittleren Schneidezähne in sieben Grundtypen ein [137]. Dieses wurde später von Mühlreiter und seinem Schüler, de Jonge Cohen, übernommen und um eine weitere Form ergänzt (siehe Kapitel 3.2) [59; 89]. Auch Wetzel und später Schumacher gingen auf diese Einteilung ein [108; 129]. Schon Mühlreiter und de Jonge Cohen erwähnten aber, dass der obere seitliche Schneidezahn ein weit weniger stabiles Äußeres bewahrt als der obere mittlere Schneidezahn, was oft als Reduktionsmerkmal gedeutet wird [3; 108]. Des Weiteren unterteilten sie makroskopisch die Palatinalflächen der oberen seitlichen Schneidezähne in vier Grundtypen, wobei Typ 1 (später Typ 3 bei Wetzel) als Form definiert wird, bei der die Palatinalfläche des oberen seitlichen Schneidezahns fast vollkommen der des oberen mittleren Schneidezahns entspricht [89; 129]. Dieses sind die einzigen Literaturstellen, in 35 denen bei der Einteilung von einer verkleinerten Form des oberen seitlichen Schneidezahns im eigentlichen Sinne ausgegangen wird. Im Laufe der Zeit verebbte die Diskussion über makromorphologische Gesichtspunkte der Zähne, im heutigen anatomischen und embryologischen Schrifttum wird nur auf die bereits vorhandenen Erkenntnisse verwiesen [4; 12; 49; 71; 76]. Heutzutage ist allgemein anerkannt, dass der zweite obere Schneidezahn kein verkleinertes Ebenbild seines mittleren Synergeten ist, er ihm aber morphometrisch sehr ähnelt [6; 14; 59; 107]. Diese Studie ist die erste dreidimensionale Oberflächenanalyse. In den in dieser Studie festgestellten Messwerten differiert die Morphologie der Palatinalflächen des oberen seitlichen Schneidezahn von der des oberen mittleren Schneidezahns, wobei aber speziell in den Regionen der mesialen Randleiste und der Facies lingualis (Sektoren 2 und 5) eine relative Konstanz festgestellt wurde. Als variabelster Bereich wurde die Region des Tuberculums (Sektor 4) identifiziert. Es ist also insgesamt zwar von einer ähnlichen Form der Palatinalflächen des oberen seitlichen Schneidezahns in Bezug auf den oberen mittleren Schneidezahn auszugehen, man kann aber nicht von einer Verkleinerungsform im eigentlichen Sinne sprechen, da die Werte für die gesamte Fläche bezogen auf die mittleren Messwerte in den einzelnen Sektoren durchschnittlich 151 – 204µm betragen (siehe Tabelle 1). Bezüglich der Palatinalfläche kann der seitliche obere Schneidezahn somit nicht als Diminutivform des mittleren Schneidezahns gesehen werden. In weiteren Studien sollte geklärt werden, inwiefern diese Aussage auf die Morphologie der gesamten Krone, speziell auch auf die Vestibulärflächen der oberen Schneidezähne, übertragbar ist, oder ob es hier relativ gesehen doch mehrheitlich Gemeinsamkeiten gibt. Ebenfalls wäre weiterführend zu klären, ob sich die Aussagen auch auf den Eckzahn, die Prämolaren und Molaren hinsichtlich einer gegebenen Möglichkeit zur Befestigung von vorkonfektionierten lingualen Bracketsystemen übertragen lassen und im Speziellen ob auch dort im Verhältnis konstantere Sektoren nachweisbar sind. Bezüglich der hohen Variabilität und des Auftretens von Verkleinerungsformen des oberen seitlichen Schneidezahns im Sinne der Reduktionstheorie wäre es interessant, ob sich genetische Determinanten finden lassen, die diese Theorie bestätigen. 36 8. Zusammenfassung In der internationalen Literatur wird der obere seitliche Schneidezahn gelegentlich als verkleinertes Spiegelbild bzw. als Diminutiv des mittleren oberen Schneidezahns gesehen. Von anderen Autoren wird er als dem mittleren sehr ähnlich, nur kleiner und schmaler, jedoch nicht als verkleinertes Ebenbild beschrieben. Für alle zahnärztlichen Disziplinen hat die Morphologie der Zähne unmittelbare klinische Bedeutung. Zudem sind die ästhetischen Ansprüche an eine Zahnbehandlung in allen zahnmedizinischen Disziplinen in den letzten Jahren stetig gestiegen. Mit steigender Nachfrage nach kieferorthopädischer Behandlung im Erwachsenenalter gehen die Bestrebungen bei Behandlungsdauern von bis zu zwei Jahren zunehmend dahin, festsitzende Apparaturen möglichst wenig sichtbar zu gestalten. Ziel dieser Studie war ein dreidimensionaler Vergleich durch eine Oberflächenanalyse der Palatinalflächen von oberen seitlichen und oberen mittleren Schneidezähnen und die Analyse bezüglich morphologischer Übereinstimmungen bzw. Regelmäßigkeiten der palatinalen Flächen und, weiterführend, die Klärung, inwiefern es im Vergleich konstante Areale auf den palatinalen Flächen der Oberkieferfrontzähne gibt, um ästhetische, von außen nicht oder kaum sichtbare, konfektionierte, festsitzende kieferorthopädische Apparaturen am besten an den Palatinalflächen der Frontzähne zu befestigen. Nach Abformung und Modellherstellung bei insgesamt 102 zufällig ausgewählten Patienten der Poliklinik für Kieferorthopädie der Universität Greifswald im Wechselgebiss der ersten Phase mit unversehrten mittleren und seitlichen Oberkieferschneidezähnen ohne Zahnstruktur- und Zahnformabweichungen erfolgte die separate Digitalisierung der Palatinalflächen der Zähne 11 und 12 unter Verwendung eines 3D-Laserscanners (Laserscan 3D®, Firma Willytec). Nach Datenimport in die Surfacer-Software® (Firma Imageware, Version 10.6) wurde die Individualisierung und Superimposition der gescanten Palatinalflächen durchgeführt. Im Anschluss erfolgte eine Einteilung der Palatinalflächen in fünf verschiedene Sektoren: Inzisalkantenbereich (Sektor 1), mesiale Randleiste (Sektor 2), distale Randleiste (Sektor 3), Tuberkelbereich (Sektor 4) und mittlere Fläche der Facies lingualis (Sektor 5). Nach Zuordnung wurden sowohl für die Gesamtoberfläche als auch für jeden Sektor folgende Parameter in µm bestimmt und in Microsoft Excel® überführt: Maxima, Durchschnittswerte und Standardabweichung, jeweils positiv, 37 negativ und absolut. Anschließend erfolgte der Import der Werte in SPSS® (SPSS Incorporated, Version 14.0) und die statistische Analyse mit Hilfe einer explorativen Datenanalyse und durch gepaarte Stichprobentests (t-Tests, Konfidenzintervall 0,95). Es konnten im Rahmen dieser Studie der mittlere Bereich der Facies lingualis (Sektor 5) und der Bereich der mesialen Randleiste (Sektor 2) als konstantere Regionen, das heißt Regionen mit geringeren Abweichungen zwischen oberem mittleren und seitlichen Schneidezahn, identifiziert werden. Sektor 1 (Inzisalkante) zeigte zwar in der Darstellung der mittleren absoluten Messwerte geringere Abweichungen, ist aber gleichzeitig der Bereich mit den höchsten gemessenen absoluten Maximalwerten. Signifikant unterschied sich bei der Darstellung der Maximal- und mittleren Messwerte speziell Sektor 4 (Tuberkelbereich) von allen anderen Sektoren (p<0,001, α=0,05) und konnte somit Oberflächenregelmäßigkeiten werden. Für die als beim Befestigung der Vergleich von Bereich der industriell mit der geringsten Palatinalflächen vorgefertigten, identifiziert festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen kommen somit am ehesten der mittlere Bereich der Facies lingualis (Sektor 5) und die mesiale Randleiste (Sektor 2) in Betracht. Die Morphologie der Palatinalflächen des oberen seitlichen Schneidezahns differiert von der des oberen mittleren Schneidezahns, wobei aber speziell in den Regionen der mesialen Randleiste und der Facies lingualis (Sektoren 2 und 5) eine relative Konstanz festgestellt wurde. Insgesamt ist zwar von einer ähnlichen Form der Palatinalflächen des oberen seitlichen Schneidezahns in Bezug auf den oberen mittleren Schneidezahn auszugehen, aber nicht von einer Verkleinerungsform im eigentlichen Sinne. 38 9. Anhang A: Literatur 1. Albert E. "Histologie und Pathogenese des Dens invaginatus" [Med. Dissertation]: Freie Universität Berlin; 1970. 2. Alexander C.M., Alexander R.G., Gorman J.C., Hilgers J.J., Kurz C., Scholz R.P., Smith J.R. "Lingual orthodontics: a status report. Part 5. Lingual mechanotherapy". Journal of Clinical Orthodontics 1983; 17 (2):99-115. 3. Alt K.W. "Odontologische Verwandtschaftsanalyse". 1st ed. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag; 1997. p.17-39, 64-73. 4. Ash M.M., Nelson S. "Wheeler's Dental Anatomy, Physiology and Occlusion". 8th ed. Philadelphia, USA: Saunders Verlag; 2002. p.6-498. 5. Bampton E.H. "Cases of hereditary dental pigmentation". In: Brooks H.R.F., "Transactions of the Sixth International Dental Congress". 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Anders Henningsen 50 Curriculum vitae Persönliche Daten Name, Vorname: Henningsen, Anders Anschrift: Holzmühlenstraße 75 b 22041 Hamburg Email: [email protected] Geburtsdatum: 21.09.1978 Geburtsort Templin Familienstand: ledig Schulbildung 09/1985 – 08/1991 Karl-Marx-Oberschule Neustrelitz 09/1991 – 06/1997 Gymnasium Carolinum Neustrelitz, Hochschulreife, Abiturnote: 1,0 Wehrdienst 10/1997 – 12/1997 Grundwehrdienstleistender, Übernahme in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit 01/1998 – 09/1998 Ausbildung zum Sanitätsoffiziersanwärter Studium 10/1998 – 12/2004 Studium der Humanmedizin an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald 28.12.2004 Ärztliche Prüfung, Prädikat: „gut“, 28.12.2004 Approbation als Arzt 09.11.2005 Promotion, Thema: „Retrospektive Untersuchung von Marschfrakturen bei der Bundeswehr in den Jahren 1998 – 2000 und biodynamische Untersuchung von Füßen im Kampfstiefel der Bundeswehr mit verschiedenen Einlegesohlen“, Prädikat: „magna cum laude“ 10/2002 – 10/2006 Zweitstudium der Zahnmedizin an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald 51 10.10.2006 Zahnärztliche Prüfung, Prädikat: „sehr gut“, 11.10.2006 Approbation als Zahnarzt Publikationen: 1. Henningsen A., Hinz P., Lüdde R., Ekkernkamp A., Rosenbaum D. “Retrospektive Untersuchung von Marschfrakturen bei der Bundeswehr in den Jahren 1998 bis 2000“, Zeitschrift für Orthopädie und ihre Grenzgebiete 2006, 144 (5): 502-6 Hamburg im Februar 2007 __________________________ Dr. med. Anders Henningsen 52 Danksagung Ich danke Herrn Universitäts-Professor Dr. med. dent. T. Gedrange, Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie, Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde des Zentrums für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde der Ernst-Moritz-Arndt-Universität für die freundliche Überlassung des Themas dieser Arbeit. Für die fortwährende Fürsorge, Hilfe, Organisation und exzellente Betreuung möchte ich mich insbesondere bei Herrn OA Dr. med. Dr. med. dent. P. C. Proff, bedanken. Zu großem Dank verpflichtet fühle ich mich des weiteren Herrn OA PD Dr. med. dent. habil. R. G. Luthardt für die zur Verfügung gestellten Geräte und die Software, sowie für die überaus freundliche Aufnahme und Hilfe bei der Auswertung der Ergebnisse dieser Arbeit. 53