1. Sinfoniekonzert mit dem Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchester RICHARD STRAUSS: Don Juan, Tondichtung für großes Orchester, op. 20 ANTON BRUCKNER: Sinfonie Nr. 7 E-Dur Dirigent: Peter Sommerer 29.10.2015 30.10.2015 03.11.2015 04.11.2015 20.00 Uhr 19.30 Uhr 19.30 Uhr 19.30 Uhr Husum, NordseeCongressCentrum Rendsburg, Stadttheater Schleswig, A. P. Møller Skolen Flensburg, Deutsches Haus Programmüberblick Mit zwei klanggewaltigen Meisterwerken eröffnen GMD Peter Sommerer und das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester die neue Konzertsaison. Bei der Uraufführung seiner Tondichtung für großes Orchester Don Juan war Richard Strauss gerade einmal 25 Jahre alt – und doch gelang es ihm mit diesem Werk schon, den „Dunstkreis“ einflussreicher Kollegen, zum Beispiel Richard Wagners, zu verlassen. Der Grundstein für opulente Klangbilder und farbenreiche Orchestersprache war gelegt. Seien Sie gespannt, wie Strauss sowohl den kraftvollen Charmeur als auch die anmutige Verführte musikalisch gezeichnet hat … Auch Anton Bruckner stand bekanntlich unter dem Einfluss Wagners. Dass dieser 1883 schwer krank in Venedig weilte, erschütterte Bruckner, und noch ehe er das Wagner gewidmete Adagio seiner 7. Sinfonie beenden konnte, verstarb sein Vorbild. Die übrige Sinfonie zeigt sich ganz und gar lebensbejahend. Bruckners in diesem Werk einmal mehr unter Beweis gestellter melodischer Einfallsreichtum verhalf dem Komponisten zu bis dahin noch nie dagewesenem Erfolg. RICHARD STRAUSS (1864-1949) Biografischer Kurzüberblick 60 Jahre lang war Strauss eine der führenden Persönlichkeiten der europäischen Musikszene. Er entstammte einer Musikerfamilie, die sein Talent bereits früh erkannte und intensiv förderte. Als er 20 Jahre alt wurde, waren seine Werke bereits von den größten zeitgenössischen Dirigenten aufgeführt worden, und als 35-Jähriger blickte er bereits auf eine Reihe meisterhafter sinfonischer Dichtungen zurück: Don Juan, Till Eulenspiegel, Tod und Verklärung und Don Quixote. Inzwischen hatte Strauss sich einen führenden Platz in der europäischen Avantgarde erobert; gleichzeitig war er einer der gefragtesten Dirigenten seiner Zeit. Um die Jahrhundertwende verlagerte sich sein kompositorisches Hauptinteresse von sinfonischen Werken auf Opern, und in den folgenden 40 Jahren schuf er so bleibende Kompositionen wie Salome, Elektra, Der Rosenkavalier, Ariadne auf Naxos und Capriccio. Im Laufe der Jahre komponierte Strauss auch Ballette, zahlreiche freie Instrumentalkompositionen, einige Chorwerke und eine umfangreiche Sammlung wunderbarer Lieder. Seine letzten großen Werke, die klagenden Metamorphosen für 23 Solostreicher und die überragenden Vier letzten Lieder für Sopran und Orchester entstanden inmitten der Zerstörung, die der Zweite Weltkrieg über Deutschland gebracht hatte. (http://www.klassikakzente.de/richard-strauss/biografie) Don Juan Tondichtung für großes Orchester, op. 20 (1889 uraufgeführt) Nikolaus Lenau, ein österreichischer Schriftsteller der Spätromantik ungarischer Herkunft, verfasste zwischen 1842 und 1844 ein Epos in 17 Episoden zu dem Frauenhelden der europäischen Dichtung: Don Juan. Strauss griff einige Verse heraus (s. u.), stellte sie der Partitur seiner Tondichtung Don Juan voran und machte sie zum Programm seiner Komposition. Als glühender Mozart-Verehrer war ihm der Don-Juan-Stoff natürlich bereits vorher wohlbekannt – er plante sogar selbst, eine Oper daraus zu formen! Wir schreiben das Jahr 1889, Strauss ist 25 Jahre jung. Nachdem er drei Jahre lang als Kapellmeister in München gewirkt hat, kommt er nach Weimar und ist dort praktisch musikalischer Alleinherr. Bislang ist eine Tondichtung von ihm bekannt, Aus Italien (1886). Mit Don Juan gelingt ihm der große Durchbruch. Strauss war ohne Frage ein großer Bewunderer Wagners. Er zeigte sich angesichts der „ungehörten Klangpoesie“ bei Tristan und Isolde und den Meistersingern von Nürnberg begeistert, assistierte bei Parsifal in Bayreuth. Mit der bloßen Nachahmung seines Vorbildes wollte er sich allerdings nicht befassen. Schon mit der besagten Tondichtung verließ er deutlich den Dunstkreis seines geschätzten Kollegen und machte sich daran, seine eigene Klangsprache zu entdecken. Die Figur des leidenschaftlichen, maßlosen Don Juan wird in all ihren Facetten durchleuchtet und Strauss lässt verschiedene Frauentypen aufs Parkett treten. Mal schwärmerisch-hingebungsvolle, mal leidenschaftliche, mal sentimentale Damen kreuzen den Weg des Schwerenöters. Der Komponist hatte dabei nicht die plakative Illustration des Lenau-Gedichts im Sinn, sondern nutzt dieses vielmehr als inspirierenden Leitgedanken, den er in durchaus klassische musikalische Formen gießt, zum Beispiel der des Rondos. Don Juan Den Zauberkreis, den unermesslich weiten, Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten Möcht ich durchziehn im Strome des Genusses, Am Mund der Letzten sterben eines Kusses. O Freund, durch alle Räume möcht ich fliegen, Wo eine Schönheit blüht, hinknien vor jede Und, wär‘s auch nur für Augenblicke, siegen. Ich fliehe Überdruss und Lustermattung, Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen, Die einzle kränkend schwärm ich für die Gattung. Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft, Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft. Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandre* Im weiten Kreis der schönen Frauen, Ist meine Lieb‘ an jeder eine andre; Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen. Ja! Leidenschaft ist immer nur die neue; Sie lässt sich nicht von der zu jener bringen, Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen, Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue. Wie jede Schönheit einzig in der Welt, So ist es auch die Lieb‘, der sie gefällt. Hinaus und fort nach immer neuen Siegen, So lang der Jugend Feuerpulse fliegen! Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben, Er hat vertobt und Stille ist geblieben. Scheintot ist alles Wünschen, alles Hoffen; Vielleicht ein Blitz aus Höh‘n, die ich verachtet, Hat tödlich meine Liebeskraft getroffen, Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet; Vielleicht auch nicht; - der Brennstoff ist verzehrt, Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd. * je nach Quelle auch: „wandle“ Vollständiges Don-Juan-Epos Lenaus siehe http://www.zeno.org/Literatur/M/Lenau,+Nikolaus/Versepen/Don+Juan Nikolaus Lenau Zum Vertiefen: Detaillierte Biografie von Nikolaus Lenau: http://www.zeno.org/Literatur/M/Lenau,+Nikolaus/Biographie http://www.richardstrauss.at/deutsch.html (Website der Familie Strauss) Informationen zur Don-Juan-Figur: http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=104455 (Meyers Konversationslexikon) http://www.donjuanarchiv.at/ (Don-Juan-Archiv Wien) ANTON BRUCKNER (1824-1896) Biografischer Kurzüberblick Der Komponist und Organist Anton Bruckner wurde am 4. September 1824 im österreichischen Ansfelden geboren. Er ging 1840 nach Linz, um dort Harmonielehre in Vorbereitung auf den Lehrberuf zu studieren. Ab 1845 hatte er verschiedene Positionen als Organist inne, so in St. Florian und Linz. Gleichzeitig bildete er sich in Kompositionslehre weiter und wurde 1868 Professor für Generalbass, Kontrapunkt und Orgel am Konservatorium in Wien und 1875 Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Wiener Universität. Unter dem Einfluss der Werke Richard Wagners komponierte Bruckner in den 1860er-Jahren erste Messen und Sinfonien. In den Jahren 1871 bis 1876 schrieb er die zweite bis fünfte Sinfonie, von 1879 bis 1885 die sechste bis achte Sinfonie. Umarbeitungen der Sinfonien und die Arbeit an der unvollendeten neunten Sinfonie beschäftigten ihn bis zu seinem Tode. Bruckner starb am 11. Oktober 1896 in Wien. „Bald nennen sie mich Narr, bald Meister. Die sollen schreien, so viel sie wollen! Wenn das, was ich schreibe, gut ist, wird es bleiben. Wenn nicht, wird es zugrunde gehen.“ (http://portraits.klassik.com/people/template.cfm?KID=156) Die 7. Sinfonie, E-Dur (1884 uraufgeführt) 1. Allegro 2. Adagio: sehr feierlich und sehr langsam 3. Scherzo: sehr schnell – Trio: etwas langsamer 4. Finale Anton Bruckners 7. Sinfonie wurde im gleichen Jahrzehnt wie Strauss‘ Don Juan komponiert sowie uraufgeführt. Er war ebenfalls ein großer Wagner-Bewunderer und wurde von dem Musikkritiker Eduard Hanslick, einem Gegner der sog. Neudeutschen Schule, immer wieder scharf angegriffen. Auch wenn die Sinfonien sich – im Gegensatz zu seinen großen Messen, die schnell Anklang fanden – größtenteils nur langsam durchsetzten: Rückblickend sind sie es gewesen, die ihm mit der suggestiven Kraft ihrer Themen und den faszinierenden, scheinbar unendlichen Melodien zu Weltruhm verhalfen. Neun Sinfonien schrieb Bruckner insgesamt, die letzte konnte er nicht mehr vollenden; zwei frühere Studienwerke sind in die Zählung nicht eingebunden. Fast alle dieser Werke existieren in mehreren Fassungen. Zum Teil kürzten seine Schüler die Kompositionen und veränderten die Instrumentation, zum Teil nahm er die Bearbeitungen selbst vor. Seine 7. Sinfonie ist die einzige, bei der das Autograph (die handschriftliche Aufzeichnung der Partitur) gleichzeitig als Stichvorlage diente und die die Musikwissenschaft somit nicht vor große Fassungsprobleme stellt. Kein anderes seiner Werke war zu seinen Lebzeiten so erfolgreich. Noch heute gehört sie zu den bewegendsten Stücken des Konzertrepertoires. Das Adagio, der zweite Satz, ist wohl jener, der aufgrund seines Entstehungshintergrundes stets die größte Aufmerksamkeit bekommt: Bruckner begann ihn unter dem Eindruck einer düsteren Vorahnung, dass sein Vorbild Richard Wagner bald sterben würde. Die Nachricht, dass dieser schwer krank in Venedig darniederlag, erschütterte Bruckner zutiefst und bald darauf sollte sich die Befürchtung bewahrheiten. Wagner starb am 13. Februar 1883 – erst danach schrieb Bruckner die Coda des zweiten Satzes. Seine Würdigung spiegelt sich auch im Instrumentarium wider: Er verwendete in dieser Sinfonie erstmals die von Wagner entworfenen Ringtuben, die ungeachtet ihres Namens eigentlich zur Familie der Hörner gehören. Wagner-/Ringtuba Die Neudeutsche Schule Als Neudeutsche Schule bezeichneten sich seit 1859 die Vertreter einer sog. Musikalischen Fortschrittspartei unter der Führung Franz Liszts, im Gegensatz zu einer durch Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann und Brahms geführten Gruppe, die in der Tradition der Wiener Klassiker stand. Zwischen 1849 und 1861 versammelte Liszt während seines Weimarer Aufenthaltes Mitglieder wie Hans von Bülow, Peter Cornelius und Joseph Joachim Raff um sich und protegierte Aufführungen der Werke von Berlioz, Wagner und seiner eigenen und verhalf so den von den Neuerern geförderten musikalischen Gattungen Musikdrama und Programmsinfonie zum Erfolg. Der Begriff „Neudeutsche Schule“ entstand 1859 während der ersten Tonkünstlerversammlung in Leipzig. Von ihren Gegnern wurden sie Zukunftsmusiker genannt. 1861 konstituierten sie den Allgemeinen Deutschen Musikverein, dessen Vereinsorgan bis 1892 die ehemals von Schumann geleitete „Neue Zeitschrift für Musik“ war. Diese führte auch einen schriftstellerischen Feldzug gegen die Konservativen. Zu den aktivsten Kämpfern der Neudeutschen Schule gehörten auch Heinrich Porges in Wien und Karl Tausig in München. Die Attacken der Konservativen blieben aufgrund ihrer Unorganisiertheit meist wirkungslos, wie etwa die von Brahms, Joseph Joachim, Bernhard Scholz und Julius Otto Grimm unterzeichnete öffentliche Erklärung in der Berliner Zeitschrift „Echo“ (1860), dass sie die Produkte der Führer und Schüler der sog. Neudeutschen Schule als dem innersten Wesen der Musik zuwider nur beklagen oder verdammen könnten. Mit Ausnahme von Alexander Ritter und Joseph Huber nahm die Schroffheit der Gegensätze zwischen den Parteien seit den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts jedoch ab. Viele Neudeutsche näherten sich den Konservativen an, wie etwa auch die Brahmsverehrung Hans von Bülows zeigt. (http://www.tonarchiv.net/service/musiklexikon/db1930.html) Zum Vertiefen: Bruckner-Website der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: http://www.bruckner-online.at/?hom_page=home Zur Wagnertuba: https://www.vsl.co.at/de/Wagner_tuba/History Weitere Texte zur Neudeutschen Schule: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_N/Neudeutsche-Schule.xml http://www.sim.spk-berlin.de/static/hmt/HMT_SIM_Neudeutsche_Schule.pdf (aus dem HmT – Handwörterbuch der musikalischen Terminologie)