Komposition zwischen den Welten

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Komposition zwischen
den Welten
Am 13. September feiert das Ballett „Medea“ von Choreografin Stela
Korljan am Rendsburger Theater seine Premiere. Die Musik dazu stammt
von dem bekannten Saxophonisten und Komponisten Richard Wester.
RENDSBURGerLEBEN: Wie sind Sie zum
Saxophon gekommen?
Richard Wester: In meinem Geburtsort Linz am
Rhein erlebte ich zwischen 14 und 16 Jahren
immer wieder live eine eine lokale Jazz-Band
mit einem Saxophonisten. Mit 16 habe ich ihm
dann nachgeeifert und mir das erste Saxophon
„erarbeitet“.
Sie haben mit vielen renommierten Musikern
gespielt, haben viele Auszeichnungen erhalten
und haben lange in Berlin gelebt. Was hat Sie
in den hohen Norden geführt?
Zwei Faktoren zugleich haben mich Mitte der
Achtziger in den Norden geführt: eine „Überdosis Großstadt“ – ein Zitat meiner damaligen
„Chefin“ Ulla Meinecke – und, ja, die Liebe.
Wie ist die Zusammenarbeit mit dem
Schleswig-Holsteinischen LandesTheater
entstanden?
Der Kontakt mit dem LandesTheater besteht
schon lange, eine erste Zusammenarbeit auf
„inoffizieller“ Ebene war mein „DschungelProjekt“ 2005 in Flensburg, wo die Ballettkompanie unter Leitung von Stela Korljan erstmals
zu meiner Musik tanzte.
Sie haben für das LandesTheater die Musik
zum Ballett „Medea“ komponiert – auch
für Saxophon?
Ja, auch das Saxophon spielt bei der Medea
eine Rolle, allerdings eine eher nebensächliche:
Mein Altsaxophon taucht nur zweimal in 80
Minuten auf, und das Sopransax verfremde ich
vorwiegend als „virtuellen“ Dudelsack.
Spielen Sie mit?
Ja, natürlich. Ich liebe die Theateratmosphäre,
und das Live-Zusammenspiel von Orchester und
Tänzern wollte ich mir nicht entgehen lassen!
Was transportiert Ihre Komposition, und
mit welchen Instrumenten?
Ich habe ganz bewusst die Besetzung der Medea
als kleines Orchester zwischen den Welten U
(wie Unterhaltung) und E (wie ernste Musik) –
eine im Übrigen höchst zweifelhafte deutsche
Erfindung der Unterscheidung – gewählt. Auf
der einen Seite stehen „klassische“ Instrumente wie Streicher und Kesselpauken, auf
der anderen „jazzige“ wie Piano, Bass und
Perkussion. Insgesamt stehen wir mit zwölf
Musikern auf der Bühne, mit dabei sind etwa
Helene Blum, eine sehr bekannte Folksängerin
aus Dänemark, und George Nussbaumer, ein
blinder Sänger aus Österreich, der 1997 beim
Grand-Prix Eurovision in Oslo den 8. Platz
erreicht hat.
Die Medea-Musik hat sehr viele rhythmische
Parts, „Grooves“ mit schon fast meditativen
Elementen, und auf der anderen Seite stehen
griechische Originaltexte, die ich für diese Aufführung vertont habe und die eine sehr eigene
Mystik erzeugen.
Welchen Zugang haben Sie zum „Medea“Stoff?
Die Idee von Stela Korljan, die Medea anzugehen, hat mich spontan sehr angeregt, weil
ich der Überzeugung bin, dass die Medea-Problematik, was zum Beispiel das Schicksal der
Emigration oder Verlustängste angeht, absolut
zeitlos ist. Der Stoff ist 2.600 Jahre alt, aber die
Menschen haben sich seither ziemlich wenig
verändert ...
Haben Sie schon vorher für Ballettstücke
komponiert? Was ist anders?
Ja, neben dem „Dschungel-Projekt“ gab es
1997 eine Zusammenarbeit mit der Schauspielerin und Autorin Renan Demirkan, für die
ich eine Auftragskomposition für Saxophon,
türkische Instrumente und klassisches Orche-
ster geschrieben habe. Die Musik wurde in der
Kölner Uraufführung von einer holländischen
Ballettkompanie in Tanz umgesetzt.
Wie ist es, die Tänzer zu sehen, die sich zu
Ihrer Musik bewegen?
Das ist zunächst immer ein richtiger Schock,
weil die Musik sich verändert, die Dramaturgie
der Komposition verschiebt sich, bewegt sich
und es entsteht etwas vollkommen Neues, ein
Eingriff, den ich erst einmal akzeptieren muss.
Und dann, dann kommt oft ein Glücksgefühl
auf, auf das ich mich jetzt schon freue!
Was erwartet das Rendsburger Publikum
bei der Premiere von „Medea“ am 13. September?
Das Publikum erlebt eine Uraufführung der
Medea, in einer Form, die ziemlich ungewöhnlich ist: die besonders kompliziert umzusetzende Live-Kombination von Tanz und Musik
– ein Tanz, der höchst energetisch ist und eine
Musik, die im günstigsten Fall auf eine richtige
Reise schickt. Und eine Kombination, die hoffentlich sehr stark emotionalisiert.
Der Medea-Stoff:
Medea ist eine
Frauengestalt der
griechischen
Mythologie. In
den älteren Versionen des Mythos
wird Medea
zumeist als selbstbewusste und heilkundige
Frau dargestellt, die, zunächst aus Liebe zu
Jason, immer wieder ihr Land verlassen muss.
Euripides gestaltete den Mythos um: In seiner
Fassung handelt Medea aus Eifersucht und
rächt sich durch die Ermordung ihrer gemeinsamen Kinder an ihrem untreuen Ehemann.
RENDSBURGERLEBEN 09/2008 |
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