dtv-Lexikon (1988) 50 dtv-Lexikon (2006) Moral [lat. moralis „die Sitten betreffend“ von mores „Sitten“], Moral [die; lat. mores, „die Sitten“, daraus abgeleitet moralis, „die Sitten betreffend“], 1) aus kultureller und religiöser Erfahrung gebildetes 1. die Sittlichkeit im Allg., auch Ethos; 5 Regelsystem bestimmter Normen und Wertvorstellungen, die überindividuell als Maßstab des Verhaltens gegenüber dem Mitmenschen und zu sich selbst gelten. M. unterscheidet sich damit von den Gewohnheiten des bloßen Herkommens (Brauch) und 10 des Anstandes. Als spezifischer Ausdruck der Übereinstimmung in einer menschl. Gemeinschaft und als geschiehtl. Objektivation von Sittlichkeit bedarf die M. der ständigen Legitimation durch das Prinzip der Sittlichkeit; ihre Verbindlichkeit gründet sich auf den ihr 15 beigemessenen Sinn. In der Begegnung mit Menschen einer anderen Kultur (also mit anderen moral. Überzeugungen) kann die Verabsolutierung oder Überbewertung der eigenen M. Intoleranz zur Folge haben; das starre Festhalten an Normen, die sich nicht 20 mehr auf einen allgemeinen Konsens stützen können, kann zum Moralismus führen. 2) die sittl. Haltung eines einzelnen oder einer Gruppe. 3) svw. Moralphilosophie. 4) Nutzanwendung einer einzelnen sittl. Lebensregel 25 („die M. von der Geschichte“). Moralphilosophie, auch Moral, die philosoph. Lehre von der Sittlichkeit; bei I. Kant „Metaphysik der Sitten“, von der die „Ethik“ nur den einen Teil, den anderen die philosoph. „Rechtslehre“ ausmacht. 30 Die ältere scholast. M. umfaßte auch die Lehre von Recht und Staat, jedoch ohne grundsätzl. Trennung derselben von der Ethik als Sittenlehre. Hiervon unterscheidet sich die prakt. Philosophie der frühen Neuzeit in England, die (etwa bei Th. Hobbes) auf die 35 mechanisch bestimmte Natur des Menschen gegründet wird. Gegenwärtig bedeutet M. das gleiche wie Ethik. Nach kath. Auffassung bildet die M. die Grundlage der Sittenlehre, zu der die Moraltheologie hinzutritt. An die Stelle dieser natürl. Grundlegung setzt die evang. 40 Theologische Ethik meist eine biblisch-theologische. Moralpsychologie, die psycholog. Untersuchung der moral. Haltung (Gewissen, Rechtsgefühl; soziale Regeln, Sitten u. a.) von Individuen, von sozialen und kulturellen Gruppen oder Völkern in ihrer spezif. 45 Ausprägung, Entwicklung sowie der Abweichungen von Normen (Kriminalität, Perversionen, Verwahrlosung u.a.); in der neueren Psychologie in der Motivations-, Entwicklungs-, Sozial-, Kultur-, pädagog. und forens. Psychologie aufgegangen. 2. die Sittenlehre. Im modernen Sprachgebrauch hat 55 sich in diesem Zusammenhang der Begriff „Ethik“ durchgesetzt, während unter M. die tatsächl. Verwirklichung einer sittl. Haltung verstanden wird. M. kann auch die Haltung eines Einzelnen oder einer Gruppe („Moral der Truppe“), ferner die 60 Nutzanwendung einer Geschichte bedeuten.