Künstlerische Diplomarbeit Georg Steiner Erläuterung der von traditionellen Spielweisen abweichenden Techniken im Posaunenspiel sowie Erläuterungen zu „Basta“ von Folke Rabe Einführung Den Schwerpunkt der hier vorliegenden Arbeit möchte ich auf die Erläuterung der von traditionellen Spielweisen abweichenden Techniken im Posaunenspiel legen, da diese und vor allem die daraus resultierenden Möglichkeiten zur Klangerzeugung ein wesentliches Charakteristikum im hier näher betrachteten Werk „Basta“ im speziellen, aber auch der zeitgenössischen Literatur für Posaune im Allgemeinen, darstellen. Um eine möglichst übersichtliche Darstellung der Gesamtheit der Spieltechniken bieten zu können, habe ich mich dazu entschlossen, die einzelnen Kapitel in die Art der Klangerzeugung am Instrument zu unterteilen und nur an den entsprechenden Abschnitten auf Folke Rabes „Basta“ einzugehen und das Stück näher zu erörtern. 2 Inhaltsverzeichnis 1. Stimme und Doppeltöne (Multiphonics) S. 6 - 9 A Die Stimme B Doppeltontechnik C Der Schrei D Doppeltöne im hohen Register E Split tone F Rohrblatt und Doppelrohrblatt als Hilfsmittel 2. Vokale und Konsonanten S. 10 - 12 A Buzzed Vowels (gespielte Vokale) B Gesungene Vokale C Artikulation D Konsonanten 3. Glissandi S. 13 - 14 A Normales Glissando B Bent tone C Harmonisches Glissando 4. Mikrotonalität S. 15 - 17 A Notation B Akustische Reflexion C Der Doppler – Effekt 3 5. Vibrati und Triller S. 18 - 21 A Das Zugvibrato B Das Lippen – und Kiefervibrato C Das Zungen – oder Vokalvibrato D Zwerchfellvibrato E Triller und Shake F Tremolo G Dämpfervibrato 6. Weitere „Bodysounds“ S. 22 - 25 A Buzzing B Zungenschwingungen C Flatterzunge D Die Stimme E Closed Sounds F Rachengeräusche G Schnalzen und Schlagen H Die Luft I Zirkularatmung 7. Zug und Schallstück S. 26 - 27 A Mundstück B Zug C Schallstück D Quartventil E Ventiltremolo 4 8. Perkussive Techniken und Hilfsmittel S. 28 - 30 A Zwei Mundstücke B Handfläche C Schlagen der Becherkante D Vakuum E Dämpfer F Trommelschlegel G Kratzen H Wasser 9. Dämpfer S. 31 - 33 A WAWA – Dämpfer B Plunger C Hut D Bucket mute , Filz und Hand E Effektiver Gebrauch von Dämpfern 10.Schauspiel S. 34 Anhang S. 35 - 38 Biographie Folke Rabe „Basta“ Bibliographie 5 Kapitel 1. Stimme und Doppeltöne (Multiphonics) Das Einsetzen der Stimme, um Harmonien zu produzieren, reicht bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, möglicherweise noch viel früher. Das wahrscheinlich bekannteste frühe Beispiel in der Blechbläserliteratur findet sich in der Kadenz zu C. M. von Webers „Hornkonzert Opus 45“1. Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich ein enormes Interesse für die „Doppeltontechnik“ – diese gehört neben den „Vokalklängen“ zu den beliebtesten, erfolgreichsten und am besten durchführbaren der neuen Spieltechniken. A. Die Stimme Versucht man, einfach durch das Instrument zu sprechen, entsteht ein dem Megaphon ähnlicher Effekt, wenn auch die Verzerrung auffällig ist, so können die Worte doch immer noch verstanden werden. Ernst Krenek beispielsweise verlangt in seinen „5 Stücken“ ein „Murmeln“, das sich auf diese Weise am besten darstellen läßt. B. Stimme und schwingende Lippen (Doppeltontechnik) Der erste Schritt, um diese Technik zu erlernen, besteht darin, unisono zu singen und zu spielen und dabei genauestens darauf zu achten, die Intonation zu halten. Beispiel 1 : Als nächstes geht man dazu über, den Zug ein wenig abwärts zu bewegen und mit der Stimme nach unten zu folgen, wodurch eine Art „Flattern“ entsteht, das etwa in Donald Erbs „… and then, toward the End…“ in der Kadenz verlangt wird. Anschließend kann man daran gehen, immer größere Intervalle zwischen gespielten Ton und Stimme zu bringen und dabei genau auf die Anzahl der mitschwingenden Töne zu achten (bei einer großen Sext sind dies 3-4 Töne). Die meisten Posaunisten bevorzugen die gesungene Stimme über der gespielten zu halten, da dies aufgrund des Widerstands im Instrument besser kontrollierbar ist. Wichtig, um die richtige Balance zwischen den beiden produzierten Tönen halten zu können, ist, sich vor Augen zu führen, daß die Singstimme sozusagen durch das 6 Instrument „geschrieen“ werden muß. Eine gute Übung hierfür ist das Aushalten von unisonoTönen mit sich verändernder Dynamik. Beispiel 2 : Der nächste Schritt besteht im abwechselnden Ändern der Intervalle durch Glissandi oder Bindungen. Diesen Effekt verwendet Rabe im „Threatening“- Teil und schon kurz davor zusammen mit den zuvor beschriebenen dynamischen Änderungen in „Basta“. Als Vorübung um eine saubere Intonation zu erreichen, ist der in Robert Müllers „Technische Studien, Teil 2“ angeführte Choral sehr hilfreich. Bei richtiger Ausführung erklingen ausschließlich 3- bis 4-stimmige Akkorde. Beispiel 3 : Die letzte Steigerung ist zu finden, indem man lernt, die beiden Stimmen voneinander unabhängig zu bewegen – vergleichbar vielleicht mit einem Klavierschüler, der seine erste 7 zweistimmige Invention erlernt. Ist es anfänglich mit einigen Problemen verbunden, wird es mit einiger Übung jedoch relativ einfach, die gesamte Doppeltontechnik einzusetzen. Frauen werden entdecken, daß vorgeschriebene Tonumfänge oft unterhalb ihrer Singstimme liegen. Ihnen bleibt als Alternative das Oktavieren oder aber das Vertauschen von gesungener und gespielter Stimme. C. Der Schrei Die Stimme erfährt in der hohen Lage eine gewaltige Veränderung, womit sie der Interpret gut für laute Geräusche und Effekte einsetzen kann, auch in Verbindung mit gespielten Tönen in tiefer oder mittlerer Lage für die Imitation von Tierstimmen oder Klängen elektronischer Musik, wobei sich diese Effekte gut mit der Zuhilfenahme von Dämpfern verstärken lassen. D. Doppeltöne im hohen Register Ein weiterer bemerkenswerter Effekt tritt bei gespielt-gesungenen Kombinationen von kleinen und großen Terzen in der hohen Lage auf. Was dieser Methode eigen ist, ist das Mitschwingen von Tönen im tiefen Register des Instruments. Unglücklicherweise müssen sehr hoch gelegene Intervalle verwendet werden, um die tiefen Töne in den hörbaren Bereich zu bringen, was den Bläser sehr ermüdet, die Kehle austrocknet und einen starken Widerstand im Instrument hervorruft. Daher ist es ratsam, diesen Effekt nur in kurzen Fragmenten zu verwenden. Die mitschwingenden Töne lassen sich durch einen Wechsel von Terzen auf Sekunden oder Quarten verändern, wobei zu berücksichtigen ist, daß sich das „Flattern“ verstärkt und besonders bei Quarten ein eher akkordähnlicher Klang daraus resultiert. E. Split-Tone (gespaltene Töne) Sie sind eine zusätzliche Möglichkeit, um die Struktur eines Klanges zu verdichten. Im Gegensatz zum Doppelton werden hier zwei Töne gleichzeitig mit Lippenschwingung erzeugt. Die Lippe spaltet sich sozusagen in zwei verschiedene Schwingungen auf – daher der Name. 8 Theoretisch kann dies mit jedem Intervall passieren, auf der Posaune ist jedoch der Bereich zwischen Sekunden und Terzen am besten geeignet. Da dieser Klang sehr instabil ist, sollte er nur mit Vorsicht verwendet werden. Ein guter Weg um diese Technik zu erlernen und die Balance zwischen zwei Teiltönen zu finden, sind Lippenbindungen zwischen den beiden Tönen, wobei man den Wechsel immer weiter verlangsamt, bis man schließlich den Punkt der Balance erreicht. F. Rohrblatt und Doppelrohrblatt als Hilfsmittel Eine gute Möglichkeit, um Multiphonics zu erzeugen, ist das Einsetzen von Oboen- oder Fagottrohrblättern ins Posaunenmundstück oder das Verwenden von Saxophonmundstücken. Spielt man auf dem Blatt, wie es ein Holzbläser tun würde, bricht der erzeugte Ton in viele Teile auseinander, was einen äußerst interessanten und einzigartigen Effekt, wie er am Holzblasinstrument nicht möglich wäre, hervorruft. Komponisten tun jedoch gut daran, nicht auf bestimmten Tonhöhen zu beharren, da solche Hilfsmittel in den Händen von Posaunisten nicht allzu gut kontrollierbar sind. Nichts desto trotz lassen sich Teile elektronischer Musik hervorragend imitieren. 9 Kapitel 2. Vokale und Konsonanten Sie zeigen am Besten den Gebrauch des eigenen Körpers als Resonanzraum. Deren Verwendung im Instrumentalspiel ist wesentlicher Bestandteil des spezifischen Klangcharakters der Posaune in der zeitgenössischen Musik. A. Buzzed Vowels (gespielte Vokale) Die bekanntesten Beispiele aus der früheren Zeit finden sich in Aufnahmen der Spike-JonesBand aus den 40er und 50er Jahren2, deren Posaunist Tommy Pederson diese Vokalklänge hauptsächlich als parodistische Geste verwendete und sie daher bei Weitem nicht die komplexe Form hatten, die sie später noch erreichen sollten. Die Wiederentdeckung läßt sich Luciano Berio zuschreiben, der sie in seiner 1966 komponierten „Sequenza 5“ benützt, um das an einer Stelle ohne Instrument ausgesprochene Wort ‚Why’ an anderer Stelle durch die Vokale U-A-I zu simulieren. Berio verstärkt diesen Effekt an vielen Stellen mithilfe eines Plungers, mit dem sich Vokale gut imitieren lassen. Am Instrument lassen sich die Vokale durch Verändern der Größe der Mundhöhle und der Zungenposition erzeugen, wobei die Bewegungen den beim Aussprechen der Vokale verwendeten Bewegungen nachempfunden werden sollten. Das A entspricht der Klangvorstellung traditioneller westlicher Musik, O ist dem sehr ähnlich, mit dem Unterschied, daß die Lippen und der vordere Mund ein wenig geschürzt werden. Ergänzend soll hier erwähnt werden, daß praktisch gesehen kein Klangunterschied zwischen den beiden besteht, und diese daher als identisch behandelt werden können. Das I läßt sich am besten mit geschlossenem Mund, stark geschürzten Lippen und der Zunge weit vorne im Mund, wodurch die Zunge den Luftstrom an die Oberseiten des Gaumens drückt, hervorbringen. Die Zähne können leicht geöffnet bleiben, um eine gute Resonanz beizubehalten. U wird auf ähnliche Weise erzeugt, nur bleibt die Zunge dabei im hinteren Bereich der Mundhöhle. Das E ist wiederum eine Art Umkehrung zu U und I: Der Mund ist weiter geöffnet, die Zunge befindet sich eher im vorderen Bereich der Mundhöhle, wird jedoch nicht an die Oberseite des Gaumens gedrückt. 10 Aus dem Englischen wird auch dasY (u-a-i) als Vokal mit übernommen und ist, wie das Aussprechen des Buchstabens schon andeutet, eine Kombination aus u, a und i. Eine große Anzahl von Stücken verlangt die Verwendung dieser Buzzed Vowels, wobei sich mit Bestimmtheit „General Speech“ von Robert Erickson am intensivsten damit auseinandersetzt. B. Gesungene Vokale Selbstverständlich können Vokale auch mit der Stimme alleine erzeugt werden. Im unten angeführten Beispiel werden gesungene gespielten Vokalen gegenüber gestellt. Die zu singenden Selbstlaute stehen in eckiger Klammer, die gespielten in runden Klammern, wobei ein Plunger als Hilfe verwendet wird, um den Effekt noch zu verstärken. Die eingekreisten Ziffern beziehen sich auf die Dynamik. Beispiel 4: Berio „Sequenza 5“ C. Artikulation Herkömmliche Anstoßtechniken werden in den meisten Schulen mit den Silben TU oder TA für angestoßene bzw. DU und DA für gebundene Tonverbindungen verwendet. Zusätzlich findet die Doppelzunge (TAKA oder TUKU) sowie die Trippelzunge (TATAKA oder TUTUKU) häufig Verwendung. In der Jazzmusik wird weiters auch die „Doodle“-Zunge als Gegenstück zur Doppelzunge im Legato verwendet, wohingegen ein allgemein gebräuchliches Gegenstück zur Trippelzunge fehlt. D. Konsonanten Sie werden in sehr unterschiedlichen Formen in der zeitgenössischen Musik verwendet, wobei Komponisten des Öfteren eine Art „kräftiges Flüstern“ durch das Instrument verlangen, was sich am Besten mithilfe von internationalen phonetischen Zeichen darstellen läßt. 11 Eine weitere gute Möglichkeit, um ganze Wörter am Instrument nachempfinden zu können, bietet das zusätzliche Einfügen von Vokalen, was sich sehr gut anhand von Ericksons „General Speech“ nachvollziehen läßt (siehe Beispiel 9). 12 Kapitel 3. Glissandi Grundsätzlich kann man 3 verschiedene Arten unterscheiden, wobei wiederum zwei, nämlich das normale und das „bent tone“-Glissando (gebundener Ton) im Klangergebnis sehr ähnlich sind. A. Normales Glissando Es findet bereits seit längerer Zeit in traditioneller Musik wie z.B. Strawinskys „Pulcinella“3 Verwendung, und soll, da es in vielen Posaunenschulen erörtert wird, hier nur kurz behandelt werden. Grundsätzlich läßt es sich, wenn vom Komponisten gut eingesetzt, innerhalb eines Naturtones mithilfe des Zuges durchführen und sollte daher nie den Abstand einer verminderten Quinte übersteigen. Falls doch, ist es wichtig, den Wechsel zwischen den Teiltönen sehr weich mit möglichst schneller Zugbewegung durchzuführen, was speziell im tiefen Register kaum zu bewerkstelligen ist. B. Bent Tone Es ist das Ergebnis des Änderns der Tonhöhe allein durch Lippenspannung ohne Bewegung des Zuges. Oft wird es auch zusammen mit einem halb gedrückten Quartventil eingesetzt und wird besonders in der Jazzmusik häufig eingesetzt. Theoretisch ist es unabhängig von der Zugposition durchführbar, sollte aber trotzdem, um einen reichen, vollen Klang zu erhalten, mit der Instrumentenlänge abgestimmt werden. Im Allgemeinen können Bent Tones im gesamten Register verwendet werden. Es fällt den meisten Posaunisten jedoch wesentlich leichter, die Töne nach unten zu „biegen“. C. Harmonisches Glissando Hierbei springt man über mehrere Töne einer Naturtonreihe, wie es im Jazz beim Drop (Anfangston steht fest) und beim Rip (Endton steht fest) schon länger gebräuchlich ist. Sehr oft sind Drop und Rip auch eine Kombination aller drei Glissando-Arten, was ein wenig Verwirrung stiftet, jedoch im Jazz seit vielen Jahren in dieser Form praktiziert wird. 13 Neu am harmonischen Glissando sind der erweiterte Gebrauch und die verschiedenen Formen, die es angenommen hat. Richtungsweisend hierfür war „Bolos“ (1962) von Folke Rabe und Jan Bark. Auch Rabes „Basta“ wird über weite Strecken von diesem harmonischen Glissando-Effekt dominiert. Beispiel 5 : Wesentlich, um die Effekte hervorzuheben, ist es, die angegebenen Zugpositionen einzuhalten, da das gleichzeitige Verlängern des Instruments bei steigender Tonhöhe erst das Überspringen von einem Teilton in den nächsten ermöglicht – wobei für entgegengesetzte Bewegungen der musikalischen Phrase selbstverständlich auch die umgekehrten Bewegungen entscheidend sind. Ein ganz anderer Aspekt der harmonischen Glissando-Technik zeigt sich beim Wechsel zwischen gleichen Tönen auf verschiedene Zugpositionen4, der gut vergleichbar ist mit Trompetern, die durch schnelles Wechseln der Ventile Triller auf einem Ton produzieren. Im weiteren Verlauf zeigt sich, daß sich harmonische Glissandi auch sehr gut mit anderen Effekten wie etwa dem „Lippentriller“ kombinieren lassen. Führt man die Zugbewegungen beim harmonischen Glissando sehr langsam aus, erreicht man eine Kombination mit dem normalen Glissando und erhält eine weitere, sehr effektvolle Verwendungsmöglichkeit. Beispiel 6 : In mikrotonaler Musik kann man, indem die entsprechende Zugposition bei Glissandi zwischen gleichen Tönen leicht nach oben oder unten korrigiert wird, ein allmähliches Ändern der Grundstimmung bewirken. 14 Kapitel 4. Mikrotonalität Der Zug, einzigartig bei der Posaune, macht alle Arten von ungewöhnlicher Intonation und Stimmung sehr einfach, da er eine stufenlose Änderung der Tonhöhe ermöglicht. Der Begriff „Mikrotonalität“ umschreibt, obwohl Viertel- bzw. Sechsteltöne nicht wirklich mikrotonal sind, die in diesem Kapitel angeführten Inhalte doch am Besten. Im gesamten Orchesterapparat gehört die Posaune zu den wenigen Instrumenten, die Mikrotonalität äußerst komfortabel bewältigen können. Andere sind das Cello, der Kontrabass und die Pauken, denn Ventil- und Klappeninstrumente müssen mit oft sehr aufwendigen Hilfsgriffen arbeiten. Bei Geige und Viola sind bereits die Abstände zwischen Halbtönen sehr klein. Bei der Posaune beträgt der Abstand zwischen zwei Lagen (1 Halbtonschritt) etwa 7,5 cm., der Weg von einem Viertelton zum nächsten etwa 3,8 cm. Sechsteltöne findet man im Abstand von 2,5cm5. A. Notation Leider läßt sich ein einheitliches, für alle Arten von Mikrotonalität anwendbares Notationssystem nicht festlegen, daher sollen an dieser Stelle einige häufig anzutreffende vorgestellt werden. Ton De Leeuw beispielsweise verwendet zum Darstellen von Viertel- und Achteltönen ein 4-Komma-System, wobei jedes Komma für einen Achtelton steht und fügt diese den gängigen Versetzungszeichen bei. Beispiel 7 : Eine Variante dieser Notation ist das Zufügen von Längsbalken, wodurch das Notenbild meiner Meinung nach schon ein wenig unübersichtlich wird, sich aber bei der Beschränkung auf Vierteltöne bewährt und weitgehend durchgesetzt hat ( ) Barney Childs verwendet zur Notation von Sechsteltönen ein 5-Linien-System, wobei jede Linie anstelle des sonst üblichen Ganztones einen Halbton repräsentiert. Sechsteltöne werden näher an der Linie plaziert. Childs Notationssystem birgt den Nachteil von schwieriger 15 Lesbarkeit und stiftet anfangs große Verwirrung, da diese Notation mit dem erlernten und tradierten Muster kollidiert und erst „neu erlernt“ werden muß. Beispiel 8 : Bei der Arbeit mit Sechsteltönen greifen manche Komponisten auch auf die für Vierteltöne verwendete Schreibweise zurück und erläutern deren Auslegung meist separat im Anhang zur Partitur. Eine sehr elegante Notationsvariante, besonders um Mikrotonalität darzustellen, ergibt sich aus einer Mischung von traditioneller Notation und graphischen Elementen, wie sie Robert Erickson in „General Speech“ verwendet. Hier wird der mikrotonale Fluss der Sprache dargestellt und läßt sich auch sehr leicht aus dem Notentext ablesen. Beispiel 9 : Das Gebiet der graphischen Notation ist dermaßen umfangreich, daß sie im Rahmen dieser Arbeit nicht näher erörtert werden kann. Darum möchte ich hier auf Eugene Bozzas „Graphism“6, eine Ansammlung von Übungen unter Einbeziehung graphischer Notationsformen, verweisen. B. Akustische Reflexion In einem überakustischen Raum oder aber auch im Resonanzraum eines Flügels mit gedrücktem Pedal läßt sich eine Vielzahl von mikrotonalen Harmonien erzeugen. Als Beispiel für einen solchen speziellen Effekt soll hier Ernst Kreneks „5 Stücke“7, wo durch Rollen des Schallstücks über Klaviersaiten Mikrotonalität erzeugt wird, angeführt werden. 16 C. Der Doppler Effekt Es gibt zwei Möglichkeiten, diesen in der Physik und Akustik viel zitierten Effekt mit Hilfe des Instruments entstehen zu lassen: Eine besteht darin, das Instrument herumzuwirbeln, wobei der Ausführende auf ein und derselben Stelle verharrt, die andere, das Instrument und den Ausführenden als eine Einheit rotieren zu lassen. Es bietet sich an, anstelle einer Posaune einen Gartenschlauch, der an einem Ende mit einem Trichter versehen wird zu verwenden, da dieser problemlos durch den Raum geschwungen werden kann. Stuart Dempster benützt einen solchen in „ Zehn Grosse Schlauchungen“. 17 Kapitel 5. Vibrati und Triller Auf der Posaune lassen sich zumindest 3 Arten von Vibrati spielen und ebenso noch einige mehr oder weniger vibrato-ähnliche Effekte. Zu letzteren gehören Triller und Shake, die auch innerhalb dieses Kapitels beschrieben werden. Obwohl durchführbar, wird das Zwerchfell-Vibrato, bei dem die Amplitude des Tons variiert, vom Posaunisten nur selten eingesetzt. Beim Timbre-Vibrato ändert man die Klangfarbe durch Bewegungen der Zunge oder des Kiefers. Es wird auch als Lippenvibrato bezeichnet und sehr häufig genutzt. Als dritte Möglichkeit steht das Variieren der Frequenz zur Verfügung, welches vom Posaunisten als Zug-Vibrato bezeichnet wird, und vor allem im Jazz angewandt wird. A. Das Zug-Vibrato Man ändert die Tonhöhe durch Zugbewegungen und hat somit ein großes Spektrum von Intonationsvarianten und Geschwindigkeiten zur Verfügung, die sich auch während der Durchführung sehr gut ändern lassen. Beispielsweise beginnt Folke Rabes „Bolos“ mit einem Vibrato zwischen 1. und 7. Position, das sich immer weiter verkleinert. Oftmals wirkt das Zug-Vibrato auf den Zuhörer auch wie ein Glissando – grundsätzlich ein vollkommen richtiger Eindruck, weil beides auf die gleiche Art und Weise erzeugt wird. Das folgende Diagramm zeigt ein Zugvibrato mit sich ändernder Geschwindigkeit wobei die Unterteilungen die Vorgänge innerhalb einer Sekunde repräsentieren. Beispiel 10 : 18 B. Das Lippen- oder Kiefer-Vibrato Es wird genau wie das Zug-Vibrato eingesetzt und entsteht durch minimale Änderungen im Ansatz, durch Bewegung von Zunge oder Kiefer oder aber aus einer Kombination von beidem. Dieses Vibrato ist auf der Posaune am besten geeignet, um das Gefühl eines durch den Raum schwebenden Tones zu vermitteln. Beispiel 11 : Zug- und Lippenvibrato lassen sich sehr leicht miteinander kombinieren. Geschieht dies in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, entsteht ein sehr interessanter Träller-Effekt. C. Das Zungen- oder Vokal-Vibrato Dieses Vibrato wird, obwohl es leicht durchführbar ist, nur selten verwendet. Am besten erzeugen läßt es sich durch Verbinden zweier Vokale , deren Ausführungstechnik in Kapitel 2 schon eingehend behandelt wurde. Nicht nur leicht auszuführen, sondern auch gut variierbar, resultiert daraus eine sehr gute Klangfarbenveränderung. Beispiel 12 : Es ist schwierig, Lippen- und Zungenvibrato miteinander zu kombinieren, da das Lippenvibrato separat ausgeführt schon eine leichte Bewegung der Zunge mit einschließt, und umgekehrt. D. Zwerchfell-Vibrato Die schnellen Wechsel zwischen akzentuiert und weich, die für dieses Amplitudenvibrato charakteristisch sind, stellen zugleich den Hauptgrund für seine seltene Verwendung bei 19 Blechblasinstrumenten dar. Der dabei entstehende pulsierende Effekt läßt sich anhand des nachstehenden Diagramms gut nachvollziehen. Beispiel 13: Erzeugen läßt es sich durch Ändern der Geschwindigkeit des verwendeten Luftstroms mithilfe des Zwerchfelles, was zum einen viel Übung erfordert, zum anderen in sehr expandierten Lagen aufgrund von hohem Druck des Luftstromes und damit verbundener starker Zwerchfellspannung oder aber auch erhöhtem Luftverbrauch nur noch schwer kontrollierbar ist. Genauso wie sich das Zugvibrato, was kaum störend ist, oft mit einem Glissando-Effekt vermischt, besteht die Gefahr, daß sich Zwerchfellvibrato und die einzuhaltenden Dynamikangaben überschneiden. Die Möglichkeiten, einzelne Vibratovarianten zu kombinieren, sind sehr vielfältig. Deren Einsatz ist von jedem Interpreten je nach gegebener Situation selbst auszuloten. Trotzdem sei darauf hingewiesen, daß zu viele zur gleichen Zeit verwendete Vibrati einander oft gegenseitig eliminieren. E. Triller und Shake Bei beiden wird mit Frequenzänderungen gearbeitet, daher stehen sie in enger Beziehung zum Vibrato. Viele Posaunenschulen beschäftigen sich ausführlich mit der Ausführung von Lippentrillern, weswegen sie hier nicht näher betrachtet werden sollen. Es sei nur angemerkt, daß Lippentriller, die kleiner als eine große Sekunde sind, vermieden werden sollten und die verwendeten Zugpositionen eng beieinander liegen sollten, um die technische Ausführbarkeit zu gewährleisten. Lippentriller in großen Abständen können leicht zu harmonischen Glissandi werden und sollten auch als solche behandelt werden. In tiefer Lage bieten Quarten und Quinten die einzige Möglichkeit für Lippentriller und sind daher nicht allzu angenehm für den Ausführenden. Eine Möglichkeit in geringen Abständen für Triller in mittlerer und tiefer Lage 20 ist eine Doppelton-Kombination (Singen und Spielen) der beiden benötigten Töne (siehe Kapitel 1.) Der Shake ist eine weitere Technik, um einen Triller-Effekt zu erhalten. Wie der Name schon vorwegnimmt, entsteht er entweder durch Schütteln des Kopfes oder des Instrumentes, wobei für gewöhnlich eine Mischung aus beidem angewandt wird. Gegenüber dem Lippentriller ist der Shake schwerer zu kontrollieren und daher auch weniger gut variierbar. F. Tremolo Auf der Posaune stehen vier Möglichkeiten zur Verfügung, um eine Tremolo zu erzeugen: Die „Doodle“-Zunge, Zwerchfellvibrato, das Quartventil und der WAWA-Dämpfer. Die „Doodle“-Zunge (Kapitel 2.) kommt dem Tremolo von Streichinstrumenten am Nächsten. Das Zwerchfellvibrato imitiert dieses aufgrund der ungleichen Dynamik nicht einmal annähernd, ist aber trotzdem eine sehr effektvolle Variante. Das Zwerchfelltremolo ist eine Abwandlung des Zwerchfellvibrato in sehr schneller Ausführung mit dem Unterschied, daß es eher im Rachenbereich als im Zwerchfell entsteht. Das Quartventiltremolo ist die effektivste und daher auch interessanteste der vier Varianten und wird in Kapitel 7 noch näher beschrieben werden. Um ein Tremolo mit dem WAWA-Dämpfer entstehen zu lassen, müssen zwei Finger sehr schnell über dessen Öffnung bewegt werden. G. Dämpfervibrato Plunger und WAWA-Dämpfer werden auch als Vokaldämpfer bezeichnet, da sich der für ihren Klang charakteristische Effekt am besten mit den Vokalen U und A beschreiben läßt. Diesen Klang erreicht man, indem man beim WAWA-Dämpfer die Hand über die Öffnung bewegt, bzw. den Plunger vor dem Schallbecher selbst öffnet und schließt. Führt man diese Bewegungen sehr schnell aus, entsteht der klangliche Eindruck eines Vibrati, der sich auch gut mit den eingangs in diesem Kapitel angeführten Techniken verbinden läßt. 21 Kapitel 6. Weitere „Bodysounds“ Unter Body Sounds fallen auch alle bisher erläuterten Spieltechniken. Die im Folgenden beschriebenen lassen sich jedoch nur schwer den bisherigen Abschnitten zuordnen und werden deshalb separat behandelt. A. „Buzzing“ Darunter versteht man das Produzieren von Tönen mit der schwingenden Lippe ohne Zuhilfenahme eines Instrumentes. Die schwingende Lippe ist das für die Tonhöhe hauptverantwortliche Element im Posaunespiel und kann auch ohne Instrument durchgeführt werden. Der früher bereits erwähnte Megaphon-Effekt des Instruments ist jedoch nicht dessen einzige Funktion, auch die Resonanz und die Fokusierung des Instruments vereinfacht das Schwingen der Lippen. Darum wird die Posaune für alle im Folgenden angeführten Themen mit einbezogen werden. B. Zungenschwingungen Grundsätzlich wird davon ausgegangen, daß die Lippen schwingen müssen, um einen Ton zu erzeugen. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, die Zunge zwischen die Lippen zu legen, und sie so zu einem Teil der schwingenden Fläche zu machen. Dabei übernimmt die Zunge die Aufgabe der Unterlippe. Dies reduziert die Resonanz und bewirkt einen gedämpften Klang. Kehrt man zur normalen Lippenschwingung zurück, entsteht meist ein dumpfer Schlag, woraus sich ergibt, daß eine Verbindung der beiden Techniken einen sehr guten perkussiven Effekt entstehen läßt. C. Flatterzunge Sie gehört zu den ältesten und meist eingesetzten der so genannten neuen Spieltechniken und ist dem Großteil der Posaunisten geläufig. Im Gespräch mit Kollegen zeigte sich, daß eine genaue Definition für die Art der Erzeugung kaum möglich ist. Manche gehen von einer Bewegung der Zunge im vorderen oder hinteren Bereich aus, andere lassen sie im Rachen 22 entstehen. Glücklicherweise finden fast alle sehr rasch die für sie am besten geeignete Methode. Die Flatterzunge läßt sich im gesamten Tonumfang und in allen Lautstärken verwenden – mit Ausnahme der Pedaltöne. Es hat sich jedoch gezeigt, daß durch die niedrige Anzahl der Schwingungen pro Sekunde im Pedaltonbereich Nicht-Posaunisten einen normal gespielten Ton oftmals schon als Flatterzunge wahrnehmen. Komponisten setzen die Flatterzunge oft ein, um einen lauteren, raueren Klang zu erhalten, im Pedaltonbereich bewirkt sie jedoch das genaue Gegenteil, daher bin ich dazu übergegangen, sie in dieser Lage einfach zu ignorieren. D. Die Stimme Über die Einsatzmöglichkeit der Stimme wurde bereits einiges gesagt. Manches ist jedoch noch unerwähnt geblieben. Neben dem in Kapitel 1. beschriebenen Singen kann die Stimme angefangen von tiefem Knurren bis hin zu hohem Krächzen verwendet werden und so ist beispielsweise der Klang einer Sirene leicht nachzuahmen. Als Möglichkeit der Darstellung der Stimme im Notenbild sei hier ein „Streit“ (Quarrel) aus Erickson „Ricercare à 5“ angeführt. Beispiel 14 : Zu den beliebtesten Effekten in diesem Kontext zählt das Nachahmen von Tierstimmen wie etwa das Hundegebell in Kreneks „5 Stücke“8. Ebenfalls erwähnenswert ist, die Stimme mit möglichst engem Rachenraum zu verwenden, was ein Herauswürgen der Töne gut imitiert. 23 E. Closed Sounds Diesen Begriff habe ich von Stuart Dempster9 entlehnt, der ihn auf 3 verschiedene Effekte bezieht: Den „Verdauungsstörungen“, dem Quietschen und dem Schmatzen oder Küssen. Ersteren Effekt erhält man durch Aufeinanderpressen der Lippen, sodass kaum Luft ins Instrument strömen kann und man den Luftstrom aus dem Rachen ins Instrument preßt. Dieser Klang läßt sich in seiner Tonlage verändern, eine genaue Intonation von bestimmten Tönen ist jedoch nicht möglich. Das „Quietschen“ basiert auf der gleichen Technik, jedoch in extrem hoher Lage und fällt oft beim Inhalieren der Luft leichter. Das „Küssen“, welches ebenfalls beim Einatmen entsteht, ist im Gegensatz zu den beiden anderen ein eher kurzer knallartiger Effekt. F. Rachengeräusche Hierzu zählt das Räuspern, wie es zum einen vorm Ausspucken zum Reinigen des Rachens gebräuchlich ist – am besten darzustellen mit den Lauten „ch-ch“ und zum anderen das als „a-hem“ dargestellte Räuspern, wie es oft verwendet wird um sich bemerkbar zu machen. G. Schnalzen und Schlagen („Slap“) Schnalzen mit der Zunge läßt sich durch Verkleinern und Vergrößern der Mundhöhle in der Tonlage variieren und sehr gut mit dem „Küssen“ verbinden. Die Notation entspricht oft der für das Schlagwerk verwendeten ( ). Der Slap läßt sich entweder durch einen kurzen, von der Zunge abgestoppten Luftstoß ohne Lippeschwingungen oder indem man mit der Handfläche auf das Mundstück schlägt, durchführen. Ersteres bietet den Vorteil, daß sich mithilfe des Zuges genauere Tonhöhen, wenn auch nur in geringem Tonumfang, leichter intonieren lassen. Letzteres wird bei den perkussiven Effekten erneut angesprochen werden (Kapitel 8 B). 24 H. Die Luft Es ist gebräuchlich, Luft ohne Lippenschwingungen ins Instrument zu blasen, wobei nichts anderes als die strömende Luft zu hören ist und Änderungen in der Mundhöhle den Klang beeinflussen. Durch abwechselndes Ein- und Ausatmen läßt sich beispielsweise das Hecheln eines Hundes nachahmen. In Berios „Sequenza 5“10 wird das Einatmen mit der Stimme kombiniert, was eine weitere Variante für den Gebrauch der Luft im Instrument aufzeigt. I. Zirkularatmung Es ist unausweichlich für Interpreten „Neuer Musik“ diese Technik zu erlernen, da sich ein durchgehendes Halten von langen, liegenbleibenden Tönen, wie es bei Kompositionen, die auf Klangflächen aufbauen, nötig ist, ermöglichen. Während des normalen Spiels bläst man die Backen auf, um dort Luft zu sammeln, die man dann beim Einatmen durch die Nase mit geschlossenem Kehlkopf mithilfe der Zunge ins Instrument drückt, wobei man zur gleichen Zeit durch die Nase wieder einatmet, um die Lunge mit Luft zu füllen. Bei geöffnetem Kehlkopf wird die Luft aus der Lunge wieder ins Instrument befördert. Für Anfänger ist es hilfreich, zu Übungszwecken mit einem Strohhalm Luft in ein Wasserglas zu blasen, bis man in der Lage ist, einen ununterbrochenen Luftstrom zu erzeugen. 25 Kapitel 7. Zug und Schallstück Wie schon erläutert, dient das Instrument als Resonator, dessen Bestandteile auch separat benützt werden können. Die Möglichkeiten hierzu sollen in diesem Abschnitt erörtert werden. A. Mundstück In der Posaunenliteratur gibt es einige Beispiele, in denen das Mundstück alleine entweder als Instrument oder als Resonator verwendet wird. Das Spielen am Mundstück wird vom Posaunisten im Allgemeinen als „Buzzing“ bezeichnet und wird beispielsweise in Rabes „Bolos“ verlangt. In der Partitur verwendet er hierfür das Symbol , welches in den Spielanweisungen als „Quasi parlando: Spiele am Mundstück allein und halte die Hände, um den Klang zu verändern, davor“ beschrieben wird. Die andere Möglichkeit, den Gebrauch als Resonator, findet sich in Ernst Kreneks „5 Stücke“, wo der Interpret so instruiert wird: „Nimm das Mundstück aus der Posaune, bedecke das große Ende mit der Handfläche und Pfeife über dem schmalen Ende.“11 B. Zug Mit dem Mundstück am Zug entsteht ein Klang, der dem beim Spielen auf einem Gartenschlauch sehr ähnlich ist, jedoch mehr Möglichkeiten für die Stimmung in verschiedenen Tonarten hat, indem man entweder nur auf einem Rohr des Innenzuges spielt, den Außenzug über ein oder beide Rohre des Innenzuges führt, oder aber auch beim zusammengebauten Instrument den Stimmzug entfernt. In „Bolos“ findet sich die Anweisung: „Nimm das Instrument auseinander, decke mit der Hand die beiden Öffnungen ab und sondiere dessen Vakuum. Und am Schluß : Zieh rasch den Zug auseinander. Vakuum Schnalzlaut“.12 Weiters läßt sich am Zug auch ein Pfeifen erzeugen, indem man an dessen Rand wie auf einer Flasche bläst. Zuletzt noch eine Variante zum Erzeugen von verschiedenen Schnalz- und „Verdauungsgeräuschen“: Zug und Mundstück werden wie beim Spielen an die Lippe gesetzt und das zweite Ende des Zuges mit dem Daumen verschlossen. Beim Bewegen des Zuges entsteht eine Sogwirkung und verursacht verschiedenartige Geräusche. 26 C. Schallstück Beim Spielen am Schallstück, (manche benutzen dafür ein Mundstück, andere nicht), entsteht ein Klang, der dem eines Muschelhorns ähnlich ist, wobei man auch den Stimmzug entfernen kann, um den Klang zu ändern. In John Cages „Solo“ trifft man auf 3 Techniken, die sich diesem Abschnitt zuordnen lassen. Alle lassen sich ohne das Schallstück vom Instrument zu nehmen ausführen: Spielen mit geöffneter Wasserklappe (1), ohne Stimmzug (2), mit dem Mundstück im Schallbecher (3). Bei letzterer Technik dreht man das Instrument um, sodass der Interpret mit dem Gesicht zum Becher steht und beim Buzzing direkt in den Trichter spielt. D. Quartventil Die oben an zweiter Stelle angeführte Technik läßt sich besonders gut bei Instrumenten mit Quartventil durchführen, da man anstelle des Hauptstimmzuges den Stimmzug des Ventilteils entfernt und dadurch das Instrument in seiner normalen Funktion nicht beeinträchtigt. Der Stimmzug am Ventilteil kann entweder mit gedrücktem Ventil leise, oder ohne Ventil mit einem „plopp!“-Effekt entfernt werden. E. Ventiltremolo Entfernt man den Stimmzug des Ventilteils, sind die Rohrlängen des normalen Instruments und die des übers Quartventil verlaufenden Rohres etwa ident. Man erhält unabhängig davon, ob man mit oder ohne Ventil spielt, etwa den gleichen Ton – einzig die Klangfarbe ist eine andere, womit man durch schnelles Drücken des Ventils sehr einfach ein Tremolo erzeugen kann. Da die Bauweise von Ventilen bei den einzelnen Posaunenherstellern unterschiedlich ist, muß man bei manchen Modellen den Ventilstimmzug auf eines der Rohre setzen, um die entsprechend Rohrlänge zu erhalten. 27 Kapitel 8. Perkussive Techniken und Hilfsmittel Anhand von Rabes „Bolo“ und Ericksons „Ricercare à 5“ lassen sich die sogenannten „Trombone Percussions“ sehr gut studieren und werden hier für die Aufarbeitung der möglichen Techniken herangezogen. A. Zwei Mundstücke In „Bolos“ findet sich das Symbol, das in den Instruktionen den Spieler anweist, zwei Mundstücke gegeneinander zu schlagen. B. Handfläche Ebenso findet man in „Bolos“ die Anweisungen, mit der flachen Hand auf das Mundstück (es befindet sich in diesem Fall auf dem Instrument) zu schlagen. Rabe verlangt nach einem Schmatz-Geräusch, Erickson in „ Ricercare a 5“ wiederum einen „popp“-Effekt. Ersterer entsteht, indem die Handfläche auf dem Mundstück bleibt, zweiterer, indem man die Hand schnell wegzieht und die Röhre wieder freigibt. Vorsicht ist geboten, denn schlägt man zu fest aufs Mundstück, kann oft nur mehr ein Instrumentenbauer dieses wieder aus dem Instrument entfernen. Die Stimmung kann entweder mit dem Quartventil geändert werden oder indem man den Zug auf den Boden stellt und das ganze Instrument hebt und senkt. C. Schlagen der Becherkante Ein weiterer Effekt im „Bolos“ wird am besten mit einem Ring, den man am Finger trägt und auf die Becherkante schlägt, erzeugt. Möchte man dafür ein Mundstück verwenden, würde ich zu einem billigen raten, das nicht mehr benötigt wird, da es beschädigt werden könnte. D. Vakuum Es entsteht ein Vakuum, wenn man den Ventilstimmzug rasch aus dem Instrument nimmt, ohne dabei das Ventil zu betätigen. Eine weitere Variante bietet sich, wie in Kapitel 7. erklärt, mithilfe des Zuges an. 28 E. Dämpfer Man kann zum einen mit Münzen oder einem Ring auf sie schlagen, oder sie gegen den Schallbecher schlagen, wie in Berios „Sequenza 5“ verlangt, um einen perkussiven Effekt zu erzeugen. F. Trommelschlegel In „Ricercare à 5“ findet sich beispielsweise die Anordnung „RIKITIKI“; auszuführen mit einem Schlegel mit Plastikgriff, den man auf der Griffstange des Instruments federn läßt. Ein derartiger Schlegel wird auch für den Beginn des 5. Teils von Kreneks „5 Stücke“ verwendet. Ein Schlegel mit weichem Gummikopf kann benützt werden, um den Schallbecher an verschiedenen Stellen durch Draufschlagen zum Schwingen zu bringen. Weitere interessante Effekte lassen sich mit einem Besen( Schlaginstrument) oder einem Gummiball, den man am Becher reibt, hervorbringen. Natürlich gibt es viele weitere geeignete Schlaginstrumente, wie etwa den Zug selbst, dessen Ende vorsichtig an ein Tam-Tam geschlagen werden kann, aber die wichtigsten sind somit hier präsentiert worden. G. Kratzen Der Schallbecher kann über die verschiedensten Materialien geschliffen werden, ohne ihn im Geringsten zu beschädigen – vorausgesetzt, er ist mit einem eingedrehten Rand versehen. Gut geeignet hierfür sind Klaviersaiten, ein Tam-Tam, Glasscheiben oder Holz (besonders, wenn mit Resonanzraum). Entscheidend für den Klang ist, ob man zieht oder schiebt, und der Winkel zwischen Schallbecher und dem Reibungsgegenstand. H. Wasser Ein Eimer voll Wasser auf einem Tisch plaziert bietet einige Möglichkeiten für Effekte. Hält man den Schallbecher ganz nahe an die Wasseroberfläche, entsteht ein vielleicht am besten als schimmernd zu bezeichnender Ton. Taucht man den Becher teilweise ins Wasser 29 und bewegt ihn, ändern sich die Schwingungseigenschaften sehr stark und bewirken eine Klang und Intonationsänderung, wohingegen der ganz ins Wasser getauchte Becher ein Blubbern von Luftblasen entstehen läßt. Saugt man Luft durch das Instrument ein, während dieses unter Wasser getaucht ist, füllt sich der Schallbecher mit Wasser. Spielt man nun einen kräftigen Ton, entsteht ein weicher Klang, der nach unten glissandiert, je mehr Wasser aus dem Schallbecher fließt und mit einem explosionsartigen Geräusch endet. Zwei weitere perkussive Effekte mit Wasser sollen noch erwähnt werden: Füllt man vor dem Spielen etwas Wasser in den Zug, vermischt sich der Ton mit gurgelnden Geräuschen, entfernt man den Außenzug und hält den Innenzug in einen Krug mit Wasser, entsteht beim Spielen ein Blubbern. 30 Kapitel 9. Dämpfer Der Standardgebrauch von Dämpfern ist in Schulen von beispielsweise Kleinhammer, Fink oder Wick13 und vielen anderen ausgiebig erläutert. Deshalb möchte ich mich in dieser Abhandlung auf den Gebrauch von speziellen Dämpfern und unüblichen Methoden beschränken. A. WAWA-Dämpfer Er wird oftmals auch als Harmon, nach einem der Hersteller, bezeichnet. Charakteristisch für ihn ist die Art und Weise, in der sich Vokale imitieren lassen, wovon in den Kapiteln 2 und 5 schon die Rede war. Die Länge des Mittelstücks kann verändert werden und Fink macht sie von der Entstehungszeit der zu interpretierenden Musik abhängig. Laut ihm soll das Mittelstück für nach 1950 entstandene Werke so weit als möglich ausgezogen werden. Wie auch immer: In zeitgenössischer Musik ist der WAWA-Effekt der Hauptgrund für den Gebrauch dieses Dämpfers, der sich mit zusammengeschobenen Innenteilen am bestes erzielen läßt. John Cage verlangt in „Solo“, auf den Dämpfer zu buzzen, was sich am besten mit dem Harmon bewerkstelligen läßt. Der Dämpfer verkehrtherum ans Instrument gehalten, erzeugt einen großartigen rasselnden Effekt. Entfernt man das Mittelstück ganz aus dem Dämpfer, entsteht beim Spielen ein dumpfer, rauschender Ton. B. Plunger Mit ihm erzeugt man den schon bekannten „U-A“-Effekt, hat aber gegenüber anderen Dämpfern den Vorteil, daß dem Posaunisten jederzeit auch der ungedämpfte Klang zur Verfügung steht. Beim Plunger unterscheidet man zwischen den gewöhnlichen „Gummi-Toiletten-Saugnapf“, dem Glenn-Miller-Tuxedo-Plunger und dem Wow-Wow-Dämpfer. Die beiden letzteren sind elegantere Varianten, bei denen man die Intonation besser unter Kontrolle behält und deren Verwendung für schwierige Werke wie Berios „Sequenza 5“ sinnvoll erscheint. 31 Eine klangliche Mischung aus Surren und „U-A“-Effekt läßt sich erzielen, indem man einen Trompetenspitzdämpfer möglichst tief in die Posaune einführt, und zusätzlich einen Plunger verwendet. Die Anweisung „tight plunger“ fordert ein vollständiges Verschließen der Schallöffnung mit dem Plunger. Schneidet man hierbei ein kleines Loch in den Dämpfer, lassen sich weitere interessante Vokaleffekte produzieren. Bei der Notation von Plungertönen verwendet man „o“ für offen und „+“ für geschlossen. C. Hut Hierfür eignet sich ein handelsüblicher Melonen-Hut, oder eine Nachbildung aus Metall oder Plastik. Auch bei dieser gedämpften Variante steht das offene Instrument zur Verfügung, da der Hut nicht mit dem Instrument verbunden ist, sondern auf einem Ständer separat aufgestellt wird. Einerseits stehen so beide Hände zur Verfügung, andererseits lassen sich keine schnellen Wechsel zwischen offen und geschlossen durchführen. D. Bucket mute , Filz und Hand Ein Stück Filz über den Trichter gelegt ergibt einen ähnlichen Klang wie das Spielen in den Hut. Auch der manchmal als „Velvet Tone“-Dämpfer bezeichnete Bucket funktioniert nach dem gleichen Prinzip, wird jedoch fest mit dem Instrument verbunden. Findet sich in einer Partitur der Ausdruck „Quasi Horn“, ist damit das Dämpfen mit bloßer Hand gemeint, das in Finks „Trombonist’s Handbook“ anhand von Fotos gut dargestellt wird. Dieser dämpfende Effekt läßt sich auch erzeugen, wenn man eine Klopapierrolle ins Instrument steckt. Der so erzielte Klang des Instruments ist dem einer Barock-Posaune schon relativ ähnlich. Natürlich entstehen dabei einige Intonationsprobleme, die der geübte Blechbläser aber leicht in den Griff bekommen kann. E. Effektiver Gebrauch von Dämpfern Da Schallbechergrößen bei Posaunen sehr stark variieren, müssen Dämpfer sehr genau dem Instrument angepaßt werden. So läßt sich die Intonation durch Abschleifen oder Vergrößern der Korken und die Ansprache des Instruments durch Einführen einer Papierrolle in den Dämpfer verbessern. 32 Die größten Probleme in diesem Zusammenhang entstehen beim Cup Dämpfer, denn nur wenige sind aufgrund ihrer Bauweise für das jeweilige Instrument geeignet und sollten achtsam ausgesucht werden. Beim Verwenden von mehreren Dämpfern in einem Stück und beim schnellen Wechseln ist es hilfreich, eine stabile Metallschlinge am Pult zu befestigen, um den Dämpfer notfalls auch ohne Hände ins Instrument einsetzen zu können. Dämpfer sollten immer mit der linken Hand gewechselt werden, da man zumindest zwischen 1. und 4. Position das Instrument notfalls mit der rechten Hand alleine balancieren kann. 33 Kapitel 10. Schauspiel Die sogenannte Bühnenperformance hat in der zeitgenössischen Musik einen weit höheren Stellenwert, als dies bei traditioneller Musik der Fall ist . Oftmals ist sie in einer Art „Drehbuch“ oder in Form von Regieanweisungen vom Komponisten vorgegeben und wesentlicher Bestandteil der Interpretation. Die Posaune eignet sich sehr gut, um bestimmte musikalische Geschehnisse zu visualisieren, nachvollziehbar anhand von Glissandi oder schnellen technischen Passagen, die dem Zuhörer (in diesem Fall Zuseher) aufgrund der Zugbewegungen einen Eindruck der Vorgänge übermitteln und vom Interpreten sehr bewußt und effektvoll eingesetzt werden können und sollen. Verwendet man perkussive Hilfsmittel, Gartenschläuche (wie in Kapitel 4 beschrieben), spielt in ein Klavier oder einen Eimer mit Wasser, sollte stets auf die Wirkung als Teil des Auftritts geachtet werden . In Rabes „Basta“ findet man beispielsweise zu Beginn die Anweisung „Schneller Auftritt, beginne sofort zu spielen“, was bestimmt dazu beiträgt, den Zuseher in die vom Komponisten beabsichtigte Stimmung zu bringen . Das erste durchgehende Theaterstück für Posaune verwirklichte Luciano Berio mit der „Sequenza 5“ im Jahr 1966 . Es erzählt die „Geschichte“ des berühmten Clown Grock14, dessen akustisches Markenzeichen, das Wort „Warum?“, Teile seines Kostüms, sowie Bewegungen während seiner Auftritte ins Stück integriert sind und deren Ausführung genau in der Partitur festgehalten sind . Die Mischung aus Tragik und Komik, charakteristisch für den Clown, bildet die Kernaussage dieses Werkes. Ein weiteres sehr publikumswirksames Theaterstück für Posaune stellt Ericksons „General Speech“ dar. Ihm liegt eine Rede von General Douglas Mac Arthur zugrunde und parodiert dessen Auftreten (böse Blicke ins Publikum, salutieren), seine Gestik (mit Zug oder Hand) und seine Art zu sprechen und somit den Eindruck der amerikanischen Bevölkerung von ihm. Das Wesentliche ergibt sich nicht aus dem Inhalt der Rede, sondern aus der Art und Weise, in der sie gehalten wurde . Weitere mir bekannte Stücke dieser Art komponierten Pauline Oliveros („Theaterstück für Posaune, Spieler und Kassette“) und Stuart Dempster („Zehn große Schlauchungen“). 34 Nachwort Die Posaune ist seit 500 Jahren, während andere Instrumente erst viel später erfunden oder stark verändert wurden, in ihrer grundsätzlichen Form unverändert geblieben. Trotzdem oder gerade deshalb wurde sie bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts von Komponisten nur selten oder spärlich eingesetzt. Einen Hauptgrund für ihre steigende Beliebtheit bei heutigen Komponisten sehe ich in der Entdeckung der enormen Bandbreite an klanglichen Möglichkeiten, die aufgrund neuer Spieltechniken immer weiter vorangetrieben werden. Ich hoffe daß diese Arbeit Komponisten und Posaunisten gleichermaßen einen ersten Anreiz zum Erlernen und Verwenden neuer Spieltechniken bietet. 1 Birchard Coer in „ Hornvirtuosen 19. Jahrhunderts“ „The best of Spike Jones“, „ Spike Jones is Murdering the Classics“ 3 7. Satz 4 Takte vor Ziffer 86 4 „Basta“ Takt 12 ff 5 Maßangaben aus Adam Carse „Musikblasinstrumente“ Seite 251 6 Eugene Bozza „Graphism“ Verlag Leduc 7 Krenek „5 Stücke“ Seite 13 Takt 22 8 Krenek „5 Stücke“ Seite 11Takt 19 9 „The Modern Trombone“ Seite 41 10 Berio „Sequenza 5“ Zeile 6 11 Krenek „5 Stücke“ Seite 14-15 Takt 13-18 12 Rabe „Bolos“ Seite 2 letztes System 13 Fink „The Trombonists Handbook“ , Seite 49 – 53 , Kleinnhammer „The Art of Trombone Playing“, Seite 12 – 14, Wick „Trombone Technique“, Seite 73 - 75 14 Künstlername von Charles Adrian Wettach, geb. Schweiz 1880, gest. Italien 1959 15 www.folkerabe.se/pages/comments 2 35 Anhang Biographie Folke Rabe Folke Rabe wurde 1935 in Stockholm, Schweden, geboren, wo er zwischen 1957 und 1964 an der königlichen Hochschule für Musik sein Studium absolvierte. Zu seinen Tutoren zählten unter anderem Valdemar Södeholm, Bo Wallner, Karl-Birger Blomdahl, Ingvar Lidholm, György Ligeti und Witold Lutoslawski. Neben seiner kompositorischen Tätigkeit war und ist Rabe in den unterschiedlichsten Sparten im Gebiet der Musik tätig. Als professioneller Jazzmusiker ist er bis heute mit dem Culture Quartett aktiv, als Pädagoge veranstaltet er Klang- und Gehörschulungsseminare und war Gastdozent an verschiedenen Universitäten in Schweden und den USA. Er veröffentlichte zahlreiche Artikel in musikbezogenen Fachzeitschriften und arbeitete von 1968 bis 1980 im schwedischen Institut für nationale Konzerte (‚Swedish Institute for national Concerts’), dem er die letzten vier Jahre seines dortigen Engagements als Programmdirektor vorstand. Beim schwedischen Rundfunk war er von 1980 an vorerst als Redakteur, später Chefredakteur und schließlich als Programmdirektor 20 Jahre lang tätig. Zusätzlich engagierte er sich im Bereich der Musikethnologie und führte im Zuge dessen Feldstudien, unter anderem in Bosnien und Südamerika, durch. Als Komponist wurde er in den 60er Jahren mit Werken wie „Piéce“ für Sprechchor, „Bolos“ für 4 Posaunen und dem „Rondes“ für Chor, seiner wohl am häufigsten aufgeführten Komposition, der Avantgarde zugeordnet. Seit den 80er Jahren nehmen Blechblasinstrumente – Rabe ist selbst Posaunist – einen wichtigen Platz im Schaffen Rabes ein. So entstanden einerseits Solokonzerte für Trompete („Sandine Sarcophagus“), Posaune („All the lonely People…“), Horn („Natur, Herden und Verwandte“), sowie Blechbläserquintett („L’Assiulo Caprese“) und Orchester; andererseits kammermusikalische Werke wie etwa „Basta“ für Posaune solo, „Tintomara“ für Trompete und Posaune, „Escalations“ für Blechbläserquintett und „Jawbone Five“ für Posaune und Schlagwerkensemble. Weiters schrieb Rabe Musik für Sinfonieorchester („So that this Song will not die“) und elektro-akustische Musik („What??“, „Cyclone“) 36 Folke Rabe, mittlerweile pensioniert, lebt in Stockholm, wo er nach wie vor komponiert und von wo aus er Konzertreisen durch Europa und die USA nachgeht. „Basta“ Das Stück wurde 1982 für Christian Lindberg komponiert, der zu dieser Zeit Student an der königlichen Hochschule für Musik in Stockholm war. Es wurde von der Universität im Rahmen eines Projekts in Auftrag gegeben, um das Entstehen von Solo-Literatur für Posaune zu fördern. Die Uraufführung, die Lindberg gestaltete, fand in einem Konzert, das ebenso Teil dieses Projektes war, statt. Die Schwerpunkte in „Basta“ legt Rabe auf äußerst schnelle Bewegungen durch verschiedene Skalen einerseits, und Akkorde, also eine Art Gegenpol andererseits, die der Interpret durch gleichzeitiges Singen und Spielen erzeugt. Eine Steigerung im Verlauf des Stückes entsteht durch immer schnellere Wechsel zwischen diesen beiden Grundschemen. Als weiteres dominantes Stilmittel hervorzuheben ist das Erschöpfen des gesamten dynamischen Spektrums innerhalb kürzester Abschnitte. Rabe selbst zu diesem Werk15: „Eine häufig gestellte Frage ist, ob es eine Geschichte gibt, die hinter ‚Basta’ steht. Ich hatte nie eine Geschichte oder ein Programm im Sinn gehabt, als ich ‚Basta’ komponierte. Aber es stimmt, dass Anfang und Ende eine Art Situation darstellen… Ich hatte die Idee, der Interpret könnte als eine Art Bote gesehen werden, der hereinstürmt und seine Nachricht überbringt, und dann – BASTA! – davoneilt. (Sie wissen, ‚basta’ ist italienisch für ‚genug’). Aber abgesehen davon gibt es keine hintergründige Geschichte wie beispielsweise ‚was ist genug?’, ‚was ist die Botschaft’ oder ‚warum diese Eile? ; Dies überlasse ich der Vorstellungskraft jedes einzelnen. Aber ich denke, die Musik selbst, virtuos wie sie ist, übermittelt manchmal das Gefühl von Stress und Eile, besonders gegen Ende wo Motive und Fragmente von Motiven herumjongliert werden und Phrasen nicht mehr beendet werden, bevor die nächsten beginnen…“ 37 Bibliographie Baker, David Contemporary Techniques for the Trombone Charles Colin, 1974 Bozza, Eugene Graphism Leduc, 1981 Berio, Luciano Sequenza V for Trombone Solo Universal Edition, 1968 Carse, Adam Musikblasinstrumente Da Capo Press, 1965 Coar, Birchard Hornvirtuosen des 19. Jahrhunderts De Kalb, 1952 De Leeuw, Ton Music for Trombone Donemus, 1974 Demster, Stuart The Modern Trombone University of California Press, 1979 Erickson, Robert General Speech Okra Music Corp., 1976; Ricercare a 5 Okra Music Corp.`71 Fink, Reginald The Trombonist `s Handbook Accura Music, 1977 Kleinhammer, Edward The Art of Trombone Playing Summy- Birchard Co., 1963 Krenek, Ernst Fünf Stücke für Posaune und Klavier Bärenreiter, 1969 Müller, Robert Schule für Zugposaune Wilhelm Zimmermann, 1902 Rabe, Folke Basta for Trombone Solo Edition Reimers, 1982 Rabe Folke und Bark, Jan Bolos Wilhelm Hansen, 1964 Sloan, Gerard The Talking Trombone ITA – Journal Nr. 6, 1978 Stravinsky, Igor Pulcinella Boosey and Hawkes, 1966 Wick, Dennis Trombone Technique Oxford University Press, 1973 38