Medizinethik Univ.Lektor OA Dr. med. Michael Peintinger Ethik und Moral Grundsätzliche Aspekte www.medethik.at Univ. Lektor Dr. Michael Peintinger 2014 Ethik und Moral - Grundbegriffe Was ist Ethik? Teilgebiet der Philosophie, das Entstehung, Veränderung, Wirkung der Moral untersucht Gesamtheit von Regeln, Werten und Normen, die eine Gruppe für ihr Handeln verbindlich festgelegt hat Moral = Praxis Ethik = Wissenschaft Moralität der Handlung: Moralische Qualität einer Handlung, die bewusst und aus Freiheit erfolgt und moral. Regeln/Werte/Normen als Basis anerkennt. MP 2014 3 1 Ethik und Moral - Grundbegriffe Wesentliche Aufgaben Erkennen der Wertorientierung (eig/vis) Darauf basierende Begründungen+ verwendete Argumente betrachten Überprüfung der verwendeten Sprache & Tonalität Trennung zwischen Moralität der Handlung und moralischer Haltung des Handelnden Identifikation des „ethischen Gehalts“ einer Frage Beobachtung struktureller Einschränkungen Beziehungen zu Rechtskodices Angebot eines Diskursmodells Überprüfung des Zustandekommens von Entscheidungen (Meta-Ethik) MP 2014 4 Ethik und Moral - Grundbegriffe Ethische Entscheidungen „Instrumente“: Prinzipien und Regeln „Regeln“: konkreter z.B.: „Urteilsfähige Patienten sollen aufgeklärt werden.“ „Prinzipien“: allgemeiner z.B.: “Jedermanns Selbstbestimmung soll respektiert werden!“ „Begründung der Regeln durch Rückgang auf Prinzipien“ Letzbegründungen „Heteronom“ = „transzendent“ (Göttl.Offenb.) „Gott“ „Autonom“ = „innerweltlich“ „Menschenwürde“ MP 2014 5 Ethik und Moral - Grundbegriffe Menschenwürde Definition: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ (Art.1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, 1948) Kurzformel: „Mensch nicht als Objekt missbrauchen“ Übersetzung in „Menschenrechte“ Probleme: „Banalisierung“, „conversation-stopper“ Hilfe: „Eiserne Ration“ des Menschen (H.L. Schreiber) MP 2014 6 2 Ethik und Moral - Grundbegriffe Beispiele für Oberste Begründungs-Prinzipien „Goldene Regel“ „Kategorischer Imperativ“ (Immanuel Kant): „Handle nur nach derjenigen Maxime[= “Grundregel”] , durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde!” Kurzformel: „Handle so, dass Dein Handeln auch sozial kompatibel ist“! Utilitarismus: „Größtmögliches Glück (Nutzen) für größtmögliche Zahl an Menschen“ Zentrale Ethik-Konzepte Pflicht-Orientierte „to deon“ ~ „das Gesollte“ Ziel- orientierte „to telos“ ~ „Ziel, Zweck“ MP 2014 7 Ethik und Moral - Grundbegriffe Diskursethik Konsens angestrebt! 2 Ebenen der Argumentation 1. Sachinformation: Klarheit über Fakten Normen und Werte werden als selbstverständlich vorausgesetzt 2. Wertreflexion: Wertorientierung beider zu gemeinsamer Reflexion Konzept der „Idealen Sprech-Situation“ Kommunikative Kompetenz - (Sachkenntnis, Vernünftigkeit, Argumentationsfähigkeit!) Gleichwertigkeit aller Diskurspartner- Redegleichheit Bereitschaft zur Offenheit Wahrhaftigkeit MP 2014 8 Ethik und Moral - Grundbegriffe Moral, Ethik und Recht außermoralisches Recht (z.B. Ausbildungsfragen) (z.B. Organisationsfragen) außerrechtliche Moral (z.B. moral. bedeutsames Verhalten, Geduld, Einfühlsamkeit, Loyalität) MP 2014 9 3 Ethik und Moral - Grundbegriffe Moral, Ethik und Recht Rechtliche Normen Moralische Normen Moralische Normen bestehen meist früher Gründung neuer ethischer Normen beruhen auf langen philosophischen Diskussionen Rechtsnormen können ohne Diskussion begründet werden… Moralische Normen können gegen Rechtsnormen stehen (Med:) Rechtsnormen interessieren mehr… Behindern Rechtsnormen moralisches Verhalten? MP 2014 10 Ethik und Moral - Grundbegriffe Grenzen der Ethik (und der Ethikberatung!) von Ethik selbst gesetzt! Ethik maßt sich keine stellvertretende moralische Kompetenz an, sondern leitet Handelnden dazu an, selbst moralische Kompetenz zu erwerben und auszuüben! MP 2014 11 Ethik und Moral - Grundbegriffe Ethik-Beratung Klinisch-ethische Beratung (grounded theory“) Keine Verzögerung Hebammendienst, der hilft, die Begründungen, die ja intuitiv bereits zumeist vorliegen, ans Licht zu bringen Reflektierte und damit besser fundierte Begründungen Keine Bevormundung (Entscheidung bleibt beim Verantwortlichen) Getragen von Team Einbettung der medeth. Aspekte in davon betroffene Berufe! Längerfristig: „Weg-Rationalisierung“ MP 2014 12 4 Ethik und Moral - Grundbegriffe Ethik-Beratung = Verzögerung?! Randomisierte, kontrollierte Multicenter-Studie aus den USA (Schneiderman u. a. 2003-cave!) 551 Intensivpatienten - 2 Gruppen eine Gruppe: routinemäßig klinische Ethikberatung Kein Unterschied in Sterberate (Beratung führte nicht dazu, dass Patienten sterben, die sonst möglicherweise noch überlebt hätten!) signifikant niedrigerer Ressourcenverbrauch KEB nicht „um Kosten zu sparen“ - aber wirksames Instrument um Entscheidungen zum Therapieverzicht am Lebensende zu unterstützen. MP 2014 13 Ethik und Moral - Grundbegriffe Grundlegende Themen 1. Ethik und Moral 2. Autonomie 3. Arzt-Patient-Beziehung MP 2014 14 Ethik und Moral - Grundbegriffe „4 Mittlere Medizinethische Prinzipien“ (Beauchamp/Childress) Selbstbestimmung des Patienten - Autonomie Prinzip der Schadensvermeidung Fürsorgepflicht Gerechtigkeit können von allen religiösen und weltanschaulichen Positionen autorisiert werden (z.B. auch im Buddhismus!) Konsens - unabhängig von Überzeugung - möglich! Ergänzt durch Prinzipien 2.Ordnung (Schweigepflicht, Wahrhaftigkeit, Vertrauenswürdigkeit) + Tugenden, Leitbilder… MP 2014 15 5 Ethik und Moral - Grundbegriffe Grundlage des therapeutischen Handelns Therapie Indikation Autonomie _______________________________ _______________________________ _______________________________ MP 2014 16 Ethik und Moral - Grundbegriffe Autonomie „Recht und Vermögen des Menschen, selbstständig zu entscheiden, was mit ihm geschehen soll“ erwächst aus den eigenen Wertvorstellungen/Glauben basiert auf adäquater Information und Verstehen ist frei von äußerer und innerer Nötigung. Zur Ausübung: Fürsorge notwendig (Kommunikation, Wertewahrnehmung, Position…) Abhängig vom sozio-kulturellen Umfeld (An „Indiv. ausgerichtete“ Länder ; Länder mit vorrangig „kollektiven, (religiös/ politisch begründeten) Normen vor Wert individueller Freiheiten “ ) „Die Autonomie kann sich auf dem Boden von Verdrängung nicht entwickeln, geschweige denn auf dem Boden von Verneinung oder Lüge.“(J.F. Malherbe) MP 2014 17 Ethik und Moral - Grundbegriffe Gemeinsame Entscheidungen gehen über naturwissenschaftlich-pragmatische Sicht hinaus „Können“ – „Dürfen“ – „Müssen“ – „Sollen“ Wertorient. Lebensentscheidungen/Therapieentscheidungen Aufklärung, Lebensqualitäts-Einschätzung (individuell) (Karnofksy: 4 Dimens.: Physisch, psychisch, sozial, spirituell!) Einbindung von Angehörigen, Vorausschauende Entscheidungen (z.B. PV) Handlungsentscheidungen bei sinnvoller Handlung aber unsicherer / schlechter Prognose (Futility“ –Problematik) Therapieziel-Änderungen (kurativ/palliativ) + Therapie – „Reduktionen“, Sterbehilfeproblematik Ethische Dilemmata (indiv/strukt/organisat/ethisch) MP 2014 18 6 Ethik und Moral - Grundbegriffe Autonomie und Gesundheit Änderung des Gesundheitsbegriffs „bedingte Gesundheit“: „Gesundheit ist die Fähigkeit eines Individuums, ungeachtet bestehender Beschränkungen und Belastungen relativ autonom zu bleiben“ (J.Siegrist) mit jedem therapeutischen Geschehnis, das zur Zunahme der Autonomie führtwird ein konkreter Beitrag zur Gesundheit geleistet! …und damit auch mit jedem kommunikativem Akt! MP 2014 19 MP 2014 20 Autonomie Alain Oliviera Brasilien Goldmedaille Paralympics 2012 200m-Lauf 7 Hundertstel vor Oscar Pistorius Ethik und Moral Danke für Ihre Aufmerksamkeit! www.medethik.at Univ. Lektor Dr. Michael Peintinger 2014 7