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JULI 2016
Autoren: André Bloch und Sonja Stark-Traber
Rechtsprechung zum Internationalen Zivilprozessrecht
Internationaler Konsumentengerichtsstand
Das Bundesgericht hat sich zur Frage geäussert, wann bei Verträgen mit Konsumenten im Ausland ein Gerichtsstand an deren Wohnsitz begründet wird.
In einem Entscheid vom 9. Februar 2016 (BGE 142 III
170), befasste sich das Bundesgericht mit der gerichtlichen Zuständigkeit in Verbrauchersachen gemäss Art.
15 ff. des Lugano-Übereinkommens (LugÜ). Das LugÜ
legt den Gerichtsstand bei Streitigkeiten im internationalen Verhältnis fest, wenn der Beklagte seinen
Wohnsitz oder Sitz in einem LugÜ-Vertragsstaat (z.B. in
der Schweiz) hat. Gemäss Art. 15 Ziff. 1 lit. c LugÜ liegt
eine Verbrauchersache vor, wenn der streitgegenständliche Vertrag nicht der beruflichen oder gewerblichen
Tätigkeit einer Partei (dem Konsumenten) zugerechnet
werden kann und die andere Partei entweder eine
berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzstaat
des Konsumenten ausübt oder ihre Tätigkeit auf den
Wohnsitzstaat des Konsumenten ausrichtet und der
Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Erfasst
werden mit dieser Bestimmung alle Arten von Verbraucherverträgen, z.B. Liefer-, Werk-, Dienstleistungsoder auch Bankverträge. Liegt ein Verbrauchervertrag
in diesem Sinne vor, kann der Anbieter gegen den
Konsumenten ausschliesslich in dessen Wohnsitzstaat
klagen, während der Konsument wahlweise im (Wohn-)
Sitzstaat des Anbieters oder in seinem eigenen Wohnsitzstaat klagen kann (Art. 16 LugÜ). Abweichende
Gerichtsstandsvereinbarungen können grundsätzlich
nur nach Entstehung der Streitigkeit getroffen werden
(Art. 17 Ziff. 1 LugÜ).
In dem vom Bundesgericht beurteilten Fall erhob eine
Genfer Bankniederlassung gestützt auf eine Gerichtsstandsvereinbarung in den Bankvertragsunterlagen
Klage in Genf gegen ihren in Frankreich wohnhaften
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Kunden, da dessen Konto eine Unterdeckung aufwies.
Der Bankkunde erhob die Einrede der Unzuständigkeit mit der Begründung, dass ein Verbrauchervertrag
vorliege und die Gerichtsstandsvereinbarung deshalb
wegen Verletzung von Art. 16 und 17 LugÜ ungültig sei.
Zuständig seien vielmehr die Gerichte in Frankreich.
Das Bundesgericht prüfte, ob der Bankvertrag die Voraussetzungen von Art. 15 Ziff. 1 lit. c LugÜ erfüllte. Gemäss Bundesgericht setzt diese Bestimmung voraus,
dass der streitgegenständliche Vertrag mit dem Wohnsitzstaat des Konsumenten im Zusammenhang steht.
Ein schutzwürdiges Interesse besteht gemäss Bundesgericht im internationalen Verhältnis nur bei einem
Konsumenten, der in seinem Wohnsitzstaat beworbene
Waren oder Dienstleistungen eines ausländischen
Anbieters bestellt. Hingegen sei sich ein Konsument,
der sich aus eigener Initiative an einen ausländischen
Anbieter wende, ohne dazu durch ein Angebot oder
Werbung in seinem Wohnsitzstaat veranlasst worden
zu sein, des internationalen Charakters des Vertrages
bewusst und akzeptiere das Risiko eines gerichtlichen
Verfahrens im Ausland. Ein Ausrichten der Tätigkeit
auf den Wohnsitzstaat des Konsumenten im Sinne von
Art. 15 Ziff. 1 lit. c LugÜ setzt gemäss Bundesgericht
voraus, dass der Anbieter bewusst und zielgerichtet
versucht, mit seinen Produkten oder Dienstleistungen
in den betreffenden Markt vorzudringen oder sich darin
zu halten, was mittels aller möglichen Arten von Werbung oder Kundenakquisition geschehen kann, die auf
den Wohnsitzstaat des Konsumenten abzielen.
1
Im beurteilten Fall verneinte das Bundesgericht das
Vorliegen dieser Voraussetzungen. Zum einen waren
die von der Bank in Frankreich betriebenen Tochtergesellschaften und Niederlassungen in keiner Art und
Weise in das Vertragsverhältnis mit dem beklagten
Bankkunden involviert gewesen, sondern es wurden sämtliche Handlungen von der Niederlassung in
Genf aus vorgenommen, an die sich der Bankkunde
selbst gewendet hatte. Zum anderen betrieb die Bank
keinerlei Werbung oder Akquisition mit dem Ziel,
Kunden ausserhalb der Schweiz dazu zu bringen, mit
einer Schweizer Niederlassung der Bank in Kontakt zu
treten. Aus der Tatsache, dass Schweizer Banken im
Ausland einen sehr guten Ruf geniessen, kann gemäss
Bundesgericht nicht abgeleitet werden, dass eine
Schweizer Bank ihre Tätigkeit im Sinne des LugÜ auf
das Ausland ausrichtet. Die Zuständigkeit der Genfer
Gerichte wurde entsprechend bejaht.
KOMMENTAR
Das Urteil ruft in Erinnerung, dass Schweizer Anbieter, die Geschäfte mit ausländischen
Konsumenten tätigen, nicht zwingend eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Ausland
ausüben müssen, um (trotz Gerichtsstandsvereinbarung) vor einem ausländischen Gericht
verklagt werden zu können oder selbst klagen zu müssen, um ihre Ansprüche durchzusetzen.
Vielmehr ist gemäss Art. 15 Ziff. 1 lit. c LugÜ bereits ausreichend, dass sie ihre Tätigkeit auf
den Wohnsitzstaat des Konsumenten ausgerichtet haben. Dies ist der Fall, wenn der Anbieter
im Wohnsitzstaat des Konsumenten Werbung geschaltet oder dem Konsumenten Angebote
unterbreitet hat. Aber selbst im Betreiben einer Website kann unter Umständen schon eine
Ausrichtung der Tätigkeit auf das Ausland gesehen werden: Zwar reicht die Zugänglichkeit
der Website aus dem Ausland allein noch nicht aus, um einen Konsumentengerichtsstand zu
begründen. Enthält die Website aber beispielsweise Anfahrtsbeschreibungen vom Ausland zur
Niederlassung des Anbieters, Telefonnummern mit internationaler Vorwahl oder verwendet der
Anbieter eine andere Sprache oder Währung als die in seinem Niederlassungsstaat übliche,
so kann darin allenfalls eine Ausrichtung der Tätigkeit des Anbieters auf den Wohnsitzstaat
des Konsumenten gesehen werden. Soll die Begründung eines Gerichtsstands im Ausland
vermieden werden, ist demnach bei der Ausgestaltung der Website Vorsicht geboten und
allenfalls die Lieferung in gewisse Länder ausdrücklich auszuschliessen.
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Der Inhalt dieses Newsletters stellt keine Rechtsauskunft dar und darf nicht als solche verwendet
werden. Für eine persönliche Beratung wenden Sie sich bitte an Ihre Kontaktperson bei Suter
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Dr. André Bloch
Partner
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Dr. Mauro Loosli
Partner
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Sonja Stark-Traber, LL.M.
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