Was ist eine Wettbewerbsbeschränkung? Tauchurlaub mit Tigerhaien bei Tigerbeach (Bahamas) für $ 5.000 Käme ein solches Angebot in einer Planwirtschaft wie in Nordkorea zustande? 1 Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (v. Hayek) 1. Auf dem Markt erforscht die Anbieterseite, welche Angebote auf Interesse bei der Nachfrageseite treffen. 2. Es folgen Fehlversuche, verbunden mit Anpassungsschwierigkeiten und Entwicklungsphasen. 3. Nach einer gewissen Konsoldierungsphase stellt sich ein Marktergebnis ein. Bsp.: Eine Woche Tiger Beach für $ 5.000 trifft auf Nachfrage. Damit verbinden sich folgende Konsequenzen: 1. Das Marktergebnis (und als Teil desselben insbesondere der Preis) wirkt wie ein Index, in den eine Vielzahl komplexer Informationen eingeht. 2. Dadurch dass das Angebot auf eine Nachfrage trifft, entsteht ökonomisch ein Wert (Wertschöpfung). 3. Mit der Wertschöpfung verbinden sich Wohlfahrtseffekte, dh. willkommene ökonomische Folgen (zB. das Entstehen von Arbeitsplätzen). 2 Wohlfahrtseffekte Begriff: Marktergebnisse, die aus unterschiedlicher Betrachtungsweise (wettbewerblicher wie wirtschaftspolitischer) positiv erscheinen. Wohlfahrtseffekte des Wettbewerbs: 1. Einsatz der stets knappen volkswirtschaftlichen Ressourcen dort, wo sie am meisten benötigt werden: Durch die Höhe des Preises signalisiert die Nachfrageseite, welchem Verwendungszweck sie den Vorzug gibt. Die Angebotsseite lenkt den Einsatz der Ressourcen gerade auf diesen Zweck hin, weil dort der höchste Preis geboten wird (Preis als Indikator für eine optimale Ressourcenlenkung). 2. Dadurch dass die Nachfrager befriedigt werden, die den höchsten Preis anbieten, sorgt der Wettbewerb dafür, dass für die Ressourcen zur größtmöglichen Wertschöpfung eingesetzt werden. 3. Gleichzeitig sorgt die Konkurrenz der Anbieter dafür, dass für die Nachfrageseite Wahlmöglichkeiten bestehen und keine zu hohen Preise gezahlt werden müssen (Preisdruck im Wettbewerb). 3 Wie kommt es zu Wertschöpfungsprozessen? 2 klassische Theorien: 1. Adam Smith: durch die Freiheit des Wettbewerbs. Sind die Akteure im Wettbewerb frei in ihrem Verhalten, werden Sie stets die Investitionsmöglichkeit suchen, die ihnen den größten Profit bringt. Dabei erforschen sie, welche Investitionswünsche auf der Nachfrageseite bestehen. 2. Joseph Schumpeter (dynamische Theorie). Wachstum entsteht durch Innovation. Diese schafft neue Märkte und damit eine Vermehrung des Wohlstands. Weil die Ressourcen einer Volkswirtschaft stets begrenzt sind, müssen überlebte wirtschaftliche Institute häufig zerstört werden, damit Ressourcen für Innovation wieder freigesetzt werden (schöpferische Zerstörung). 4 Die Aufgabe des Kartellrechts Ausgangspunkt: Die Freiheit des Wettbewerbs ist zentrale Grundlage des Wertschöpfungsprozesses. Systemimmanente Pervertierung des Freiheitsgedankens: Häufig versuchen die am Wertschöpfungsprozess Beteiligten, die selbst von der Wettbewerbsfreiheit profitierten, diese nachträglich zum eigenen Vorteil einzuschränken; Beispiele: - Durch Preisabsprachen aller Anbieter sollen hohe Preise am Markt und damit hohe Einnahmen garantiert werden. - Durch Absprachen zwischen den Unternehmern sollen Newcomer und neue Unternehmen vom Markt ferngehalten werden. Das Kartellrecht, vor allem Art. 101 AEUV, sichert den Erhalt der Wettbewerbsfreiheit und die Offenhaltung der Märkte ab. 5 Art. 101 Abs. 1 AEUV - Aufbau 1. Verbotene Kooperationsform a) Vereinbarung zwischen Unternehmen (funktionaler Unternehmensbegriff), b) abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen oder c) Beschluss einer Unternehmensvereinigung. 2. Wettbewerbsbeschränkung a) Bestimmung des betroffenen Marktes b) Konzertierung auf diesem Markt c) Konzertierung = Wettbewerbsbeschränkung? 3. Bezwecken oder Bewirken der Wettbewerbsbeschränkung durch verbotene Kooperationsform 4. Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels 5. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkungen 6 Zwecke der Artt. 101 ff. AEUV Art. 32 lit. b AEUV: Zu den zentralen Bedingungen des Gemeinschaftsrecht zählt die Entwicklung der Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Europäischen Union, soweit diese Entwicklung zu einer Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen führt. Abschwächung gegenüber dem ehemaligen Art. 3 lit. f EG a.F. (System unverfälschten Wettbewerbs) ! Wird einerseits gewährleistet durch die Artt. 34, 35 AEUG (Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen (Cassis de Dijon, Keck)). ! Über Artt. 101 ff. muss verhindert werden, dass Wettbewerber Schranken errichten, die denen der Artt. 34, 35 AEUV vergleichbar sind. ! Bedeutung der Artt. 101 ff. für die Integration des Gemeinsamen Marktes >< gelegentlich Spannungsverhältnis zur Wettbewerbsfreiheit. 7 Unternehmensbegriff Grundsatz: jede Einrichtung, die eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art der Finanzierung (beachte: EuGH WuW 2007, 407, RdNr. 26-Fenin). " Jedes Unternehmen soll daher eigenständig auf dem Markt agieren und nicht in Absprache mit anderen (Selbständigkeitspostulat) Wegen des Merkmals der Selbständigkeit keine Anwendung auf (1) hoheitliches Wirken des Staates (vgl. aber Art. 106 AEUV), (2) privaten Konsum und (3) Arbeitsmarkt und (4) Sozialversicherung. Unmaßgeblich für den Unternehmensbegriff sind: (1) Gewinnerzielungsabsicht, (2) Umfang der Tätigkeit und (3) Art der Finanzierung, freier Beruf oder Gewerbe. 8 Konzernproblematik (1) Problem: Ein Konzern entsteht (vgl. beispielhaft: §§ 17 f. AktG), wenn ein Unternehmen die Stimmrechtsmehrheit bei einem anderen Unternehmen hält. Das abhängige Unternehmen behält zwar seine rechtliche Selbständigkeit, wird aber wirtschaftlich abhängig. Das herrschende Unternehmen leitet in einem solchen Fall einen Verbund aus mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen. Für das Kartellrecht ergeben sich daraus folgende Fragen: 1. Kann das abhängige Unternehmen für einen Kartellrechtsverstoß belangt werden, da es doch gar nicht autonom iSd. Selbstständigkeitspostulats entscheidet? 2. Kann das herrschende Unternehmen kumulativ zum abhängigen Unternehmen Adressat des Bußgeldes werden? 9 Konzernproblematik (2) Vgl. etwa: EuG, WuW 2012, 301- Spanisches Rohtabakkartell und EuGH WuW 2013, 903 – Versalis 1. Das abhängige Unternehmen muss herangezogen werden können, damit das herrschende Unternehmen den Kartellverstoß nicht gesellschaftsrechtlich so organisieren kann, dass es die wirtschaftliche Last eines Bußgeldes nicht trifft. Andernfalls könnte ein SPP (Special Purpose Vehicle) mit geringer Kapitalausstattung zur Begehung des Kartellverstoßes gegründet werden. 2. Dem herrschenden Unternehmen ist der Kartellverstoß zurechenbar, wenn es mit dem abhängigen eine wirtschaftliche Einheit bilden. a) Dies wird vermutet, wenn das herrschende U eine hunderprozentige Beteiligung am abhängigen hält. b) In allen übrigen Fällen muss die Kommission nachweisen, dass das abhängige Unternehmen keine eigenständige Geschäftspolitik gegenüber dem herrschenden Unternehmen betreibt. 10 Vereinbarungen iSd. Art. 101 Abs. 1 AEUV Definition: Eine Vereinbarung iSd. Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt vor, wenn „die fraglichen Unternehmen ihren gemeinsamen Willen, sich auf eine bestimmte Weise auf dem Markt zu verhalten, zum Ausdruck gebracht haben.“ (EuGH WuW 2005, 1311, RdNr. 118 (Eu-R 967-976 – Luxemburgische Brauereien). Entscheidend ist das Zustandekommen eines tatsächlichen Konsenses (EuGH aaO RdNr. 119). Beachte: Es kommt allein auf eine Konzertierung (ein Parallellaufen von unternehmerischen Entscheidungen) an, nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit. Grund: Die gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßende Vereinbarung ist nach Art. 101 Abs. 2 AEUV nichtig! 11 Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (1) Normzweck: 1. Echte Vereinbarungen sind in der Praxis oft schwer zu beweisen, weil es an schriftlichen Unterlagen fehlt. Häufig erlauben aber äußere Indizien einen Rückschluss darauf, dass die Beteiligten eine Konzertierung vorgenommen haben, die einer echten Vereinbarung gleichkommt. 2. Entsprechend der Zwecksetzung des Art. 101 AEUV kommt es nicht darauf an, mit welchen Mitteln die Parteien ihr gegenseitiges Verhalten gleichgeschaltet haben; es genügt, dass sie dies getan haben. Ausgangspunkt: (1) Die Marktbeteiligten müssen sich autonom verhalten (Selbständigkeitspostulat). (2) Ahmen sie das Verhalten der Konkurrenten nach (Parallelverhalten), gibt es dafür zwei Erklärungen: a) Es liegt eine abgestimmte Verhaltensweise vor; b) Die Marktteilnehmer haben sich autonom dafür entschieden, einander zu imitieren (erlaubtes Parallelverhalten). 12 Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (2) Nach Art. 2 Satz 1 VO Nr. 1/2001 muss die Kommission beweisen, dass das Parallelverhalten nicht auf einer autonomen Entscheidung, sondern auf einer Fühlungnahme der Wettbewerber beruht. Eine Fühlungnahme liegt vor, wenn die Beteiligten die Unsicherheiten einseitigen Wettbewerbsverhaltens auf dem Markt durch ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen ausgeräumt haben (Verstoß gegen d. Selbständigkeitspostulat). Indizien für eine Fühlungnahme: (1) Längeres Parallelverhalten entgegen eigenen wirtschaftlichen Interessen; (2) Teilnahme an einer Konferenz, auf der die Abstimmung Tagesordnungspunkt war usw. (vgl. EuG, WuW 2010,709 – BST/Kommission). (3) Die bloße Teilnahme an einer Konferenz mit den Wettbewerbern genügt indes nicht, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass der Kartellgegenstand auf der Tagesordnung stand (EuGH WuW 2013, 662 – GEMA/Kommission). 13 Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (3) Beachte ferner den Wortlaut: „abgestimmte Verhaltensweise“ " Die Abstimmung (Fühlungnahme) muss kausal werden für eine Verhaltensweise. Bei einem Marktinformationsverfahren, im Rahmen dessen die Wettbewerber Informationen austauschen, wird die Kausalität vermutet. Grund: Es spricht ein Erfahrungsaustausch dafür, dass die Konkurrenten nur Informationen austauschen, die für sie wichtig sind und die sie ihrem Marktverhalten zugrunde legen (vgl. im Skript den Fall Asnef Equifax). 14 Beschluss einer Unternehmensvereinigung (I) Zweck des Tatbestandsmerkmals: Vermeidung von Umgehungen durch Zwischenschaltung eines gemeinsamen Dachverbandes der Kartellanten. Beispiel: Wenn die Konkurrenten K1 und K2 keine Verereinbarung iSd. Art. 101 I AEUV treffen dürfen, muss verhindert werden, dass sie einen Verein gründen und dieser ihnen durch Beschluss die erwünschte konzertierte Verhaltensweise vorgeben kann. Unterschied zur Vereinbarung: Die Willensbildung erfolgt über einen Dachverband. Aber Zweck des Merkmals: Auf der Wertungsebene Gleichbehandlung mit der „Vereinbarung“ 15 Beschluss einer Unternehmensvereinigung (II) Praktische Anwendungsprobleme: 1. Es muss sich nicht um einen echten Beschluss iSd. § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB der Gesellschafter- /Mitgliederversammlung handeln. Auch ein Beschluss des Vorstands oder der Geschäftsleistung reicht aus. Grund: Auch dieser erlaubt eine Konzertierung. 2. Der Beschluss muss nicht rechtsgeschäftlich wirksam sein, sondern nur praktisch ein konzertiertes Verhalten ermöglichen. Gründe wie bei 1. 3. Der Beschluss ist dem Dachverband als verbotene Verhaltensweise zurechenbar, aber auch jedem Gesellschafter (auch dem überstimmten), der sich an ihn hält. 16 Bezwecken und Bewirken (1) 2 Zurechnungskriterien, aufgrund derer die Beteiligten der verbotenen Kooperationsform für die Wettbewerbsbeschränkung verantwortlich sind. EuGH, 11.9.2014 – C-67/13- CB Bezwecken: Vereinbarung ist ihrem Inhalt nach, aufgrund der äußeren Begleitumstände usw. auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichtet (EuGH Rn. 53). Hier bedarf es keines konkreten Nachweises der negativen Marktbeeinflussung. " typisch für Hardcore-Kartelle (Kartelle über Preis- und Angebotsbedingungen sowie Kartelle über eine Marktaufteilung). Bewirkung = Auffangtatbestand. Bezwecken nicht vorhanden, aber dennoch können negative Folgen der verbotenen Verhaltensweise auf dem Markt nachgewiesen werden. Lehre vom neutralen Geschäft: Eine Verhaltensweise ist eigentlich nach Art. 101 I AEUV verboten. Doch führt sie zu keiner Wettbewerbsbeschränkung, sondern zu einem Marktergebnis, das auch bei funktionierendem Wettbewerb einträte. 17 Berührung des zwischenstaatlichen Handels Doppelter Zweck: 1. Kollisionsnorm, die das europäische Kartellrecht vom nationalen Recht abgrenzt. 2. Erheblichkeitsschwelle für Kartellverstoß: Dieser ist nur relevant, wenn er die die Integrationswirkung des gemeinsamen Marktes beeinträchtigt. Leitentscheidung EuGH (Slg. 1966, 281, 303-Maschinenbau Ulm) -> sehr weitgehendes Begriffsverständnis: Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung muss der Warenverkehr mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potenziell in einer Weise beeinträchtigt sein, die mit den Zielen eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes unvereinbar ist. Beispiel: Auch ein Kartell sämtlicher Anbieter eines Mitgliedstaates hat zwischenstaatliche Bedeutung, weil dieses sich von vornherein gegen Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten richtet. 18 Spürbarkeit Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das sich aus dem Zweck des Kartellrechts ergibt: Der Schutz der Wettbewerbsfreiheit gebietet dort kein Eingreifen der Kartellbehörden, wo die Auswirkungen einer Verhaltensweise gar nicht im Wettbewerb spürbar ist (de minimis nun curat procurator = um Kleinigkeiten kümmert sich der Prokurater nicht). De-minimis-Bekanntmachtung der Kommission: a) Bei Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Konkurrenten greift sie nur ein, wenn ein Marktanteil von 10 % betroffen ist. b) Bei Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Nichtkonkurrenten nur, wenn der Marktanteil 15 % beträgt. Beachte: Der EuGH ist an diese Bekanntmachung nicht gebunden und geht – abhängig von der Gefährlichkeit der Art der Wettbewerbsbeschränkungen – bei wesentlich geringeren Schwellen gegen die Beteiligten vor (Faustregel ab 5 %). 19 Wettbewerbsbeschränkung Vgl. EuGH WuW 2007, 539=Eu-R 1241. Ausgangspunkt: 1.) Das Selbständigkeitspostulat, wonach „jeder Teilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt“ (RdNr. 52). 2) Einseitige Verhaltensweisen darf jeder Wettbewerber, solange an den Tag legen, wie sie nicht gegen Art. 102 AEUV verstoßen. Sie sind ja gerade erwünscht und Ausdruck der Selbstständigkeit. Konsequenz: Eine WB ist daher eine gegenseitige (wechselseitige) Beschränkung der Freiheit, die normalerweise aus dem Selbständigkeitspostulat resultiert = Konzertierung eines freien Verhaltensparameters. 20 Beachte: Die Beispiele in Art. 101 geben ebenfalls Auskunft über eine mögliche Wettbewerbsbeschränkung. 21 Preis- u. Wertbildung auf dem Markt 1. Die Preis- oder Wertbildung erfolgt subjektiv, aus Sicht der Marktgegenseite. Deshalb hat eine Sache nie einen Wert an sich. Wenn sich für sie keine (potentiellen) Interessenten finden, ist sie wertlos. 2. Ausschlag gebend sind nicht die Bedürfnisse der Marktgegenseite (Motive, Wünsche etc.), sondern der in Form einer Nachfrageentscheidung auf dem Markt angemeldete Bedarf. 3. Entscheidend hängt die Preisbildung dabei von den Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite auf alternative Anbieter ab. Fehlen diese (Monopol), kann es zu einer Ausbeutung der Marktgegenseite kommen (Monopolrente). 4. Die Preisuntergrenze hängt im übrigen von den Kosten des Anbieters ab: Transaktionskosten (Kosten für die Produkterstellung) und Opportunitätskosten (entgangene alternative Marktchancen, die dadurch entstehen, dass die knappen Ressourcen genau auf das hergestellte Produkt verwendet wurden). 22 Kreuzpreiselastizität der Nachfrage Anbieter 1 Anbieter 2 (erhöht den Preis) (günstiger als A1) Die Nachfrage (Nachfrage N1, N2,…) gibt gegenüber A1 nach und wechselt zu A2: In diesem Fall ist die Nachfrage (kreuzpreis-)elastisch. Findet eine solche Bewegung nicht statt, bezeichnet man die Nachfrage als starr (Beispiel: Ein kommunaler Wasserversorger ist für die Kunden ohne Alternative und erhöht deshalb die Preise). 23 Marktbegriff Der Markt ist ein juristischer Zweckbegriff. Es soll der Bereich festgestellt werden, innerhalb dessen sich Anbieter und Nachfrager Wettbewerb machen. Es ist der Interaktionsraum, wo Preise gebildet werden und deshalb Kreuzpreisbeziehungen bestehen. Materialien: Bekanntmachung der Kommission, WuW 1998, 261 1) Sachlich Relevanter Markt: Dazu gehören alle Angebote (Produkte, Dienstleistungen), die aus Sicht der Nachfrager austauschbar sind (Berühmtes Beispiel: Gehören Bananen und Zitrusfrüchte zu einem Markt?; dazu United BrandsEntscheidung des EuGH). 2) Räumlich relevanter Markt: Alle Angebote innerhalb eines Gebiets, die aus Sicht der Nachfrager austauschbar sind. Wird beeinflusst - durch regionale Verbrauchergewohnheiten und nationalstaatliche Regelungen - Transportkosten - Sprachbarrieren im Medienbereich - Bemühen um Integration des Gemeinsamen Marktes 24 Potenzieller Wettbewerb Fragestellung: Kommt ein Unternehmen, das nicht aktuell auf dem Markt anbietet, potentiell als Wettbewerber in Betracht? Hängt entscheidend von folgenden Faktoren ab: 1. Die mit dem Marktzutritt verbundenen Kostennachteile an (Marktzutrittsschranken). Hier wirken sich insbesondere Fixkosten aus, die in voller Höhe erbracht werden müssen, bevor ein einziges Produkt auf dem Markt abgesetzt werden kann (Bau eines Fabrikgebäudes mit Maschinenpark und Anstellung einer Belegschaft). Sie muss der Newcomer tragen, während sie von der Konkurrenz bereits aufgebracht wurden. 2. Entscheidend ist auch, ob der Kandidat bereits über eine verwandte Basistechnologie verfügt: Wer Zivilflugzeuge herstellt, ist ein potentieller Wettbewerber auf dem Markt für Kampfflugzeuge. Grund: Man kann sich beim Marktzugang auf bisherige Investitionen stützen und man kann beim Scheitern des Marktzugangs die Investitionen im alten, bislang betriebenen Geschäft nutzen. 3. Langfristige Gewinnentwicklung auf dem Zielmarkt: Lohnt der Marktzutritt trotz aller Risiken und Erschwernisse? 25 Art. 101 Abs. 3 AEUV (1) Die vier Normvoraussetzungen im Überblick: (1)Verbesserung der Warenerzeugung oder Verteilung bzw. Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, (2) Verbraucherbeteiligung am Gewinn, (3) Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung und (4) Keine Ausschaltung des Restwettbewerbs. 26 Art. 101 Abs. 3 AEUV (2) a) Warenerzeugung und –verteilung. Herstellung und Vertrieb von Waren. Verbesserung auf der betriebswirtschaftlichen Seite: Durch Einsparung von Kosten oder Erhöhung der Rentabilität (etwa von Produktionsanlagen). b) Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts keine klare Abgrenzung gegenüber a): betrifft allerdings mehr die technische Seite (Technik= Einsatz von Naturkräften). Beispiel: Bereich Forschung und Entwicklung. c) Verbraucherbeteiligung Die jeweilige Marktgegenseite (nicht notwendig: Endverbraucher) muss an den Vorteilen der Wettbewerbsbeschränkung beteiligt werden. Darin liegt der Unterschied zwischen einem Wohlfahrtseffekt und einem die Strukturen schädigenden Kartell. 27 Art. 101 Abs. 3 AEUV (3) d) Keine Ausschaltung des Restwettbewerbs aa) Keine Freistellung bei so genannten Kernbeschränkungen i.S.d. Art. 101 lit a bis c; wichtigste Beispiele Zerstörung des Preisbildungsmechanismus und Aufteilung von Märkten. bb) Keine pauschalen Freistellungen bei involvierten Marktanteilen von 30 % und mehr. 28 Art 101 Abs. 3 AEUV nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1/2003 Legalausnahme. Entgegen dem Wortlaut bedarf es nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1/2003 keiner Entscheidung der Kommission über die Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV im Einzelfall. Vielmehr ist ein Kartell per se freigestellt, wenn es die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt. Dies ist wegen der weiten Tatbestandsmerkmale des Art. 101 Abs. 3, die eine Einschätzungsprärogative der Kommission vorsehen, nicht unproblematisch. Vgl. nämlich die Rechtsprechung des EuGH zu unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht: Unmittelbar anwendbar ist eine Norm des Gemeinschaftsrechts nur, wenn sie abschließend und inhaltlich klar ist, zu ihrer Anwendbarkeit keiner weiteren Ausführungsakte bedarf und den Mitgliedstaaten keinen Ermessensspielraum einräumt. 29 Gruppenfreistellungsverordnungen I 1) Zwischen Wettbewerbern (Horizontal) a) Verordnung (EU) Nr. 316/2014 der Kommission vom 21. März 2014 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Technologietransfervereinbarungen, (ABl. EU 2014, L93 S. 17); b) Verordnung (EG) Nr. 1218/2010 der Kommission vom 14.12.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 AEUV auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen (ABl. L 335, S. 43); c) Verordnung (EG) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14.12.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des AEUV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung mit Bedeutung für den EWR (F&E) (ABl. L 335, S. 36); d) Verordnung (EG) Nr. 358/2003 der Kommission vom 27.2.2003 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Versicherungssektor (ABl. L 53, S. 8); 30 Gruppenfreistellungsverordnungen II 2) Vertikal a) Verordnung (EG) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20.4.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (ABl. L 102, S. 1); b) Verordnung (EG) Nr. 461/2010 der Kommission vom 27.5.2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des AEUV auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (ABl. L 129, S. 52); Rumpfverordnung, die in Art. 3 auf VertikalGVO verweist. 31 Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen Arten Inhaltsbindung: Inhaltliche Festsetzung für Folgenverträge. Ausschließlichkeitsbindung: Einschränkung der Belieferung auf bestimmte Vertreter der Marktgegenseite. Diskriminierung: Ungleichbehandlung der Vertreter der Marktgegenseite. Ambivalente Wirkung im Wettbewerb Negativ: - Beschränkung des produktinternen Preiswettbewerbs (Intra Brand-Wettbewerb); - Marktzutrittsschranken und damit Angriff auf den produktexternen Wettbewerb (Inter BrandWettbewerb); Positiv: - Aufbau einer Produkt-/Marktstrategie durch Gestaltung seines Absatzsystems ist ein zentrales Recht des Produzenten in der Marktwirtschaft, - Eindämmung des Trittbrettfahrereffekt, - Verschärfung des Inter Brand-Wettbewerbs durch Einschränkung des Intra Brand-Wettbewerbs - Verhinderung von positiven externen Effekten (Abwanderung von Absatzmittlern, in deren Aus- und Fortbildung investiert wurde ). 32 Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen 1. Ausschließlichkeitsbindung: Belieferung von ausgesuchten Vertragspartnern. Typisches Beispiel: Fachhandelsbindung. Freigestellt nach Art. 2 Abs. 1 VertikalGVO. 2. Inhaltsbindung: Verpflichtung des Vertragspartners gegenüber seinen eigenen Anschlusskunden bestimmte Vertragsinhalte zu vereinbaren. Typisches Beispiel: Preisbindung. Verboten nach Art. 4 lit. a Vertikal-GVO. 3. Diskriminierung: Unterschiedliche Bedingungen gegenüber den eigenen Vertragspartnern. Im EU- Kartellrecht nicht geregelt, aber in § 20 Abs. 1 und 2 GWB, der gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 1/2003 anwendbar bleibt. 33 Schadensersatz (I) Zentrale Überlegung: Schadensersatzansprüche sind Teil des sog. Private Enforcement des Kartellrechts, seiner privaten Durchsetzung. Sie sind deshalb im Interesse der Durchsetzung des Kartellrechts besonders schutzwürdig. Zentrale Anspruchsgrundlage: § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB iVm. Art. 101 f. AEUV Denkbar aber auch: § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 101 Abs. 1 AEUV sowie vertragliche Anspruchsgrundlagen. Probleme: 1. Können nur die Vertragspartner der Kartellanten oder auch indirekte Abnehmer gegen die Karellanten vorgehen? BGH: Auch mittelbar Geschädigte (indirekte Abnehmer), weil auch sie vom Schutzzweck des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst sind. 34 Schadensersatz (II) 2. Folgeproblem: Wie kann verhindert werden, dass der Kartellant nicht nur von der Vertragsgegenseite, sondern von sämtlichen auf die Vertragsgegenseite folgenden Gliedern in der Vertragskette (indirekte Abnehmer) kumulativ in Anspruch genommen wird? Den Kartellanten steht die sog. Passing-on defense nach § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB zu. Wenn der Abnehmer den Schaden auf die nachgelagerte Handelsstufe weiterverlagern kann, wird dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung anspruchsmindernd berücksichtigt (greift auch im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB; BGH in Orwi). 3. Problem: Wie wird sichergestellt, dass der bei einem Käufer anzurechnende Vorteil genau dem Schaden entspricht, den ein nachgelagerter Käufer gegenüber dem Unternehmer geltend macht? 35 Schadensersatz (III) 3. Problem (Fortsetzung): Indem der Kartellant den nachgelagerten Abnehmern den Streit nach § 72 ZPO verkündet. Diese sind dann an die Urteilsgründe iSd. § 68 ZPO gebunden. 4. Problem: Kann auch ein Kartellant gegen einen anderen Kartellanten aus §§ 33 Abs. 3 Satz 1 GWB iVm. Art. 101 AEUV vorgehen? EuGH (ja) zwecks Private Enforcement. Denkbar wenn er selbst vom anderen in das Kartell gedrängt wurde, zB. in eine vertikale Wettbewerbsbeschränkung. 36 Schadensersatz (IV) 4. Problem: Kann ein Gläubiger wegen seines Anspruchs aus § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB iVm. Art. 101 Abs. 1 AEUV auch Akteneinsicht nach § 406e Abs. 1 Satz 1 StPO in die Einlassungen eines Kronzeugen erhalten? (EuGH, Pfleiderer) Problem: Werden die Angaben über den Kronzeugen den Schadensersatzgläubigern zugänglich, schreckt dies mögliche Kronzeugen im Vorfeld ab, weil ihre Erklärungen (sog. corporate statements) in einem Folgeprozess zu Schadensersatzpflichten gegenüber den Abnehmern des Kartells führen (Tz. 27). EuGH schließt Akteneinsicht nicht grundsätzlich aus, sondern überlässt es den nationalen Behörden und Gerichten, im Einzelfall darüber zu entscheiden, ob das Interesse an einer Durchsetzung von Kartellverstößen das Interesse an einer Offenlegung der Informationen übersteigt (Tz. 31 f.). Problematisch. 37 Schadensersatz (V) 5. Problem: Auch der Geschäftsführer oder Vorstand eines Kartellanten haftet persönlich auf Schadensersatz, aus §§ 33 Abs. 3 Satz 1, 830 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 BGB (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2013, VI-U (Kart) 11/13) 6. Problem: Die Kartellanten haften auch für Trittbrettfahrer, die dem Kartell nicht angehören, aber sich dessen Preismanipulationen anpassen (Preisschirmeffekte) 38 Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b FusionskontrollVO a) Marktbezogene Kriterien - Marktanteil; - Marktzutrittsschranken (potentieller Wettbewerb); b) Unternehmensbezogene Kriterien - Finanzkraft (Entrenchment Effect) - Vertikale Integration (Zugang zu Rohstoff- und Absatzmärkten) c) Sonstiges - Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite - Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts (str., bilan économique). 39 Zwei ergänzende Konzepte zur Bestimmung der Konzentration SSNIP-Test: Small but significant non-transitory increase in price: Würde auf dem Markt eine dauerhafte Preiserhöhung des Unternehmens von 5-10% zu Umsatzeinbußen führen, bestehen Ausweichbeziehungen zu anderen Anbietern und damit eine Nichtmonopolsituation. Einwand: Sog. Cellophane Fallacy (Trugschluss): Bestand schon ein Monopolpreis der bei einem Gewinnoptimum liegt, geht die Nachfrage auch in der Monopolsituation bei einer Preissteigerung zurück. Herfindahl-Hirschman-Index (Vertikalleitlinie Nr. 119): Liegt die Summe der Quadrate der Marktanteile sämtlicher Unternehmen eines Marktes unter 1000 gilt der Markt nicht als konzentriert. Beispiel 1: Anbieter A bis E jeweils 10%, F bis O jeweils 5%. HHI-Index = 5 * 100 + 10 * 25 = 750 (keine Konzentration) Beispiel 2: Anbieter A 40%, B 30%, C 20%, D 10% HHI-Index = 1600 + 900 + 400 + 100 = 3000 (hohe Konzentration). 40 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Allgemeine Definition: Gefährdung oder Beeinträchtigung der Marktstrukturen entgegen den Zwecksetzungen des Kartellrechts in einer Weise, die nur dem Marktbeherrscher möglich ist. Prüfung in einer Klausur: 1. Anknüpfung an eines der Regelbeispiele des Art. 102 Abs. 1 Satz 2 AEUV? 2. Subsumtion unter eine der bekannten Fallgruppen. Keine Subsumtion unter die allgemeine Definition ohne Bezug zu einer Fallgruppe! 3. Allgemein gilt: a) Der Missbrauch ist dem Unternehmen nur möglich ist, weil sein Verhalten von Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrolliert wird und b) hat Folgen, die die Wettbewerbsstrukuren der Märkte schädigen. 41 Fallgruppen des Missbrauchs 1. Ausbeutungsmissbrauch (Art. 102 Satz 2 lit. a AEUV): Der Marktbeherrscher kapitalisiert seine Stellung durch Forderung eines Entgelts über Marktniveau („Monopolrente“). 2. Verdrängungsmissbrauch (Art. 102 Satz 2 lit. b AEUV): Verkauf unter Eintstandspreis und Rabattstrategien mit dem Ziel die Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. 3. Behinderungsmissbrauch (Art. 102 Satz 2 lit. b und d AEUV): Preisschere, Errichtung von Marktzutrittsschranken und Koppelungen 4. Diskriminierungen (Art. 102 Satz 2 lit. c AEUV): Durch willkürliche Beeinflussung der Marktverhältnisse Beeinträchtigung von Wettbewerb. 5. Missbräuchlicher Lieferabbruch bzw. missbräuchliche Lieferverweigerung: Marktbeherrscher behält sich eine Sekundärmarkt vor. 6. Verweigerung des Zugangs zu einer Essential Facility. 42 Ausbeutungsmissbrauch Marktbeherrscher nutzt seine Stellung aus, um Preise über Wettbewerbsniveau zu fordern. Problem: Wie kann das Wettbewerbsniveau ermittelt werden? 1) Vergleichsmarktkonzepte (räumlich, sachlich, zeitlich). Problem: Unterschiede in den Wettbewerbsbedingungen des Vergleichsmarktes müssen berücksichtigt werden, sind aber oft nur schwer zu quantifizieren. 2) Prinzip der Gewinnspannenbegrenzung: Addierung der Kosten ergibt Wettbewerbspreis. Problem: Kostenzurechnung gerade von Fixkosten auf das einzelne produzierte Stück. Am leichtesten auf Rohstoffmärkten (Versorgungswirtschaft) zu implementieren. 43 Rabatte Der Marktbeherrscher darf die bestehenden Marktverhältnisse nicht durch Gewährung von Treuerabatten einfrieren. Durch den Treuerabatt bindet er nämlich die Kunden dauerhaft an sich, und ein Wechsel zur Konkurrenz ist nur schwer möglich. Nimmt man hinzu, dass die Rabatte aus der „Monopolrente“ finanziert werden, ist dieser Zustand nicht haltbar. Andererseits entspricht es dem Wettbewerbsprinzip, dass auch der marktmächtige Unternehmer Effizienzvorteile an seine Kunde im Rahmen eines Rabatts weitergeben darf (typisches Beispiel: Mengenrabatte). Wäre ihm dies untersagt, fände kein Wettbewerb mehr um die für einen Markt geeignete Unternehmensgröße statt (economies of scale). 44 Dumping und Verdrängungsmissbrauch (1) Ausgangsüberlegung: Der Marktbeherrscher bietet zu Preisen an, die unter Wettbewerbsniveau liegen und daher nur die Erklärung zulassen, dass er seine Ressourcen einsetzt, um die Konkurrenten außerhalb des Wettbewerbs vom Markt zu drängen. Problem: Muss eine Missbrauchsabsicht nachgewiesen werden? Antwort des EuGH: Ja, wenn die durchschnittlichen variablen Kosten des Marktbeherrschers gedeckt sind, die durchschnittlichen Gesamtkosten jedoch nicht. Dazu im Einzelnen: Ausgangsfrage ist, wann der Preis des Marktbeherrschers unter Wettbewerbsniveau liegt. Dies ist umstritten: 1. Auffassung: Wenn der Preis die durchschnittlichen variablen Kosten nicht deckt (sog. Areeda Turner-Regel). 2. Auffassung: Wenn der Preis die durchschnittlichen Gesamtkosten nicht deckt. 3. Auffassung: Wenn der Preis die durchschnittlichen variablen Kosten nicht deckt oder wenn er nur die durchschnittlichen Gesamtkosten nicht deckt und Missbrauchsabsicht nachgewiesen werden kann (EuGH). 45 Dumping und Verdrängungsmissbrauch (2) Variable Kosten: Fallen pro produziertem Stück an (Rohstoffe, Energie). Fixkosten: Müssen unabhängig von der produzierten Stückzahl auf einen Schlag erbracht werden (Werbung, Arbeitslöhne usw.). A-T-Regel: Wettbewerbspreise decken die durchschnittlichen variablen Kosten. Areeda/Turner HarvardLR 1974, 697 ff.; Fixkosten gehen als sog. sunk costs nicht in die laufende Kostenrechnung ein (Rechtsprechung des EuGH). Dadurch wird vor allem Newcomern auf dem Markt eine Chance eröffnet. Diese müssen nämlich anders als die etablierten Unternehmen ihre Fixkosten häufig noch abtragen (finanzieren) und könnten deshalb nicht mit den etablierten Unternehmen konkurrieren. Kritik: In der Praxis existieren oft hohe Fixkosten (Entwicklungskosten, Patentlizenzen, Arbeitslöhne usw.) und geringe variable Kosten (vgl. nur Software). Alternative: Der Preis muss sich zwischen den durchschnittlichen variablen Kosten und den durchschnittlichen Gesamtkosten befinden, weil andernfalls ein dauerhafter Verlust eintritt und die Kosten niemals ganz gedeckt sind (Joskow/Klevorik Yale Law Journal 1979, 214 ff.). 46 Dumping und Verdrängungsmissbrauch (3) Kritik der Chicago- School: Das Konzept ist insgesamt verfehlt. Der Marktbeherrscher kann sich nicht erlauben, nach Verdrängung der Konkurrenz Monopolrenten einzufahren, weil er damit Newcomer auf den Markt lockt. Dagegen: Wegen tatsächlicher Marktzutrittschranken können potenzielle Wettbewerber nicht zeitnah reagieren; für den Marktbeherrscher bleibt immer die Möglichkeit, zwischenzeitlich Monopolrenten zu realisieren und diese später gegen den Newcomer im Wege von Niedrigpreisstrategien einzusetzen. EuGH: Grundsätzlich Orientierung an den variablen Kosten, aber bei nachgewiesener Missbrauchsabsicht (etwa durch ein Drohschreiben) muss auch ein Unterschreiden der durchschnittlichen Gesamtkosten berücksichtigt werden (Akzo-Entscheidung). 47 Koppelung Beruht auf der Verbindung zweier Marktergebnisse, entweder durch Zwang (Bezugspflicht, Vertragsstrafe) oder Anreiz (Rabatt für Bezug der Produkte beider Märkte). Wirkung: Hebel-Effekt oder Leverage-Effekt: Die gestörten Wettbewerbsverhältnisse auf dem Ausgangsmarkt werden zum "Hebelpunkt" für die Beeinträchtigung der Wettbewerbsverhältnisse auf dem Zielmarkt. Durch die Verbindung der beiden Marktergebnisse werden die Störungen auf dem Ausgangsmarkt auf den Zielmarkt ausgeweitet. (1) Auf dem Ausgangsmarkt mit beherrschender Stellung zwingt der Marktbeherrscher die Marktgegenseite, das Produkt auf dem Zielmarkt abzunehmen. (2) Auf dem Zielmarkt gerät dadurch die Preisbildungsfunktion aus den Fugen. Nicht mehr das beste Produkt ist erfolgreich, sondern dasjenige, das weiterhin eine Abnahme des alternativlosen Produkts auf dem Ausgangsmarkt e 48 Diskriminierungen Art. 102 Satz 2 lit. c AEUV Problem: Marktbeherrscher benutzt seine Macht, um die Wettbewerbsbedingungen auf dem betroffenen Markt in seinem Sinne zu gestalten. Beachte: (1) Anders als § 19 Abs. 2 Nr. 1 erster Fall bzw. § 20 Abs. 1 GWB setzt die Norm voraus, dass der Marktbeherrscher konkret ein Unternehmen anders behandelt als ein anderes. (2) Die Marktöffnungsfälle des § 19 Abs. 2 Nr. 1 erster Fall und § 20 Abs. 1 GWB werden im Europäischen Kartellrecht von der Fallgruppe der missbräuchlichen Lieferverweigerung bzw. des missbräuchlichen Lieferabbruchs erfasst. Wichtigster Fall: Das Google-Verfahren der Kommission. Vorwurf: Werden Informationen mit der Suchmaschine gesucht, bevorzugt Google Treffer, die mit firmeneigenen Unternehmen zu tun haben und benachteiligt Treffer, die sich auf die Konkurrenz beziehen. Problem: Die Diskriminierung findet nicht auf einem Markt statt, da die Suchtreffer unabhängig von einer Gegenleistung des Kunden bzw. des Gesuchten angezeigt werden. 49 Lieferabbruch (1) Missbräuchlich ist die grundlose Verweigerung einer Lieferbeziehung durch den Marktbeherrscher bzw. der grundlose Abbruch einer bestehenden Lieferbeziehung. Hintergrund: Das europäische Kartellrecht kennt kein allgemeines Diskriminierungsverbot mit Marktöffnungfunktion wie § 19 Abs. 2 Nr. 1 erster Fall bzw. § 20 Abs. 1 GWB. Ein Aspirant kann also vom Marktbeherrscher nicht einfach einen Vertragsabschluss oder die Unterlassung der Kündigung mit der Begründung verlangen, dass keine Sachgründe für eine andere Entscheidung bestehen. Das Diskrimierungsverbot des Art. 102 Satz 2 lit. c AEUV setzt vielmehr eine konkrete Ungleichbehandlung zweier Unternehmer durch den Marktbeherrscher voraus. Die so entstehende Lücke schließt das Europäische Kartellrecht teilweise über die vorgenannte Fallgruppe, die es deshalb im deutschen Kartellrecht bei der Konkretisierung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 zweiter Fall GWB nicht gibt. 50 Lieferabbruch (2) Beispiel für die koppelungsgleiche Wirkung des Lieferabbruchs (1) Marktbeherrschung bezieht sich auf einen Markt für einen Rohstoff oder ein Zulieferprodukt. (2) Der Marktbeherrscher verweigert die Belieferung mit dem Rohstoff ohne Sachgrund. (3) Wie bei der Koppelung kommt es zu einer Verbindung zweier Marktergebnisse: Die Herrschaftsverhältnisse auf dem Rohstoffmarkt werden zum Hebel für die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt für das Produkt höherer Fertigungsstufe. (4) Als Sachgrund wird vom EuGH nicht akzeptiert, dass der Marktbeherrscher sich den nachgelagerten Markt vorbehalten will (Schutz aber vor konkret drohendem Zahlungsausfall des Käufers oder konkreten Angriffen auf das Unternehmen des Marktbeherrschers). (5) Unterschied zur Essential Facility-Lehre: Der Marktbeherrscher verweigert nicht den Zugang zu einer Infrakstruktur (Eigentum, Urheberrecht), sondern nur einen Vertragsschluss (negative Vertragsfreiheit). 51 Essential Facility-Doktrin 1. Recht (Eigentum, Besitzrecht, Urheberrecht usw.), das auf einem Inputmarkt gehandelt wird und auf einem Sekundärmarkt benötigt wird. Beachte: Ein Inputmarkt besteht auch, wenn das Recht gar nicht vom Inhaber zum Erwerb angeboten wird (potenzieller Inputmarkt). 2. Unerlässlichkeit des Rechtserwerbs, um auf den Sekundärmarkt vorzudringen. Unerlässlichkeit besteht, wenn auf dem Sekundärmarkt kein effektiver Wettbewerb (teilweise auch gar kein Wettbewerb, str.) besteht. 3. Der Rechtserwerb führt zur Herstellung eines neuen Produkts (Bedeutung: Es kann kein Zugang auf dem Inputmarkt verlangt werden wie bei IMS Health). 4. Durch Verweigerung muss die Vermarktung eines Produktes auf dem Sekundärmarkt verhindert werden, für das eine potenzielle Nachfrage besteht. 5. Der Inhaber einer E.F. lässt das andere Unternehmen gar nicht oder nicht zu Marktbedingungen (upon just and reasonable terms) zu. Zweite Alternative vergleichbar Ausbeutungsbrauch (Entgelt liegt über Marktniveau). 52 Prüfung eines Unternehmenszusammenschlusses Ausgangspunkt: Entscheidung nach Art. 2 Abs. 3 FKVO 1. Aufgreifkriterien: a) Überschreitung der Schwelle des Art. 1 FKVO. Ansonsten keine Zwischenstaatlickeitsprüfung! b) Zusammenschluss nach Art. 3 FKVO: Stets geht es um externes Unternehmenswachstum. Der Zusammenschluss führt dazu, dass die Entscheidungsautonomie bei einem oder mehreren Marktbeteiligten dauerhaft untergeht. 2. Eingreifkriterien a) Begründung einer marktbeherrschenden Stellung. Beachte hier Art. 2 FKVO! b) SIEC-Test (im deutschen Recht nicht bekannt): Wirksame Behinderung von Wettbewerb (eigene Folie) 53 Wettbewerbliche Wirkungen von vertikalen Fusionen Lesenswert: Denzen/Herrmann WuW 2007, 566 zu den Leitlinien der Kommission. Prinzip. Diese Fusionen fördern den Wettbewerb, wenn es auf keinem Teilmarkt zur Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung kommt. Wichtig ist der sog. Foreclosure-Effekt = Synonym für Marktzugrittsbeschränkung. a) Input Foreclosure: Der aufgekaufte Lieferant, beliefert die Konkurrenten nicht mehr. b) Customer Foreclosure: Der aufgekaufte Nachfrage erwirbt nicht mehr von den Konkurrenten. Problem: Beide Gefahren müssen im Wege der Prognose festgestellt werden. 54 Wettbewerbliche Wirkungen von konglomeraten Fusionen Lesenswert: Denzen/Herrmann WuW 2007, 566 zu den Leitlinien der Kommission. 1. Porfolio-Effekt: Eine bekannte Marke im Verein mit anderen Faktoren iSd. Art. 2 lit. b FusionskontrollVO kann zu einer starken Kundenbindung auch hinsichtlich funktional austauschbarer Produkte desselben Herstellers führen und damit Behinderungseffekten für Konkurrenten führen. Bsp: Fall Coca Cola/Carlsberg ABl. 1998 L 1998, 24 ff. (JURIS: Stichworte Coca Cola Carlsberg). 2. Bundling und Tying: Koppelungsstrategien werden möglich. Darunter dürften auch die sog. crossmedialen Effekte zählen: Einheitliche Werbeangebote auf verschiedenen Plattformen. 3. Finanzkraft = Entrenchment-Effekt (z.T. Deep Pocket Theory). Tritt in der Bedeutung gegenwärtig zurück. 55 Hintergrund des SIEC-Tests Das Kartellrecht zeigt sich dem Oligopolproblem nicht gewachsen (oligopoly blindspot). Durch einen Zusammenschluss kann eine oligopolistische Marktstruktur entstehen, durch die der Preiswettbewerb auch ohne Konzertierung durch bloßes Parallelverhalten zum Erliegen kommt (vgl. Mineralölmärkte in Deutschland!). " Bereits bei der Zusammenschlusskontrolle muss deshalb die Entstehung einer entsprechenden Marktstruktur verhindert werden; so bereits der U.S.-amerikanische SLCTest (Substantial Lessening of Competion) " SIEC-Test = Kompromiss aus SLC-Test und Marktbeherrschungstest " Problem: Prognose einer für den Preiswettbewerb schädlichen Oligopolsituation ist oft nicht möglich. Vgl. die Airtours-Kriterien. 56 SIEC-Test in Art. 2 Abs. 3 FKVO (I) Significant Impediment to Effective Competition Gegenstand: Ein Zusammenschluss ist nicht nur verboten, wenn eine marktbeherrschende Stellung entsteht, sondern auch dann wenn es zu einer wirksamen Behinderung von Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben kommt. Motive: Einschränkung des sog. Konzentrationsprivilegs (anders als ein Kartell, ist der viel Zusammenschluss etwa im deutschen Recht erst bei Erreichung einer marktbeherrschenden Stellung verboten). More Economic Approach-der Kommission: -) Anpassung des Kartellrechts an die ökonomische Realität; -) mehr Einzelfallgerechtigkeit und -) Rechtssicherheit durch Erarbeitung von „safe harbors“ 57 SIEC-Test (2) Praktische Konsequenzen: -) sog. unilateralen Effekte können Berücksichtigung finden = einseitiges Verhalten, dass durch Wegfall eines Konkurrenten möglich wird. Bsp.: Parallelverhalten in einer Oligopolsituation -) Berücksichtigung von koordinierten Verhaltensweisen (= Fälle kollektiver Marktmacht). Für ein Unternehmen besteht infolge des Zusammenschlusses ein Anreiz, mit anderen am Markt ansässigen Unternehmen nicht in Wettbewerb zu treten. Allerdings sind die Anforderungen in der Praxis sehr hoch: EuG (6.6.2002 - T-342/99 – airtours, Rn. 121 ff.). Kollektive Marktmacht wird danach nur vermutet, wenn (1) Markt so transparent ist, dass die beteiligten Unternehmen in ausreichendem Maße überwachen können, ob die Modalitäten der Koordinierung eingehalten werden. (2) Aus Gründen der Disziplin muss eine Art Abschreckungsmechanismus gegen Abweichungen vom gemeinsamen Vorgehen geben. Nicht ausreichend: Angebotsausweitung bei den Beteiligten um 10 %. (3) Die Reaktionen von Unternehmen, die sich nicht an der Koordinierung beteiligen, dürfen den voraussichtlichen Effekt der Koordinierung nicht in Frage stellen. 58 Beispiel für den SIEC-Test Entscheidung der Kommission vom 25.4.2006 – 32007D0193 – T-Mobile Austria/tele.ring (Zahlen frei erfunden, da in Entscheidung nicht mitgeteilt) Mobilkom 30 % Marktanteil T-Mobile Austria 23 % Marktanteil One 20 % Marktanteil H3G 10 % Marktanteil Tele.Ring 7 % Marktanteil Marktanteil von 30 % genügt nicht für die Begründung einer marktbeherrschenden Stellung. Aber: Tele.Ring war das einzige Unternehmen auf dem österreichischen Mobilfunkmarkt, das den Preiswettbewerb durch neue und spektakuläre Aktionen belebt hatte, ein sog. Maverick. Kommission: Tele.Ring und Telekom Austria mussten Unternehmensteile veräußern, dann Genehmigung. 59 Gemeinschaftsunternehmen im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 4 FKVO Kooperatives GU = Institutionalisierung eines Kartells unabhängiger Mütter. Konzentratives GU = Im Einflussbereich des GU geraten die Entscheidungen der Mütter unter dessen Kontrolle i.S.d. Art. 3 Abs. 1 lit b FKVO: Beachte: Im Fall des Art. 2 Abs. 4 FKVO entscheidet die Kommission nach Art. 8 Abs. 3 FKVO (nicht nach Art. 7 VO Nr. 1/2003!) über das Verbot des Art. 101 AEUV (ex-Art. 81 EG). Kriterien: - Wettbewerbsbeschränkung zwischen den Müttern (Gruppen- oder Spillover-Effekt?) Besonders gefährlich bei Einund Verkaufsgemeinschaften. - wird Dritten der Marktzugang erschwert (Foreclosure)? - gehen die beschränkenden Vereinbarungen innerhalb der Satzung über das Ziel des gemeinsamen Betriebs eines GU hinaus? (Ancillary Restraints: Nebenabreden, die über das Ziel hinausschießen) - Netzeffekt: Durch Organisation von Netzen von GU mit den immer gleich beteiligten Müttern entsteht eine Wettbewerbsbeschränkung. 60 Art. 106 Abs. 1 AEUV (1) I. Zweck Verhinderung einer Umgehung der Artt. 34 ff. AEUV und der Artt. 101 ff. AEUV dadurch, dass ein Mitgliedstaat über ein von ihm beeinflusstes Unternehmen in den Wettbewerb eingreift. II. Rechtsfolge: (1) Das Wirken des Staates wird insgesamt an den Artt. 101 ff. AEUV und dem allemeinen Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) gemessen. (2) Praktisch bedeutet dies, dass das Wirken des Staates (Erlass eines Gesetzes) und das Wirken des von ihm beeinflussten Unternehmens einer einheitlichen Beurteilung unterzogen werden. Dem Unternehmen wird das staatliche Gesetz, dem Staat das unternehmerische Wirken zugerechnet. 61 Art. 106 Abs. 1 AEUV (2) III. Tatbestandvoraussetzungen 1. Öffentliches Unternehmen: wird durch den Staat kontrolliert (idR. durch gesellschaftsrechtliche Beteiligung) 2. Unternehmen, dem besondere oder ausschließliche Rechte gewährt werden: a. Gerichtet auf eine individuelle Privilegierung b. Recht bringt Unternehmen in besondere Beziehung zum Staat. Dadurch Abhängigkeit des Unternehmens vom Staat, weil dieser das Recht jederzeit wieder entziehen kann. c. Ausschließlichkeit: Exklusivität ggü. anderen Unternehmen. 62 Art. 106 Abs. 2 AEUV Besondere Ausnahme gegenüber dem Kartellrecht unter folgenden Voraussetzungen: 1. Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI). Beispiele: Telekommunikation, Gesundheits-, Bildungswesen usw. a) Allgemeines Interesse nicht Partikularinteressen. b) Wirtschaftliches Interesse nicht sonstige (kulturelle) Interessen. 2. Verhinderung der Tätigkeit, nicht bloße Erwschwerung. 3. Aus Art. 106 Abs. 2 Satz 2 AEUV: Ultima-ratio-Prinzip und Verhältnismäßigkeitsprinzip. 63 Zulässigkeit der Vorlage nach Art. 267 AEUV 1. Statthaftigkeit (Unterabsatz 1) Gegenstand ist die Auslegung des Vertrages (lit. a) oder die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. 2. Zuständigkeit: EuGH (Unterabsatz 1) 3. Ein Gericht muss vorlegen (Unterabsatz 2): a) auf gesetzlicher Grundlage eingerichtet, b) ständiger und obligatorischer Charakter, c) entscheidet einen rechtsstaatliche geordnetes Verfahren, d) in richterlicher Unabhängig, e) rechtskräftig. 4. Erforderlichkeit der Vorlage (Unterabsatz 2) ! fällt grundsätzlich in die Beurteilung des anrufenden Gerichts; ! ausgeschlossen durch EuGH nur, wenn kein Bezug zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts erkennbar oder der Gegenstand der Vorlegungsfrage nicht mit hinreichender Klarheit erkennbar ist. ! (Hinweis: Es besteht ein Vorlagerecht des Gerichts weder durch Parteidisposition noch durch nationales Recht ausgeschlossen werden kann). 64 Vorlagepflicht nach Art. 267 Unterabs. 3 AEUV 1. Gericht, dessen Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. ! Als Rechtsmittel gelten auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision oder die Nichtvorlagebeschwerde; Konsequenz: OVG und OLG sind keine Adressaten nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. ! Die Pflicht besteht nicht im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz, weil hier Streit in der Hauptsache weiterverfolgt werden kann. ! Nicht, wenn eine gefestigte Rechtsprechung des EuGH bereits besteht. 2. Die Vorlagepflicht muss eine Frage i.S.d. Art. 267 Abs. 1 AEUV betreffen. Beachte: Ausnahmsweise auch jedes andere Gericht, wenn es Teile des Gemeinschaftsrechts oder Akte von Gemeinschaftsorganen für unwirksam hält. Begründung: Keine Verwerfungskompetenz der MSGerichte hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts zu. Dazu sind sie nicht (demokratisch) legitimiert, und außerdem würde die Rechtseinheitlichkeit in der Gemeinschaft gefährdet. Sanktionen bei Verletzung: 1. Vertragsverletzungsverfahren nach Artt. 258 AEUV. 2. Eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter Art. 101 Abs. 1 GG ist in jedem Fall gegeben (BVerfGE 73, 339, 366-Solange II). 65 Die Nichtigkeitsklage gegen Entscheidungen der Kommission Hinweis: Ergeht auf der Grundlage eines Verfahrens nach Art. 7 VO Nr. 1/2003 eine Entscheidung der Kommission, kann gegenüber dieser Klage nach Art. 256 Abs. 1 i.V.m. 263 Abs. 4 AEUV erhoben werden. Diese kann von dem Verfahrensbeteiligten, aber auch einem Dritten erhoben werden, soweit eine Betroffenheit in der Sache besteht ( Art. 263 Abs. 4). Die Klage ist darauf gerichtet, die Entscheidung der Kommission wegen Rechtsverletzung für nichtig zu erklären. Zuständig ist nach Art. 256 Abs. 1 AEUV iVm. Art. 51 der Satzung des EuGH das Gericht erster Instanz. Zulässigkeitsvoraussetzungen (Überblick): 1. Statthaftigkeit der Nichtigkeitsklage (Art. 263 Abs. 1 und 4 AEUV) - Verbotsverfügung nach Art. 7 VO Nr. 1/2003 - Bußgeld nach Art. 23 VO Nr. 1/2003. Nach Art. 230 Absatz 2 AEUV muss im Hinblick auf diese Maßnahme die unrechtmäßige Anwendung der Artt. 101 ff. AEUV gerügt werden. 2. Zuständig Für die Klage eines Unternehmens oder einer natürlichen Person ist nach Art. 51 der Satzung des EuGH iVm. Art. 256 Abs. 1 AEUV das Gericht erster Instanz zuständig 3. Klagebefugnis (Art. 263 Abs. 4 AEUV) Der Kläger muss unmittelbar und individuell durch die Handlung der Kommission betroffen sein. Unmittelbar: Wenn kein weiterer Hoheitsakt erforderlich ist, damit die Entscheidung auf den Betroffenen einwirkt. Individuell: Wenn Kläger am Verfahren nach Art. 7 VO Nr. 1/2003 teilgenommen hat oder seine Marktposition wesentlich durch die Entscheidung beeinträchtigt ist. 4. Frist (Art. 263 Abs. 6 AEUV) Zwei Monate seit der Handlung. 66 Das Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Europäischen Gerichts erster Instanz 1. Statthaftigkeit nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV Es muss eine Entscheidung des Europäischen Gerichts erster Instanz auf der Grundlage des Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV ergangen sein. 2. Zulässiger Klageantrag nach Art. 58 der Satzung des EuGH a) Klageantrag muss auf Rechtsfragen beschränkt sein, und zwar auf - die Unzuständigkeit des Gerichts, - auf einen Verfahrensfehler oder - auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts. b) Die Rechtsmittelschrift muss konkrete Anträge beinhalten und Rechtsgründe benennen. 3. Rechtsmittelfrist nach Art. 56 der Satzung des EuGH Zwei Monate seit Zustellung der Entscheidung. 67