4 KAPITEL 1 Komplexe Zahlen Lernziele dieses Abschnitts sind: (1) (2) (3) (4) (5) (6) Analytische und geometrische Darstellung komplexer Zahlen, Grundrechenarten fur komplexe Zahlen, Konjugation und Betrag komplexer Zahlen, Losung quadratischer Gleichungen in C, Formel von Moivre, Satz uber die Einheitswurzeln, Fundamentalsatz der Algebra und Identitatssatz (ohne Beweise). 1. Definition komplexer Zahlen 1.1. Wozu komplexe Zahlen? Als mathematische Begr undung fuhrt man gern an, dass man versucht fur die Gleichung x2 = −1, die in der Menge der reellen Zahlen keine Losung besitzt, Losungen zu nden. Historisch gesehen entsteht die Notwendigkeit komplexer Losungen interessanter Weise zunachst bei der Bestimmung von Losungen der kubischen Gleichung (Gleichung 3. Grades). Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass man anstelle von Paaren von Elementen (x, y) ∈ R2 mit Zahlen x + iy ∈ C rechnen kann. Beispiel 1.1. In der x, y-Ebene bewege sich ein Punkt. Seine Koordinaten sind Funktionen der Zeit t : x = x(t) und y = y(t). Die Bewegung des Massenpunktes lasst sich dann uber die Ableitung beschreiben. Die Bedeutung von ~z0 (t) ergibt sich wie folgt: Der Vektor ~z(t + ∆t) − ~z(t) stellt die Verschiebung des Punktes z im Zeitintervall ∆t dar. Der Dierenzenquotient 1 (~z(t + ∆t) − ~z(t)) ∆t 5 6 1. KOMPLEXE ZAHLEN ist die mittlere Geschwindigkeit wahrend also die Ableitung ~z0 (t) = ∆t, x0 (t) y 0 (t) und der Grenzwert fur ∆t → 0, ! ist die Momentangeschwindigkeit von ~z(t) im Zeitpunkt t. Die zweite Ableitung von ~z(t) ist entsprechend ~z00 (t) = x00 (t) y 00 (t) ! Ihre Bewegungsbedeutung ist die Momentanbeschleunigung. Viel einfacher lasst sich alles mit komplexen Groen beschreiben, es ist z(t) = x(t) + iy(t) z 0 (t) = x0 (t) + iy 0 (t) z 00 (t) = x00 (t) + iy 00 (t) Koordinaten des Massenpunktes, Geschwindigkeit, Beschleunigung. Fur den Anwender ergibt sich der Sinn der komplexen Zahlen oft auch durch Moglichkeit einheitliche Schreibweisen fur physikalische Gesetze zu nden (siehe auch Beispiel 1.7). 1.2. Komplexe Zahlenebene. In der mit einem kartesischen (x, y)-Koordinatensystem versehenen Ebene stellen die Punkte der x-Achse die reellen Zahlen dar. Komplexe Zahlen ergeben sich nun dadurch, dass alle Punkte z = (x, y) als Zah- len\ aufgefasst werden und man schreibt " z = x + iy. Man nennt z komplexe Zahl mit dem Realteil Re z = x und dem Imaginarteil Im z = y. Man nennt die x-Achse reelle Achse und die y -Achse wird imagin are Achse genannt. Die Menge aller komplexen Zahlen wird mit C bezeichnet. C := {x + iy : x, y ∈ R}. Geometrisch lassen sich die komplexen Zahlen als Punkte bzw. Vektoren einer Ebene darstellen. Die Ebene, deren Punkte als komplexe Zahlen aufgefasst werden, heit komplexe Zahlenebene oder Gausche Zahlenebene. 1. DEFINITION KOMPLEXER ZAHLEN 7 iy z=(x,y) = x + iy (x,y) y ix π/2 π/2 x i(ix)=i2x=-x x x Komplexe bzw. Gaußsche Zahlenebene 1.3. Grundrechenarten in C. Die Summe und Dierenz komplexer Zahlen ist durch (x + iy) + (u + iv) := (x + u) + i(y + v) (x + iy) − (u + iv) := (x − u) + i(y − v). deniert. Die Zahl ix ∈ C entsteht aus x ∈ R ⊂ C durch eine positive Drehung (entgegen dem Uhrzeigersinn) um den Winkel π2 . Deniert man allgemein eine Multiplikation mit i als eine Drehung um den Winkel π2 , so ist i(ix) = −x und da man die Reihenfolge von Rotationen vertauschen kann ist, i(ix) = i2 x = −x bzw. i2 = −1. Deshalb wird das Produkt zweier komplexer Zahlen deniert als (x + iy)(u + iv) = x(u + iv) + iy(u + iv) = xu + ixv + iyu + iyiv = xu + i2 yu + i(xv + yu) = (xu − yv) + i(xv + yu). Bemerkung 1.1. Die Addition/Subtraktion/Multiplikation von komplexen Zah- len erfolgt formal wie fur reelle Zahlen; es ist nur zu beachten, dass i2 = −1 ist. Bei der Denition der Division benutzt man trickreich die binomische Formel: (u + iv)(u − iv) = u2 − (iv)2 = u2 + v 2 8 1. KOMPLEXE ZAHLEN und damit ist (x + iy) (x + iy)(u − iv) (xu + yv) + i(yu − xv) xu + yv yu − xv = = = 2 +i 2 . 2 2 2 (u + iv) (u + iv)(u − iv) u +v u +v u + v2 Bemerkung Beispiel 1.2. Durch Erweiterung mit u − iv wird der Nenner reell. 1.2. (8 + 2i)(7 + i) 56 − 2 + i(8 + 14) 54 22 8 + 2i = = = +i . 7−i (7 − i)(7 + i) 49 + 1 50 50 1.4. Gleichheit. Wir betrachten zwei komplexe Zahlen z1 = x + iy und z2 = u + iv, dann gilt ⇐⇒ x + iy = u + iv ⇐⇒ x − u = i(v − y) 2 ⇒ (x − u)(x − u) = (x − u) = i(v − y)i(v − y) = −(v − y)2 | {z } | {z } ≥0 ≤0 z1 = z2 und damit folgt (x − u)2 = (v − y)2 = 0, also x = u und y = v. Oensichtlich folgt umgekehrt aus x = u und y = v sofort z1 = z2 . Satz 1.1. Zwei komplexe Zahlen sind genau dann gleich, wenn ihr Real- und Imaginarteil ubereinstimmen. 1.5. Konjugation und Betrag komplexer Zahlen. 1.1. Die komplexe Zahl z = x−iy heit die zu z = x+iy konjugiert p 2 2 komplexe Zahl und |z| := x + y heit Betrag (oder auch Norm, Lange, Modul) Definition der komplexen Zahl z . Eigenschaften: (1) z = z, (2) z1 + z2 = z1 + z2 , (3) z1 · z2 = z1 · z2 , (4) Re z = 12 (z + z) , (5) Im z = 1 2i (z − z) , (6) z ∈ R ⇐⇒ z = z, √ (7) |z| = z · z bzw. z · z = x2 + y 2 , 1. DEFINITION KOMPLEXER ZAHLEN 9 (8) |z| ≥ 0 und |z| = 0 ⇐⇒ z = 0, (9) |z1 · z2 | = |z1 | · |z2 |, (10) |z1 + z2 | ≤ |z1 | + |z2 | (Dreiecksungleichung). Beweis: zu (3): Wir m ussen zeigen, dass die rechte und die linke Seite gleich sind. Es seien z1 = x + iy und z2 = u + iv beliebige komplexe Zahlen. Dann berechnen wir im ersten Schritt fur die linke Seite z1 · z2 = (x + iy)(u + iv), wenden die Regeln fur die Multiplikation an (Multiplikation wie bei reellen Zahlen, man beachte, dass i2 = −1 ist) und erhalten = (xu − yv) + i(yu + xv). Von dieser komplexen Zahl bilden wir nun die konjugiert komplexe Zahl (1) z1 · z2 = (xu − yv) − i(yu + xv). Nun berechnen wir die rechte Seite und benutzen als erstes die Vorschrift zum Bilden der konjugiert komplexen Zahl z1 · z2 = (x + iy) · (u + iv) = (x − iy)(u − iv), nun wiederum Ausmultiplizieren (2) = (xu − yv) − i(yu + xv). Aus (1) = (2) folgt die Behauptung, also z1 · z2 = z1 · z2 . # Beweis: zu (6): Es sei z = x + iy eine beliebige komplexe Zahl. Ist z eine reelle Zahl, so ist z = Re z = x und Im z = y = 0. Somit ist aber auch z = x − iy = x = z. Wir haben gezeigt, dass aus z ∈ R folgt z = z. Nehmen wir umgekehrt an, dass fur eine beliebe komplexe Zahl z gilt z = x + iy = z = x − iy. Dann impliziert dies, dass auch iy = −iy ⇐⇒ y = −y ist und damit muss y = 0 sein, das bedeutet aber, dass z = x = Re z ist und damit gilt z ∈ R. # Übungsaufgaben: Man beweise (1), (2), (4), (5), (7) und (9). Fur komplexe Zahlen gelten die binomischen Formeln: Fur beliebige komplexe Zahlen z1 , z2 gilt: (z1 + z2 )2 = z12 + 2z1 z2 + z22 , (z1 − z2 )2 = z12 − 2z1 z2 + z22 . 10 1. KOMPLEXE ZAHLEN Beweis: Es seien z1 = x + iy, z2 = u + iv zwei beliebige komplexe Zahlen. Dann gilt (z1 + z2 )2 = (x + iy + u + iv)2 = ((x + u) + i(y + v))2 Ausmultiplizieren = (x + u)2 + 2i(x + u)(y + v) − (y + v)2 da i2 = −1 = x2 + 2xu + u2 + 2i(xu + ixv + iyu − yv) + u2 + 2iuv − v 2 = {x2 + 2ixy − y 2 } + 2{xu + ixv + iuy − yv} + {u2 + 2iuv − v 2 } = (x + iy)2 + 2(x + iy)(u + iv) + (u + iv)2 = z12 + 2z1 z2 + z22 . Damit ist die erste Geleichung gezeigt. Die zweite Gleichung verbleibt als Übungsaufgabe. # 2. Darstellung in Polarkoordinaten Geht man in der komplexen Zahlenebene von den kartesischen Koordinaten (x, y), x, y ∈ R zu den Polarkoordinaten (r, ϕ), 0 ≤ r < ∞, 0 ≤ ϕ < 2π, u ber, so ist x = r cos ϕ und y = r sin ϕ, (3) d.h. die komplexe Zahl z = x + iy besitzt in Polarkoordinaten die Darstellung z = r(cos ϕ + i sin ϕ). Dabei heit r Betrag (Modul) und ϕ Argument (Phase) der komplexen Zahl z. Die Bezeichnung fur r ergibt sich aus |z| = √ p (r(cos ϕ + i sin ϕ))(r(cos ϕ − i sin ϕ)) q √ = r2 (cos2 ϕ + sin2 ϕ) = r2 = |r| = r, zz = da r als Radius immer groer oder gleich Null ist. Ist die komplexe Zahl in Polarkoordinaten gegeben, so folgt aus (3) automatisch die Darstellung in kartesischen Koordinaten. Die Umrechnung aus kartesischen in Polarkoordinaten ist etwas komplizierter. Als erstes ist p x2 + y 2 r= und damit x cos ϕ = p x2 + y 2 und sin ϕ = p y x2 + y 2 , y x bzw. tan ϕ = , fur z 6= 0. 3. POTENZEN UND WURZELN KOMPLEXER ZAHLEN 11 Zur Berechnung von ϕ muss man nun die Mehrdeutigkeit des Arcustangens berucksichtigen. y=tan x 2π y=Arctan x + 2π π y=Arctan x + π y=Arctan x Es ist ϕ= Arctan xy , π , 2 π + Arctan xy , 3π , 2 2π + Arctan xy , x > 0, x = 0, x < 0, x = 0, x > 0, y y y y y ≥ 0, > 0, beliebig, < 0, < 0, hierbei bezeichnet arctan den Zweig des Arcustangens mit Werten in − π2 , π 2 . y π/2<φ<π φ = Arctan(x/y)+ π 0<φ<π/2 φ = Arctan(x/y) x<0 y>0 x>0 y>0 x<0 y<0 x>0 y<0 x π<φ<3π/2 φ = Arctan(x/y)+ π 3π/2<φ<2π φ = Arctan(x/y)+ 2π 3. Potenzen und Wurzeln komplexer Zahlen Die Multiplikation/Division bzw. die Potenzen und Wurzeln komplexer Zahlen lassen sich besonders gunstig mit Hilfe der Darstellung in Polarkoordinaten berechnen. 3.1. Multiplikation in Polarkoordinaten. Es seien z1 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) und z2 = r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 ) zwei komplexe Zahlen in Polarkoordinatendarstellung, 12 1. KOMPLEXE ZAHLEN dann ist z1 · z2 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 )r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 ) = r1 r2 (cos ϕ1 cos ϕ2 − sin ϕ1 sin ϕ2 + i[cos ϕ1 sin ϕ2 + sin ϕ1 cos ϕ2 ]) = r1 r2 (cos(ϕ1 + ϕ2 ) + i sin(ϕ1 + ϕ2 )) Merkregel: Bei der Multiplikation komplexer Zahlen werden die Betrage multipliziert und die Argumente addiert. Analog ergibt sich fur z2 6= 0 : 1 z2 1 = = (cos ϕ2 − i sin ϕ2 ) 2 z2 |z2 | r2 Damit gilt fur die Division zweier komplexer Zahlen: z1 r1 = (cos(ϕ1 − ϕ2 ) + i sin(ϕ1 − ϕ2 )). z2 r2 3.2. Potenzen. Als Spezialfall der Multiplikation erhalt man f ur z = cos ϕ + i sin ϕ : z 2 = r2 (cos(2ϕ) + i sin(2ϕ)) und allgemein z n = rn (cos(nϕ) + i sin(nϕ)), n ∈ N. Weitere Spezialfalle ergeben sich fur r = 1 : Satz 1.2. Formel von Moivre: (cos ϕ + i sin ϕ)n = cos(nϕ) + i sin(nϕ), n ∈ N. und Formel von Euler: eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ. Bemerkung: In der Funktionentheorie kann man nachweisen, dass eiϕ tatsachlich als 3. POTENZEN UND WURZELN KOMPLEXER ZAHLEN 13 Exponentialfunktion betrachtet werden kann. Insbesondere gelten die Rechenregeln fur die Exponentialfunktion, d.h. e−iϕ = ei(ϕ1 +ϕ2 ) = eiϕ1 · eiϕ2 , 1 . eiϕ Dies konnte man auch uber Additionstheoreme fur Sinus und Cosinus beweisen. Es gilt aber ganz allgemein fur eine beliebige komplexe Zahl z = x + iy : ez = ex+iy = ex · eiy und fur zwei beliebige komplexe Zahlen z1 = x1 + iy1 und z2 = x2 + iy2 : ez1 +z2 = ez1 · ez2 , e−z = 1 . ez 3.3. Wurzeln. Wie lost man eine Gleichung der Form z n = a? Wir betrachten zunachst den Fall a = 1 und bestimmen die n-ten Einheitswurzeln, also Losungen der Gleichung z n = 1. Hieraus folgt zunachst |z n | = |z|n = 1 ⇐⇒ |z| = 1. Somit hat z in Polarkoordinaten die Darstellung z = cos ϕ + i sin ϕ und damit ist z n = cos(nϕ) + i sin(nϕ) = 1 = cos 0 + i sin 0, da komplexe Zahlen genau dann gleich sind, wenn ihr Real- und imaginarteil uberstimmen, ist dies aquivalent zu cos(nϕ) = 1 und sin(nϕ) = 0 ⇐⇒ nϕ = 2kπ, ⇐⇒ ϕ = 2kπ , n k ∈ Z, k ∈ Z. Aufgrund der 2π -Periodizitat von Sinus- und Cosinusfunktion folgt: Satz 1.3. (Einheitswurzeln) Es gibt genau n verschiedene komplexe Zahlen z0 , z1 , . . . , zn−1 , die der Gleichung zn = 1 genugen, diese sind gegeben durch zk = ei 2kπ n , k = 0, 1, 2, . . . , n − 1. 14 1. KOMPLEXE ZAHLEN Beispiel 1.3. Die 5 komplexen Wurzeln der Gleichung z5 = 1 bilden in der Gauschen Zahlenebene eine Funfeck, dass den Punkt Eckpunkt hat. (1, 0) als iy = i Im z i z1 z2 α=72° z0 -1 1 x=Re z z3 z4 -i Die 5 komplexen Losungen sind zk = ei 2kπ 5 = cos 2kπ 2kπ + i sin , 5 5 k = 0, 1, 2, 3, 4. In Formeln erhalt man 2·0·π 5 2·1·π = cos 5 2·2·π = cos 5 2·3·π = cos 5 2·4·π = cos 5 z0 = cos z1 z2 z3 z4 2·0·π 5 2·1·π + i sin 5 2·2·π + i sin 5 2·3·π + i sin 5 2·4·π + i sin 5 + i sin = cos 0 + i sin 0 = 1, 2π 5 4π = cos 5 6π = cos 5 8π = cos 5 = cos 2π 5 4π + i sin 5 6π + i sin 5 8π + i sin 5 + i sin ≈ 0, 31 + 0, 95 i, ≈ −0, 81 + 0, 59 i, ≈ −0, 81 − 0, 59 i, ≈ 0, 31 − 0, 95 i. Wie man leicht sieht ergibt sich fur k = 5 z5 = cos 2·5·π 2·5·π + i sin = cos(2π) + i sin(2π) = 1 = z0 5 5 und es gibt folglich nur 5 voneinander verschiedene komplexe Losungen. Auerdem entspricht 2π5 einem Winkel von 72◦ . In analoger Weise gehen wir nun bei der allgemeinen Gleichung z n = a vor. Wir stellen beide komplexe Zahlen zunachst in Polarkoordinaten dar: z = r(cos ϕ + i sin ϕ) und a = R(cos Φ + i sin Φ). 3. POTENZEN UND WURZELN KOMPLEXER ZAHLEN 15 Damit geht die Gleichung z n = a uber in (Ausrechnen von z n und einsetzen in die Gl.) rn (cos(nϕ) + i sin(nϕ)) = R(cos Φ + i sin Φ). Wenn diese beiden komplexen Zahlen gleich sind, dann muss auch |z n | = |z|n = rn = |a| = R gelten und wir haben erhalten, dass gilt √ n r= R, da sowohl r als auch R nichtnegative reelle Zahlen sind. Weiterhin mussen Real- und Imaginarteil gleich sein, d.h. unter Berucksichtigung der Gleichheit der Betrage, dass die beiden folgenden Gleichungen erfullt sein mussen: ( cos(nϕ) = cos Φ sin(nϕ) = sin Φ ( ⇐⇒ cos(nϕ) − cos Φ = 0 . sin(nϕ) − sin Φ = 0 Unter Verwendung der Additionstheoreme ndet man, dass das aquivalent zu folgendem System ist: −2 sin 2 cos nϕ+Φ 2 nϕ+Φ 2 · sin · sin nϕ−Φ 2 nϕ−Φ 2 =0 = 0. Beide Gleichungen konnen gleichzeitig nur dann erfullt sein, wenn sin nϕ − Φ Φ + 2kπ nϕ − Φ = 0 ⇐⇒ = kπ ⇐⇒ ϕ = , 2 2 n k ∈ Z. Aufgrund der 2π -Periodizitat vom Sinus und Cosinus gibt es allerdings wiederum nur n voneinander verschiedene Losungen von z n = a : √ n zk = R Φ + 2kπ Φ + 2kπ cos + i sin , n n k = 0, 1, . . . , n − 1. bzw. zk = √ 2kπ √ Φ+2kπ Φ 2kπ n n R ei n = R ei n ei n = z0 · ei n , Beispiel k = 0, 1, 2, . . . , n − 1. 1.4. Man bestimme alle komplexen Losungen von z3 = Zunachst muss man a = und damit a=2 √ 2(1 + i). √ 2(1 + i) in die Form R (cos Φ + sin Φ) q √ 2 √ 2 √ R= 2 + 2 = 4=2 √ √ ! π 2 2 π +i = 2 sin + i cos , 2 2 4 4 bringen. Es ist 16 1. KOMPLEXE ZAHLEN also ist Φ = π4 z0 = √ 3 2 cos √ 3 z1 = 2 cos √ 3 z2 = 2 cos = 45◦ . Die drei voneinander verschiedenen L osungen lauten damit π 4 π 4 π 4 +2·0·π + i sin 3 +2·1·π + i sin 3 +2·2·π + i sin 3 π 4 π 4 π 4 √ +2·0·π π π 3 = 2 cos + i sin ≈ 1, 22 + 0, 33i, 3 12 12 √ +2·1·π 3π 3π 3 = 2 cos + i sin ≈ −0, 89 + 0, 89i, 3 4 4 √ +2·2·π 17π 17π 3 = 2 cos + i sin ≈ −0, 33 − 1, 22i. 3 12 12 iy = i Im z 3√2 i z1 3√ r= 2 ≈ 26 1, z0 α=π/12 = 15° -3√2 3√2 z2 x=Re z -3√2 i Es gibt ebenfalls n (in diesem Fall 3) voneinander verschiedene Lo√sungen, die ein regulares n-Eck bilden, nur hat der Umkreis jetzt den Radius R und das n-Eck ist um den Winkel Φn gedreht. n Beispiel 1.5. Man bestimme alle komplexen Losungen von (w − (1 + i))4 = −1. Wir substituieren zunachst z := w − (1 + i) und losen die Gleichung cos π + i sin π, d.h. R = 1 und Φ = π damit erh alt man z0 z1 z2 z3 π+2·0·π = cos 4 π+2·1·π = cos 4 π+2·2·π = cos 4 π+2·3·π = cos 4 π+2·0·π + i sin 4 π+2·1·π + i sin 4 π+2·2·π + i sin 4 π+2·3·π + i sin 4 z 4 = −1 = √ √ π π 2 2 = cos + i sin = +i , 4 4 2 √ 2 √ 3π 3π 2 2 = cos + i sin =− +i , 4 4 2 2 √ √ 5π 5π 2 2 = cos + i sin =− −i , 4 4 2 2 √ √ 7π 7π 2 2 = cos + i sin = −i . 4 4 2 2 4. LOSEN QUADRATISCHER GLEICHUNGEN und damit ist w0 = z0 + (1 + i) = 1 + w1 = z1 + (1 + i) = 1 − w2 = z2 + (1 + i) = 1 − w3 = z3 + (1 + i) = 1 + √ 2 2 √ 2 2 √ 2 2 √ 2 2 √ ! 2 1+ = 2 √ ! 2 1+ = 2 √ ! 2 1− = 2 √ ! 2 1− = 2 +i +i +i +i w1 17 √ √ 2+ 2 2+ 2 +i , 2 2 √ √ 2− 2 2+ 2 +i , 2 2 √ √ 2− 2 2− 2 +i , 2 2 √ √ 2+ 2 2− 2 +i . 2 2 w0 (w-(1+i))4=-1 i z0 z1 w2 w3 -1 1 z4=-1 z2 z3 -i √ Zusatzlich zu den (moglichen) Anderungen des Radius des Umkreises ( R) und der Drehung um Φn tritt hier eine Verschiebung des Umkreises um 1 + i auf. n 4. Lösen quadratischer Gleichungen Wir wollen die quadratische Gleichung z 2 + pz + q = 0, p, q ∈ C losen. Dazu benutzen wir zunachst die 1. binomische Formel, d.h. wir erganzen quadratisch: p 2 p2 p 2 p 2 z 2 + pz + q = z + − + q = 0 ⇐⇒ z + = − q. 2 4 2 4 Damit wir die Wurzeln bestimmen konnen schreiben wir die rechte Seite in Polarkoordinaten: p2 − q = R(cos Φ + i sin Φ) 4 18 1. KOMPLEXE ZAHLEN und erhalten als Losungen der quadratischen Gleichung: Φ+2kπ Φ p √ p √ Φ p √ zk+1 = − + R ei 2 = − + R e 2 +ikπ ⇐⇒ z1/2 = − ± R ei 2 . 2 2 2 Sind p und q reellwertig, so erhalten wir als Losung von z 2 + pz + q = 0, p, q ∈ R, ⇐⇒ p 2 p2 −q = 2 4 z+ im Falle p2 −q ≥0 4 zwei reellwertige Losungen (gegebenenfalls eine doppelte Nullstelle). Es ist p2 0≤ −q = 4 2 p2 p i·0 −q e = − q (cos 0 + i sin 0) 4 4 und wir erhalten die Losungen z1/2 r p =− ± 2 0 p2 p − q ei 2 = − ± 4 2 r p2 − q. 4 Ist dagegen p2 −q <0 4 so erhalten wir mit −1 = eiπ = cos π + i sin π zunachst die Darstellung p2 0> −q = 4 p2 q− 4 (−1) = p2 q− 4 eiπ und erhalten als Losungen z1/2 p =− ± 2 Damit haben wir erhalten r p2 π p q − ei 2 = − ± i 4 2 r q− p2 . 4 4. LOSEN QUADRATISCHER GLEICHUNGEN Satz 1.4. Die quadratische Gleichung z 2 + pz + q = 0, p, q ∈ C, hat zwei komplexwertige Losungen: z1/2 mit p √ Φ p √ iΦ Φ = − ± R e 2 = − ± R cos + i sin , 2 2 2 2 p2 − q = R(cos Φ + i sin Φ), 4 2 q reellwertig mit p4 − q ≥ 0 so besitzt die quadratische Glei2 reellwertige Losungen, sind p und q reellwertig mit p4 −q < 0, sind p und chung zwei sind die beiden Losungen konjugiert komplexe Zahlen. Beispiel 1.6. Man bestimme alle Losungen der quadratischen Gleichung 9 z 2 + (1 + i)z + (1 + i)2 = 0. 4 Losungsvariante 1: Anwendung der Losungsformel. Es ist p (1 + i) − =− 2 2 und p2 (1 + i)2 9 −q = − (1 + i)2 = −2(1 + i)2 = −2(1 + 2i + i2 ) = −4i 4 4 4 √ 3π 3π 3π 3π = 16 cos + i sin = 4 cos + i sin . 2 2 2 2 und damit ergeben sich die beiden Losungen: p √ Φ Φ (1 + i) √ 3π 3π =− + 4 cos + i sin z1 = − + R cos + i sin 2 2 2 2 4 4 ! √ √ ! √ ! √ (1 + i) 2 2 1+2 2 2 2−1 =− + i, =− +2 − +i 2 2 2 2 2 p √ Φ (1 + i) √ 3π Φ 3π z2 = − − R cos + i sin =− − 4 cos + i sin 2 2 2 2 4 4 ! √ √ ! √ ! √ (1 + i) 2 2 1−2 2 2 2+1 =− −2 − +i =− − i. 2 2 2 2 2 19 20 1. KOMPLEXE ZAHLEN Losungsvariante 2: Quadratisches Erganzen. 2 2 9 1+i 1+i 9 2 z + (1 + i)z + (1 + i) = z + − + (1 + i)2 = 0 4 2 2 4 1+i 2 3π 3π 2 ⇐⇒ (z + ) = −2(1 + i) = −4i = 4 cos + i sin 2 2 2 2 Nun werden die Wurzeln aus der rechten Seite bestimmt und man erhalt selbstverstandlich die gleiche Losung wie bei der Losungsvariante 1. Wir haben gesehen, dass die quadratische Gleichung im Bereich der komplexen Zahlen immer losbar ist. Es gilt aber noch mehr. Satz 1.5. (Fundamentalsatz der Algebra) Jedes Polynom p(z) vom Grad ≥ 1 hat in C eine Nullstelle. Folgerung: Jedes Polynom p(z) vom Grad n ≥ 1 lasst sich (uber C) in Linearfaktoren zerlegen: p(z) = an (z − z1 )(z − z2 ) · . . . · (z − zn ), wobei an eine beliebige aber feste komplexe Zahl ist und die zk , k = 1, 2, 3, . . . , n, nicht notwendig voneinander verschiedene Nullstellen von p(z) sind. Satz 1.6. (Identitätssatz) Stimmen zwei Polynome p(z) = n X j=0 aj z j und q(z) = n X bj z j j=0 (hochstens) n-ten Grades an (wenigstens) (n+1) Stellen uberein, so sind die Polynome gleich, d.h. aj = bj fur alle j . 5. ANWENDUNGSBEISPIEL 21 5. Anwendungsbeispiel Beispiel 1.7. Eine Standardanwendung der komplexen Zahlen in der Elektro- technik ist die Untersuchung von Wechselstromkreisen. Als einfaches Beispiel betrachten wir einen Wechselstromkreis mit Spule und Ohmschem Widerstand in Reihenschaltung. Dabei bezeichne R den Ohmschen Widerstand, L die Induktivitat und U (t) = U0 cos ωt, U0 > 0, die Spannung. Nach den Kirchhoschen Gesetzen genugt die Stromstarke I(t) der Dierentialgleichung L dI + R I = U. dt Der Trick besteht nun darin, Stromstarke und Spannung als komplexe Funktionen zu erweitern (bezeichnet mit I ∗ (t) bzw. U ∗ (t)), deren Realteile dann jeweils die eigentlichen physikalischen Groen darstellen. Man setzt also U ∗ (t) = U0 eiωt = U0 (cos(ωt) + i sin(ωt)) und I ∗ (t) = I0∗ eiωt , I0∗ ∈ C. Dies in die Dierentialgleichung eingesetzt, liefert L I0∗ i ω eiωt + R I0∗ eiωt = U0 eiωt . Hieraus erhalt man die Losung U0 R − iωL R − iωL = U0 = U0 2 R + iωL (R + iωL)(R − iωL) (R + ω 2 L2 ) U0 R − iωL U0 R ωL √ √ =√ =√ − i√ R2 + ω 2 L2 R2 + ω 2 L2 R 2 + ω 2 L2 R2 + ω 2 L2 R2 + ω 2 L2 I0∗ = In Polarkoordinaten hat man demgema I0∗ = I0 e−αt , U0 I0 = √ , R2 + ω 2 L2 tan α = ωL . R Mit der komplexen Stromstarke I ∗ (t) = I0 ei(ωt−α) folgt also fur die physikalische Stromstarke I(t) = Re I ∗ (t) = I0 cos(ωt − α), Die Groe √ R2 + ω 2 L2 , U0 I0 = √ , R2 + ω 2 L2 tan α = ωL . R also den Betrag des komplexen Widerstandes R = bezeichnet man auch als Wechselstromwiderstand (Impedanz). Man erhalt ihn, ebenso wie die Phasenverschiebung α aus der Darstellung von ∗ U∗ I∗ |R∗ | = = R +iωL, 22 R∗ 1. KOMPLEXE ZAHLEN in der Gauschen Zahlenebene ( Phasendiagramm): iy iωL |R*| α 0 R Phasendiagramm x