8 Kultur B ü n d n e r Ta g b l a tt M o n t a g , 2 0. O k to b e r 2 0 1 4 C a r t e B L a n C H e Georg Jäger über die Zusammenarbeit in der Kulturförderung Kulturförderung kantonal, regional, kommunal? s Seit 1965 besteht in Graubünden die kantonale Kulturförderung. Ein spezifisch für diesen Zweck geschaffenes Kulturförderungsgesetz trat 1997 in Kraft. Das Amt für Kultur und die Kulturförderungskommission sind für diese Aufgabe im Rahmen des Erziehungsund Kulturdepartements zuständig. Das Gesetz legt fest, dass «Kanton und Gemeinden ... das kulturelle Leben Graubündens fördern» und dabei «die kulturelle und sprachliche Vielfalt der verschiedenen Regionen und Bevölkerungsgruppen» zu berücksichtigen haben. Die Kulturförderung als relativ neue öffentliche Aufgabe entspricht einem modernen Gesellschaftsverständnis, das die Kultur nicht einfach zur Privatsache erklärt, sondern das kulturelle Leben als wesentlichen und lebensnotwendigen Bestandteil der heutigen Öffentlichkeit wahrnimmt. Neuerdings hat die Politik auch das wirtschaftliche und damit «wertschöpfende» Potenzial der Kulturförderung entdeckt. Das Kulturförderungsgesetz nennt explizit «bezweckt die Bewahrung und Erforauch die Gemeinden, zu deren Aufga- schung des regional bedeutenden kulben seit jeher die Kulturförderung ge- turellen Erbes des Oberengadins» und hört, was in den meisten Gemeindevor- nennt unter anderem neben der Fördeständen Graubündens erst in den letz- rung der kulturellen Vielfalt auch den ten Jahren erkannt wurde. Ein Grund kulturellen Zusammenhalt, den Zudafür liegt darin, dass aus der kommu- gang zur Kultur und den Kulturausnalen Kulturhoheit nicht unbedingt ei- tausch. Dass Kulturförderung Anreize ne Verpflichtung zur Förderung der Kul- für ein vitales Kulturleben schaffen tur abgeleitet wurde und wenn, dann höchstens als Sprachförderung in den romanisch- und italienischsprachigen Gemeinden. Die gewaltige Zunahme kultureller Anlässe und Aktivitäten in den letzten 20 Jahren in Stadt und Land verhalf der Kulturförderung nun auch auf kommu- kann, ist keine Neuigkeit. Die Kulturförnaler Ebene zu mehr Aufmerksamkeit: derung im Oberengadin erreicht aber Einige grössere Gemeinden im Kanton darüber hinaus ein weiteres wichtiges verfügen inzwischen über eigene Äm- Ziel und löst Probleme, die sich auch in ter und Kommissionen und vergeben anderen Regionen des Kantons stellen. So ermöglicht der Kreis dank einer Beiträge und Preise. Vor zwei Jahren erliess im Oberen- angemessenen (und tragbaren) finangadin der Kreis ein Kulturförderungsge- ziellen Dotierung die regelmässige, gesetz, was nun eine dritte politische Ebe- setzlich gebundene Unterstützung von ne ins Spiel brachte. Das meiner Mei- zwei bedeutenden regionalen Kulturinnung nach zukunftsweisende Gesetz stitutionen: Engadiner Museum und Der Maler Wolfgang Hutter ist mit 86 Jahren verstorben «Grass als Soldat» in Lübeck eröffnet AUSSTellUng Drei Tage nach dem 87. Geburtstag von Günter Grass ist ein neuer Ausstellungsteil im Lübecker Günter-Grass-Haus eröffnet worden. «Grass als Soldat» heisst das Modul, das von den Besuchern des Literaturhauses ausgewählt wurde. Es beleuchtet in mehr als 70 Dokumenten ausführlich die Zeit des Literaturnobelpreisträgers bei der Waffen-SS der Nationalsozialisten und die spätere Auseinandersetzung mit dem Thema. Zur Einfüh- «Die Politik hat das wirtschaftliche Potenzial der Kulturförderung entdeckt» Kulturarchiv Oberengadin, die dadurch eine gesicherte finanzielle Basis für den Betrieb erhalten. Angesichts der dramatischen finanziellen Lage zahlreicher Bündner Regionalmuseen leistet das noch ausbaufähige «Oberengadiner Modell» einen wichtigen Beitrag zur Problemlösung, bis auch der Kanton (endlich) eine Rechtsgrundlage für die Museumsförderung schaffen wird. Sollten die Kreise im Kanton demnächst von der politischen Landkarte verschwinden, wird das Oberengadin hoffentlich eine neue regionale Lösung für die Kulturförderung finden. Einige der fusionierten Gemeinden sind in Zukunft stark genug, um ähnlich wie im Oberengadin effiziente Einrichtungen der Kulturförderung zu schaffen. An Argumenten dafür mangelt es nicht: Ein starkes Kulturleben öffnet das Denken und kann angesichts der überwiegend technokratischökonomischen Gesichtspunkte bei Fusionen auch die Bedeutung der kulturellen Werte weit stärker als bisher ins Bewusstsein rücken. Konkret denke ich – neben der «modernen» Kulturpflege – an die Bedeutung des reichen histo- rung las Schauspieler Mario Adorf (84) gestern das Kapitel «Wie ich das Fürchten lernte» aus Grass' autobiografischem Buch «Beim Häuten der Zwiebel». Darin hatte der Schriftsteller 2006 seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS offengelegt. Die Ausstellung beweise, dass das Haus als unabhängige Forschungseinrichtung keine Themen ausklammere, sagte der Leiter des Hauses, Jörg-Philipp Thomsa. (sda) KUnST Der österreichische Maler Wolfgang Hutter ist tot. Medienberichten zufolge ist der Vertreter des Phantastischen Realismus bereits am 26. September verstorben. Der 1928 in Wien geborene Hutter gilt neben Ernst Fuchs, Arik Brauer oder Anton Lehmden als Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Er lebte zuletzt zurückgezogen und habe auch nicht gewollt, dass sein Tod bekannt wird. Als «märchenhafte Szenen von er- greifender Sensibilität und pulsierender Stärke» bezeichnete Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny Hutters Arbeiten, als dem Künstler 2011 das Goldene Ehrenzeichen der Stadt verliehen wurde. Hutters künstlerisches Gesamtwerk umfasst neben Ölbildern und Grafiken auch zahlreiche Bühnenbildentwürfe für die Wiener Staatsoper, die Volksoper, das Theater an der Wien, das Opernhaus Graz und das Theater in der Josefstadt. (sda) risch-kulturellen Erbes und der Mehrsprachigkeit. Einrichtungen der Kulturförderung ermöglichen Kontinuität im kulturellen Angebot und können deshalb auch ganz wesentlich zu einem neuen «Gemeindebewusstsein» beitragen. Wird die Kulturförderung wie im Oberengadin überkommunal organisiert, bedeutet dies aber nicht, dass damit die Aufgaben der Gemeinden einfach ausgelagert sind. Es braucht in unserem geografisch und kulturell vielfältigen Kanton das koordinierte, ergänzende Miteinander der kantonalen, regionalen und kommunalen Kulturförderung, dann können nicht nur die wenigen «Grossen», denen soeben mehr kantonale Mittel zugesprochen wurden, von der Kulturförderung profitieren, sondern auch die qualitativ erstaunlichen «Kleinen» gestärkt werden. geboren 1943, ist Historiker und Dozent. Er gilt als Mitbegründer und Leiter des Instituts für Kulturforschung Graubünden bis 2009. 2010 wurde er mit dem Bündner Kulturpreis ausgezeichnet. georg jäger, «Viel gut essen» in Köln uraufgeführt TheATerKriTiK Das Kölner Schauspiel hat am Samstag die Satire «Viel gut essen» der Schweizer Autorin Sibylle Berg uraufgeführt. Regie führte ihr Landsmann Rafael Sanchez. Das Stück erntete einhelligen Beifall. Das Fazit ist gleichwohl gemischt. Die gesellschaftskritische Satire greift ein hochbrisantes Thema auf: Ressentiments und Vorurteile – nicht nur gegen Ausländer, sondern auch gegen Homosexuelle und Frauen. Die Eingriffe des Regisseurs Rafael Sanchez in die Vorlage machen das Stück allerdings schwer verständlich. Zunächst kommt ein Mann zu Wort, den seine Frau verlassen und der seine Wohnung und seinen Arbeitsplatz verloren hat – was seine starken Ressentiments motiviert. Im zweiten Teil trifft er sich mit Gleichgesinnten – es sind viele. Sie planen, sich zu bewaffnen und das Vaterland zu verteidigen, also den Bürgerkrieg. Regisseur Sanchez griff so stark in den Text ein, dass die Handlung kaum noch nachvollziehbar war. Das ist bei einer Uraufführung besonders ärgerlich. Sibylle Bergs Text ist viel brisanter und dramatischer als die Inszenierung. Die Autorin hat schon öfter gegen das Regietheater und dessen Willkür gewettert – die Uraufführung ihres Stücks gibt ihr Recht und wurde dennoch beklatscht. Bereits am Freitag hatte Stefan Bachmann, der Indendant des Theaters, Kleists «Käthchen von Heilbronn» inszeniert und neu interpretiert. Unter seiner Federführung wird das Märchen ein Lehrstück über die Anmassung und den lächerlichen Standesdünkel der Aristokraten. Eine geist- und humorvolle Inszenierung, allerdings erreichen die Schauspieler nicht immer das Niveau ihres Regisseurs und Intendanten. Aber das Publikum war nach der Premiere angetan – langer, begeisterter Beifall. Schade, dass die Umsetzung von Sybille Bergs Stück, eine Auftragsarbeit des Schauspiels Köln, die Bilanz trübt, sonst wäre das Theaterwochenende rundum geglückt. Der gesamte Spielplan wirkt attraktiv: Abwechslungsreich, engagiert und anspruchsvoll. ulrich fischer K u Lt u r no t i z e n Das kurze Leben eines Tannenbaums Eine eigenwillige grüne Tannenbaum-Skulptur auf dem eleganten Pariser Vendôme-Platz hat sich nur zwei Tage gehalten: Vandalen liessen dem 24 Meter hohen, aufblasbaren Werk des US-Künstlers Paul McCarthy am Samstag die Luft ausgehen. Es wird nicht wieder aufgerichtet. Die grüne Skulptur war am Donnerstag anlässlich der Internationalen Messe Zeitgenössischer Kunst (FIAC) im Zentrum von Paris errichtet worden. Sie sorgte sofort für gehörigen Wirbel. In sozialen Netzwerken wurde vor allem über die Form debattiert, weil «The Tree» auch wie ein riesiges Sex-Spielzeug aussah. McCarthy wurde sogar von einem Passanten geohrfeigt, als er der Errichtung der Skulptur beiwohnte, wie die Tageszeitung «Le Monde» berichtete. Nach dem Sabotage-Akt war von der Skulptur nur noch eine grüne, verschrumpelte Plastikmasse übrig. Nach Angaben der Polizei setzten die Täter zunächst die Pumpe ausser Kraft, mit der das Kunstwerk aufgeblasen gehalten wurde. (sda/Ky) 2. Kino-Festival in Genf und Lausanne Die zweite Ausgabe des Kino-Festivals ist gestern zu Ende gegangen. Programmiert waren 44 Filme aus Russland und sieben weiteren osteuropäischen Staaten. Die Jury hat im Spielfilm-Wettbewerb zwei Grosse Preise vergeben: an «Blind Dates» des Georgiers Levan Koguashvili und an «Kertu» des estnischen Regisseurs Ilmar Raag. Mariano Lebron Saviñón gestorben Der dominikanische Schriftsteller Mariano Lebron Saviñón ist am Samstag im Alter von 92 Jahren gestorben. Dies teilte die Regierung der Dominikanischen Republik mit. Der Kinderarzt und Dichter wurde 1999 mit dem Nationalen Literaturpreis ausgezeichnet.