Darstellungstheorie I Vortrag im Rahmen des Proseminars: Gruppentheorie und Quantenmechanik von Prof. Dr. Jan Louis und Dr. Robert Richter Universität Hamburg Jan Oliver Rieger 8. November 2012 1 1 Grundlegende Definitionen Definition 1.1 (lineare Abbildung) Sei V ein Vektorraum über dem Körper K. Eine Abbildung T : V → V ist linear, wenn für alle u, v ∈ V und α, β ∈ K gilt: T (αu + βv) = α · T (u) + β · T (v) Bemerkung 1.2 Jede lineare Abbildung zwischen endlichdimensionalen Vektorräumen lässt sich nach der Wahl einer Basis ΦB durch eine Matrix beschreiben, denn der Vektorraum L(V n , V m ) der linearen Abbildungen zwischen V n und V m ist isomorph zum Vektorraum der m × n - Matrizen Mat(m, n, K). Bemerkung 1.3 Die Menge der bijektiven linearen Abbildungen φ : V → V bilden in natürlicher Weise die Gruppe Aut(V ) der Automorphismen des Vektorraums V . Definition 1.4 (allgemeine lineare Gruppe) Betrachtet man endlichdimensionale Vektorräume V spricht man auch von der allgemeinen linearen Gruppe GL(V ) und schreibt GL(V ) := Aut(V ). Ist V ein Kn -Vektorraum, dann entspricht GL(V ) gerade der Gruppe der invertierbaren Matrizen GL(n, K) := {A ∈ Mat(n, K) | det(A) 6= 0}. 2 Darstellungen und deren Eigenschaften Die meisten Eigenschaften einer abstrakten Gruppe sind nicht sofort erkennbar, deshalb bildet man sie auf ein besser verstandenes Objekt ab, genauer gesagt auf eine lineare Abbildung. Definition 2.1 (Darstellung) Sei G eine beliebige Gruppe, V ein n dimensionaler K-Vektorraum (n < ∞) und GL(V ) die allgemeine lineare Gruppe. Einen Gruppenhomomorphismus D : G → GL(V ), g 7→ D(g) nennt man Darstellung vom Grad n der Gruppe G. Der Gruppenhomomorphismus D hat folgende Eigenschaften: 1. D(g1 g2 ) = D(g1 )D(g2 ) 2. D(eG ) = IdV ⇔ D(g −1 ) = D−1 (g) Eine Darstellung heißt treu, wenn der Gruppenhomomorphismus D injektiv ist. Bemerkung 2.2 Eine M atrixdarstellung ist ein Gruppenhomomorphismus D : G → GL(n, C). 2 Beispiel: Darstellungen der Gruppe C3 1. Es wird hier explizit eine Drehung um den Winkel θ = 2π um die z-Achse betrachtet. 3 Sei V = R3 , a ∈ V und eine lineare Abbildung P : V → V ; a 7→ P (a) := a0 , wobei a0 die Projektion von a auf die x-y-Ebene ist. Die z-Komponente ändert sich nicht bei einer Rotation um die z-Achse: z −→ z 0 = z Somit reicht die Betrachtung der Projektion a0 . Nun geht man über in Polarkoordinaten: x0 = r · cos(ϕ + θ) (2.1) y 0 = r · sin(ϕ + θ) Man vereinfacht: x0 = r cos(ϕ + θ) = r(cos ϕ cos θ − sin ϕ sin θ) = x cos θ − y sin θ 0 y = y cos θ + x sin θ Das Gleichungssystem (2.2) lässt sich auch als eine Matrix schreiben: 0 cos θ − sin θ 0 x x y 0 = sin θ cos θ 0 y z0 0 0 1 z (2.2) (2.3) Die Rotationsmatrix R(θ) beschreibt also die Drehung eines Vektors (im R3 ): cos θ − sin θ 0 R(θ) = sin θ cos θ 0 (2.4) 0 0 1 Für die Gruppe C3 = hci, c3 = e existiert daher folgende Darstellung: D(e) = D(c3 ) = R(0) = En 2π D(c) = R( ) 3 4π D(c2 ) = D(c)D(c) = R( ) 3 (2.5) 2. Dies ist allerdings nicht die einzige Darstellung der Gruppe C3 , man kann sich überlegen, dass durch 0 1 D(c) = (2.6) −1 −1 ebenfalls eine Darstellung gegeben ist, denn: det(D(c)) = −1 · 0 − (−1) · 1 = 1 6= 0 ⇔ D(c) ist invertierbar. 3 (2.7) Außerdem gilt: 1 0 D(e) = D(c ) = = En 0 1 3 und 2 D(c ) = D(c)D(c) = (2.8) −1 −1 1 0 (2.9) Wie man schnell sieht handelt es sich in beiden Fällen sogar um eine treue Darstellung. Bemerkung 2.3 Die Matrix R gehört zur speziellen orthogonalen Gruppe SO(3), also der Gruppe der orthogonalen Matrizen (Rt R = 1) mit Determinante det(R) = 1. Sie beschreiben echte Rotationen (ohne Spiegelungen) im R3 . R ∈ SO(3) = {A ∈ O(3)|detA = 1} Definition 2.4 (Äquivalenz) Zwei Darstellungen D1 , D2 : G → GL(n, C) heißen äquivalent, wenn es eine invertierbare Matrix S ∈ GL(n, C) gibt, sodass gilt: D2 (g) = SD1 (g)S −1 ∀g ∈ G Man schreibt dann: D1 ∼ D2 Die Gruppen- bzw. Darstellungseigenschaften bleiben erhalten: SD2 (gh)S −1 = SD2 (g)D2 (h)S −1 = (SD2 (g)S −1 )(SD2 (h)S −1 ) = D1 (g)D1 (h) = D1 (gh) Sie beschreiben die gleichen linearen Abbildungen lediglich im Bezug auf eine andere Basis. Bemerkung 2.5 Äquivalente Darstellungen bilden eine Äquivalenzklasse. (vgl. Konjugation aus dem Vortrag von Leonard Wienke, Beweis: analog.) Man kann einer Darstellung einen sogenannten Charakter zuordnen. Dies wird sich als äußerst vorteilhaft erweisen. Definition 2.6 (Charakter) Sei D eine Darstellung einer Gruppe G und sei χ folgende Funktion: χ:G→C g 7→ χ(g) = Tr(D(g)) = n X Dii (g) i=1 So nennt man χ = {χ(g)|g ∈ G} den Charakter der Darstellung. 4 Satz 2.7 Zwei Darstellungen D1 und D2 sind äquivalent genau dann, wenn sie denselben Charakter haben: D1 ∼ D2 ⇔ {χ1 (g)} = {χ2 (g)}. Beweis. Die Richtung ” ⇒ ” kann man zeigen, indem man die Eigenschaften der Spur geschickt nutzt. Mit S ∈ GL(n, C) gilt: D1 ∼ D2 ⇔ ∃S : D2 (g) = SD1 (g)S −1 ∀g ∈ G Dann ist für ein beliebiges g ∈ G: χ2 (g) = Tr(D2 (g)) = Tr(SD1 (g)S −1 ) = Tr(D1 (g)S −1 S) = Tr(D1 (g)) = χ1 (g) Die andere Richtung ” ⇐ ” benötigt Definitionen und Sätze, die erst in den nachfolgenden Vorträgen behandelt werden. Dieser Satz ist ein wesentliches Resultat der Darstellungstheorie, denn so lassen sich äquivalente Darstellungen sehr schnell identifizieren. Bemerkung 2.8 Aus dem Satz 2.6 folgt, dass der Charakter auf einer Äquivalenzklasse konstant ist, damit ist die Äquivalenzklasse einer Darstellung D schon durch den Charakter eindeutig bestimmt. Definition 2.9 (Reduzibilität) Eine Darstellung D vom Grad m+n heißt reduzibel, wenn D(g) von folgender Form ist: A(g) C(g) D(g) = ∀g ∈ G 0 B(g) Dabei handelt es sich bei A(g) um eine m × m, bei B(g) um eine n × n und bei C(g) um eine m × n Matrix. Beispiel Die Darstellung der Gruppe C3 ist offensichtlich reduzibel, denn es ist: · · 0 R(θ) = · · 0 0 0 1 (2.10) bzw. D1 (c) 0 D(c) = 0 D2 (c) (2.11) Man sagt auch die Darstellung zerfällt in die zwei Teildarstellungen D1 (c) und D2 (c) und schreibt sie als direkte Summe: D(c) = D1 (c) ⊕ D2 (c) 5 Dabei wirkt D1 (c) im R2 und D2 (c) im R. Außerdem können die beiden Teildarstellungen D1 (c) und D2 (c) selbst wieder reduzibel sein. Man kann die Darstellungen nun weiter reduzieren bis man zu einer irreduziblen Darstellung gelangt. Bemerkung 2.10 Ein K-Vektorraum V mit einer fest gewählten Darstellung D einer Gruppe G wird als G-Modul bezeichnet. 3 3.1 Darstellungen in der Quantenmechanik Induzierte Transformation der Wellenfunktion Ψ Bis jetzt wurden lediglich klassische Drehungen betrachtet, aber die Darstellungstheorie ist insbesondere in der Quantenmechanik ein nützliches Werkzeug. Interessant ist hier jetzt die Frage, wie die rotierte Wasserstoffwellenfunktion aussieht. Eine Rotation wird ~ ext erreicht. z.B. durch das Anlegen eines externen Magnetfeldes B Aufgrund der Kugelsymmetrie des Coulombpotentials ist es sinnvoll, den Separationsansatz Ψnlm (r, θ, ϕ) = Rnl (r)Ylm (θ, ϕ) zu wählen. Weil die Radialfunktion rotationsinvariant ist, wird sie im Folgenden nicht mehr berücksichtigt. Abbildung 1: Elektron im 2p − Zustand (a) vor der Drehung und (b) danach. Für die Berechnung der rotierten Wellenfunktion kann man eine einfache Gleichung angeben. Weil sich die Wellenfunktion Ψ(r) an einem Punkt r vor der Rotation R und die rotierte Wellenfunktion Ψ0 (r0 ) eines rotierten Punktes r0 nicht unterscheiden, gilt: Ψ(r) = Ψ0 (r0 ) (3.1) mit r0 = Rr folgt für die Wellenfunktion Ψ0 (r) insgesamt: Ψ0 (r) = Ψ(R−1 r) 6 (3.2) Der Hamiltonoperator Ĥ für ein Teilchen im Potential V (r) ist so wie auch das Quadrat des Drehimpulsoperators L̂2 rotationsinvariant. Lediglich die magnetische Quantenzahl m` ändert sich. Beispiele Die rotierte Wellenfunktion kann als eine Superposition der ursprünglichen Wellenfunktionen dargestellt werden: X ` Ψ0n`m (r) = Dm (3.3) 0 m (R)Ψn`m0 (r) m0 ` (Dm 0 m (R) sind die Einträge einer (2` + 1) × (2` + 1)-Matrix.) 1. Befindet sich das Elektron im Grundzustand (s-Zustand, ` = 0), dann ist die Wellenfunktion 1 1 Y00 = ( ) 2 4π ` kugelsymmetrisch und es handelt sich um die triviale Darstellung (Dm 0 m (R) = 1). 2. Ist das Elektron hingegen in einem Zustand mit n = 2, ` = 1 und m = 0, dann gilt also: X 1 Ψ0210 (r) = Dm (3.4) 0 0 (R)Ψ21m0 (r) m0 Im 2p-Zustand ist der Winkelanteil der rotierten Wellenfunktion als eine Linearkombination der Kugelflächenfunktionen r 3 sin θ exp(iϕ) Y11 = − 8π r 3 (3.5) Y10 = cos θ 8π r 3 Y1,−1 = sin θ exp(−iϕ) 8π gegeben. Betrachtet man nun eine Rotation R(β) um die y-Achse, dann gilt analog zu (2.2): z 0 = z cos β − x sin β (3.6) x0 = x cos β + z sin β Die z-Komponente des Punktes (R−1 r) kann man mit Kugelkoordinaten schreiben als: (R−1 r)z = z cos β + x sin β = r(cos β cos θ + sin β sin θ cos ϕ) 7 (3.7) In der neuen Wellenfunktion ist der Ausdruck (cos θ) also durch (cos β cos θ + sin β sin θ cos ϕ) zu ersetzen. Mit dem Zusammenhang r 3 eiϕ + e−iϕ Y1,−1 − Y11 = 2 sin θ( ) 8π 2 r (3.8) 3 =2 sin θ cos ϕ 8π folgt: sin β (Ψ2,1,−1 − Ψ211 ) 2 Die Matrixelemente sind also gegeben durch: Ψ0210 = cos βΨ210 + (3.9) 1 = cos β D00 1 1 D−10 = −D10 = sin β 2 (3.10) Interessiert man sich weiter für die Lösungen zu den Zuständen mit m = −1 und m = 1 müssen alle verbliebenen Einträge der Matrix berechnet werden. 1 1 1 Ψ21−1 (r) Ψ021−1 (r) D−1−1 D0−1 D1−1 1 1 1 Ψ210 (r) Ψ0210 (r) = D−10 D10 D00 1 1 1 0 Ψ211 (r) D−11 D01 D11 Ψ211 (r) 8 (3.11) Literaturverzeichnis • H.F. Jones, Groups, Representations and Physics, IOP 1990 • Goldhorn, Heinz und Kraus, Moderne mathematische Methoden der Physik, Band 2, Springer 2010 • S. Bosch, lineare Algebra, Springer 2006 • H. Boerner, Darstellungen von Gruppen, Springer 1967 9