Sehnsucht, limited edition von Koen Augustijnen 1 Sehnsucht, limited edition von Koen Augustijnen Choreografie: Bühne und Kostüme: Musik: Licht: Dramaturgie: Künstlerische Assistenz: Trainingsleitung: Ausstattungsassistenz: Inspizienz: Tanz: Akkordeon: Tai-Ji: Koen Augustijnen Pia Leong Johann Sebastian Bach, Michael Jackson, N.N. Arne Waldl Honne Dohrmann Romain Guion, Evangelos Poulinas Andrea Svobodova, Evangelos Poulinas, Alexandra Brenk Kristina Pointner Veranstaltungstechnik Alessandra Corti, Gili Goverman, Bojana Mitrović, Antonia Zagel; Ruben Albelda Giner, Thomas Van Praet Philippe Thuriot Susanne Brand, Christa Bruder, Hanna Diekmann, Esther Dobrick, Maren Kruppa, Maria Pieczeniewski, Helga Reinders, Karin Renken, Jutta Schwarz, Gabriele Wichmann; Holger Schaa, Roland Schufflitz, Wir bedanken uns bei den Tänzerinnen und Tänzern für die choreografische Mitarbeit, bei Peng Wang für die Vermittlung der Tai-Ji-ler_innen und ganz besonders bei Rosalba Guerrero Torres für die dramaturgische Unterstützung. Uraufführung Premiere: 6. März 2014, Oldenburgisches Staatstheater, Exerzierhalle; Dauer: 75 Minuten Technischer Direktor: Bernd Kreimeyer; Produktions- und Werkstattleitung: Veronika Hoberg; Produktionsleiter: Christoph Mävers; Technische Assistenz: Manuela Wustmann; Bühneneinrichtung: Holger von der Kaus/ Holger Claußen; Leiter der Veranstaltungstechnik: Oliver Eck; Stellwerk und Tontechnik: Malte Alber, Markus Seyffarth, Arne Waldl; Masken und Frisuren: Anita Bruns/ Brigitte Heinemann; Obergewandmeisterin: Ursula Heller; Gewandmeister/In: Maren Hallo, Sabine Klemm, Joachim Meiners, Isabel Reinike; Kostümassistentin: Alexandra Götz; Vorstand des Malersaales: Hans-Jürgen Brunken; Leiterin der Bühnenplastik: Carola Hoyer; Vorstand der Tischlerei: Rewert Nanninga/ Manfred Brunken; Vorstand der Schlosserei: Jens Horstmann-Knust; Leiter der Dekorationsabteilung: Rolf-D. Grote; Leiter der Requisite: Marc Voss; Requisite: Gisela Hartmann; Redaktion: Honne Dohrmann, Lisa Besser; Fotos: Andreas J. Etter; Gestaltung: Reinhart Hammerschmidt; Druck: Prull-Druck GmbH & Co. KG 2 Plädoyer für das Unvollkommene Choreograf Koen Augustijnen im Gespräch mit Tanzdirektor Honne Dohrmann über Sehnsucht, limited edition HD: Sehnsucht ist eigentlich ein sehr deutsches Wort. Wie bist du auf dieses Thema gekommen und was interessiert dich daran? KA: Das Wort war schon immer in meinem Wortschatz, obwohl ich eigentlich kein Deutsch spreche. Ich glaube, mich spricht besonders die melancholische Seite dieses Phänomens an. Es ist etwas, das viel mit mir selbst zu tun hat. Ich würde mich als optimistischen Menschen beurteilen, aber das Vermissen von etwas oft Unbestimmtem und die hoffnungsvolle Suche danach, man könnte auch sagen – Sehnsucht -, das gehört auch zu mir. Den Blues zu haben, aber im gleichen Moment trotzdem das Leben zu genießen. HD: Ich weiß, dass du dich im Zusammenhang mit dieser Choreografie sehr viel mit dem Begriff der Sehnsucht auseinandergesetzt hast. Was hat dich besonders beeindruckt? KA: Dass man ihn in so vielen Bereichen wiederfinden kann. Ich habe vor einiger Zeit einen Weltklassepianisten gesehen, der sich in einem Interview zum immer größer werdenden Perfektionszwang in unserer Gesellschaft geäußert hat. Ausgerechnet er hielt ein flammendes Plädoyer für das Unvollkommene. Und er hat recht, das ökonomische System, in dem wir leben, erzeugt immer mehr Druck. Deshalb sind auch das Borderline Syndrom und Neurosen immer verbreiteter. Muss man unter zunehmendem Druck funktionieren, dann ist die Konsequenz letztlich, dass die Bedeutung der Sehnsucht als Ventil und befreiende Vision 3 immer mehr zunimmt. Arbeitsweise. HD: Also gibt es keine Welt ohne Sehnsucht? KA: Für die meisten wohl nicht. Ich durfte hier in Oldenburg den berühmter Filmregisseur Edgar Reitz („Heimat“, A.d.V.) kennenlernen. Er findet, dass sich Sehnsucht immer sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft richten kann. Die Erinnerung an vergangene Zeiten, die man vermisst, ebenso wie die Hoffnung auf etwas Positives, das man noch erreichen möchte. Sehnsucht kann Stimulanz und ein kreativer Motor sein. HD: Wie sieht so eine Aufgabe zum Beispiel aus? KA: Übersetze „Unzufriedenheit“ mit deinen tänzerischen, physischen Mitteln. Sehnsucht ist ein sehr intimes, persönliches Thema, das von den Tänzern eine große Offenheit verlangt. HD: Das Thema ist eigentlich allgegenwärtig, da die Entscheidung für das Eine meistens die Unerreichbarkeit des Anderen beinhaltet. Sehnsucht als Leerstelle sollte also im Idealfall Teil einer Lebenseinstellung sein? KA: Ja, aber sie ist gar nicht so einfach zu leben, weil du die permanente Abwesenheit bzw. Nichterreichbarkeit von etwas ganz im Inneren annehmen musst. Wenn ich mir von unserer Choreografie etwas wünsche, dann, dass die Zuschauer am Ende das Theater verlassen und vielleicht sagen, diese Melancholie und mein unerfülltes Verlangen sind ein Teil von mir und eine positive Kraft, die mich trägt und antreibt. Ich finde es gesund, wenn man nicht alles hat. Sonst würde man auf dem Sofa sitzen und wüsste nicht, was man tun sollte. HD: Wie näherst du dich diesem Thema in den Proben? KA: Wenn wir mit den Proben beginnen habe ich keine Ahnung, wie es am Ende aussehen könnte. Lediglich die Musik und das Bühnenbild habe ich vorher festgelegt. Ich zeige niemals Bewegungen, sondern gebe den Tänzern zahlreiche Improvisationsaufgaben. Es ist eine sehr interaktive HD: Es ist das erste Mal, dass du in Deutschland und an einem Staatstheater arbeitest. KA: Ja, die guten Bedingungen geben mir viel Zeit mich intensiv auf die Proben vorzubereiten. Das will ich jetzt immer (lacht). Die Tänzer in Oldenburg sind sehr vielseitig und gewohnt mit unterschiedlichen Choreografen zu arbeiten. Sie sind offen, neugierig und flexibel. Das ist sehr professionell und äußerst angenehm. HD: Wie hast du dich dem Thema visuell angenähert? KA: Pia Leong ist die Bühnenbildnerin, sie ist eine in Berlin lebende Australierin und wir kannten uns vorher nicht. Ich habe sie nach Brüssel eingeladen und ihr die Stadt gezeigt. Dabei sind wir viel mit der Metro gefahren und die U-Bahnstationen begannen uns irgendwann zu inspirieren. HD: Was hat die Metro mit Sehnsucht zu tun? KA: U-Bahnhöfe sind fast klinische Orte des Übergangs. Die Menschen haben dort zwangsläufig Zeit ihren Gedanken nachzuhängen... HD: Als Musik hast du dir einige von Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen ausgesucht... KA: Während ich vor vielen Jahren in Alain Platels Erfolgsstück La Tristeza Complice tanzte und damit um die Welt tourte, lernte ich den belgischen Akkordeonisten Philippe Thuriot kennen. Er brachte mich damals auf die Idee mit Bachs Goldberg-Variationen, eine der schwierigsten Partien auf dem Akkordeon überhaupt. Philippe ist ein fantastischer Musiker und es macht mich wirklich glücklich, ihn jetzt hier zusammen mit den Tänzern auf der Bühne zu sehen. HD: Er ist aber nicht der einzige Gast in diesem Stück? KA: Nein, wir haben außerdem die Oldenburger Tai Chi Gruppe des Meisters Peng Wang eingeladen. In Brüssel habe ich mich einmal in der Tür geirrt und bin in eine Tai Chi-Stunde geraten und ein Weilchen geblieben. Die unglaubliche Mischung dieser Gruppe aus Studenten, Rentnern, Rockmusikern und praktizierenden Buddhisten hat mich völlig fasziniert. Die Oldenburger Gruppe ist - wenn auch auf andere Weise - fast ähnlich vielfältig. Für mich ist sie im Stück das Abbild der Gesellschaft. Du weißt ja, dass meine Arbeit eher Tanztheater ist, also nicht komplett abstrakt. Deshalb ist dieser Realitätsbezug für mich sehr wertvoll. Ich sprach vorhin vom Borderline Syndrom, die Harmonie des Tai Chi symbolisiert einen Gegenentwurf dazu, die Sehnsucht, eine Insel der Ruhe zu teilen. Und vielleicht auch um Gemeinsamkeit zu teilen, und - wenn man so will -, Teil der Herde zu sein. HD: Letzte Frage: Und wonach wirst du Sehnsucht haben, wenn das Stück Sehnsucht fertig ist? KA: Ich werde bestimmt Sehnsucht nach den Tänzern und dem Team haben. Normalerweise bleibe ich nach der Premiere mit den Tänzern zusammen und wir gehen gemeinsam auf Tournee. An einem Staatstheater ist das anders, da muss der Choreograf nach der Premiere alleine nach Hause fahren.... 4 5 6 7 Koen Augustijnen Philippe Thuriot Der belgische Choreograf Koen Augustijnen begann seine Karriere als Tänzer bei Les Ballets C de la B in Zusammenarbeit mit Alain Platel, Hans Van den Broeck und Francisco Camacho. Er wechselte jedoch schnell die Seiten und wurde zu einem der Hauschoreografen der berühmten Tanzcompagnie aus Belgien. Bei den Internationalen Tanztagen 2007 in Oldenburg, zeigte er sein eindringliches Stück IMPORT/EXPORT (2006), das auf seine große Produktion Bâche (2004) folgte, mit der ihm als Choreograf der internationale Durchbruch gelang. 2009 schuf Koen Augustijnen Ashes für Les Ballets C de la B und kombinierte darin ein weiteres Mal zeitgenössischen Tanz mit Livemusik auf der Bühne. Letzteres wurde zu einem ausdrucksstarken Stilmittel in seinen Arbeiten. Ein Grund mehr, dass er für Sehnsucht, limited edition einen der bekanntesten Akkordeonisten Belgiens, Philippe Thuriot, mit auf die Bühne bringt. Bevor Koen Augustijnen als Tänzer und Choreograf den zeitgenössischen, westeuropäischen Tanz maßgeblich prägte, studierte er in Gent Geschichte und bildete sich in Theaterkursen am Konservatorium in Antwerpen weiter. Darüberhinaus traf er in verschiedenen Tanzworkshops auf große Choreografen wie Wim Vandekeybus, Caro Lambert, Susanne Linke oder David Zambrano. Bevor er als Gastchoreograf nach Oldenburg kam, tourte er mit seinem letzten aufsehenerregenden Stück Badke (2013), für das er mit zehn palästinensischen Performern verschiedener Disziplinen zusammenarbeitete. Mit Philippe Thuriot steht in Sehnsucht, limited edition ein Weltklassemusiker auf der Bühne, der virtuos und eindringlich den musikalischen Rahmen gestaltet. Der Akkordeonist aus Brüssel ist ein wahrer Allrounder auf seinem Instrument. Thuriot, der heute selbst an der School of Arts in Gent doziert, studierte Akkordeon in Antwerpen und an der Music Academy of Copenhagen unter Mogens Ellegaard. Sein Repertoire umfasst sowohl klassische als auch zeitgenössische Musik. Im Laufe seiner Karriere wurde er vielfach international ausgezeichnet. Neben eigenen Musikprojekten tritt er regelmäßig als Solist in verschiedenen Ensembles und Orchestern auf. Seine große Liebe gilt allerdings der Improvisation, dem Spielen von Eigenkompositionen und dem Jazz. Thuriot tourte bereits zweimal mit Choreografien von Alain Platel, La Tristeza Complice (1995) und Pitié! (2008), um die Welt. Dabei lernte er den Choreografen Koen Augustijnen kennen, der damals noch als Tänzer mit ihm die Bühne teilte. Augustijnen lud Thuriot ein, die Musik für Sehnsucht, limited edition zu gestalten. Grundlage bilden dabei die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach. Ursprünglich für Cembalo komponiert, wurden sie von Thuriot für Akkordeon transkribiert und angepasst. So unterschiedlich die Tempi und Stimmungen in Bachs Komposition sind, so vielschichtig sind die Gemütslagen und Emotionen in Sehnsucht, limited edition. Ergänzt werden die Goldberg-Variationen von zwei aktuellen Titeln der Popkultur, die sich nahtlos in die musikalische Reise einreihen und ihr die nötigen Wendepunkte verleihen. 8 9 Was ist Sehnsucht? Sehnsucht (mhd. „Sensuht“, als „Krankheit des schmerzlichen Verlangens“) ist ein inniges Verlangen nach einer Person, einer Sache, einem Zustand oder einer Zeitspanne, die/den man liebt oder begehrt. Sie ist mit dem schmerzhaften Gefühl verbunden, den Gegenstand der Sehnsucht nicht erreichen zu können. Bei Menschen, die sich vor Sehnsucht „verzehren“, kann diese in bestimmten Fällen krankhafte, psychpathologische Züge annehmen, so etwa bei verschiedenen Formen der Todessehnsucht, die bis zum Suizidwunsch reichen kann. www.de.wikipedia.org Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß was ich leide! Johann Wolfgang von Goethe Des Menschen Herz kann am glücklichsten sein, wenn es sich so recht sehnt. Wilhelm Raabe Unsere Sehnsüchte sind unsere Möglichkeiten. Robert Browning Beten ist nicht bitten. Es ist ein Sehnen der Seele. Mahatma Gandhi Die Sehnsucht ist es, die uns‘re Seele nährt und nicht die Erfüllung. Und der Sinn uns‘res Lebens ist der Weg und nicht das Ziel. Denn jede Antwort ist trügerisch, jede Erfüllung zerfließt uns unter den Händen, und das Ziel ist keines mehr, sobald es erreicht wurde. Arthur Schnitzler Verlangen ist das halbe Leben; Gleichgültigkeit der halbe Tod. Khalil Gibran Sehnsucht kann Menschen nahezu grenzenlos manipulierbar machen. Cornelia Funke Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Antoine de Saint-Exupery Die Sehnsucht scheint mir die einzige ehrliche Eigenschaft des Menschen. Ernst Bloch Der Umbau der Exerzierhalle wurde ermöglicht durch die Förderung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, die Unterstützung durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur und durch den großen Einsatz der Stadt Oldenburg. Unser besonderer Dank geht an die Großsponsoren: Bremer Landesbank | EWE AG | Landessparkasse zu Oldenburg | Oldenburgische Landesbank Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg sowie an die weiteren Sponsoren Büsing & Fasch GmbH & Co. KG, CeWe Color AG & Co. OHG, Commerzial Treuhand GmbH, Ernst Schnetkamp Beteiligungs GmbH, GSG Oldenburg Bau- und Wohngesellschaft mbH, Leffers & Co. GmbH & Co. KG, Ludwig Freytag GmbH & Co. KG, MLP Finanzdienstleistungen AG, Vierol AG sowie an Joachim Hoepp. tanzkalender 2014 März 06.03. Sehnsucht, limited edition (Premiere) 09.03. Finale Grande 14.03. Sehnsucht, limited edition 15.03. Sehnsucht, limited edition 20.03. Sehnsucht, limited edition 26.03. Sehnsucht, limited edition 27.03. Finale Grande 28.03. Sehnsucht, limited edition 29.03. Finale Grande April 03.04. Sehnsucht, limited edition 04.04. Finale Grande 05.04. Sehnsucht, limited edition 25.04. Finale Grande (Groningen) 26.04. Finale Grande Mai 02.05. Finale Grande 21.05. Plafona 25.05. Plafona Juni 03.06. Plafona 25.06. Sehnsucht, limited edition Juli 03.07. Finale Grande 05.07. Finale Grande 10.07. Sehnsucht, limited edition 11.07. Finale Grande Bitte vormerken: Wiederaufnahme von Niemandstag im Juni 2014 Generalintendant: Markus Müller Tanzdirektor: Honne Dohrmann Choreographer in Residence: Guy Weizman Theaterwall, D-26122 Oldenburg, Tel: 0049-441-2225.105 [email protected] www.staatstheater.de