Sinusförmig dimmen - mx

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Stromversorgung ■ Leistungsfaktor
Sinusförmig dimmen
Elektronischer Dimmer mit minimaler Netzrückwirkung
Ein neues Konzept für einen elektronischen Dimmer von Hoch- und
Niedervolt-Glühlampen sorgt für eine quasi-sinusförmige Stromaufnahme.
Mit diesem Dimmer bleibt der Strom – ohne komplizierte LeistungsfaktorKorrekturschaltungen – in Phase mit der Netzspannung und sorgt für
einen Leistungsfaktor von mehr als 0,95.
Von Prof. Dr.-Ing. Peter Marx
nter Netzrückwirkung versteht
man die Wirkung von nichtsinusförmigen Verbraucherströmen am Innenwiderstand des speisenden Netzes – Generatoren, Transformatoren, Leitungen – mit der Folge einer
unerwünschten Abweichung von der
Sinusform (Verzerrung) der Netzspannung. Die Netzrückwirkung ist derzeit
durch die zunehmende Verbreitung
von nichtlinearen Verbrauchern so gravierend, dass z.B. in Messlaboren von
Hochschulen, Forschungsinstituten und
in der Industrie sehr teure elektronische Netzsimulatoren eingesetzt werden müssen, um eine für Messzwecke
ausreichend genaue sinusförmige Spannung bereitzustellen. Denn komplexe
Wechselstromberechnungen (Zeigerrechnung) setzen die Sinusform von
Spannung und Strom voraus.
U
◗ Beziehungen zwischen
Strom und Leistung bei
sinusförmiger Spannung und
nichtsinusförmigem Strom
Beim Zerlegen eines nichtsinusförmigen Stromes in Grundschwingung I 1
und Oberschwingungen I2 ... In (vgl.
Fourier-Analyse) gilt z.B. für den Gesamt-Effektivwert I:
2
I= I 1+I
2
2
2
+ I 3 + ...
(1)
mit der Oberschwingungsstromstärke
oder Verzerrungsstromstärke Id
2
Id = I − I
2
1
(2)
nischen und auch von deren Frequenz
unabhängig.
Für die Wirkleistung gilt:
P = U × I1 cos ϕ1
44
Elektronik 15/2005
Q1 = U × I1 sin ϕ1
= S1 sin ϕ1
(7)
= S × g i sin ϕ1
mit Grundschwingungsgehalt g i =
I1
I
und die Verzerrungs-Blindleistung Qd
Q d = U × Id = S × d i
mit Oberschwingungsgehalt =
Verzerrungsgehalt =
Klirrfaktor di = Id / I
(8)
Für die Wirkleistung P gilt auch:
P = S1 cos ϕ1
(9)
= S × g i cos ϕ1
Da die Spannung nur als Grundschwingung (1. Harmonische) vorliegt,
wird die gesamte Wirkleistung nur mit
dem Effektivwert des Grundschwingungsstromes I1 und ϕ1 als Phasenverschiebungswinkel der Spannung gegen
die Strom-Grundschwingung gebildet.
Ströme und Spannungen von verschiedenen Harmonischen generieren keine
Wirkleistung! Entsprechend können
auch Schein- und Blindleistung für die
Grundschwingung angegeben werden:
und damit wird der Leistungsfaktor zu
S1 = U × I1
Der Grundschwingungs-Leistungsfaktor heißt auch GrundschwingungsVerschiebungsfaktor.
(4)
Q1 = U × I1 sin ϕ1
Die Gesamt-Scheinleistung S ist
definiert zu
S=U×I
2
=U I 1+I
2
=U I 1+I
2
(5)
2
2
+ I 3 + ...
2
d
Die Gesamt-Blindleistung Q ist im
Gegensatz zur Wirkleistung P auch
durch die Oberschwingungen des Stromes bestimmt:
2
Q = S −P
2
P
S
= g i × cos ϕ1
λ=
(10)
und der Grundschwingungs-Leistungsfaktor errechnet sich aus
λ1 =
P
S1
(11)
= cos ϕ1
◗ Derzeitiger Stand
der Dimmer-Technik
Verbraucher mit nichtsinusförmiger,
impulsförmiger Stromaufnahme sind
z.B. Fernseh-Empfänger, HiFi-Geräte,
Computer, Dimmer für Glühlampen,
dimmbare elektronische Transformatoϑ
Dimmer
i (t)
2
2
2
2
2
2
2
= U × I 1 + U × I d − U × I 1 cos ϕ1
2
Netz
230 V
UN
ULa
Glühlampe
100 W
2
mit : 1 − cos ϕ1 = sin ϕ1
2
Der Effektivwert ist von den Nullphasenwinkeln der einzelnen Harmo-
(3)
Damit ergeben sich zwei Anteile
der Gesamt-Blindleistung, nämlich die
Grundschwingungs-Verschiebungs-Blindleistung Q1
2
2
2
= U × I 1 sin ϕ1 + U × I
2
= Q 1+Q
2
d
2
d
(6)
Bild 1. Ein einfacher Stromkreis mit verlustfreiem Dimmer und einem konstanten
Widerstand (Glühlampe) als Last.
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Leistungsfaktor ■ Stromversorgung
Rechenbeispiele zu konventionellen
Dimmern
● 1. Phasenanschnitt-Verfahren
Der Effektivwert des Stromes i(t) berechnet sich als Funktion des Anschnittwinkels ϑ zu:
I=
1T 2
i (t)dt
T ∫0
I(ϑ) =
I(ϑ) =
I(ϑ) = ˆi
(12)
1 π ˆ2 2
i sin ϕdϕ
π ϑ∫
π
ˆi  ϕ 1

×  − sin 2ϕ 
π 2 4
ϑ
1 ϑ
1
sin 2ϑ
−
+
2 2π 4 π
ˆi
für ϑ = 0°° => I(0°) =
2
ˆi
für ϑ = 90° => I(90°) =
2
für ϑ = 180° => I(180°) = 0

1 ϕ 1
 − sin 2ϕ 
π 2 4
0
(13)
ϑ 1
− sin 2ϕ
2π 4
für ϑ = 0° => I(0°) = 0
= ˆi
für ϑ = 90° => I(90°) =
= 230 V × 0,307 A = 70,7 W
allgemeine Wirkleistungsformel :
P=
1T
u(t) × i(t)dt
T ∫0
ˆi
2
für ϑ = 180° => I(180°) =
ˆi
2
● 3. Konventioneller Dimmer
Das Beispiel in Bild 1 zeigt eine
über einen Dimmer betriebene Glühlampe (100 W). Die Netzspannung UN
www.elektroniknet.de
Stromstärke
347
231
116
1 πˆ
2
u × ˆi sin ωt dωt
π π ∫/ 2
λ=
2
(70,7 W ) − (50 W )
2
0
1,30
Frequenz
kHz
2,60
Bild 2. Der phasenangeschnittene Strom (Phasenanschnittwinkel 90°) verursacht Oberschwingungen und Blindleistung – obwohl kein Blindwiderstand im Stromkreis enthalten ist. Der gemessene Leistungsfaktor 0,6487 weicht vom
berechneten Wert 0,71 ab, da der Widerstand der Glühwendel temperaturabhängig und somit auch abhängig vom Anschnittwinkel ist.
636
1πˆ
u sin ωt × ˆi sin ωt dωt
π ϑ∫
π

uˆ × ˆi  ωt 1
ω
t
=
−
2
sin


π 2 4
π / 2
uˆ × ˆi  π π 
=
× − 
π
 2 4
ˆu × ˆi 325 V × 0,615 A
=
=
= 50 W
4
4
=
1 ϑ ˆ2 2
i sin ϕdϕ
π ∫0
mA
(14)
ˆi
= 0, 307 A
2
S = U × ILa
2
ϑ
= ˆi
=
Q = S −P
● 2. Phasenabschnitt-Verfahren
Der Effektivwert des Stromes i(t) ergibt sich in diesem Fall als Funktion
des Abschnittwinkels ϑ zu:
1 π/2
−
2
2π
ILa (90°) = ˆi
=

ϑ 1
1 π 1
×  − sin 2π − + sin 2ϑ
π 2 4
2 4

463
0
=
I(ϑ) = ˆi
I(ϑ) =
kann als sinusförmig vorausgesetzt werden. Der Dimmer ist als verlustfreier
Schalter zu betrachten, und der Widerstand der Glühlampe sei konstant für
Anschnittwinkel zwischen 0° und 90°.
Die Schein-, Wirk- und Blindleistung
der Quelle (Netz) für einen Anschnittwinkel ϑ von 0° bis 90° errechnen sich
wie folgt:
2
mA
477
Stromstärke
ren für Niedervolt-Halogenglühlampen, einfache elektronische Entladungslampen-Vorschaltgeräte (EVG)
ohne passive oder aktive Oberschwingungsbegrenzungsfilter sowie eine
Vielzahl von Geräten, wo Phasenanschnitt- bzw. -abschnittsteuerungen
mit Halbleiterbauelementen der Leistungselektronik zur Anwendung kommen.
318
159
0
0
1,85
Frequenz
kHz
1,70
Bild 3. Ohne Phansenanschnitt entstehen keine Oberschwingungen und an der Glühlampe wird nur Wirkleistung erzeugt – Leistungsfaktor 1.
= 50 W
50 W
P
=
= 0, 71
S 70,7 W
Eine Fourieranalyse macht die Oberschwingungen mit ihrer Amplitude
deutlich. Bild 2 und Bild 3 zeigen zum
Vergleich eine Fourieranalyse, aufgenommen mit einem Spektrum-Analysator, der über einen Dimmer angesteuerten 100-W-Glühlampe – Bild 2 mit
Phasenanschnitt von 90° und Bild 3
mit einem Anschnittwinkel von 0°.
◗ Neuer elektronischer
HF-Dimmer für Hoch- und
Niedervolt-Glühlampen
Bei modernen elektronischen Dimmern
für Glühlampen sind ein Leistungsfaktor von nahezu 1 und ein geringer
Netzstrom-Oberschwingungsgehalt mit
entsprechend geringer Verzerrungsleis-
tung anzustreben, um unnötige Verluste zu vermeiden. Beides kann mit konventionellen Glühlampen-Dimmtechniken nicht erreicht werden. Einen Dimmer zum Betrieb von Niedervolt- und/
oder Hochvolt-Glühlampen mit hohem
Leistungsfaktor und sehr geringen
Netzstrom-Oberschwingungen [1] zeigt
Bild 4.
Die Netzspannung gelangt über ein
Funkentstörfilter und einen Zweiweggleichrichter auf eine durch vier
Halbleiterschalter (S1 bis S4 – z.B. MOSFETs, IGBTs, bipolare Transistoren) gebildete H-Brücke, in deren Brückenzweig (A – B) direkt Hochvolt-Glühlampen und/oder mittels eines HF-Transformators Niedervolt-Glühlampen betrieben werden können.
Die Ansteuerung der vier Halbleiterschalter erfolgt über Hochvolttreiber
mit einem HF-Generator mit integriertem Pulsweitenmodulator. Dieser erElektronik 15/2005
45
Stromversorgung ■ Leistungsfaktor
UN x √2 = 325 V
Versorgungsspannung
für IC
P1
UN
L
N
HF-Filter
zur
Funkentstörung
+
∼ Zweiweg-
PMWModulator
PWM
∼ Gleichrichter
-
HFGenerator
PWM
PE
S1
L1 (230 V)
A
S3
P3
B
UA
S2
L2 (12 V)
S4
Dimm-Eingang
z.B. 1 ... 10 V
Bild 4. Der HF-Dimmer eignet sich für Hoch- und Niedervoltlampen (mit Trafo) und erzeugt ein PWM-Signal, das mit der Netzspannung amplitudenmoduliert ist. Über das Tastverhältnis lässt sich die Leistung an
der Glühlampe steuern. Der aufgenommene Strom ist annähernd sinusförmig, so dass der Leistungsfaktor
bei jeder Dimmer-Stellung stets höher als 0,95 ist.
zeugt zwei gegenphasige Rechtecksignale mit variablem Tastverhältnis, wobei das PWM-Signal die Schalter S 2
und S3 gleichphasig und das invertierte
PWM-Signal die Schalter S1 und S4 gegenphasig ansteuert.
Bei dieser Betriebsweise ergibt sich
im Brückenzweig (A – B) eine mit der
Netzspannung (50 Hz oder 60 Hz) amplitudenmodulierte HF-Spannung von
U
Netzspannung UN
230 V x √2
Zerhackte
Spannung UA
10 ms
t
I
U
Netzspannung
UN
Lampenstrom ILa
t
Bild 5. Die Netzspannung wird von den Schaltern im Takt
des HF-Signales zerhackt. Über das Tastverhältnis lässt sich
die Leistung, die an den Verbraucher (Glühlampe) im Brückenzweig abgegeben wird, variieren. Der Strom in der
Glühlampe ist ein hochfrequentes Rechtecksignal mit sinusförmiger Hüllkurve.
46
Elektronik 15/2005
z.B. 20 kHz mit variabler Pulsbreite,
wodurch ein Dimmen von 0 bis 100 %
ermöglicht wird.
Durch die vollkommen symmetrische PWM-Steuerung der Vollbrücke
ist der HF-Strom durch den Verbraucher auch beim Dimmen sinusförmig
moduliert (Bild 5) mit dem großen Vorteil, dass der über das Funkentstörfilter
geglättete Netzstrom weitestgehend sinusförmig und nahezu in Phase mit der
Netzspannung ist. Die Dimmfunktion
kann über eine Steuer-Gleichspannung
(1 V bis 10 V) oder über DALI (Digital
Addressable Lighting Interface) aktiviert werden.
Wenn nur Hochvolt-Glühlampen
gedimmt werden, kann die Schaltung
vereinfacht und die H-Brücke ersetzt
werden. In diesem Fall ist nur noch ein
Schalttransistor erforderlich, wodurch
die Schaltung sehr kostengünstig ausgeführt werden kann.
Die Bilder 6 a bis c zeigen die Zeitverläufe der Netzspannung UN und des
Netzstromes I N des neuen elektronischen Dimmers für eine 100-W-Halogen-Glühlampe bei drei Dimmzuständen. Deutlich zu erkennen ist die quasi-sinusförmige Kurvenform des Netzstromes. Die Phasenverschiebung zwischen UN und IN ist quasi Null, d.h.,
der Leistungsfaktor nähert sich dem
Wert 1. Die Netzstromoberschwingungen sind demzufolge sehr gering.
Mit diesem Dimmer verhalten sich
die Lampen auch beim Dimmen wie
ohmsche Widerstände, was insbesondere die Energieversorgungsunternehmen (EVU) erfreuen würde, da die
Netzspannung bereits heute infolge der
vielen nichtlinearen Verbraucher eine
signifikante Abweichung von der Sinusform mit allen daraus resultierenden Nachteilen aufweist. Der Netzstrom des neuartigen Dimmers ist
quasi-sinusförmig und in Phase mit der
Netzspannung, d.h., der Leistungsfaktor ist nahezu 1, ohne dass ein spezielles Oberschwingungsfilter mit
Leistungsfaktor-Korrektur-IC wie bei
Leuchtstofflampen-EVGs benötigt wird.
Oberschwingungen des Netzstromes
sowie die bisher auftretende netzseitige Verzerrungs-Blindleistung entfallen
hierbei weitestgehend. Bei elektronischen Vorschaltgeräten zum Betrieb
von Leuchtstofflampen ist eine spezielle Leistungsfaktor-Korrekturschaltung
zur Erzielung eines hohen Leistungsfaktors > 0,95 und zur Begrenzung der
Netzstromoberschwingungen bei Wirkleistungen ab 25 W seit Jahren vorgeschrieben (vgl. IEC 555, EN 610003-2, DIN VDE 0721). Diese Vorschriften sollten auch für die bisher übliche
Glühlampen-Dimmtechnik mit stark
verzerrter, nichtsinusförmiger Stromaufnahme eingeführt werden. Das neue
Prof. Dr.-Ing. Peter Marx
ist gebürtiger Berliner und
studierte Nachrichtentechnik
und Lichttechnik an der TU
Berlin. Seit 1977 ist er Hochschullehrer im Fachbereich
Elektrotechnik der TFH Berlin
und führte diverse elektronische und photometrische
Technologietransfer-Projekte
mit der lichttechnischen Industrie durch. 1991 erhielt er den
Berliner Umweltpreis für die
Entwicklung eines dimmbaren
elektronischen Vorschaltgerätes
für Leuchtstofflampen. Er ist
Vorstandsmitglied der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft und Mitglied des Aufsichtsrates der Semperlux AG –
Lichttechnische Werke.
◗ E-Mail: [email protected]
www.elektroniknet.de
a)
∧
= 386 mA
b)
∧
= 206 mA
c)
∧
= 58,4 mA
Bild 6. Die drei Messungen mit dem Oszilloskop zeigen, dass der
Lampenstrom sinusförmig und in Phase mit der Netzspannung ist:
a) Der an CH1 gemessene Strom hat eine effektive Stromstärke
von 386 mA. Die Wirkleistung P errechnet sich daraus zu 91 W
bei einem Leistungsfaktor λ = 0,999. b) Auf eine Leistung von
P = 49 W gedimmt (λ = 0,98), beträgt die an CH1 gemessene effektive Stromstärke 206 mA. c) Mit einer effektiven Stromstärke von
58,4 mA (CH1) beträgt die Wirkleistung P = 13 W bei einem Leistungsfaktor λ = 0,95.
Dimmer-Konzept hat das Potential, die bisher üblichen
Phasenanschnitt- bzw. Phasenabschnitt-Schaltungen zum
Dimmen von Glühlampen zukünftig teilweise zu verdrängen.
Neben der Anwendung im Bereich der Lichttechnik sind
auch andere Applikationen in der Leistungs-Elektronik vorteilhaft.
hs
Literatur
[1] Marx, P.: Elektronischer HF-Dimmer für Hoch- und Niedervoltglühlampen. Deutsches Patent Nr. 4433552A1, 15. Januar 2004.
[2] DIN 40110, Wechselstromgrößen.
[3] EN 61000-3-2, Grenzwerte für Oberschwingungsströme in öffentlichen Niederspannungs-Versorgungsnetzen.
www.elektroniknet.de
Elektronik 15/2005
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