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Regie: (Schallplatte, zarte sphärische Weltraummusik) Sprecherin 1 Eine Spiralgalaxie von oben: Sterne, Nebel, dahinter tiefes Schwarz. Eine in sich ruhende, unveränderliche Welteninsel. Regie: Cut / Schallplattenkopf hart gestoppt 04 O-Ton Richter 29s Galaxien so wie die Milchstraße sind dynamische Objekte, das heißt, sie entwickeln sich über die Milliarden Jahre. Und die Milchstraße wird sich auch noch weiterentwickeln, wir sind noch nicht eine Galaxie, die fertig ist, sondern wir entwickeln uns immer weiter, d.h. die Milchstraße sammelt von außen Gas ein aus dem intergalaktischen Raum. Dieses Gas strömt in Richtung der Milchstraße. Und wenn es auf die Scheibe fällt, wird es eingebaut in unsere galaktische Scheibe und dort wird dieses Material benutzt, um neue Sterne zu bilden. Sprecherin 2 1 Philipp Richter ist Astrophysiker und leitet an der Uni Potsdam die Arbeitsgruppe "Interstellares und Intergalaktisches Medium". Er beschäftigt sich mit einer Komponente des Universums, die lange Zeit in tiefer Dunkelheit lag: Ein hauchdünnes Gas, das den gesamten Kosmos durchzieht. Regie: Sonifikation ab 3:33 Zitator Kapitel 1. Das gemessene Universum oder: die lange Geschichte einer großen Leere Sprecherin 1 Wenn wir mit Teleskopen hinaus schauen in die Weiten des Alls, dann sehen wir Spiralgalaxien und elliptische Galaxien; Sterne, die entstehen und in SupernovaExplosionen vergehen, wir sehen einen Zauberwald aus roten Riesen und weißen Zwergen, Planeten, die unserer Erde sehr ähnlich sind und solche, die mit unserer kleinen blauen Insel nichts gemein haben. Wir sehen Meteoriten, Asteroiden und ein wenig Staub. Den größten Teil aber sehen wir nicht. Regie: Musik Sprecherin 1 Dabei geht es nicht um die unbekannten Komponenten im Universum, die dunkle Materie und die dunkle Energie, sondern um die ganz gewöhnliche Materie, aus der alles um uns herum besteht. Der Wasserhahn ebenso wie das Mondgestein, das Brillengestell oder die Sonne. Gerade einmal fünf Prozent des Universums bestehen aus dieser gewöhnlichen, baryonisch genannten Materie. Doch auch von diesen fünf Prozent sehen wir nur einen kleinen Teil. 05 O-Ton Richter 27s Wenn wir jetzt anfangen, die Sterne, die Planeten und die gasförmige Materie in den Galaxien zu vermessen und zu zählen, wie viel Materie z.B. in den Galaxien enthalten ist, dann kommen wir auf eine Zahl, die deutlich geringer ist als die Zahl, die man erwarten würde aus kosmologischen Berechnungen. Und das bedeutet, dass ein Großteil der baryonischen Materie unsichtbar scheint. Dass sie sich eben nicht in Form von Sternen und sichtbaren Objekten im Universum befindet, sondern in irgendeiner Weise unsichtbar 2 ist. (..) Regie Musik Ende Zitator Fußnote: Historisches. Sprecherin 1 Johannes Hartmann ist Anfang des 20. Jahrhunderts Wissenschaftler am Astrophysikalischen Observatorium in Potsdam. Zwischen 1900 und 1903 untersucht er das Licht dutzender Sterne, um aus ihrem Spektrum Informationen über Temperatur und chemische Zusammensetzung der Himmelskörper herzuleiten. Dazu zerlegt der Astronom das Licht in seine Bestandteile und untersucht die dunklen Linien, die die Gasatome der Sternatmosphäre im Spektrum bilden. Als er das Spektrum von Delta Oriónis, einem Stern im Sternbild Orion, betrachtet, stockt er. Wie erwartet verschieben sich die Linien wegen der Bewegung des Sterns periodisch im Spektrum. Aber eine einzelne Calciumlinie steht still. Wieder und wieder vermisst Hartmann die Linie bis er schließlich erkennt: Sie kann unmöglich zu dem untersuchten Stern gehören. Zitator "Man wird hierdurch zu der Annahme geführt, dass sich auf der Visierlinie zwischen der Sonne und delta Orionis an irgendeiner Stelle des Raumes eine Wolke befindet, welche jene Absorption hervorbringt.“ Sprecherin 2 Hartmann hatte zufällig das interstellare Medium detektiert, ein Gas, das sich innerhalb der Galaxien und zwischen den Sternen unserer Milchstraße befindet. Auch im Raum zwischen den Galaxien, der lange als absolut leer galt, entdeckten die Wissenschaftler schließlich eine diffuse Komponente: Das intergalaktische Medium. Sprecherin 1 Die Geschichte dieses Mediums ist die Geschichte unseres Universums. An seiner zeitlichen und räumlichen Entwicklung können wir ablesen, wie sich der Kosmos über die Jahrmilliarden entwickelt hat. Aus ihm sind Galaxien entstanden, Sterne und auch unsere 3 Erde. Das Universum hat im intergalaktischen Medium seinen Fingerabdruck hinterlassen, der uns zurückblicken lässt in die Kinderstube unseres Kosmos. Regie: Musik Sprecherin 1 Die Geschichte des intergalaktischen Gases ist aber auch die Geschichte einer unvorstellbar großen Leere. In manchen Gebieten des Universums finden sich in einem Kubikmeter Raum gerade einmal eine Hand voll Teilchen - Zustände, an die kein Ultrahochvakuum auf der Erde auch nur annähernd heranreicht. 06 O-Ton Richter 26s Das führt dazu, dass die Signale, die man in diesem intergalaktischen Gas erwartet, extrem schwach sind. Das Gas füllt aber ja das ganze Universum aus, deswegen ist auch bei dieser geringen Dichte die Masse insgesamt sehr groß, aber die dünnsten Gebiete in diesem Gas bleiben für immer verborgen, die können wir nicht detektieren. Wir können nur schlussfolgern, indem wir die Spitze der Eisberge sehen, dass unter der Wasseroberfläche noch viel mehr Masse ist. Regie: Geräusch Zurückspulen. Musik Sonifikation 0:30 Sprecherin 2 Kurz nach dem Urknall vor über 13 Milliarden Jahren ist das Universum eine einzige Ursuppe, ein heißes Plasma aus losen Teilchen. Noch drei Minuten nach der Entstehung des Kosmos herrschen Temperaturen von einer Milliarde Grad - für die Entstehung von Sternen und Galaxien ist es noch viel zu heiß. Erst nach etwa 400.000 Jahre hat sich das Universum so weit ausgedehnt und abgekühlt, dass sich die losen Teilchen - Elektronen und Atomkerne - zu Atomen zusammenschließen können. Sie bilden nun ein Gas, aus dem später die ersten Sterne entstehen. Regie: Musik hoch 4 Sprecherin 2 Fast völlig gleichmäßig ist diese Ursuppe im Raum verteilt. Aber eben nur fast. Winzige Dichteschwankungen verstärken sich mit der Zeit immer mehr. Denn wo Materie ist, wird Materie angezogen. 07 O-Ton Richter 27s Die dichteren Gebiete werden immer dichter und die dünneren Gebiete geben Materie an die Dichteren ab, so dass wir einfach Kontrastverstärkung haben über die Zeit. Und erst ab einer bestimmten Gasdichte ist ein System selbstgravitativ, wie wir sagen, d.h. eine solche gasförmige Region kann unter der eigenen Schwerkraft kollabieren und erst, wenn diese Voraussetzung gegeben ist, dann bilden sich in diesem Gebiet auch Sterne oder eben auch Planeten. Sprecherin 2 Das intergalaktische Medium strukturiert sich, es zieht sich zu fadenförmigen Gebilden, den Filamenten, zusammen und bildet nach und nach ein riesiges Spinnennetz aus Gas, das sich durch den gesamten Raum zieht. Es versorgt die Galaxien, die sich in den Fäden und Knoten dieser Netzstruktur bilden, mit neuem Baustoff, aus dem dann wieder Sterne entstehen. Und es wird seinerseits von den Galaxien mit frischem Gas angereichert: Die in den Sternen erzeugten schweren Elemente werden am Ende eines Sternenlebens in einer gewaltigen Explosion ins Universum geschleudert. Bestehende Galaxien entwickeln sich so immer weiter und verändern ihre Gestalt, genauso wie ihre Umgebung. Sprecherin 1 Es ist ein riesiger Materiekreislauf, der seit Milliarden von Jahren im Kosmos vor sich geht. Sprecherin 2 Und so finden die Forscher dort draußen die Elemente, die wir auch auf der Erde kennen: Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff - oder eben Calcium, das Johannes Hartmann detektiert hatte. In Philipp Richters Arbeitsgruppe wird das intergalaktische Gas mit einer Methode untersucht, die den griffigen Namen Quasarabsorptionslinienspektroskopie trägt. 08 O-Ton Richter 12s Das Prinzip ist so ähnlich wie bei einem Diaprojektor: Man hat eben eine helle Hintergrundlampe und durchleuchtet ein Dia. Und die Information, die man sehen möchte, 5 steckt eben in dem Dia, aber ohne die Lampe sieht man diese Information eben nicht. Regie: Atmo Diaprojektor wird angeschaltet Zitator Exkurs. Ein Intergalaktischer Diaprojektor Regie Geräusch nächstes Dia Sprecherin 3 .. das ist also das Modell Zeiss Caroussel. Sie sehen ja, er ist klein und kompakt... Und das hier ist ein intergalaktischer Diaprojektor. Auch hier sollte man natürlich am wenigsten an der Lampe sparen. Für optimale Ergebnisse sollte man sich einfach einen schönen hellen Quasar aussuchen, gibts ja reichlich da draußen. Sprecherin 2 Ein Quasar ist der Kern einer aktiven Galaxie. Solche aktiven Galaxien sind sehr viel heller als gewöhnliche Galaxien. Abgesehen von kurzzeitig sehr hellen Erscheinungen wie Supernova-Explosionen, sind diese Galaxienkerne heller als alles andere, was in den Weiten des Universums zu finden ist. Wir sehen nicht die Galaxie, wir sehen schon gar nicht einzelne Sterne oder Planeten, dazu ist sie viel zu weit von uns entfernt, aber ihr Inneres, ihr Kern, funkelt zu uns herüber. Regie: Geräusch nächstes Dia Sprecherin 3 Die Quasare sind eindeutig die besten Lampen, die sie für die intergalaktische Diaprojektion bekommen können: Leuchtstark, punktförmig, also wenig Streulicht, und für einen breiten Spektralbereich einsetzbar. Das Dia ist ja in dem Fall relativ groß, nicht wahr, da ist das nur von Vorteil. Sprecherin 2 Unser Dia ist das intergalaktische Gas. Es wird vom Licht des Quasars durchstrahlt. Mit Spektrographen in Observatorien hier auf der Erde genauso wie in Weltraumteleskopen fangen die Forscher auf, was von der Strahlung übrig ist, wenn sie uns erreicht. 6 Sprecherin 3 Für Urlaubsphotos ist das nicht das passende Gerät. Da würd ich Ihnen was Kleineres empfehlen. Regie: Geräusch nächstes Dia Sprecherin 2 Die Gasatome absorbieren einen Teil des Lichts: Sie filtern bestimmte Wellenlängen heraus. Welche Wellenlängen das sind, hängt von den Gasteilchen ab. Und es hängt davon ab, wie weit das Gas von uns entfernt ist. Denn das Licht, das von dem Quasar ausgeht, ändert auf seinem Weg zu uns seine Wellenlänge. Da das Universum sich ausdehnt, während das Licht seinen oft Milliarden Lichtjahre dauernden Weg zu uns zurücklegt, werden die Lichtwellen gestreckt. Regie: Geräusch Martinshorn Sprecherin 3 Projiziert wird das Ganze auf eine Leinwand, im Fall eines intergalaktischen Dias ist das der Spektrograph. Durch ihn wird das Bild festgehalten und kann untersucht werden. Sprecherin 2 In dem Spektrum, das wir von dem Quasar aufgezeichnet haben, befinden sich Linien, an denen kein Licht oder kaum Licht durchgedrungen ist, weil die Atome des intergalaktischen Gases diese Wellenlängen herausgefiltert haben. Eine Linie heißt: Hier war intergalaktisches Gas. 09 O-Ton Richter 32s Man erhält sozusagen eine eindimensionale.. einen Schnitt durchs Universum. Und einen Wald an Absorptionslinien, diesen Wald muss man dann einzeln vermessen, ausmessen. Man kann die Linien natürlich einfach zählen, man kann die Linienstärken vermessen, man kann schauen, welche Elemente findet man in so einem Spektrum. Und dann kann man also über die Verteilung lernen, über die Anzahl der Linien etwas über die Masse, die Gesamtmasse lernen und man kann über die verschiedenen Elemente auch was über die chemische Zusammensetzung dieses Gases aussagen. 7 Regie (Diaprojektor aus) Sprecherin 1 Jedes Quasarspektrum ist ein Puzzlestück, aus dem die Wissenschaftler Informationen darüber gewinnen, wie die Verteilung und Zusammensetzung des intergalaktischen Mediums in einer bestimmten Blickrichtung aussieht. Schauen wir in einen intergalaktischen Spinnennetzfaden hinein oder in eine beinah leere Masche des kosmischen Netzwerks? Sprecherin 2 Die Idee ist, viele Quasare in vielen verschiedenen Richtungen zu untersuchen. Und in vielen unterschiedlichen Entfernungen, denn da die Lichtgeschwindigkeit endlich ist, ist jeder Blick ins Universum ein Blick in die Vergangenheit, nämlich an jenen Zeitpunkt, an dem das Licht sich auf den Weg zu uns machte. So setzen die Wissenschaftler aus vielen Einzelteilen langsam ein riesiges Puzzlespiel zusammen, das uns am Ende ein umfassendes Bild des intergalaktischen Mediums liefern soll. Zitator Kapitel 2: Das künstliche Universum Regie: Geräusch Supercomputer/ Technische Erklärungen Zitator (nachrichtlich) 2. Juni 2005, Fachzeitschrift Nature. Die größte jemals durchgeführte Simulation des Wachstums kosmischer Strukturen und der Entwicklung von Galaxien, Quasaren und Schwarzen Löchern hat jetzt eine internationale Gruppe von Astrophysikern veröffentlicht. Die "Millennium-Simulation" benutzte mehr als zehn Milliarden fiktive Teilchen, die jeweils eine Masse von etwa einer Milliarde Sonnen repräsentierten, um die Entwicklung der Materieverteilung in einer würfelförmigen Region des Universums mit einer Kantenlänge von mehr als zwei Milliarden Lichtjahren zu verfolgen. Der Rechenvorgang beschäftigte den leistungsfähigsten Supercomputer der Max-Planck-Gesellschaft in Garching für mehr als einen Monat. 8 Regie: Geräusch Supercomputer Sprecherin 2 Im Keller des Leibniz-Instituts für Astrophysik in Potsdam, nicht weit weg von dem Ort, an dem Johannes Hartmann vor über hundert Jahren erstmals interstellares Gas nachwies, steht ein solcher Supercomputer. Matthias Steinmetz, Leiter des Leibniz-Instituts. 10 O-Ton Steinmetz 6s Wir erzeugen sozusagen künstliche Universen im Computer und vergleichen dann das künstliche Universum mit dem echten Universum. Sprecherin 2 Das Universum im Supercomputer besteht aus Milliarden von künstlichen Teilchen. Bevor die Wissenschaftler auf diese Teilchen physikalische Gesetze anwenden, geben sie ihnen eine Geschichte mit auf den Weg: Jene kleinsten Dichteschwankungen in der fast gleichmäßig verteilten Ursuppe, ohne die die Entstehung von Galaxien, Sternen und Planeten wie unserer Erde undenkbar gewesen wäre. 11 O-Ton Steinmetz 9s Das waren sozusagen die Saatkerne, aus denen sich dann Strukturen bilden konnten. Und ab dann ist im Wesentlichen alles Gravitation: Alles, was irgendwie ein bisschen dichter ist, klumpt zusammen und wird immer größer. Sprecherin 2 Das intergalaktische Gas muss in diesem Klumpungsprozess, bei dem sich die Materie strukturiert, dem Weg folgen, den ihm die dunkle Materie vorgibt. Denn so dunkel und geheimnisvoll diese Materieform noch heute für die Wissenschaft ist, so sichtbar ist doch ihr Einfluss auf die Struktur des Universums. Ihr Anteil im Universum ist viel größer als der des intergalaktischen Gases, das sich unter ihrem Einfluss seit Milliarden von Jahren strukturiert. Die Supercomputer rechnen meist einige Monate an ihren künstlich erzeugten Universumsschnipseln - und sie kommen der Wirklichkeit schon sehr nah. 12 O-Ton Steinmetz 22s Das funktioniert wunderbar auf den großen Skalen, wir können sagen, wir haben eine 9 perfekte Übereinstimmung auf Skalen größer als einige Millionen Lichtjahre. Sobald wir auf die kleineren Skalen kommen, fangen die Probleme an, weil dort auch die Physik deutlich komplexer wird zu beschreiben. Wir wissen also nicht: Ist das ein Mangel der Theorie oder ist es ein Mangel des Verständnis’ der komplexen Prozesse, die dort ablaufen. Sprecherin 1 Denn die Tücke liegt im Detail und wir müssen nicht erst in die Weiten des Weltalls blicken, um zu erkennen, dass das, was uns am nächsten ist, selten das ist, was wir am besten verstehen. Regie Atmo (Tippen) Sprecherin 2 Im Büro nebenan sitzt Stefan Gottlöber vor seinem Computer. Er leitet ein Projekt, das sich mit jenen kleinen Strukturen unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft beschäftigt. 13 O-Ton Gottlöber 44s Das wäre dieses.. (Tippen).. wenn wir uns noch mal die Entwicklung anschauen wollen.. vielleicht hier..? Sprecherin 2 Wie kann ich die Startbedingungen für meine Simulation durch einen Blick in unsere nächste kosmische Umgebung, die Milchstraße und die kleinen Nachbargalaxien, so einschränken, dass ich am Ende meiner Rechnung die Struktur erhalte, die ich da draußen auch tatsächlich beobachte? 14 O-Ton Gottlöber 47s ja.. Also das ist jetzt so eine Dark-matter-Simulation..und wenn man jetzt Entwicklungen anschaut, dann sieht man: Am Anfang ist das Universum fast gleichmäßig, und dann – hier oben läuft die Zeit - bilden sich relativ rasch kleine Knoten und dort wo Knoten sind, fließt dann immer mehr Materie drauf, und dort wo ein großer Knoten, also eine größere Materieanhäufung ist, da fließt entlang dieser Filamente immer mehr Materie in Richtung 10 dieser Knoten. Das sind dann diese Plätze, wo Galaxienhaufen entstehen und Objekte wie unsere Milchstraße: Die sind in einem dieser Filamenten, wie man hier sieht. Und das sind die dichtesten Gebiete im Universum, wo die massereichsten Objekte, die Galaxienhaufen stehen. Sprecherin 1 Die Forscher gehen hier den umgekehrten Weg: Nicht vom Anfang bis heute, sondern von heute an den Anfang. Sie beobachten die Struktur unserer kosmischen Umgebung und rechnen dann 13 Milliarden Jahre zurück, bis kurz nach dem Urknall. Mit den so gewonnenen Anfangsbedingungen rechnen sie dann wieder vorwärts und vergleichen das Ergebnis mit der Wirklichkeit. 15 Gottlöber 26s Im Prinzip ist es eigentlich unmöglich. Wenn Sie beispielsweise eine große Kuhle haben und sie lassen da eine Kugel reinrollen, dann werden Sie sehen, wie die Kugel reinrollt und sich dann im Zentrum bewegt- in so einem Fall ist es unmöglich, praktisch und theoretisch unmöglich, vorauszusagen aus der Bewegung der Kugel, wo sie genau hergekommen ist, und eine ähnliche Situation haben wir im lokalen Universum natürlich auch: Das ist ein nicht-linearer Prozess, man kann ihn nicht einfach zurückrechnen. Sprecherin 2 Mit mathematischen Methoden kann man ihn zumindest einigermaßen zurückrechnen. Es ist eine Näherung. Eine Variante. Ein Versuch zu verstehen, ob jene kleinen Strukturen Sprecherin 2 - ob diese kosmisch kleinen Strukturen einfach zu komplex sind oder ob es die Theorie ist, die verbessert werden muss. Zitator Kapitel 3: Das erdachte Universum oder wie die Bühne zum Akteur wird Sprecherin 1 Im Wechselspiel aus Theorie und Beobachtung stieß die Erfindung des Fernrohrs im 17. Jahrhundert die Tür auf in ganz neue, unbekannte Tiefen des Raums und zu ganz neuen Theoriemodellen. An die Möglichkeiten heutiger Teleskope, die uns in die früheste Kindheit des Universums zurückblicken lassen, war die längste Zeit in der Jahrtausende alten 11 Geschichte der Astronomie und Philosophie nicht zu denken. Aber die grundsätzlichen Fragen stellten auch die Menschen, die mit bloßem Auge in den Himmel blickten. Sprecherin 3 Tja, hat es einen Anfang, das Universum? Hat es ein Ende? Ist es räumlich begrenzt? Und was ist überhaupt Raum? 17 Schemmel 8s Aristoteles diskutiert den Begriff des Ortes und sagt, ein Ort ist eine Art unbewegliches Gefäß für Körper. Zitator Die unmittelbare, unbewegliche Grenze des Umfassenden - das ist Ort. 18 Schemmel 6s Und das macht seinen Raumbegriff aus. Für ihn macht es überhaupt keinen Sinn von Raum zu sprechen, wo nicht Körper sind. Sprecherin 2 Matthias Schemmel, Physiker und Historiker, erforscht am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, wie sich die Vorstellung der Menschen vom Raum und der Welt über die Jahrtausende gewandelt hat. 19 Schemmel 9s Und da für ihn die materielle Welt endlich ist, nämlich dieser sphärische Kosmos, der mit der Fixsternsphäre endet, ist darüber hinaus keine Materie mehr und damit auch kein Raum zu finden. Sprecherin 1 Kurz: Es kann keine Leere geben. Sprecherin 3 Und mit Leere meint er: richtig leer. Also nicht so ein hauchdünnes-intergalaktischesmedium-nur-ein-paar-teilchen-pro-kubikmeter-leer, sondern absolut leer. Nichts. So eine Leere kann es nicht geben, sagt Aristoteles. 12 20 Schemmel 15s Das ist ein ganz anderer Raummodell als ihn beispielsweise die Atomisten hatten, für die der Raum eher eine Art Container war, in dem sich die Atome durch die Welt bewegen. Zitator Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter. In Wirklichkeit gibt es nur Atome im leeren Raum. Sprecherin 3 Klingt nach intergalaktischem Gas, is aber was anderes. Sprecherin 1 Die Vorstellung von Atomisten wie Demokrit im 5. Jahrhundert vor Christus ist auf den ersten Blick unserer heutigen sehr ähnlich. Doch für die Atomisten waren Raum und Materie noch klar voneinander getrennt. Eine Vorstellung, die noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts kaum in Frage gestellt wurde. Regie: Sonifikation Sprecherin 1 Erst mit Einsteins 1915 vorgestellten Allgemeinen Relativitätstheorie bekommt der Raum ein völlig anderes Gesicht. Seine Gestalt und auch die der Zeit hängen nun davon ab, wie Energie und Materie im Kosmos verteilt sind — ein fundamental neues Raumkonzept. Jürgen Renn, Direktor des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte: 21 O-Ton Renn 15s Also eigentlich ist der Raum nicht mehr die Bühne, auf der das physikalische Geschehen stattfindet, sondern er ist Teil, er ist sozusagen Akteur, er ist mit Akteur auf dieser Bühne und so strikt ist der Unterschied zwischen Raum und Materie dann eben nicht mehr. Sprecherin 2 Und auch die strikte Trennung zwischen Himmel und Erde verschwindet nach und nach. Immer neue Beobachtungen und Erkenntnisse machen die lange vorherrschende Vorstellung unmöglich, Mond, Planeten und Sterne seien an kristallene, über die Erde gewölbte himmlische Sphären geheftet, wo ganz andere Gesetze gelten sollten. 13 Regie: Musik Sprecherin 2 Trotz dieser lange angenommenen unüberwindbaren Trennung von Himmel und Erde ist auch die heutige Astrophysik nur das Ende einer langen Entwicklung. Denn die Idee, irdische Erfahrung auf den Kosmos zu übertragen, ist wahrscheinlich so alt wie die ältesten Mythen der Menschheit. Sprecherin 1 Und diese Idee gilt auch für die Erfahrung des Todes: Die Menschen sterben, die Tiere warum also nicht auch die Welt? 22 O-Ton Renn 15s Also ich habe jetzt die Bibel leider nicht zur Hand, sonst würde ich Ihnen jetzt was aus der Apokalypse des Johannes vorlesen und da sehen Sie, dass das da überhaupt keine Vorstellung ist, dass es immer so weiter gehen würde, im Gegenteil, da passiert schon mächtig was, das das Ende dieser Welt bedeutet. Zitator Und es ward geschlagen der dritte Teil der Sonne und der dritte Teil des Mondes und der dritte Teil der Sterne, dass ihr dritter Teil verfinstert ward und der Tag den dritten Teil nicht schien und die Nacht desgleichen. 24 Renn 33s Es sind natürlich Entwicklungsvorstellungen und ich kann mir vorstellen, dass man in bestimmten Zeiten gedacht hat, die Welt sei stabil. Das ist ja auch eine angenehme Vorstellung, wenn man denkt, die Welt sei fundamental stabil. Einstein selbst hat dieser Vorstellung eine Zeit lang angehangen, dass die Welt ein in sich symmetrisches, ruhendes Gebilde ist, aber da hat man sehr schnell festgestellt, das Universum dehnt sich aus, es hat einen Ursprung, es gibt vielleicht mehrere Universen.. Also eigentlich ist das eine uralte Vorstellung, die man vielleicht ab und zu hat versucht zu verbannen, weil es vielleicht angenehmer ist, in so einer stabilen Welt zu leben, aber letztlich ist sie immer wieder zurückgekehrt. 14 Regie: Sonifikation Sprecherin 2 Heute gilt die Urknalltheorie, das Standardmodell der Kosmologie, als anerkannt. Beobachtungen wie die Expansion des Raums und die kosmische Hintergrundstrahlung, die von der heißen, dichten Frühphase des Universums übrig ist, haben diesem kosmologischen Modell eine Überzeugungskraft verliehen, wie sie kein zweites vorweisen kann. Sprecherin 2 So komplex dieses Universum ist, der Raum und die Materie in ihm, die über Jahrmilliarden zum kosmischen Netzwerk wurde, so verästelt ist das Wissen um den Kosmos, das sich die Menschen über Jahrtausende angesammelt haben: Über Generationen stattfindende Langzeitbeobachtungen des Himmels in Babylonien, Niederschriften von Supernova-Beobachtungen im alten China, die Entwicklung der Mathematik, die Erfindung des Fernrohrs, die Entdeckung der Expansion des Universums- 26 O-Ton Renn 22s Deswegen hat die Kosmologie eigentlich so eine Doppelrolle: Einerseits ist sie die Welt da draußen, die große Welt, von der wir Teil sind, und andererseits ist sie sozusagen die Summe aller unserer Erfahrungen über die Welt. D.h. wir stellen in der Kosmologie einfach alles das, was wir so über die Welt wissen, zusammen und versuchen, wie in so einem Patchwork ein großes Bild daraus zu malen. Zitator Epilog: Das unendliche Ende der Geschichte Regie: Geräusch: Zurückspulen der letzten Sätze ...und versuchen, wie in so einem Patchwork ein großes Bild daraus zu malen. Sprecherin 1 Und wie sieht das Bild des intergalaktischen Mediums aus, wenn es fertig gemalt ist? 27 O-Ton Richter 5s 15 Wenn alles Gas verbraucht ist oder in Sternen gebunden ist, dann wird das Ganze ein Ende haben. Regie: Sonifikation 29:30 28 O-Ton Steinmetz 11s Die Zukunft wird sogar ziemlich langweilig werden, weil: Wir wissen, das Universum dehnt sich beschleunigt aus, und es wird sich irgendwann so schnell ausdehnen, dass unser Sichthorizont immer kleiner wird. 29 O-Ton Richter 15s Die Abstände zwischen den Klumpen im kosmischen Netzwerk werden immer größer sein, so dass das Universum in einer großen Ödnis enden wird. und dann wird das Universum, so wie es dann aussieht, für immer und ewig expandieren und sich aber nicht inhaltlich fortentwickeln. 30 O-Ton Steinmetz 13 Also wir werden immer weniger vom Universum sehen im Vergleich zu dem, was wir heute sehen können. Und irgendwann, in zehn, zwanzig Milliarden Jahren, können wir dann noch nicht mal unsere Nachbargalaxie, die Andromedagalaxie, sehen, und so verschwindet nach und nach alles. Sprecherin 3 Nichts los hier. 31 O-Ton Richter 6s Man ist sich ganz sicher, dass wir da schon nicht mehr leben können, zumindest nicht hier auf der Erde, denn bis dahin ist die Sonne schon lange erloschen. 32 O-Ton Steinmetz 2s Also wir müssen heute die Beobachtungen machen. Sprecherin 1 Und wie lange haben wir noch? 16 33 O-Ton Richter 16s Mmmh... 4 Milliarden Jahre. Wir werden vorher schon sterben, aber 4 Milliarden Jahre: Dann ist Ende mit der Sonne. Vorher wird die Sonne sich als Roter Riese aufblähen – spätestens dann wird’s ungemütlich. Sprecherin 1 Vielleicht haben wir uns dann aber schon einen ganz anderen Platz gesucht da draußen. 34 O-Ton Renn 11s Bereits heute wird ja darüber diskutiert, ob es nicht vielleicht besser ist, von einem Multiversum zu sprechen, wo dann eben in diesem Universum alles langweilig wird und dann gibt es halt noch ein paar andere Universen, wo es nicht so langweilig wird. 17