Bremen – Stadt der vielen Kulturen Partizipation und interkulturelle Arbeit Vorbemerkung Aufbauend auf der Tradition von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ und der erfolgreichen bisherigen Arbeit, möchte ich Überlegungen zur Diskussion stellen, die für die nächsten Jahre eine Perspektive für das Programm „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ aufzeigen. Dabei wurde berücksichtigt, dass Sadia Ghelala ab Mitte 2010 nicht mehr hauptberuflich zur Verfügung stehen wird. Mit den Überlegungen hinsichtlich der Zukunft von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ sollen die Ziele verfolgt werden, das Programm in wesentlichen Punkten zu modifizieren, indem insbesondere verstärkt auf interkulturelle Prozesse eingegangen wird, und zugleich auf dieser Grundlage eine Programmatik zu entwickeln, die auch andere Bereiche im Kulturressort einbindet. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Veranstalter und Finanziers von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ weiterhin im bisherigen Umfang die inhaltlichen und materiellen Voraussetzungen gewährleisten. Da ich mit Sicherheit nicht alle betroffenen Bereiche hundertprozentig überblicke, kann es zu überzogenen Formulierungen oder Akzentsetzungen kommen, die bitte -wie die gesamte Konzeptskizze- als Diskussionsangebot gedeutet werden sollten. Grundsätzliches Die multiethnische und kulturell differenzierte Gesellschaft ist angesichts eines Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund in Höhe von 27% (148.000 Menschen) an der bremischen Bevölkerung eine nicht mehr zu übersehende Tatsache. Entscheidend ist jedoch, den hinter den Zahlen stehenden Doppelcharakter zu erkennen und zu gestalten: Multiethnische und kulturell differenzierte Stadtgesellschaften produzieren Reibungen und Konflikte einerseits und eröffnen andererseits die Chance, der Entwicklung und Vitalität unserer Stadt(kultur) neue Impulse zu geben. Dieser Doppelcharakter zeigt sich unter ökonomischen, sozialen, rechtlichen und kulturellen Vorzeichen. Die kulturellen und künstlerischen Aspekte stehen im Kontext von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ im Mittelpunkt des Interesses, ohne dass die wichtigen Verknüpfungen mit anderen Politikfeldern damit negiert werden sollen. Für alle Fragen des kulturellen Austausches und der Interkultur gilt in besonderem Maße, dass es sich um einen Prozess handelt und nicht um einen zu konservierenden Zustand. Der Prozess des kulturellen Austausches vollzieht sich sowohl spontan und autonom als auch unter prägenden politischen bzw. kulturpolitischen Vorzeichen. Im zuletzt erwähnten Fall gewinnen die Fragen an Bedeutung, welcher Art die (gestaltenden) kulturpolitischen Vorzeichen sein sollen, wie angemessene Förderungen aussehen und welche Ausrichtungen eine kulturpolitische Programmatik haben sollten. Kulturpolitische Grundsätze Eine kulturpolitische Gestaltung kann auf mehreren Ebenen erfolgen. Unter einer Defizitperspektive rücken bei der kulturpolitischen Aufgabenwahrnehmung die nicht erreichten Ziele - gemessen an einem mehr oder weniger systematisch entwickelten Maßstab eines gedachten Standards - in den Mittelpunkt. Von dieser Perspektive sollte weitgehend Abstand genommen werden, weil sie lediglich einen Gesichtspunkt darstellt, der jedoch nicht der entscheidende ist. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass bereits die zweite und dritte Generation von ehemaligen Migranten/innen in Bremen lebt und arbeitet. Es sollte vielmehr eine Perspektive eingenommen werden, die aktuelle interkulturelle Prozesse in unserer Stadt wahrnimmt und darin einen produktiven Ausdruck städtischer Vitalität sieht. Daran knüpft sich die Frage an, wie man kulturpolitisch solche Prozesse stützen, fördern und mit einer qualitativen Perspektive versehen kann. Mögliche Antworten beziehen sich auf unterschiedlichen Handlungsebenen: 1) Interkulturelle Kunst-, Kultur-, Lern- und Kommunikationsprozesse - bei einem deutlich erweiterten Verständnis des Kanons (z.B. Straßenkunst) - sollen ermöglicht und gefördert werden. 2) Als Akteure stehen sowohl die Künstler/innen als auch die kulturelle Selbsttätigkeit der Bevölkerung (hier speziell der Menschen mit Migrationshintergrund) im Mittelpunkt, was uns als Arbeitnehmerkammer besonders wichtig ist. 3) Die Integration sowohl der Künstler/innen mit Migrationshintergrund als auch des zum Teil anderen Kunstverständnisses dieser Menschen und Gruppen in die Regularien und Zielvorstellungen der kulturpolitischen Förderstrategien muss systematisch fortgesetzt und verbessert werden. 4) Das eigene Verständnis von Kunst im kulturpolitischen Kontext (akzeptierte, nicht akzeptierte und noch nicht akzeptierte Kunstsprachen) und das Selbstverständnis der Kultureinrichtungen sollten unter interkulturellen Gesichtspunkten befragt und gegebenenfalls verändert werden. Dies kann sich zum Beispiel auf Themen oder auf die Präsentation und Ansprache beziehen, die die multikulturelle Realität in unserer Stadt positiv aufgreifen. Wichtig in diesem Zusammenhang wäre es, zum Beispiel gezielt Spuren und Traditionslinien anderer Kulturen in der so genannten eigenen Kultur aufzuzeigen. Auch dieser Gesichtspunkt ist uns als Arbeitnehmerkammer besonders wichtig, weil wir oft erleben, dass sich unsere Mitglieder mit Migrationshintergrund schwer tun mit den so genannten hochkulturellen Einrichtungen. 5) Auf diesen Wegen können kulturelle Partizipation kulturpolitisch angestrebt und die Voraussetzungen zur Teilhabe geschaffen werden. Soziale, gesellschaftliche, rechtliche oder andere Barrieren müssen begleitend abgebaut werden, eine Aufgabe, die jedoch in weiten Teilen deutlich über den Kulturbereich im engeren Sinne hinausweist. Dennoch kann etwas getan werden mit Blick auf Preisgestaltungen, zielgruppenspezifische Ansprachen und Marketing. Bereits bei dem letzten Punkt wird angedeutet, dass die Gestaltung von Interkulturalität eindeutig auch ressortübergreifend zu verstehen ist. Die Kulturpolitik sollte in erster Linie dort Allianzen anstreben, wo Synergieeffekte zu erwarten sind (z.B. Bildung oder Spracherwerb). Dies kann sich auf den kulturpolitischen Feldern des Förderns, der Infrastruktur, der Ordnungspolitik und des Diskurses ergeben. Interkulturalität will den Dialog zwischen den Kulturen und Künsten und muss somit auch die kulturelle Differenz immer miteinschließen, den neugierigen Blick auf das Andere immer wieder neu ausrichten, das Fremde in seiner „reinen Form“ zulassen und den gegenseitigen Respekt betonen. Öffentlichkeit und Diskurs spielen sich zum einen auf den künstlerischen und kulturellen Ebene zum anderen auf den politischen, werteorientierten, ethnischen, religiösen usw. Ebenen ab. In diese Diskurse sollte auch die Kulturpolitik eingreifen, indem sie ein Forum für Informationen und Debatten zur Verfügung stellt. Konsequenzen für das Programm „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ Vor diesem allgemeinen Hintergrund soll speziell auf die Frage eingegangen werden, wie die Zukunft von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ aussehen könnte. In den Mittelpunkt sollte die Zielvorstellung rücken, die interkulturellen Prozesse in unserer Stadt zu fördern, mit qualitativen Perspektiven zu versehen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Schwerpunkt sollte deutlich auf der Kunstproduktion mit einem erweiterten Kunstbegriff, der wie selbstverständlich Filmkunst oder Straßenkunst einbezieht, und einem breiten Qualitätsspektrum liegen. Dabei sollte ein besonderer Akzent auf Jugendliche und die dritte Generation gelegt werden, die interkulturelle Praxen ausüben und bestimmte Spartenaffinitäten (Neue Medien, (Welt)Musik, Straßenkunst, soziokulturelle Projekte usw.) entwickeln oder bereits entwickelt haben. Die Migranten/innen aus den Anwerbeländern und den nicht europäischen Kulturkreisen würden als Produzenten/innen von Interkultur im Mittelpunkt stehen. Als Rezipienten und Rezipientinnen werden sowohl diese Gruppen mit ihren zum Teil abweichenden Rezeptionsgewohnheiten als auch die gesamte bremische Bevölkerung angesprochen. An dieser Stelle muss insbesondere die notwendige und angepasste Vermittlungsarbeit geleistet werden. Mit dieser Schwerpunktsetzung ist auch ein Perspektivwechsel verbunden, der das Individuum in den Mittelpunkt rückt und nicht vorrangig die Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit ethnischen Merkmalen oder bestimmten Defiziten. Das individuelle Potenzial wird gesucht, entdeckt und gefördert. Um dies erfolgreich umsetzen zu können, müssen die geschlechtlichen, kulturellen oder sozialen Voraussetzungen und möglicherweise auch Barrieren mitbedacht und auf diese offensiv eingegangen werden (zielgruppenspezifische Ansprache, interkulturell geöffnete Regularien, spezielle kulturelle Qualitäten, spezifische Kommunikations- und Rezeptionsweisen usw.). Es würden also alle künstlerischen Ausdrucksformen, Projekte usw. im Mittelpunkt stehen, die insbesondere von der dritten Generation (im Alltag oder in bestimmten Kunst/Kulturkontexten) hervorgebracht werden – zum Teil auch jenseits der klassischen Sparten- und Kunstvorstellungen (Graffiti, Straßenkunst z. B.). Eine eigene Kultur zu bilden und eine kulturelle Integration der eignen Art zu betreiben, ist als ein Potenzial anzuerkennen, das es nachdrücklich zu stärken und für eine größere Öffentlichkeit sichtbar zu machen gilt. Dabei ist es von nicht unerheblicher Bedeutung, die traditionellen Ressortgrenzen zu überschreiten und nach Möglichkeiten zu suchen, unter künstlerischen bzw. kulturellen Vorzeichen auch in anderen Bereichen im positiven Sinne zu intervenieren (einige Beispiele dazu sind im Anhang knapp beschrieben). Damit würde kulturelle Integration nicht mehr ausschließlich als ein Prozess des Heranführens an einen, wie auch immer definierten, Kanon anerkannter Kunst und Kultur interpretiert werden. Vielmehr würden die Potenziale der Selbstaneignung von Kunst und Kultur gestärkt, das Spektrum kultureller Integration erweitert und im gewissen Sinne der allgemeinen Entwicklung auf diesem Gebiet angepasst (Neue Medien, Graffiti etc.) werden. Die rezeptive Teilhabe am kulturellen Leben der Stadt würde mit der eigenen Produktivität verknüpft werden (kein reiner Defizitblick mehr). Kulturelle Integration würde somit anders interpretiert werden: Menschen mit Migrationshintergrund stehen als Subjekte im Mittelpunkt und die Ermöglichung von interkulturellen Produktionsprozessen und nicht das Einkaufen von fertigen Produktionen wäre der Schwerpunkt von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“. Dieser Ansatz versteht sich nicht als eine Strategie, die sich darauf beschränkt, lediglich bereits Vorhandenes aufzugreifen, abzubilden und zu reproduziert. Die Entfaltung von Qualitäten und die Förderung von Entwicklungsprozessen spielen eine entscheidende Rolle, wobei man sich von dem ausschließlich vertikalen Blick befreien muss, der eine gelungene Teilhabe oder Integration nur dann erkennt, wenn der Weg von der SazFolklore zu Wagners Hügel von Bayreuth führt. Allerdings sind auch bestimmte sozialkulturelle Zuschreibungsschablonen zu überwinden, die zum Beispiel vorgeben, dass nur im Hip-Hop die naturwüchsig gegebene und auf Perspektive auch zuzuschreibende Ausdrucksform von sozial Degradierten zu sehen sei. Die Förderung interkultureller Prozesse soll gerade das Überschreiten von Grenzen, den Transit zwischen den Kulturen und die Verbindung der eigenen kulturellen Wurzeln mit neuen Impulsen aus anderen Kulturen zu etwas Neuem stärken. Es wird dabei auch zu Entdeckungen neuer künstlerischen Qualitäten kommen, die dann nach und nach auch von der offiziell anerkannten Kultur akzeptiert werden – zuletzt ist dies zum Beispiel mit der Graffitikunst geschehen. Bestimmte Impulse in diese Richtung können zum Beispiel dadurch gegeben werden, dass man Künstler/innen aus anderen Städten einlädt, um hier in Bremen Projekte (möglichst in Verbindung mit der Szene vor Ort) zu realisieren. Vor Ort bezieht sich in diesem Zusammenhang zunächst auf die Stadt Bremen, dann auf die Metropolregion und auf den deutschen bzw. europäischen Nord-Nordwesten. Das Programm soll ganz bewusst über die Stadtgrenzen hinaus weisen und umgekehrt den Blick von außen in die Stadt holen. Dies setzt eine intensive Vernetzung innerhalb der Metropolregion voraus. Damit würde sich „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ einerseits konzentrieren (Interkultur der 3. Generation/Jugend) und andererseits den Lokalbezug um eine zielgerichtete regionale Perspektive erweitern. Ein solches Konzept benötigt jedoch unbedingt markante Signale, die eine weitreichende Ausstrahlung in die Öffentlichkeit haben. Es ist deswegen nicht alternativ, sondern komplementär zu verstehen, dass in einem zum Beispiel zweijährigen Rhythmus Großereignisse geschaffen werden sollten. Diese müssen sich jedoch dadurch auszeichnen, dass sie nicht einen bunten Strauß der großen Namen präsentieren, sondern einem Motto, einem Schwerpunkt unterstellt sind. In diesem Kontext ist die regionale Perspektive (deutscher und europäischer Nord-Nordwesten) von großer Bedeutung, die sich zum Beispiel in der gemeinsamen Finanzierung des regelmäßig in wechselnden Städten der Metropolregion stattfindenden Festivals manifestieren könnte. Somit bietet sich neben der Projektförderung mit öffentlichem Abschluss (Schwerpunkt) auch die Durchführung von Veranstaltungen bzw. ein Festival an, wobei die Traditionspflege an dieser Stelle nur noch eine untergeordnete Rolle spielen sollte. Die Kunst- und Kulturförderung im Projektbereich sollte zwei Bewegungsrichtungen aufweisen, die miteinander vernetzt sind. Neben der skizzierten Vorgehensweise im Rahmen der Plattform „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ sollte es auch verbesserte interkulturelle Öffnungen der traditionellen Künstlerförderung geben. Dazu wäre es eventuell erforderlich, zum einen die Regularien für solche Förderungen, ihre Themenund Formenausrichtung usw. unter interkulturellen Vorzeichen zu modernisieren. Zum anderen müssten auch die Kultureinrichtungen, die nicht unmittelbar die Kunstproduktion fördern (Museen, Bibliotheken, Kommunalkino usw.) oder die Träger von kultureller Bildung sind, einen ähnlichen Modernisierungsprozess durchlaufen. Aus dieser doppelten Vorgehensweise würde sich die Möglichkeit eröffnen, mit den vorhandenen (finanziellen) Mitteln ein breiteres Spektrum zu erreichen. Wenn sich „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ in diesem Sinne als Ermöglicher von Projekten versteht, dann müssen alle Maßnahmen, Angebote usw. kontextuell in die entsprechenden Lebenswelten, Rezeptionsgewohnheiten usw. eingebunden sein. Damit rücken auch andere Orte als die klassischen Kulturorte in den Fokus. Manche Kunstformen spielen sich auf öffentlichen Plätzen, in den Straßen und an den Häuserwänden ab oder finden in Einrichtungen statt, die nicht unmittelbar mit Kunst verbunden werden. „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ verstand sich immer auch als ein Forum der gesellschaftspolitischen Diskussion – dies sollte beibehalten werden. Die Themen sollten sich entweder aus den aktuell laufenden interkulturellen Prozessen ableiten und Fragen diskutieren, wie zum Beispiel „warum sind Rap/Hip-Hop das Ausdrucksmittel?“ oder „Abgrenzung gleich Intoleranz?“. Entscheidend wäre die Nähe zu kulturpolitischen Fragen und Problemen des interkulturellen Agierens (erweiterter Kulturbegriff). Ein zweiter Schwerpunkt sollte darauf liegen, insbesondere Reformdebatten oder entwicklungen in den jeweiligen Herkunftsländern in Bremen auf der Informationsseite zugänglich zu machen, wie zum Beispiel die Diskussion über politische Partizipation und wirtschaftliche Aufstiegschancen von Frauen in der arabischen Welt. In die (politische) Gestaltung dieser Kunst- und Kulturförderung müssen auch die Migranten/innen aktiv einbezogen werden (als Jurymitglieder z.B.). Migranten/innen sollten als Mit-Entscheider/innen eine Rolle spielen. Wenn dies nicht unmittelbar möglich ist, sollte zumindest dafür gesorgt werden, dass die vorhandenen interkulturellen Kompetenzen erschlossen werden. Dafür könnten verschiedene Instrumente eingesetzt werden: „(Inter)Kulturscouts“ (vergl. Tjeu Strous –Leiter der Abt. Kulturpolitik- der Kulturstiftung Rotterdam, in KuPoGe Mitteilungen Nr. 102, III/2003) könnten speziell aus den Stadtteilen kommen, in denen viele Kulturen aufeinandertreffen, um Talente und Kultur/Kunstpraxen anderer Kulturen aufzuspüren und gleichzeitig Programme der etablierten Kultureinrichtungen in die unterprivilegierten Stadtteile zu bringen. In der Gesamtheit der Kulturaktivitäten unterscheiden sich die verschiedenen Gruppen nicht unbedingt. Allerdings werden die Schwerpunkte zum Beispiel auf die Musik außerhalb des offiziellen Hochkulturkanons oder auf das Kino gelegt. Hinsichtlich der Scouts könnte man sich zum Beispiel auf die lokalen Kulturzentren und –initiativen stützen. Ferner muss ein Netz aufgebaut werden, das nicht nur Bremen sondern auch die anderen Städte der Metropolregion erfasst. Lokale Kulturzentren sind die Quintessenz für bürgernahen interkulturellen Austausch, weniger die zentralen Großkultureinrichtungen. Die Kulturzentren sind oft auch interkulturelle Kompetenzzentren. „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ sollte zukünftig die enge Kooperation mit diesen Kulturzentren suchen und darauf achten, dass möglichst viele Menschen mit Migrationshintergrund direkt beteiligt sind. Organisatorische Konsequenzen Die Veranstalter und Finanziers von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ bilden gewissermaßen einen „Stiftungsrat“, der die Leitlinien festlegt, über Trägerschaften hinsichtlich der Programmdurchführung entscheidet, die Projektthemen beschließt und die Programmdurchführung kontrolliert und evaluiert. Die letztendliche Verantwortung bleibt jedoch beim Kulturressort, wie dies auch bisher der Fall war. In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, inwieweit man die Kompetenz der Hochschulen bzw. Universitäten einbezieht. Die Trägerschaften werden zusammen mit inhaltlichen Festlegungen alle zwei Jahre ausgeschrieben. Als Träger kommen nur diejenigen Einrichtungen in Frage, die über interkulturelle Erfahrungen verfügen. Es muss zumindest eine personelle Hauptverantwortlichkeit existieren, die möglichst aus der interkulturellen Szene kommen sollte. Trägerschaften für die Umsetzung der Programmplattform „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ erscheinen mir notwendig zu sein, weil ich es gegenwärtig für unrealistisch halte, dass das Ressort das Management der Veranstaltungen und Projekte übernehmen kann. Es wird ein Programmbeirat gebildet (Vertreter/innen des Stiftungsrates sind geborene Mitglieder), der zugleich einen Teil der Arbeit der angesprochenen „Kulturscouts“ erledigt. Qualifizierte Migranten/innen müssen Mitentscheider und Mitproduzenten sein. Die Trägerschaft durch ein Kulturzentrum und der Beirat sollen die zukünftig fehlende Kompetenz (Sadia Ghelala) in wesentlichen Teilen kompensieren. Es ist zu überlegen, ob die Projektförderung im Bereich der Ausländerkultur ebenfalls Teil von „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ werden soll. Der kulturpolitische Transfer ins Ressort hinein muss gewährleistet sein, damit das Programm „Bremen – Stadt der vielen Kulturen“ kulturpolitisch eingebettet bzw. komplettiert wird. Thomas Frey Arbeitnehmerkammer Bremen 29.10.2009 Anhang Einige und sicherlich noch nicht ganz ausgegorene Projekt-Ideen, die sich auf der Grenze zwischen Kunst und Soziokultur bewegen und einen starken Bezug zur Stadtentwicklung haben. Deswegen sollten sie wirklich nur sehr beispielhaft verstanden werden und nicht als typisch: Es gibt in Bremen und seinen Stadtteilen eine Anzahl von formellen und informellen Räumen und Plätzen, die Orte der interkulturellen Begegnung und manchmal auch des Austausches sind (in Gröpelingen z.B. vor der Stadtbibliothek). Solche Orte sind solche, die sich zumindest faktisch als förderliche für den Kontakt erwiesen haben, während andere Orte oft viele Barrieren oder gar Ausgrenzungseigenschaften haben. Kultur kann diesen positiven Ansatz aufgreifen und durch ein Projekt, das Vorhandenes aufnimmt, mit den Akteuren kooperiert und daraus eine neue Qualität künstlerischer Intervention erarbeitet. An dieser Stelle bietet es sich an, u.a. mit dem Senator für Bau und Stadtentwicklung zu kooperieren, der sich ebenfalls Gedanken über „Vitale Quartiere“ und „Integration“ macht. Es wäre jedoch auch denkbar, den umgekehrten Weg zu gehen und gerade solche Orte interkulturell zu besetzen, die sich bisher als nicht besonders „kontaktfreudig“ erwiesen haben. „Klang-Bild von Bremen“ könnte zum Beispiel ein Projekt sein, das durch das Verwenden von Aufnahmen von Musik und Klängen aus den jeweiligen Stadtteilen ein Klangbild-Atlas Bremens erstellt. Dabei können klanglich die Herkünfte thematisiert werden, die aktuellen Kulturen klanglich abgebildet, aber auch eine Vision eines miteinander kommunizierenden interkulturellen Klangbildes der Zukunft entstehen. Das Projekt kann im Internet verfolgt und gehört werden. Diese Klangbilder werden in einer geeigneten Aufführungsform in den jeweils anderen Stadtteilen vorgestellt. Gearbeitet wird dabei mit Musikern/innen aus den Stadtteilen. „Probe-Leben in Bremens Stadtteilen“ – dahinter verbirgt sich die Idee, dass Künstler/innen aus einem anderen Stadtteil oder von außerhalb Bremens eingeladen werden, um in einer leer stehenden Wohnung, in einem leer stehenden Haus oder auf einer Brache im Stadtteil zur Probe künstlerisch Fuß zu fassen und ein Projekt zu realisieren. Dabei wäre es schön, wenn der/die Künstler/in einen Migrationshintergrund hätte und den Schwerpunkt auf den interkulturellen Aspekt legt.