Therapie der chronischen Herzinsuffizienz

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2000
39. BAYERISCHER
INTERNISTEN-KONGRESS
© 2001 W. Zuckschwerdt Verlag München
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Therapie der chronischen Herzinsuffizienz
Angiotensin-II-Rezeptorblocker, Aldosteron-Rezeptorantagonisten,
Vasopeptidase-Inhibitoren
Günter Riegger
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universität Regensburg
Angiotensinkonversion-Enzymhemmer,
Betablocker, Diuretika und Herzglykoside stellen die Standardtherapie der chronischen Herzinsuffizienz dar. Im folgenden möchte ich neuere Therapieprinzipien darstellen und diskutieren, die in das
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
eingreifen und zusätzlich neue Möglichkeiten eröffnen, in der Herzinsuffizienz
protektiv wirksame Systeme wie die
natriutischen Peptide in ihrer Wirkung zu
verstärken.
Angiotensin-II-Rezeptorblocker
Die Anwendung von ACE-Hemmern bei
Patienten mit Herzinsuffizienz ist bei
manchen Patienten problematisch, da
Nebenwirkungen wie chronischer Husten auftreten und damit eine Dauertherapie unmöglich wird. Die Blockade des
Renin-Angiotensin-Systems ist durch
ACE-Hemmer nicht komplett, indem
Angiotensin II durch ACE im Gewebe als
auch durch Enzyme wie Chymasen generiert werden kann, was möglicherweise
eine Wirkungsminderung bedingt. Da
Angiotensin-II-Antagonisten direkt den
AT1-Rezeptor von Angiotensin II inhibieren, könnten diese Medikamente effizienter in der Blockade des Renin-Systems sein.
Durch Blockierung des AT1-Rezeptors
an den juxtaglomerulären Zellen der
Niere kommt es zu einem Wegfall der
hemmenden Wirkung von Angiotensin II
auf die Reninsekretion, woraus eine
erheblich gesteigerte Produktion von
Angiotensin II resultiert. Die erhöhten
Angiotensin-II-Spiegel, deren Wirkung
auf den AT1-Rezeptor, was Natriumretention,Vasokonstriktion,proliferative
Effekte etc. betrifft, medikamentös blockiert ist, können jedoch den AT2-Rezeptor stimulieren, mit den möglicherweise
günstigen Effekten einer antiproliferativen und vasodilatatorischen Wirkung.
In einer Pilotstudie, der ELITE-Studie
(3), fand sich bei 722 Patienten mit mittelschwerer Herzinsuffizienz im Vergleich zwischen dem Angiotensin-II-Rezeptorinhibitor Losartan (50 mg/d) und
dem ACE-Hemmer Captopril (3 × 50
mg/d) kein Unterschied in der Nierenfunktion,jedoch eine Reduktion des Risikos eines plötzlichen Herztodes in der
Losartan-Gruppe von 46%.
Ausgehend von dieser Studie wurde die
ELITE-II-Studie durchgeführt (5),deren
Ergebnisse im Mai dieses Jahres publiziert wurden. In diese Studie, deren primärer Endpunkt die Gesamtmortalität
war, wurden 3152 Patienten im Stadium
II–IV der Herzinsuffizienz mit einer
Ejektionsfraktion von unter 40% eingeschlossen. Das mittlere Alter der Patienten betrug 71,4 Jahre, die mittlere Ejektionsfraktion 31%. Die Studienmedikation war identisch zur ELITE-Studie, das
Follow-up betrug 555 Tage.
Im Gegensatz zur Pilotstudie fand sich
keine Überlegenheit von Losartan im
Vergleich zu Captopril, wobei keine signifikanten Differenzen bei der Gesamtmortalität, der Inzidenz des plötzlichen
Herztodes oder der Notwendigkeit einer
Reanimation zwischen beiden Gruppen
zu verifizieren waren.Auffallend war,wie
erwartet, dass in der Losartan-Gruppe
signifikant weniger Nebenwirkungen,
insbesondere was chronischen Husten
betrifft, auftraten.
Die Schlüsse,die sich aus dieser Studie,insbesondere im Hinblick auf die hervorragenden Daten der ACE-Hemmertherapie
aus Studien wie CONSENSUS (2) und
SOLVD (7) ergeben,sind,dass ACE-Hemmer weiterhin als initiale Basistherapie bei
chronischer Herzinsuffizienz zu gelten haben, dass jedoch AT1-Rezeptorblocker
bei Intoleranz von ACE-Hemmern eine
wirksame Alternative darstellen.
Aldosteron-Rezeptorantagonisten
Aldosteron spielt eine bedeutende Rolle
in der Pathophysiologie der Herzinsuffizienz, indem es die Natrium- und Wasserretention begünstigt, es zu vermehrten
renalen Verlusten von Magnesium und
Kalium führt, die sympathische Aktivität
verstärkt, den Parasympathikus inhibiert
und wesentlich zur myokardialen vaskulären und interstitiellen Fibrose beiträgt.
Aldosteron wirkt sich außerdem ungünstig auf die Baro-Rezeptorfunktion und
die Compliance des arteriellen Blutgefäßsystem aus.Aus großen Studien ist bekannt, dass durch die alleinige Gabe von
ACE-Inhibitoren nur eine transiente
Suppression der Produktion von Aldosteron möglich ist und dass die AldosteronPlasmaspiegel nach einigen Monaten
wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren (1).
Ausgehend von den oben dargelegten
pathophysiologischen
Überlegungen
wurde die RALES-Studie durchgeführt,
bei der 1663 Patienten mit chronischer
Herzinsuffizienz im Stadium III und IV
eingeschlossen wurden. Alle Patienten
waren behandelt mit einem ACE-Inhibitor, einem Schleifendiuretikum und in
den meisten Fällen mit Herzglykosiden.
Ausschlusskriterium war ein Serumkreatinin >2,5 mg/dl und eine Serumkaliumkonzentration über 5,0 mmol/l. 70% der
Patienten befanden sich im NYHA-Stadium III, 30% im Stadium IV, die mittlere Ejektionsfraktion betrug 25% (4). Die
Hälfte der Patienten erhielt 25 mg Spironolacton/Tag, die andere Hälfte Placebo.
Die Studie, die ursprünglich über drei
Jahre konzipiert war, wurde nach zwei
Jahren abgebrochen, da sich eine hochsignifikante 30%-ige Reduktion des Risikos, was die Gesamtmortalität betrifft
nachweisen ließ, wobei sowohl die Mortalität bedingt durch chronisches Pumpversagen als auch bedingt durch plötzli-
2
chen Herztod günstig beeinflusst wurde.
Die Häufigkeit einer Hospitalisierung
wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz nahm in der Spironolacton-Gruppe
um 35% ab, ebenso zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Symptome der
Patienten im Rahmen der Klassifikation
der New York Heart Association.
Bedeutsame Fälle von Hyperkaliämie
ereigneten sich in zehn Patienten in der
Placebo-Gruppe und bei 14 Patienten in
der Spironolacton-Gruppe, ein Abbruch
der Behandlung hierdurch war bei einem
Patienten in der Placebo-Gruppe und bei
drei Patienten in der SpironolactonGruppe notwendig. Wie erwartet fand
sich eine erhöhte Inzidenz einer Gynäkomastie oder von Brustschmerzen bei
Männern in der Spironolacton-Gruppe
(10%) im Vergleich zu Männern in der
Placebo-Gruppe (1%).
Die RALES-Studie zeigt eindeutig, dass
Patienten mit relativ schwerer Herzinsuffizienz im Stadium III und IV von einer
zusätzlichen niedrig dosierten Therapie
mit Spironolacton in Ergänzung zur Standardtherapie profitieren und dass hierdurch eine hochsignifikante und effiziente Reduktion des Risikos, was Mortalität
und Morbidität betrifft, möglich ist. Unter Einbeziehung der Ausschlusskriterien und regelmäßiger Kontrolle der Nierenfunktion und der Serumelektrolyte ist
diese Therapie sicher und von wenig
Nebenwirkungen begleitet.
Vasopeptidase-Inhibitoren
Bei der chronischen Herzinsuffizienz
spielen nicht nur vasokonstriktorisch
wirksame neurohurmonale Systeme eine
bedeutende Rolle, sondern auch gegenregulatorisch wirksame Mechanismen
wie natriuretische Peptide, Stickstoffmonoxyd und Prostaglandine. Natriuretische Peptide werden in den Vorhöfen
des Herzens (ANP), im Myokard (BNP)
und im Endothel der Blutgefäße (CNP)
gebildet. Natriuretische Peptide wirken
vasodilatatorisch, natriuretisch und diuretisch, hemmen zentral den Sympaticus,
wirken antiproliferativ, reduzieren den
venösen Rückfluss zum Herzen und hemmen direkt die Renin- und Aldosteronsekretion.Natriuretische Peptide werden
inaktiviert durch neutrale Endopeptidasen (NEP),welche sich vorwiegend in der
Niere befinden.
Seit neuestem sind Medikamente verfügbar, welche die NEP hemmen und damit
die Wirkung naturetischer Peptide verstärken.
Vasopeptidase-Inhibitoren sind Medikamente,welche in einem Molekül die Konversion von Angiotensin I zu Angiotensin II blockieren (ACE-Inhibition) und
gleichzeitig den Abbau von natriuretischen Peptiden vermindern (NEP-Inhibition). Die erste Substanz dieser neuen
Klasse von Medikamenten ist Omapatrilat mit einer gleichstarken hemmenden
Wirkung auf NEP- und ACE-Aktivität.
Die erste Studie bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz,die die Wirkung
einer Vasopeptidase-Inhibition (Omapatrilat) im Vergleich zur ACE-Hemmung
(Lisinopril) untersuchte, ist die ImpressStudie, deren Ergebnisse im August d. J.
publiziert wurden (6). In die Studie wurden 573 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz im Schweregrad II–IV eingeschlossen, mit einer Ejektionsfraktion
unter 40%. Die eine Hälfte der Patienten
erhielt eine Dosis von 40 mg Omapatrilat/Tag, die andere Hälfte 20 mg Lisinopril/Tag über 24 Wochen. Der primäre
Endpunkt der Studie war die maximale
Belastungstoleranz nach 12 Wochen.Was
die maximale Belastbarkeit der Patienten betrifft, so fand sich zwischen beiden
Gruppen kein signifikanter Unterschied.
Es fand sich zu Gunsten des Omapatrilats ein Trend einer Verminderung des
Risikos auf den kombinierten Endpunkt
Gesamtmortalität oder der Notwendigkeit einer Klinikeinweisung bei Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Ein
signifikanter Benefit ließ sich für Omapatrilat im Vergleich zu Lisinopril nachweisen bei Kombinierung von drei Endpunkten wie Gesamtmortalität, Hospitalisierungsrate oder Beendigung der Studienmedikation wegen Verschlechterung der
Herzinsuffizienz. Omapatrilat führte zu
einer signifikanten Verbesserung der
NYHA-Klassifikation im Vergleich zu
Lisinopril bei Patienten mit schwerer
Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse III und
IV).
Somit liegt mit den jetzt zur Verfügung
stehenden Vasopeptidase-Inhibitoren
und hier speziell Omapatrilat eine interessante neue Substanz vor, deren Nutzen jedoch mit den bisher vorliegenden
Daten nicht eindeutig abzuschätzen ist.
Hierzu läuft zur Zeit eine groß angelegte kontrollierte Studie mit dem primären
Endpunkt der Gesamtmortalität bei 4420
Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, die im Jahr 2002 beendet sein wird
(OVERTURE-Studie).
Insgesamt gesehen stehen uns mit den
drei hier diskutierten pharmakologischen Interventionsmöglichkeiten bei
chronischer Herzinsuffizienz neue Möglichkeiten zur Verfügung.Was die Angiotensin-II-Rezeptorinhibitoren betrifft, so
sind diese wirksame Alternativen zu den
ACE-Hemmern, falls diese vom Patienten nicht toleriert werden können. Bei
Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz
ist die zusätzliche Therapie mit niedrig
dosiertem Spironolacton, bei Berücksichtigung der Nierenfunktion und Elektrolytbilanz von außerordentlichem Nutzen, was Morbidität und Mortalität betrifft. Die neuen Substanzen, die gleichzeitig NEP und ACE inhibieren (Vasopeptidase-Inhibitoren) lassen günstige
Effekte bei der Therapie der chronischen
Herzinsuffizienz vermuten, ihr Stellenwert wird jedoch erst nach Abschluss der
jetzt laufenden OVERTURE-Studie
endgültig zu beurteilen sein.
Literatur
1.
2.
3.
4.
5.
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sion of vasopeptidase inhibitor, omapatrilat,and lisinopril on exercise tolerance and
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IMPRESS randomised trial. Lancet 2000;
356: 612-620
The SOLVD Investigators.Effects of enal-
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left ventricular ejection fraction and congestive heart failure. N Engl J Med 1991;
325: 293-302
Anschrift des Verfassers_
Prof. Dr. med. G. Riegger
Klinik und Poliklinik
für Innere Medizin II
Universität Regensburg
93041 Regensburg
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