Schwenkbewegung und Unwucht

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Schwenkbewegung und Unwucht - SystemPhysik
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Schwenkbewegung und Unwucht
Aus SystemPhysik
Ein Körper bewegt sich, sobald sein Impulsinhalt ungleich Null ist. Analog dazu verursacht der
Drehimpuls eine Rotation. Die Rotation eines starren Körpers unterscheidet sich aber in zwei
wesentlichen Punkten von der Translation
1. der Zusammenhang zwischen Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit wird durch einen
Tensor vermittelt
2. die Drehungen bilden nur eine Gruppe und somit keinen Vektorraum wie die Verschiebungen
Nachfolgend wird zuerst ein kurzer Überblick über die Mechanik des starren Körpers gegeben.
Danach wenden wir uns der Schwenkbewegung eines Rotors zu. Im letzten Teil werden statische
und dynamische Unwucht erklärt.
Inhaltsverzeichnis
1 Lernziele
2 starrer Körper
2.1 Grundgesetze
2.2 Energie
2.3 Hauptachsen
2.4 Nutation
3 konstante Bewegungsenergie
3.1 Kreisbewegung
3.2 Schwenkbewegung
3.3 Präzession
4 Unwucht
4.1 statische Unwucht
4.2 dynamische Unwucht
5 Kontrollfragen
6 Antworten zu den Kontrollfragen
Lernziele
In dieser Vorlesung lernen Sie
wie die Mechanik des starren Körpers strukturiert ist
worin sich die Mechanik der Rotation von der Mechanik der Translation unterscheidet
wie die Energiebilanz bezüglich eines starren Körpers formuliert wird
was man unter der Hauptachse eines starren Körpers versteht
was eine Nutation ist
wie das Drehmoment bei der Schwenkbewegung eines Kreisels mit der zugehörigen
Winkelgeschwindigkeit und dem Drehimpuls zusammenhängt
wie die Präzessionsbewegung zustande kommt
was der Unterschied zwischen statischer und dynamischer Unwucht ist
wie man die Belastung der Lager bei einer Unwucht berechnet
starrer Körper
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Die Mechanik des starren Körpers ist eines der Kernthemen der Ingenieurwissenschaften. Jeder
Ingenieur sollte die dieser Mechanik zugrunde liegende Struktur im Prinzip verstehen. Deshalb
werden in diesem Abschnitt - aufbauend auf den umfassenden Prinzipien der Physik der
dynamischen Systeme - die Gesetze zur Mechanik des starren Körpers nochmals zusammengefasst.
Grundgesetze
Ein starrer speichert Impuls und Drehimpuls, wobei die Summe über die zugehörigen Strom- und
Quellenstärken die Änderungsraten des Inhalts festlegt. Die Stärken der Impulsströme bezüglich
eines ausgewählten Körpers nennt man Oberflächenkräfte, die Gewichtskraft bildet eine
Impulsquelle
Im Gegensatz zum Impuls ist der Drehimpuls nicht lokalisierbar, d.h. es gibt weder Dichten noch
Stromdichten. Dennoch kann man bezüglich ganzer Bauteile eine zur Impulsbilanz analoge
Drehimpulsbilanz formulieren
Reine Drehmomente (erster Term) entstehen durch die Einwirkung des elektromagnetischen Feldes,
durch verdrehte Wellen oder gebogene Balken. Solche Drehmomente lassen sich ersatzweise als
Kräftepaare darstellen. Weitere Drehmomente (zweiter Term) treten in Begleitung von Kräften auf.
Sobald die Wirklinie einer Kraft nicht durch den Massenmittelpunkt des Körpers geht, muss der
Kraft ein Drehmoment zugeordnet werden (Hebelgesetz). Der Betrag des zugeordneten
Drehmoments ist gleich Kraft mal Abstand des Massenmittelpunktes von der Wirklinie der Kraft.
Die Richtung des Drehmoments steht normal zu der Ebene, die von der Wirklinie und dem
Massenmittelpunkt aufgespannt wird. Die Zuordnung eines Drehmoments zu einem Kräftepaar bzw.
zu einer Kraft und dem Massenmittelpunkt beruht auf dem Umstand, dass ein seitwärts fliessender
Impulsstrom immer eine Drehimpulsquelle oder -senke induziert. Das einer Kraft zugeordneten
Drehmoment verhält sich analog zur Leistung dieser Kraft (zugeordneter Energiestrom)
die Leistung einer Kraft wird zur Prozessleistung, sobald der zugehörige Impulsstrom eine
Geschwindigkeitsdifferenz "durchfällt"
das einer Kraft zugeordnete Drehmoment wird zu einer Drehimpulsquelle, sobald der
zugehörige Impulsstrom quer zur Bezugsrichtung fliesst
Zu der Impulsbilanz gesellt sich das kapazitive Gesetz: der Impulsinhalt legt die Geschwindigkeit
des Massenmittelpunkts fest
Ein analoger, aber um einiges komplexerer Zusammenhang gilt zwischen Drehimpuls und
Winkelgeschwindigkeit
oder
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Das Massenträgheitsmoment J ist ein Tensor, kann also bezüglich des raumfesten
Koordinatensystems (Weltsystem) als 3x3-Matrize geschrieben werden.
Die momentane Position des Massenmittelpunktes ergibt sich aus der Geschwindigkeit durch eine
Integration über die Zeit
Die Orientierung des Körpers im Raum wird durch die orthonormale Drehmatrix R(t) beschrieben.
Diese Matrix transformiert die Komponenten eines Vektors vom Weltsystem in ein körperfestes
System. Die Drehmatrix, die drei frei wählbare Parameter besitzt, kann aus der
Winkelgeschwindigkeit durch eine Integration über die Zeit ermittelt werden. Um diese Integration
auszuführen, benutzt man entweder die Euler-Parametrisierung oder in jüngster Zeit vermehrt die
Quaternionen, eine Verallgemeinerung der komplexen Zahlen.
Zusammenfassung: Die drei grundlegenden Schritte zur Formulierung der Mechanik des starren
Körpers sind
1. Bilanz bezüglich Impuls und Drehimpuls aufstellen
2. mit Hilfe der Trägheit (träge Masse, Massenträgheitsmoment) Geschwindigkeit sowie
Winkelgeschwindigkeit berechnen
3. aus der Geschwindigkeit die Position des Massenmittelpunktes und aus der
Winkelgeschwindigkeit die Orientierung im Raum ermitteln.
Sie müssen die einzelnen Schritte nicht bis ins letzte Detail begreifen, sollten aber das ganze
Verfahren dem Prinzip nach verstehen.
Energie
Die Energiebilanz bezüglich des starren Körpers kann direkt aus der Impuls- und der
Drehimpulsbilanz abgeleitet werden. Man erhält dann folgende Vorschriften
1. jeder Kraft ist eine Leistung zuzuordnen
, wobei immer die
Geschwindigkeit des Kraftangriffspunktes (A) genommen werden muss
2. jedem nicht einer Kraft zugeordneten Drehmoment ist ebenfalls eine Leistung zuzuweisen
3. die Bewegungsenergie spaltet sich in eine kinetische Energie und eine Rotationsenergie
Nach diesen Klarstellungen kann die Energiebilanz bezüglich eines starren Körpers formuliert
werden
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Die Energiebilanz bringt hier keine zusätzlichen Informationen. Dennoch ist sie für das Verständnis
hilfreich. Werden mehrere starre Körper über Gelenke miteinander verbunden oder wird der Körper
durch eine Führung (Schiene, starre Achse) auf eine bestimmte Bahn gezwungen, lassen sich viele
Probleme mit Hilfe der Energie effizient formulieren und lösen.
Hauptachsen
Jeder starre Körper besitzt mindestens drei zueinander normal stehende Achsen (Hauptachsen),
bezüglich denen die Winkelgeschwindigkeit und der Drehimpuls in die gleiche Richtung zeigen
L = Jiω mit i =1, 2, 3
Die Hauptachsen-Trägheitsmomente werden oft der Grösse nach nummeriert J1 < J2 < J3. So
verläuft bei einem Ziegelstein die erste Achse parallel zur längsten und die dritte Achse parallel zur
kürzesten Kante. Schreibt man die kinetische Energie in Funktion des Drehimpulses, wird ein zur
Pirouette analoger Zusammenhang erkennbar
Je grösser das Massenträgheitsmoment, desto geringer die Energie bei gegebenem Drehimpuls.
Sind die Lage der Hauptachsen im Körper und die Grössen der drei zugehörigen Trägheitsmomente
bekannt, lassen sich die neun Komponenten des Trägheits-Tensors für eine beliebige Ausrichtung
mittels einer Transformation bestimmen. Dazu führt man ein körperfestes Koordinatensystem ein,
dessen Achsen nach den Hauptachsen ausgerichtet sind. Die Rotationsmatrix R(t), die aus der
Winkelgeschwindigkeit zu berechnen ist, transformiert das Weltsystem in das körpereigene System.
Für das Massenträgheitsmoment gilt dann
Man beachte, dass die inverse Drehmatrix durch Transposition gebildet werden kann. Sobald die
aktuelle Darstellung des Massenträgheitsmoments bezüglich des Weltsystems bekannt ist, kann aus
dem Drehimpulsinhalt die Winkelgeschwindigkeit gerechnet werden.
Nutation
Rotiert ein Körper um die Achse mit dem grössten Massenträgheitsmoment, ist seine
Rotationsenergie bei gegebenen Drehimpuls minimal. Bei einer Rotation um die Achse mit dem
kleinsten Trägheitsmoment wird die Energie maximal. Lässt man nun einen im Schwerpunkt drehbar
gelagerten Körper frei rotieren (ohne Einwirkung von Kräften und Drehmomenten), ist die Rotation
um die Hauptachsen mit dem kleinsten und grössten Trägheitsmoment stabil, weil es nur je eine
Winkelgeschwindigkeit gibt, bei welcher Drehimpuls und Energie den gegebenen Wert annehmen
können. Versetzt man den Körper um eine andere Achse in Rotation, überstreicht die Drehachse bei
konstantem Drehimpuls und fester Rotationsenergie einen Kegel. Das Herumwirbeln der Drehachse
bei konstantem Drehimpuls nennt man Nutation. Eine Nutation setzt auch ein, falls man die Rotation
bei der mittleren Hauptachse beginnt. Die Rotation um die mittlere Hauptachse ist demnach instabil.
Die Erkenntnis, dass ein starrer Körper um mindestens zwei Achsen (bei Symmetrien können es
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mehr sein) stabil rotieren kann, geht auf Leonhard Euler zurück und ist somit mindestens 200 Jahre
alt. Deshalb waren die Ingenieure bei der NASA äusserst erstaunt, als ihr erster Satellit, Explorer 1,
schon nach kurzer Zeit ins Trudeln kam und schlussendlich quer zur Symmetrieachse rotierte. Nach
dem Start wurde der Satellit um seine Längsachse, also um die Achse mit dem kleinsten
Massenträgheitsmoment in Rotation versetzt. In diesem Zustand ist die Rotationsenergie bei
gegebenem Drehimpuls maximal. Weil die flexiblen Antennen danach durch Schwingungen Energie
dissipierten, ging der Satellit in den Zustand kleinster Rotationsenergie über. Und das ist bei
gegebenem Drehimpuls eine Achse mit dem maximalen Massenträgheitsmoment, also eine Achse
quer zur Längsrichtung des Satelliten.
konstante Bewegungsenergie
Wirkt eine Kraft normal zur Geschwindigkeit auf einen Körper ein, ändert sich sein Impuls, nicht
aber seine Energie. Es findet keine Energieaustausch statt, weil die Leistung der Kraft gleich Null ist.
Analog verhält es sich mit einem normal zur Winkelgeschwindigkeit stehenden Drehmoment.
Kreisbewegung
Eine gleichmässige Kreisbewegung erfordert eine Kraft, die normal
zur Geschwindigkeit steht und gegen das Kreiszentrum zeigt. Der
Betrag diese Normalkraft, die auch Zentripetalkraft heisst, ist
proportional zum Produkt aus dem Betrag von Impuls und
Winkelgeschwindigkeit
Diese rein dynamische Formulierung lässt sich nun auch vektoriell
schreiben
Kraft, Impuls und
Winkelgeschwindigkeit
Ändert der Impuls nur seine Richtung, nicht aber seinen Betrag,
steht die Änderungsrate und somit die resultierende Kraft normal
zum Impuls. In der Physik kennt man zwei Kräfte, die andauernd normal zur Geschwindigkeit des
Körpers stehen und folglich mit dem Körper Impuls, aber keine Energie austauschen
Corioliskraft auf einen bewegten Körper im rotierenden Bezugssystem:
Lorentzkraft auf eine bewegte Ladung im Magnetfeld:
Die Corioliskraft sorgt dafür, dass sich alle Hochdruckgebiete auf der Nordhalbkugel der Erde im
Uhrzeigersinn drehen. Das Magnetfeld der Erde lenkt die geladenen Teilchen (Ionen), die mit
grosser Energie von der Sonne auf uns zu fliegen, gegen die Pole ab. Dort erzeugen sie durch Stösse
mit den Teilchen der Atmosphäre das Nordlicht.
Schwenkbewegung
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Steht das einwirkende Drehmoment normal zur
Winkelgeschwindigkeit, ist die Leistung des Drehmoments gleich
Null und der Körper ändert seine Rotationsenergie nicht. So kann
jedes schwenkbar gelagerte Rad seinen Drehimpuls bei konstant
gehaltener Rotationsenergie ändern. Dazu muss die Achse des
rotierenden Rads gedreht werden. Formal gilt ein zur
Kreisbewegung analoger Zusammenhang
Kreisel schwenkt im
Gegenuhrzeigersinn
Mit ωS ist die Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung und
nicht etwa die Winkelgeschwindigkeit des sich drehenden Rades
gemeint. Die Formel verknüpft drei Grössen, wobei zwei, das Drehmoment und die
Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung, wahlweise als ursächlich angesehen werden können.
Eine Schwierigkeit bei der Anwenduung dieser Formel ist die Regel der rechten Hand, die bei allen
drei Grössen und beim Vektorprodukt angewendet werden muss
Drehimpuls: Finger der rechten Hand um das Rad in Rotationsrichtung legen; Daumen zeigt
die Richtung des Drehimpulses an
Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung: Finger der rechten Hand in die Ebene legen,
in welche die Achse des Rades gekippt wird; Daumen zeigt in Richtung der
Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung
Drehmoment: Finger der rechten Hand in Wirkrichtung des Drehmoments legen; Daumen
zeigt in Richtung des Drehmoments (Schraube anziehen)
Vektorprodukt: Daumen parallel zur Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung legen;
Zeigefinger nach dem Drehimpuls ausrichten; Mittelfinger zeigt in Richtung des
Drehmoments.
Trägt man alle drei Vektoren (Drehimpuls, Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung,
Drehmoment) in eine Skizze ein, ist die Anwendung des Vektorprodukts keine grosse Hexerei.
Beispiel Motorrad: Die Frage eines Yamaha-Fahrers zeigt die Problematik der Kurvenfahrt mit
einem Mororrad: "Wenn ich eine Linkskurve einleiten will, drücke ich den Lenker auf der linken
Seite nach vorne. Das Vorderrad zeigt also von der Zentralinie abweichend nach rechts. Dadurch
verschiebt sich der Schwerpunkt nach links und das Motorrad fährt eine Linkskurve. Wenn ich jetzt
aber besonders langsam fahre (zum Beispiel bei der Fahrübung, wo man eine 8 fahren muss - kennen
sicher noch einige von der praktischen Prüfung), dann funktioniert das Ganze umgekehrt. Sprich
wenn ich nach links fahren möchte ist der Lenker auch ganz nach links eingeschlagen. Wie
funktioniert es also eigentlich, dass das Motorrad eine Kurve fahren kann?"
Wäre die Erklärung mit dem Schwerpunkt richtig, müsst sie auch beim Skibob oder Snowbike
funktionieren. Mit diesen Geräten fährt man auch mit hoher Geschwindigkeite in eine Kurve. Der
entscheidende Effekt kommt aber vom Drehimpuls des Vorderrades. Drückt man den Lenker links
nach vorn, wirkt ein nach unten gerichtetes Drehmoment auf das Vorderrad ein. Weil der
Drehimpuls nach links zeigt, kippt das Rad nach links und der Töff neigt sich auf die richtige Seite.
Zur Überprüfung dieses Zusammenhangs lege man den Daumen parallel zur Winkelgeschwindigkeit
der Schwenkbewegung, also nach hinten. Der Zeigfinger, welcher in Richtung des Drehimpulses
anzeigt, weist nach links. Daraus ergibt sich ein nach unten gerichtetes Drehmoment. Und dieses
Moment erzeugt der Fahrer, indem er den Lenker mit der linken Hand nach vorne drückt.
Beispiel Wendezeiger: Der Wendezeiger (Turn Indicator) ist ein Kreiselinstrument, das die
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Winkelgeschwindigkeit des Flugzeuges um die Hochachse anzeigt. Der halbkardanisch gelagerte
Kreisel rotiert parallel zur Querachse des Flugzeuges. Nun kann der Käfig, der den Kreisel lagert,
um eine parallel zum Flugzeug gerichtete Achse gedreht werden. Diese Drehung ist mit einer
Rückstellfeder gekoppelt. Weist der Drehimpulsvektor des Kreisels vom Pilot aus gesehen nach
rechts und dreht sich das Flugzeug um die Hochachse nach links, muss ein nach vorne weisendes
Drehmoment auf den Kreisel einwirken, damit dieser die Drehbewegung des Flugzeuges mitmacht.
Dazu kippt die Kreiselachse leicht nach links, bis die Feder stark genug gespannt ist. Die Stärke der
Kippbewegung zeigt so die Grösse der Winkelgeschwindigkeit an.
Beispiel Strahltribwerk: Fan, Kompressor und Turbine eines Strahltriebwerkes rotieren mit hoher
Drehzahl und speichern entsprechend viel Drehimpuls. Fliegt nun ein Flugzeug eine Kurve, muss ein
grosses Drehmoment auf das Triebwerk einwirken, damit sich dieses mit dem Flugzeug dreht. Das
Drehmoment steht normal zum Triebwerk und liegt in der Kurvenebene drin. Eine schnelle Rotation
um die Querachse (unsanfte Landung oder Looping) belastet die Aufhängung der Triebwerke eher
noch stärker als der Kurvenflug.
Präzession
Wirkt auf einen Kreisel über längere Zeit ein Drehmoment ein, das
normal zum Drehimpuls gerichtet ist, setzt gemäss der weiter oben
aufgeführten Formel eine Schwenkbewegung ein. Die Kreiselachse
überstreicht dann den Mantel eines Kegels. Diese Bewegung nennt
man Präzession. Im Demonstrationsexperiment zur Präzession (die
Skizze zeigt ein etwas anderes Experiment) belastet man einen
kardanisch aufgehängten, horizontal rotierenden Kreisel mit einem
seitlich angebrachten Zusatzkörper. Die Gewichtskraft dieses
Zusatzkörpers erzeugt dann über die Hebelwirkung ein
Drehmoment M auf den Kreisel. Weil dieses Drehmoment die
Schwenkbewegung mitmacht, stellt sich eine stationäre
Präzessionsbewegung ein. Die Präzessionsperiode ist gleich
Präzession
Im Demonstationsversuch hängt man den Zusatzkörper an die anfangs ruhende Achse. Der Kreisel
kippt dann zuerst nach unten, um dann in eine Präzessionsbewegung überzugehen, die von einer
gedämpften Nutation überlagert wird. Mit der Kippbewegung stellt der Kreisel Drehimpuls für die
Präszessionsbewegung zur Verfügung. Würde keine Reibung auftreten, käme der Kreisel nach jeder
Nutatonsperiode in horizontaler Lage wieder zur Ruhe. Um die Nutation zu verhindern, stösst man
beim Aufhängen des Zusatzkörpers den Kreisel so weg, dass er von Anfang an den für die
Präzession notwendigen Drehimpuls besitzt. Dann dreht sich der Kreisel anfänglich horizontal.
Infolge der Reibung wird er sich dennoch immer stärker vertikal ausrichten.
Beispiel Präzession der Erde: Mond und Sonne wirken mit je einem periodisch anschwellenden
Drehmoment auf die Erde ein und versuchen sie aufzurichten. Ursache dieser Einwirkung ist
"Äquatorwulst", die rotationsbedingte Abplattung der Erde. Auf diese Einwirkung reagiert die Erde
mit einer lunisolaren Präzession. Die Erdachse benötigt für einen einzigen Umlauf auf dem
Präzessionskegel zwischen 25.700 und 25.800 Jahre. Dieser Zeitraum wird auch platonisches Jahr
genannt. Weil unser Kalender an den Frühlingspunkt (Äquinoktium) gebunden ist, verschieben sich
die Monate infolge der Präzession etwa alle 2000 Jahre um ein Sternzeichen.
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Unwucht
Rotierende Maschinenelemente wie Räder, Propeller oder Turbinen müssen ausgewuchtet sein,
damit die Lager nicht unnötig belastet werden. Man unterscheidet zwischen statischer und
dynamischer Unwucht. Bei der statischen Unwucht ändert sich der Impuls und bei der dynamischen
der Drehimpuls bei konstant gehaltener Bewegungsenergie. Zur Erklärung dieses Phänomens gehen
wir von einer ausgewuchtetn Scheibe aus, die entlang des Umfangs mehrere, achsenparallele
Gewindelöcher aufweist. In diese Bohrungen können kurze Schrauben eingedreht werden, um so
gezielt eine Unwucht zu erzeugen.
statische Unwucht
Dreht man zwei kurze Schrauben (Masse mS) von beiden Seiten in
das gleiche Gewindeloch, verschiebt sich der Massenmittelpunkt
des Gesamtsystems weg von der Scheibenachse. Der Impulsinhalt
von rotierender Scheibe und Schrauben ist gleich gross wie der
eines punktförmigen Körpers gleicher Masse, der sich im Abstand
rMMP auf einer Kreisbahn um die Achse bewegt
p = 2mSvS = 2mSrSω = mrMMPω
statische und dynamische
Unwucht
Damit sich der Impulsinhalt synchron mit der Drehung ändert, muss
von den Lagern eine Kraft einwirken
FL = ωp = mrMMPω2
Die Lagerkraft steigt quadratisch mit der Drehzahl. Deshalb müssen schnell drehende Körper
speziell gut ausgewuchtet sein.
dynamische Unwucht
Befestigt man die Schrauben so in zwei gegenüber liegenden
Löchern, dass ihre Köpfe auf je einer Seite der Scheibe heraus
ragen, entsteht eine dynamische Unwucht. Obwohl der
Massenmittelpunkt des Gesamtsytems weiterhin auf der Drehachse
liegt, werden die Lager mit zunehmender Drehzahl belastet. Zur
Analyse bilden wir den Bahndrehimpuls der beiden Schrauben.
Dieser Bahndrehimpuls steht leicht schief zur Scheibenachse und
bewegt sich auf einem Kreiskegel. Nun bleibt die zur Drehachse
(Winkelgeschwindigkeit) parallele Komponente des Drehimpulses
erhalten. Die Radialkomponente wird dagegen durch die
Drehbewegung herum gewirbelt, macht also eine andauernde
Schwenkbewegung. Das zugehörige Drehmoment, das von den
Lagern aufgebracht werden muss, ist gleich
statische und dynamische
Unwucht
ML = ωLn = 2mSrSzSω2
wobei zS den Abstand der Massenmittelpunkte der Schrauben von der Symmetrieebene der Scheibe
misst. Nun kann man jedem drehbar gelagerten Körper bezüglich der gegebenen Achse ein
Deviations- oder Zentrifugalmoment JD zuschreiben, das den Zusammenhang zwischen
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Radialkomponente des Drehimpulses und Winkelgeschwindigkeit beschreibt
Ln = JDω
Das Drehmoment, das von den Lagern auf den Körper einwirken muss, um dessen Drehachse zu
stabilisieren, ist dann gleich
ML = JDω2
Hält man die Achse eines rotierenden Körpers mit Hilfe von zwei Lagern stabil und misst je eine
Komponente der Lagerkräfte, erhält man zwei zeitabhängige Signale. Aus diesen Lagerkräften
können die resultierende Kraft und das resultierende Drehmoment berechnet werden. Beide Grössen
nehmen quadratisch mit der Drehzahl zu. Die resultierende Kraft ist zudem proportional zum
Abstand des Schwerpunkts von der Drehachse und das Drehmoment nimmt linear mit dem
Deviatonsmoment zu.
Kontrollfragen
1. Formulieren Sie die Impuls- und die Drehimpulsbilanz bezüglich eines starren Körpers mit
Ihren eigenen Worten.
2. Worin unterscheidet sich die Drehmechanik von der Translationsmechanik?
3. Formulieren Sie die Energiebilanz bezüglich eines starren Körpers mit Ihren eigenen Worten.
4. Wie muss man einen Ziegelstein hochwerfen, damit er stabil rotiert?
5. Sie halten die beiden Enden der Achse eines rotierenden Rades mit den Händen fest.
Überlegen Sie sich, was passiert, wenn man das eine Ende der Achse gegen sich zieht? die
Achse einseitig nach oben drückt? Die Antwort können Sie im Versuch herausfinden, aber
achten Sie auf Ihre Finger.
6. Wieso verschieben sich die Sternzeichen gegen den Kalender?
7. Wie unterscheiden sich dynamische und statische Unwucht?
8. Wie verändert sich bei einer Unwucht die Belastung der Lager mit steigender Drehzahl?
Antworten zu den Kontrollfragen
1. Die Summe über alle Kräfte (Oberflächenkräfte und Gewichtskraft) verursacht die
Änderungsrate des Impulsinhalts. Die Summe über alle Drehmomente (reine und einer Kraft
zugeordnete) verursacht die Änderungsrate des Drehimpulsinhalts.
2. In der Drehmechanik ist die Trägheit kein Skalar wie die Masse sondern ein Tensor. Die
Drehbewegungen bilden nur eine Gruppe und keinen Vektorraum wie die Verschiebungen.
3. Die Summe über die Leistungen aller Kräfte (Oberflächenkräfte und Gewichtskraft) plus die
Summe über die Leistungen aller reinen Drehmomente (ohne die einer Kraft zugeordneten
Drehmomente) sind gleich der Änderungsrate der kinetischen und der Rotationsenergie.
4. Der Ziegelstein muss so geworfen werden, dass er um eine Achse parallel zu kürzesten Kante
(grösstes Massenträgheitsmoment) oder zur längsten Kante (kleinstes
Massenträgheitsmoment) rotiert.
5. Ohne Skizze werden Sie kaum auf die richtige Lösung kommen: zeichnen Sie den Vektor des
Drehimpulses ein, markieren Sie die Einwirkung, das Drehmoment, mit einem weiteren Pfeil;
die Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung muss dann die oben formulierte
Gesetzmässigkeit erfüllen.
6. Sonne und Mond versuchen die Achse der Erde aufzurichten. Diese reagiert mit einer
Präzessionsbewegung. Weil sich der Kalender am Frühlingspunkt (Schnittpunkt der Ekliptik
mit dem Äquator) orientiert, wandern die Monate über die Sternzeichen.
7. Bei der statischen Unwucht liegt der Massenmittelpunkt nicht auf der Drehachse. Deshalb
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ändert sich der Impulsinhalt periodisch, wodurch die Lager mit einer umlaufenden Kraft
belastet werden. Bei der dynamischen Unwucht liegt die Drehachse nicht auf einer Hauptachse
des Körpers. Deshalb ändert sich der Drehimpulsinhalt periodisch, wodurch die Lager mit
einem umlaufenden Drehmoment belastet werden.
8. Lagerkraft und Lagerdrehmoment nehmen quadratisch mit der Drehzahl zu.
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