1M - Institut für Theoretische Physik

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Masterarbeit
Der Harmonische Oszillator mit
singulären und nichtlinearen
Störungen als Modell für
PT-symmetrische
Bose-Einstein-Kondensate
Jacob Cornelius Fuchs
2. November 2016
Prüfer:
Apl. Prof. Dr. Jörg Main
Mitberichter: Jun.-Prof. Dr. Thomas Weiss
Universität Stuttgart,
1. Institut für Theoretische Physik
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
5
1 Grundlagen
1.1 Der Harmonische Oszillator mit singulären Störungen
1.2 Physikalische Interpretation des Modells . . . . . . .
1.3 Der PT -Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 PT -symmetrische Systeme . . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Exzeptionelle Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9
9
10
11
12
12
2 Numerische Behandlung des Harmonischen Oszillators mit singulären Störungen
2.1 Numerische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Ergebnisse für eine reelle, gerade Störung . . . . . . . . . . . . .
2.3 Ergebnisse für eine rein imaginäre, ungerade Störung . . . . . .
2.4 Ergebnisse für „gemischte“ Störungen . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Anzahl der Kontrollparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
15
17
19
21
24
3 Grundlagen der Funktionalanalysis
3.1 Hilberträume . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Beschränkte Operatoren . . . . . . . . . .
3.3 Unbeschränkte Operatoren . . . . . . . . .
3.4 Resolvente und Spektrum . . . . . . . . .
3.5 Spezielle Klassen beschränkter Operatoren
3.5.1 Kompakte Operatoren . . . . . . .
3.5.2 Schattenklassen . . . . . . . . . . .
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27
27
28
30
31
31
32
32
4 Störungstheoretische Behandlung des harmonischen Oszillators mit
singulären Störungen
4.1 Herleitung der Störungsreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Berechnung der Terme niedrigster Ordnung . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Berechnung der Faktoren J . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 Berechnung der Terme niedriger Ordnung . . . . . . . .
4.3 Approximation der Terme niedrigster Ordnung . . . . . . . . . .
35
35
42
42
44
45
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3
Inhaltsverzeichnis
4.4
4.5
Exkurs: Numerische Berechnung von Reihen . . .
4.4.1 Numerische Berechnung von Reihen . . . .
4.4.2 Klassifizierung der Arten von Konvergenz .
4.4.3 Wynn’s Rho Algorithmus . . . . . . . . . .
Exakte Berechnung der Störungsreihe . . . . . . .
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5 Analytische Behandlung des Harmonischen Oszillators mit singulären Störungen
5.1 Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Gleichungssystem für die Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Erster Fall: Nullstelle der parabolischen Zylinderfunktion U
bei x = b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.4 Zweiter Fall: keine Nullstelle der parabolischen Zylinderfunktion U bei x = b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.5 Exzeptionelle Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.6 Entwicklung der Lösung für große Koeffizienten . . . . . . . . .
5.7 Störung der Lösungen außerhalb . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
48
49
50
51
61
61
63
65
66
70
74
77
Zusammenfassung und Ausblick
79
Literatur
83
Danksagung
89
4
Einleitung
Nach den Postulaten der Quantenmechanik werden physikalische Messgrößen
als hermitesche Operatoren („Observablen“) in einem Hilbertraum dargestellt.
Dies garantiert, dass man stets reelle Messwerte erhält. Jedoch hat sich gezeigt,
dass auch die Untersuchung nicht hermitescher Operatoren lohnenswert ist [1].
So bieten diese z. B. eine einfache Beschreibung von Resonanzphänomenen oder
von offenen Systemen, die mit der Umgebung wechselwirken. Dabei werden
auch neue Phänomene beobachtet. Zum Beispiel ist für hermitesche Operatoren bekannt, dass ihre Eigenwerte eine vollständige Orthonormalbasis des
Hilbertraums bilden. In nicht hermiteschen Systemen hingegen treten auch sog.
exzeptionelle Punkte auf, an welchen nicht nur die Eigenwerte, sonder auch die
Eigenzustände entarten [2]. Diese konnten auch schon vielfach experimentell
beobachtet werden (siehe z. B. [3]).
In letzter Zeit hat eine bestimmte Klasse nicht hermitescher Systemen besondere Aufmerksamkeit genossen: die sog. PT -symmetrischen Systeme [4]. Diese
zeichnen sich dadurch aus, dass sie invariant sind unter kombinierter Raum- und
Zeitspiegelung. Ein wichtiger Grund für die „Beschränkung“ auf hermitesche
Operatoren in der Quantenmechanik ist, wie oben erwähnt, dass diese ein rein
reelles Spektrum besitzen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass PT -symmetrische
Systeme ebenfalls rein reelle Spektren aufweisen können, wofür im Wesentlichen
die PT -Symmetrie verantwortlich ist [4a]. Eine experimentelle Realisierung
fand z. B. in optischen Systemen [5] oder dissipativen Mikrowellen-Billards [6]
statt. Außerdem wurden in vielen theoretischen Arbeiten Vorschläge für die
Realisierung in echten quantenmechanischen Systemen untersucht, in [7, 8]
z. B. wurden PT -symmetrische Bose-Einstein-Kondensate betrachtet.
Ausgangspunkt dieser letztgenannten Arbeiten war die Beschreibung der
Gesamtwellenfunktion Ψ(r, t) des Kondensates im Rahmen einer Molekularfeldtheorie (engl. „mean field theory“). Die Wechselwirkung der Teilchen untereinander wird dabei durch die Kontaktwechselwirkung angenähert, also dem
Pseudo-Potential Vint (r, r0 ) = (4π~2 N a/m) δ(r − r0 ), wobei N die Teilchenzahl, m deren Masse und a die Streulänge beschreibt. Die zeitliche Dynamik
ist dann bestimmt durch die Gross-Pitaevskii-Gleichung [9]
∂
~2
4π~2 N a
i~ Ψ(r, t) = −
∆ + Vext (r) +
|Ψ(r, t)|2 Ψ(r, t) ,
∂t
2m
m
!
5
Einleitung
wobei die Nichtlinearität ∝ |Ψ(r, t)|2 Ψ(r, t) die Kontaktwechselwirkung wiedergibt. Für das externe Potential Vext (r) wurde in [7, 8] ein Doppelmuldenpotential gewählt mit einem zusätzlichen Imaginärteil, welcher das Einkoppeln von
Teilchen in die eine Mulde und das Auskoppeln von Teilchen aus der anderen
Mulde modelliert.
Ein relativ einfach handhabbares Modell bot außerdem eine Realisierung, bei
welcher das Doppelmuldenpotential durch ein (komplexes) Doppel-δ-Potential
ersetzt wurde [10]. Bemerkenswert sind auch die mathematischen Arbeiten von
Mityagin und Siegl, welche eine harmonische Falle mit zusätzlichen δ-Potentialen untersucht haben [11, 12], sowie eine Arbeit von Haag u. a., welche diese
mathematischen Untersuchungen durch eine numerische Rechnung stützt [13].
Dabei wurden störungstheoretische Methoden aus der Funktionalanalysis bzw.
Spektraltheorie verwendet. Die Nichtlinearität der Gross-Pitaevskii-Gleichung
(siehe oben) konnte dabei nicht berücksichtigt werden, da die Spektraltheorie lediglich lineare Operatoren behandelt. Auf diese Weise konnte bewiesen werden,
dass die Eigenwerte in einem gewissen Parameterbereich für den PT -symmetrischen Fall alle reell sind [12a] (vgl. auch Abschnitt 4.1). Ferner konnte eine
Abschätzung der Eigenwerte für kleine Parameter angegeben werden [12b].
An diese Untersuchungen knüpft auch die hier vorliegende Arbeit an. Es
wird ein harmonischer Oszillator mit zusätzlichen Doppel-δ-Potentialen betrachtet. Das Spektrum dieses Modellsystems soll möglichst genau berechnet
und dessen Abhängigkeit von den Parametern analysiert werden. Dazu werden
drei verschiedene Methoden genutzt. Als erstes wird eine numerische Methode
verwendet. Danach wird der störungstheoretische Ansatz von Mityagin [12]
nochmals genauer untersucht und mit den numerischen Ergebnissen verglichen.
Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, in welchen Parameterbereichen diese Methode angewandt werden kann und ob mit dieser Methode
auch die Lage von exzeptionellen Punkten berechnet werden können. Als letztes wird das System noch mit Methoden aus der Analysis untersucht. Dabei
sollen neben quantitativen auch auf qualitative Aussagen über das Spektrum
eingegangen werden.
Die Arbeit ist folgendermaßen strukturiert: Im ersten Kapitel wird auf die
zugrundeliegenden physikalischen Grundlagen eingegangen. Diese umfassen das
in dieser Arbeit betrachtete Modell und dessen physikalischen Interpretation,
die PT -Symmetrie sowie die grundlegenden Eigenschaften PT -symmetrischer
Systeme und die exzeptionellen Punkte. Danach wird in Kapitel 2 die numerische Behandlung besprochen und die damit erhaltenen Ergebnisse diskutiert.
In Kapitel 4 wird der störungstheoretische Ansatz von Mityagin [12] vorgestellt und die darin aufgestellt Störungsreihe etwas genauer untersucht. Diesem
Kapitel werden die für das Verständnis nötige Grundlagen der Funktionalana-
6
lysis vorangestellt (Kapitel 3). In Kapitel 5 wird das Modell noch mithilfe von
Methoden der Analysis untersucht.
7
1 Grundlagen
1.1 Der Harmonische Oszillator mit singulären
Störungen
In dieser Arbeit wird der (quantenmechanische) Harmonische Oszillator mit
einem Doppel-δ-Potential betrachtet. Dabei sind die beiden δ-Potentiale symmetrisch um den Ursprung bei x = ±b positioniert; die (vorerst beliebige, komplexe) Koeffizienten werden entsprechend mit s± bezeichnet. Daraus erhält
man die Schrödingergleichung

d
−
dx
!2

+ x2 + s+ δ(x − b) + s− δ(x + b) ψ(x) = µ ψ(x) ,
(1.1)
wobei der Einfachheit halber die Einheiten so gewählt wurden, dass die Vorfaktoren vor der Ableitung und dem Potential des harmonischen Oszillators
gerade eins sind. Das gesamte Potential wird im Folgenden mit V (x) bezeichnet
und die singuläre Störung (das Doppel-δ-Potential) mit W (x):
V (x) = x2 + W (x) ,
W (x) = s+ δ(x − b) + s− δ(x + b) .
(1.2)
Das Doppel-δ-Potential lässt sich aufteilen in einen geraden Anteil Wg (x) und
einen ungeraden Anteil Wu (x), wobei die jeweiligen Koeffizienten mit sg bzw. su
bezeichnet werden:
Wg (x) = sg (δ(x − b) + δ(x + b)) ,
Wu (x) = su (δ(x − b) − δ(x + b)) ,
sg = (s+ + s− )/2 und
su = (s+ − s− )/2 .
(1.3)
(1.4)
Eine Veranschaulichung des Potentials ist in Abb. 1.1 dargestellt.
In den nachfolgenden Ausführungen wird oft der PT -symmetrische Fall
betrachtet, also der Fall, wenn sg rein reell und su rein imaginär ist (mehr
über PT -Symmetrie ist in den Abschnitte 1.3 und 1.4 zu finden). Dann wird
zumeist sg = −sr und su = isi geschrieben. Werden im umgekehrten Fall die
Koeffizienten sr und si verwendet, so ist im entsprechenden Kontext stets sg ∈ R
und isu ∈ R anzunehmen.
9
1 Grundlagen
V (x)
4
2
x2
Wg (x)
Wu (x)
0
−2
−1
0
x
1
2
Abbildung 1.1: Der Harmonische Oszillator mit singulären Störungen.
Dargestellt ist das gesamte Potential V (x), wobei der gerade Teil Wg (x) des
Doppel-δ-Potentials rot und der ungerade Teil Wu (x) grün hervorgehoben
ist.
1.2 Physikalische Interpretation des Modells
Das oben eingeführte mathematische Modell kann z. B. als Modell für ein
Bose-Einstein-Kondensat dienen. Da Bose-Einstein-Kondensate Vielteilchenphänomene sind, findet ihre adäquate Beschreibung im Rahmen der zweiten
Quantisierung statt. Mithilfe der Molekularfeldtheorie (engl. „mean field theory“) kann jedoch eine effektive Beschreibung mittels einer Gesamtwellenfunktion Ψ erhalten werden. Diese wird dabei durch die Gross-Pitaevskii-Gleichung
4π~2 N a
~2
−
∆ + V (r) +
|Ψ(r)|2 Ψ(r) = µ Ψ(r)
2m
m
!
(1.5)
bestimmt, die neben dem externen Potential V (r) auch einen nicht linearen Potentialterm enthält. Dieser beschreibt die Kontaktwechselwirkung der Teilchen
untereinander. Des weiteren beschreiben die Größen N , a und µ die Teilchenzahl, die Streulänge der Wechselwirkung und das chemische Potential. Eine
genauere Darstellung findet man z. B. in dem Artikel [9].
Interpretiert man das Modell (1.1) als Gross-Pitaevskii-Gleichung, so stellt
das harmonische Potential x2 eine äußere Falle dar und der Realteil des
Doppel-δ-Potentials zwei (je nach Vorzeichen) attraktive oder repulsive Potentialmulden. Der Imaginärteil hingegen kann (für positives Vorzeichen) als
Zu- oder (für negatives Vorzeichen) als Abfluss von Teilchen interpretiert werden.
Im Gegensatz zur Gross-Pitaevskii-Gleichung ist jedoch in Gleichung (1.1)
10
1.3 Der PT -Operator
kein nicht linearer Term enthalten, sodass nur Bose-Einstein-Kondensate von
nicht wechselwirkenden Bosonen beschrieben werden. Obwohl für die meisten
Bosonen die Teilchen-Teilchen-Wechselwirkung nicht vernachlässigt werden
kann, bieten Feshbach-Resonanzen eine Möglichkeit, die Stärke der Wechselwirkung zu beeinflussen, also insbesondere auch zu verringern [9].
1.3 Der PT -Operator
Zwei wichtige Symmetrien in der Physik sind die Raumspiegelung und die
Zeitumkehr. Im folgenden werden diese durch die Operatoren P und T repräsentiert. Bei Anwendung dieser Operationen verhalten sich die Orte und
Impulse wie folgt:
P : r̂ → −r̂ , p̂ → −p̂ und T : r̂ → r̂ , p̂ → −p̂ .
(1.6)
Aus der klassischen Mechanik ist bekannt, dass diese Symmetrieoperationen
die Physik nicht ändern. Beim Übergang zur Quantenmechanik bedeutet dies,
dass die kanonischen Vertauschungsrelationen erhalten werden müssen:
P [r̂i , p̂j ] P −1 = T [r̂i , p̂j ] T −1 = [r̂i , p̂j ] = i~ δi,j .
(1.7)
Zusammen mit obigen Eigenschaften erhält man, dass dies nur erfüllt ist,
wenn P ein linearer und T ein antilinearer Operator ist, d. h.
und
P(α1 ψ1 + α2 ψ2 ) = α1 Pψ1 + α2 Pψ2
(1.8)
T (α1 ψ1 + α2 ψ2 ) = α1 T ψ1 + α2 T ψ2 .
(1.9)
Durch Komposition erhält man den PT -Operator. Dies ist ebenfalls ein antilinearer Operator; gegenüber Orts- und Impulsoperator verhält er sich wie folgt:
PT : r̂ → −r̂ , p̂ → p̂ .
(1.10)
Bezüglich der Wellenfunktionen lassen sich die Operatoren wie folgt beschreiben:
(Pψ)(r, t) = ψ(−r, t) ,
(1.11)
(T ψ)(r, t) = ψ(r, t) und
(1.12)
(PT ψ)(r, t) = ψ(−r, t) .
(1.13)
11
1 Grundlagen
1.4 PT -symmetrische Systeme
Eine physikalische Observable Ô nennt man PT -symmetrisch, wenn der Kommutator [PT , Ô] = 0 ist. Analog heißt ein physikalisches System PT -symmetrisch, wenn der Hamiltonoperator Ĥ des Systems PT -symmetrisch ist. Für
ein zeitunabhängiges System (Ĥ = p̂2 /2m + V (r̂)) folgt aus
PT V (r̂) = V (−r̂) PT
(1.14)
zusammen mit der PT -Symmetrie des Impulsoperators, dass ein Hamiltonoperator genau dann PT -symmetrisch ist, wenn das Potential V (r̂) die Gleichung
V (r) = V (−r)
(1.15)
erfüllt. Diese Bedingung ist gleichbedeutend damit, dass der Realteil des Potentials eine gerade und der Imaginärteil eine ungerade Funktion von r ist.
Betrachte nun einen Eigenzustand ψ eines PT -symmetrischen Operators Ô
zum Eigenwert λ. Dann ist der Zustand PT ψ ein Zustand zum Eigenwert λ:
Ô (PT ψ) = PT (Ôψ) = PT (λ ψ) = λ (PT ψ) .
(1.16)
Ist nun ψ ebenfalls PT -symmetrisch, d. h., gilt ψ = PT ψ, so folgt λ = λ und
damit λ ∈ R. Daher sind die Eigenzustände von Ô entweder PT -symmetrisch
oder sie treten als Paare (ψ, PT ψ) auf mit komplex konjugierten Eigenwerten.1 Dies wiederum bedeutet, dass PT -symmetrische Systeme, welche nicht
hermitesch sind, ebenfalls ein rein reelles Spektrum besitzen können.
1.5 Exzeptionelle Punkte
Exzeptionelle Punkte treten in nicht hermiteschen Quantensystemen auf, die
von mehreren Parametern abhängen. Betrachtet man die (i. Allg. komplexen)
Eigenwerte einer (nicht hermiteschen) Observablen als Funktionen dieser Parameter, so ist es möglich, dass mehrere davon verschiedene Zweige einer Funktion
repräsentieren. Die entsprechende Verzweigungssingularität nennt man dann
einen exzeptionellen Punkt. An diesem entarten nicht nur die Eigenwerte, sondern auch die Eigenzustände. Als Grad des exzeptionellen Punktes bezeichnet
1
Im letzten Schritt wurde verwendet, dass wegen Gleichung (1.16) die Eigenwerte des
PT -Operators einen Betrag von eins besitzen. Durch Multiplikation mit einer geeigneten
globalen Phase erhält man daraus stets eine PT -symmetrische Wellenfunktion.
12
1.5 Exzeptionelle Punkte
man den Grad des Verzweigungspunktes (also die Anzahl der verschiedenen
Zweige). In der Literatur wird bei einem exzeptionellen Punkt N -ter Ordnung
oft kurz von einem EPN gesprochen, siehe z. B. [2].
Beispielsystem
Im Folgenden sollen diese Eigenschaften anhand eines einfachen Modellsystems
veranschaulicht werden. Dieses ist gegeben durch die Matrix
a ζ
M (ζ) =
ζ b
!
(1.17)
mit a 6= b und ζ ∈ C. Sie besitzt das charakteristische Polynom
χM (ζ) (λ) = (a − λ) (b − λ) − ζ 2 = λ2 − (a + b) λ + a b − ζ 2
(1.18)
und damit die Eigenwerte
λ1,2
a+b 1q
±
=
(a − b)2 + 4 ζ 2 .
2
2
(1.19)
Man bemerke, dass die (komplexe) Wurzel zwei Zweige besitzt, welche den
beiden Lösungen λ1,2 entsprechen. Die exzeptionellen Punkte – also die Verzweigungspunkte – entsprechen gerade den Nullstellen des Radikanten, also
ζ± = ±i(a − b)/2. Für diese gilt
a+b
M (ζ± ) −
2
1 0
(a − b)/2 ±i(a − b)/2
=
0 1
±i(a − b)/2 −(a − b)/2
!
!
(1.20)
und damit ist der jeweilige Eigenraum die lineare Hülle von (1, ±i). Man bemerke, dass dieser eindimensional ist und damit M (ζ± ) nicht diagonalisierbar.
Exzeptionelle Punkte in zweidimensionalen PT -symmetrischen
Matrixmodellen
Wie man im vorigen Abschnitt 1.4 gesehen hat, zeichnen sich PT -symmetrische Systeme dadurch aus, dass die Eigenwerte stets reell sind oder als
komplex konjugierte Paare auftreten. Für Matrizen ist dies äquivalent dazu,
dass das charakteristische Polynom reell ist (d. h., dass alle Koeffizienten des
charakteristischen Polynoms reell sind).
Betrachte nun eine allgemeine 2 × 2-Matrix
!
a b
M=
c d
.
(1.21)
13
1 Grundlagen
Ihr charakteristische Polynom lautet
χM (λ) = λ2 − (a + d) λ + ad − bc ,
(1.22)
sodass sie genau dann PT -symmetrisch ist, wenn die beiden Bedingungen
Im(a + d) = 0 und
Im(ad − bc) = 0
(1.23)
erfüllt sind. Erstere ist äquivalent zu Im(a) = − Im(d), sodass man für letztere
die Gleichung
Im(a) (Re(d) − Re(a)) − Re(b) Im(c) − Im(b) Re(c) = 0
(1.24)
erhält. Für die Eigenwerte erhält man damit
1
1q
λ± = (a + d) ±
(a − d)2 + 4bc .
2
2
(1.25)
Man bemerke, dass die Diskriminante – wegen der PT -Symmetrie – stets reell
ist. Damit erhält man einen kritischen Punkt (λ+ = λ− ), wenn die Parameter
die Gleichung
(a + d)2 − 4 (ad − bc) = (a − d)2 + 4bc = 0
(1.26)
erfüllen. In diesem Fall gilt selbstverständlich
1
(a − d)/2
d
=
det(M −λI) = det
(a − d)2 + 4bc = 0, (1.27)
c
(d − a)/2
4
!
sodass der Nullraum von M − λI nicht nulldimensional ist. Darüber hinaus
sieht man an der Form von M − λI, dass der Nullraum genau dann zweidimensional ist, wenn M − λI die Nullmatrix ist, also a − d = b = c = 0 gilt. Dies ist
aber äquivalent dazu, dass M schon diagonal ist. Andernfalls ist er zweidimensional und es handelt sich bei dem kritischen Punkt um einen exzeptionellen
Punkt, an welchem die Matrix nicht diagonalisierbar ist.
14
2 Numerische Behandlung des
Harmonischen Oszillators mit
singulären Störungen
Zuerst soll das Modell (1.1) mit einer numerischen Methode untersucht werden
und die dabei gewonnen Beobachtungen diskutiert werden, bevor in den Kapitel 4 und 5 eine störungstheoretische und eine analytische Methode verwendet
werden. In Abschnitt 2.1 wird die numerische Methode, die verwendet wurde,
besprochen. In den darauffolgenden Abschnitten werden dann die Ergebnisse
für verschiedene Wahlen der Parameter besprochen. Hierbei soll ausschließlich
der PT -symmetrische Fall sg = −sr und su = isi berücksichtigt werden, da
dieser dem „physikalisch interessanten“ Fall entspricht.
2.1 Numerische Methode
Um die Differentialgleichung (1.1) numerisch zu lösen, ist es denkbar, die Funktionen in der Basis des Harmonischen Oszillators zu entwickeln. Dann lassen
sich die Operatoren als unendlichdimensionale Matrizen darstellen, deren Eigenwerte es zu bestimmen gilt. Zur numerischen Lösung könnte man nun die
Funktionen durch eine Linearkombination der ersten N Eigenwerte approximieren und die Operatoren entsprechend durch N × N -Matrizen. Im Fall der
δ-Potentiale fallen die Matrixelemente jedoch sehr langsam ab.1 Daher müssen zur korrekten Bestimmung der niedrigsten Eigenwerte schon sehr große
Matrizen verwendet werden.
Aus diesem Grund wird hier eine andere numerische Methode verwendet. Der
Leitgedanke dieser Methode ist, die Differentialgleichung (1.1) zu lösen unter
der Bedingung, dass die Wellenfunktion für x → ±∞ abfällt. Dazu wird dieses
Randwertproblem mithilfe eines einfachen Schießverfahrens auf ein Anfangswertproblem reduziert, dessen numerische Behandlung sehr gut verstanden ist
(vgl. z. B. [14, Kap. 18]). Weitere Vorteile dieser Methode sind, dass dabei nicht
nur die Eigenwerte berechnet werden, sondern auch die Wellenfunktionen, und
1
Auf diese Problematik wird auf in Abschnitt 4.5 auf den Seiten 52 bis 54 nochmals
eingegangen.
15
2 Numerische Behandlung
0,5
0,4
kψk
0,3
ψ(x)
0,2
0,1
|ψ(x)|2
Re(ψ(x))
2
|ψ(−xend )|2
|ψ(xend )|2
0
−0,1
−0,2
ψ(0), ψ 0 (0)
−0,3
−0,4
−6
−4
−2
0
x
2
4
6
Abbildung 2.1: Veranschaulichung der numerischen Methode zur Bestimmung der Lösungen.
dass sie sich auch bei vorhandener Nichtlinearität anwenden lässt, wie es z. B.
schon in [7, 13] gemacht wurde.
Zu Beginn werden ein Eigenwert µ sowie Anfangswerte ψ(0) und ψ 0 (0) gewählt. Danach kann die Wellenfunktion ψ(x) berechnet werden, z. B. mithilfe
eines Runge-Kutta Verfahrens2 . An den Positionen x = ±b der δ-Potentiale
müssen dabei die Anschlussbedingungen
ψ(±b) = lim ψ(x) = lim ψ(x) und
x ↓ ±b
x ↑ ±b
x ↓ ±b
x ↑ ±b
s± ψ(±b) = lim ψ 0 (x) − lim ψ 0 (x)
(2.1)
(2.2)
berücksichtigt werden. Man erhält damit die Werte der Wellenfunktion und
deren Ableitung an einem gewählten Endpunkt xend sowie die Norm der Wellenfunktion, wie es in Abb. 2.1 veranschaulicht ist. Für die gesuchten Lösungen
sind |ψ(xend )|2 und |ψ 0 (xend )|2 sehr klein und die Norm beträgt eins3 . Daher lassen sich die entsprechenden Eigen- und Anfangswerte mit einer Nullstellensuche
Für diese Arbeit wurde ein Runge-Kutta-Fehlberg Verfahren mit Schrittweitensteuerung
verwendet.
3
Im linearen Fall kann die Normierung durch Skalierung der Anfangsbedingungen erreicht
werden. Im nicht linearen Fall ist dies nicht mehr möglich und daher muss die Normierungsbedingung explizit berücksichtigt werden.
2
16
2.2 Ergebnisse für eine reelle, gerade Störung
oder einer Minimierung bestimmen.4
Die Konvergenz des Verfahrens kann verbessert werden, indem die Zahl der
unbestimmten Freiheitsgrade reduziert wird. Da Gleichung (1.1) eine lineare
Differentialgleichung ist, ist mit ψ(x) auch c ψ(x), c ∈ C, eine Lösung. Aufgrund der Normierungsbedingung kψk = 1 muss |c| = 1 gelten, jedoch kann
die Phase von c frei gewählt werden. Dieser Freiheitsgrad kann durch die Bedingung Im(ψ(0)) = 0 eliminiert werden. In bestimmten Fällen können auch
weitere Symmetrien oder Eigenschaften der Differentialgleichung ausgenutzt
werden: Für ein rein reelles Potential z. B. kann die Lösung stets reell gewählt
werden, sodass man zusätzlich Im(ψ(x)) ≡ 0 voraussetzen kann. Weiter lassen
sich die Lösungen im Falle eines geraden Potentials in gerade und ungerade
Lösungen unterteilen. Für gerade Lösungen gilt ψ 0 (0) = 0, für ungerade Lösungen ψ(0) = 0. Ebenso lässt sich für PT -symmetrische Lösungen Re(ψ 0 (0)) = 0
und Im(ψ(0)) = 0 einsetzen (vgl. Abschnitt 1.4). Solche zusätzlichen Bedingungen haben zur Folge, dass zum einen die Dimension des Parameterraums
für die Nullstellensuche reduziert wird, vor allem aber auch die Dimension
des Lösungsraumes um eine Dimension verringert wird (und damit im besten
Fall die Lösung eindeutig wird). Außerdem genügt es für gerade, ungerade
und PT -symmetrische Lösungen, die Wellenfunktion für x > 0 oder x < 0 zu
berechnen, was die Berechnung derselben verkürzt.
2.2 Ergebnisse für eine reelle, gerade Störung
Zuerst wird das System für eine reelle, gerade Störung untersucht, wobei su = 0
ist und sg = −sr variiert wird. Die mit der oben beschriebenen numerischen
Methode gewonnen Eigenwerte sind in Abb. 2.2 dargestellt.
Verschwindet die Störung, so erhält man wie erwartet die Eigenwerte des
Harmonischen Oszillators. Nimmt die Stärke der Störung zu, so werden die
Eigenwerte kleiner. Dies liegt daran, dass das Doppel-δ-Potential wegen sg < 0
attraktiv ist. Zudem bleibt das Eigenwertspektrum stets reell; dies verkörpert
den Umstand, dass eine reelle Differentialgleichung stets reelle (Fundamental-)
Lösungen besitzt. Außerdem ist zu bemerken, dass die Störung dieselben Symmetrieeigenschaften wie das Potential des Harmonischen Oszillators besitzt.
Dadurch bleibt die Symmetrie der Wellenfunktionen bei Zunahme der Störung
erhalten.
4
Obwohl für die gesuchten Lösungen |ψ(xend )| und |ψ 0 (xend )| i. d. R. nicht exakt verschwinden, hat sich in der Praxis gezeigt, dass eine Nullstellensuche mithilfe des PowellHybridverfahrens [15] gute Ergebnisse erzielt und dabei sehr effizient ist.
2
2
17
2 Numerische Behandlung
12
10
8
µ
6
Re(µ0 )
Re(µ1 )
Re(µ2 )
Re(µ3 )
Re(µ4 )
Re(µ5 )
Re(µ6 )
4
2
0
−2
0
5
10
sr
15
20
Abbildung 2.2: Eigenwerte µ im Falle einer reellen, geraden Störung
mit sg = −sr und su = 0 sowie b = 1,0.
1,0
sr = 0,2
sr = 1,5
sr = 3,0
n=0
0,5
0
−0,5
−1,0
1,0
n=1
0,5
0
−0,5
−1,0
−4
0
x
4 −4
0
x
4
Re(ψ(x))
|ψ(x)|2
Abbildung 2.3: Wellenfunktionen ψ der zwei niedrigsten Zustände für
eine reelle, gerade Störung mit sg = −sr und su = 0 sowie b = 1,0 (vgl.
Abb. 2.2).
18
2.3 Ergebnisse für eine rein imaginäre, ungerade Störung
Auffällig ist der starke Abfall der beiden niedrigsten Eigenwerte: Diese scheinen sogar gegen −∞ zu gehen. Dies kann dadurch erklärt werden, dass die
Wellenfunktionen sich um die beiden δ-Potentiale konzentriert. Damit erinnern
sie an die beiden gebundenen Lösungen des geraden Doppel-δ-Potentials ohne
Harmonischen Oszillator (vgl. z. B. [16]). Ferner ist zu bemerken, dass die übrigen Eigenwerte für sr → ∞ gegen einen Grenzwert konvergieren. Auf dieses
Verhalten wird in Kapitel 5 genauer eingegangen.
2.3 Ergebnisse für eine rein imaginäre, ungerade
Störung
Als nächstes wird das Verhalten für eine rein imaginäre, ungerade Störung
untersucht. Das Ergebnis für die entsprechenden Eigenwerte ist in Abb. 2.4
dargestellt, und ein paar der entsprechenden Wellenfunktionen in Abb. 2.5.
Für kleine Störungen sind die Eigenwerte ebenfalls reell – zumindest diejenigen, welche in Abb. 2.4 abgebildet sind (in [12] wird dies für das gesamte
Spektrum bewiesen, siehe Seite 41). Zudem sind in Übereinstimmung mit Abschnitt 1.4 sämtliche Wellenfunktionen PT -symmetrisch. Dies sieht man z. B.
an den beiden linken Wellenfunktionen in Abb. 2.5: Ihr Realteil ist gerade
und ihr Imaginärteil ungerade. Außerdem erkennt man bei diesen Wellenfunktionen Ähnlichkeiten zu den Wellenfunktionen des Harmonischen Oszillators:
Das Betragsquadrat besitzt genau so viele Minima wie die entsprechenden
Hermite-Funktionen Nullstellen.
Bei Zunahme der Störstärke ändert sich jedoch das Spektrum: In Abb. 2.4
sind Paare von Eigenwerten zu erkennen, die jeweils bei einer bestimmten
Störstärke si = scrit
gleich werden. An diesem Punkt findet eine Bifurkation
i
statt. Nach der Bifurkation sind die Eigenwerte nicht mehr reell, sondern treten
als komplex konjugierte Paare auf – wie es aufgrund der PT -Symmetrie zu
erwarten ist (siehe Abschnitt 1.4). Bei der Bifurkation handelt es sich um einen
exzeptionellen Punkt. Dies sieht man daran, dass an der Bifurkation nicht
nur die Eigenwerte, sondern auch die Wellenfunktionen identisch sind (vgl.
Abb. 2.5). Allgemein spricht man bei einem solchen Szenario auch von einer
Brechung der PT -Symmetrie.
Ändert man den Parameter b (also die Position der δ-Potentiale), so ändert
sich das Spektrum quantitativ, das oben beschriebene qualitative Verhalten
beleibt jedoch erhalten: Es gibt viele „Zustandspaare“, welche ein solches Bifurkationsszenario durchlaufen, bei welchem die PT -Symmetrie gebrochen wird.
Dies bedeutet jedoch auch, dass allein der Parameter sr genügt, um das Auftre-
19
2 Numerische Behandlung
12
10
Re(µ0 )
Re(µ1 )
Re(µ2 )
Re(µ3 )
Re(µ4 )
Re(µ5 )
Im(µ0 )
Im(µ1 )
Im(µ2 )
Im(µ3 )
Im(µ4 )
Im(µ5 )
8
µ
6
4
2
0
−2
0
5
10
si
15
20
Abbildung 2.4: Eigenwerte µ für eine rein imaginäre, ungerade Störung
mit den Koeffizienten sg = 0 und su = isi sowie b = 1,0.
si = 1,0 < scrit
i
si = 2,38 ≈ scrit
i
si = 3,0 > scrit
i
n=1
0,5
0
−0,5
n=2
0,5
0
−0,5
−4
0
x
4 −4
0
x
4
Re(ψ(x))
Im(ψ(x))
|ψ(x)|2
Abbildung 2.5: Wellenfunktionen ψ zur Quantenzahl n für rein imaginäre, ungerade Störung mit sg = 0. Die Zustände sind gerade diejenigen
aus Abb. 2.4 mit der niedrigsten Energie, die für si = scrit
eine Bifurkation
i
durchlaufen. Die kleinere Quantenzahl entspricht einem kleineren Realbzw. einem negativen Imaginärteil des Eigenwertes.
20
2.4 Ergebnisse für „gemischte“ Störungen
ten eines exzeptionellen Punktes (zweiter Ordnung) im Spektrum zu erzwingen;
die Position der δ-Potentiale habe jedoch keinen Einfluss auf das qualitative
Verhalten.
Auffällig ist auch, dass der Betrag der Wellenfunktionen in Abb. 2.5 glatt erscheint. Dies liegt daran, dass die Lösungen PT -symmetrisch sind und der Realteil des Potentials verschwindet. Mit den Anschlussbedingungen (2.1) und (2.2)
erhält man nämlich
lim ∂x |ψ(x)|2 − lim ∂x |ψ(x)|2
x↓b
x↑b
0
0
= lim ψ (x) ψ(x) + ψ(x) ψ (x) − lim ψ 0 (x) ψ(x) + ψ(x) ψ (x)
x↓b
0
x↑b
0
0
= ψ(b) lim ψ (x) − lim ψ (x) + ψ(b) lim ψ (x) − lim ψ (x)
x↓b
0
x↑b
0
= ψ(b) · s+ ψ(b) + ψ(b) · s+ ψ(b)
x↓b
x↑b
= 2 Re(s+ ) |ψ(b)|2
(2.3)
und analog
lim ∂x |ψ(x)|2 − lim ∂x |ψ(x)|2 = 2 Re(s− ) |ψ(−b)|2 .
x ↓ −b
x ↑ −b
(2.4)
Da in diesem Abschnitt sr = 0 vorausgesetzt wird, gilt Re(s+ ) = Re(s− ) = 0
und damit ist das Betragsquadrat stetig differenzierbar.
Für die in Abb. 2.4 dargestellten Zustände gilt, dass jeweils nur eine Bifurkation durchlaufen wird. Dies ist jedoch im Allgemeinen nicht der Fall. Dies
und weitere Diskussionen des Falles sr = 0 ist auch in [13] zu finden.
2.4 Ergebnisse für „gemischte“ Störungen
Bislang wurde nur der Fall berücksichtigt, dass entweder der gerade oder der
ungerade Teil der Störung null ist. Sind jedoch beide Teile der Störung ungleich
null, so treten weitere Effekte auf.
Wählt man die Parameter si 6= 0 und b fest und variiert sr , so können in
diesem Fall auch Bifurkationen und eine Berechnung der PT -Symmetrie auftreten. In Abb. 2.6 sind die niedrigsten Eigenwerte eines solchen Spektrums
dargestellt. Dabei führen die Eigenwerte für n = 3 und n = 4 eine Bifurkation
durch. Außerdem ist bemerkenswert, dass der Zustand mit Quantenzahl n = 0
stets reell bleibt und für sr → ∞ gegen einen (endlichen) Grenzwert strebt.
Dagegen werden die Realteile der Eigenwerte der Zustände mit n = 1, 2 beliebig
klein. Zudem sind deren Eigenwerte komplex (für sr = 0 wurde dies schon in
21
2 Numerische Behandlung
12
10
Re(µ0 )
Re(µ1 )
Re(µ2 )
Re(µ3 )
Re(µ4 )
Re(µ5 )
Im(µ0 )
Im(µ1 )
Im(µ2 )
Im(µ3 )
Im(µ4 )
Im(µ5 )
8
µ
6
4
2
0
−2
0
5
10
sr
15
20
Abbildung 2.6: Eigenwerte µ bei Variation des Parameters sr . Dabei
sind si = 3,0 und b = 1,0 fest gewählt. Im Gegensatz zu einer rein reellen,
geraden Störung, treten in diesem Fall auch Bifurkationen auf.
Abb. 2.4 beobachtet) und der Betrag des Imaginärteils strebt ebenfalls gegen
unendlich (für große Werte sogar scheinbar linear).
Eine weitere Besonderheit ist in Abb. 2.7 dargestellt. Es ist zu erkennen,
dass die zwei niedrigsten Eigenwerte eine Bifurkation durchlaufen, wonach sie
komplex werden. Die Beträge der jeweiligen Imaginärteile werden nach der Bifurkation bei zunehmender Störstärke zuerst größer, nehmen dann aber wieder
ab und werden bei einer gewissen Störstärke wieder reell. An genau diesem
Punkt durchlaufen sie jedoch wieder eine Bifurkation, wobei hier neben den
beiden bisher betrachteten auch der dritt-kleinste Eigenwert an der Bifurkation beteiligt ist. Ferner sieht man in Abb. 2.7, dass an diesem Punkt alle drei
Wellenfunktionen zusammenfallen. Daher handelt es sich bei diesem Punkt um
einen exzeptionellen Punkt dritter Ordnung.
Weiter ist zu bemerken, dass der exzeptionelle Punkt dritter Ordnung kein
isolierter Punkt im Parameterraum (sr , si , b) ist: Ändert man einen der drei
Parameter, so lassen sich die beiden übrigen so variieren, dass man wieder
einen exzeptionellen Punkt dritter Ordnung erhält. Dies deutet darauf hin,
dass im PT -symmetrischen Fall nur zwei Kontrollparameter nötig sind, um
einen exzeptionellen Punkt dritter Ordnung zu erhalten.
22
2.4 Ergebnisse für „gemischte“ Störungen
7
Re(ψ(x))
Im(ψ(x))
|ψ(x)|2
6
5
4
µ
3
2
Re(µ0 )
Re(µ1 )
Re(µ2 )
Im(µ0 )
Im(µ1 )
Im(µ2 )
1
0
−1
−2
0
1
2
3
4
si
5
6
7
8
−2
0
x
2
4
Abbildung 2.7: Exzeptioneller Punkt dritter Ordnung. Links sind die
drei niedrigsten Eigenwerte für eine Störung mit den Parametern sr = 0,45
und b = 0,977 in Abhängigkeit von si dargestellt. Auf der rechten Seite
sind die drei jeweiligen Eigenfunktionen dargestellt für si = 2,78 (nahe des
exzeptionellen Punktes dritter Ordnung).
23
2 Numerische Behandlung
2.5 Anzahl der Kontrollparameter
Wie in den vorigen Abschnitte 2.3 und 2.4 schon bemerkt wurde, genügt im
PT -symmetrischen Fall u. U. die Variation eines Kontrollparameters, um einen
exzeptionellen Punkt zweiter Ordnung, bzw. die Variation zweier Kontrollparameter, um einen exzeptionellen Punkt dritter Ordnung zu erhalten. In den
nicht PT -symmetrischen Systemen waren jedoch stets zwei Kontrollparameter
nötig um einen EP2 zu erhalten. Heiss gibt sogar an, dass zur Erzeugung eines
EPN (zumindest für komplex symmetrische Matrizen) (N 2 + N − 2)/2 reelle Parameter nötig seien, siehe [2a]. Damit wären jedoch für einen EP2 zwei
Kontrollparameter nötig und für einen EP3 sogar fünf. Dies lässt darauf schließen, dass in PT -symmetrischen Systemen i. Allg. weniger Kontrollparameter
notwendig sind.
Um dies genauer zu untersuchen, soll nochmals das PT -symmetrische zweidimensionale Matrixmodell aus Abschnitt 1.5 betrachtet werden für den Spezialfall ai 6= 0. Mit den Bezeichnungen ar = Re(a), ai = Im(a) usw. lautet Bedingung (1.26) für das Auftreten eines exzeptionellen Punktes
(ar − dr )2 + 4 br cr − bi ci − a2i = 0
(2.5)
und Bedingung (1.24) für die PT -Symmetrie entsprechend
ai (dr − ar ) − br ci − bi cr = 0 .
(2.6)
Letztere kann in diesem Fall nach ar − dr aufgelöst werden. Damit lautet Gleichung (2.5)
(br ci + bi cr )2 + 4 a2i br cr − bi ci − a2i = 0 .
(2.7)
Dies kann als eine quadratische Gleichung in den Variablen br , bi , cr , ci und a2i
betrachtet werden. Die Existenz einer (reellen) Lösung für eine dieser Variablen
hängt nur von dem Vorzeichen der jeweiligen Diskriminante D ab. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese stetig von den anderen Variablen abhängt. Ist damit
aber D > 0 für einen gewissen Wert der anderen Variablen, so auch in einer
Umgebung des selbigen – und es existieren zwei Lösungen in eben dieser Umgebung. Zudem fällt jedoch auf, dass Gleichung (2.7) nicht von ar abhängt.
Dadurch ist das Auftreten des exzeptionellen Punktes nicht von diesem Parameter abhängig.
Dies bedeutet, dass für ein PT -symmetrisches System i. Allg. die Variation eines Kontrollparameters ausreicht, um einen EP2 zu erzwingen. Mithilfe
eines zweiten Kontrollparameters kann höchstens bestimmt werden, ob das
24
2.5 Anzahl der Kontrollparameter
System überhaupt einen exzeptionellen Punkt zweiter Ordnung besitzt oder
nicht. Dabei muss dieser zweite Parameter jedoch nicht genau bestimmt sein:
Es genügt, dass er in einem bestimmten Bereich liegt. Zudem gibt es auch
Kontrollparameter, die keinerlei Einfluss auf das Auftreten von exzeptionellen
Punkten besitzen.5
Betrachte nun noch einmal den allgemeineren Fall eines exzeptionellen Punktes N -ter Ordnung. Da Ähnlichkeitstransformationen die Normalform der Matrix nicht ändern, ist es sinnvoll, für die Diskussion der Anzahl an Kontrollparametern charakteristische Größen von Matrizen zu betrachten, die invariant
unter Ähnlichkeitstransformation sind. Eine ebensolche Größe ist das charakteristische Polynom. Um dieses so zu beeinflussen, dass N Eigenwerte aufeinanderfallen bzw. dieses die Form (λ−λ0 )N besitzt, sind im allgemeinen komplexen
Fall 2N − 2 Parameter nötig (denn zwei Kontrollparameter ändern nur den
Wert von λ0 ). Im PT -symmetrischen Fall ist das charakteristische Polynom
jedoch stets reell, sodass sich die Parameterzahl auf N − 1 verringert (aus der
Forderung, dass das charakteristische Polynom reell ist, erhält man N − 1 „zusätzliche Bedingungen“). In diesen Überlegungen wurde bisher allerdings nur
die algebraischen Vielfachheit berücksichtigt, nicht jedoch die geometrische.
In Anbetracht der obigen Diskussion ist zu vermuten, dass weitere Parameter
nicht exakt gewählt werden müssen, um das System zum exzeptionellen Punkt
zu bringen, sondern „nur“ in einem bestimmten Bereich liegen müssen. Eine
genauere, mathematische Untersuchung dieses Sachverhaltes wäre jedoch ein
Thema für folgende Arbeiten.
5
Genau genommen müssten für die Aussagen, die in diesem Absatz gemacht wurden, auch
noch der Fall ai = 0 und die Abhängigkeit von dr bzw. ar betrachtet werden. Darauf wird
hier jedoch verzichtet.
25
3 Grundlagen der Funktionalanalysis
Ziel dieses Kapitels ist es, die Grundlagen der Funktionalanalysis, welche für die
störungstheoretische Behandlung des harmonischen Oszillators in Abschnitt 4.1
benötigt werden, knapp darzustellen. Für eine ausführlichere Diskussion sei auf
einschlägige Literatur verwiesen, z. B. [17–20].
3.1 Hilberträume
Betrachte einen Vektorraum H über C. Eine Abbildung ( · , · ) : H × H → R
heißt Skalarprodukt, wenn sie hermitesch, positiv definit und linear im ersten
Argument ist:
(v, w) = (w, v) ,
(v, v) ≥ 0 und (v, v) = 0 ⇔ v = 0 ,
(v, α1 w1 + α2 w2 ) = α1 (v, w1 ) + α2 (v, w2 )
(3.1)
(3.2)
(3.3)
für alle v, w, w1 , w2 ∈ H und alle α1 , α2 ∈ C. Damit ist eine Skalarprodukt auch
sesqui-linear:
(α1 v1 + α2 v2 , w) = α1 (v1 , w) + α2 (v2 , w) .
(3.4)
Ferner wird über kvk = (v, v)1/2 eine Norm induziert. Eine Norm auf H nennt
man eine Abbildung k · k : H → R, die definit und homogen ist und die Dreiecksungleichung erfüllt:
kvk ≥ 0 und kvk = 0 ⇔ v = 0 ,
kαvk = |α| kvk ,
kv + wk ≤ kvk + kwk
(3.5)
(3.6)
(3.7)
für alle v, w ∈ H und alle α ∈ C.
Sei nun H ein Vektorraum über C und ( · , · ) eine Skalarprodukt auf H. Eine
Folge (vn ) in H ist eine Cauchy-Folge, wenn sie die Bedingung
∀ε > 0 ∃N ∈ N : n, k > N ⇒ kvn − vm k < ε
(3.8)
27
3 Grundlagen der Funktionalanalysis
erfüllt. Ferner nennt man (vn ) konvergent, wenn ein Element v ∈ H (genannt
Grenzwert) existiert, sodass
∀ε > 0 ∃N ∈ N : n > N ⇒ kvn − vk < ε .
(3.9)
Man erkennt leicht, dass jede konvergente Folge eine Cauchy-Folge ist. Diejenigen Räume H, in denen auch die Umkehrung gilt (d. h. jede Cauchy-Folge ist
auch konvergent), nennt man Hilberträume.
Eine weitere wichtige Eigenschaft ist die Separabilität: Einen Vektorraum
nennt man separabel, wenn er eine abzählbare dichte Teilmenge M besitzt, d. h.,
wenn jedes Element v ∈ H beliebig genau durch ein Element w der abzählbaren
Menge M ∈ H approximiert werden kann. Im folgenden sollen stets separable
Hilberträume betrachtet werden.
Die lineare Hülle einer Menge M ⊂ H ist definiert als
lsp M =
nXn
o
α mi n ∈ N, αi ∈ C, mi ∈ M .
i=0 i
(3.10)
Eine Familie (vn )n∈N nennt man eine Basis von H, wenn der Abschluss ihrer
linearen Hülle gleich dem gesamten Hilbertraum H ist. Eine besondere Rolle
spielen Orthonormalbasen: Dies sind (abzählbare) Familien (vn )n∈N , welche
eine Basis bilden und (vn , vm ) = 0 sowie (vn , vn ) = 1 für alle n 6= m für alle n
erfüllen. Orthonormalbasen geben die Möglichkeit der Fourier-Zerlegung: Für
all w ∈ H ist
w=
(v , w) vn
n n
X
und kwk =
X
n
|(vn , w)|2 .
(3.11)
Letztere Gleichung ist als Parseval-Gleichung bekannt. Man bemerke, dass
jeder separable Hilbertraum eine solche Orthonormalbasis besitzt.
Beispiele für Hilberträume sind die Räume L2 (Ω) und `2 (N). Dies sind die
Räume aller quadratintegrierbaren Funktionen auf Ω bzw. aller quadratsummierbaren Folgen. Es kann gezeigt werden, dass jeder Hilbertraum isomorph
ist zu `2 (N). Der Isomorphismus ist dabei durch die Fourierzerlegung mittels
einer beliebigen Orthonormalbasis (vn )n∈N von H gegeben:
H → `2 (N) : w 7→ ( (vn , w) )n∈N
(3.12)
(vgl. Gleichung (3.11)).
3.2 Beschränkte Operatoren
Eine Operator T ist eine lineare Abbildung H → H, d. h. er erfüllt die Gleichungen
T (α1 v1 + α2 v2 ) = α1 T v1 + α2 T v2 .
28
(3.13)
3.2 Beschränkte Operatoren
Mit dieser Definition folgt sofort, dass ein Operator genau dann (folgen-)stetig
ist, wenn wenn er im Nullpunkt (folgen-)stetig ist.
Einen linearen Operator T nennt man beschränkt, wenn eine positive reelle
Zahl b existiert, sodass für alle v ∈ H
(3.14)
kT vk ≤ b kvk
ist. Das Infimum über alle solche b ist die Operatornorm von T :
kT k = inf{b > 0 | kT vk ≤ b kvk ∀v ∈ H} .
(3.15)
Aus der Linearität folgt, dass ein Operator genau dann stetig ist, wenn er
beschränkt ist.
Einen beschränkten Operator nennt man invertierbar, wenn die Inverse T −1
existiert. Diese ist der Operator, welcher die Gleichung T T −1 v = T −1 T v = v
für alle v ∈ H erfüllt. Existiert die Inverse, so ist sie eindeutig bestimmt und
erfüllt folgende Gleichungen:
(T −1 )−1 = T ,
(T1 T2 )−1 = T2−1 T1−1
und (αT )−1 = α−1 T −1 .
(3.16)
Der adjungierte Operator T ∗ von T ist definiert als derjenige Operator,
für welchen die Gleichung (v, T w) = (T ∗ v, w) für alle v, w ∈ H erfüllt ist.
Jeder beschränkte Operator besitzt eine (eindeutig bestimmte) Adjungierte.
Es gilt kT k = kT ∗ k sowie
(T ∗ )∗ = T ,
(T1 T2 )∗ = T2∗ T1∗
und (α1 T1 + α2 T2 )∗ = α1 T1∗ +α2 T2∗ . (3.17)
Ist T invertierbar, so ist auch der adjungierte Operator T ∗ invertierbar und es
ist (T ∗ )−1 = (T −1 )∗ .
Neumann-Reihe
Die Neumann-Reihe [20, Kap. I.4.4.] liefert ein nützliches Hilfsmittel zur Berechnung der Inversen eines Operators. Betrachte einen beschränkten Operator T
mit kT k < 1. Dann gilt
X
k
n
n=0 T
−
Xl
T
n=0
n
=
X
k
n
n=l+1 T ≤
und aus der Konvergenz der geometrischen Reihe
P
der Reihe n T n . Ferner erhält man
(I − T )
Xk
T nx =
n=0
Xk
T n (I
n=0
k+1
=x−T
− T )x
Xk
n=l+1
n kT k
P
kT kn
n
(3.18)
folgt die Konvergenz
x −→ x für k → ∞ .
(3.19)
29
3 Grundlagen der Funktionalanalysis
Dies zeigt, dass der Operator I − T invertierbar ist, wobei die Inverse gegeben
P
ist durch n T n .
Eine Verallgemeinerung erhält man, wenn man zwei beschränkte Operatoren T und S betrachtet, wobei S invertierbar und kT S −1 k < 1 ist. In diesem
Fall gilt:
(S − T )−1 = S −1 (I − T S −1 )−1 = S −1
X
n
(T S −1 )n
= S −1 + S −1 T S −1 + S −1 T S −1 T S −1 + . . .
(3.20)
3.3 Unbeschränkte Operatoren
Die Praxis zeigt jedoch, dass es nicht ausreicht, beschränkte Operatoren zu
betrachten. Der Ortsoperator der Quantenmechanik,
ψ(x) 7→ x ψ(x) ,
(3.21)
kann in L2 (R) nicht beschränkt sein: Für die Funktionen φn mit
φn (x) =

1
für n < x < n + 1 und
0 sonst
(3.22)
gibt es keine reelle Zahl b, sodass Gleichung (3.14) für alle φn erfüllt wird.
Genauso ist der Harmonische Oszillator unbeschränkt: Dieser besitzt die Eigenwerte ~ω (n + 1/2); die Norm muss aber mindestens so groß sein, wie der
Betrag jedes Eigenwertes. Des weiteren ist auch der Impulsoperator
ψ(x) 7→ −i~ ∂x ψ(x)
(3.23)
in L2 (R) unbeschränkt: Dieser lässt sich nur für die stetig differenzierbaren
Funktionen definieren, nicht jedoch für beliebige Funktionen. Außerdem gibt
es nach [18, Theorem 3.10.6] keine beschränkte Operatoren P und Q, die die
Kommutatorrelation
[P, Q] = P Q − QP = αI
(3.24)
für ein α ∈ C \ {0} erfüllt. Daher soll in diesem Abschnitt kurz auf unbeschränkte Operatoren eingegangen werden. Ausführliche Darstellungen findet
man z. B. in [18, Kap. 3] oder [21, Kap. VIII.].
Unbeschränkte Operatoren T sind (siehe oben) i. d. R. nicht auf ganz H
definiert, sondern nur auf einem Teilraum. Dieser wird das Definitionsgebiet von T genannt und mit D(T ) bezeichnet. Die Menge aller Bilder ist
30
3.4 Resolvente und Spektrum
der Bildraum R(T ) = T D(T ). Der Nullraum von T ist die Menge N(T ) =
{v ∈ D(T ) | T v = 0}.
Anstelle des fehlenden Stetigkeitsbegriffes tritt für unbeschränkte Operatoren
der Begriff der Abgeschlossenheit. Ein Operator T ist abgeschlossen, wenn sein
Graph {(v, T v) ∈ H × H | v ∈ D(T )} eine abgeschlossene Teilmenge von H ×
H ist. Dies ist äquivalent dazu, dass für jede Folge (vn ) in H mit vn → v
und T vn → w auch v ∈ D(T ) und T v = w gilt.
3.4 Resolvente und Spektrum
Betrachte einen (beschränkten oder unbeschränkten) Operator T . Die Resolventenmenge ρ(T ) von T ist definiert als die Menge aller λ ∈ C, für die
das Bild R(λI − T ) dicht in H liegt und der Operator λI − T stetig invertierbar ist. Die Inverse (λI − T )−1 wird als Resolvente R(λ, T ) bezeichnet. Das Spektrum σ(T ) ist die Komplementärmenge der Resolventenmenge:
σ(T ) = C \ ρ(T ).
Das Spektrum lässt sich in mehrere Teile aufteilen. Das diskrete Spektrum σp (T ) besteht aus den Punkten λ, für die λI − T nicht invertierbar
ist, also der Kern N(λI − T ) nicht leer ist. Dies bedeutet, dass die Eigenwertgleichung
T v = λv
(3.25)
eine nicht triviale Lösung besitzt. Eine solche Lösung nennt man Eigenvektor,
den zugehörigen Wert λ Eigenwert und den Unterraum N(λI − T ) Eigenraum.
Das stetige Spektrum σc (T ) ist die Menge der komplexen Zahlen λ, für die
das Bild R(λI − T ) zwar dicht ist, aber nicht abgeschlossen. Für abgeschlossene
Operatoren ist damit auch die Inverse (λI − T )−1 – sofern sie existiert – nicht
beschränkt.
Das diskrete und stetige Spektrum bilden zusammen den Kern σ̂(T ) des
Spektrums: σ̂(T ) = σp (T ) ∪ σc (T ). Den letzten Teil des Spektrums bildet das
Residualspektrum σr (T ) = σ(T ) \ σ̂(T ). Für λ ∈ σr (T ) liegt das Bild R(λI −T )
nicht dicht in H. Das Residualspektrum σr (T ) ist disjunkt zum Kern σ̂(T ) des
Spektrums.
3.5 Spezielle Klassen beschränkter Operatoren
In diesem Abschnitt wird auf ein paar besondere Klassen von beschränkten
Operatoren eingegangen, die später eine Rolle spielen.
31
3 Grundlagen der Funktionalanalysis
3.5.1 Kompakte Operatoren
Ein beschränkter Operator T ist kompakt, wenn der Abschluss des Bildes T B
der Einheitskugel B = {v ∈ H | kvk ≤ 1} kompakt ist. Eine äquivalente Charakterisierung ist diejenige, dass die Bildfolge (T vn ) einer beliebigen Folge (vn )
eine Teilfolge besitzt, welche eine Cauchy-Folge ist.
Das Spektrum kompakter Operatoren besitzt eine sehr einfache Struktur:
Nach dem Spektralsatz von Riesz-Schauder besteht es aus abzählbar vielen
Punkten, wobei 0 der einzig mögliche Häufungspunkt ist; zudem ist jeder
Punkt λ 6= 0 im Spektrum ein Eigenwert mit endlichdimensionalem Eigenraum
(vgl. [17, Kap. X], [18, Kap. 3.9] oder [20, Kap. III.6.7.]).
Für kompakte Operatoren T , die zusätzlich selbstadjungiert sind (also T = T ∗
gilt), lassen sich noch genauere Aussagen treffen: Für diese ist jeder Eigenwert
reell und es existieren orthonormierte Vektoren vk , sodass
Tv =
X
k
λk (vk , v) vk ,
(3.26)
gilt. Dabei ist jedes vk ein Eigenvektor von T zum Eigenwert λk .
Mit Gleichung (3.17) sieht man, dass jeder beliebige kompakte Operator die
Gleichung T ∗ T = T T ∗ erfüllt. Somit lässt sich insbesondere T ∗ T über Gleichung (3.26) darstellen:
T ∗T v =
X
k
λk (vk , v) vk .
(3.27)
Außerdem gilt λk = (vk , T ∗ T vk ) = (T vk , T vk ) = kT vk k, sodass alle Eigenwer1/2
te λk nicht negativ sind. Damit lassen sich die Singulärwerte σk = λk einführen. Mit diesen gilt
T ∗T v =
X
k
σk2 (vk , v) vk ,
σk ≥ 0 .
(3.28)
Dann sind auch die Vektoren wk = σk−1 T vk orthonormiert [20, Kap. V.2.3.]
und T lässt sich mithilfe der Schmidt-Reihe
Tv =
X
k
σk (vk , v) wk
(3.29)
darstellen. Damit besitzen kompakte Operatoren eine große Ähnlichkeit zu
(endlichdimensionalen) Matrizen.
3.5.2 Schattenklassen
Eine wichtige Klasse von kompakten Operatoren sind die SchattenklassenOperatoren. Die Schattenklassen besitzen dabei ähnliche Eigenschaften wie die
`p -Räume. Eine genaue Diskussion der Schattenklasse ist in [22] zu finden.
32
3.5 Spezielle Klassen beschränkter Operatoren
Für jeden kompakten Operator T lässt sich mithilfe seiner Singulärwerte σk
für 1 ≤ p < ∞ folgende Norm einführen:
kT kSp =
X
σp
k k
1/p
(3.30)
.
Die Räume Sp = {T : H → H | T kompakt und kT kSp < ∞} heißen Schattenklassen und sind mit der Norm k · kSp Banachräume.
Die Normen erfüllen dabei die Hölder-Ungleichung: Ist S ∈ Sp und T ∈ Sq
(mit p, q ≥ 1), so gilt
kST kSr ≤ kSkSp kT kSq
für
1
1 1
= + ≤1
r
p q
(3.31)
und damit liegt ST in Sr . Außerdem folgt aus obiger Definition (3.30) der
Norm und den entsprechenden Eigenschaften der `p -Normen, dass für alle p, q
mit 1 ≤ p ≤ q die Ungleichung kT kSp ≥ kT kSq für alle T ∈ Sq gilt und damit Sp ⊂ Sq ist. Daher kann die Bedingung 1/r = 1/p + 1/q in Gleichung (3.31)
durch die schwächere Bedingung 1/r ≤ 1/p + 1/q ersetzt werden. Außerdem
gilt stets kT k ≤ kT kSq , was sich mithilfe der Schmidt-Zerlegung (3.29) leicht
nachprüfen lässt.
Da stets 1/p ≤ 1/p + 1/p gilt, erhält man für alle S, T ∈ Sp aus der HölderUngleichung
kST kSp ≤ kSkSp kT kSp .
(3.32)
Dies bedeutet, dass die Schattenklassen Sp mit der Komposition von Operatoren Banachalgebren bilden.
Eine weitere Besonderheit ist, dass die Schattenklassen zweiseitige Ideale in
der Banachalgebra der beschränkten Operatoren darstellen. Das heißt, mit T1
und T2 liegt auch T1 + T2 in Sp und mit T auch ST sowie T S für jeden
beschränkten Operator S (außerdem gilt weder Sp = {0} noch Sp = B, wenn B
die Menge der beschränkten Operatoren bezeichnet). Des weiteren gilt für alle
beschränkten Operatoren S1 und S2 und alle T ∈ Sp die Ungleichung
kS1 T S2 kSp ≤ kS1 k kT kSp kS2 k
(3.33)
und für jeden Operator T von Rang eins ist kT kSp = kT k.
Ferner lässt sich für Operatoren T aus S1 die Spur
trace T =
X
n
(vn , T vn )
(3.34)
33
3 Grundlagen der Funktionalanalysis
definieren, wobei (vn )n∈N eine Orthonormalbasis von H ist. Diese konvergiert
absolut und ist unabhängig von der gewählten Basis (vn )n∈N . Damit gilt dann
kT kS1 = trace |T | ,
(3.35)
wobei |T | derjenige (eindeutig bestimmte) Operator ist, welcher |T |2 = T ∗ T
erfüllt. Daher nennt man die Operatoren aus S1 Spurklasseoperatoren.
Die Operatoren aus S2 heißen auch Hilbert-Schmidt-Operatoren. Mit dem
Skalarprodukt (S, T )S2 = trace (T ∗ S) bilden sie einen Hilbertraum.
34
4 Störungstheoretische Behandlung des
harmonischen Oszillators mit singulären
Störungen
In diesem Kapitel wird der Harmonische Oszillator mit singulären Störungen störungstheoretisch behandelt. Dabei werden die Eigenwerte µ der Gleichung (1.1) mithilfe einer Störungsreihe bestimmt. Im ersten Abschnitt werden
die grundlegenden Schritte vorgestellt, die zur Herleitung der Störungsreihe
nach [12] nötig sind. Danach werden die Terme niedrigster Ordnung berechnet
und in Abschnitt 4.3 die Approximation aus [12b] vorgestellt. Zuletzt wird
untersucht, welche Aussagen über das Spektrum mithilfe der Störungsreihe
gemacht werden können.
4.1 Herleitung der Störungsreihe
Mathematische Formulierung des Problems
Bevor die Herleitung der Störungsreihe gezeigt wird, soll zuerst die mathematische Formulierung des Problems in der Sprache der Funktionalanalysis
dargestellt werden. Dabei wird die Differentialgleichung (1.1) als Eigenwertgleichung eines Operators auf dem Raum L2 (R) der quadratintegrierbaren
Funktionen f : R → C aufgefasst. Der Harmonische Oszillator ist dabei gegeben durch den Operator L0 mit
d
(L0 ψ)(x) = −
dx
!2
ψ(x) + x2 ψ(x) .
(4.1)
Sein Spektrum ist diskret und besteht nur aus dem Punktspektrum. Es enthält
die Werte zn = 2n + 1, n ∈ N, mit den dazugehörigen Eigenfunktionen
√ −1/2
hn (x) = 2n n! n
exp(−x2 /2) Hn (x) ,
(4.2)
wobei Hn die Hermite-Polynome bezeichnen. Diese sind gegeben durch die
Rodrigues-Formel
d
Hn (x) = (−1) exp(x )
dx
n
2
!n
exp(−x2 ) .
(4.3)
35
4 Störungstheoretische Behandlung
Der Harmonische Oszillator wird nun gestört durch den Operator W mit
(W ψ)(x) = (s+ δ(x − b) + s− δ(x + b)) ψ(x) ,
(4.4)
sodass man den Operator L = L0 + W erhält mit
d
(Lψ)(x) = −
dx
!2
ψ(x) + x2 ψ(x) + (s+ δ(x − b) + s− δ(x + b)) ψ(x) . (4.5)
Analog zu Abschnitt 1.1 lässt sich der Operator W in seinen geraden Anteil Wg
und seinen ungeraden Anteil Wu zerlegen:
(Wg ψ)(x) = sg (δ(x − b) + δ(x + b)) ψ(x) und
(Wu ψ)(x) = su (δ(x − b) − δ(x + b)) ψ(x)
(4.6)
(4.7)
mit W = Wg + Wu .
Es ist jedoch einfacher, die eigentliche Rechnung nicht mit der obigen Darstellung der Operatoren durchzuführen, sondern in der Eigenbasis (hn )n∈N des
ungestörten Harmonischen Oszillators. Über eine Fourier-Transformation (siehe
Abschnitt 3.1) kann man zu Operatoren auf `2 (N) übergehen, die im Folgenden wieder mit den gleichen Symbolen bezeichnet werden. Dabei gilt für den
Harmonischen Oszillator
L0 hn = zn hn
mit zn = (2n + 1), n ∈ N .
(4.8)
Die Matrixelemente W (n, k) des Operators W sind dann gegeben durch
W (n, k) = (hn , W hk )
=
Z
R
hn (x) (s+ δ(x − b) + s− δ(x + b)) hk (x)dx
= s+ hn (b) hk (b) + s− hn (−b) hk (−b) .
(4.9)
Mit der Definition an = hn (b) erhält man nach Ausnutzung der Symmetrieeigenschaft hn (x) = (−1)n hn (x)
sowie
Wg (n, k) =
und

2 s
g
an ak
0

0
Wu (n, k) = 
36
W (n, k) = s+ + (−1)n+k s− an ak
2 s u an ak
(4.10)
für n + k gerade,
für n + k ungerade
(4.11)
für n + k gerade,
für n + k ungerade.
(4.12)
4.1 Herleitung der Störungsreihe
Später wird es wichtig, das Verhalten der Matrixelemente W (n, k) zu kennen.
Diese fallen für n, k → ∞ ab, da der Betrag der Hermite-Funktionen abfällt.
Cramér’s Ungleichung [23] besagt, dass
|hn (x)| ≤ C n−1/4
(4.13)
ist, und damit folgt
|W (n, k)| ≤ (|s+ | + |s− |) |an ak |
≤ C 2 (|s+ | + |s− |) n−1/4 k −1/4 .
(4.14)
Jedoch genügt für das Folgende auch die schwächere Aussage (vgl. [24])
|hn (x)| ≤ C 0 (2n + 1)−1/12
(4.15)
und damit
|W (n, k)| ≤ C̃ (|s+ | + |s− |) (n + 1)−1/12 (k + 1)−1/12 .
(4.16)
Formulierung der Störungsreihe
Die Resolvente von L wird mit R(z) bezeichnet, diejenige von L0 mit R0 (z).
Nach Abschnitt 3.4 ist dabei R0 (z) definiert für z ∈ C \ {zn | n ∈ N}. Außerdem
ist R0 (z) ein kompakter Operator mit
R0 (z)hn = (z − zn )−1 hn .
(4.17)
Ziel ist es nun, eine Reihe für die Resolvente R(z) analog zu Gleichung (3.20)
aus Abschnitt 3.2 aufzustellen:1
R(z) = (z I − L0 − W )−1
= R0 (z) + R0 (z)W R0 (z) + R0 (z)W R0 (z)W R0 (z) + . . .
(4.18)
Die Konvergenz dieser Reihe wird auf dem Gebiet
G = {z ∈ C | Re z ≥ 2N∗ + 2, z ∈
/ Dk ∀k}
(4.19)
gezeigt, wobei N∗ ∈ N später festzulegen ist und Dk die „Kästchen“
Dk = {z ∈ C | |Re(z − zk )| ≤ 1/2, |Im(z)| ≤ 1/2}
1
(4.20)
Da W ein unbeschränkter Operator ist, folgt die Konvergenz der Reihe nicht aus Gleichung (3.20), sondern muss explizit bewiesen werden.
37
4 Störungstheoretische Behandlung
der Breite 1 um zn bezeichnet.
Konvergenz der Störungsreihe
Um die Konvergenz der Reihe (4.18) zu zeigen, wird zuerst die Resolvente R0 (z)
geschrieben als Produkt K(z)K(z) mit dem Operator
K(z)hn = (z − zn )−1/2 hn
für z ∈ C \ R.
(4.21)
Ein Vergleich mit Gleichung (3.29) liefert, dass diese Form schon der SchmidtZerlegung entspricht (bis auf jeweils eine Phase). Zudem zeigt ein Vergleich mit
der Definition von k · kSp (Gleichung (3.30)), dass K(z) in Sp liegt für p > 2
S
(zumindest unter
√ der Voraussetzung z ∈ C \ k Dk ). Es lässt sich z. B. zeigen,
dass kK(z)k ≤ 2 und kK(z)kS4 ≤ 11/5 ist [12a, Absatz 2.4].
Die Reihe (4.18) kann nun folgendermaßen geschrieben werden:
R(z) = R0 (z) +
X
k≥1
K(z) (K(z)W K(z))k K(z) .
(4.22)
Ferner kann für den Operator K(z)W K(z) eine explizite Darstellung angegeben
werden. Es ist:
mit
K(z)W K(z) = s+ (g+ , · ) g+ + s− (g− , · ) g−
(4.23)
hk (±b) (z − zk )−1/2 hk .
(4.24)
g± =
X
k
Dies ist aber (bis auf eine Phase) die Schmidt-Zerlegung (3.29) des Operators K(z)W K(z), sodass man
kK(z)W K(z)kS1 = |s+ | kg+ k2 + |s− | kg− k2
(4.25)
erhält. Daraus folgt K(z)W K(z) ∈ S1 – und wegen k · kS2 ≤ k · kS1 (siehe Abschnitt 3.5.2) auch K(z)W K(z) ∈ S2 . Nach [12a] gilt die Grenze
kK(z)W K(z)kS1 ≤ C̃ (|s+ | + |s− |) n−1/6 .
(4.26)
Für eine etwas allgemeinere Störung W , deren Matrixelemente W (n, k) der
Ungleichung
|W (n, k)| ≤ C0 (1 + n)−α (1 + k)−α
mit α > 0
(4.27)
genügen, wird in [12a] die obere Grenze
kK(z)W K(z)kS2 ≤ C0 M (α) ln (en) n−2α
38
(4.28)
4.1 Herleitung der Störungsreihe
hergeleitet mit
M (α) = 6 +
4
1
+
.
3 (1 − 2α) 3α
(4.29)
Da dies der allgemeinere Fall ist, wird im Folgenden dieser verwendet (für das
Doppel-δ-Potential ist diese Abschätzung mit α = 1/12 für große n auch gültig,
ist aber schwächer als (4.25)).
Nun lassen sich die Normen der einzelnen Summanden aus der Reihe (4.18)
bzw. (4.22) abschätzen: Mit den Hölder-Ungleichungen (3.31) und (3.32) ist
nämlich
kK(z) (K(z)W K(z))k K(z)kS1
≤ kK(z)kS4 kK(z)W K(z)kkS2 kK(z)kS4
≤ (11/5)2 C0 M (α) ln (en) n−2α
k
(4.30)
.
Da jedoch ln (en) n−2α für α > 0 eine Nullfolge bildet, lässt sich ein N∗ ∈ N
finden, sodass
C0 M (α) ln (en) n−2α ≤ 1 für alle n > N∗
(4.31)
gilt. Für das Doppel-δ-Potential genügt z. B. die Wahl
6
N∗ = D∗ (|s+ | + |s− |) ln (1 + |s+ | + |s− |)
,
(4.32)
siehe [12a, Theorem 4.1]. Dann kann für die Störungsreihe (4.22) die Reihe der
Normen der Summanden durch eine geometrische Reihe abgeschätzt werden.
Dies zeigt die Konvergenz der Störungsreihe in der S1 -Norm.
Berechnung der Eigenwerte
Für den harmonischen Oszillator L0 können die entsprechenden Eigenwerte
und Eigenräume mit der Resolvente R0 (z) berechnet werden: Der Projektor
auf den Eigenraum des n-ten Eigenvektor erfüllt
P0n =
1 Z
R0 (z) dz ,
2πi γn
(4.33)
wohingegen der n-te Eigenvektor selbst
1 Z
zn = trace
z R0 (z) dz
2πi γn
(4.34)
erfüllt, wobei γn eine Kurve beschreibt, welche den n-ten Eigenwert einmal
umkreist, aber sonst keinen anderen.
39
4 Störungstheoretische Behandlung
Diese Aussage kann nun erweitert werden auf den gestörten Operator L.
Mityagin und Siegl haben in [11] entsprechende Aussagen hergeleitet für Störungen, für welche die Ungleichung |W (n, k)| ≤ C0 n−α k −α mit α > 0 erfüllt
ist. Dabei wurde gezeigt, dass der Rang der Projektoren
1 Z
R(z) dz
(4.35)
Pn =
2πi ∂Dn
für n > N∗ erhalten bleibt und damit die entsprechenden Eigenwerte λn nicht
entartet sind. Ferner bleibt der Rang des Projektors
1 Z
P− =
R(z) dz
(4.36)
2πi ∂D−
erhalten (d. h. er ist gleich N∗ ), wobei
D− = {z ∈ C | −h < Re z < 2N∗ + 2, |Im z| < h}
(4.37)
ein „Kästchen“ um die ersten N∗ Eigenwerte ist.
Damit folgt auch, dass für n > N∗ die Eigenwerte λn von L dargestellt werden
können als
1 Z
λn = trace
z R(z) dz .
(4.38)
2πi ∂Dn
Zusammen mit Gleichung (4.34) erhält man (da die Spurbildung linear ist)
λn = (2n + 1) + trace
1 Z
(z − zn ) (R(z) − R0 (z)) dz ,
2πi ∂Dn
(4.39)
sodass man nach Einsetzen der Reihe (4.18) eine entsprechende Reihe für die
Eigenwerte erhält:
λn = (2n + 1) +
mit
X
j≥1
Tj (n)
(4.40)
1 Z
(z − zn ) K(z) (K(z)W K(z))j K(z) dz .
(4.41)
2πi ∂Dn
Ferner folgt daraus sofort eine Aussage über die Größenordnung der Terme Tj (n) und damit auch über den Fehler der Reihe (4.40). Für Spurklasseoperatoren T gilt |trace T | ≤ trace |T | = kT kS1 und damit erhält man
Tj (n) = trace
1
|Tj (n)| ≤
|∂Dn | sup |z − zn | kK(z) (K(z)W K(z))j K(z)kS1
2π
z∈∂Dn
2 j
1
11
1
≤
·4· √ ·
· C0 M (α) ln (en) n−2α
2π
5
2
j
9
≤
C0 M (α) ln (en) n−2α .
(4.42)
4
40
4.1 Herleitung der Störungsreihe
Dies ergibt
λn = (2n + 1) +
mit
|rq (n)| ≤
X
1≤j≤q
Tj (n) + rq (n)
(4.43)
q+1
9
.
C0 M (α) ln (en) n−2α
4
(4.44)
Explizite Formel für die Terme Tj (n)
Da die Spurbildung eine stetige lineare Operation auf dem Raum der Spurklasse-Operatoren ist [12a, 25], erhält man:
trace
Z
∂Dn
=
(z − zn ) K(z) (K(z)W K(z))j K(z) dz
Z
∂Dn
(z − zn ) trace (K(z) (K(z)W K(z))j K(z)) dz .
(4.45)
Setzt man für K(z)K(z) wieder die ursprüngliche Größe R0 (z) ein, so ist
trace (K(z) (K(z)W K(z))j K(z))
= trace R0 (z)W R0 (z) · · · W R0 (z)
=
X X
g∈Nj−1
k
R0 (k, k) W (k, g1 ) R0 (g1 , g1 ) · · · W (gj−1 , k) R0 (k, k) ,
(4.46)
wobei im letzten Schritt die Matrixelemente der entsprechenden Operatoren
verwendet werden. Nach Einsetzen der Matrixelemente der Resolvente R0 folgt
Tj (n) =
mit
Jn,k (g) =
Y
j−1
X X
k
g∈Nj−1
W (gt , gt+1 ) Jn,k (g)
t=0
Y
1 Z
j
−1
)
(z − zn )
(z
−
z
dz
gt
t=0
2πi ∂Dn
(4.47)
(4.48)
und der Konvention g0 = gj = k.
Störungsreihe im PT -symmetrischen Fall
Mit der Konvention g0 = gj = k gilt zudem
Xj−1
t=0
(gt+1 − gt ) = 0 .
(4.49)
Daher ist die Zahl an ungeraden Differenzen gt+1 − gt gerade. Für jene gilt
W (gt , gt+1 ) = Wu (gt , gt+1 ), wohingegen man im Falle der geraden Differenzen
W (gt , gt+1 ) = Wg (gt , gt+1 ) erhält. Daher ist auch die Zahl an Matrixelementen Wu in allen Termen Tj (n) gerade. Nach Gleichungen (4.11) und (4.12) sind
41
4 Störungstheoretische Behandlung
jedoch im PT -symmetrischen Fall die geraden Matrixelemente Wg reell und
die ungeraden Matrixelemente Wu rein imaginär. Eine gerade Zahl an Faktoren Wu ergibt dann wieder eine reelle Zahl, sodass im PT -symmetrischen Fall
der gesamte Terme Tj (n) stets reell ist. Damit müssen auch die Eigenwerte λn
für n > N∗ reell sein.
4.2 Berechnung der Terme niedrigster Ordnung
4.2.1 Berechnung der Faktoren J
Um die Faktoren Jn,k (g) zu berechnen, werden sie zuerst in eine andere Form
gebracht:
Jn,k (g) = 2−(j−1) Kn (g̃)
(4.50)
g̃ = (k, g1 , g2 , . . . , gj−1 , k) ∈ Nj+1
+
(4.51)
mit
und
Kn (g) =
Yj+1
2j−1 Z
(z − zn ) t=0 (z − zgt )−1 dz .
2πi ∂Dn
(4.52)
Mit τn (g) = {t | gt = n} und τ̄n (g) = {t | gt 6= n} nebst Tn (g) = ]τn (g) − 2 =
(j − 1) − ]τ̄n (g) erhält man für Kn (g) den Ausdruck
Y
2j−1 Z
Kn (g) =
(z − zn )−1−Tn (g) t∈τ̄ (g) (z − zg )−1 dz .
n
2πi ∂Dn
(4.53)
Der Integrand ist holomorph auf Dn , wenn Tn (g) < 0 ist oder Tn (g) > 0
und τ̄n (g) = ∅, also Tn (g) = j − 1. In diesem Fall ergibt das Integral nach dem
Cauchy’schen Integralsatz null. Andernfalls folgt mit der verallgemeinerten
Cauchy’schen Integralformel
2j−1 dTn (g) Y
−1 Kn (g) =
(z
−
z
)
g
t
T
(g)
t∈τ̄ (g)
Tn (g)! dz n
z=zn
j−1
Tn (g)
Y
2
−1 −Tn (g) d
(j−1)−Tn (g)
2
2
(x − gt ) =
t∈τ̄ (g)
Tn (g)!
dxTn (g)
x=n
Tn (g) Y
1
d
=
(x − gt )−1 (4.54)
T
(g)
t∈τ̄
(g)
n
Tn (g)! dx
x=n
(wobei die Substitution z = 2x + 1 verwendet wurde).
Für 2 ≤ j ≤ 4 sind die mithilfe der Gleichungen (4.50) und (4.54) berechneten
Terme für Kn (g̃) = 2j−1 Jn,k (g) in Tabelle 4.1 aufgelistet.
42
4.2 Berechnung der Terme niedrigster Ordnung
Tabelle 4.1: Integrale Kn (g̃) = 2j−1 Jn,k (g). Dabei sind alle gi von n
verschieden.
j=2
k=n
k 6= n
g=n
0
0
g = g1
(n − g1 )−1
0
k=n
k 6= n
j=3
g = (n, n)
0
g = (n, g2 )
−(n − g2 )−2
g = (g1 , g2 )
(n − m)−2
0
(n − g1 )−1 (n − g2 )−1
0
k=n
k 6= n
j=4
g = (n, n, n)
0
g = (n, n, g3 )
(n − g3 )−3
(n − m)−2 (n − g3 )−1
(n − g1 )−1 (n − g2 )−1 (n − g3 )−1
0
g = (n, g2 , g3 )
g = (g1 , g2 , g3 )
−(2n − g2 − g3 )(n − g2 )−2 (n − g3 )−2
−2(n − m)−3
0
43
4 Störungstheoretische Behandlung
4.2.2 Berechnung der Terme niedriger Ordnung
Für den Term in erster Ordnung erhält man
X
1 Z
(z − zn )
(z − zk )−2 W (k, k) dz
k
2πi ∂Dn
= W (n, n) = Wg (n, n) .
T1 (n) =
(4.55)
Der Term zweiter Ordnung berechnet sich zu
T2 (n) =
=
Y1
X X
k
g∈N
X
X
k6=n
g6=n
+
X
+
X
W (gt , gt+1 ) Jn,k (g)
t=0
W (k, g) W (g, k) Jn,k (g)
k6=n
W (k, n) W (n, k) Jn,k (n)
g6=n
W (n, g) W (g, n) Jn,n (g)
+ W (n, n) W (n, n) Jn,n (n) .
(4.56)
Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, dass nur der Term Jn,n (g) mit g 6= 0 von
Null verschieden ist. Damit folgt
1 X
(W (n, g))2 (n − g)−1
g6=n
2
X
1
=
(Wg (n, g))2 (n − g)−1
2 g6=n,
T2 (n) =
g+n gerade
+
1
2
(Wu (n, g))2 (n − g)−1 .
X
g6=n,
g+n ungerade
(4.57)
Für den Term dritter Ordnung erhält man
T3 (n) =
=
44
Y2
X X
k
g1 ,g2
X
k6=n
W (gt , gt+1 ) Jn,k (g1 , g2 )
t=0
W (k, n) W (n, n) W (n, k) Jn,k (n, n)
+
X
+
X
+
X
g1 6=n
g2 6=n
g1 6=n
W (n, g1 ) W (g1 , n) W (n, n) Jn,n (g1 , n)
W (n, n) W (n, g2 ) W (g2 , n) Jn,n (n, g2 )
X
g2 6=n
W (n, g1 ) W (g1 , g2 ) W (g2 , n) Jn,n (g1 , g2 ) ,
(4.58)
4.3 Approximation der Terme niedrigster Ordnung
wobei nur die Terme mit Jn,m (g) 6= 0 berücksichtigt wurden. Mit den Werten
aus Tabelle 4.1 folgt
1 X
W (k, n) W (n, n) W (n, k) (n − k)−2
k6=n
4
1 X
−
W (n, g1 ) W (g1 , n) W (n, n) (n − g1 )−2
g1 6=n
4
1 X
−
W (n, n) W (n, g2 ) W (g2 , n) (n − g2 )−2
g2 6=n
4
X
1 X
W (n, g1 ) W (g1 , g2 ) W (g2 , n)
+
g1 6=n
g2 6=n
4
· (n − g1 )−1 (n − g2 )−1
1 X
=−
Wg (n, n) W (n, k) W (k, n) (n − k)−2
k6=n
4
X
1 X
W (n, g1 ) W (g1 , g2 ) W (g2 , n)
+
g1 6=n
g2 6=n
4
· (n − g1 )−1 (n − g2 )−1 .
T3 (n) =
(4.59)
Setzt man nun die Werte der Matrixelemente W (n, k) für das Doppel-δPotential ein, so treten folgende Reihen auf:
σpg (n) =
X
a2n (n − g)−p
g6=n,
g+n gerade
und σpu (n) =
X
a2n (n − g)−p .
(4.60)
g6=n,
g+n ungerade
Nach Ausmultiplizieren und Vereinfachen der Terme folgt
T1 (n) = 2sg a2n ,
T2 (n) = 2a2n
(4.61)
s2g σ1g (n)
+ s2u σ1u (n)
und
T3 (n) = −2sg a4n s2g σ2g (n) + s2u σ2u (n)
(4.62)
+ 2sg a2n s2g (σ1g (n))2 + 2s2u σ1g (n) σ1u (n) + 2s2u (σ1u (n))2 .
(4.63)
4.3 Approximation der Terme niedrigster Ordnung
In [12] wird zudem die Näherung (4.69) für die Eigenwerte hergeleitet, die
g/u
im Folgenden dargestellt werden soll. Dazu werden die Terme σ1 (n) bis
zur Ordnung O(ln(n) n−3/2 ) approximiert. Mit obigen Ergebnissen für T1 (n)
und T2 (n) (siehe Gleichungen (4.61) und (4.62)) erhält man dann eine Näherung
für die Eigenwerte. Danach kann man zeigen, dass die Terme Tj (n) mit j ≥ 3
keine Verbesserungen liefern, die besser sind als O(ln(n) n−3/2 ).
45
4 Störungstheoretische Behandlung
Zur Näherung der Terme σ1 (n) kann zuerst das Betragsquadrat a2n der
Hermite-Funktionen ausgewertet an der Stelle b durch eine Näherungsformel
ersetzt werden: Nach [23] ist
g/u
2
−1/4
hn (x) = (n π /2)
mit N =
√
a2n =
1
x3
sin(N x − n π/2) + O
cos(N x − n π/2) +
6N
n
(4.64)
!
2n + 1, was zu der Näherung
1
√ (1 + (−1)n cos(2b N )) + O n−1
π 2n
(4.65)
führt. Die dadurch erhaltene Approximation
1
σ1u (n) ≈ √
2π
X
k6=n,
k+n ungerade
√
1 + (−1)n cos(2b 2n + 1) k −1/2 (n−k)−1 (4.66)
kann aufgeteilt werden in eine Reihe mit und eine Reihe ohne Kosinus-Term
und danach in jeweils einen Term mit k < 2n und einen mit k ≥ 2n, sodass
man vier Terme erhält. In [12b] werden die Summen und Reihen dann mithilfe
eines Integrals abgeschätzt. Damit lässt sich zeigen, dass der dominierende
Term derjenige ist, welcher den Kosinus-Term enthält und die Summationsindizes k < 2n besitzt:
1
σ1u (n) ≈ √
2π
X
√
(−1)n cos(2b 2n + 1) k −1/2 (n − k)−1 . (4.67)
k<2n,
k+n ungerade
Dies führt zu
σ1u (n) =
√ (−1)n+1
√
sin 2b 2n + O(ln(n) n−1 ) ,
2 2n
(4.68)
sodass man insgesamt
λn = (2n + 1) + sg t1 (n) + (s2g + s2u ) t2 (n) + O(ln(n) n−3/2 )
(4.69)
erhält mit
t1 (n) =
46
π
4
√
√ √
b 1 + (−1)n cos 2b 2n +
1 − b2 /3 sin(2b 2n)
πn
2n
(4.70)
4.3 Approximation der Terme niedrigster Ordnung
rein imaginäre, ungerade Störung
reelle, gerade Störung
12
10
Re(µ)
8
6
4
2
0
0
1
2
3
4
sr
5
6
7
8 0
1
numerisches Ergebnis
Näherung
2
3
4
si
5
6
7
8
Abbildung 4.1: Approximation der Eigenwerte durch die Störungsreihe
bis zur zweiten Ordnung. Dargestellt sind die Ergebnisse für si = 0 (links)
und sr = 0 (rechts).
und
t2 (n) =
√ 1 1 + 4 (−1)n sin(4b 2n) .
8n
(4.71)
Die so erhaltene Näherung (4.69) ist in Abb. 4.1 abgebildet. Für kleine
Störungen bzw. große Quantenzahlen liefert diese gute Ergebnisse; für kleine
Quantenzahlen und im Bereich der exzeptionellen Punkte weicht die Näherung
erheblich von den korrekten Ergebnissen ab. Zudem kann mit obiger Näherung
keine Aussage
für n = 0 getroffen werden, da sie Terme proportional zu 1/n
√
und 1/ n enthält, die für n = 0 divergieren.
Da die Störungsreihe im PT -symmetrischen Fall stets reelle Eigenwerte
ergibt, können die Eigenwerte nach der Bifurkation offenbar nicht korrekt
beschrieben werden. Außerdem ist zu bemerken, dass nach dem vorigen Abschnitt 4.1 die Konvergenz der Reihe nur für Quantenzahlen n > N∗ gezeigt
werden kann. Die jeweiligen Eigenwerte
√ λn liegen zudem nach Konstruktion
im Gebiet Dn , sodass |λn − zn | < 1/ 2 ist. Daher ist die Konvergenz der Störungsreihe erstmals nur für diejenigen Quantenzahlen n gesichert, für welche
sich der Eigenwert
(und die Eigenwerte aller höheren Quantenzahlen) nicht um
√
mehr als 1/ 2 ändern. Damit eine Bifurkation stattfindet, müssen sich jedoch
zwei Eigenwerte treffen und sich deshalb (mindestens einer) um mehr als 1
47
4 Störungstheoretische Behandlung
ändern. Somit ist die Frage nach der Konvergenz in der Nähe der Bifurkation
ungeklärt.
Jedoch sind gerade diejenigen Fälle, für welche obige Näherung keine guten
Ergebnisse liefert, diejenigen, die für die Physik von Interesse sind (nämlich
der Grundzustand, die Zustände kleiner Quantenzahlen und die exzeptionellen
Punkte mit Brechung der PT -Symmetrie). Somit muss man sich fragen, ob die
Informationen über diese Fälle in der Störungsrechnung verloren gehen, oder
ob obige Näherung für deren Verlust verantwortlich ist. Außerdem ist es für
die Anwendung (z. B. zur Untersuchung der Level-Statistik, siehe Einleitung)
von Vorteil, die Konvergenzeigenschaften solcher Störungsreihen besser zu verstehen. Eine offene Frage ist, ob diese in der Nähe des exzeptionellen Punktes
divergieren oder beschränkt bleiben, oder ob sogar Aussagen über die Lage
des exzeptionellen Punktes im Spektrum getroffen werden können. Um diese
Punkte zu klären, soll in Abschnitt 4.5 die Reihe bzw. ihre niedrigsten Terme
„numerisch exakt“ berechnet werden.
4.4 Exkurs: Numerische Berechnung von Reihen
Vor der numerischen Behandlung der Störungsreihe wird im Folgenden kurz
auf die numerische Berechnung von Reihen im Allgemeinen eingegangen.
4.4.1 Numerische Berechnung von Reihen
Die natürlichste Art und Weise, den Wert einer Reihe numerisch zu berechnen, besteht darin, die Terme zu summieren bis der Grenzwert nahe genug
erreicht ist. Dieses Verfahren besitzt allerdings einen entscheidenden Nachteil:
Konvergiert die Reihe nur langsam, müssen sehr viele Summanden berechnet
werden. Dies kann jedoch sehr zeitaufwendig sein (wenn z. B. die Summanden
selbst das Ergebnis einer längeren Rechnung sind) oder sogar unmöglich, wenn
überhaupt nur wenige Terme berechnet werden können. Deshalb sind numerische Verfahren zur Konvergenzbeschleunigung entwickelt worden [26]; diese
ermöglichen eine genaue Berechnung des Grenzwertes mithilfe von möglichst
wenigen Summanden.
Das Grundprinzip solcher Methoden besteht darin, das Verhalten der (noch
nicht summierten) Restglieder abzuschätzen und daraus eine Aussage über den
Grenzwert der Reihe zu bekommen. Dazu können manchmal auch strukturelle Eigenschaften genutzt werden (z. B. für alternierende Folgen, für welche
besondere Algorithmen existieren).
In der Praxis werden dafür iterative Algorithmen genutzt: Aus den ersten
48
4.4 Exkurs: Numerische Berechnung von Reihen
Partialsummen s0 , . . . , sn wird eine Approximation s̃n berechnet. Danach wird
der nächste Term (also sn+1 ) berechnet und damit die Approximation s̃n+1
usw. Damit erhält man eine neue Folge (s̃n ) von Partialsummen, die gegen den
gleichen Grenzwert konvergieren soll. Daher spricht man im Englischen auch
von „sequence transformation“.
4.4.2 Klassifizierung der Arten von Konvergenz
Reihen lassen sich in verschiedene Klassen einteilen, welche sich in ihrem Verhalten voneinander unterscheiden. Zum Beispiel lassen sich konvergente Reihen von
nicht konvergenten unterscheiden oder alternierende von nicht alternierenden.
Es ist einleuchtend, dass für unterschiedliche Konvergenzklassen unterschiedliche Methoden zur Konvergenzbeschleunigung angewandt werden müssen. Es
gibt jedoch noch andere Klassen, die im Folgenden kurz dargelegt werden sollen.
Betrachte dazu eine Reihe
s=
X
n
an = lim sn
n→∞
mit sn =
X
k≤n
an
(4.72)
unter der Annahme, dass der Grenzwert
sn+1 − s
=ρ
n→∞ s − s
n
lim
(4.73)
existiert. Ist ρ = 0, so sagt man, dass die Reihe s hyperlinear konvergiert.
Für 0 < |ρ| < 1 spricht man dagegen von linearer und für ρ = 1 von logarithmischer Konvergenz. Außerdem ist für |ρ| > 1 die Reihe divergent. Ferner ist
zu bemerken, dass für lineare Konvergenz die beiden Aussagen
lim
n→∞
sn+1 − s
= ρ und
sn − s
an+1
=ρ
n→∞ a
n
lim
(4.74)
äquivalent sind.
Eine Beispiel für hyperlineare Konvergenz ist die Reihe der Exponentialfunktion, ein Beispiel für lineare Konvergenz bietet die geometrische Reihe. Die
Riemann’sche Zetafunktion
ζ(s) =
X
n≥1
n−s
(4.75)
und die Hurwitz’sche Zetafunktion
ζ(s, q) =
X
n≥0
(n + q)−s
(4.76)
hingegen weisen logarithmische Konvergenz auf. Dies legt nahe, dass auch die
Reihen σpg/u (n) aus Abschnitt 4.2.2 logarithmisch konvergieren.
49
4 Störungstheoretische Behandlung
4.4.3 Wynn’s Rho Algorithmus
Zur Abschätzung der Restglieder lassen sich Extrapolationsmethoden nutzen.
Dazu nimmt man an, dass es eine („glatte“) Funktion f (x) gibt, sodass die n-te
Partialsumme sn der Reihe dem Funktionswert von f an einer Stelle xn entspricht und der Grenzwert s der Reihe dem Wert f (x∞ ) (wobei auch x∞ = ±∞
erlaubt ist):
sn = f (xn ) ,
s = f (x∞ ) .
(4.77)
Die Aufgabe besteht nun darin, mithilfe der ersten n Summanden eine Approximation fn für die Funktion f zu finden bzw. eine Approximation fn (x∞ ) für
die Reihe.
Eine Möglichkeit ist nun, die Funktionen fn als Polynome zu wählen
fn (x) =
Xn
c x
k=0 k
(4.78)
k
und die Folge (xn )n∈N monoton fallend mit Grenzwert x∞ = 0. Die Approximation des Reihengrenzwertes ist dann jeweils der konstante Term c0 .
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Funktionen fn rational zu wählen,
Pp
ak x k
,
k
k=0 bk x
(4.79)
fn (x) = Pk=0
q
und die Folge (xn )n∈N und x∞ wie oben. Der Grenzwert der Reihe lässt sich
dann durch den Quotienten a0 /b0 abschätzen. Ist jedoch der Grad des Zählerpolynoms gleich dem Grad des Nennerpolynoms, p = q = `, so kann man
die Folge (xn )n∈N auch monoton steigend wählen mit Grenzwert x∞ = ∞. In
diesem Fall erhält man für den Grenzwert die Abschätzung fn (x∞ ) = a` /b` .
Für die Berechnung der fn lassen sich Verfahren wie z. B. Padé-Approximation
nutzen (vgl. [26, Abschnitt 6] und z. B. [14, Abschnitt 5.12]).
Hier soll jedoch die Näherung mithilfe der Thiele’schen Interpolationsformel [27] besprochen werden. Demnach lässt sich für gegebene (xn )n∈N eine
Funktion f folgendermaßen entwickeln:
f (x) = f (x1 ) +
x − x1
ρ01 (x, x1 )
(4.80)
mit
ρ0n (x, x1 , . . . , xn ) = ρn (x1 , . . . , xn+1 )
+
50
x − xn+1
− ρn (x, x1 , . . . , xn+1 )
ρ0n+1 (x1 , . . . , xn+1 )
(4.81)
4.5 Exakte Berechnung der Störungsreihe
und den reziproken Differenzen
ρ1 (x0 , x1 ) =
x0 − x1
,
f (x0 ) − f (x1 )
(4.82)
x0 − x2
und
ρ1 (x0 , x1 ) − ρ1 (x1 , x2 )
ρn (x0 , . . . , xn ) = ρn−2 (x1 , . . . , xn−1 )
x0 − xn
.
+
ρn−1 (x0 , . . . , xn−1 ) − ρn−1 (x1 , . . . , xn )
ρ2 (x0 , x1 , x2 ) = f (x1 ) +
(4.83)
(4.84)
Schneidet man die Entwicklung nach n Termen ab, so erhält man eine rationale
Funktion fn , welche f approximiert. Für gerade n sind Zähler- und Nennergrad
identisch, für ungerade n ist der Zählergrad um eins größer. Für den Interpolationspunkt wird hier ebenfalls x∞ = ∞ gewählt. Dies führt jedoch dazu, dass
nur diejenigen Funktionen fn mit geradem Index n für die Abschätzung des
Reihengrenzwertes verwendet werden können.
Nach [26, 28] kann für die numerische Berechnung folgendes rekursives Schema verwendet werden:
xn+k+1 − xn
xn+1 − xn
(n+1)
(n)
(n)
(n)
. (4.85)
und ρk+1 = ρk−1 + (n+1)
ρ0 = sn , ρ1 =
(n)
sn+1 − sn
− ρk
ρk
(0)
Dabei erhält man im nullten Schritt ρ0 = s0 . Im n-ten Schritt wird jeweils
die n-te Partialsumme sn hinzugefügt. Damit lässt sich eine neue „Diagona(n−j)
(1)
le“ ρj
. Für gerade bzw. ungerade n verwendet man dann ρ(0)
n bzw. ρn−1 als
Abschätzung s̃n für den Grenzwert.
Mit der Wahl xn = β + n erhält man die Standardform von Wynn’s Rho
Algorithmus. Damit vereinfacht sich das rekursive Schema (4.85) zu
(n)
ρ 0 = sn ,
(n)
ρ1 =
1
sn+1 − sn
(n)
(n+1)
und ρk+1 = ρk−1 +
k+1
(n+1)
ρk
(n)
− ρk
. (4.86)
Der so erhaltene Algorithmus ist nützlich für Reihen logarithmischer Konvergenz. Für linear konvergente, divergente oder oszillierende Reihen hingegen ist
er ungeeignet.
4.5 Exakte Berechnung der Störungsreihe
Berechnung der Reihe
Für die numerische Berechnung der Störungsreihe ist es sinnvoll, zuerst die
Form der einzelnen Terme Tj (n) wie in Abschnitt 4.2 zu berechnen, sodass
51
4 Störungstheoretische Behandlung
man den Gleichungen (4.61) bis (4.63) entsprechende Formeln erhält. Dazu
geht man von der expliziten Darstellung (4.47) aus und teilt alle Reihen auf
in die drei Teile, für welche die Differenz zwischen dem Summationsindex
und der Quantenzahl n entweder null, gerade oder ungerade ist. Die Anzahl
der Faktoren sg und su lassen sich dann direkt aus der Zahl der ungeraden
Differenzen gt+1 − gt berechnen: für jede ungerade Differenz erhält man einen
Faktor su , sonst einen Faktor sg . Die Faktoren σpg/u (n) lassen sich mithilfe
der Anzahl an Indizes, die gleich n sind, und Gleichungen (4.50) und (4.54)
berechnen.
Als nächstes müssen die Reihen σpg/u (n) selbst berechnet werden. Eine nähere
Betrachtung der Definition (4.60) der Reihen und der Näherungsformel (4.64)
zeigt jedoch, dass die Terme nicht direkt aufsummiert werden können, was
die natürliche Methode zur Berechnung von Reihen wäre – vgl. Abschnitt 4.4.
Die Summanden zeigen nämlich ein gewisses oszillierendes Verhalten. Dies ist
auch in Abb. 4.2 zu sehen, in welcher die Summanden und Partialsummen der
Reihe σ1g (1) dargestellt sind. Dann lässt sich aber der Fehler nicht durch den Betrag des zuletzt hinzugefügten Summanden abschätzen.2 Um das zu umgehen,
kann man eine „Kontraktion“ der Reihe durchführen, indem man die einzelnen Summanden einer „Periode“ addiert. Eine einfache Abschätzung für die
Periodenlänge ` erhält man dabei über das Verhalten der Hermite-Funktionen
√
für große n (siehe Gleichung (4.64) bzw. Gleichung (4.65)): ` ≈ 2b 2n + 1.
Dabei ist zu bemerken, dass diese mit größerem Summationsindex zunimmt.
Durch diese „Kontraktion“ erhält man eine neue Reihe, deren Summanden und
Partialsummen ebenfalls in Abb. 4.2 dargestellt sind. In dieser Abbildung wird
außerdem bestätigt, dass die erhaltene Reihe gegen den gleichen Grenzwert
konvergiert.
Jedoch konvergieren die Reihen (v. a. für kleine Indizes p und große Quantenzahlen n) nur sehr langsam gegen den Grenzwert – in Abb. 4.2 ist zu sehen,
dass nach 250 Summanden die Abweichung zwischen Partialsumme und Reihe
in der Größenordnung von 10 % liegt. Gleichung (4.65) zeigt zudem, dass die
Werte von a2n für große n sich wie n−1/2 verhalten. Für p = 1 heißt das, dass
die Summanden sich insgesamt wie n−3/2 verhalten und somit sehr langsam
konvergieren. Diese Tatsache lässt sich auch sehr gut in Abb. 4.2 erkennen:
Die Einhüllende stimmt sehr gut mit der gepunkteten roten Kurve überein,
welche proportional ist zu n−3/2 . Man bemerke, dass die Summanden der „kontrahierten“ Reihe sich ähnlich wie n−1 verhalten. Dies liegt daran, dass sich
die Periodenlänge wurzelartig verhält (siehe oben). Daher ist zur Berechnung
2
Außerdem sind die meisten Methoden zur Konvergenzbeschleunigung für Reihen mit
„glattem“ Verhalten besser geeignet.
52
4.5 Exakte Berechnung der Störungsreihe
Grenzwert σ1g (1)
Summanden
Partialsummen
„kontrahierte“ Summanden
„kontrahierte“ Partialsummen
0,25
10−2
0,2
10−3
0,15
10−4
0,1
10−5
0,05
10−6
10−1
0
50
100
150
0
250
0,22
200
0,2
10−2
0,18
10−3
0,16
10−4
0,14
10−5
10−6
Werte der Partialsummen
Werte der Summanden
10−1
0,12
4
16
64
256
Summationsindex
1024
0,1
Abbildung 4.2: Summanden und Partialsummen der Reihe σ1g (1) und
deren „kontrahierten“ Reihe, vgl. Abschnitt 4.5. Die Summanden sind
oben in logarithmischer Skala, unten in doppelt logarithmischer Skala
abgebildet, die Partialsummen hingegen oben in linearer und unten in
(einfach) logarithmischer Skala. Unten sind zusätzlich gepunktete Kurven mit dem Verhalten n−3/2 (rot) und n−1 (blau) eingezeichnet. Der in
grau eingezeichnete Grenzwert der Reihe σ1g (1) wurde numerische mithilfe
von Wynn’s Rho Algorithmus (vgl. Abschnitt 4.4.3) berechnet, wobei der
abgeschätzte relative Fehler kleiner ist als 10−14 .
53
4 Störungstheoretische Behandlung
0,2
g/u
σp (n)
0,1
0
−0,1
Näherung
σ1u (n)
σ1g (n)
−0,2
0
5
10
15
20
25
n
30
35
40
45
50
Abbildung 4.3: Ergebnisse für die Reihen σpg/u (n). Dargestellt sind die
numerischen Ergebnisse für p = 1 sowie die Näherung für σ1u (n) aus [12b],
siehe Gleichung (4.68).
der σpg/u (n) der Gebrauch von Methoden zur Konvergenzbeschleunigung ratsam, v. a. für klein Werte von p und großen Werten für n. In der Praxis hat sich
gezeigt, dass Wynn’s Rho Algorithmus (siehe Abschnitt 4.4.3) dafür geeignet
ist.
Die langsame Konvergenz der Reihe σpg/u (n) repräsentiert das langsame Abfallen der Matrixelemente W (n, k) (vgl. Gleichungen (4.10) bis (4.12) mit der
Abschätzung Gleichung (4.64)). Dies bedeutet, dass zur korrekten Beschreibung
die Wechselwirkung mit sehr vielen anderen Zuständen berücksichtigt werden
muss. Dies erklärt auch, warum in Kapitel 2 für die numerische Methode nicht
die Entwicklung in den Hermite-Funktionen gewählt wurde: Um gute Ergebnisse zu erhalten müsste eine hohe Zahl an Basisfunktionen berücksichtigt werden.
Ergebnisse
g/u
In Abb. 4.3 sind die numerischen Ergebnisse für die Reihen σ1 (n) dargestellt
sowie die Näherung (4.68). Es ist zu erkennen, dass die Näherung für große
Werte von n sehr gut mit den numerischen Ergebnissen übereinstimmt. Für
kleine Quantenzahlen hingegen gibt es größere Abweichungen. Unter Betracht
von Gleichung (4.67) ist dieses Ergebnis schlüssig: je größer n ist, desto kleiner sind die in der Näherung vernachlässigten Terme mit Indizes k ≥ 2n im
54
4.5 Exakte Berechnung der Störungsreihe
12
10
Re(µ)
8
6
2. Ordnung
4. Ordnung
6. Ordnung
8. Ordnung
10. Ordnung
numerische Ergebnisse
4
2
0
0
1
2
3
4
si
5
6
7
8
Abbildung 4.4: Exakte Ergebnisse der Störungsreihe für eine rein imaginäre, ungerade Störung. Dargestellt sind die Eigenwerte λn , die durch
Auswertung der Reihe (4.40) bis zu einer gewissen Ordnung berechnet wurden. Die Parameter entsprechen dabei denjenigen aus Abb. 2.4: sg = 0,
b = 1,0 und su = isi , wobei si variiert wird. Die Summanden Tj der Reihe (4.40) mit ungeradem Index j liefern keinen Beitrag, vgl. [12].
Vergleich zu den in der Näherung berücksichtigten Termen mit Indizes k < 2n.
Nun sollen die Ergebnisse der exakten Berechnung der Störungsreihe besprochen werden. Die erhaltenen Eigenwerte für den Fall sg = 0 und su = isi sind in
Abb. 4.4 abgebildet. Man erkennt, dass die exakte Störungsreihe die Ergebnisse
wesentlich besser beschreibt als die Näherung (4.69) (vgl. die Darstellung der
Ergebnisse der Näherung in Abb. 4.1). Insbesondere wird der Eigenwert des
Grundzustandes nun gut beschrieben: Die Störungsreihe liefert auch in den
niedrigen Ordnungen schon gute Ergebnisse bis in die Nähe des Wendepunktes. Weiterhin fällt in Abb. 4.4 auf, dass auch die durch die Störungstheorie
erhaltenen Werte
λn ≈ Sj (n) = (2n + 1) +
X
l≤j
Tl (n) ,
(4.87)
als Funktionen von si betrachtet, Schnittpunkte aufweisen. Insbesondere erhält man Schnittpunkte für diejenigen Quantenzahlen, die eine Bifurkation
durchlaufen. Mit steigender Ordnung scheinen diese sogar gegen den korrekten Bifurkationspunkt zu konvergieren. Dies weist darauf hin, dass zum einen
55
4 Störungstheoretische Behandlung
die Reihe (4.40) bis hin zum Bifurkationspunkt konvergiert, und dass man
zum anderen aus der Störungsreihe sinnvolle Abschätzungen der Position des
Bifurkationspunktes erhält.
Verbesserung der Ergebnisse nahe des exzpetionellen Punktes
Eine interessante Frage ist jedoch, ob sich mithilfe der Störungsreihe (4.40)
weitere Aussagen (über das Konvergenzgebiet hinaus) treffen lassen. Es sind
z. B. Verfahren bekannt, mit welchen auch divergierende Reihen summiert
werden können (siehe z. B. [26]). Eventuell lassen sich diese Verfahren (oder
entsprechende Abwandlungen) auch auf die hier betrachtete Störungsreihe
anwenden.
Hier soll jedoch noch auf eine andere Methode eingegangen werden, die eine
genauere Berechnung der Position des exzeptionellen Punktes und sogar die
Berechnung der komplexen Eigenwerte in der Nähe desselben erlaubt. Dazu
sollen zwei Eigenwerte λn und λn+1 , die an einem exzeptionellen Punkt zweiter
Ordnung eine Bifurkation durchlaufen, zusammen betrachtet werden. Zwei
zueinander komplex konjugierte Zahlen z, z können nämlich als die Lösungen
der reellen Gleichung
0 = (x − z) (x − z) = x2 − 2 Re(z) x + |z|2
(4.88)
geschrieben werden. Für die Eigenwerte λn und λn+1 in Abhängigkeit des
Parameters si erhält man auf diese Weise die Gleichung
0 = (si − λn (si )) (si − λn+1 (si ))
= s2i − (λn (si ) + λn+1 (si )) si + λn (si ) λn+1 (si )
= s2i − 2P (si ) si + Q(si ) .
(4.89)
Für die Berechnung der Terme P (si ) und Q(si ) lässt sich nun Gleichung (4.87)
verwenden. Dabei ist Sj (n) jedoch ein Polynom in den Koeffizienten sg und su
in der Ordnung j (was in diesem Fall bedeutet, dass maximal j Faktoren sg/u
vorkommen, also keine Terme proportional zu spg squ mit p + q > j). Daher ist
es sinnvoll, auch die Terme P (si ) und Q(si ) nur bis zu dieser Ordnung zu
berücksichtigen. Damit erhält man
P (si ) = Pj (n) + O(sji ) = 21 (Sj (n) + Sj (n + 1)) + O(sji ) und
Q(si ) = Qj (n) + O(sji ) = Sj (n) Sj (n + 1) + O(sji ) .
(4.90)
(4.91)
Für die Eigenwerte erhält man damit
λn,n+1 ≈ Pj (n) ±
56
q
(Pj (n))2 − Qj (n) .
(4.92)
4.5 Exakte Berechnung der Störungsreihe
Die Position des exzeptionellen Punktes lässt sich dann als Nullstelle der Gleichung
(Pj (n))2 − Qj (n) = 0
(4.93)
bestimmen; die Eigenwerte am exzeptionellen Punkt betragen Pj (n).
Für sr = 0 sowie b = 1,0 erhält man z. B. in vierter Ordnung die Terme
S4 (1; si ) ≈ 3 + 0,0632 s2i + 8,37 · 10−3 s4i
S4 (2; si ) ≈ 5 − 0,0479 s2i − 3,82 · 10−3 s4i
P4 (1; si ) ≈ 4 + 7,65 · 10−3 s2i + 2,27 · 10−3 s4i
Q4 (1; si ) ≈ 15 + 0,172 s2i + 0,0273 s4i
(4.94)
(4.95)
(4.96)
(4.97)
und
(P4 (1; si ))2 − Q4 (1; si ) ≈ 1 − 0,111 s2i − 9,10 · 10−3 s4i
+ 3,48 · 10−5 s6i + 5,16 · 10−6 s8i .
(4.98)
Damit wird die Position des exzeptionellen Punktes abgeschätzt: die (hier
gesuchte) Nullstelle des Polynoms P42 (1; si ) − Q4 (1; si ) ist si ≈ ±2,47. Die Eigenwerte betragen an dieser Stelle ungefähr 4,13.
Die auf oben beschriebene Weise erhaltenen Ergebnissen sind für die Parameterwahl sr = 0 und b = 1,0 für verschiedene Ordnungen j in den Abb. 4.5
und 4.6 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass man gegenüber der direkten Berechnung eine deutliche Verbesserung erhält. Nahe des exzeptionellen Punktes
aus Abb. 4.5, an welchem die Zustände mit den Quantenzahlen n = 1, 2 beteiligt sind, erhält man in sechster Ordnung schon ein recht ordentliches Ergebnis,
in vierzehnter schon ein ziemlich gutes. Für den zweiten Punkt aus Abb. 4.6, an
welchem die Zustände mit den Quantenzahlen n = 3, 4 beteiligt sind, stimmen
die Ergebnisse in vierzehnter Ordnung sogar fast exakt mit den numerischen
Ergebnissen überein. Beachtenswert ist außerdem, dass nun auch die komplexen Eigenwerte nach der Bifurkation richtig beschrieben werden. Für größere
Störstärken werden die Abweichungen jedoch wieder größer, wie man z. B. in
Abb. 4.5 sieht. Gleichzeitig wächst dabei der Realteil Re(µ) des Eigenwertes
deutlich an. Das ist jedoch auch beim Eigenwert zur Quantenzahl n = 0 zu
beobachten (vgl. Abb. 4.4): Dort, wo der Eigenwert stark ansteigt, bricht die
Konvergenz der Störungsreihe zusammen. Daher müssten für große Störstärken
Verfahren zur Summation von divergenten Reihen verwendet werden; die hier
beschriebene Methode allein reicht für diesen Fall nicht aus.
57
4 Störungstheoretische Behandlung
2. Ordnung
4. Ordnung
6. Ordnung
14. Ordnung
numerische Ergebnisse
5
Re(µ)
4,5
4
3,5
3
1
Im(µ)
0,5
0
−0,5
−1
1,5
2
2,5
si
3
3,5
Abbildung 4.5: Berechnung der Eigenwerte nahe des exzeptionellen
Punktes für die Zustände mit Quantenzahlen n = 1, 2. Als Parameter
wurde dabei b = 1,0 und sr = 0 gewählt. Die gestichelten Linien zeigen
die numerischen Ergebnisse aus Kapitel 2, die gepunkteten Linien die
direkten Ergebnisse Sj (n) aus der Störungsreihe bis zur Ordnung j und
die durchgezogenen Linien die mithilfe der Gleichung (4.92) berechneten
Ergebnisse.
58
4.5 Exakte Berechnung der Störungsreihe
2. Ordnung
4. Ordnung
6. Ordnung
14. Ordnung
numerische Ergebnisse
9
Re(µ)
8,5
8
7,5
7
1
Im(µ)
0,5
0
−0,5
−1
3,2
3,4
3,6
3,8
4
4,2
si
Abbildung 4.6: Berechnung der Eigenwerte nahe des exzeptionellen
Punktes für die Zustände mit Quantenzahlen n = 3, 4. Als Parameter
wurde dabei b = 1,0 und sr = 0 gewählt. Die gestichelten Linien zeigen
die numerischen Ergebnisse aus Kapitel 2, die gepunkteten Linien die
direkten Ergebnisse Sj (n) aus der Störungsreihe bis zur Ordnung j und
die durchgezogenen Linien die mithilfe der Gleichung (4.92) berechneten
Ergebnisse.
59
5 Analytische Behandlung des
Harmonischen Oszillators mit
singulären Störungen
Nach dem numerischen Ansatz aus Kapitel 2 und dem störungstheoretischen
Ansatz aus Kapitel 4 wird das Modell (1.1) in diesem Kapitel nun mit analytischen Methoden untersucht. Dabei soll zum einen darauf eingegangen werden,
wie die Eigenwerte und Eigenfunktionen analytische berechnet werden können, zum anderen sollen aber auch qualitative Aussagen über das Spektrum
getroffen werden.
5.1 Lösungsansatz
In Abschnitt 1.1 sind die Einheiten des Modells so gewählt worden, dass die
Vorfaktoren vor der Ableitung und vor dem Potential des harmonischen Oszillators genau eins waren. Für dieses Kapitel ist es jedoch nützlicher, etwas
andere Einheiten zu wählen, nämlich diejenigen, für welche der Vorfaktor vor
dem quadratischen Potentialterm ein Viertel beträgt:
1 2
y + s0+ δ(y − b0 ) + s0− δ(y − b0 ) + a0 φ(y) = 0 .
φ (y) −
(5.1)
4
Die dabei auftretenden Größen sind dabei mit den Größen aus Abschnitt 1.1
über folgende Relationen verknüpft:
√ √
(5.2)
y = 2 x , φ(y) = ψ(x(y)) = ψ x/ 2 und
√
√
s0± = s± / 2 , b0 = 2 b , a0 = −µ/2 .
(5.3)
00
Der Einfachheit halber werden jedoch im Folgenden die Konstanten a0 , b0 und
s0± wieder mit a, b und s± bezeichnet.
Für φ(y) gelten dann die zu den Gleichungen (2.1) und (2.2) äquivalenten
Anschlussbedingungen
φ(±b) = lim φ(y) = lim φ(y) und
y ↓ ±b
y ↑ ±b
y ↓ ±b
y ↑ ±b
s± φ(±b) = lim φ0 (y) − lim φ0 (y)
(5.4)
(5.5)
61
5 Analytische Behandlung
(wobei hier schon b = b0 usw. verwendet worden ist). Damit lässt sich die Lösung
in die drei Teilgebiete (−∞, −b), (−b, b) und (b, ∞) aufteilen:


φ− (y)

für y < −b,
φ(y) = φ0 (y) für |y| ≤ b und


φ+ (y) für y > b,
(5.6)
wobei die einzelnen Funktionen φ± und φ0 jeweils die Differentialgleichung
1 2
y + a φ(y) = 0
φ (y) −
4
00
(5.7)
des harmonischen Oszillators erfüllen.
Die Lösungen dieser Differentialgleichungen sind bekannt und heißen parabolische Zylinderfunktionen [29]. Die geraden und ungeraden Fundamentallösungen lauten (in der Notation von [29]):
y1 =
exp − 14 x2 M
y2 = x exp − 41 x2 M
a
2
+ 14 , 12 , 12 x2 ,
(5.8)
a
2
+ 34 , 32 , 12 x2 .
(5.9)
Dabei ist M (a, b, z) = 1 F1 (a; b; z) die Kummer’sche konfluente hypergeometrische Funktion mit
Γ(a + n) Γ(b) z n
n
Γ(a) Γ(b + n) n!
a
a (a + 1) z
=1+ z+
+ ...
b
b (b + 1) 2
M (a, b, z) =
X
(5.10)
Nach [29] sind die Standard-Lösungen
1 Γ(1/4 − a/2)
√
y1
π
2a/2+1/4
1 Γ(3/4 − a/2)
y2 und
− sin π 14 + a2 √
π
2a/2−1/4
1
Γ(1/4 − a/2)
√
V (a, x) = sin π 14 + a2
y1
Γ(1/2 − a) π
2a/2+1/4
1
Γ(3/4 − a/2)
√
+ cos π 41 + a2
y2 .
Γ(1/2 − a) π
2a/2−1/4
U (a, x) = cos π
62
1
4
+
a
2
(5.11)
(5.12)
5.2 Gleichungssystem für die Koeffizienten
Sie bilden ebenfalls ein Fundamentalsystem und verhalten sich für x |a| wie
U (a, x) ∼ exp
V (a, x) ∼
q
2
π
− 14
1
4
x2 xa−1/2 1 +
x
exp
(a + 1/2) (a + 3/2)
1−
+ ...
2 x2
2
x
−a−1/2
!
bzw.
(5.13)
(a − 1/2) (a − 3/2)
+ . . . . (5.14)
2 x2
!
Für eine quadratintegrable Lösung genügt daher folgender Ansatz für φ:1



A U (a, −y)
für y < −b,
φ(y) = B U (a, y) + C V (a, y) für |y| ≤ b und


D U (a, y)
für y > b.
(5.15)
5.2 Gleichungssystem für die Koeffizienten
Mit diesem Ansatz lauten die Anschlussbedingungen:
φ(+b) = D U (a, b)
= B U (a, b) + C V (a, b) ,
φ(−b) = B U (a, −b) + C V (a, −b)
= A U (a, b) ,
s+ φ(+b) = s+ D U (a, b)
= D U 0 (a, b) − B U 0 (a, b) − C V 0 (a, b) und
s− φ(−b) = s− A U (a, b)
= B U 0 (a, −b) + C V 0 (a, −b) − (−A U 0 (a, b)) ,
d
U (a, y)|
ist usw.
wobei U 0 (a, b) = dy
y=b
Für die Ableitungen gelten nun die Beziehungen
1
U 0 (a, z) = − z U (a, z) − a + 21 U (a + 1, z)
2
1
=
z U (a, z) − U (a − 1, z)
2
1
V 0 (a, z) = − z V (a, z) + V (a + 1, z)
2
1
=
z V (a, z) + a − 12 V (a − 1, z) .
2
1
(5.16)
(5.17)
(5.18)
(5.19)
(5.20)
(5.21)
Für y < −b kann nicht U (a, y) angesetzt werden, da diese Lösung für y → −∞ i. Allg.
nicht gegen null konvergiert. Aufgrund der Symmetrie der Differentialgleichung ist jedoch U (a, −y) ebenfalls eine Lösung derselben (vgl. auch [29]).
63
5 Analytische Behandlung
Damit vereinfachen sich die Anschlussbedingungen (5.18) und (5.19) zu
1
s+ D U (a, b) = (D − B) − b U (a, b) − a + 12 U (a + 1, b)
2
1
− C − b V (a, b) + V (a + 1, b) ,
2
1
1
s− A U (a, b) = B
b U (a, −b) − a + 2 U (a + 1, −b)
2 1
b V (a, −b) + V (a + 1, −b)
+C
2
1
+ A − b U (a, b) − a + 12 U (a + 1, b)
2
(5.22)
(5.23)
und mit Gleichungen (5.16) und (5.17) erhält man weiter
s+ D U (a, b) = −(D − B) a +
s− A U (a, b) = −B a +
1
2
1
2
U (a + 1, b) − C V (a + 1, b) ,
U (a + 1, −b)
+ C V (a + 1, −b) − A a +
1
2
U (a + 1, b) .
(5.24)
(5.25)
Außerdem gilt für negative Argumente
π
V (a, z) und
Γ(1/2 + a)
cos2 (πa) Γ(1/2 + a)
V (a, −z) = sin(πa) V (a, z) +
U (a, z)
π
cos(πa)
U (a, z) .
= sin(πa) V (a, z) +
Γ(1/2 − a)
U (a, −z) = − sin(πa) U (a, z) +
(5.26)
(5.27)
Damit erhält man
D U (a, b) = B U (a, b) + C V (a, b) ,
(5.28)
!
π
V (a, b)
Γ(1/2 + a)
!
cos(πa)
+ C sin(πa) V (a, b) +
U (a, b) ,
Γ(1/2 − a)
A U (a, b) = B − sin(πa) U (a, b) +
(5.29)
sowie
s+ D U (a, b) = B a +
64
1
2
U (a + 1, b) − C V (a + 1, b) − D a +
1
2
U (a + 1, b)
(5.30)
5.3 Erster Fall: Nullstelle der parabolischen Zylinderfunktion
und
s− A U (a, b)
= −B a +
1
2
− sin(π(a + 1)) U (a + 1, b)
π
V (a + 1, b)
+
Γ(3/2 + a)
!
cos(π(a + 1))
+ C sin(π(a + 1)) V (a + 1, b) +
U (a + 1, b)
Γ(−1/2 − a)
−A a+
1
2
U (a + 1, b) .
(5.31)
Um die Terme etwas übersichtlicher zu halten, werden im Folgenden die Abkürzungen u = U (a, b), v = V (a, b), u+ = U (a + 1, b) und v + = V (a + 1, b) verwendet. Damit erhält man das lineare Gleichungssystem
0 = uB + vC − uD
(5.32)
!
π
v B
Γ(1/2 + a)
!
cos(πa)
− sin(πa) v +
u C
Γ(1/2 − a)
0 = u A + sin(πa) u −
0= a+
1
2
u+ B − v + C − s+ u + a +
0 = s− u + a +
1
2
u
+
A+
a+
1
2
(5.33)
1
2
u+ D
(5.34)
!
π
v+ B
sin(πa) u +
Γ(1/2 + a)
+
cos(πa)
+
u+ + sin(πa) v + C .
Γ(−1/2 − a)
!
(5.35)
5.3 Erster Fall: Nullstelle der parabolischen
Zylinderfunktion U bei x = b
Zuerst wird der Fall u = U (a, b) = 0 betrachtet. Damit folgt sofort U 0 (a, b) 6= 0
– denn sonst folgt aus dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz für lineare Differentialgleichungen U ≡ 0. Zusammen mit der Rekursionsgleichung (5.20) ist damit
auch u+ 6= 0. Des weiteren gilt v 6= 0: Aus v = 0 folgt V 0 (a, b) = αU 0 (a, b) mit
α ∈ C und (wiederum mit dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz) V ≡ αU .
Damit lautet Gleichung (5.32) nun v C = 0 und es folgt C = 0. Für die
65
5 Analytische Behandlung
übrigen Gleichungen (5.33) bis (5.35) erhält man:
0=
π
vB ,
Γ(1/2 + a)
0= a+
0= a+
1
2
1
2
(5.36)
u+ B − a +
u+ A +
1
2
a+
1
2
u+ D
und
(5.37)
sin(πa) u+ +
!
π
v+ B .
Γ(1/2 + a)
(5.38)
Man bemerke, dass für a = −1/2 die parabolische Zylinderfunktion U (−1/2, y)
proportional zur Gauß-Funktion exp(−y 2 /4) ist und daher keine Nullstelle
besitzt. Damit erhält man
B
,
Γ(1/2 + a)
0 = u+ (B − D) und
(5.39)
0=
0 = u+ A + sin(πa) u+ +
(5.40)
!
π
v+ B .
Γ(3/2 + a)
(5.41)
Ist B = 0, so erhält man nur die triviale Lösung φ(y) ≡ 0. Daher muss
a = −n −
1
,
2
n∈N,
(5.42)
sein. Es folgt B = D und mit sin(−nπ − π/2) = (−1)n auch B = −(−1)n A.
Die erhaltenen Lösungen entsprechen also gerade denen des ungestörten harmonischen Oszillators, die an der Stelle x = ±b – der Position der δ-Potentiale –
eine Nullstelle besitzen.
Da δ-Potentiale nur lokal wirken (in diesem Fall an den Stellen x = ±b),
ist es offensichtlich, dass Zustände mit ψ(±b) = 0 nicht von diesen beeinflusst
werden. Allerdings beinhaltet obige Rechnung eine weitere Aussage, die nicht
einfach ersichtlich ist: Für endliche Störstärken s+ und s− und sind die zu den
obigen Eigenwerten gehörenden Eigenräume nicht entartet. Dieser Umstand
wird in Abschnitt 5.5 noch eine wichtige Rolle spielen.
5.4 Zweiter Fall: keine Nullstelle der
parabolischen Zylinderfunktion U bei x = b
Vor der Diskussion des Falls u = U (a, b) 6= 0 soll zuerst eine (allgemeine) Beziehung zwischen den parabolischen Zylinderfunktionen U und V hergeleitet
66
5.4 Zweiter Fall: keine Nullstelle der parabolischen Zylinderfunktion
werden. Es gilt (vgl. Gleichungen (5.20) und (5.21)):
d U (a, z) V (a + 1, z) + a + 12 V (a, z) U (a + 1, z)
dz
1
1
= − z U (a, z) − (a + 2 ) U (a + 1, z) V (a + 1, z)
2
1
1
+ U (a, z)
z V (a + 1, z) + (a + 1 − 2 ) V (a, z)
2
1
1
z U (a + 1, z) − U (a, z) V (a, z)
+ a+ 2
2
1
1
+ a + 2 U (a + 1, z) − z V (a, z) + V (a + 1, z)
2
=0.
(5.43)
Das heißt, U (a, z) V (a + 1, z) + (a + 1/2) V (a, z) U (a + 1, z) ist konstant. Der
Wert kann über den Wert an der Stelle z = 0 berechnet werden. Es ist [29]
U (a, 0) V (a + 1, 0) + a + 21 V (a, 0) U (a + 1, 0)
√ −1/4−a/2
π2
π 23/4+a/2
=
·
Γ(3/4 + a/2) (Γ(1/4 − a/2))2 Γ(3/4 + a/2)
√
π 2−3/4−a/2
π 21/4+a/2
1
+ a+ 2
·
Γ(5/4 + a/2) (Γ(3/4 − a/2))2 Γ(1/4 + a/2)
=π
3/2
1
Γ(3/4 + a/2) Γ(1/4 − a/2)
1/2
2
−π
3/2
2
−1/2
1/2 + a
1/4 + a/2

1
Γ(1/4 + a/2) Γ(3/4 − a/2)
sin π (3/4 + a/2)
= π 3/2 21/2 
π
= π −1/2 21/2 cos2 π
1
4
+
a
2
!2
!2
a + 1/2
+
a + 1/2
+ sin2 π
1
4
+
!2
sin π (1/4 + a/2)
π
a
2
!2 

und damit
U (a, z) V (a + 1, z) + a +
1
2
V (a, z) U (a + 1, z) =
q
2
π
(5.44)
.
Ist nun u 6= 0, so lassen sich Gleichungen (5.32) und (5.33) nach A und D
auflösen:
π
v
cos(πa)
v
A = − sin(πa) −
B+
C (5.45)
+ sin(πa)
Γ(1/2 + a) u
Γ(1/2 − a)
u
!
!
67
5 Analytische Behandlung
und
D=B+
v
C.
u
(5.46)
Jetzt lassen sich Gleichungen (5.34) und (5.35) mit u multiplizieren. Nach
Einsetzen der Ergebnisse für A und D erhält man
0= a+
1
2
u u+ B − u v + C − s+ u + a +
u+ (u B + v C)
= −s+ u(u B + v C) − u v + + (a + 21 ) v u+ C
und
1
2
(5.47)
!
π
0 = s− u + a + u
v B
− sin(πa) u +
Γ(1/2 + a)
!
cos(πa)
+
1
+ s− u + a + 2 u
u + sin(πa) v C
Γ(1/2 − a)
!
π
+
+
1
v uB
+ a + 2 sin(πa) u +
Γ(1/2 + a)
!
cos(πa)
+
+
+
u + sin(πa) v u C
Γ(−1/2 − a)
!
π
v B
= s− u − sin(πa) u +
Γ(1/2 + a)
!
cos(πa)
+ s− u
u + sin(πa) v C
Γ(1/2 − a)
π
+ a + 21
v u+ B + a + 12 sin(πa) v u+ C
Γ(1/2 + a)
π
u v + B + sin(πa) u v + C
+
Γ(1/2 + a)
!
π
cos(πa)
= s− u − sin(πa) (u B − v C) +
vB +
uC
Γ(1/2 + a)
Γ(1/2 − a)
π
u v + + (a + 21 ) v u+ B
+
Γ(1/2 + a)
1
2
+
+ sin(πa) u v + + (a + 12 ) v u+ C .
Nach Gleichung (5.44) ist uv + + (a + 1/2)vu+ =
0 = s+ u (u B + v C) +
68
q
2
π
C
(5.48)
q
2/π. Es folgt
(5.49)
5.4 Zweiter Fall: keine Nullstelle der parabolischen Zylinderfunktion
und
cos(πa)
π
vB +
uC
0 = s− u sin(πa) (−u B + v C) +
Γ(1/2 + a)
Γ(1/2 − a)
q
q
π
+ π2
(5.50)
B + π2 sin(πa) C .
Γ(1/2 + a)
!
Neben u 6= 0 soll auch s± 6= 0 betrachtet werden, da andernfalls eine der
δ-Potentiale verschwindet. Daher lässt sich die erste Gleichung nach dem Koeffizienten B auflösen:
!
v q2 1
B=−
+ π
C
(5.51)
u
s+ u2
Multipliziert mit s+ u2 lautet die zweite Gleichung dann

0 = s+ s− sin(πa) u3 v +
s

2 1
+ v C
π s+ u


π
+ s+ s− u2 
v −v −
Γ(1/2 + a)
s
+
= s+ s−

2
π
−s+ u v −
π Γ(1/2 + a)


cos(πa)
2 1 
+
u2  C
π s+ u
Γ(1/2 − a)
s 
2
C + s+
π
s
2
sin(πa) u2 C .
π
cos(πa)
π
v2 +
u4 C
2 sin(πa) u v −
Γ(1/2 + a)
Γ(1/2 − a)
!
3
 s
2
π
+ s+ −
uv +
π Γ(1/2 + a)
s
2
sin(πa) u2 −
+ s− 
π
−
s
s
s

2
sin(πa) u2  C
π

2
π
v C
π Γ(1/2 + a)
2
π
C.
π Γ(1/2 + a)
(5.52)
Mit sg = (s+ + s− )/2 und su = (s+ − s− )/2, den Koeffizienten des geraden
bzw. ungeraden Teil des Potentials, erhält man die Gleichung
mit
0=D·C
D=
(5.53)
cos(πa)
π
−
2 sin(πa) u v +
u2 −
v 2 u2
Γ(1/2 − a)
Γ(1/2 + a)
!
q
π
2
+ 2sg π2 sin(πa) u −
v u−
.
(5.54)
Γ(1/2 + a)
Γ(1/2 + a)
s2g
s2u
!
69
5 Analytische Behandlung
Die Größe D ist gerade die Determinante des Gleichungssystems; eine nicht
triviale Lösung erhält man nur, wenn diese verschwindet. Man bemerke, dass
sie auch geschrieben werden kann als
D = s2g − s2u
U (a, b) V (a, −b) − U (a, −b) V (a, b) U 2 (a, b)
q
2
.
− 2sg π2 U (a, −b) U (a, b) −
Γ(1/2 + a)
(5.55)
Außerdem gilt mit s± 6= 0 wegen s2g − s2u = s+ s− auch s2g − s2u 6= 0.
Zusammenfassung der wichtigsten Gleichungen
An dieser Stelle sollen die wichtigsten Gleichungen dieses Abschnittes nochmals
zusammengefasst werden: Die Relation zwischen den Koeffizienten A, B, C
und D der Wellenfunktion (5.15) ist gegeben durch die drei Gleichungen
π
v
cos(πa)
v
A = − sin(πa) −
B+
+ sin(πa)
C,
Γ(1/2 + a) u
Γ(1/2 − a)
u
(5.56)
!

v
B = − +
u
s
D=−
s
!

2
1
C
π (sg + su ) u2
und
(5.57)
1
2
C,
π (sg + su ) u2
(5.58)
wohingegen die Eigenwerte gegeben sind durch die Lösungen der Gleichung
0=
cos(πa)
π
−
2 sin(πa) u v +
u2 −
v 2 u2
Γ(1/2 − a)
Γ(1/2 + a)
!
q
2
π
+ 2sg π2 sin(πa) u −
v u−
.
(5.59)
Γ(1/2 + a)
Γ(1/2 + a)
s2g
s2u
!
5.5 Exzeptionelle Punkte
Sowohl die Sinus- und Kosinusfunktion also auch die reziproke Gammafunktion 1/Γ(z) sind holomorphe Funktionen. Außerdem sind die parabolischen
Zylinderfunktionen U (a, z) und V (a, z) in beiden Argumenten a und z holomorph [29]. Daher ist die Determinante D = D(sg , su , a) eine holomorphe
Funktion auf C3 (siehe [30, Abschn. 2.1] oder [31, Abschn. 1]).2 Um die No2
In diesem Abschnitt wird die Abhängigkeit von der Position b des Doppel-δ-Potentials
vernachlässigt. Die Aussagen gelten jedoch genauso, wenn man b als einen weiteren
komplexen Parameter ansieht. Danach kann man die Ergebnisse durch Beschränkung auf
ein reelles b weitestgehend übernehmen.
70
5.5 Exzeptionelle Punkte
tation etwas einfacher zu gestalten, wird im Folgenden (sg , su ) stets mit s
abgekürzt.
Eigenwerte
Zuerst soll die Determinante D = D(s, a) für einen festen Werte von s betrachtet werden. Dann stellt sie eine ganze Funktion in Abhängigkeit von a dar. Die
Nullstellen von ganzen Funktionen sind jedoch isoliert. Dies bedeutet, dass auch
die Eigenwerte isoliert sind (oder anders ausgedrückt, dass das Punktspektrum
des Operators L aus Kapitel 4 diskret ist). Für den Rest des Abschnittes sollen
nun die Eigenwerte in Abhängigkeit des Parameters s untersucht werden.
Betrachte dazu eine Nullstelle (s0 , a0 ) von D. Ist die Ableitung ∂a D an diesem
Punkt ungleich null, so lässt sich der Satz über implizite Funktionen [30,
Abschn. 2.2, 31, Abschn. 8] anwenden. Dieser garantiert die Existenz einer
eindeutig bestimmten holomorphen Funktion a1 (s) in einer Umgebung von s0 ,
welche die Gleichung D(s, a1 (s)) löst. Mit anderen Worten: Ist für gewisse
Parameter s0 ein Eigenwert bekannt und verschwindet die Ableitung ∂a D
nicht, so gibt es für alle Parameter s in einer gewissen Umgebung von s0 einen
(eindeutig bestimmten) Eigenwert a.
Der Satz über implizite Funktionen lässt sich jedoch nicht anwenden, wenn
die Ableitung ∂a D an einer Nullstelle (s0 , a0 ) verschwindet. Da die Determinante D jedoch nicht gleich der Nullfunktion ist (z. B. ist D(0, 0, a) =
2/Γ(1/2 + a) 6= 0 für −1/2 − a ∈
/ N), gilt der Vorbereitungssatz von Weierstraß [30, Anschn. 2.4, 31, Abschn. 22]: Es gibt holomorphe Funktionen D0 (s, a)
und d1 (s), . . . , dk (s), sodass
D(s, a) = W (s, a) D0 (s, a)
(5.60)
ist mit dem Polynom
W (s, a) = (a − a0 )k + d1 (s) (a − a0 )k−1 + . . . + dk (s)
(5.61)
vom Grad k, wobei alle Funktionen dn (s) eine Nullstelle bei s0 besitzen, die
Funktion D0 (s, a) jedoch nicht – und damit auch nicht in einer ganzen Umgebung von (s0 , a0 ). Dies bedeutet, dass in dieser Umgebung die Nullstellen
von D gegeben sind durch die Nullstellen des Weierstraß-Polynoms W (s, a).
Mit dem Fundamentalsatz der Algebra folgt die Existenz von k (möglicherweise entarteten) Lösungen a1 , . . . , ak für jeden Wert von s (für s = s0 gilt
z. B. a1 = . . . = ak = a0 ). Von Interesse ist jedoch, wie sich diese Lösungen in
Abhängigkeit von s verhalten. Dazu ist wichtig zu wissen, ob sich das Polynom W (z) selbst als Produkt von Polynomen der Form (5.61) (und evtl.
holomorphen Funktionen D(s, a) mit D(s0 , a0 ) 6= 0) schreiben lässt. Ist dies
71
5 Analytische Behandlung
nicht der Fall, dann sind die Lösungen i. Allg. Zweige einer komplexen Funktion
und s0 ist der zugehörige Verzweigungspunkt. Für den einfachen Fall s ∈ C
kann sogar gezeigt werden, dass die Lösungen sich in diesem Fall als Wurzel
einer holomorphen Funktion darstellen lassen (vgl. [30, Anschn. 1.6, 32, Abschn. I.1.4.]). Ist also unter den „Teilern“ des Polynoms (5.61) ein Polynom
vom Grad q > 1, so handelt es sich beim Punkt (s0 , a0 ) um einen exzeptionellen
Punkt.
Existenz und Definitionsbereich der Lösungen
Bisher wurde gezeigt, dass die Existenz einer Lösung a die Existenz in einer
Umgebung impliziert. Allerdings ist noch unbekannt, ob eine solche Lösung
überhaupt existiert und auf welchem Gebiet sie definiert ist (bzw. ob das
Definitionsgebiet der lokal existierenden Lösungen vergrößert werden kann). Die
Existenz der Lösungen ist jedoch einfach zu verifizieren: Denn für sg = su = 0
sind die Lösungen bekannt (nämlich diejenigen des Harmonischen Oszillators).
Zu der schwierigeren Frage nach dem Definitionsgebiet sollen im Folgenden ein
paar Bemerkungen gemacht werden.
Betrachte zuerst eine kompakte Menge M ⊂ C2 . Dann gibt es ein r > 0,
sodass ksk < r ist für alle s ∈ M . Jedoch ist
ksk2 ≡ |sg |2 + |su |2 =
1
|s+ |2 + |s− |2 .
2
(5.62)
Außerdem gilt für alle a, b > 0
q
√
a2 + b2 ≤ a + b ≤ 2 (a2 + b2 ) ,
(5.63)
sodass auch |s+ | + |s− | auf M beschränkt ist:
|s+ | + |s− | ≤
r 2 |s+ |2 + |s− |2 = 2 ksk < 2r .
(5.64)
Betrachte nun die Abschätzung (4.32) von N∗ aus Abschnitt 4.1,
6
N∗ = D∗ (|s+ | + |s− |) ln (1 + |s+ | + |s− |)
.
(5.65)
Diese Abschätzung ist in Abhängigkeit von |s+ | + |s− | monoton steigend. Somit
lässt sich ein N∗ finden, welches eine geeignete Schranke für alle s ∈ M darstellt.
Betrachte nun eine Lösung a1 (s), die auf einer echten Teilmenge M ⊂ C2
definiert ist. Aus obigen Feststellungen folgt, dass M offen ist; ferner besitzt M
einen nicht leeren Rand. Wähle nun ein Element s∞ auf dem Rand aus. Dieser
kann offenbar nicht in M liegen, aber es gibt eine Folge (sn ) in M , welche
72
5.5 Exzeptionelle Punkte
gegen s∞ konvergiert. Damit liegen sowohl s∞ als auch alle sn in einer kompakten Teilmenge von C2 und es lässt für alle s in dieser Menge eine gemeinsame Schranke N∗ finden. Nach [11, 12a] sind damit alle Eigenwerte a1 (sn )
beschränkt. Daher gibt es eine Teilfolge (snk ), für welche die Folge (a1 (snk ))
gegen ein a∞ ∈ D− konvergiert. Aufgrund der Stetigkeit von D folgt
D(s∞ , a∞ ) = lim D(snk , a1 (snk )) = 0 .
k
(5.66)
Damit ist jedoch (s∞ , a∞ ) ebenfalls eine Nullstelle von D und es existiert eine
Lösung a2 (s) (evtl. mit mehreren komplexen Zweigen) innerhalb einer Umgebung von (s∞ , a∞ ). Da diese Lösung jedoch eindeutig ist und keine weiteren
Lösungen existieren, muss a1 (s) gleich einem Zweig von a2 (s) sein. Um das
Definitionsgebiet von a1 (s) zu erweitern, müssen somit u. U. weitere Zweige
hinzugenommen werden. Für einen genauen Beweis muss jedoch noch gezeigt
werden, dass diese neue Zweige auch auf dem Gebiet M definiert sind. Im
Folgenden soll allerdings nochmals genauer auf die exzeptionellen Punkte und
deren Verhältnis zur PT -Symmetrie eingegangen werden.
Exzeptionelle Punkte
Betrachte nun einen Punkt, an welchem ein Bruch der PT -Symmetrie stattfindet – genauer gesagt einen Punkt, vor welchem die Eigenwerte reell und nach
welchem die Eigenwerte komplex sind. Zudem soll vorausgesetzt werden, dass
die Zahl der Eigenzustände an diesem Punkt erhalten bleibt. Damit erfüllen die
Eigenwerte µ1,2 und die zugehörigen Wellenfunktionen ψ1 und ψ2 vor diesem
Punkt die Gleichungen
µ1,2 ∈ R sowie ψ1 = PT ψ1
und ψ1,2 = PT ψ1,2
(5.67)
und nach diesem Punkt die Gleichungen
µ1 = µ2
sowie ψ1 = PT ψ2
und ψ2 = PT ψ1 .
(5.68)
Hängen nun Eigenwerte und die Wellenfunktionen stetig von den Parametern
ab,3 so müssen an diesem Punkt beide Gleichungen erfüllt werden. Damit folgt
aber ψ1 = PT ψ2 = ψ2 und µ1 = µ2 = µ2 und es handelt sich bei diesem Punkt
um einen exzeptionellen Punkt.
Diese Überlegung erklärt lediglich das Verhalten eines EP2, an welchem ein
Bruch der PT -Symmetrie stattfindet. Für andere Punkte, an welchen mehrere
Eigenwerte Eigenwerte zusammenfallen, ist jedoch noch nicht geklärt, ob es
3
Für das in dieser Arbeit betrachtete System folgt dies aus den Gleichungen (5.56) bis (5.58)
und der Holomorphie der Lösungen (bis auf Verzweigungen), vgl. Seiten 71 bis 72.
73
5 Analytische Behandlung
sich um exzeptionelle Punkte handelt oder nicht: Es könnte nämlich auch
sein, dass nicht alle Eigenzustände zusammenfallen. Um nähere Aussagen zu
erhalten, könnte man die Struktur des Polynoms W (s) aus Gleichung (5.61)
untersuchen, insbesondere ob es in Teilpolynome zerfällt und welchen Grad
diese besitzen. Allerdings beinhalten die Gleichungen (5.56) bis (5.58) eine
stärkere Aussage: Die Determinante des linearen Gleichungssystem ist nämlich
genau eins, wie man leicht an den Gleichungen sieht. Dies bedeutet jedoch, dass
die Koeffizienten A, B und D eindeutig durch den Koeffizienten C bestimmt
sind und damit für jeden Wert (s, a) genau eine Eigenfunktion existiert. (Die
gleiche Aussage wurde auch schon in Abschnitt 5.3 für den Fall u = 0 erhalten.)
Dies bedeutet jedoch, dass jeder Punkt, an dem n Eigenwerte zusammenfallen,
auch ein exzeptioneller Punkt n-ter Ordnung ist.
5.6 Entwicklung der Lösung für große
Koeffizienten
Während in Kapitel 4 mit Methoden aus der Funktionalanalysis eine Störungstheorie für kleine Störungen dargestellt wurde, ermöglichen die Rechnungen in
Abschnitte 5.2 bis 5.4 auch eine störungstheoretische Behandlung für große Werte von sg und su gegen unendlich gehen. Im Folgenden wird dazu su,g = s0u,g /ε
angesetzt, wobei 0 < ε 1 sein soll. Dann erhält man für Gleichung (5.59)
π
cos(πa)
u2 −
v 2 u2
0 = s0g2 − s0u2 2 sin(πa) u v +
Γ(1/2 − a)
Γ(1/2 + a)
!
q
π
2
0
2
v u − ε2
. (5.69)
+ ε 2sg π sin(πa) u −
Γ(1/2 + a)
Γ(1/2 + a)
!
Diese Gleichung soll nun in ε entwickelt werden. Dazu werden alle Größen als
Potenzreihe in ε dargestellt, so z. B.
a=
X
n
ε n an .
(5.70)
Ein besonderes Augenmerk soll noch auf die Entwicklung von sin(πa), cos(πa)
und (Γ(c ± a))−1 gelegt werden. Aus den Additionstheoremen folgt
sin(π (ζ + ε ξ)) = sin(πζ) cos(ε πξ) + cos(πζ) sin(ε πξ) und
cos(π (ζ + ε ξ)) = cos(πζ) cos(ε πξ) − sin(πζ) sin(ε πξ) .
74
(5.71)
(5.72)
5.6 Entwicklung der Lösung für große Koeffizienten
Damit erhält man
sin(πa) = sin(πa0 ) 1 + O(ε2 ) + cos(πa0 ) ε a1 + O(ε3 )
= sin(πa0 ) + ε a1 cos(πa0 ) + O(ε2 ) und
(5.73)
cos(πa) = cos(πa0 ) 1 + O(ε2 ) − sin(πa0 ) ε a1 + O(ε3 )
= cos(πa0 ) + ε a1 sin(πa0 ) + O(ε2 ) ;
(5.74)
höhere Ordnungen folgen analog. Für die Entwicklung der inversen Gammafunktion benötigt man die Digammafunktion Ψ(z) = Ψ0 (z) und die Polygammafunktionen Ψn (z). Diese sind definiert als
Ψn (z) =
dn+1
dn Γ0 (z)
.
ln(Γ(z))
=
dz n+1
dz n Γ(z)
(5.75)
Damit folgt
1 X n
1
=
ε Gn (a0 , . . . , an ) ,
n
Γ(a)
Γ(a0 )
(5.76)
wobei die niedrigsten Koeffizienten
G0 = 1
G1 = −a1 Ψ(a0 )
(5.77)
(5.78)
G2 = −a2 Ψ(a0 ) +
(5.79)
1 2
a1 Ψ(a0 )2 − Ψ1 (a0 )
2
G3 = −a3 Ψ(a0 ) + a1 a2 Ψ(a0 )2 − Ψ1 (a0 )
1 − a31 Ψ(a0 )3 − 3Ψ(a0 ) Ψ1 (a0 ) + Ψ2 (a0 )2
6
(5.80)
lauten. Es ist also
1
1
1 =
−ε a1 Ψ(a0 )−ε2 a2 Ψ(a0 ) − a21 Ψ(a0 )2 − Ψ1 (a0 ) +O(ε3 ).
Γ(a)
Γ(a0 )
2
(5.81)
In nullter Ordnung in ε sind die Lösungen von Gleichung (5.59) bestimmt
durch die Gleichung
0=
s0g2
−
s0u2
cos(πa)
π
2 sin(πa) u v +
u2 −
v 2 u2 . (5.82)
Γ(1/2 − a)
Γ(1/2 + a)
!
75
5 Analytische Behandlung
Diese Gleichung wird genau dann erfüllt, wenn eine der Gleichungen
u0 = 0 oder 2 sin(πa0 ) u0 v0 +
π
cos(πa0 )
u20 −
v 2 = 0 (5.83)
Γ(1/2 − a0 )
Γ(1/2 + a0 ) 0
erfüllt wird.
Ist u0 = 0, so erhält man aus den Gleichungen (5.32) und (5.33) für die
Koeffizienten in nullter Ordnung
π
v0 B0 + sin(πa) v0 C0 ,
(5.84)
0 = v0 C0 und 0 =
Γ(1/2 + a)
was C0 = 0 nebst B0 = 0 impliziert. Die Koeffizienten A0 und D0 hingegen
können beliebig gewählt werden. Daher sind die entsprechenden Energieeigenwerte zweifach entartet. Die zugehörigen Wellenfunktionen sind auf die
Bereiche (−∞, −b) und (b, ∞) außerhalb des δ-Potentials beschränkt. Zusammen mit der Symmetrie des Potentials des Harmonischen Oszillators erklärt
dies die zweifache Entartung.
Betrachte nun den Fall u0 6= 0. Ist v0 = 0, so folgt
cos(πa0 )
=0
Γ(1/2 − a0 )
(5.85)
π
v2 = 0
Γ(1/2 + a0 ) 0
(5.86)
und damit a0 = −1/2 ± n mit n ∈ N. Jedoch ist v0 = V (a0 , b) und V (a, x) besitzt keine reelle Nullstelle in x für a > −1/2, siehe [29]. Es folgt a0 = −1/2 − n,
sodass U (a0 , x) gerade eine Hermite-Funktion ist. Auf diesen Fall wird unten genauer eingegangen – hier soll nun der Fall v0 6= 0 vorausgesetzt werden. Für die
Koeffizienten folgt dann aus Gleichung (5.58) D0 = 0 und aus Gleichung (5.57)
u0 B0 − v0 C0 = 0. Dies führt zusammen mit Gleichung (5.83) zu A0 = 0, sodass die Wellenfunktionen dieser Lösungen auf den Bereich (−b, b) innerhalb
der δ-Funktionen beschränkt sind.
Werden die Gleichungen (5.83) gleichzeitig erfüllt, so ist
und wegen v0 6= 0 (vgl. Abschnitt 5.3) folgt a0 = −n − 1/2 mit n ∈ N. Damit
entspricht dieser Fall ebenfalls dem Fall der Hermite-Funktionen, welcher in
Abschnitt 5.3 genauer diskutiert wird und deshalb in den folgenden Abschnitten nicht betrachtet werden soll. Es sei noch bemerkt, dass aus den obigen
Diskussionen folgt, dass der Entartungsgrad hier drei beträgt.
Somit erhält man im Fall einer unendlich starken Störung einen eingeschränkten Harmonischen Oszillator: Die Lösungen sind auf eines der Gebiete (−∞, −b), (−b, b) und (b, ∞) eingeschränkt. Dies lässt sich auch schon
76
5.7 Störung der Lösungen außerhalb
an der Sprungbedingung (2.2) für die Ableitung erkennen: Auch für unendlich
große Störungen s+ und s− sollten die Ableitungen ψ 0 endlich bleiben. Daher
muss aber ψ(±b) gegen null gehen. Die „Höhe“ des Sprunges der Ableitung ist
dann aber undefiniert und die Gebiete wechselwirken nicht mehr miteinander;
die δ-Potentiale trennen die Gebiete.
5.7 Störung der Lösungen außerhalb
Die im vorigen Abschnitt 5.6 dargelegt störungstheoretische Behandlung ermöglicht prinzipiell eine quantitative Beschreibung der Eigenwerte und Eigenfunktionen. Dazu müssen aber Gleichungen gelöst werden, in denen uk und vk
mit k > 1 auftreten. Diese können aber nicht mehr in einer geschlossenen Form
dargestellt werden, sodass ebenfalls in dem Parameter b entwickelt werden
müsste (wie es z. B. in [33] gezeigt wird). Daher soll in diesem Abschnitt ein
interessantes quantitatives Ergebnis besprochen werden, welches man schon
in der ersten Ordnung der Störungstheorie der Lösungen außerhalb (u0 = 0)
erhält.
Betrachte dazu nochmals die Gleichung (5.59). Entwickelt man die Gleichung
in höheren Ordnungen, so müssen nur diejenigen Terme berücksichtigt werden,
die ausschließlich u1 , u2 , . . ., nicht aber u0 als Faktor enthalten. Dies ist in
erster Ordnung jedoch nur möglich, wenn in der ursprünglichen Gleichung
der Faktor u nur in erster Potenz auftritt. Dies ist jedoch nur in demjenigen
Term der Fall, der explizit einen Faktor ε enthält. Dadurch löst u0 = 0 die
Gleichung (5.59) auch in erster Ordnung. In zweiter Ordnung erhält man
0=
s0g2
−
s0u2
+ 2s0g
q
2
π
!
π
v02 u21
−
Γ(1/2 + a0 )
!
π
2
−
v0 u1 −
Γ(1/2 + a0 )
Γ(1/2 + a0 )
q
π
2
=
− s0g2 − s0u2 v02 u21 − 2s0g v0 u1 π2 −
Γ(1/2 + a0 )
π
2 !
q
π
2
=
(s0u v0 u1 ) − s0g v0 u1 + π2
.
Γ(1/2 + a0 )
(5.87)
Nun ist aber (Γ(1/2 + a0 ))−1 6= 0, da hier der Fall der Hermite-Polynome ausgeschlossen werden soll. Damit folgt
±s0u v0 u1 = s0g v0 u1 +
q
2
π
(5.88)
77
5 Analytische Behandlung
bzw.
s
u1 = −
1
2
.
0
π (sg ± s0u ) v0
(5.89)
Man bemerke, dass u1 proportional ist zu a1 und v0 stets reell. Somit ist a1
genau dann reell, wenn sowohl s0g als auch s0u reell sind. Gilt Im(s0g ) = ± Im(s0u ),
so erhält man für a1 eine reelle und eine komplexe Lösung. Andernfalls ist a1
komplex. Im PT -symmetrischen Fall für su → ∞ und sg beschränkt kann
s0g ≈ 0 angenommen werden, sodass a1 rein imaginär ist. Man erhält also für
den Grenzfall sg → ∞ reelle Eigenwerte und für su → ∞ komplex konjugierte
Eigenwerte für diejenigen Lösungen, die gegen die „äußeren“ Lösungen konvergieren. Da für kleine Werte die Eigenwerte jedoch alle reell sind (vgl. Kapitel 4),
muss es einen Punkt geben, an dem die Eigenwerte komplex werden. Nach
Abschnitt 5.5 sind diese Punkte jedoch exzeptionelle Punkte. Da der eingeschränkte Harmonische Oszillator jedoch unendlich viele Eigenwerte besitzt,
muss es für s → ∞ auch unendlich viele exzeptionelle Punkte geben.
78
Zusammenfassung und Ausblick
In der Arbeit wurde der Harmonische Oszillator mit singulären Störungen untersucht (genauer gesagt mit einem Doppel-δ-Potential, siehe Gleichung (1.1)).
In Kapitel 2 wurden dazu numerische Methoden verwenden. Dabei wurde
verifiziert, dass man im Falle einer rein reellen, geraden Störung auch reelle
Spektren erhält. Es wurde festgestellt, dass eine gerade und eine ungerade
Lösung existieren, die sich an den δ-Potentialen konzentrieren. Die zugehörigen
Eigenwerte werden bei wachsender attraktiver Störung kleiner und sind unbeschränkt. Die übrigen Eigenwerte hingegen bleiben beschränkt und streben
gegen einen endlichen Grenzwert.
Außerdem wurde die Abhängigkeit des Spektrums von der rein imaginären,
ungeraden Störung untersucht. Dabei wurden exzeptionelle Punkte beobachtet,
bei welchen ein Bruch der PT -Symmetrie stattfindet. Das bedeutet, dass vor
der Bifurkation die Eigenwerte reell und die Wellenfunktionen PT -symmetrisch sind. Nach der Bifurkation jedoch existiert ein Paar mit zueinander
komplex konjugierten Eigenwerten und einem entsprechenden Paar (ψ, PT ψ)
von Wellenfunktionen. Dass es sich bei der Bifurkation in der Tat um einen
exzeptionellen Punkt handelt, wurde durch die Beobachtung verifiziert, dass
die Wellenfunktionen an diesem Punkt zusammenfallen. In Abschnitt 5.5 wurde
dies durch eine allgemeine Überlegung bestätigt (vgl. Seite 73).
In Kapitel 2 wurde außerdem festgestellt, dass die Variation der Stärke des
reellen, geraden Doppelmuldenpotentials auch zu einem Bruch der PT -Symmetrie führen kann, wenn zusätzlich ein rein imaginärer, ungerader Potentialteil
existiert. Zudem wurden bei Vorhandensein beider Potentialteile exzeptionelle
Punkte dritter Ordnung beobachtet. Diese bilden eine Kurve im dreidimensionalen Parameterraum, sodass die Variation von zwei Parametern ausreicht,
um das System zu einem EP3 zu bringen. Dies deutet darauf hin, dass im
PT -symmetrischen Fall weniger Kontrollparameter als im allgemeinen nicht
hermiteschen Fall nötig sind, um einen exzeptionellen Punkt zu erzwingen.
Ferner wurde in dieser Arbeit ein störungstheoretischer Ansatz, der von
Mityagin entwickelt wurde [12], genauer untersucht und die daraus erhaltene
Näherung für die Eigenwerte mit den exakten numerischen Resultaten verglichen. Dies ergab, dass die Näherung für große Quantenzahlen und kleine
Störstärken gute Abschätzungen liefert; jedoch ist die Approximation in der
79
Zusammenfassung und Ausblick
Nähe der exzeptionellen Punkte nicht gut, ebenfalls nicht für die niedrigsten
Zustände – für den Grundzustand konnte gar eine Aussage gemacht werden.
Zum anderen wurden die Eigenschaften der Störungsreihe durch eine exakte numerische Berechnung weiter untersucht. Dabei wurde gesehen, dass es
möglich ist, mit der Störungsreihe an sich Aussagen über die Eigenwerte der
niedrigsten Zustände zu machen und eine brauchbare Abschätzung der Position
der exzeptionellen Punkte zu erhalten. Die Berechnungen zeigen zudem, dass
das Konvergenzgebiet der Störungsreihe in der Tat bis zum Bifurkationspunkt
reicht. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Aussagen über die Eigenwerte in der Umgebung der Bifurkationspunkte erheblich verbessert werden
können, wenn man die Störungsreihen der beiden beteiligten Zustände nicht
getrennt betrachtet, sondern zusammen. Dadurch können sogar die komplexen
Eigenwerte nach der Bifurkation berechnet werden.
In Kapitel 5 wurde die Differentialgleichung zudem mit Methoden aus der
Analysis bzw. Funktionentheorie untersucht. Es konnte erfolgreich ein lineares Gleichungssystem aufgestellt werden, mithilfe dessen die Eigenwerte und
Eigenfunktionen berechnet werden können. Die Eigenwerte sind dabei implizit über die Nullstellen der Determinante des Gleichungssystems gegeben; die
Eigenfunktionen lassen sich aus dem Nullraum der Koeffizientenmatrix bestimmen. Dabei wurde ein direkter Zusammenhang zwischen Ergebnissen aus
der (mehrdimensionalen) Funktionentheorie und den exzeptionellen Punkten
festgestellt. Außerdem ergab sich, dass die Eigenwerte isoliert sind (und damit
das Eigenwertespektrum, also das Punktspektrum des entsprechenden Operators auf dem Raum der quadratintegrierbaren Funktionen, diskret ist). Zudem
konnte gezeigt werden, dass die Dimension des Eigenraumes für alle Eigenwerte
eins ist, unabhängig von den Werten der Parameter. Dies beinhatet jedoch eine
weitere Aussage über das Auftreten von exzeptionellen Punkten: Schneiden
sich an einem Punkt N Eigenwerte, so erhält man auch einen exzeptionellen
Punkt N -ter Ordnung.
Zuletzt wurde gezeigt, wie mithilfe der obigen Ergebnisse eine weitere störungstheoretische Berechnung insbesondere für große Störstärken durchgeführt
werden kann. Damit konnte das Verhalten der Zustände mit beschränkten Eigenwerten für große Störungen erklärt werden und ein Zusammenhang zu dem
auf ein Intervall eingeschränkten Harmonischen Oszillator aufgezeigt werden.
Für manche dieser Lösungen konnten durch Berechnung der ersten Ordnung
eine qualitative Aussage über die Abhängigkeit des Spektrums von der rein
imaginären, ungeraden Störung erhalten werden. Es konnte nämlich gezeigt
werden, dass es bei Variation letzterer von null bis unendlich auch unendlich viele Zustände gibt, die die PT -Symmetrie brechen. Dies impliziert die
Existenz unendlich vieler exzeptioneller Punkte.
80
Ein Thema für zukünftige Arbeiten wäre, das in Kapitel 5 aufgestellte lineare
Gleichungssystem numerisch zu Lösen. Dies würde ebenfalls ein recht einfaches
Lösungsverfahren darstellen. Hierfür müssen die parabolischen Zylinderfunktionen aus Gleichungen (5.11) und (5.12) auch für komplexe Argumente berechnet
werden können.
Dank seiner Einfachheit wäre das in dieser Arbeit betrachtete Modell gut
geeignet, um dessen Level-Statistik zu analysieren. Diese beeinhaltet Aussagen
darüber, ob ein quantenmechanisches System sich chaotisch verhält oder nicht
(siehe z. B. [34]). Wigner führte Zufallsmatrixmodelle ein [35] und Bohigas,
Giannoni und Schmit stellten 1984 die Vermutung auf, dass sich die LevelStatistik von quantenmechanischen Systemen mit chaotischem Verhalten stets
durch solche beschreiben lassen [36]. Für PT -symmetrische Systeme hingegen
wurden kürzlich neue Zufallsmatrixmodelle vorgestellt [37]. Interessant wäre,
die Level-Statistik des harmonischen Oszillators mit singulären Störungen mit
diesen Ergebnissen aus der Theorie der Zufallsmatrizen zu vergleichen. Für
eine solche Untersuchung ist die genaue Kenntnis einer großen Zahl an Eigenwerten notwendig. Diese mithilfe des numerischen Verfahrens aus Kapitel 2 zu
berechnen ist jedoch aufwendig. Hier können die Methoden aus den Kapitel 4
und 5 eine einfachere Möglichkeit für die Berechnung bieten.
Außerdem könnte das in Kapitel 4 vorgeschlagene Verfahren zur genaueren
Berechnung des Bifurkationspunktes auch für exzeptionelle Punkte höherer
Ordnung verallgemeinert werden. Eventuell wäre es sogar möglich, ähnliche
Verfahren zu finden, die die höheren Ordnung genauer berücksichtigen und
noch genauere Berechnung ermöglichen.
Lohnenswert ist auch, die in Abschnitt 2.5 begonnene Untersuchung zur Anzahl der Kontrollparameter, die zur Erzwingung eines exzeptionellen Punktes
nötig sind, genauer durchzuführen und ensprechende Aussagen für Matrixmodelle mathematisch streng zu beweisen. Dabei könnten auch Methoden aus der
Theorie der holomorphen Funktionen mehrerer Variablen hilfreich sein (vgl.
Abschnitt 5.5). Ein besonderes Augenmerk kann dabei auf den Unterschied
zwischen PT -symmetrischen und nicht PT -symmetrischen Systemen gelegt
werden.
81
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of Physics A: Mathematical and Theoretical 48 (2015), 38FT02.
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Danksagung
Mein Dank geht an alle, die mich beim Schreiben dieser Arbeit und während
meines gesamten Studiums unterstützt und begleitet haben.
Besonders danken möchte ich meinem Betreuer, Herrn Apl. Prof. Dr. Jörg
Main. Er war stets freundlich und hilfsbereit, sodass ich mich mit meinen
Fragen jederzeit an ihn wenden konnte. Ich danke ihm für das Korrekturlesen
der Arbeit und dafür, dass er mir manchen guten Rat erteilt und mich bei
meiner Arbeit gefördert hat.
Ganz herzlich danke ich meinen Eltern. Sie haben mir das Studium ermöglicht
und mich während des ganzen Studiums hindurch unterstützt und begleitet.
Im Büro mit Lukas Schwartz und Robin Gutöhrlein war stets eine gute
Atmosphäre. Sie haben mir mit manch einem kleinen Tipp weitergeholfen.
Herrn Prof. Dr. Günter Wunner, dem Leiter des 1. Institutes für Theoretische
Physik, danke ich für die Möglichkeit, an diesem Institut meine Masterarbeit
schreiben zu dürfen.
Allen Mitarbeitern des Institutes danke ich für die Gemeinschaft und die
interessanten Diskussionen.
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre,
• dass ich diese Masterarbeit selbständig verfasst habe,
• dass ich keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und alle
wörtlich oder sinngemäß aus anderen Werken übernommenen Aussagen
als solche gekennzeichnet habe,
• dass die eingereichte Arbeit weder vollständig noch in wesentlichen Teilen
Gegenstand eines anderen Prüfungsverfahrens gewesen ist,
• dass ich die Arbeit weder vollständig noch in Teilen bereits veröffentlicht
habe, es sei denn, der Prüfungsausschuss hat die Veröffentlichung vorher
genehmigt
• und dass das elektronische Exemplar mit den anderen Exemplaren übereinstimmt.
Stuttgart, den 2. November 2016
Jacob Cornelius Fuchs
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