Das Stallklima optimieren

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tierhaltung
st.galler bauer 9 – 2016
Landwirtschaftliches Zentrum SG, Fachstelle Rindvieh
Das Stallklima optimieren
Die Frischluftversorgung der
Kühe fordert uns in den
Sommermonaten enorm. Für
unsere Wiederkäuer beginnt
Hitzestress schon bei
Temperaturen über 21 Grad.
Es gibt viele Wege, unseren
«Mitarbeiterinnen» das Leben
zu erleichtern und ihre
Gesundheit zu verbessern.
Text und Bild: Christian Manser, LZSG
Eine Kuh besteht zu rund 30 Prozent aus einer Heizung. Ihr Pansen mit über 200 Litern Inhalt ist
mit einer Biogasanlage zu vergleichen. Die Bakterien darin zerkleinern das Futter und produzieren
dabei unerlässlich Gas und vor allem viel Wärme. Je mehr Futter
eine Kuh umsetzt und je mehr
Milch sie produziert, umso mehr
Wärme entsteht. Diese Wärme
muss laufend abgeführt werden.
Daher ist für unsere Kühe eine
Durch das Entfernen von Seitenwänden gelangt die Luft leichter an
die Nase der Kuh und man gewinnt zusätzlichen Raum.
wirkungsvolle Kühlung unerlässlich.
Schwitzen über Lunge
Kühe senken ihre Körpertemperatur
vor allem, indem sie trockene Luft
einatmen und feuchte Luft ausatmen. Auf diesem Weg scheidet eine
Kuh an einem Sommertag bis zu 50
Liter Wasser aus. Das ist die einfachste Kühlmethode für den Wie-
Warten, liegen und fressen
Den grössten Hitzestress erleben die Kühe auf grossen Betrieben in
engen Warträumen vor dem Melken. Stehen die Tiere zusätzlich der
Abendsonne ausgesetzt, erhöhen sich die Strapazen. Die rangniederen Kühe stehen ganz hinten und leiden besonders.
Der drittwichtigste Bereich, wo sich die Kühe idealerweise rund 14
Stunden täglich aufhalten, ist der Liegebereich. Hier bringt es mehr,
gut zu lüften, als am Futtertisch, wo sich die Kühe lediglich etwa
sechs Stunden am Tag aufhalten. Die Luftqualität an der Nase der liegenden Kuh ist von grosser Bedeutung.
Erst jetzt kommt der Fressbereich zum Zug. Oftmals ist die Luft aber
vor allem am Futtertisch gut, weil da mit dem Öffnen der Tore der
Luftaustausch recht einfach optimiert werden kann. cm.
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derkäuer, denn das Schwitzen über
die Haut ist weit weniger effizient
als das Schwitzen über die Lunge.
Trockene Luft hilft nicht nur beim
Kühlen, sondern trocknet auch die
Liegefläche und den Stallboden,
was aus Sicht der Euter- und Klauen­
gesundheit vorteilhaft ist.
Was wird gezüchtet?
Die ideale Temperatur für Kühe
liegt zwischen 5 und 15 Grad Celsius. Bei etwa minus 25 Grad Celsius beginnt für sie der Kältestress,
ab 21 Grad Celsius der Hitzestress.
Bakterien und Viren mögen es
warm und feucht, Kühe bevorzugen es kalt und trocken. Was soll
man nun im Stall züchten? Bakterien und Viren sind immer an
Staubpartikel gebunden. Wo viel
Staub fliegt, sind auch entsprechend mehr Bakterien und Viren
unterwegs. Fliegen belästigen unsere Tiere und übertragen Krankheiten. Sie halten sich vorwiegend
an windstillen Plätzen auf. Es ver-
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langt aber niemand, dass man im
Stall auch eine Ecke für die Fliegenvermehrung gestaltet. Bereits
eine minime Luftbewegung im
Stall reicht aus, die Fliegen zum
Auszug zu motivieren.
Hitze kostet Geld
Die Kühe kämpfen vom Frühling
bis im Herbst mit den Temperaturen, nicht im Winter bei null Grad.
Die Aussage «Warmstall schlecht,
Kaltstall gut» ist falsch. Lediglich
die Frage «Ist im Stall eine ausreichende Frischluftzufuhr möglich?»
ist entscheidend. Viele Viehhalter
bevorzugen einen stark geschlossenen Stall, da sie bei tiefen Temperaturen in der kalten Jahreszeit
einen höheren Futterverzehr befürchten. Ist man sich aber bewusst, wie viel Geld man den ganzen Sommer an jedem Hitzetag im
Stall verliert? In welcher Jahreszeit
steigen die Zellzahlen an? Wann
schlägt man sich öfter mit Fruchtbarkeitsproblemen herum? In welchen Monaten sind die Tierärzte
vermehrt wegen Acetonämie und
Pansenübersäuerung unterwegs?
Der Tierarzt kennt die Antworten.
Kuhsignale ernst nehmen
Ob die Umgebungsluft den Kühen
zur nötigen Abkühlung verhilft, teilen sie uns täglich mit. Leider nehmen einige Tierhalter diese Mitteilungen nicht wahr oder ignorieren
sie. Dabei ist die Körpersprache der
Kühe klar und unmissverständlich.
Atmet die Kuh mehr als 30 Mal pro
Minute ein und aus, so sagt sie uns
in den meisten Fällen, dass die
Umgebungsluft zu warm und zu
feucht ist. Fieber, Stress, Lungenprobleme oder auch Blähungen
sind in vereinzelten Fällen auch der
Auslöser für schnelle Atmung. Ent-
scheidend ist immer, ob nur eine
einzelne Kuh «pumpt» oder ob
mehrere Tiere davon betroffen sind.
Viele stehende Kühe sind oft auch
ein Zeichen für warme, feuchte
Luft im Stall. Vor allem dann, wenn
die Liegeflächen optimal wären
und die Kühe nicht wegen Lahmheit stehen bleiben. Bei Hitze bleiben Kühe deswegen länger stehen,
weil sie dadurch ein bisschen mehr
Wärme über die Haut an die Umgebung abgegeben können. So
hebt auch der Mensch bei Hitze
zwischendurch die Arme an, um
die Achseln zu kühlen.
Frische-Luft-Suchverhalten
Wo stehen die Kühe im Laufstall
herum? Welche Liegeboxen werden von den Kühen bevorzugt?
Welche Plätze müssen von den
rangniederen Tieren belegt werden? Wenn Kühe ihre Nase irgendwo zur Türe oder zum Fenster hinausstrecken, nennen das viele
Tierhalter kurios. Die Kuh sagt uns
damit: «Ich suche frische Luft.»
Auch wenn in Laufställen das Futter oft an den Enden des Futtertisches zuerst aufgefressen ist, be-
deutet das, dass die Tiere lieber an
gut durchlüfteten Orten fressen.
Riechen die Kleider und Haare
nach einem Stallbesuch fast nicht
nach Ammoniak, dann ist die Lüftung in Ordnung.
Durch die Nase der Kuh
Die Kuh produziert am besten im
Liegen, wenn ihre Nase auf etwa
20 bis 30 Zentimeter über dem
Boden ist. Wenn sie liegt, will sie
dicht am Boden gute Luft. Wenn
man auf dem Futtertisch steht,
bläst es da oftmals recht ordentlich und es verleitet zu glauben,
der Stall sei gut durchlüftet. Im
Liegebereich der Kuh ist die Situation vielleicht ganz anders. Deshalb soll man sich auch mal in die
Lage der Kuh versetzen und während einiger Minuten die Luft auf
Nasenhöhe einer liegenden Kuh
einatmen. Dann wird vielleicht
klar, weshalb die Kühe häufig unproduktiv herumstehen und die
Klauen unnötig stark belasten.
Gratis Abhilfe schaffen
Bevor man an neue Anschaffungen für bessere Luftqualität denkt,
Bereits kleine Eingriffe wie das Entfernen von Teilen der Wand zwischen
Kuhbereich und Futtertenn helfen, den Luftaustausch zu vergrössern.
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soll man immer die Verbesserungsmöglichkeiten umsetzen, die nichts
oder zumindest fast nichts kosten.
Mit der Umstellung auf Nachtweide können sich die Kuh und der
Stall während de frischeren Tageszeiten leichter abkühlen. Auch das
Weiden auf stärker beschatteten
Weiden oder nur kurzes Weiden
am frühen Morgen, kann in Hitzeperioden helfen. Gut gereinigte
Wasserstellen und Tränken mit genügend Durchfluss (ca. 15 Liter pro
Minute im Anbindestall) helfen
den Kühen, sich leichter abzukühlen. Durch das Ausmisten von Tiefstreuflächen kann das Luftvolumen im Stall erhöht und der Keimdruck verringert werden. Auch der
Fliegendruck wird dadurch gehemmt. Wenn bereits Lüfter im
Einsatz stehen, die Position kontrollieren sowie die Schutzgitter
und die Lüfterflügel regelmässig
reinigen. Dadurch kann die Leistung hoch gehalten werden.
Frische Luft im Stall
Lüften heisst, frische Luft in den
Stall zu bringen und verbrauchte
Luft aus dem Stall wegzuführen. Es
macht wenig Sinn, nur die verbrauchte Luft im Stall herumzublasen. Gerade in grossen, langen
Laufställen funktioniert der wirkungsvolle Luftaustausch nur über
die Querlüftung. Mit dem EntferKurs Stallklima
Zum Thema Klima in Rindviehställen findet am Freitag, 11.
März, von 9 bis 16 Uhr, eine Tagung am Landwirtschaftlichen
Zentrum SG statt. Infos und Anmeldung: Tel. 058 228 24 84 oder
E-Mail: [email protected]. cm.
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nen der Fenster und allenfalls von
Wänden gibt man den Weg für
­einen grösseren Luftaustausch frei.
Hilfreich ist dabei ein flexibles Vorhangsystem. Auch in den Anbindeställen soll nach Möglichkeit die
Luftführung über die ganze Kuh
hinweg (Querlüftung) angestrebt
werden. Dazu soll auf beiden
Längsseiten die gleich grosse Fensterfläche geöffnet werden. So kann
punktueller Zugwind verhindert
werden. Auch Seitenwände im Stall
oder hohe Krippenabschlüsse stoppen den Windfluss auf Nasenhöhe;
weg damit.
der Durchmesser des Ventilators.
Wenn der Lüfter leicht gekippt
wird, erreicht die Luft die Kühe
einfacher. Regelbare Lüfter können auch bei tieferen Temperaturen noch eingesetzt werden. Deckenventilatoren sollen nur dann
benutzt werden, wenn ein Luft-
Heisse Dachfläche
Beim Stallneubau ist zu beachten,
dass direkt über den Kühen nie
eine Lichtplatte oder ein Lichtfirst
montiert wird. Die Sonneneinstrahlung wärmt den Tierbereich
unnötig auf und hält die Kühe
vom Fressen oder Liegen ab. Auch
die Westseite wird heute manchmal als einzige Stallseite sogar
mit Sandwichplatten ausgestattet. Mit dieser Massnahme wird
erreicht, dass an den Sommerabenden die Sonne den Stall nicht
zu stark aufheizt. Mit Schattennetzen kann in bestehenden Ställen vorübergehend die Sonneneinstrahlung reduziert werden.
austausch möglich ist. Es macht
wenig Sinn, stundenlang die verbrauchte Luft an die Kühe hin zu
bewegen. Man kann damit im
besten Fall die Fliegen oder Vögel
von den Kühen fern halten.
Heisse Westseite
Ein Ventilator mit 1.30 Metern
Durchmesser wirkt rund 13 Meter
weit. Seine Wirkung ist besonders
gross, wenn möglichst kalte und
trockene Luft angesaugt wird. Die
Luft auf der Ost- oder Nordseite
ist meist kühler. Auf der Westseite
kann es vor allem ab dem späten
Nachmittag sehr heiss werden.
Die Öffnung für den Lufteintritt
sollte doppelt so gross sein wie
Sonneneinstrahlung wärmt
unnötig auf und hält
Kühe vom Fressen oder
Liegen ab.
Lüfter richtig einsetzen
Wo sind bereits Ventilatoren platziert? Wo brauchen die Kühe die
Luft? Welche Kühe brauchen besonders viel frische Luft? Die
wichtigste Kuhgruppe auf jedem
Betrieb sind die Trockensteher
und die frisch abgekalbten Kühe.
Diese Tiere haben Anrecht auf den
ersten Ventilator auf dem Betrieb.
In den Sommermonaten gelangen die hochträchtigen Tiere noch
schneller in einen Hitzestress, der
Futterverzehr nimmt ab und oftmals tritt bereits vor dem Abkalben eine unterschwellige Acetonämie auf. Was bei nicht angepasster Haltung und Fütterung der
Trockensteher eingebrockt wird,
muss in der nachfolgenden Laktation kostspielig ausgelöffelt werden (mehr Stoffwechsel-, Euterund Klauenprobleme, weniger
Milch).
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