Beispiele.

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262
7.3
7. Differenzialrechnung
7.3 Anwendungsbeispiele aus Physik und Technik
7.3.1 Kinematik
Bewegungsabläufe lassen sich durch das Weg-Zeit-Gesetz s = s (t) beschreiben. Die Momentangeschwindigkeit ist die Ableitung des Weg-Zeit-Gesetzes
nach der Zeit
v (t) := ṡ (t) =
d
dt
s (t)
(Geschwindigkeit)
und die Beschleunigung gibt die Änderung der Geschwindigkeit an:
a (t) := v̇ (t) =
d
dt
v (t) = s̈ (t) .
(Beschleunigung)
(1) Für den freien Fall gilt
s (t) =
1
2
g t2 + v0 t + s0 ,
wenn s0 die Anfangsposition und v0 die Anfangsgeschwindigkeit. Es gilt hier
für die Geschwindigkeit und Beschleunigung
v (t)
a (t)
=
=
ṡ (t)
v̇ (t)
=
=
g t + v0 ,
g = const .
(2) Ein durch Luftreibung gedämpftes Federpendel
schwingt mit
x (t) = x0 e−γ t cos (ωt) ,
wenn x0 die Anfangsauslenkung, γ der Reibungskoeffizient und ω die Schwingungsfrequenz. Die Geschwindigkeit
und Beschleunigung sind
Abb. 7.4.
Federpendel
v (t) = ẋ (t) = −γ x0 e−γ t cos (ωt) − ω x0 e−γ t sin (ωt) ,
a (t) = v̇ (t) = γ 2 x0 e−γ t cos (ωt) + γ ω x0 e−γ t sin (ωt)
+γ ω x0 e−γ t sin (ωt) − ω 2 x0 e−γ t cos (ωt)
7.2
Rechenregeln bei der Differenziation
263
a (t) = γ 2 − ω 2 x0 e−γ t cos (ωt) + 2 γ ω x0 e−γ t sin (ωt) .
Für den Spezialfall ohne Reibung (γ = 0) ist
x (t) = x0 cos (ωt)
und
ẍ (t) = a (t) = −ω 2 x0 cos (ωt) = −ω 2 x (t) .
Dann ist die Rückstellkraft der Feder
F = m a = m ẍ (t) = −m ω 2 x (t) ∼ x (t) .
Dies ist das Hooksche Gesetz, welches besagt, dass die Rückstellkraft proportional zur Auslenkung x (t) ist.
7.3.2 Induktionsgesetz
Das Induktionsgesetz aus der Physik lautet: Eine zeitliche Änderung des magnetischen Flusses φ induziert in einem Leiter mit Windungszahl n eine elektrische Spannung Ui gemäß
d
Ui (t) = −n dt
φ(t).
Dabei ist der magnetische Fluss φ = B · Aef f , B das angelegte Magnetfeld
und Aef f die vom Magnetfeld durchdrungene Fläche.
(1) Wenden wir das Induktionsgesetz auf eine in einem
konstanten Magnetfeld rotierende Spule an, so ist die
effektiv vom Magnetfeld durchdrungene Fläche
Aef f = A cos ϕ (t) = A cos (ωt) .
Nach dem Induktionsgesetz wird die Wechselspannung
Ui = −n
d
φ
dt
=
=
−n
d
B A cos (ωt)
dt
Abb. 7.5. Drehender Lei-
ter
n B A ω sin (ωt)
mit der Scheitelspannung U0 = n B A ω induziert.
(2) Ist die Leiterschleife fest und variiert das Magnetfeld senkrecht zur Leiterschleife gemäß B = B0 cos (ωt) mit Amplitude B0 und Frequenz ω, so wird
in der Leiterschleife (Querschnittsfläche A) die Spannung Ui induziert gemäß
der Formel
Ui = −n
d
d
φ = −n A B0 cos (ωt) = n A B0 ω sin (ωt) .
dt
dt
264
7. Differenzialrechnung
7.3.3 Elektrostatik
(1) In einem Plattenkondensator mit Anodenspannung φA , Kathodenspannung φK und Spaltabstand d ist das Potenzial φ (x) gegeben durch
x
x
φ (x) = 1 −
φA + φK
d
d
x
= φA +
(φK − φA ) .
d
Das zugehörige elektrische Feld E ist definiert als
E (x) := −
d
φ (x)
dx
(elektrisches Feld).
Dann ist
E (x) = −
d
1
φA − φK
φ (x) = − (φK − φA ) =
= const.
dx
d
d
(2) Kondensatormikrophon. An den Platten eines Kondensatormikrophons
liegt eine konstante Spannung U0 an. Der Druck der Schallwellen (Frequenz
ω) ändert den Plattenabstand nach der Formel
d = d0 + a sin (ωt) .
Damit variiert die Ladung Q am Kondensator
Q (t) = C (t) · U0 =
ε0 A
· U0 ,
d (t)
da sich die Kapazität C zeitlich ändert. Der
zeitliche Verlauf des Stromes
I (t) =
d
dt
Q (t)
ist demnach gegeben durch
d
d
1
Q (t) = ε0 A U0
dt
dt d0 + a sin (ωt)
ω a cos (ωt)
= −ε0 A U0
2 .
[d0 + a sin (ωt)]
I (t) =
7.4
Differenzial einer Funktion
265
7.4
7.4 Differenzial einer Funktion
In diesem Abschnitt untersuchen wir das Verhalten von Funktionen, indem wir den Zuwachs
der Funktion mit dem Zuwachs der Tangente vergleichen. Die Formeln bei der Linearisierung
von Funktionen und der Fehlerrechnung basieren auf diesem Vergleich.
Um den Zuwachs einer differenzierbaren Funktion f in unmittelbarer Umgebung eines Punktes x0 zu bestimmen, berechnen wir den Funktionswert an der
Stelle x0 und bei x0 + 4 x. Ändert sich der Abszissenwert um 4 x, so ändert
sich der Funktionswert um 4 y. Für den Zuwachs 4 y der Funktion f gilt
4 y = f (x0 + 4 x) − f (x0 ) .
Abb. 7.6. Differenzial einer Funktion
Wir vergleichen den Zuwachs der Funktion mit der Änderung der Tangente
dy. Man nennt
dx
dy
:
:
unabhängiges Differenzial
abhängiges Differenzial (= Änderung der Kurventangente)
Es gilt nach Abb. 7.6
tan α = f 0 (x0 ) =
dy
dx
⇒
dy = f 0 (x0 ) · dx.
Definition: (Differenzial einer Funktion). Das Differenzial
dy = df = f 0 (x0 ) · dx
einer Funktion y = f (x) beschreibt die Änderung längs der Tangente
im Punkte x0 , wenn sich die Abszisse um dx ändert. df wird auch das
Differenzial der Funktion f im Punkte x0 bezeichnet.
266
7. Differenzialrechnung
4 y:
dy:
Änderung der Funktion bei Änderung des x-Wertes um 4 x.
Änderung der Tangente bei Änderung des x-Wertes um dx.
Beispiele 7.17:
➀ Gesucht ist das Differenzial der Funktion f (x) =
1
f (x) = (x + 1) 2 ,→ f 0 (x) =
1
−1
(x + 1) 2
2
√
x + 1 bei x0 = 0:
,→
f 0 (x0 = 0) =
1
.
2
Damit ist
df = f 0 (x0 ) dx =
1
2
dx.
➁ Gesucht ist das Differenzial von f (x) = arctan x an der Stelle x0 = 0:
f (x) = arctan (x)
,→
f 0 (x) =
1
1 + x2
,→
f 0 (x0 = 0) = 1.
Damit ist
df = 1 · dx.
7.4.1 Linearisierung von Funktionen
Aus dem Differenzial df einer Funktion werden wir nun noch eine für die Anwendungen wichtige Folgerung ziehen: Für kleine 4 x = dx gilt näherungsweise
4 y ≈ dy.
Denn für kleine 4 x = dx ist die Änderung der Tangente vergleichbar mit der
Änderung der Funktion. Setzt man noch die Formel für dy ein, erhält man
⇒ 4 y ≈ dy = f 0 (x0 ) · 4 x.
Abb. 7.7. Linearisierung einer Funktion
Für kleine 4 x kann die Funktion f in unmittelbarer Umgebung des Punktes
x0 durch die Kurventangente ersetzt werden. Man nennt dieses Vorgehen die
7.4
Differenzial einer Funktion
267
Linearisierung der Funktion f . Wegen
4 y = f (x) − f (x0 ) ≈ dy = f 0 (x0 ) (x − x0 )
folgt für die Linearisierung der Funktion f an der Stelle x0 :
f (x) ≈ f (x0 ) + f 0 (x0 ) · (x − x0 ) .
Beispiele 7.18:
➀ Gegeben ist die Funktion f (x) =
4x
. Gesucht ist die Linearisierung
x (x + 1)
der Funktion bei x0 = 1:
4x (x + 1) − 4x (2x + 1)
Wegen f 0 (x) =
2
x2 (x + 1)
ist
f 0 (x0 = 1) = −1
⇒ f (x) ≈ f (x0 ) + f 0 (x0 ) (x − x0 ) = 2 + (−1) (x − 1) = 3 − x.
➁ Gegeben ist die Funktion f (ϕ) = sin ϕ. Gesucht ist die Linearisierung der
Funktion bei ϕ0 = 0:
Wegen f 0 (ϕ) = cos ϕ ist f 0 (ϕ0 = 0) = 1
⇒ f (ϕ) ≈ f (ϕ0 ) + f 0 (ϕ0 ) (ϕ − ϕ0 ) = 0 + 1 · (ϕ − 0) = ϕ
⇒
sin ϕ ≈ ϕ
(für kleine Winkel).
Anwendungsbeispiel 7.19 (Harmonisches Pendel).
An einem Faden der Länge l sei eine Masse m befestigt.
Gesucht ist der Winkel ϕ (t) als Funktion der Zeit, wenn
die Masse um einen kleinen Winkel ϕ0 ausgelenkt wird.
Wir bestimmen alle auf die Masse wirkenden Kräfte, denn
nach dem Newtonschen Bewegungsgesetz ist die Beschleunigungskraft gegeben durch die Summe aller Kräfte.
Gehen wir von einer reibungsfreien Bewegung aus, wirkt
auf den Massenpunkt nur die Gewichtskraft FG = m g. Da
die Beschleunigung der Masse senkrecht zum Faden erfolgt,
wirkt als Beschleunigungskraft
Abb. 7.8.
Fadenpendel
FB = −FG · sin ϕ = −m g sin ϕ.
Bei einer Kreisbewegung ist die Geschwindigkeit v (t) = l ω = l · ϕ̇ (t) und
damit die Beschleunigung a (t) = v̇ (t) = l ϕ̈ (t) . Insgesamt gilt nach dem
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