ESSEN:TIELL ESS.BAR, KOST.BAR, LEIST.BAR?

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ESSEN:TIELL
ESS.BAR, KOST.BAR, LEIST.BAR?
Bericht
zur Fachtagung Lebensmittel und Ernährung
4. und 5. November 2014
Hintergrund
Zahlreiche ESSEN:TIELLE Themenbereiche beschäftigen die gesamte Wertschöpfungskette der
Lebensmittelbranche. Was ist ess.bar, kost.bar und auch leist.bar?
Lebensmittel sind nicht nur essentiell für das tägliche Leben aller Oberösterreicherinnen und
Oberösterreicher, ihre Erzeugung beschäftigt auch eine ganze Wertschöpfungskette innerhalb der
heimischen Wirtschaft. Wie viele andere Wirtschaftsbereiche ist die gesamte Lebensmittelbranche von
einem Prozess des permanenten Wandels und einer stetig wachsenden Dynamik gekennzeichnet.
Ursachen für diesen stetigen Prozess sind etwa die kulinarische Globalisierung, neue Ernährungsmuster
und -trends, (bio)technische Innovationen, sowie Änderungen im Lebensmittelrecht oder den
Marketingstrategien. Diese gegenwärtigen Entwicklungen werden unsere Ernährungsgewohnheiten in
Zukunft stark verändern und stellen die heimischen Lebensmittelproduzenten immer wieder vor die
Herausforderung, sich neu am Weltmarkt positionieren zu müssen.
Um wichtige Zukunftsfragen im Bereich der kulinarischen Globalisierung, der Lebensmittelkennzeichnung
und der medialen Einflüsse mit Fachleuten zu diskutieren und daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen,
wurde vom 4. - 5. November 2014 die Fachtagung „ESSEN:TIELL“ vom Lebensmittel-Cluster OÖ
gemeinsam mit der ACADEMIA SUPERIOR – Gesellschaft für Zukunftsforschung und in Kooperation mit
dem Agrar-Ressort und dem Wirtschafts-Ressort des Landes Oberösterreich in der Fachhochschule OÖ,
Fakultät für Technik und Umweltwissenschaften in Wels veranstaltet.
Ziel der Fachtagung ESSEN:TIELL war es, einen Ein- und Ausblick in die uns alle betreffende
Ernährungszukunft zu gewähren, sowie die aktuellen Themenbereiche der Lebensmittelbranche zu
präsentieren, zu reflektieren und zu diskutieren. Die Fachtagung bot den Raum und eine Plattform für
innovative Ideen in Bezug auf Lebensmittel und Ernährung.
Lebensmittelbranche in Wirtschaft und Politik
Bedeutung der Lebensmittelbranche für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich
Die Anzahl der Betriebe im Lebensmittelgewerbe, in der Lebensmittelindustrie und im Lebensmittelhandel
beläuft sich in Oberösterreich auf insgesamt 2.993 Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von 10,5
Mrd. Euro. Von diesen Betrieben sind 1.007 dem Lebensmittelgewerbe, 89 der Nahrungs- und
Genussmittelindustrie und 1.897 dem Lebensmittelhandel zuzuordnen. Ihre Zahl ist allein in den letzten
drei Jahren um sieben Prozent gewachsen und diese Unternehmen beschäftigen gemeinsam circa
40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter was bedeutet, dass jeder elfte Oberösterreicher in der
Lebensmittelbranche tätig ist. Zusätzlich zu diesen Unternehmen und Beschäftigten sind auch die 31.814
landwirtschaftlichen Betriebe, mit den 80. 730 in ihnen haupt- und nebenberuflich beschäftigten
Personen,1 als integraler Bestandteil der oberösterreichischen Lebensmittelbranche zu betrachten.
„Die oberösterreichische Lebensmittelbranche zeichnet sich durch eine starke wirtschaftliche
Stabilität aus und ist daher als essentiell für den Wirtschaftsstandort zu betrachten.“
Dr. Hermann Pühringer
Im Gegensatz zu Gesamtösterreich, werden in Oberösterreich mehr Lebensmittel exportiert als importiert.
Im Jahr 2013 standen den 1,9 Mio. Tonnen aus Oberösterreich exportierten Lebensmitteln 1,3 Mio.
Tonnen Lebensmittelimporte gegenüber. Wert- und mengenmäßig stammen insgesamt ein Viertel der
österreichischen Lebensmittelexporte aus Oberösterreich.2 Außerdem werden 29 Prozent aller Rinder und
36 Prozent aller Schweine Österreichs in Oberösterreich gehalten und 32 Prozent der Milchprodukte in
Oberösterreich produziert.3
Viehhaltung in landwirtschaftlichen Betrieben in Oberösterreich
1999-20134
1999
2010
2013
643.921
584.440
572.650
Schweine
1.183.794
1.212.551
1.095.030
Hühner
2.951.520
3.106.127
k. A.
Rinder
1
Statistik Austria: Agrarstrukturerhebung 2013. Wien 2014.
Statistik WKOÖ, Oberösterreich Exporte 2013, Österreich Exporte/Importe 2013.
3
Statistik Austria, AWI Rinderdatenbank und Allgemeine Viehzählung, Stand: 1.12.2013.
4
Quelle: Amt der OÖ. Landesregierung/ Abteilung Land- und Forstwirtschaft, Grüner Bericht 2014. 33. Bericht
über die wirtschaftliche und soziale Lage der oberösterreichischen Land- und Forstwirtschaft in den Jahren 20112013. Linz 2014, S. 118.
2
Lebensmittel als Aktionsfeld im Strategischen Programm „Innovatives Oberösterreich 2020“
Die Bereiche „Lebensmittel und Ernährung“ werden als ein Stärkefeld Oberösterreichs, mit zahlreichen
regionalen Spezialisierungen im Unternehmensbereich, betrachtet. Alle einschlägigen Branchen sind in
Oberösterreich vertreten und weisen zumeist ein höheres Wachstum als im österreichischen Durchschnitt
auf. Um Oberösterreich als eine in Europa führende Region für die Entwicklung, Vermarktung und
nachhaltige Erzeugung hochwertiger und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen
abgestimmter Lebensmittel zu etablieren, wurde das Aktionsfeld Lebensmittel und Ernährung auch in das
Strategische Wirtschafts- und Forschungsprogramm „Innovatives Oberösterreich 2020 – Forschung.
Wirtschaft. Zukunft“ aufgenommen. Hierbei sind Forschung und Innovation zwei Säulen für eine
leistungsstarke und wettbewerbsfähige Lebensmittelwirtschaft in Oberösterreich.
Dieses Programm fokussiert die wirtschafts-politischen Visionen und Ziele für Oberösterreich und soll
dem Standort Oberösterreich und insbesondere auch der Lebensmittelbranche helfen, sich den
Herausforderungen des globalen Wettbewerbs zu stellen. Ziel ist es, die Innovationskraft und
Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes bis zum Jahr 2020 zu verstärken, um für Wachstum und
damit für Arbeitsplätze und Wohlstand zu sorgen. Dazu gehören etwa eine Strategie für den
Lebensmittelproduktionsstandort, Cross-Sektorale Innovationen, Wertschöpfungsketten und die
Steigerung der Produktivität unter Einbindung europäischer Initiativen. Um dies zu gewährleisten, sind
bildungs-, forschungs- und wirtschaftspolitische Maßnahmen erforderlich. So muss etwa das Wissen über
die Zusammenhänge der Ernährung und Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit bei Menschen gefestigt und
das Vertrauen in eine moderne Lebensmittelproduktion gesteigert werden.
„Das Ziel ist es, Visionen für die Lebensmittel-Zukunft Oberösterreichs zu erarbeiten und
so gemeinsam neue Wege zu erschließen und zu beschreiten.“
Wirtschafts-Landesrat Dr. Michael Strugl
Dazu gehören auch branchenübergreifende Ausbildungs- und Forschungsprogramme sowie eine noch
stärkere Vernetzung von Forschung und Wirtschaft. Oberösterreich soll hier international sichtbare
Forschungskompetenz, speziell in den Bereichen Produktionsprozesse, Werkstoffe und Analytik bzw.
Qualitätssicherung erlangen. Mit der Untersuchung von Nahrungsmittel-Inhaltsstoffen, „smart
packaging“, Biokunststoffe, „Grüne Verpackung“, Lagerindikatoren, Qualitätssicherung und
Produktionstechnologien seien hier nur einige Stichworte erwähnt.
Vor 14 Jahren wurde der Lebensmittel-Cluster Oberösterreich gegründet und dieser stellt in diesem
Prozess ein zentrales Bindeglied zwischen Forschung und Wirtschaft dar. Denn zur Sicherung des
Lebensmittelproduktionsstandortes Oberösterreich bedarf es nicht nur der Versorgung mit Rohstoffen und
einer hohen Wertschöpfungstiefe unter Anwendung modernster Technologien. Auch die
Innovationskompetenz und Internationalisierung speziell kleinerer Unternehmen muss gezielt gehoben,
Gründungen in diesem Bereich forciert, attraktive Rahmenbedingungen für Leitbetriebe und KMUs
geschaffen und Technologietransfer ermöglicht werden.
Im Vordergrund steht in der oberösterreichischen Lebensmittelbranche daher eine Breitenstrategie, mit
Bewusstseinsbildung für die Notwendigkeit gemeinsamer Entwicklungen und innovationspolitischen
Maßnahmen mit Schwerpunkt für KMUs. Der Kreis potenter innovationsorientierter Unternehmen aus
dem regionalen Lebensmittelbereich soll verstärkt mit einschlägigen Akteuren aus der Forschung
zusammengeführt werden. Aufgrund der erst im Aufbau befindlichen Ernährungsforschung werden
deshalb komplementäre Kompetenzen durch überregionale Forschungskooperationen eingebunden. Um
die Lebensmittelbranche weiterhin zu stärken, forciert der Lebensmittel-Cluster OÖ das Netzwerk
zwischen Wirtschaft und Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Mit der HTL für
Lebensmitteltechnologie, Getreidewirtschaft und Biotechnologie einschl. Meisterschule für Bäcker und
dem neuen FH OÖ Studiengang „Lebensmitteltechnologie und Ernährung“ in Wels sind wichtige
Rahmenbedingungen für die zukünftige Ausbildung und Forschung sowie deren Vernetzung mit der
Wirtschaft gesetzt worden.
Studiengang „Lebensmitteltechnologie und Ernährung“ der FH OÖ, Campus Wels
Die Bedeutung der Ernährungsforschung wird zukünftig deutlich zunehmen. Dies zeigt sich allein daran,
das nicht nur das Land Oberösterreich in seinem „Strategischen Wirtschafts- und Forschungsprogramm
2020“ den Bereich Lebensmittel und Ernährung als eines der primären Aktionsfelder definiert hat,
sondern auch beispielsweise die deutsche Bundesregierung sich in ihrer „HighTech Strategie 2020“ das
Thema Ernährung im Feld Gesundes Leben zu einer prioritären Zukunftsaufgabe gemacht hat.
Studierende im Studiengang „Lebensmitteltechnologie und Ernährung“ lernen als Basis ihrer Ausbildung,
wie Lebensmittel entwickelt und produziert werden und wie der menschliche Körper die Lebensmittel
aufnimmt beziehungsweise verarbeitet.. Das Ziel dieser Ausbildung und Forschung ist es, Lebensmitteln
zu entwickeln die ernährungsphysiologisch besser an die Bedürfnisse der Menschen angepasst sind,
umso den ernährungsinduzierten Wohlstandskrankheiten entgegenwirken zu können.
Forschungsschwerpunkte sind unter anderem: Obst und Gemüse als Rohstoffbasis für Lebensmittel mit
Mehrwert; Physiologisch angepasste Lebensmittel z.B. zur Leistungssteigerung; Aufklärung molekularer
Wirkmechanismen und Lebensmitteldesign.
Bewusst genießen – Regionalität und Saisonalität als Stichwörter
Regionalität und Saisonalität sind die zwei grundlegenden Stichwörter unter welchen die Entwicklung der
Lebensmittelbranche in Oberösterreich zukünftig gesehen werden muss. Regionalität der Erzeugung
sichert heimische Arbeitsplätze und erhöht das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten in
Lebensmitteln. Ferner sind regionale und saisonale Ernährungsgewohnheiten ein Schlüssel für eine
ressourcensparende und umweltschonende Lebensmittelversorgung. Dementsprechend zielte das AgrarRessort des Landes Oberösterreich mit der Kampagne „Das Beste für’s Land kommt aus unserer Hand“
darauf ab, mehr Bewusstsein für den Wert der gesamten heimischen Lebensmittelwirtschaft zu schaffen.
Die wissenschaftliche Fachtagung "ESSEN:TIELL – ess.bar, kost.bar, leist.bar" bildete den Abschluss dieser
Kampagne.
„Regionalität boomt. Und vieles spricht für Lebensmittel aus heimischer Produktion –
Qualität, Geschmack und regionale Wertschöpfung.“
Agar-Landesrat Max Hiegelsberger
Essen wird heute oft nur noch danach definiert, was es
alles nicht enthält. Ideologen und Asketen geben
vermehrt die Richtung vor und initiieren neue
Ernährungstrends. Dadurch wird Essen verstärkt als
Bedrohung für unsere Gesundheit oder „Schönheit“
wahrgenommen. Als Folge dieser Entwicklungen ist
eine Zunahme von Essstörungen in unserer
Gesellschaft, gleichsam als Spitze des Eisbergs, zu
verzeichnen. Wobei insbesondere bei Jugendlichen
zwischen 10 und 20 Jahren ein signifikanter Anstieg
an extrem Untergewichtigen und extrem
Übergewichtigen zu verzeichnen ist.6 Diäten und
Hungerphasen gehören besonders bei jungen Frauen
und Mädchen oft bereits zum Alltag.
Auch die Thematik der Lebensmittelallergien und
Lebensmittelunverträglichkeiten wird von immer mehr
Menschen wahrgenommen und hat mittlerweile zu
neuen Marketingstrategien vieler Produzenten geführt.
Zahlreiche Menschen glauben derzeit, sie leiden an
einer Allergie und/oder an einer Unverträglichkeit und
meiden daher bestimmte Lebensmittel. In den USA
leben gegenwärtig geschätzte sechzig Millionen
Menschen, die ein problematisches Verhältnis zu
5
6
Ernährungsverbrauch pro Kopf in Kilo bzw. Liter
Österreich 1955 und 20125
Tierische Lebensmittel
1955/56
2012
47,3
98,4
Fisch
3,0
7,7
Eier (Tonnen)
8,1
14,4
Butter
5,2
5,0
Käse
3,8
19,4
164,6
78,2
1955/56
2012
109,7
74,7
Kartoffeln
95,7
55,7
Obst
58,2
78,0
Gemüse
63,9
111,2
Zucker
32,1
37,1
Bier
61,5
106,9
Wein
16,0
30,5
Fleisch (alle Arten)
Trinkmilch
Pflanzliche Lebensmittel
Getreide (Weizen- u. Roggenmehl)
Quelle: BMLFUW, Lebensmittel in Österreich. Zahlen-Daten-Fakten 2013. Wien 2014, S. 4.
Friedl/ Waldherr/ Rathner, Restrained and Disturbed Eating Behaviour in Adolescents from Lower Austria in 1993
and 2004. Programm und Abstracts Kongress Essstörungen 2005, September 5-7, 2005, Innsbruck 2005; vgl.
auch: Institut für Ernährungswissenschaften (Hg.), Österreichischer Ernährungsbericht 2012. Wien 2012.
Gluten pflegen und somit Roggen, Weizen, Gerste und Dinkel generell verschmähen. Wissenschaftliche
Studien schätzen die Anzahl der von Zöliakie tatsächlich betroffenen Menschen jedoch auf nur ca. ein
Prozent der Weltbevölkerung.7
Ebenso ist der Vegetarismus längst in der Gesellschaft angekommen – Fünf Prozent der
Österreicherinnen und Österreicher verzichten bewusst und aus unterschiedlichen Gründen auf den
Fleischkonsum. Auch die nächste Stufe dieser Entwicklung, der Veganismus, also der Verzicht auf
sämtliche tierische Lebensmittel, wird zunehmend populärer. Darüber hinaus gibt es von den Pescitariern
(Verzicht auf Fleisch aber nicht auf Fisch) bis zu den Fructariern (nur pflanzliche Ernährung aus Obst,
Nüssen und Samen) noch verschiedenste weitere Ernährungsideologien und Diäten.
Die Lebensmittelbranche befindet sich in einer Umbruchsphase. Einer immer größeren Anzahl an
Menschen ist es wichtig, heimische Lebensmittel zu konsumieren. Die Konsumentinnen und Konsumenten
sind mündiger und informierter geworden; der Trend zur Regionalität hat alle Bevölkerungsschichten und
Generationen erfasst und ist in den Handel sowie in viele Bereiche der Lebensmittelwirtschaft
vorgedrungen. Viel Arbeit zur Bewusstseinsbildung von verschiedensten Akteuren, aber auch Berichte
über Lebensmittelskandale und nicht zuletzt die Qualität der heimischen Lebensmittel haben dazu
beigetragen.
Neben diesen regionalen Trends existieren jedoch auch große globale Ernährungstrends, die das
Ernährungsverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten beeinflussen. Regionale und auch globale
Trends und Hypes erfordern, stete Bewegung beim Produktsortiment und flexible Veränderungen in der
gesamten Wertschöpfungskette von Lebensmitteln, von der Rohstoffproduktion über
lebensmittelproduzierende Unternehmen bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel, um den Bedürfnissen der
Konsumentinnen und Konsumenten gerecht zu werden.
Diese globalen oder regionalen Ernährungsmuster, sowie ihre historische Einordnung, standen im
Zentrum des ersten Panels der Fachtagung ESSEN:TIELL.
7
Green/ Cellier, Celiac disease. In: New England Journal of Medicine, October 2007 357 (17), 1731-43.
VERANSTALTER UND GASTGEBER
FH-Prof. Univ.-Prof. Mag. Dr. Günther Hendorfer, FH OÖ
Günther Hendorfer ist seit dem Jahr 2012 Dekan der Fakultät für Technik und
Umweltwissenschaften an der Fachhochschule Oberösterreich. Nach dem Physik Studium in
Innsbruck, forschte er an der Johannes Kepler Universität Linz und am Fraunhofer Institut in
Freiburg, bevor er 1995 an die FH OÖ Campus Wels wechselte.
Landesrat Max Hiegelsberger, Land Oberösterreich
Max Hiegelsberger ist oberösterreichischer Agarlandesrat und leidenschaftlicher Landwirt in
Meggenhofen – wo er zwischen 2002 und 2011 Bürgermeister war. Im Jahr 2009 wurde er
Mitglied des Oberösterreichischen Landtages ist seit dem Jahr 2010 Mitglied der
Oberösterreichischen Landesregierung.
FH-Prof. DI Dr. Otmar Höglinger, FH OÖ
Otmar Höglinger ist seit dem Jahr 2010 Professor an der FH OÖ Campus Wels und Leiter des
Studiengangs „Lebensmitteltechnologie und Ernährung“. Der Experte für die Gebiete Biochemie
und Molekularbiologie arbeitete bereits an der ETH Zürich, dem National Research Council
Canada und war Geschäftsführer der Upper Austrian Research GmbH.
Dr. Hermann Pühringer, Wirtschaftskammer OÖ
Hermann Pühringer ist Stellvertretender Direktor der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Er
studierte an der Johannes Kepler Universität Linz Betriebswirtschaftslehre und ist seit dem Jahr
1991 in verschiedensten Positionen in der WKOÖ tätig. Zwischen den Jahren 2001 und 2014
war er Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik und Außenhandel in der WKOÖ.
Landesrat Dr. Michael Strugl, MBA, Land Oberösterreich
Michael Strugl ist oberösterreichischer Wirtschaftslandesrat und Obmann des 2010 gegründeten
Think Tanks ACADEMIA SUPERIOR. Er studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Linz und
Toronto, war Mitglied des Österreichischen Bundesrates und seit dem Jahr 2013 ist er Mitglied
der Oberösterreichischen Landesregierung
Kulinarische Globalisierung
Entwicklung und Tendenzen
Das Ausmaß des Wandels unserer Ernährungsgewohnheiten lässt sich besser verstehen, wenn eine
historische Perspektive in die Betrachtungen einbezogen und nach kulturellen Mustern für unser
Ernährungsverhalten gefragt wird.
Ausgehend von der Beobachtung, dass es in gastronomischer Hinsicht keinen globalen „Westen“ gibt,
teilt Prof. Dr. Marin Trenk in seinem Impulsvortrag die Welt in Essprovinzen ein. Allein in Europa stehen
sich zwei große kulinarische Provinzen gegenüber, die Welt des Mittelmeers und der Rest des Kontinents.
Der übrige Globus lässt sich in sechs weitere Essprovinzen sowie einige Ausnahmen untergliedern. Auf
Basis dieser Einteilung warf Dr. Trenk einige Fragen auf und skizzierte Entwicklungen. Welche Einflüsse
gehen von den jeweiligen Essprovinzen auf die übrige Welt aus? Welche Übernahmen, aber auch welche
Ausgrenzungen lassen sich beobachten? Kann man von Globalisierungsgewinnern und -verlieren
sprechen? Droht eigentlich der globale Einheitsgeschmack oder wird die Welt durch diese Entwicklungen
immer vielfältiger?
Nach dem Vortrag von Dr. Trenk wurden die präsentierten Thesen auf dem Podium und mit dem
Publikum diskutiert.
PODIUM
Prof. Dr. Marin Trenk, Goethe Universität Frankfurt am Main
Als Professor am Institut für Ethnologie an der Goethe Universität Frankfurt/Main ist Marin Trenk
gefragter Experte für kulturell geprägtes Essverhalten. Sein Forschungsschwerpunkt sind
Ethnohistorie, Wirtschaftsethnologie und die kulinarische Ethnologie. Kulturelle Unterschiede im
Essverhalten und die Auswirkungen der Globalisierung auf den Lebensmittelkonsum sind sein
Fachgebiet, zu dem er umfassend publiziert und vorträgt.
Univ.-Prof. Dr. Martina Kaller-Dietrich, Universität Wien
Univ.-Prof. Dr. Martina Kaller-Dietrich ist Universitätsprofessorin für Geschichte der Neuzeit an
der Universität Wien und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fragen der Nahrung,
Geschlechter- und Machtverhältnisse in historischer Perspektive. 2011 war sie Kuratorin der
Ausstellung „Essen unterwegs. Eine Ausstellung zu Mobilität und Wandel“ im Schlossmuseum Linz.
Harald Deller, backaldrin Österreich, the Kornspitz company GmbH
Harald Deller ist als Geschäftsführer für das internationale Geschäft verantwortlich und seit 14
Jahren für backaldrin Österreich, the Kornspitz company tätig. Als österreichisches
Familienunternehmen ist backaldrin in zahlreichen Ländern vertreten und liefert über 80 Prozent
der in Asten produzierten Rohstoffe ins Ausland.
Arch. Mag. Sonja Stummerer, MA, Fooddesignerin
Die Architektin, Autorin und Fooddesignerin Sonja Stummerer realisiert gemeinsam mit Mag.
Martin Hablesreiter Projekte, Ausstellungsbeiträge und Performances zum Thema Food Design im
In- und Ausland. Für die ORF und ARTE-Dokumentation „Food Design“ (2007) führten sie Regie
und veröffentlichten zahlreiche Publikationen rund um die Gestaltung von Esswaren.
Kulinarische Globalisierung, Entwicklung und Tendenzen
Globalisierung ist ein moderner Begriff. Doch die Prozesse, die wir heute unter dem Schlagwort
Globalisierung zusammenfassen sind keine neuen Erscheinungen und in den letzten 500 Jahren kann
von mindestens drei großen Globalisierungswellen aus der kulinarischen Perspektive gesprochen werden.
Die erste Welle startete unzweifelhaft mit der ‚Entdeckung‘ Amerikas nach 1492. Neue
Nahrungspflanzen wurden in diesem Prozess zwischen der Neuen und der Alten Welt ausgetauscht. Mais,
Kartoffel, Kassawa, Erdnuss, Tomate, Chili, Kürbis, Sonnenblume, Kakaobohne, neue Bohnensorten usw.
revolutionierten die Lebensmittelversorgung und -produktion in Europa, Asien und Afrika und stiegen
rasch zu zentralen Nahrungsmitteln in vielen Regionen auf. Dieser Prozess, auch als „Columbian
Exchange“ bezeichnet,8 legte die Grundlage für die heutigen regionalen und nationalen Esskulturen
durch die Verbreitung von Nahrungspflanzen. „Wenn heute weltweit die eigenen kulinarischen
Traditionen gegen die wirklich oder vermeintlich nivellierenden Tendenzen der Globalisierung verteidigt
werden, dann verteidigt man häufig die Errungenschaften der ersten kulinarischen Globalisierung gegen
die späteren und neuesten Globalisierungsschübe“.9
„Essen ist eine urmenschliche Ausdrucksform.“
Mag. Sonja Stummerer
Die zweite Welle fällt in die Zeit der kolonialen Begegnungen, als Europäer weltweit Kolonien aufbauten
und diese als kulinarische Laboratorien funktionierten, wo verschiedene Ess- und Kochtraditionen
miteinander und mit den neuen Nahrungsmitteln verschmolzen wurden. In dieser Phase werden nicht
mehr nur Rohstoffe ausgetauscht sondern auch Kochrezepte.
Die dritte Welle startete am Ende des 19. Jahrhunderts
in der „Zeit der großen Migration“ – jener Zeit in der,
eine bisher ungekannte große Anzahl an Menschen
ihre Heimat verlies und in andere Länder migrierte.
Nun wandern nicht mehr nur Pflanzen oder einzelne
Rezeptbauteile, sondern ganze Küchen können sich
mit den Migranten in neuen Regionen etablieren. Vor
allem die Vereinigten Staaten wurden seit den 1880er
Jahren in der ersten Phase dieser Welle erfasst,
während es in Europa erst nach dem Zweiten
Weltkrieg durch Entkolonialisierung und Arbeitsmigration zu ähnlichen Prozessen kam. Lokale,
traditionelle Gerichte werden in den „globalisierten Küchen“ vermehrt durch so genanntes Ethno-Food
aus anderen Weltregionen ersetzt. Diese Ethno-Küchen, wie etwa die Mexikanische, die Japanische, die
Thailändische, die Indische oder die Italienische Küche, erweisen sich als global sehr erfolgreich.
8
Crosby, The Columbian Exchange. Biological and cultural consequences of 1492. Greenwood Press. Westport
1973.
9
Trenk, Chicken McNugget – 500 Jahre kulinarische Globalisierung. In: Schellhaas (Hg.), Die Welt im Löffel.
Kochen, Kunst, Kultur. Kerber Verlag. Berlin 2012, S. 52.
Einheitsbrei oder kulinarisches Allerlei?
Aus der Perspektive der Longue dureé, der Geschichte der Langzeitstrukturen, wird ersichtlich, dass sich
die Ernährungsgewohnheiten weltweit in einem permanenten Wandel befinden. Auch könnte der Globus,
aus der Vogelperspektive, in acht große kulinarische Essprovinzen eingeteilt werden:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
der mediterrane Raum, inklusive Südamerika
der nordatlantische Raum – das nördlichere Europa, inklusive Nordamerika
der Nahe Osten, von Marokko bis zum Hindukusch
Südasien mit Indien
Ostasien mit China (aber ohne das eigenständige Japan)
Südostasien – mit der zentralen Zutat Fischsoße
Afrika südlich der Sahara
Ozeanien
Einige Gerichte oder spezielle Nahrungsmittel aus den einzelnen Regionen haben globale Bedeutung
erlangt oder befinden sich derzeit in einem Prozess der Globalisierung. Aus den zwei europäischen
Essprovinzen stammen vor allem Getränke, so werden Bier und Wein, aber auch Coca Cola weltweit
konsumiert. Als die am stärksten globalisierte Speise ist Brot. Dieses war ursprünglich nur im Nahen
Osten und in Europa kulturell verankert – wird aber mittlerweile weltweit konsumiert.
„Essen ist immer auch Kultur.“
Prof. Dr. Marin Trenk
Am erfolgreichsten konnte sich die italienische Küche globalisieren und als Pizza, Pasta und Spagetti in
die Alltagsernährung weltweit eingehen. Vor allem auch die asiatischen Küchen aus Japan, Thailand,
Indien und China, sowie die Fusionsküche aus Mexiko konnten sich erfolgreich globalisieren.
Der früheren Befürchtung, dass es zu einem kulinarischen
Einheitsbrei durch die Verwestlichung der Welt kommen würde,
widerspricht die Entwicklung: Die Welt wird, im Gegenteil, auf
der kulinarischen Ebene immer multipolarer und vielfältiger.
Immer neue Geschmacksrevolutionen, wie der zunehmende
Verzehr von scharf gewürzten Gerichten oder von rohem Fisch
und Milchprodukten, führen neue Ernährungsalternativen ein.
Während gleichzeitig auch eine Gegenbewegung, im Sinne
einer bewussten Rückbesinnung auf lokale und regionale
Gerichte zu verzeichnen ist. Vielleicht wird auch in Europa der
Verzehr von Insekten, wie er bis zum Ende des römischen
Reiches durchaus üblich war, wieder normal werden und neue
kulinarische Perspektiven eröffnen.
Themen – Zucker, Fleisch und Convenience
In der folgenden Diskussion zwischen Martina Kaller-Dietrich, Marin Trenk, Harald Deller und Sonja
Stummerer wurden besonders die Entwicklungen im Fleisch- und Zuckerkonsum sowie die, in Österreich
beobachtbare Ernährungs-, Konsum- und Kochtrends diskutiert. Der Fleisch- und Zuckerkonsum wird,
global wie regional, weiter zunehmen. Der Fleischkonsum wird weltweit mit Wohlstand gleichgesetzt und
deshalb ansteigen. Auch wenn dieser Trend zum zunehmenden Fleischkonsum von Gegentrends, vom
Vegetarismus bis zum Veganismus, begleitet wird. Zwei Fragen bleiben: Gelten Insekten als Fleisch und
werden wir sie auch in Europa wieder auf den Speisezettel wiederfinden?
„Werden Brot-Snacks die Hauptspeisen verdrängen?“
Harald Deller
Auch der Zuckerkonsum wird weiterhin stark zunehmen. Denn neben seiner Funktion als Süßungsmittel ist
Zucker auch ein Konservierungsstoff und deshalb ein wichtiger Bestandteil von lange haltbaren und somit
praktischen Convenience Produkten, die immer stärker nachgefragt werden. Aspekte dieses Trends zu
Convenience Produkten, zeigen sich in der deutlichen Abnahme der selbst zubereiteten Mahlzeiten, sowie
in der Verdrängung des Schemas fixer Mahlzeiten durch eine Abfolge kleinerer Snacks in der täglichen
Ernährung. In diesem Kontext der Convenience ist auch der zunehmende Konsum von „to-go“ Produkten
und von Fast Food zu verorten. Als Gegentrend zum Zuckerkonsum tritt jedoch gleichzeitig eine
steigende Nachfrage nach zuckerreduzierten Lebensmittel, aufgrund der ernährungsbedingten
Folgeerscheinungen eines hohen Zuckerkonsums wie Diabetes, immer stärker in den Vordergrund.
Überall wo eine regionale Küche nur schwach ausgeprägt ist, wird diese von neuen Küchenformen, den
globalisierten Küchen, verdrängt oder abgelöst werden. Wo eine regionale Küche etabliert ist, werden
die globalisierten Küchen diese ergänzen und das kulinarische Angebot verbreitern.
Information statt Kennzeichnung
Neuer Ansatz in der Verbraucherinformation
Unsere Gesellschaft und auch unsere Umwelt ändern sich stetig. Einerseits sind die Konsumentinnen und
Konsumenten mithilfe von elektronischen Medien und speziellen Food Apps informierter denn je, aber
andererseits sind sie verunsichert und das Bedürfnis nach Klarheit und Wahrheit ist gestiegen. Für diese
Klarheit und Wahrheit soll die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der
Verbraucher über Lebensmittel sorgen. Das unmittelbar geltende europäische Gesetz löst am 13.
Dezember 2014 die österreichische Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) und die
Nährwertkennzeichnungsverordnung (NWKV) ab.
Dr. Florian Tschandl erklärte in seinem Impulsvortrag die Leitlinien und praktischen Auswirkungen der
neuen EU-Lebensmittelinformationsverordnung. Deren neuer Grundsatz nicht mehr nur auf dem
Irreführungsverbot beruht, sondern auch Informationsklarheit und Wahrheit einfordert. Die Verordnung
wird in Europa zu einheitlichen Lebensmittelkennzeichnungen führen und eine große Zahl neuer
Informationen auf den Verpackungen bereitstellen.
Nach dem Vortrag von Dr. Tschandl wurde die Thematik auf dem Podium und mit dem Publikum
diskutiert.
PODIUM
Dr. Florian Tschandl, Fachverband Lebensmittelindustrie
Florian Tschandl verstärkt seit 2013 das lebensmittelrechtliche Team im Fachverband der Lebensund Genussmittelindustrie der Wirtschaftskammer Österreich. Er promovierte über
europarechtliche und wettbewerbsrechtliche Aspekte der europäischen Verordnung über nährwertund gesundheitsbezogene Angaben und absolvierte ein Forschungspraktikum bei der Delegation
der EU-Kommission in Washington DC (Sektion für Food Safety, Health and Consumer Affairs).
Dr. Beatrix Steßl, Veterinärmedizinische Universität Wien
Als Leiterin der Arbeitsgruppe molekulare Epidemiologie am Institut für Milchhygiene am
Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin beschäftigt
sich Beatrix Steßl mit den Methoden zur Abklärung von Kontaminationszusammenhängen
innerhalb oder außerhalb lebensmittelerzeugender Betriebe.
Dr. Georg Rathwallner, Kammer für Arbeiter und Angestellte für OÖ
Georg Rathwallner ist Leiter der Abteilung Konsumentenschutz der AK OÖ und setzt sich seit 23
Jahren für Konsumenteninformation ein. Seit 2003 ist er Geschäftsführer der Konsumentenberatung OÖ GmbH. Er ist Mitglied des Netzwerkes NEPIM (regionale Verbraucherberatung) und
des International Network of Financial Services Ombudsman Schemes (London).
DI Oskar Wawschinek, MAS, MBA, LVA Consult GmbH
Oskar Wawschinek ist Geschäftsführer der Lebensmittelversuchsanstalt (LVA), der größte private
Labordienstleister für Lebensmittelanalysen sowie Audits, Zertifizierungen und Schulungen. Sie
versteht sich als Kompetenzzentrum für die österr. Lebensmittelwirtschaft und bietet Expertise für
Öffentlichkeitsarbeit, Risiko- und Krisenkommunikation sowie Unternehmensberatung an.
Information statt (bloßer) Kennzeichnung
Nachdem sich in den letzten Jahren die Haltung der Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber
Lebensmittel verändert hat und ein Anspruchswandel hinsichtlich der bereitgestellten Information über
Lebensmittelprodukte einsetzte, reagierte die Europäische Union auf die Bedürfnisse der
Konsumentinnen und Konsumenten durch Aushandlung einer einheitlichen LebensmittelInformationsverordnung (LMIV). Diese wurde am 25.10.2011 beschlossen, tritt mit 13.12.2014 in allen
Mitgliedstaaten der EU in Kraft und löst die bisherigen nationalen Verordnungen ab.10
Ziel der neuen Lebensmittelverordnung ist es, neben dem bisher bereits bestehenden Irreführungsverbot,
mehr Transparenz hinsichtlich der verwendeten Zutaten und der Herkunft der Lebensmittel zu erreichen.
Und dies auf eine in Europa einheitliche Weise. Sie wird den Konsumentinnen und Konsumenten mehr
Informationen auf den Lebensmittelverpackungen, auch in größeren Schriften, und in der Gastronomie
bringen.
Anwendungsbereiche
Die LMIV gilt für alle Stufen der Lebensmittelbranche, sofern deren Tätigkeit die Bereitstellung von
Informationen über Lebensmittel an die Verbraucherinnen und Verbraucher betreffen, besonders bei
Lebensmittel, die für die Endverbraucherinnen und -verbraucher bestimmt sind. Hierzu zählen auch
Lebensmittel die in Gemeinschaftsverpflegungen (Kantinen, Mensen) ausgegeben, bzw. die an Anbieter
von Gemeinschaftsverpflegungen geliefert werden. Die LMIV gilt auch für Caterer, wenn der Abfahrtsort
des Catering-Dienstes innerhalb eines der EU-Mitgliedsstaaten liegt und für Online-Bestellangebote. Die
LMIV gilt jedoch nicht für nicht-gewerbliche Veranstaltungen wie in Schulen oder Kindergärten.
Verpflichtende Informationen
Für vorverpackte Lebensmittel sind künftig gemäß Art. 9 folgende Informationen verpflichtend:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
10
Bezeichnung des Lebensmittels
Verzeichnis der Zutaten
Zutaten und Hilfsstoffe, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen können
Menge bestimmter Zutaten oder Zutatenklassen
Nettofüllmenge des Lebensmittels
Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum
Gegebenenfalls besondere Anweisungen für Aufbewahrung und Verwendung
Name und Anschrift des Lebensmittelunternehmers
Ursprungsland oder Herkunftsort – auch der primären Zutat (geregelt in Art. 26)
Falls erforderlich eine Gebrauchsanleitung
Alkoholgehalt bei Getränken mit mehr als 1,2 Volumenprozent
Nährwertdeklaration
Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend
die Information der Verbraucher über Lebensmittel. Nachlesbar unter: eur-lex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/PDF/?uri=uriserv:OJ.L_.2011.304.01.0018.01.DEU
Im Online-Handel gilt künftig die gleiche Kennzeichnungspflicht wie für
Lebensmittel die in Geschäften angeboten werden. Sämtliche dieser
Pflichtangaben sind, mit Ausnahme des Mindeshaltbarkeitsdatums, vor dem
Abschluss des Kaufvertrages auf der Internetseite des Online-Shops zur
Verfügung zu stellen. Wie diese Online-Kennzeichnungen technisch
durchgeführt werden, ist nicht festgelegt – mehrere Unternehmen bieten
hierfür elektronische Stammdatenbanken an. Ferner werden neue
Kennzeichnungselemente und spezielle Vorschriften für tiefgefrorene,
glutenfreie, vegetarische oder koffeinhaltige Lebensmittel sowie für
Nanomaterialien und pflanzliche Öle und Fette eingeführt.
„Als Hersteller muss man glaubwürdig und bei den Konsumenten sein.“
Dr. Florian Tschandl
Die konkrete Gestaltung zahlreicher Durchführungsvorschriften zur LMIV ist noch offen. Dies beinhaltet
etwa die Verwendung von Symbolen oder Piktogrammen, die Herkunfts-kennzeichnung, die Angabe von
Toleranzen und Portionen sowie die Spurenkennzeichnung und Angaben für vegetarische oder vegane
Ernährung.
Themen – Überforderung, Preise und Vertrauen
In der Podiumsdiskussion mit Oskar Wawschinek, Georg Rathwallner, Beatrix Steßl und Florian Tschandl
wurde vor allem über die Frage der Überforderung der Konsumentinnen und Konsumenten durch zu viele
Informationen, die Kosten der LMIV und über den notwendigen Vertrauensaufbau über bessere
Kennzeichnungen, diskutiert.
„Mehr verfügbare Informationen geben den Konsumenten mehr Möglichkeiten“
Dr. Beatrix Steßl
Die prinzipielle Verbesserung der Informationssituation der Konsumentinnen und Konsumenten durch die
LMIV, ist zu begrüßen. Jedoch kann nicht erwartet werden, dass anhand der Angaben der
Nährwerttabelle alle Konsumentinnen und Konsumenten wissen, ob z.B. der Zucker-, Salz- oder
Fettgehalt des Lebensmittels hoch oder niedrig ist. Durchschnittliche Konsumentinnen und Konsumenten
werden eventuell von der Menge an Information überfordert. Diesen würden einfache grafische Lösungen
– etwa ein positives Ampelsystem – durchaus entgegenkommen.
in Prozent
Zentral für die Kaufentscheidung vieler Konsumentinnen und Konsumenten ist jedoch nicht die
angebotene Information, sondern der Preis eines Produktes. Laut Lebensmittelhandel entstehen durch die
LMIV Mehrkosten von 80 Mio. Euro. Es stellt sich dementsprechend die Frage, ob Lebensmittel wieder
teurer werden. Hier lassen sich keine sicheren Prognosen machen, da die Lebensmittelpreise von vielen
Faktoren abhängen und wesentlich durch die Nachfrage und im geringeren Ausmaß durch die realen
Kosten bestimmt werden. Fakt ist, dass die Haushalte in Österreich einen immer geringeren Anteil ihres
Einkommens für Lebensmittel ausgeben: Gingen 1954 noch 44,8 Prozent der Haushaltsausgaben in den
Lebensmittelkauf, waren es 1974 nur mehr 21,0 Prozent und 2010 nur noch 12,1 Prozent.
50
45 44,8
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1954
34,7
21,0
1964
1974
17,1
1984
14,4
1993/94
13,2
1999/00
13,0
2004/05
12,1
2009/10
Anteil von Lebensmitteln und alkoholfreien Getränken an den gesamten Verbrauchsausgaben in Österreich 11
Wichtig für die Zukunft der Lebensmittelbranche ist es, (verloren gegangenes) Vertrauen der
Konsumentinnen und Konsumenten in die Branche (wieder) aufzubauen. Die Rahmenbedingungen
hierfür werden durch die LMIV gesetzt, wobei für die Konsumentinnen und Konsumenten vor allem
wahrheitsgemäße Angaben zur Herkunft der Produkte entscheidend sein dürften. Durch Studien der
Arbeiterkammer hat sich bereits gezeigt, dass das AMA Gütesiegel sehr vertrauenswürdig ist. Offen ist
noch die Frage, wie mit Herkunftsangaben bei Lebensmitteln mit einem hohen Verarbeitungsgrad
umgegangen werden soll. Ein gangbarer Weg könnte in der verpflichtenden Angabe der Herkunft des
wertbestimmenden Bestandteils liegen.
„Je mehr ein Lebensmittel verarbeitet wird, desto mehr Information braucht der
Konsument.“
Dr. Georg Rathwallner
11
Quelle: Statistik Austria, Konsumerhebung 2009/10. Wien 2012. Eigene Darstellung.
Mund auf, Augen auf!
Werbung und Medien bei Lebensmitteln
Werbung und Medien kreieren keine Lebensmitteltrends, sondern erkennen, verarbeiten, verdichten und
verstärken Trends. Das Ergebnis dieses Prozesses sind Einstellungen, Meinungen und das Verhalten der
Konsumentinnen und Konsumenten. Diese können sich derzeit an einem Überangebot an Aktionen und
Eigenmarken erfreuen. Diese Angebote und Informationen führen zu einem Überangebot an
Auswahlmöglichkeiten und erschweren den Konsumentinnen und Konsumenten die Orientierung
zusehend.
Der Medien- und Marketingexperte Rudi Kobza sprach in seinem Impulsvortrag über die Bedeutung der
Werbung im Lebensmittelbereich und darüber, was Werbung in Zukunft braucht, um erfolgreich zu sein:
Unternehmen müssen durch Kommunikation die Orientierung der Konsumentinnen und Konsumenten
stärken und Vertrauen schaffen. Damit dies gelingt braucht es sieben Zutaten – von der Kraft der Marke
bis zum Mut zur Einfachheit.
Nach dem Vortrag von Rudi Kobza wurden dessen Thesen und das Themenfeld Lebensmittel-Marketing
auf dem Podium und mit dem Publikum diskutiert.
PODIUM
Rudi Kobza, Lowe GGK
Rudi Kobza ist Miteigentümer und Geschäftsführer der Kreativschmiede Lowe GGK, sowie der in
der Kobza Media Gruppe zusammengefassten Beteiligungen an unterschiedlichen
Kommunikationsunternehmen. Er wurde als erster und einziger Österreicher vom Journal „media
marketing europe“ unter die Top 30 Europas gewählt. Das Magazin "Trend" reihte ihn
vergangenes Jahr unter den Top 5 Managern Österreichs.
Mag. Sabine Schgör, Resch&Frisch
Sabine Schgör ist seit 1991 bei Resch&Frisch tätig. Die Präsidentin des Marketing Club Linz ist
verantwortlich für den gesamten Marketingbereich inkl. Sortiments- und Ernährungsmanagement,
Qualitätsmanagement, Produktentwicklung und Unternehmenskommunikation des erfolgreichen
international tätigen Unternehmens.
Dr. Astin Malschinger, FH Wiener Neustadt, Campus Wieselburg
Seit 1999 leitet die Kommunikations-, Politik- und Wirtschaftswissenschafterin den Campus
Wieselburg. Die „Austrian Marketing University of Applied Science“ ist eine THINK:BOX für
Marketing, Innovation und Consumer Science mit 15 Jahren Markt- und Forschungserfahrung in
den Bereichen Lebensmittel, erneuerbare Energie sowie biologische & ökologische Konsumgüter.
Mag. (FH) Dani Terbu, The Coolinary Society
Die digitale Kommunikationsmanagerin mit Sinn für das Crossmediale ist seit 15 Jahren sowohl
beruflich (Kleine Zeitung, max.mobil./T-Mobile, Merck univadis.at e-Marketing) als auch privat im
Web unterwegs, immer bestrebt neue Kommunikationswege aufzuspüren und zu nutzen. Sie ist
Co-Founderin von „Die Frühstückerinnen“, FoodCamp Vienna, Coolinary Talks & Tastemaker.
Augen auf. Mund auf – Die Kraft der Werbung
Werbung und Medien erkennen, verarbeiten, verdichten und verstärken Trends in der Gesellschaft und
produzieren dadurch Haltungen und Meinungen in der Bevölkerung. Die Konsumentinnen und
Konsumenten von heute nützen neun Stunden täglich die unterschiedlichsten Medien in Form von
Internet, Radio, TV und Zeitungen. Im Jahr 2013 beliefen sich die Zahlen der Medienausgaben des
Lebensmittelhandels auf 452 Millionen Euro und von lebensmittelproduzierenden Unternehmen auf 299
Millionen Euro – insgesamt 751 Mio. Euro. Als Ergebnis sind die Konsumentinnen und Konsumenten mit
einem Überangebot von Auswahlmöglichkeiten durch (Preis-)Aktionen, Eigenmarken, Angebote aber
auch Information konfrontiert, was zu einem Verlust an Orientierung und Vertrauen führt. Befragungen
zeigten, dass Handelsketten mehr vertraut wird, als den Lebensmittelproduzenten oder den Produkten.
Deshalb setzt der Handel derzeit stark auf den Trend zu Eigenmarken.
„Marken basieren auf Vertrauen und Lifestyle.“
Dr. Astin Malschinger
Sieben Regeln der Lebensmittelkommunikation
Die Lebensmittelkommunikation muss verstärkt Vertrauen und Orientierung schaffen. Wobei durch das
Internet mittlerweile jeder Produzent über Social-Media-Kanäle, wie die eigene Homepage, Facebook,
Twitter usw., selbst ein Werbemedium generieren kann.
Für das perfekte Marketing-Gericht gibt es sieben Zutaten:
1. Die Kraft der Marke – Diese ist unübertroffen und bringt den Produzenten einen klaren Mehrwert.
Die Kunst ist darstellen zu können, warum das eigene Produkt besser ist als andere.
2. Die klare Positionierung – Darunter fallen etwa ein klares Bekenntnis zu einer Region, zu „alten“
Handwerkstraditionen, zu Design oder einem sozialen Ziel.
3. Die gute Story – Das Ganze muss in eine gute und persönliche Geschichte verpackt werden, um
zu erklären warum man so agiert, wie man agiert.
4. Der tiefgehende Content – Kundinnen und Kunden suchen zum Produkt auch tiefergehende
Inhalte – diese können heute durch Online-Medien kostengünstig angeboten werden.
5. Die tägliche Kreativität – Die Kehrseite der Online-Medien zeigt sich durch die Anforderung
täglich Neues und Kreatives bieten zu müssen – hier liegt eine der größten Herausforderungen.
6. Das Essen als Erlebnis – In einer Zeit des Überangebots muss Essen als Erlebnis inszeniert
werden, um für die Konsumentinnen und Konsumenten attraktiv zu sein.
7. Der Mut zur Einfachheit – Eine weitere Folge des Überangebots ist die Notwendigkeit der
Einfachheit. Werbung muss simplifizieren, weil die Menschen sonst die Aufmerksamkeit verlieren.
Themen – Aufmerksamkeit, Einfachheit und Ehrlichkeit
Die folgende Podiumsdiskussion mit Rudi Kobza, Dani Terbu, Astin Malschinger und Sabine Schgör
kreiste um die Bedeutung von Einfachheit und Regionalität in der Werbung. Aber auch darum, dass
Werbung ehrlich sein muss und das Produkt auch die versprochene Qualität aufweisen muss, wenn man
eine erfolgreiche Marke aufbauen will.
Besonders beim Lebensmittelkonsum wird derzeit ein Gegentrend zur Globalisierung merkbar. Die
Menschen fühlen sich überfordert von der Masse des Angebots und kehren zum „Ursprünglichen“, zur
Regionalität zurück – was gleichzeitig Identität stiftet. Denn, was wir essen definiert uns. Die zentrale
Frage lautet aber: „Wie kommt man heute noch an den Kunden ran?“ Hier zeigen sich Hersteller, die
den Konsumentinnen und Konsumenten ihre Produkte als Teil einer „stilisierten Welt“ verkaufen, als sehr
erfolgreich. Einfachheit ist deshalb ein wichtiges Schlagwort für das Marketing in der
Lebensmittelbranche.
„Aussehen spielt bei Lebensmitteln immer eine Rolle.“
Mag. Sabine Schgör
Ebenfalls wichtig ist Differenzierung und Mehrwert. Produzenten müssen sich klar werden, worin der
Mehrwert ihres Produktes für die Konsumentinnen und Konsumenten besteht und sich so gegenüber den
Eigenmarken des Handels differenzieren. Der Onlineauftritt wird hierbei zu einem immer wichtigeren
Standbein, sowohl für große als auch kleine Unternehmen, da Onlinemarketing relativ kostengünstig und
über Soziale Medien auch einfach handhabbar ist.
„Regional ist das Zauber- und Sehnsuchtswort der Menschen. Gebt mir das einfache
Ding, das ich nachvollziehen und verstehen kann.“
Rudi Kobza
Jedoch wird das Internet auch von den Konsumentinnen und Konsumenten genutzt, um sich
auszutauschen oder um mit den Produzenten in Kontakt zu treten. Es hat sich gezeigt, dass vor allem
Gastronomen noch nicht gut mit Online-Kritik umgehen können, da hier noch nicht die adäquaten
Kulturtechniken entwickelt worden sind.
WORKSHOPS
1
NEUE
ESSGEWOHNHEITEN
UND TRENDS
2
LEBENSMITTELKENNZEICHNUNG UND
LEBENSMITTELRECHT
3
FOOD WEB –
ÖSTERREICH IS(ST)
ONLINE
Am zweiten Tag der Fachtagung hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, sich aktiv
in drei Parallel-Workshops einzubringen und gemeinsame Ausblicke und Visionen zu erarbeiten: „Neue
Essgewohnheiten und Trends“, „Lebensmittelkennzeichnung und -recht“ und „Food Web – Österreich
is(st) online“ lauteten die Titel der Workshops. Die ESSEN:TIELLen Visionen der Workshops wurden beim
anschließenden Abschlussplenum der Fachtagung den anwesenden Politikern präsentiert.
Die Präsentationen und Bilder der Workshops können online unter www.academiasuperior.at/think/beitrag/fachtagung-essentiell-essbar-kostbar-leistbar.html abgerufen werden.
Neue Essgewohnheiten und Trends
Die Moral auf dem Teller
Workshop-Leiterin Univ.-Prof. Dr. Martina Kaller-Dietrich verwies am Beginn der Diskussionen darauf,
dass viele Ernährungstrends aus den USA nach Europa kommen. Ein Blick über den großen Teich ist für
Europäer also wie ein Blick in die nahe Zukunft. Ein Grund dafür könnte im höheren Grad der
Individualisierung in der US-Gesellschaft sowie am Überangebot an Möglichkeiten in den USA liegen.
Zudem hatten die USA zur Mitte des Jahrhunderts, bedingt durch den zweiten Weltkrieg, hohe
landwirtschaftliche Überschüsse im Vergleich zu Europa. Daher wurden US-Lebensmitteln nach Europa
exportiert und damit auch die Ernährungsgewohnheiten mitbeeinflusst. Die, auch in den Jahrzehnten
nach dem Krieg, andauernde hohe landwirtschaftliche Produktion in den USA ermöglichte
kostengünstige Lebensmittelexporte in alle Teile der Welt (auch in die UdSSR). Durch diesen Export von
US-amerikanischen Lebensmitteln wurden viele weltweite Trends, von den USA ausgehend, begründet.
Dabei ist die Versorgung mit ausreichend Lebensmitteln auf dem
Globus heute kein landwirtschaftliches Problem mehr, sondern
eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Bereits im 18.
Jahrhundert stellte der englische Pastor Thomas Malthus die
These auf, dass die Bevölkerung immer exponentiell, die
Nahrungsmittelproduktion jedoch nur linear anwachse. Durch die
Lücke zwischen diesen beiden Wachstumsraten entstehe eine
Hungerproblematik die – nach Malthus – nur durch Reduktion
der Bevölkerung mittels Hungersnöten, Kriegen usw. gelöst
werden kann. Diese These wird zwar immer noch oft in
Diskussionen vertreten, hat sich aber als falsch herausgestellt. Die
globale Bevölkerungsentwicklung in den letzten 200 Jahren hat
gezeigt, dass es durchaus möglich ist, die landwirtschaftliche Produktion ähnlich zu steigern wie das
Bevölkerungswachstum. Eine ausreichende Lebensmittelversorgung hängt weniger von der
Lebensmittelproduktion ab, sondern ist mehr eine Frage der Verteilung und Lagerung.
Deshalb sitzt die Moral auch immer neben uns am Tisch, wenn wir uns zur Mahlzeit niederlassen. Und
viele Ernährungstrends der Vergangenheit, Gegenwart und der Zukunft weisen eine starke moralische
Komponente auf.
Gesundheit und Bildung
Die Erkenntnis, dass eine gesunde Lebensführung, neben anderen Faktoren, stark von der richtigen
Ernährungsweise abhängt, wird in Zukunft immer dominanter werden. Hier wird ein Hauptaugenmerk auf
die Zuckerproblematik gestellt werden. Zucker, und nicht mehr Fett, ist heute der kritischste Bestandteil
unserer Ernährung. Da Fett mittlerweile weitestgehend vermieden wird, muss der Zucker einerseits als
Geschmacksträger die Funktion des Fetts übernehmen und andererseits als Konservierungsmittel für die
möglichst lange Haltbarkeit von Lebensmittel garantieren.
„Supermärkte sind wie Irrenanstalten – keiner der Mitarbeiter oder Insassen hat etwas zu
reden, zu bestimmen oder eine Ahnung wohin die Entwicklung geht.“
Univ.-Prof. Dr. Martina Kaller-Dietrich
Um den idealen persönlichen Umgang mit Ernährung finden zu können, bedarf es ausreichender
Information und Bildung. Da der Trend zu mehr Gesundheit dominant werden wird, wird
dementsprechend auch der Bedarf nach adäquater Information sowie deren Vermittlung zentral werden.
Während in Österreich Unterrichtseinheiten zur Hauswirtschaft (in deren Kontext oft auch gesunde
Ernährung näher gebracht wurde) vermehrt abgebaut werden, ist in einigen skandinavischen Ländern das
Fach Ernährungsbildung das viertwichtigste Fach in den Schulen. Vielleicht wird es eine Aufgabe der
Landwirte werden, Informationen über eine gesunde Ernährung zusätzlich zu ihren landwirtschaftlichen
Produkten anzubieten.
Gastrosexualismus – Kulinarische Künste als Statussymbol
Vor allem Männer erobern zunehmend die private Küche zu feierlichen Anlässen, um – unter hohem
Aufwand – Mahlzeiten zuzubereiten. Die alltägliche Zubereitung von Gerichten überlassen diese
sogenannten „Gastrosexuellen“ jedoch üblicherweise anderen (meist den Frauen). In diesen Kontext
sind auch die von männlichen Köchen dominierten TV-Koch-Shows einzuordnen. Sie stellen sozusagen
das öffentliche Gesicht dieses privaten Trends dar. Doch warum diese Strömung zum inszenierten Kochen
bei Männern? Aus Prestigegründen! Die Zubereitung einer aufwändigen und ausgefallenen kulinarischen
Köstlichkeit ist für den Koch mit Lob und sozialem Prestige verbunden – deshalb tendieren Männer
vermehrt dazu, bei diesen semi-privaten Anlässen groß aufzukochen.
„Das erste was ein Mann in einer Küche kauft, ist ein unglaublich teures und tolles
Messerset.“
Univ.-Prof. Dr. Martina Kaller-Dietrich
Vegetarismus, Veganismus und Freeganismus
Bereits im 19. Jahrhundert entstand ein Trend unter wohlhabenden Personen, der eine bewusstere
Lebensführung und Ernährung gegen die Fehlentwicklungen der industriellen Produktion propagierte.
Diese Lebensreformbewegung war Grundlage eines gesellschaftspolitisch motivierten Vegetarismus der
seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend Anhänger findet und derzeit im Phänomen des
Veganismus gipfelt. Begründet wurde dieses Prinzip, nachdem keine Produkte die von Tieren stammen in
der Ernährung oder Kleidung verwendet werden dürfen, im Jahr 1944 von Briten Donald Watson (19102005).
Aus dem Müll leben.
Antikapitalistische, grundsätzliche Kritik an der
„Wegwerfgesellschaft“ die eine Ernährung unabhängig
vom kapitalistischen Konsum ermöglichen soll. Hierzu
werden aus dem Müll von Supermärkten noch
verwertbare Lebensmittel gesammelt und oft in einer
Gemeinschaft von Gleichgesinnten verteilt und so die
Prinzipien der in der linken Szene entwickelten Konzepte
der sogenannten Volxküchen, Umsonstläden und
Tauschringe ausgeweitet. Dies geschieht teilweise in
Verbindung mit dem Konzept der Sharing Economy.
Vegetarismus, Veganismus und Freeganismus kombinieren die persönliche Ernährungsweise mit
gesellschaftspolitischer Kritik, adressieren dabei auf ein junges Publikum und stellen den Anspruch der
kollektiven Heilung durch (vegane) Ernährung aus der Mülltonne. Die umweltgerechte, nachhaltige,
regionale Ernährungsweise findet bei den derzeitigen Trendsettern vegetarischer/veganer oder freeganer
Ernährung jedoch kaum oder gar keine Beachtung. Ähnlich wie beim Mainstream der Konsument. Hier
liegt noch ein großes Potential.
Preisentwicklungen bei Lebensmitteln
Wie zentral die Frage der Lebensmittelpreise ist, zeigt sich daran, dass z.B. die Revolutionswelle des
Arabischen Frühlings im engen Zusammenhang mit einem gestiegen Brotpreis in den jeweiligen Ländern
stand. Dabei sind gerade in den westlichen Märkten vor allem die Verpackungen und das Marketing
zentrale Faktoren für die Lebensmittelpreise in Supermärkten – während die Erzeugerpreise der
Lebensmittel konstant niedrig bleiben. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Konsumenten makellose Produkte
in den Regalen erwarten. Deshalb werden in den Supermärkten ein Drittel der frischen Lebensmittel
weggeworfen oder verderben – was indirekt in die Preise einfließt. Direkt beim regionalen Erzeuger zu
kaufen, ist meist billiger – jedoch muss man dafür auch mehr Zeit investieren, die viele in der heutigen
Zeit nicht mehr haben.
Ein gesundes und souveränes Ernährungsverhalten kostet also weniger Geld aber mehr Zeit. Es besteht
für die Zukunft die Notwendigkeit für Ideen um den Zeitverbrauch für dieses Verhalten zu reduzieren um
es breiteren Bevölkerungsschichten möglich zu machen.
Lese-Tipp:
Frances Moore Lappe/ u.a., World Hunger. Twelve Myths. Grove Press 1998.
Michael Pollan, Cooked. A natural history of transformation. Penguin Press HC 2013.
Michael Pollan, Food Rules. An eater’s manifesto. Penguin Books 2009.
Carsten Otte, Der gastrosexuelle Mann. Kochen als Leidenschaft. Campus Verlag 2014.
Marin Trenk, Döner Hawaii. Unser globalisiertes Essen. Klett-Cotta 2015.
Lebensmittelkennzeichnung und
Lebensmittelrecht
Bildung – Information – Vertrauen
Mit 13. Dezember 2014 tritt die EU-Verbraucherinformationsverordnung Nr. 1169/2011 zur
Lebensmittelkennzeichnung in Kraft. Diese regelt, wie verpackte Lebensmittel in allen 28 EUMitgliedstaaten einheitlich zu kennzeichnen sind. Sie gilt zum Schutz und zur Information für alle 450
Millionen Konsumentinnen und Konsumenten in der europäischen Gemeinschaft. Das Inkrafttreten der
neuen Verordnung wurde zum Anlass genommen, um in diesem Workshop die Grundthematik der
Lebensmittelkennzeichnung und des Lebensmittelrechts noch einmal zu diskutieren und gemeinsam mit
Studierenden auf ihre regionale Bedeutung hin zu befragen.
Workshop-Leiter DI Oskar Wawschinek stieg mit allgemeinen Fragen und Anregungen in die
Diskussionen ein: Was für einen Zugang gibt es auf unterschiedlichen Ebenen zur Lebensmittelkennzeichnung? Wie nützlich und nutzbar ist die Information, die wir über Lebensmittel erhalten? Gibt es
zu viel Information und Kennzeichnung oder zu wenig? Sind die derzeit gültigen ca. 13.000 Gesetze und
Verordnungen in diesem Bereich für die Österreicherinnen und Österreicher noch überschaubar und für
die Konsumentinnen und Konsumenten dienlich?
„Was ich esse, will ich selbst entscheiden.“
DI Oskar Wawschinek, MAS, MBA
Ein Diskussionsteilnehmer brachte ein, dass wir das, was aus der EU kommt, nicht mehr ändern können.
Er sieht dort eine starke Lobby für gewisse Interessen. Deshalb muss für jede und jeden Einzelnen gelten:
„Was in der EU passiert, muss uns interessieren!“ Speziell Kleine haben jedoch oft keine Möglichkeit,
Wünsche einzubringen, weshalb viele mit den Verordnungen, die aus Brüssel kommen, unzufrieden sind.
Macht die EU nur Politik für die Großen? Die Umstellung auf das neue System hat laut Auskunft der
Unternehmen in Österreich ca. 80 Millionen Euro Kosten verursacht. Ist das gerechtfertigt und vertretbar?
Allergien und Giftstoffe
Nur drei Prozent der Bevölkerung sind Allergikerinnen und Allergiker. Diese werden auch in Zukunft
genau darauf achten und nachfragen müssen, was in ihren Lebensmitteln steckt, meinten einige
Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Aber die Allergene werden für 97 Prozent der NichtBetroffenen auf den Verpackungen angeführt. Wird hier mit einer riesen Kanone auf Spatzen
geschossen?
Was soll uns die neue Lebensmittelinformation überhaupt bringen? Die grundsätzliche Idee dahinter ist
eine Verbesserung der Verfügbarkeit von Informationen für Konsumentinnen und Konsumenten im
Vergleich zu früher. Trotzdem gilt als wichtiger Punkt die Eigenverantwortung. Doch die kommt nur dann
zum Tragen, wenn die Informationen, die dazu benötigt werden, auch verfügbar sind. Das heißt
diejenigen, die sie haben, müssen sie hergeben. Wissen die Menschen – abseits der Kennzeichnung –
was die Lebensmittel wirklich enthalten und wie sie hergestellt wurden? – In den Diskussionen während
der Tagung wurden in diesem Zusammenhang etwa die medikamentöse Behandlung von Tieren oder
Reinigungsprozesse mit Chemikalien angesprochen.
Man kann sich hier jedoch auf das „General Food Law“ berufen,
in dem verordnet ist, dass jede und jeder, der ein Lebensmittel in
den Verkehr bringt, Lebensmittelunternehmer bzw. -unternehmerin
ist und für die Sicherheit der Lebensmittel Sorge zu tragen hat.
Dazu gehören auch sämtliche Arten von Produktbehandlung,
Hygiene, etc. Laut DI Oskar Wawschinek bestehen hier große
Unterschiede zwischen wissenschaftlichen Ergebnissen und deren
journalistischer Aufbereitung. So etwa der jüngste Skandal um
Giftstoffe im Mineralwasser, die erst einen Schwellenwert
erreichen, würde man 8.000 Liter pro Tag trinken.
Ganz klar gibt es hier ein Missverhältnis zwischen tatsächlichem
Risiko und Risikowahrnehmung. „Was ist gefährlicher für ein Kind:
das Haus eines Freundes, in dem es Waffen und ein Schwimmbad
gibt oder ein Haus in dem es nur Waffen oder nur ein
Schwimmbad gibt? Eltern neigen dazu, Waffen als risikoreich
einzuschätzen, obwohl weit mehr Unfälle mit Kindern im
Schwimmbad passieren“, betonte DI Wawschinek.
Problematiken und Lösungen
Drei Problematiken lassen sich aus den Diskussionen des Workshops zusammenfassen:
1. Es gibt zu wenige bzw. falsche Einflussnahmen auf Entscheidungsträgerinnen und -träger, speziell
in Brüssel
2. Es gibt zu viele Regelungen, sodass die Übersicht verloren geht
3. Nährwertangaben helfen nicht, wenn man sie nicht einordnen kann
Klare Antworten auf diese Problematik lassen sich aufgrund der Komplexität des Themas nicht geben.
Speziell in der Lebensmittelbranche spielen alle Bereiche, von den Herstellungsbedingungen, den
Transportwegen, der Kennzeichnung bis zur Preisbildung und der Information, in der Thematik eine Rolle.
Langzeitfolgen einzelner Maßnahmen sind aufgrund der Komplexität der zusammenwirkenden Faktoren
oft nicht absehbar.
Der primäre Ansatzpunkt muss folglich die Bildung sein, was einer vermehrten vertrauenswürdigen
Information, z.B. auch in den Schulen, bedarf. Die Fragen müssen lauten: Wie viel Information ist nötig
oder sinnvoll und erzeugt eine Kennzeichnung bereits das nötige Vertrauen?
Es scheint, dass diejenigen Personen, die sich mit dem Thema beschäftigten, auch mit der neuen
Verordnung immer noch nicht die Informationen über ein Lebensmittel auf der Verpackung finden, die sie
wissen möchten (z.B. Herstellungsland, Verarbeitungsgrade, etc.) und es für diejenigen, die es nicht
interessiert, ohnedies keinen Unterschied macht bzw. ein „Mehr an Information“ mitunter kontraproduktiv
wirkt.
Hier gilt: Information ist etwas grundsätzlich anderes als Bildung. Durch Bildung lernt man, die
gegebenen Informationen zu deuten. Diese Fähigkeit zu vermitteln liegt in der lokalen Verantwortung.
Deshalb müssen auch in Oberösterreich Maßnahmen gesetzt werden, diese Bildung, mit deren Hilfe die
Informationen erst bedeutungsvoll werden, vermehrt vermitteln zu können.
Nur durch begleitende Bildungsmaßnahmen kann das „Mehr an Information“ zu einem „Mehr an
Vertrauen“ in die regionale Lebensmittelproduktion führen.
Info-Tipp:
Arbeiterkammer Oberösterreich, Allergene – Wer muss künftig informieren?. Linz 2014. URL:
ooe.arbeiterkammer.at/beratung/konsumentenschutz/ernaehrung/Allergene__Wer_muss_kuenftig_infor
mieren_.html
Europäische Kommission, Fragen und Antworten zur Anwendung der Verordnung Nr. 1169/2011.
Brüssel 2013. URL:
ec.europa.eu/food/food/labellingnutrition/foodlabelling/docs/qanda_application_reg11692011_de.pdf
Europäische Kommission, Leitfaden für zuständige Behörden zur Kontrolle der Verordnung Nr.
1169/2011. Brüssel 2012. URL:
ec.europa.eu/food/food/labellingnutrition/nutritionlabel/guidance_tolerances_december_2012_de.pdf
Bundesministerium für Gesundheit, FAQ zur Anwendung der Verordnung Nr. 1169/2011. URL:
bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/VerbraucherInnengesundheit/Lebensmittel/FAQ_zur_Anwendung_der_Ve
rordnung_EU_Nr_1169_2011_betreffend_die_Information_der_Verbraucher_ueber_Lebensmittel_LMIV
FoodDrink Europe, Guidance on the Provision of Food Information to Consumers. Brüssel 2013. URL:
www.fooddrinkeurope.eu/uploads/publications_documents/FDE_Guidance_WEB.pdf
Food Web – Österreich is(st) online
Social Media und Essen - wie passt das zusammen?
Workshop-Leiterin Mag. (FH) Dani Terbu diskutierte mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern über die
neuen Möglichkeiten, die sich durch das Web für Produzenten wie Konsumentinnen und Konsumenten
von Lebensmitteln auftun. Vor allem darüber wie das Web und Social Media dazu genützt werden
können, um Informationen rund ums Thema Essen und Lebensmittel zu recherchieren, Aufmerksamkeit
auf die eigenen Produkte zu lenken oder sich zu vernetzen.
Geschmack aus dem Netz – Österreich isst online
Die Möglichkeiten im Internet sind mittlerweile grenzenlos. Fast jeder Lebensmittelproduzent oder händler unterhält bereits einen Onlineauftritt. Für die Konsumentinnen und Konsumenten wird dadurch
gleichzeitig die Orientierung zunehmend erschwert und für kleine lokale Produzenten besteht die Gefahr
nicht mehr wahrgenommen zu werden. Als Lösung für dieses Dilemma präsentierte Mag. (FH) Dani Terbu
u.a. die Plattform „Taste Austria“ – durch die kulinarische Klein(st)betriebe in Österreich entdeckt werden
können und wodurch jeder und jede einen Überblick zu den spezialisierten Nahversorgern und
Lebensmittelproduzenten in seiner/ihrer Umgebung bekommen kann. Mobil und direkt aufs Smartphone
mit Hintergrundinformationen zum jeweiligen Unternehmen.
„Menschen die sich viel mit Essen beschäftigen gehen eher zurück zur Einfachheit.“
Mag. (FH) Dani Terbu
Derartige Plattformen im Internet tragen dem zunehmenden Bedürfnis der Konsumentinnen und
Konsumenten nach mehr Information und regionaler Lebensmittelversorgung Rechnung. Vernetzung auf
lokaler Ebene ist ein wichtiger Baustein für die Dynamik der lokalen und kleinteiligen
Lebensmittelbranche in Zukunft.
Von Food Bloggern und Food Camps
Food-Blogger sind eine neue Online-Spezies. Menschen die sich über ihre Essgewohnheiten in Blogs
austauschen, die Rezepte erfinden und teilen oder generell übers Essen schreiben. Derzeit gibt es bereits
über 120 österreichische Food-Blogs.
Im Jahr 2012 wurde das erste FoodCamp in Wien organisiert und stellt mittlerweile die größte Konferenz
für Food-Blogger im deutschsprachigen Raum dar. Zahlreiche Food-Blogger und Expertinnen und
Experten aus dem Lebensmittelbereich nutzen diese Veranstaltung zum Vernetzen und Austauschen. Die
Blogger leisten dabei selbst jeweils einen kleinen Beitrag zum Thema und berichten live und nach der
Veranstaltung vom Geschehen.
„Websites werden nicht mehr aufgerufen, man wartet bis der Content zu einem kommt.”
Mag. (FH) Dani Terbu
Für regionale und kleine Lebensmittelproduzenten eröffnen sich durch das Internet und die neuen
Plattformen relativ kostengünstige Wege, um auf die eigenen Produkte aufmerksam zu machen. Auch der
Nachfrage vieler Konsumentinnen und Konsumenten nach Lebensmitteln aus der regionalen oder sogar
lokalen Produktion kommt das Web entgegen. Im Netz kann bequem nach Produzenten in der Nähe
gesucht werden. Auf diese konnte man früher nur über persönliche Kontakte aufmerksam gemacht
werden – und wenn man diese nicht hatte bestand eine gewisse Hemmschwelle zwischen potentiellen
Kundinnen bzw. Kunden und Produzenten. Gerade für Landwirtinnen und Landwirte in Oberösterreich
könnte in einer stärkeren Wahrnehmung der Möglichkeiten der Online-Vermarktung der eigenen
Produkte ein Schlüssel für zukünftiges Wirtschaften liegen und gleichzeitig eine Stärkung der regionalen
Wirtschaftskreisläufe gesichert werden, die so auch krisenresistenter werden könnten.
Der Workshop stellte drei Thesen auf, welche Lebensmittelproduzenten die online gehen wollen,
beherzigen sollten, um langfristig erfolgreich zu sein:
1) Kommunikation & Geschichten gehen vor. Verkauf folgt danach
2) Inhalte müssen im Social Web verteilt werden. Denn: fast niemand sucht mich proaktiv
3) Erfolgreiche Web-Projekte bzw. Plattformen müssen Nutzen stiften und mit Leidenschaft betrieben
werden
Web-Tipp:
Taste Austria: www.tasteaustria.at
Österreichische Food Blogger: www.foodblogger.at
FoodCamps: www.foodcamp.coolinarysociety.com
Die Frühstückerinnen: www.diefruehstueckerinnen.at
Das ist doch noch gut: www.dasistdochnochgut.at
My Product: www.myproduct.at
The Coolinary Society: www.coolinarysociety.com
Literatur
Academia Superior, Public Health Bericht Oberösterreich. Schwerpunkt Ernährungs- und
bewegungsassoziierte Gesundheit. Linz 2013. URL: www.academiasuperior.at/de/publikationen/artikel/gesundheitsstudie-oberoesterreich.html
Amt der Oö. Landesregierung/ Abteilung Land- und Forstwirtschaft, Grüner Bericht 2014. 33. Bericht
über die wirtschaftliche und soziale Lage der oberösterreichischen Land- und Forstwirtschaft in den
Jahren 2011-2013. Linz 2014. URL: www.gruenerbericht.at/cm3/download/finish/109-gruenerbericht-oberoesterreich/1501-gruener-bericht-oberoesterreich-gb-2014/0.html
Amt der Oö. Landesregierung/ Abteilung Land- und Forstwirtschaft, Bauernland Oberösterreich. Linz
2013. URL: www.land-oberoesterreich.gv.at/files/publikationen/LFW_bauernland_ooe.pdf
BMLFUW, Lebensmittel in Österreich. Zahlen-Daten-Fakten 2013. Wien 2014. URL:
http://www.bmlfuw.gv.at/land/lebensmittel/lebensmittelbericht/lebensmittel_in_oe.html
BMLFUW, Grüner Bericht 2014. Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft.
Wien 2014. URL: http://www.gruenerbericht.at/cm3/download/finish/82-gruener-berichtoesterreich/1392-gruener-bericht-2014/0.html
Gottlieb Duttweiler Institute, Das nächste Bio. Die Zukunft des guten Konsums. Zürich 2014.
Heinrich Böll Stiftung, Fleischatlas 2014. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel. Berlin ³2014.
URL: www.boell.de/sites/default/files/fleischatlas2014_kommentierbar_1.pdf
Institut für Ernährungswissenschaften (Hg.), Österreichischer Ernährungsbericht 2012. Wien 2012. URL:
www.bmg.gv.at/cms/home/attachments/4/5/3/CH1048/CMS1348749794860/oeb12.pdf
Schellhaas Sebastian (Hg.), Die Welt im Löffel. Kochen, Kunst, Kultur. Kerber Verlag. Berlin 2012.
Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Wege aus der Hungerkrise. Die Erkenntnisse und Folgen des
Weltagrarberichts. Vorschläge für eine Landwirtschaft von morgen. Berlin 2013. URL:
www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/Neuauflage/WegeausderHungerkrise_origin
al.pdf
Weitere Informationen zur Fachtagung ESSEN:TIELL, Bilder und die Präsentationen der Referentinnen und
Referenten sind auf der Website der ACADEMIA SUPERIOR abrufbar unter:
www.academia-superior.at/think/beitrag/fachtagung-essentiell-essbar-kostbar-leistbar
Trends und Innovationen
In Anlehnung an einen neuen Ansatz zur Untersuchung von Innovationsprozessen12 stellt folgende Grafik
Innovationen und Trends im Lebensmittelsektor dar. Auf sieben Stufen von der Vision bis zur Alltäglichkeit
auf den zwei Achsen des Bewusstseinswandels und des technologischen Fortschritts/ bzw. Konsumtrends.
Beide Dimensionsachsen umfassen eine Zone des „sozialen oder technischen Durchbruchs“ in denen
sich entscheidet, ob eine Innovation oder ein Trend den Durchbruch in den Alltag schafft. Jede
Innovation und jeder Trend muss mehrere Stadien passieren um zu einer umwälzenden Neuerung zu
werden. Der Stand dieser Prozesse ist hier für einige bedeutsame Innovationen im Ernährungs- und
Lebensmittelbereich dargestellt.
12
Dieser Ansatz wurde vom Schweizer Gottlieb Duttweiler Institute und CISCO entwickelt, siehe: Gottlieb Duttweiler
Institute, GDI Impuls. Nr. 4/2014, S. 34.
Die Trends und Innovationen im Einzelnen
 Technologien: technische Innovationen, die Einfluss auf unsere Ernährung nehmen werden oder
nehmen können
 Konsumtrends: Ernährungsweisen und nachgefragte Lebensmitteltypen, die in neuen Ernährungsgewohnheiten resultieren
 Landwirtschaftliche Methoden: neue landwirtschaftliche Methoden oder Geschäftsmodelle – oft mit
Einfluss auf die Art der Ernährung
 Big-Data
Einsatz von Big-Data Analysen in
der landwirtschaftlichen Produktion
 Biokonsum
Ernährung mit Lebensmitteln aus
biologischer Landwirtschaft
 Lebensmitteltransparenz
Verstärkte Nachfrage nach
Informationen über konsumierte
Lebensmittel
 Biosphären Heim-Farmen
Autarke Gemüsegarten in Wohnungen
für Gemüse, Fische, Algen etc.
 Convenience Food
Vorgefertigte Lebensmittel die
„bequem“ zubereitet werden
können
 Veganismus
Lebens- und Ernährungsweise, lehnt
jede Nutzung von Tieren und tierischen
Produkten ab
 Diagnostische Küche
Sensor im Menschen sendet Nährstoffbedürfnisse an Küche. Scanner wählen
benötigte Lebensmittel aus
 Ess-Phobien
Übertrieben Ängste vor falschen
Lebensmittelkonsum oder
Inhaltsstoffen
 Vegetarismus
Ernährungsweise nur mit pflanzlichen
Lebensmitteln und Produkten vom
lebenden Tieren
 Food Printer
Gerichte oder Lebensmittel entstehen in
Printer durch schichtweisen Aufbau
einzelner Moleküle
 Ethno-Food
„Exotische“ Gerichte aus anderen
Weltregionen oder Kulturen
 Biologische Landwirtschaft
Verzicht auf Gentechnik,
Mineraldünger und viele
Pflanzenschutzmittel
 Grüne Gentechnik
Gezielte Eingriffe ins Erbgut von
Pflanzen und Tieren
 Functional Food
Mit Inhaltstoffen angereicherte
Lebensmittel, die (angebliche)
Effekte auf die Gesundheit haben
 Community Supported Agriculture
Landwirte und Konsumenten
produzieren Lebensmittel in einer
Kooperation
 In-vitro Fleisch
Tierisches Fleisch, das im Labor
gezüchtet wurde und nie zu einem
Tier gehörte
 Individualisierte Nahrung
Abstimmung von Lebensmittel- und
Nährstoffkonsum auf die persönliche
Ernährungsweise
 Insekten-Farmen
Aufzucht von Insekten als
Nahrungsmittel im großen Stil
 Lebensmittel-Abholstationen
Online bestellte Lebensmittel werden
mittels Drohnen an Abholstationen vor
Häusern geliefert
 Regionalität
Ernährungsweise die primär Produkte
aus der umgebenden Region bezieht
 Urban Farming
Nutzung urbaner Gebäude zum Anbau
von Lebensmitteln im großen Stil
 Onlineplattformen
Landwirte nutzen Onlineangebote für
regionale Vermarkung – in regionalen
Lebensmittelkreisläufen
 Superfoods
Lebensmittel denen eine besondere,
aber natürliche, gesundheitliche
Wirkung zugeschrieben wird
 Urban Gardening
Kleinräumige Nutzung unbebauter,
urbaner Flächen zum Gartenbau
Empfehlungen
Lokale Lebensmittelkreisläufe stärken
Lokale Lebensmittelkreisläufe stellen einen wesentlichen Faktor für die wirtschaftliche Dynamik und
Resilienz ländlicher Regionen dar. Sind somit essentiell für die Attraktivität dieser Räume


Direktvermarktung von Landwirtinnen und Landwirten fördern



Sensibilisierung von Landwirtinnen und Landwirten für Potenziale von Online-Marketingmaßnahmen

Entwicklung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei direkt vermarkteten Produkten
Aufbau von Onlineplattformen, über die Kundinnen und Kunden Produktinformationen und Kontakt
zu lokalen Direktvermarkterinnen und Direktvermarktern sowie zu lokalen gewerblichen
Lebensmittelproduzentinnen und -produzenten erhalten
Marketingkurse speziell für Landwirtinnen und Landwirte anbieten
Förderung von innovativen Ideen und Geschäftsmodellen zur Direktvermarktung und für lokale
Lebensmittelproduzentinnen und Produzenten
Forschung im Bereich Big Data und Landwirtschaft initiieren
Big Data-Analysen können auch in der Landwirtschaft zu verbesserten Produktionsformen und
-ergebnissen führen

Potenziale von landwirtschaftlichen Big Data-Analysen prüfen. Welche Daten sind vorhanden und
welche sind notwendig?

Test-Analysen in Bereichen mit genügend Datenmaterial durchführen um Potenziale bestimmen zu
können
Wissen zu neuen Geschäftsmodelle für Lebensmittelvertrieb verbreiten
Lebensmittelproduzentinnen und -produzenten können mit innovativen Vertriebsmodellen neue
Perspektiven entwickeln


Amerikanische Food Trucks als Vorbild für heimische Anbieterinnen und Anbieter promoten
Lebensmittelbestellungen online und Lieferungen an Abholstationen auch für kleine Produzentinnen
und Produzenten ermöglichen
Kampagne für regionalen und saisonalen Lebensmittelkonsum forcieren
Die steigende Nachfrage von Konsumentinnen und Konsumenten nach regionalen Produkten sollte durch
eine Sensibilisierung für saisonalen Konsum begleitet werden


Kampagnen für regionalen Konsum um die Komponente des saisonalen Konsums erweitern
Indirekte Sensibilisierung von Konsumentinnen und Konsumenten für saisonalen Konsum, z.B. durch
Verbreitung von Wissen über die Techniken um regionale Lebensmittel länger haltbar zu machen
Ernährungsbildung im Schul- und Bildungswesen verankern
Die Forderungen von Konsumentinnen und Konsumenten nach mehr Informationen über die
konsumierten Lebensmittel müssen durch Bildungsmaßnahmen flankiert werden


Thematik der Ernährungsbildung in den Schulunterricht aller Unterstufentypen integrieren

Hochwertiges, regionales und saisonales Angebot in Schul-, Hort- und Kindergartenverpflegungen
Neuausrichtung der Lehrinhalte in Hauswirtschafts- oder Kochunterricht entlang der Bedürfnisse der
Ernährungsbildung (Vorbilder in Skandinavien)
Kampagne für heimische „Superfoods“ lancieren
Heimische Lebensmittel, wie Paprika, Sauerkraut, Walnüsse, Krautsalat usw., weisen häufig höhere
Konzentrationen von Inhaltstoffen auf als exotische „Superfoods“

Eine Sensibilisierungskampagne für deren gesundheitliches Potenzial bei heimischen Konsumentinnen
und Konsumenten könnte die Nachfrage erhöhen

Eine Sensibilisierungskampagne für deren Vermarktungspotenzial bei heimischen Produzentinnen und
Produzenten könnte das Angebot erhöhen
Herkunftskennzeichung von Lebensmittel weiter diskutieren
Konsumentinnen und Konsumenten wählen Produkte häufig nach ihrer Herkunft aus. Bewusste
Irreführungen auf Verpackungen führen zur Verunsicherung in der Bevölkerung


Diskussionen zu verbesserten und kreativen Formen der Herkunftskennzeichnung weiterführen
Indirekte Kennzeichnungs- und Informationsmöglichkeiten andenken, z.B. detaillierte
Herkunftsangaben für sämtliche Bestandteile eines Produktes online zugänglich machen und auf der
Verpackung nur die Webadresse der Informationsseite des Produktes anfügen
Gesundheitlich relevante Kennzeichnungen auf Verpackungen weiter diskutieren
Konsumentinnen und Konsumenten können durch optische Kennzeichnungen rascher relevante
Informationen auffassen. Positivkennzeichungen sind hierbei zu bevorzugen

Konzepte zur einfachen Kennzeichnung gesundheitlich relevanter Inhaltsstoffe, wie etwa durch ein
Ampel- oder Schlüssellochsystem, weiterentwickeln

Neue Kennzeichnungsmodelle in Test-Supermärkten oder Regionen erproben
Ganzheitliche Sicht auf heimische Lebensmittelbranche etablieren
Landwirte und Landwirtinnen werden häufig unabhängig vom Lebensmittelgewerbe oder der
Lebensmittelindustrie betrachtet. Eine gesamtheitliche Perspektive und stärkere Vernetzung dieser Sphären
kann neue Perspektiven eröffnen

Stärkere Vernetzung der Tätigkeiten des Lebensmittel-Cluster Oberösterreich und der
Landwirtschaftskammer Oberösterreich

Intensivere Kooperation von oberösterreichischen Forschungsstellen im Lebensmittelbereich mit
Lebensmittel-Cluster OÖ und Landwirtschaftskammer OÖ
ACADEMIA SUPERIOR – Ein Think Tank für
Oberösterreich
ACADEMIA SUPERIOR – Gesellschaft für Zukunftsforschung macht
es sich zur Aufgabe, aktuelle ökonomische, gesellschafts- und
sozialpolitische Herausforderungen auf oberösterreichischer, nationaler und internationaler Ebene zu identifizieren.
ACADEMIA SUPERIOR ist nicht nur ein „Think Tank“, sondern ein „Do Tank“ für Oberösterreich, die heimische
Politik und Wirtschaft, aber auch über die Grenzen Oberösterreichs hinaus. Neugierde, Innovationsgeist und die
Fähigkeit, auf aktuelle Herausforderungen die richtigen Antworten zu finden, sind die Zutaten für erfolgreiches
Wirtschaften und eine erfolgreiche Politik in immer schneller werdenden Zeiten. Als Obmann steht LR Mag. Dr.
Michael Strugl, MBA dem gemeinnützigen Verein vor. Die wissenschaftliche Leitung hat Univ.-Prof. Dr. Markus
Hengstschläger inne. Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer ist Vorsitzender des Kuratoriums.
Nähere Information unter www.academia-superior.at
„DAS BESTE FÜRS LAND KOMMT AUS UNSERER HAND“
Mit der Lebensmittel- und Ernährungskampagne des Landes Oberösterreich
soll in Erinnerung gerufen werden, was die Bäuerinnen und Bauern sowie die
Lebensmittelproduzenten tagtäglich für Oberösterreich leisten. Vom Ur-Korn
bis hin zum fertigen Produkt – die Bäuerinnen und Bauern sind gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft Garanten
für die Versorgung mit Qualitätslebensmitteln und erbringen nebenbei vielfältige Leistungen für die Gesellschaft. Im
Zuge dieser Kampagne tourte Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger gemeinsam mit Ernährungsexperten Mag.
Christian Putscher durch Oberösterreich und räumte mit Ernährungsirrtürmern auf. Bei fünf regionalen
Veranstaltungen erhielten die Konsumentinnen und Konsumenten auf unterhaltsame und informative Weise
zahlreiche Antworten zum Thema Ernährung. Schließlich ist wichtig, zu wissen, was man isst und was auf den
eigenen Körper, aber auch auf die Gesellschaft Auswirkungen hat.
Nähere Information unter www.dasbestefürsland.at
LEBENSMITTEL-CLUSTER OÖ
Um Entwicklungen aufzuzeigen und Betriebe dabei zu unterstützen, die
Chancen des Marktes auch wahrzunehmen, wurde in Oberösterreich in den
letzten Jahren ein Netzwerk aufgebaut, das sich über die gesamte
Wertschöpfungskette erstreckt: der Lebensmittel-Cluster Oberösterreich. Als gemeinsames Projekt der WKO
Oberösterreich sowie des Landes Oberösterreich hat sich der Lebensmittel-Cluster OÖ als branchenübergreifende
Schnittstelle, als Ansprechpartner und Kontakt-Drehscheibe der Lebensmittelwirtschaft etabliert. Die 260 Partner des
Lebensmittel-Cluster OÖ spiegeln das facettenreiche Bild der Branche wider – von der agrarischen Seite bis hin zu
den lebensmittelproduzierenden Betrieben, Handel und Gastronomie, Verpackungsproduzenten und diversen
Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Der Lebensmittel-Cluster Oberösterreich ist Österreichs größtes und erstes
Lebensmittelnetzwerk, das alle wesentlichen Akteure der oö. Lebensmittelwirtschaft miteinander verknüpft und ein
günstiges Umfeld für Innovationen schafft.
Nähere Information unter www.lebensmittel-cluster.at
Impressum
ACADEMIA SUPERIOR – Gesellschaft für Zukunftsforschung
c/o Johannes Kepler Universität Linz, Science Park 2
Altenberger Straße 69
4040 Linz
Tel: 0732/77 88 99
[email protected]
www.academia-superior.at
© Dezember 2014 ACADEMIA SUPERIOR
Bericht erstellt von:
Mag. Michael Hauer
unter der Mitwirkung von:
DI Bernadette Hinterdorfer, Mag. Andrea Kasberger, Dr. Claudia Schwarz, DI Margit Steinmetz-Tomala
und den Referentinnen und Referenten der Fachtagung
Project Partners
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